behinderte Menschen - LAG Niedersachsen WfbM
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Beh inderten hilfe<br />
Neubestimmung der Werkstatt für<br />
<strong>behinderte</strong> <strong>Menschen</strong><br />
Eckpunktepapier der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie über die zukünftige Bedeutung der<br />
Werkstätten im System der beruflichen Rehabilitation.<br />
()<br />
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Vorwort<br />
Die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V (CBP) ist<br />
ein anerkannter Bundesfachverband im Deutschen Caritasverband.<br />
Fast 1000 Mitgliedseinrichtungen begleiten und betreuen<br />
mit circa 41 .500 Mitarbeitenden rund 150.000 <strong>Menschen</strong><br />
mit Behinderung oder mit psychischer Erkrankung und unterstützen<br />
ihre selbstbestlmmte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.<br />
Arbeit ist die gesellschaftlich anerkannte Art, an der Gestaltung<br />
und Veränderung der Welt mit den jeweiligen individuellen<br />
Fertigkeiten, Fähigkeiten und persönlichen Vorstellungen mitzuwirken.<br />
Diese Mitwirkung ist Recht und zugleich Aufgabe jedes<br />
<strong>Menschen</strong>. Arbeit ist ein Handeln in Beziehung zu anderen <strong>Menschen</strong>.<br />
Aus dieser Teilhabe schöpfen die <strong>Menschen</strong> Anerkennung<br />
und Bedeutung - für sich selbst und im Verhältnis zu anderen.<br />
Daraus resultieren Wertschätzung und das Gefühl von<br />
Selbstwirksamkeit. Arbeit ist somit ein nicht hoch genug einzuschätzender<br />
Baustein für realisierte Gleichberechtigung von<br />
<strong>Menschen</strong>, ob mit oder ohne Behinderung.<br />
Ungeachtet der Art und Schwere der Behinderung ist die umfassende<br />
Teilhabe am Arbeitsleben für alle <strong>Menschen</strong> mit Behinderung<br />
ein wesentlicher Bestandteil der Forderungen der Behindertenrechtskonvention<br />
der Vereinten Nationen (UN-BRK). Die<br />
Konvention fordert einen umfassenden Zugang aller <strong>Menschen</strong><br />
mit Behinderung und/oder psychischer Erkrankung zum allgemeinen<br />
Arbeitsmarkt. Zugleich werden ebendort die berufliche<br />
Wahlfreiheit, die Ermöglichung einer entsprechenden Ausbildung<br />
sowie die notwendige Unterstützung unter Berücksichtigung<br />
der individuellen Bedar-fe gefordert.<br />
Mit diesen Eckpunkten beschreibt der CBP seine Leitgedanken<br />
zur Neubestimmung der Aufgabe der anerkannten Werkstatt<br />
für behindede <strong>Menschen</strong> im Kontext der UN-BRK und der<br />
Teilhabe <strong>behinderte</strong>r <strong>Menschen</strong> am Arbeitsleben. Der CBP setzt<br />
mit den Eckpunkten neue Akzente für die politische Diskussion<br />
über die zukünftige Bedeutung der Werkstätten im System der<br />
beruflichen Rehabilitation.<br />
Der Begriff: Werkstatt<br />
Die sprachliche Verwendung des Begriffes der ,,Werkstatt für<br />
ten Fassung ,,Werkstatt" wird er in unterschiedlichen Zusammenhängen<br />
benutzt.<br />
' I Die ,,Werkstatt" ist zum einen der Ort, an dem <strong>behinderte</strong><br />
<strong>Menschen</strong> arbeiten und tätig werden, und umfasst vor allem<br />
die Gebäude (,,lch arbeite in einer Werkstatt"). Der Begriff<br />
,,Werkstatt" beschreibt zum Zweiten vielfach auch den<br />
Rechtsträger mit der rechtlichen Zuordnung und der rechtlichen<br />
Zugehörigkeit (,,lch bin bei der Werkstatt angestellt").<br />
,, Der Begriff ,,Werkstatt" beinhaltet zum Dritten die konzeptionelle<br />
Grundidee und das tatsächliche Handeln einer Einrichtung<br />
im Rahmen der beruflichen Teilhabe <strong>behinderte</strong>r <strong>Menschen</strong>.<br />
Diese Grundidee ist vom Gesetzgeber definierl und<br />
nledergelegt in $$ 136 ff. SGB lX.<br />
lm Folgenden wird der Begriff ,,Werkstatt" verwendet im Sinne<br />
der konzeptionellen Grundidee.<br />
Eckpunkte des CBP<br />
1. Auch <strong>Menschen</strong> mit Behinderung haben einen Anspruch<br />
darauf, im allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein<br />
Die berufliche Teilhabe aller <strong>Menschen</strong> in erwerbsfähigem Alter<br />
findet in Deutschland vor ailem im ersten Arbeitsmarkt statt. Sie<br />
wird getragen durch einen Arbeitsvertrag, in dem sich der/die<br />
Arbeitnehme(in) zur Arbeitsleistung und der Arbeitgeber zur<br />
Lohnzahlung gegenseitig verpflichten. Diese Regel gilt auch,<br />
wenn der/die Arbeitnehmer(in) eine Behinderung hat.<br />
Die wesentliche Voraussetzung für die Einbindung im allgemeinen<br />
Arbeitsmarkt ist die Fähigkeit und Bereitschaft zur Erbringung<br />
einer Arbeitsleistung aufseiten des Arbeitnehmers/der<br />
Arbeitnehmerin und die dann folgende vertragliche Verpflichtung<br />
dazu. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass der/die Arbeitnehme(in)<br />
auch tatsächlich eine Leistung erbringen kann. Diese<br />
Arbeitsleistung und ihre wirtschaftliche Wertschätzung sind Bewedungsmaßstab<br />
für die Höhe des Lohnes, den der Arbeitgeber<br />
dafür zahlt. Über die erwartete Leistung und die Höhe des dafür<br />
zu zahlenden Lohnes müssen der Arbeitgeber und derldie Arbeitnehmer(in)<br />
eine Einigung erzielen.<br />
Das gilt uneingeschränkt auch für <strong>behinderte</strong> <strong>Menschen</strong>, die<br />
als Arbeitnehme(in) tätig sind beziehungsweise sein wollen. Diese<br />
Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt kann dabei auch<br />
in lntegrationsprojekten im Sinne des $ 132 SGB lX erfolgen.<br />
<strong>behinderte</strong> <strong>Menschen</strong>" ist vielschichtig. Vor allem in der verkürzneue<br />
car¡tas 10/2013
Behindertenhilfe<br />
2. Der Staat gewährt Leistungen, damit <strong>behinderte</strong><br />
<strong>Menschen</strong> am Arbeitsleben teilhaben können<br />
Es ist das lnteresse des Staates, alle <strong>Menschen</strong>, und somit auch<br />
<strong>behinderte</strong> <strong>Menschen</strong>, am Arbeitsleben mitwirken und tätig werden<br />
zu lassen (Arl.27 UN-BRK), Daher gewährt er Leistungen<br />
für den behindeden <strong>Menschen</strong> und für seinen Arbeitgeber.<br />
Erfüllt ein(e) Arbeitnehme(in) wegen einer Behinderung die<br />
se¡tens eines Arbeitgebers erwartete Leistung nicht, so sollte<br />
der Staat einen festgestellten, angemessenen Lohnzuschuss als<br />
Minderleistungsausgleich zahlen. Dadurch kann eine Kompensation<br />
einer wegen der Behinderung geminderten Leistung erfolgen<br />
und die Bereitschaft des Arbeitsgebers zugunsten einer<br />
Einstellung oder einer dauerhaften Beschäftigung gestärkt werden.<br />
Auch Zuschüsse für die <strong>behinderte</strong>ngerechte Ausstattung<br />
eines Arbeitsplatzes sind von großer Bedeutung.<br />
Wenn die Möglichkeit angemessener Lohnzuschüsse als<br />
Ausgleich für eine geminderle Leistung besteht, dann wird die<br />
Bedeutung von Assistenzleistungen am Arbeitsplatz erheblich<br />
zunehmen. Die bestehenden Regelungen zur Arbeitsassistenz<br />
müssen ergänzend auf ihre Praxistauglichkeit überprüft werden,<br />
auch wie Assistenzleistungen für <strong>behinderte</strong> Arbeitnehme(innen)<br />
unter der organisatorischen Regie des Betriebs personorientied<br />
gewährt werden können.<br />
Bei allen staatlichen Leistungen, die die Zielsetzung einer<br />
Teilhabe <strong>behinderte</strong>r <strong>Menschen</strong> am Arbeitsleben beinhalten, bedarf<br />
es einer Ermittlung des individuell notwendigen Begleitbedades.<br />
Diese muss - in Orientierung an den Vorgaben der UN-<br />
BRK - im Einklang mit der lnternationalen Klassifikation der<br />
Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit der WHO (lCF)<br />
erfolgen.<br />
3. Die Werkstatt ist nicht der allgemeine Arbeitsmarkt; sie<br />
sichert vielmehr eine verlässliche Unterstützungsstruktur für<br />
die <strong>Menschen</strong> mit Behinderung, die diese benötigen<br />
Das Konzept ,,Werkstatt" gilt nachrangig gegenüber einer Tätigkeit<br />
im allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Werkstatt r¡chtet ihre Leistungen<br />
auf diejenigen <strong>behinderte</strong>n <strong>Menschen</strong> aus, die wegen ihrer<br />
Behinderung vermutlich auch dauerhaft nicht im allgemeinen<br />
Arbeitsmarkt tätig sein können. Die Werkstatt bietet fur sie in<br />
erster Linie eine Unterstützungsstruktur, die verlässlich und soweit<br />
erforderlich auch dauerhaft den betroffenen <strong>Menschen</strong> den<br />
Zugang zum Arbeitsleben und ihre Teilhabe an Arbeitsprozessen<br />
ermöglicht und auch sichert. Diese Unterstützungsstruktur<br />
besteht aus einer verlässlichen personellen Begleitung, aus sozialen<br />
Beziehungen, aus definierlen Tages- und Arbeitsabläufen<br />
und aus Arbeitsprozessen, die an die Person und ihre individuellen<br />
Bedarfe barrierefrei angepasst werden. Sie ist gekennzeichnet<br />
durch eine individuelle arbeitspädagogische Handlungs-<br />
und Vorgehensweise. D¡e vom <strong>behinderte</strong>n <strong>Menschen</strong> in<br />
der Werkstatt erwartete Arbeitsleistung muss nach der individuellen<br />
Fähigkeit und Belastbarkeit austarierl werden und richtet<br />
sich nicht nach den Notwendigkeiten der Produktion. Eine enthindernde<br />
und barrierefreie Umgebung setzt zugleich in großer<br />
Zahl Lern- und Entwicklungsimpulse und ermöglicht einen befähigenden<br />
sozialen und materiellen Kontext.<br />
Die Werkstatt richtet sich auf diejenigen <strong>Menschen</strong> mit Behinderung<br />
aus, die genau diese Unterstützungsstruktur benötigen,<br />
weil sie zu diesem Zeitpunkt nur unter dieser Bedingung<br />
am Arbeitsleben teilnehmen können. Diese Struktur muss prinzipiell<br />
auch ein Arbeitsleben lang zur Verfügung stehen können,<br />
wenn d¡es zur Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben für diese<br />
Person edorderlich ist. Durch diese Bezogenheit auf den <strong>Menschen</strong><br />
unterscheidet sich die Werkstatt inhaltlich und konzeptionell<br />
von den Handlungsstrukturen und der Kultur der Unternehmen<br />
des wettbewerbs- und leistungsorientierten Wirtschaftslebens.<br />
4. Begrenzung der Zielgruppe der Werkstatt<br />
Die Werkstatt für behindede <strong>Menschen</strong> erbringt Leistungen fur<br />
<strong>behinderte</strong> <strong>Menschen</strong> und begrenzt sich dabei - entsprechend<br />
den Vorgaben des SGB lX - auf die Personen, die gerade wegen<br />
Art und Schwere ihrer Behinderung ,,nicht, noch nicht oder<br />
noch nicht wieder" auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt<br />
werden können.<br />
Die Werkstatt nimmt auch in Zukunft <strong>behinderte</strong> <strong>Menschen</strong><br />
auf, ungeachtet der Auswirkungen ihrer Funktionsbeeinträchtigung<br />
auf ihre Leistungsfähigkeit oder auf ihr Arbeits- und Sozialverhalten.<br />
S 137 SGB lX definiert für die Werkstatt konsequenterweise<br />
eine Aufnahmepflicht und ein Verbot der Kündigung.<br />
Die Werkstatt gestaltet für die behindeden <strong>Menschen</strong> Bausteine<br />
der berufsbezogenen Bildung und der Einbeziehung in<br />
wirtschaftlich bedeutsame Tätigkeiten, entsprechend der individuellen<br />
Fähigkeiten, Möglichkeiten und Wünsche. Das gehör1<br />
zum Konzept einer optimalen Rehabilitation, Bildung und Befähigung<br />
dieser Zielgruppe. Sie behält die Option zur Überleitung<br />
geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt immer<br />
im Auge und versteht sich zugleich auch als eine Durchgangsstation<br />
auf dem persönlichen Weg des behinderlen <strong>Menschen</strong> in<br />
den allgemeinen Arbeitsmarkt.<br />
5. Die Werkstatt ist e i n Baustein im Netz der Hilfen<br />
Werkstatt ist nicht ein solitäres, räumlich fassbares Konstrukt,<br />
sondern ein Baustein und e¡ne Unterstützungsstruktur innerhalb<br />
eines Netzwerkes. Dieses umfasst vielfältige Hilfen und ambulante<br />
wie stat¡onäre Unterstützungssysteme sowohl fur die berufliche<br />
Bildung und die berufliche Rehabilitation als auch fur die<br />
sonstige Teilhabe am Arbeitsleben für <strong>Menschen</strong> mit Behinderung.<br />
Das Netzwerk begleitet den gesamten arbeitsweltbezoge-<br />
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neue car¡tas 1ol2013
Behindertenhilfe<br />
nen Werdegang eines <strong>Menschen</strong> mit Behinderung, beginnend in<br />
der Schulzeit, gegebenenfalls bis zur Berentung.<br />
Vor diesem Hintergrund bedürfen die Übergänge von der<br />
Schule in das Arbeitsleben einer neuen Gestaltung. Nur wenn<br />
eine berufliche Ausbildung und dann im Weiteren eine Vermittlung<br />
in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis vermutlich<br />
- auch trotz intensiver Hilfen - nicht verwirklicht werden<br />
können, kommt eine Berufsbildung in der Werkstatt sowie im<br />
Folgenden auch eine dauerhafte Beschäftigung in einer Werkstatt<br />
in Betracht. Die Notwendigkeit dessen ist in regelmäßigen<br />
Abständen zu überprüfen.<br />
Der Berufsbildungsbereich der Werkstatt dient dazu, die individuellen<br />
Fähigkeiten des <strong>behinderte</strong>n <strong>Menschen</strong> zu ermitteln,<br />
seinen Anleitungs-, Unterstützungs- und Begleitbedarf sowie<br />
den Bedarf der Anpassung seines Arbeitsplatzes festzustellen<br />
und dann mit gezielten arbeitspädagogischen Begleit- und Fördermaßnahmen<br />
und Konzepten der Arbeitsplatzanpassung seine<br />
berufliche Handlungsfähigkeit zu verwirklichen. Eine Neukonzeptionierung<br />
entsprechend dem Fachkonzept der Bundesagentur<br />
für Arbeit und gegebenenfalls auch räumliche Trennung<br />
des Berufsbildungsbereiches von den (bisherigen) Werkstattgebäuden<br />
stärkt nach bisherigen Erfahrungen die Fähigkeit der<br />
Nutzer, nach den Fördermaßnahmen in Betriebe des allgemeinen<br />
Wirtschaftslebens wechseln zu können.<br />
Auch im Arbeitsbereich der Werkstatt muss der Übergang<br />
auf den allgemeinen Arbeitsmarkt Teil des Begleitkonzeptes<br />
sein. lm Fokus steht dabei die komplexe Aufgabe, eine Passung<br />
(oder Anpassung) der Anforderungen des Arbeitsplatzes an die<br />
individuellen Kompetenzen des/der potenziellen Stelleninhabers/Stelleninhaberin<br />
unter Beachtung seiner/ihrer Aktivitätsund<br />
Teilhabeeinschränkungen herzustellen (vgl. g 136 Abs. 1<br />
SGB lX). Dieses Konzept wird unterstützt durch ausgelagerte<br />
Arbeitsgruppen, ausgelagerte Arbeitsplätze, Betriebspraktika<br />
oder eine zeitweise Beschäftigung von Werkstattbeschäftigten<br />
in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes (vgl. g 5 Abs. 4<br />
Werkstättenverordnung (WVO)). Der Aufbau ausgelagerier Arbeitsplätze<br />
in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes ist daher<br />
zu unterstützen. Das Konzept der Werkstatt muss daher<br />
auch ein Übergangsmanagement in Richtung des allgemeinen<br />
Arbeitsmarktes umfassen.<br />
tation in der Werkstatt sind im SGB lX vorgegeben: berufliche<br />
Bildung, Erhalt und Weiterentwicklung der beruflichen Leistungsfähigkeit,<br />
Persönlichkeitsförderung und Förderung des<br />
Übergangs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.<br />
Dieser gesetzliche Auftrag der Werkstatt ist nach Auffassung<br />
des CBP eindeutig dem Themenfeld des A''t. 26 UN-BRKzuzuordnen.<br />
Aufgrund der unter dem Vorzeichen der UN-BRK zunehmenden<br />
Bedeutung dieser Rehabilitationsleistungen definieÌt<br />
der CBP den Kern der Werkstatt für behinderle <strong>Menschen</strong><br />
als Habilitations- und Rehabilitationsdienst. Habilitation und Rehabilitation<br />
sind ein Beitrag zur Gewinnung persönlicher Würde.<br />
Die Werkstatt erfüllt ihren Auftrag nach Ad. 26 UN-BRK, wenn<br />
sie wirksame und geeignete Maßnahmen trifft, um <strong>Menschen</strong><br />
mit Behinderung in die Lage zu versetzen, ein Höchstmaß an<br />
Unabhängigkeit, umfassende körperliche, geistige, soziale und<br />
berufliche Fähigkeiten sowie die volle Teilhabe an allen Aspekten<br />
des Lebens, insbesondere die Teilhabe am Arbeitsleben, zu<br />
erreichen und zu bewahren. Die Werkstatt muss zudem allen<br />
<strong>Menschen</strong> mit Behinderung gemeindenah in größtmöglicher Erreichbarkeit<br />
zur Verfügung stehen.<br />
Die Tätigkeit in einer Werkstatt für <strong>behinderte</strong> <strong>Menschen</strong> ist<br />
nachrangig gegenüber einer Tätigkeit im allgemeinen Arbeitsmarkt.<br />
lhre spezifische Bedeutung liegt zum einen im Beitrag für<br />
eine realitätsbezogene berufliche Rehabilitation an echten Erwerbsaufträgen,<br />
zum Zweiten in der für das Selbstkonzept der<br />
<strong>behinderte</strong>n Beschäftigten wichtigen individuellen Teilhabe am<br />
Wirlschafts- und Arbeitsleben und zum Dr¡tten in der Erwirtschaftung<br />
von Arbeitsergebnissen, die dann als Entgelte an die<br />
Beschäftigten ausgezahlt werden.<br />
Ein unterscheidendes Spezifikum der Werkstatt besteht darin,<br />
dass die Teilhabe am Arbeitsleben in der Werkstatt dem Gedanken<br />
der freien Wahl eines solchen Arbeitsplatzes folgt, der<br />
den Wünschen und der Eignung und Neigung des behinderlen<br />
<strong>Menschen</strong> entspr¡cht. Dies führt zu einer Umkehrung üblicher<br />
unternehmerischer Logik: Zielsetzung der Werkstatt ist die<br />
Schaffung einer Vielzahl von Arbeitsplätzen, die eine Beteiligung<br />
an Arbeitsprozessen ermöglichen und mit denen sich wirtschaftliche<br />
Ergebnisse erzielen lassen. Zielsetzung ist nicht die<br />
edragsoptimierle Herstellung von Produkten oder die Ertragsoptimierung<br />
bei der Erbringung von Dienstleistungen.<br />
7. Die Prozesse des Werkstattkonzeptes machen f¡t<br />
fürs Arbeitsleben<br />
Das Konzept der Werkstatt wird realisiert durch eine berufliche<br />
Förderung, welche im realen Handeln erfolgt. Die Beteiligung<br />
der lnstitution Werkstatt am allgemeinen Wirtschaftsleben<br />
begründet sich nicht primär aus der Leistung der dort tätigen<br />
<strong>behinderte</strong>n Personen, sondern aus dem Sinn und dem Ziel<br />
einer realen und realistischen Betätigung der behindeden<br />
6. Die Werkstatt ist im Kern ein Habilitations- und<br />
Rehabilitationsdienst<br />
Die Aufgabe der Werkstatt wird in Zukunft noch stärker davon<br />
bestimmt sein, für <strong>Menschen</strong> mit Behinderung differenzierte<br />
Wege zur ïeilhabe am Arbeitsleben zu eröffnen, und dies unter<br />
Berücksichtigung ihrer individuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten.<br />
Damit erbringt sie Leistungen der individuellen beruflichen<br />
Rehabilitation. Die Kernprozesse der beruflichen Rehabilineue<br />
car¡tas '1012013<br />
ill
Beh indertenh ilfe<br />
<strong>Menschen</strong>. <strong>Menschen</strong> mit Behinderung lernen, be- und erarbeiten<br />
in der Werkstatt etwas, was im realen Wirtschaftsleben<br />
gebraucht wird. Dieses unterstreicht zugleich die inhaltliche<br />
Ziellinie, dass die <strong>behinderte</strong>n <strong>Menschen</strong> in der<br />
Werkstatt dasjenige lernen und dasjenige tun sollen, was sie bei<br />
einer Vermittlung in den allgemeinen Arbeitsmarkt dort benötigen.<br />
8. Die Werkstatt und Art. 27 UN-BRK<br />
Art. 27 UN-BRK definiert für alle <strong>Menschen</strong> mit Behinderung<br />
einen Anspruch auf Teilhabe am Arbeitsleben nach Abschluss<br />
der Schulzeit. Die Werkstatt erfüllt die Anforderungen des<br />
Art, 27 UN-BRK nicht umfassend. <strong>Menschen</strong> mit Behinderung<br />
können mit ihrer Tätigkelt in der Werkstatt unter den heute gegebenen<br />
rechtlichen Bedingungen ihren Lebensunterhalt nicht<br />
verdienen.<br />
Der CBP sieht es als erforderlich an, dass zur Erfüllung des<br />
Art. 27 UN-BRK vor allem die Bedingungen für die Einbindung<br />
<strong>behinderte</strong>r <strong>Menschen</strong> im allgemeinen Arbeitsmarkt verbesserl<br />
und daher auf die Bereitschaft der Arbeitgeber und auf ihre wirtschaftlich<br />
darstellbaren Möglichkeiten zur E¡nbeziehung <strong>behinderte</strong>r<br />
<strong>Menschen</strong> eingewirkt werden muss.<br />
Auf der anderen Seite muss es eine Option für die Teilhabe<br />
am Arbeitsleben für die behinderlen <strong>Menschen</strong> geben, die wegen<br />
ihrer Behinderung dauerhaft keine Chance für eine Tätigkeit<br />
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt haben werden. Der CBP<br />
sieht daher die Werkstatt zur Sicherstellung des Auftrages aus<br />
Art. 26 UN-BRK für unbedingt erforderlich und auch zukünftig<br />
als zweckmäßig und sinnhaft an.<br />
9. Das Konzept der Werkstatt muss überprüft werden<br />
Das im aktuellen Rahmen gesetzte Werkstatt-Konzept gilt es zu<br />
überprüfen. Einerseits muss den <strong>behinderte</strong>n <strong>Menschen</strong> der Zugang<br />
gesiched werden, die das Werkstatt-Unterstützungssystem<br />
dauerhaft benötigen. Auf der anderen Seite gilt es, die Rehabilitationsleistungen<br />
der Werkstatt so zu stärken, dass die<br />
Übergangschancen für die <strong>behinderte</strong>n <strong>Menschen</strong>, die auf den<br />
allgemeinen Arbeitsmarkt wechseln wollen und können, ausgebaut<br />
werden.<br />
Zu Ersterem gehör1 eine Zusage der öffentlichen Hand, dass<br />
Werkstätten auch zukünftig eine Rolle im System der beruflichen<br />
Rehabilitation wahrnehmen, wie auch eine Finanzierungssystematik,<br />
die die Erfùllung des Versorgungsauftrages aus<br />
Art. 26 UN-BRK sicherstellt.<br />
Zur Stärkung der Rehabilitationsleistungen der Werkstatt<br />
müssen geeignete wirtschaftliche und sozialversicherungsrechtliche<br />
Anreize in und außerhalb der Werkstatt dafür gesetzt<br />
werden, dass <strong>behinderte</strong> <strong>Menschen</strong> von der Werkstatt in den<br />
allgemeinen Arbeitsmarkt wechseln können.<br />
10. Auch <strong>Menschen</strong> mit hohem Unterstützungsbedarf<br />
müssen einen Zugang zur Werkstatt haben<br />
<strong>Menschen</strong> mit schwerer geistiger und/oder mehrfacher Behinderung<br />
werden derzeit in vielen Bundesländern nicht nur vom<br />
allgemeinen Arbeitsmarkt, sondern auch von der Werkstatt für<br />
<strong>behinderte</strong> <strong>Menschen</strong> ausgesch¡ossen. g 136 Abs. 3 SGB lX beschränkt<br />
den Zugang zur Werkstatt auf die <strong>Menschen</strong>, die ein<br />
Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erwaden<br />
lassen. Diese Beschränkung ist aufzuheben. Zugunsten<br />
auch von <strong>Menschen</strong> mit schweren und mehrlachen Behinderungen<br />
muss ein Aufnahmeanspruch gesetzlich verankert werden.<br />
Seine lnanspruchnahme muss jedoch freiwillig sein, zugleich<br />
muss ein Wahlrecht bezüglich einer Einbindung in eine Tagesförderstätte<br />
- soweit diese im jeweiligen Bundesland vorhanden<br />
ist - dem <strong>behinderte</strong>n <strong>Menschen</strong> ges¡chert verbleiben.<br />
Dies ist verbunden mit der Aufforderung an die Werkstattträger,<br />
mit den Kostenträgern eine ausreichende personelle Besetzung<br />
auszuhandeln. Die Aufnahme dieser Personen in die Werkstatt<br />
beinhaltet dann aber auch, dass für den benannten Personenkreis<br />
sowohl das,,arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis"<br />
gilt als vor allem auch die sozialversicherungsrechtliche Absicherung.<br />
11. Die Werkstatträte wirken mit an der Ausgestaltung der<br />
Werkstatt<br />
Gleichberechtigte Teilhabe umfasst, dass die Beschäftigten im<br />
Rahmen des Werkstattrates an Entscheidungen des Werkstattträgers<br />
aktiv mitwirken. Wesensmerkmal der Mitwirkung ist die<br />
Begegnung zwischen Werkstattträger und Werkstattrat ,,auf Augenhöhe".<br />
Die Träger der Werkstatt sind aufgefordert, f[jr ihre<br />
Werkstatt neue weitergehende Felder der Mitwirkung zu eröTlnen<br />
und dies gemeinsam mit den Werkstatträten verbindlich zu<br />
regeln. Eine Änderung der Caritas-Werkstätten-l\¡itwirkungsverordnung<br />
wird wegen der Bindung an die staatliche Mitwirkungsverordnung<br />
derzeit nicht vorangetrieben.<br />
Freiburg, den22. April 2013<br />
Für den CBP-Vorstand:<br />
JoHn¡rrues Mnorru<br />
Vorsitzender des CBP<br />
Für den CBP-Ausschuss Teilhabe am<br />
Arbeitsleben:<br />
BrRNw¡no Jncoes<br />
Vorsitzender des Ausschusses<br />
Kontakt: Dr. Thorsten Hinz, Geschäftsführer des CBP<br />
Frank Pinner, Fachreferent im CBP<br />
E-Mail: cbp@caritas.de<br />
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neue car¡tas 10/20'19