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Lebenshilfe Magazin - Lebenshilfe Nürnberg

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Unter der Überschrift „Den gesellschaftlichen Wandel gestalten“<br />

nennen die Grünen zwei weitere Schlüsselprojekte, die<br />

für sie kardinale Bedeutung in der Behindertenhilfe haben:<br />

Inklusion für jüngere Menschen mit Behinderung und deren pflegebedürftige<br />

Angehörige in bestehende Pflegeeinrichtungen.<br />

Wir Grünen fordern Konzepte und deren Umsetzung, wie jüngere behinderte<br />

Menschen und deren mittlerweile pflegebedürftig gewordenen Eltern gemeinsam<br />

in bestehenden Einrichtungen leben und betreut werden können.<br />

Ausbau der stadtteilbezogenen niedrigschwelligen Gesundheitsangebote.<br />

Innerhalb der sozialen Vernetzung in den Quartieren soll das Thema<br />

Gesundheit für alle Generationen sichtbar platziert werden. Zum Beispiel<br />

Angebote im Bereich Sport und Bewegung für Jung und Alt sowie Beratung<br />

und Aufklärung zu Ernährung und Lebensstil. Ein gutes Vorbild ist St.<br />

Leonhard-Schweinau<br />

Netzwerk Inklusion<br />

für alle Stadtteile gesamtgesellschaftlich<br />

finanzieren<br />

Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly<br />

<strong>Lebenshilfe</strong>: Seit nunmehr vier Jahren beherrscht der Begriff „Inklusion“<br />

die Diskussionen um die Hilfen für Menschen mit Behinderung. Was hat<br />

die Stadt <strong>Nürnberg</strong> in dieser Zeit getan, um die Teilhabe zu verbessern?<br />

Ulrich Maly: Integration oder Inklusion ist weder zeitlich noch örtlich begrenzt,<br />

sondern ein fortdauernder Prozess, der in <strong>Nürnberg</strong> seit Jahrzehnten<br />

die Arbeit der Politik und der Verwaltung prägt. Dieser Prozess hat sicher<br />

nicht erst vor vier Jahren begonnen.<br />

Will man dennoch Schwerpunkte in den letzten Jahren hervorheben, so sind<br />

dies zweifellos die Gründung des Behindertenrats <strong>Nürnberg</strong> als öffentliche<br />

kommunale Einrichtung und die Bemühungen der Stadt <strong>Nürnberg</strong> als<br />

Schulträger durch Einzelintegration, Einrichtung integrativer Schulklassen<br />

bzw. durch Kooperations-klassen die Durchlässigkeit des Schulsystems für<br />

behinderte und nicht behinderte Schüler und Schülerinnen zu verbessern.<br />

Geradezu vorbildhaft sind hier schon seit vielen Jahren die Aktivitäten der<br />

Jakob-Muth-Schule der <strong>Lebenshilfe</strong> zusammen mit ihren Partnerschulen, als<br />

jüngstes Kind möchte ich die Kooperation mit der Wahler- und der Dunantschule<br />

nennen.<br />

<strong>Lebenshilfe</strong>: Im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU/CSU ist ein<br />

Bundesleistungsgesetz angekündigt. Unserer Meinung nach darf dabei<br />

nicht die finanzielle Entlastung der Kommunen die Hauptrolle spielen,<br />

sondern es müssen die Rechte der Menschen mit Behinderung im<br />

Vordergrund stehen. Wie stellen Sie sich die Leistungen eines modernen<br />

Teilhaberechts vor?<br />

Ulrich Maly: Die Herauslösung von Leistungen der Eingliederungshilfe<br />

nach dem SGB XII aus dem Sozialhilferecht mit all seinen Einkommens- und<br />

Vermögensanrechnungen und die Überführung in ein eigenes Leistungsbzw.<br />

Teilhabegesetz ist längst überfällig. Die derzeitige Diskussion geht von<br />

folgenden Prämissen aus, die ein Bundesleistungsgesetz oder ein Bundesteilhabegesetz<br />

regeln sollten:<br />

• Eingliederungshilfe soll frei vom Einsatz von Einkommen und<br />

Vermögen sein,<br />

• Bedarfsdeckung und die Betroffenen einbindende Teilhabeplanung sind<br />

das Ziel,<br />

• ergänzendes und anrechnungsfreies Teilhabegeld soll angestrebt werden.<br />

Natürlich gibt es noch viele offene Fragen zur möglichen Ausgestaltung<br />

eines Bundesleistungsgesetzes: Wird es ein eigenständiges Gesetz oder in<br />

das Sozialgesetzbuch eingeordnet? Werden sozialhilferechtliche Grundsätze<br />

wie etwa Nachranggrundsatz, Wirtschaftlichkeit und Angemessenheit beibehalten?<br />

Gibt es Geldleistung oder Sachleistung? Welche Leistungshöhe ist<br />

angemessen und auskömmlich? Entstanden ist die Diskussion allerdings<br />

schon vor dem Hintergrund einer Entlastung der Kommunen. Inklusion ist<br />

eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auch gesamtgesellschaftlich das<br />

heißt von Bund, Ländern und Gemeinden finanziert werden sollte. Meines<br />

Erachtens schließen sich aber finanzielle Entlastungen der Kommunen und<br />

ein modernes Teilhabegesetz nicht aus.<br />

<strong>Lebenshilfe</strong>: Wo sehen Sie in Sachen Infrastruktur einer inklusiven<br />

Stadt den Haupthandlungsbedarf in <strong>Nürnberg</strong>? Gibt es dafür bereits<br />

Konzepte oder Pläne?<br />

Ulrich Maly: Betrachtet man Inklusion jedoch als Querschnittsaufgabe der<br />

kommunalen Daseinsvorsorge, wird die Stadt <strong>Nürnberg</strong> vor allem den in<br />

folgenden Bereichen weiterhin gefordert sein: Wohnen, Mobilität, Schule,<br />

Bildung, Gesundheit, Arbeit/Beschäftigung/Tagesstruktur, Freizeit/Kultur, also<br />

praktisch in allen Gebieten, in denen die Stadt tätig ist.<br />

Zurzeit ist ein Träger aus <strong>Nürnberg</strong> dabei, ein Modellprojekt „Netzwerk<br />

Inklusion“ zu entwerfen, mit dem stadtteilbezogen für die Südstadt ermittelt<br />

werden soll, wie die Situation von Menschen mit Behinderung im Stadtteil<br />

verbessert werden kann. Das Ergebnis könnte dann auf alle Stadtteile<br />

ausgeweitet werden. Vergleichbare Überlegungen finden derzeit bei der<br />

Sozialverwaltung des Bezirks Mittelfranken statt, der als überörtlicher<br />

Sozialhilfeträger für die gesamte ambulante, teilstationäre und stationäre<br />

Eingliederungshilfe nach dem Sozialhilferecht zuständig ist.<br />

Die Stadt <strong>Nürnberg</strong> begleitet sowohl die Konzepterstellung vor Ort als auch<br />

das Konzept des Bezirks Mittelfranken konstruktiv und interessiert.<br />

<strong>Lebenshilfe</strong>: Für eines der Haupthandlungsfelder hält die <strong>Lebenshilfe</strong><br />

das selbständige Wohnen von Menschen mit Behinderung dort, wo<br />

auch Menschen ohne Behinderung leben, also in einer eigenen Wohnung<br />

in der Nachbarschaft und nicht in Sondereinrichtungen. Unserer<br />

Meinung nach hilft die dafür erforderliche Sozialraumorientierung allen<br />

und ist insbesondere mit Blick auf den demographischen Wandel ein<br />

Gewinn. Sieht sich die Stadt <strong>Nürnberg</strong> hier in der Pflicht?<br />

Ulrich Maly: Der Schwerpunkt „Barrierefreies Wohnen“ beschäftigt die<br />

Stadt <strong>Nürnberg</strong> seit Jahren sehr intensiv. Die Nachfrage nach barrierefreiem,<br />

preiswertem Wohnraum ist nach wie vor sehr groß. Wegen der zum größten<br />

Teil weggefallenen öffentlichen Förderung hat das Angebot stark abgenommen.<br />

Die freien Träger und die Wohnungswirtschaft bieten zwar geeigneten<br />

Wohnraum an, aber zu marktgerechten Preisen, die die Möglichkeiten des<br />

einzelnen behinderten Menschen sehr oft weit übersteigen. Hier werden Initiativen<br />

auf kommunaler Ebene, aber auch durch Bund und Land nötig sein,<br />

um wieder neu in öffentliche Förderung, soziale Stadterneuerung, gezielte<br />

Förderung bestimmter Zielgruppen und Wohnformen einzusteigen.<br />

<strong>Lebenshilfe</strong>: Herr Maly, wir danken für dieses Gespräch.<br />

6 · <strong>Nürnberg</strong>s <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Magazin</strong> · 1-2014

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