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FietsPad.De – Winterreise 2 - Skandinavien<br />

Winterreise Teil 2<br />

<strong>|Skandinavien|</strong><br />

Vom 31. Januar bis 10. Februar 2003<br />

© 2003 by Sascha Normann<br />

www.FietsPad.De<br />

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FietsPad.De – Winterreise 2 - Skandinavien<br />

Inhalt<br />

1. Auf nach Schweden<br />

2. Stockholm<br />

3. Nördlich des Polarkreises<br />

4. Katterjåkk und die Suche nach dem<br />

gelben Kasten<br />

5. Zu Fuß über Wasser<br />

6. Narvik und Umgebung auf japanische<br />

Art<br />

7. Langeweile…<br />

8. Trondheim und das norwegische Innland<br />

9. Die unheimliche Reise in die<br />

Vergangenheit<br />

10. Zurück nach Schweden<br />

11. Heimfahrt<br />

12. Infos zu ScanRail<br />

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FietsPad.De – Winterreise 2 - Skandinavien<br />

Tag 1: Auf nach Schweden<br />

Es ist dunkel. Mit monotonem Surren fährt der Eurocity der Dänischen Staatsbahnen über die Brücke<br />

des Fehmarnsund. Am Ufer sind die Lichter einiger Orte zu erkennen und langsam nähern wir uns<br />

Puttgarden. Gleich geht es auf die Fähre nach Rødby in Dänemark - auf nach Skandinavien!<br />

Die Bahn fährt langsam in den Bauch der Fähre ein und kurz nachdem wir stehen, müssen alle<br />

Passagiere aussteigen. Ich verbringe den Großteil der Fahrt oben auf dem verschneiten Deck. Es ist<br />

eisig kalt. Schon in Schleswig-Holstein hat es gestern reichlich geschneit und schon zu Beginn dieser<br />

Fahrt hat die untergehende Sonne die Landschaft in ein wundervolles Licht getaucht. Hoch oben in<br />

den Norden soll es nun gehen; an den nördlichsten Bahnhof des europäische Schienennetzes: Narvik.<br />

Von -20 bis -40°C ist die Rede. Ich lasse es einfach auf mich zukommen - habe mir heute<br />

vorbereitend schon einmal alles auf dem Kleiderschrank gewühlt, was mich vor tiefsten Temperaturen<br />

schützen könnte: Wanderschuhe mit 2 Paar Socken, 2 Paar Handschuhe zum übereinander ziehen,<br />

eine Windstopper-Mütze sowie eine Sturmmütze, 2 lange Unterhosen, eine Regenhose, eine<br />

Fleecejacke sowie eine gefütterte Winterjacke. Mit dieser Kollektion sollte ich doch einigermaßen<br />

resistent gegen die nordische Kälte sein. Wir werden sehen...<br />

Auf der Fähre nach Rødby<br />

Erst gestern bin ich überstürzt nach 11 Stunden Bahnfahrt von meiner Radreise nach Bayreuth wieder<br />

zu Hause eingetroffen, nur um kurz danach wieder in der Bahn zu sitzen. Doch dieses Mal mit einem<br />

unglaublich schwer erscheinenden Rucksack, den es mir schwer fällt zu tragen. Und das alles,<br />

nachdem ich in Bayreuth noch drauf und dran war, mir einen Flug nach Tunesien zu buchen, um der<br />

deutschen "nordischen Kälte" zu entkommen. Die Sahara oder Lappland im Winter - extremer könnten<br />

die Gegensätze wohl kaum sein. Als Folge dessen ist meine Ausrüstung ein einziges Provisorium. Ich<br />

bin noch nie mit dem Rucksack gereist. Im Keller habe ich noch ein altes Stück vom Aldi gefunden.<br />

Doch warum nicht einfach mal mit dem Rucksack reisen und sehen was kommt? Es ist sicherlich ein<br />

großer Unterschied zu einer Radreise - andererseits wird es doch sicher einige Gemeinsamkeiten<br />

geben. So stellt sich meine Ausrüstung auf dieser ersten Rucksack-Reise noch etwas kurios<br />

zusammen. Die Fahrradhelm-Mütze wird durch ein paar Fahrradhandschuhe sowie einer<br />

entsprechenden Trinkflasche ergänzt. Durch Fehler lernt man ja bekanntlich...<br />

Schon der heutige Tag der Abreise war ziemlich hektisch. Gleich nach dem Aufstehen bin ich in die<br />

Stadt gefahren, um mir noch Fahrkarten nach Puttgarden und andere Dinge zu organisieren. Zum<br />

Packen und Testen der Ausrüstung war dann auch nicht mehr viel Zeit, da ich mich schon um halb<br />

vier zu Fuß auf den Weg zum Bahnhof machen musste. Mein erster Eindruck nach nur 20 Minuten<br />

Fußmarsch mit dem Rucksack ist alles andere als positiv.<br />

Nun ja... Skandinavien - da habe ich irgendwie ein gespaltenes Verhältnis zu. In Norwegen habe ich<br />

meine einzige Auslands-Radreise abgebrochen und an Dänemark konnte ich nie Gefallen finden.<br />

Dennoch bin ich gespannt auf die verschneiten nordischen Landschaften. Auf dem Dia-Festival in<br />

Saalfeld habe ich mir viele Inspirationen zur Fotografie geholt und brenne schon darauf, neue Motive<br />

auf meinem ersten Dia-Film zu bannen. Wenn alles gut geht, komme ich morgen früh in Stockholm an.<br />

Allerdings muss ich erst noch in København und in Malmö umsteigen, um noch rechtzeitig den<br />

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FietsPad.De – Winterreise 2 - Skandinavien<br />

Nachtzug nach Stockholm zu erwischen, für den ich - nebenbei gesagt - die zwingend erforderliche<br />

Reservierung noch gar nicht habe. Einige Zeit später ist es dann tatsächlich geschafft. Die Dänische<br />

Bahn hat die in Deutschland "gewonnene" Verspätung auf dänischer Seite schnell wieder eingeholt<br />

und kommt letztendlich sogar 20 Minuten früher in København an.<br />

Ein wenig orientierungslos laufe ich durch den Bahnhof. Keines der Ticketcenter hat mehr geöffnet.<br />

Irgendwo komme ich Rettungskräften in die Quere, die gerade einen auf dem Boden liegenden<br />

bewusstlosen Mann versorgen. Ich möchte nur möglichst schnell wieder weiter und habe Glück. Kurz<br />

bevor eine Bahn nach Malmö abfährt, steige ich in sie ein. Im Endeffekt ist dies sogar eine Bahn<br />

früher als laut meinem Fahrplan erwartet. In der Dunkelheit geht es über die Öresund-Brücke weiter<br />

nach Schweden. Wieder beäugt ein Schaffner kritisch mein Scanrail-Ticket und wieder rutscht mir das<br />

Herz in die Hose. Das Ticket ist offiziell nicht übertragbar und ich habe es von meinem großen Bruder<br />

bekommen. Hoffentlich werde ich nie nach dem Ausweis gefragt.<br />

Auch in Malmö haben alle Ticketschalter geschlossen und durch die schwedischsprachigen<br />

Ticketautomaten werde ich nicht viel schlauer. Gleich die erste Schwedin, die ich um Hilfe frage, hat<br />

eine recht eindrucksvolle Alkoholfahne. Die Geschichte mit dem "fast verbotenen" Alkohol ist ja<br />

hinlänglich bekannt...<br />

Später erfahre ich, dass ich als zusätzliche Währung noch ein paar Flaschen des bei uns unbeliebten<br />

Schnaps bei meinen Eltern aus dem Schrank hätte mitnehmen sollen. So ließe sich z.B. für eine halbe<br />

Flasche Wodka eine schöne Übernachtungsmöglichkeit finden und Fährüberfahrten könne man auch<br />

mit Bierdosen bezahlen. Das muss ich mir für meinen nächsten Urlaub in Schweden unbedingt<br />

merken! Nun gut, diese fahnenträchtige Frau kann mir leider auch nicht viel weiterhelfen. Nach<br />

längerer Suche finde ich endlich die richtige Schaffnerin. Ihrer Auskunft nach könne ich auch im<br />

hinteren Waggon übernachten, wofür keine Reservierung erforderlich sei, was ich natürlich mache.<br />

Allerdings stellt sich dieser Waggon abgesehen von den Sitzpolstern als wahre Holzklasse heraus und<br />

die Nacht wird auch nicht gerade ruhig. Mit im Abteil ist übrigens auch eine Gruppe Spanier, sehr<br />

kontaktfreudig sind sie allerdings nicht. Dabei hätte ich mein Spanisch so gerne mal wieder aufpoliert.<br />

Zurückhaltende Spanier, die auch noch fließend Englisch sprechen - das ist wirklich unheimlich...<br />

Fahrplan heute<br />

Ab Uhrzeit An Uhrzeit<br />

Tornesch 16:00 Pinneberg 16:06<br />

Pinneberg 16:20 Hamburg Hbf 16:37<br />

Hamburg Hbf 17:28 København H 21:59<br />

København H 22:00 Malmö C 22:35<br />

Malmö 23:10 Stockholm C 06:10<br />

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Tag 2: Stockholm<br />

Die Nacht war nicht gerade geruhsam. Irgendwann um 4 Uhr sind auch noch so möchtegern-<br />

Besoffene Jugendliche mit Abba-Frisuren in das Abteil gekommen und beginnen zu labern und zu<br />

kichern was das Zeug hält. Hier hätte ich wieder einen Grund mehr gehabt, eine Wodka-Flasche<br />

mitzunehmen: Um sie ruhig zu stellen!<br />

Nach 6 Uhr morgens kommt der Zug im Stockholmer Hauptbahnhof an. Es ist noch dunkel.<br />

Schlaftrunken quäle ich mich aus dem Schlafsack und packe schnell meine Sachen. Ich fühle mich<br />

hier am frühen Morgen. Ich setze mich erst einmal auf eine Holzbank in der beheizten Haupthalle und<br />

frühstücke ein wenig. Dabei kann ich schon einmal das Geschehen hier ein wenig betrachten und mir<br />

somit ein wenig ein Bild von den Schweden machen. Seltsamerweise sind viel der "Schweden" hier<br />

schwarze, was nicht gerade in das typische Schweden-Bild passt.<br />

Gleich nach dem ersten Foto, was ich draußen auf der Straße mache, beäugt mich einer von ihnen<br />

misstrauisch und ruft mir etwas hinterher, was wohl soviel heißen soll wie: "Scheiß Tourist!"<br />

Willkommen in Stockholm!<br />

Ich will sie ja nicht alle über einen Kamm scheren, aber die Schwarzafrikaner scheinen mir am<br />

Hamburger Hauptbahnhof, wie auch am Stockholmer Hauptbahnhof gleich "liebenswürdig" zu sein.<br />

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FietsPad.De – Winterreise 2 - Skandinavien<br />

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FietsPad.De – Winterreise 2 - Skandinavien<br />

Um 7 Uhr geht die Sonne langsam auf, dennoch sieht man nur sehr weniger verloren wirkende<br />

Menschen und Autos auf den Straßen in der Stockholmer Innenstadt. Kein Vergleich zu den Massen,<br />

die sich am späten Nachmittag hier bewegen werden. Es sind sagenhafte -10°C und im Laufe des<br />

Tages wird die Temperatur sogar auf -7°C ansteigen. Man merkt schnell, dass Stockholm in einer<br />

Schärenlandschaft erbaut wurde. Fast überall trifft man auf Wasser, was jedoch zu großen Teilen<br />

gefroren ist. Während die Sonne aufgeht, laufe ich zufällig auch am Königspalast vorbei. Zwei<br />

Soldaten, die kaum älter als ich sein könne, beachten mich misstrauisch, während sie in der Kälte<br />

Wache schieben. Als sie merken, dass ich näher komme, werden ihre lockeren Bewegungen wieder<br />

steifer. Der Platz von ihrem Wachtposten auf die Stadt ist einfach toll. Ich bin einfach so "dreist" und<br />

mache von hier oben ein paar Fotos. Immer, wenn ich mich schnell umdrehe, haften ihre Blicke auf<br />

mir und schnell richten sie ihre Augen wieder geradeaus. Ein schönes Spiel! Es ist fast, als wenn die<br />

beiden riechen würden, dass ich Zivildienstleistender bin...<br />

Zufällig bekomme ich noch die Wachablösung mit - als einziger Tourist weit und breit. Ok, ich lasse<br />

ihnen schließlich ihre Ruhe. Wer weiß, was ich so alles in meinem dicken Rucksack drin haben<br />

könnte...<br />

So langsam wird mir mein schwerer Rucksack zuviel. Zurück am Bahnhof überwinde ich mich dann<br />

doch meinen Geiz und stopfe alles außer meinem Fotoapparat in kleines Schließfach, wofür ich 25<br />

Kronen bezahlen muss. Nach einem heißen Kakao bei 7eleven gehe ich dann tatsächlich shoppen.<br />

Jawohl! Shoppen! Ganz fasziniert bin ich von dem selbstwaschenden Klo, was das Kaufhaus "Ahléns<br />

City" bietet, für dessen Benutzung ich aber auch eine Krone bezahlen muss. Sehr gut ist auch die<br />

Auswahl an englischsprachigen Büchern insbesondere Reiseführern und Karten. So gibt es zum<br />

Beispiel gleich gegenüber vom Hauptbahnhof einen großen Kartenshop im Stil von "Land&Karte" in<br />

Hamburg.<br />

Zu Fuß und ohne das schwere Gepäck gehe ich weiter auf die Halbinsel Skeppsholmen. Hier liegen<br />

viele liebevoll hergerichtete Hausboote am Kai. Weg von hier können sie momentan sowieso nicht, da<br />

sie allesamt im dicken Eis festgefroren sind. Die meisten Boote scheinen auch jetzt im Winter bewohnt<br />

zu sein. Hinter mir hüpft ein kleines Mädchen von einem der Boote auf den Steg, rennt an mir vorbei<br />

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FietsPad.De – Winterreise 2 - Skandinavien<br />

zum nächsten Boot und fragt offensichtlich, ob ihre Freundin zum Spielen rauskommen darf. Im<br />

Hintergrund fährt gerade eine Fähre durch das geräuschvoll unter ihrem Bug brechende Eis. Ich gehe<br />

weiter zur nächsten Halbinsel namens Kastellholmen. Der Wind auf dem Burgfelsen der Insel ist<br />

schneidend kalt, doch von hier bietet sich ein toller Blick über die vielen Gewässer.<br />

Während ich auf dem Rückweg bin, hält ein Auto neben mir. Die Schweden darin fragen ausgerechnet<br />

mich nach dem Weg. Wie sie merken, dass ich kein Schwedisch spreche, versuchen sie es auf<br />

Englisch: "We are searching the hostage." Wie Bitte?! Die Geisel? Was habe ich denn mit einer Geisel<br />

zu tun? Ziemlich verdutzt lasse ich sie wissen, dass ich ihnen leider nicht weiterhelfen kann, drücke<br />

ihnen aber meine Stadtkarte in die Hand. Auch wenn ich nicht glaube, dass ausgerechnet auf der<br />

touristischen Stadtkarte von Stockholm Geiseln verzeichnet sind...<br />

Kurze Zeit später treffe ich sie dann in der Jugendherberge wieder, während ich mich gerade mit<br />

Informationsmaterial eindecke. Achso! Hostage = Hostel! Geisel = Jugendherberge! Kann man ja auch<br />

nicht wissen.<br />

Gegen Mittag mache ich mich wieder auf den Rückweg zum Bahnhof, da ich um 17 Uhr meine Bahn<br />

in aller Ruhe erreichen will. Der Bahnhof ist scheinbar auch mittags ein Hort seltsamer Gestalten.<br />

Neben mir sitzt jemand, der die ganze Zeit mit "uninteressierten" Augen auf meine Ausrüstung stiert<br />

(und dem es scheinbar gar nicht passt, dass ich sie mir zur Sicherheit wieder umlege). Gegenüber<br />

schmatzt ein Obdachloser gerade auf seinem Sandwich herum und daneben sitzt ein verwahrlostes<br />

Pärchen, das sich die ganze Zeit befummelt. An anderer Stelle fragt mich ein seriös aussehender<br />

Geschäftsmann, wie er denn eine bestimmte Nummer aus seinem Notizbuch anrufen könne. Ich<br />

werde aus seiner Frage nicht so richtig schlau. Neben der Nummer sehe ich irgendwelches<br />

arabisches Gekritzel. Vielleicht sehen mir die Leute inzwischen einfach an, dass ich tagtäglich mit<br />

dummen Fragen und Forderungen beschwatzt werden kann.<br />

Aber so ganz schlau werde auch ich aus den Telefonen hier nicht. So wird z.B. meine Visa-Karte an<br />

keinem der Telefone akzeptiert, obwohl sie eindeutig als Zahlungsmittel angegeben wird.<br />

Vor der Abfahrt decke ich mich noch schnell mit einigen Lebensmitteln ein. Ein gar nicht so einfaches<br />

Unterfangen. Käse und Schokolage sind saumäßig teuer, während man sich mit den vielen<br />

verschiedenen Sorten von Knäckebrot, die es hier gibt, totschlagen könnte.<br />

Dann geht es endlich in den Zug. Hier scheinen die Schweden fast in der Minderheit zu sein. Neben<br />

mir sitzt ein russisches Mütterchen und irgendein Angehöriger macht mir in verkrampftem Englisch<br />

klar, dass ich sie doch bitte morgen um 8.30 Uhr wecken möchte, da sie sonst den Bahnhof von<br />

Gällivare verpasst. Auf den drei Sitzen mir gegenüber steigen zu meiner Verwunderung drei Berliner<br />

ein, mit denen ich mich den ganzen Abend wunderbar unterhalte. Und es kommt noch extremer.<br />

Dahinter sitzen Franzosen und der Rest vom Abteil ist mir einer Pfadfindergruppe aus Mecklenburg-<br />

Vorpommern besetzt. Ohne, dass ich es gewusst habe, haben in einigen deutschen Bundesländern<br />

heute die Winterferien begonnen und die Welle der deutschen Touris scheint mich nach meinem<br />

"freien" Tag in Stockholm so langsam einzuholen...<br />

Fahrplan heute<br />

Ab Uhrzeit An Uhrzeit<br />

Malmö 23:10 Stockholm C 06:10<br />

Stockholm C 17:00 Narvik (12:36)<br />

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Tag 3: Nördlich des Polarkreises<br />

Wieder habe ich die Nacht im Sitzen verbracht, was dem Tiefschlaf nicht gerade förderlich war. Der<br />

Blick nach draußen lässt mein Herz höher schlagen. In der Morgendämmerung fahren wir durch einen<br />

unendlich wirkenden nordischen Wald - alles ist tief verschneit. Man sieht fast gar nicht anderes mehr<br />

außer Schnee, Schnee und nochmals Schnee. An der Heizung im Zug habe ich mich in der Nacht<br />

verbrannt, dennoch sind es gerade einmal 18°C hier drinnen. An den Türen ist in der feiner Schnee<br />

eingedrungen und überall um sie herum klebt der Schnee an der Wänden und auf dem Boden.<br />

Während ich noch schlief, wurde der Bistro-Waggon abgekuppelt und durch einen Panoramawaggon<br />

ersetzt. Was für ein Service! Ich frühstücke dort gemütlich mit den Berlinern und genieße das<br />

Panorama mit der am Horizont stehenden Sonne.<br />

Die drei scheinen nicht mehr hellauf davon begeistert zu sein, dass sie ab Abisko eine fünftägige Tour<br />

mit Skiern und Pulkas unternehmen wollten. Das typische Zögern vor dem Aufbruch. Ich jedenfalls<br />

beneide sie um ihre Tour. Durch ihre Tipps habe ich mich nun dazu entschlossen, dass ich heute doch<br />

nicht mehr ganz bis Narvik fahren möchte, sondern in einem kleinen Dorf namens Katterjåkk - was<br />

noch auf der schwedischen Seite liegt - aussteigen möchte. Dort soll es im Gegensatz zu Norwegens<br />

Küste reichlich Schnee geben und dazu eine tolle Landschaft. Außerdem gäbe es dort auch einen<br />

Kiosk und eine kostengünstige Unterkunft. Mehr brauche ich doch gar nicht.<br />

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FietsPad.De – Winterreise 2 - Skandinavien<br />

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Doch so einfach läuft das alles dann doch nicht. Noch beim Frühstück kommt der Schaffner vorbei<br />

und fragt uns nach unserem Ziel. Wenn wir nämlich weiter als nach Kiruna möchten, dann müssten<br />

wir dort in den Bus umsteigen, da die Strecke nach Narvik geschlossen ist. Hastig packen wir unsere<br />

Sachen, packen uns in unsere dicke Kleidung ein, und verlassen schließlich in Kiruna den Zug. Den<br />

Polarkreis haben wir längst hinter uns gelassen und dementsprechend kalt ist es hier. Ich muss erst<br />

einmal viel husten, da ich an diese Luft noch gar nicht gewöhnt bin. Alles ist kniehoch mit Schnee<br />

bedeckt, nur die Straßen und Gehwege sind so gut es geht geräumt. Die meisten Autos sind<br />

höhergelegt und haben zusätzliche Scheinwerfer an ihrer Stoßstangen montiert. Die Gehhilfen alter<br />

Frauen sind mit Kufen anstatt mir Rädern ausgestattet.<br />

Ich verabschiede mich von den Berlinern und bleibe noch ein wenig in Kiruna, da ich mich spontan<br />

entschlossen habe, mir eine Skiausrüstung zuzulegen. Dieser Sinneswandel kam aus folgenden<br />

Gründen: Das Ausleihen eine Skiausrüstung soll sauteuer sein. Warum also nicht gleich eine eigene<br />

Ausrüstung kaufen, die ich auch in Zukunft benutzen kann? Und vielleicht noch ein viel wichtigerer<br />

Grund: Da Skifahren hier in Schweden Volkssport ist, bekommt man die Teile viel günstiger. Hinzu<br />

kommt, dass man die 22% Mehrwertsteuer an der Grenze erstattet bekommt!<br />

Dumm ist allerdings, dass heute Sonntag ist und im Gegensatz zu Stockholm hier fast kein einziges<br />

Geschäft geöffnet hat. Ich frage viele Leute nach einer Möglichkeit zum Kaufen von Ski-Equipment,<br />

doch entweder schütteln sie den Kopf oder nennen mir Läden, die geschlossen haben. Nach<br />

stundenlanger Suche mit dem schweren Rucksack auf den Schultern muss ich aufgeben. So ein Mist!<br />

Geschlagen mache ich mich wieder auf den Rückweg zum Bahnhof.<br />

Dabei komme ich an vielen Eisskulpturen vorbei. In den letzten Tagen hat hier das so genannte<br />

"Kiruna Snow Festival" stattgefunden und Künstler aus aller Welt haben hier ihre Skulpturen aus<br />

Schnee erschaffen. Bei diesen Temperaturen werden die sicherlich noch eine ganze Weile lang<br />

halten.<br />

Am Bahnhofskiosk kaufe ich mir eine Telefonkarte und erfahre dabei von der Verkäuferin, warum die<br />

weitere Strecke nicht vom Zug befahrbar ist. Irgendwo in den Bergen zwischen Kiruna und Abisko ist<br />

ein Zug im Schnee entgleist und versperrt nun den ganzen Abschnitt. Danach habe ich es gar nicht so<br />

leicht, mit der Telefonkarte zu Hause anzurufen. Die Scheiben der Telefonzelle sind mit dickem Eis<br />

bedeckt und am Boden ist überall der feine Pulverschnee in der Zelle. Um die Tasten besser drücken<br />

zu können, muss ich den Handschuh ausziehen, was im Endeffekt nicht sonderlich schlau war. Mein<br />

Finger friert beim Wählen fast an den Tasten aus Metall fest. Dabei hat man mich vor dem Aussteigen<br />

aus dem Zug ausdrücklich davor gewarnt, metallene Gegenstände mit der bloßen Hand zu berühren<br />

oder Gesichtscremes zu benutzen, da das zu starken Erfrierungen bzw. Festfrierungen führen kann.<br />

Die Elektronik des Telefons hat in den tiefen Minusgraden stark zu kämpfen. Das Nummerndisplay<br />

baut sich nur sehr langsam neu auf und ich schaffe es erst beim vierten Versuch nach Deutschland<br />

durchzukommen...<br />

Nach längerer Wartezeit im Bahnhof geht es mit dem Bus weiter nach Abisko. Es ist erst 15 Uhr und<br />

die Dämmerung bricht über uns herein. Im Bus bemerke ich erst, wie fertig ich durch den fehlenden<br />

Schlaf der letzten beiden Nächte bin. Ich nicke immer wieder ein und die verschneite Landschaft<br />

rauscht in Episoden an mir vorbei. Als ich nach kurzem Schlaf die Augen wieder öffne, nähert sich der<br />

Bus dem riesigen See Torneträsk. Er liegt unter einer dicken Eis- und Schneeschicht, hinter der sich<br />

wundervolle weiße Berge erheben.<br />

In Abisko steigen wir wieder in den Zug um. Für mich ist es sehr schwer die schwedischen Ansagen<br />

zu verstehen und ich frage den Schaffner ob er auch Englisch spricht. Darauf seine saloppe Antwort:<br />

"Not today." Vielen Dank auch! Noch schlimmer scheint er es allerdings zu finden, dass ich in<br />

Katterjåkk aussteigen möchte. Das Ganze läuft hier übrigens etwas anders als in Deutschland. Auch<br />

wenn ein Dorf wie dieses im Fahrplan angegeben ist, heißt das noch lange nicht, dass der Zug auch<br />

dort hält. Dies passiert erst, wenn der Schaffner von jemandem weiß, der dort aussteigen will, oder<br />

wenn jemand mit winkenden Armen auf dem Bahnsteig steht. Schließlich kommt der Moment, in dem<br />

ich in Katterjåkk abgesetzt werde.<br />

Etwas ungläubig sehe ich mich um. Das ganze Dorf besteht nur aus der "Turiststation". Der<br />

unfreundliche Schaffner blickt mich erwartungsvoll an. Ohne Worte gehe ich zum nächsten Häuschen<br />

mit brennendem Licht. Eine Klingel gibt es nicht, dafür sorgt schon der bellende Hund hinter der Tür.<br />

Ein Mann mit grauem Bart öffnet die Tür und sieht mich etwas ungläubig an. Ich wäre nur eine<br />

Person? Ok, das ließe sich machen.<br />

Erst in diesem Moment lässt der Schaffner den Zug wieder abfahren.<br />

Von dem Besitzer der Turiststation erfahre ich dann auch, dass die Saison noch gar nicht begonnen<br />

hat, er könne mir aber trotzdem ein Zimmer geben. Die Saison fängt eigentlich erst in zwei Wochen an<br />

und er hätte jetzt auch mit niemandem gerechnet. Momentan lieben hier nur er, sein Hund und die<br />

zwei Leute von der Wetterstation. Wahnsinn! Ich habe die Einwohnerzahl dieses Dörfchens<br />

schlagartig um 25% ansteigen lassen!<br />

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FietsPad.De – Winterreise 2 - Skandinavien<br />

In der Dunkelheit unternehme ich noch eine kleine Fototour in der näheren Umgebung der Hütte.<br />

Irgendwie finde ich es hier unheimlich. Ich kann dieses Gefühl nicht so wirklich auf den Punkt bringen.<br />

Es liegt wohl an der unglaublichen Stille. Bei jedem verdächtigen Geräusch schrecke ich zusammen,<br />

um dann festzustellen, dass dieses Geräusch nur von mir stammen kann. So etwas habe ich für üblich<br />

nie.<br />

Stille. Keine Menschen. Keine Vögel. Kein Geräusch. Nur die sich in dunklen Silouhetten<br />

abzeichnende Landschaft. Stille.<br />

Fahrplan heute<br />

Ab Uhrzeit An Uhrzeit<br />

Stockholm C 17:00 Kiruna C 09:48<br />

Kiruna C<br />

(Schienenersatzverkehr)<br />

14:33 Katterjåkk 16:25<br />

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Tag 4: Katterjåkk und die Suche nach dem gelben Kasten<br />

Heute Nacht hatte ich wieder den Traum, den ich fast auf jeder Reise einmal bekomme. Aus<br />

irgendeinem Grund kehre ich wieder frühzeitig nach Hause zurück, bin dann todunglücklich über die<br />

frühe Rückkehr und merke dann erst, dass an eine Rückkehr in den weit entfernten Urlaubsort kaum<br />

zu denken ist. Irgendwann wache ich dann auf und bemerke mit Erleichterung, dass ich nicht zu<br />

Hause, sondern noch auf Reise bin. Seltsam. Diesen Traum bekomme ich normalerweise immer<br />

dann, wenn die Strapazen einer Reise zu groß werden und ich immer an das gemütliche zu Hause<br />

denken muss. Dadurch wird mir erst bewusst, dass eine verfrühte Rückkehr kaum die Lösung sein<br />

kann. Dieses Mal muss es mehr mit meinem Unterbewusstsein zu tun gehabt haben. Noch nie war ich<br />

auf einer Reise in einem so kleinen und trotz Bahnanschluss so einsam gelegenen Dorf ohne<br />

Einkaufsmöglichkeit.<br />

Nach einer wunderbar warmen Dusche bin ich wieder fit und mache mir ein provisorisches Frühstück<br />

aus aufgewärmter Milch und dareingeworfenen Stückchen einer Schokoladentafel. Der Besitzer der<br />

Turiststation hat mir bereits gestern angeboten, mir seine Skier auszuleihen, nachdem er meine Frage<br />

nach einem Skiverleih hier im Ort nur verneinen konnte. Er drückt mir seine Skistiefel in die Hände<br />

und fragt, ob sie passen. Oh Wunder! Sie passen! Eine wahre Seltenheit bei mir. Er hilft mir noch beim<br />

Anschnallen der Skier und sagt mir mit einem Fingerzeig, dass ich es doch auf dem Hügel dort<br />

versuchen soll. Dann überlässt er mich meinem Schicksaal als ungelernten Ski-Laien. Der "Hügel" ist<br />

ja auch nur "läppische" 902 Meter hoch und dahinter beginnt Norwegen. Schon meine erste "Abfahrt"<br />

in den Tunnel unter den Schienen durch stellt sich als sehr schwierig heraus. Als totaler Laie, der noch<br />

nie auf Skiern gestanden hat, muss ich dabei ein lustiges Bild abgeben. Danach versuche ich mich auf<br />

den besagten Hügel hochzukämpfen - mit angeschnallten Skiern. Dumm nur, dass auf einen Rutsch<br />

vorwärts zwei Rutsche zurück folgen. Widerwillig schnalle ich die mühsam angelegten Skier wieder<br />

ab, nehme sie auf die Schulter, und laufe zu Fuß nach oben. Immer am Lift entlang geht es weiter.<br />

Der Lift ist zwar angeschaltet, bietet aber keine Möglichkeit, um sich festzuhaken. Mit dem<br />

Stromverbrauch nimmt man es hier im Norden sowieso nicht so eng.<br />

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FietsPad.De – Winterreise 2 - Skandinavien<br />

Zu Fuß ist es schwierig, durch den tiefen Schnee vorwärts zu kommen. Ich folge den Spuren der<br />

Motorschlitten. Die sicherste Möglichkeit und trotzdem sinke ich oftmals bis zur Hüfte ein und muss<br />

mich mühsam wieder aus dem Schnee befreien. So langsam lugt auch die Sonne hinter den Bergen<br />

hervor. Heute ist es zwar von 8 bis 16 Uhr hell, doch in dieser Zeit bekomme ich die Sonne nur zwei<br />

Stunden zu sehen. Dabei wirft sie ein tolles Dämmerlicht auf die Berge der Umgebung.<br />

Schweißgebadet komme ich schließlich oben am Ende des Liftes an. Doch oben auf dem "Hügel" bin<br />

ich lange noch nicht und ich schlage mir diesen Gedanken aus dem Kopf. Das würde ich heute kaum<br />

noch schaffen. Heute ist es mit -11°C unten im Tal recht warm. Immerhin sehe ich jetzt auch zwei<br />

andere Skifahrer auf einer weiter unten gelegenen Piste. Ich beobachte ihre Bewegungen genau und<br />

versuche davon zu lernen. Ich schnalle die Skier wieder an und versuche auf einer weniger steilen<br />

Stelle mein Glück. Jeder Versuch einer Abfahrt endet bei mir so, dass ich mich schon nach wenigen<br />

Metern auf den Hintern setze, um damit abzubremsen. Ich bekomme das abbremsen mit den Skiern<br />

einfach nicht hin und mit den Kurven habe ich auch so meine Probleme. Dabei sah das bei den<br />

beiden anderen Skifahrern und im Fernsehen immer so einfach aus! Ich fühle mich an die ersten<br />

Radfahrversuche ohne Stützräder erinnert und frage mich, was den Besitzer dieser Skier bloß, dazu<br />

getrieben hat, sie mir auszuleihen. Nach meinem Verständnis von Physik müsste ich diese Dinger<br />

schon längst kaputt gemacht haben. Dabei weisen sie noch nicht einmal Kratzer auf. Beeindruckend!<br />

Mir reicht es und ich nehme die nächste Piste in den Grenzort Riksgränsen, wo ich mir eine<br />

Einkaufsmöglichkeit und eine Post erhoffe. Dumm nur, dass es auf der besagten Piste auch bergab<br />

geht und ich kann, wie bereits erwähnt, überhaupt nicht bremsen. Die beiden anderen Skifahrer<br />

überholen mich und sehen mich etwas ungläubig an. Ich kann ihnen, auf dem Hosenboden sitzend,<br />

nur dumm grinsend zuwinken. Mann! Bei denen sieht das sooo einfach aus! Ein Ski zum bremsen, der<br />

andere zum halten der Spur. Warum bekomme ich das nur nicht hin, ohne nach kurzer Zeit wieder auf<br />

dem Hosenboden zu sitzen und mir die Kniegelenke zu verdrehen? Immerhin entwickle ich mit der<br />

Zeit eine ganz eigene Technik für die steilen Abfahrten. Ich fahre einfach in der Hocke und stemme<br />

die Fäustlinge zum Abbremsen in den Schnee. Für's schnelle Bremsen benutze ich dann einfach<br />

- 14 -


FietsPad.De – Winterreise 2 - Skandinavien<br />

meinen Hintern. Als ich dann wieder einmal im Schnee sitze und die nächste Abfahrt grübelnd<br />

betrachte, kommt ein Motorschlitten von dort hochgerast und bleibt hinter mir stehen. Die nette<br />

Schwedin plappert mich im typisch schwedischen Singsang an. Da ich offensichtlich nichts verstehe,<br />

steigt sie ab und kommt zu mir. Ich frage sie, ob sie Englisch spricht und daraufhin sagt sie mir, dass<br />

sie mich nur wissen lassen wollte, dass für den Fall weiterer Motorschlitten am Rand der Piste bleiben<br />

solle. Wo ich denn hinwolle, fragt sie mich.<br />

"Nach Riksgränsen. Das heißt, ich versuche es..."<br />

Ich versuche ihr die dumme Stellung zu erklären, warum ich hier so im Schnee liege. So dumme<br />

"Greenhorns" wie mich scheint sie wohl gewohnt zu sein und sie hilft mir geduldig beim Abschnallen<br />

der Skier. Die nächsten 50 Meter wären sehr steil, danach könne ich die Skier wieder anschnallen.<br />

Und wieder kommt ein Motorschlitten angerast. Dieses Mal mit zwei ihrer Kollegen, die mich ebenfalls<br />

auch Schwedisch voll trällern. Sie wären gerade dabei, die Pisten und Lifte hier für die Saison<br />

vorzubereiten - daher auch der hohe Verkehr hier. Nun, jetzt haben sie wenigstens ein<br />

Gesprächsthema für ihre nächste Pause: Sicher den dummen "Möchtegern-Skifahrer aus<br />

Deutschland, der sich so komisch im Schnee verkrallt hat. Als ich die Skier endlich ab habe, sagt sie<br />

mir noch, dass das auch keine Downhill-Skier wären, sondern irgendein Mischmasch. Aha! Dann kann<br />

ich wenigstens die Schuld für mein schlechtes Fahren auf die Skier schieben!<br />

Und somit muss mein Hosenboden noch einige Rutschfahrten aushalten, bevor ich endlich in<br />

Riksgränsen angekommen bin. Dieser Ort ist zwar schon größer als Katterjåkk, doch auch hier werde<br />

ich überall mit Schildern darauf hingewiesen, dass Hotels usw. erst ab dem 14 Februar geöffnet<br />

werden. Ich frage jemanden, ob es hier eine Möglichkeit gibt, Briefmarken zu kaufen. "Maybe", lässt er<br />

mich wissen und führt mich durch das eigentlich geschlossene Hotel zu einem kleinen Supermarkt. Ich<br />

darf dort abgesehen von den Briefmarken sogar ein paar von den Lebensmitteln kaufen, die bereits im<br />

Regal liegen! Vor dem Hotel entdecke ich dann auch einen von einem Husky "bewachten"<br />

Briefkasten. Ich schaue schon den ganzen Tag neidisch auf die Fahrer der Motorschlitten, die sich<br />

hier so einfach durch die Landschaft bewegen können. An den drei vor dem Supermarkt stehenden<br />

Schlitten stecken sogar noch die Schlüssel. Hmpf, da muss man eben doch der Versuchung<br />

widerstehen... Im Übrigen scheint man es hier mit der Misstrauen hier nicht so wie woanders zu<br />

übertreiben, was das freundliche Bild von den Menschen hier nur verstärkt.<br />

Total happy mache ich mich auf den Rückweg. Auf dem Wanderweg Riksgränsen nach Katterjåkk<br />

kommen meine Langlaufskier endlich zur Geltung. Und ich komme auf der geraden Strecke<br />

verhältnismäßig gut vorwärts. Nach langer Fahrt komme ich schließlich entkräftet und überhitzt in<br />

Katterjåkk an. Die Sonne ist bereits wieder untergegangen. So einen schweren Weg zur Post hatte ich<br />

noch nie...<br />

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Nachtrag: Es ist jetzt 11 Uhr abends. Ich bin gerade vorm Zähneputzen noch mal kurz raus<br />

gegangen, weil ich den Sternenhimmel fotografieren wollte. Hmm, was ist denn das für eine helle<br />

Wolke da oben?, habe ich mich gefragt. Vielleicht ist es ja auch die Milchstraße.<br />

Bewegt sich die Milchstraße denn?<br />

Ups! Wow! Ich kann es kaum glauben! Es sind tatsächlich Aurora Borealis - Polarlichter!<br />

Faszinieren, mit was für geschmeidigen Bewegungen sie sich langsam über das Firmament bewegen.<br />

Ich bin fasziniert und empfinde diesen Anblick gleichzeitig als unheimlich. Es ist schwer zu<br />

beschreiben und nun weiß ich gar nicht mehr, ob ich mir Polarlichter so vorgestellt habe. Man muss<br />

sie einfach selbst gesehen haben. Fotos können das nicht festhalten. Und zur Krönung des Abends<br />

gibt es noch einige Sternschnuppen dazwischen.<br />

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Tag 5: Zu Fuß über Wasser<br />

Und schon wieder 8 Uhr. Der Wecker quält mich mit dem üblichen nervtötenden Geräusch, was mir<br />

sonst auch jeden Morgen durch Mark und Knochen geht. Der Blick nach draußen zeigt, dass die<br />

Dämmerung, die den ganzen Tag anhalten wird, bereits begonnen hat. Der Hund des Besitzers läuft<br />

wieder quietschfidel draußen herum und sucht verzweifelt nach einem Schneehaufen, den er noch<br />

nicht bepinkelt hat.<br />

Um 9.30 Uhr möchte ich meinen Zug nach Narvik nehmen, doch der Besitzer der Turiststation wirft<br />

mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Wie alles andere fährt auch dieser Zug erst ab der<br />

Touristensaison - also in zwei Wochen erst. Er rät mir dazu den nächsten Zug zu nehmen, der aber<br />

leider nicht hier, sondern nur in Riksgränsen halten wird. So lasse ich den Morgen ruhig angehen und<br />

mache mich um 10.30 Uhr auf den Weg, um um 11.47 Uhr den Zug in Riksgränsen zu erreichen. Der<br />

einzig verfügbare Fußweg dorthin führt mich über den zugefrorenen See von Viepmatluokta.<br />

Hmm, ich bin am zweifeln, ob ich die große weiße Fläche auf ihren ein bis zwei Kilometern Fußweg<br />

wirklich überqueren soll. Doch die zahlreichen Spuren der Motorschlitten beweisen mir ja, dass das<br />

Eis schon mehr ausgehalten haben muss. Also mache ich mich auf den Weg. Hier bliebe noch zu<br />

erwähnen, dass ich eine Scheißangst vor tiefem Wasser habe - und skandinavische Seen sind in der<br />

Regel verdammt tief! - was ich mir ausgerechnet hier immer wieder in Erinnerung rufen muss. Können<br />

Motorschlitten eigentlich schwimmen? Andererseits versuche ich mich mit den Geschichten derer zu<br />

beruhigen, die solche Seen auch schon mit dem Auto überquert haben wollen. Trotzdem will in mir<br />

keine Ruhe einkehren. Unter dem dicken Schnee kann ich das Eis ja nicht einmal sehen, geschweige<br />

denn seine Dicke abschätzen. Ich folge weitestgehend den Spuren der Motorschlitten, da der Schnee<br />

dort härter ist. Hin und wieder passiert es dann aber doch, dass ich bis zu den Knien einsacke und in<br />

diesem Moment nie weiß, ob das gerade das brechende Eis ist, oder nur der Schnee. Dass ich bei<br />

jedem Schritt ein knackendes Geräusch zu hören glaube, bringt das Fass zu überlaufen. Ich gerade<br />

fast in Panik, renne wieder zurück, um die Lage abzuschätzen und es dann erneut zu versuchen.<br />

Irgendwann merke ich, dass am "Knacken" nur die Befestigungsklemmen meiner Fototasche schuld<br />

sind, dessen Klappern ich vorher nie wahrgenommen habe.<br />

Schweißgebadet komme ich endlich bei einer kleinen verschneiten Werft wieder auf Land, um nur<br />

kurze Zeit später von einem knurrenden Schäferhund angefallen zu werden. Der Besitzer ruft in hastig<br />

zurück. Es ist wie in einem Gameboy -Spiel: Nach einem schwierigen Level habe ich den Endgegner<br />

endlich besiegt und es kann gemütlich weitergehen.<br />

10 Minuten vor der angegebenen Abfahrtszeit komme ich am Bahnhof an. Außer mir gibt es hier<br />

niemanden. Über eine elektronische Ansage höre ich mehrmals irgendetwas über Stockholm, Kiruna<br />

und Narvik. Das kann nur meinen Zug betreffen. Aber was zum Teufel soll das jetzt heißen? Ohne<br />

Schwedischkenntnisse ist man hier ganz schön aufgeschmissen. Hier am Bahnsteig gibt es zwar<br />

einen Bildschirm mit Abfahrtszeiten, nur leider wird darauf kein einziger Zug angezeigt. Irgendwas<br />

kann daran doch nur faul sein! Ein paar Minuten nach der eigentlichen Abfahrtszeit gehe ich mal<br />

runter zum Hotel. Vielleicht weiß man dort mehr. Auch im Hotel haben sie eine Anzeigetafel - diese<br />

zeigt sogar Züge an! Dumm, dass über meinen Zug darin nichts Spezielles verzeichnet ist. Vielleicht<br />

kommt er nur ein paar Minuten später, sagt mir die Dame im Hotel. Alle Leute hier im Hotel laufen<br />

kreuz und quer durch die Empfangshalle und bereiten die Wiedereröffnung des Hotels für die Saison<br />

vor. Auf der Straße muss ich mich wie gestern wieder vor einem Motorschlitten in Acht nehmen und<br />

oben am Bahnhof stehe ich dann wieder ziemlich alleine da. Bis dann tatsächlich ein Zug einfährt -<br />

aus der falschen Richtung! Ich frage den Schaffner, woraufhin er über Funk Informationen für mich<br />

einholt. Ich müsse runtergehen zum Hotel, sagt er mir. Da warte der Bus, mit dem er sich gerade über<br />

Funk unterhalten habe. Also muss ich wieder runter! Sobald ich an den die Sicht versperrenden<br />

Schneehaufen vorbei bin, sehe ich ihn auch dort unten stehen. Der Fahrer winkt mir zu. Uff! Gerade<br />

noch geschafft!<br />

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Nun geht es weiter über die norwegische Grenze und vom Hochland langsam hinab zu den Fjorden.<br />

Die Landschaft ist wunderschön. Der Wind hat beeindruckende Formationen in den Schnee<br />

geschnitten und an den riesigen schroffen Bergen gibt es zahlreiche gefrorene Wasserfälle. Nach<br />

längerer Fahrzeit kommen wir schließlich in Narvik am Bahnhof an. Ich bin etwas unschlüssig darüber,<br />

wie es nun weitergehen soll. Gerne würde ich mit dem Bus weiter auf die Lofoten. Nachdem ich mich<br />

an allen möglichen Stellen in der Stadt informiert habe, komme ich zu der bitteren Erkenntnis, dass<br />

eine Fahrt auf die Lofoten viel zu lang und teuer werden würde. Alleine bis Å i Lofoten, dass je nach<br />

Strecke um die 400 Kilometer entfernt liegt, müsste ich drei verschiedene Buslinien und eine Fähre<br />

benutzen. Also entschließe ich mich dazu, hier in Narvik eine Nacht zu verbringen. Es gibt eine billige<br />

Backpackerherberge namens Spår 1, in der man für "nur" 160 NOK (rund 20 Euro) pro Nacht<br />

übernachten kann. Von dort aus unternehme ich in der abendlichen Dämmerung einen Spaziergang<br />

durch den westlichen Teil der Stadt. Von einem kleinen Fußweg aus bietet sich ein toller Ausblick auf<br />

den Fjord und den unter mir liegenden Flughafen von Narvik, auch Framnes Lufthavn genannt.<br />

Bei meiner Rückkehr sind in der Herberge bereits einige weitere Gäste eingetroffen: Auf meinem<br />

Zimmer sind das z.B. Bart aus Belgien und Yuya aus Japan, mit dem ich mich den ganzen Abend<br />

wunderbar unterhalten werde. Mit Bart gehe ich am Abend noch in eine nahe gelegene Seefahrer-<br />

Kirche. Dort gibt es ein Internet-Café, von wo aus wir nac h Hause schreiben wollen. Schon beim<br />

eintreten in das Nebengebäude lächeln und zwei Araber mit Wasserpfeifen zwischen den Lippen an.<br />

Um die Computer streiten sich ausnahmslos nur Südländer, die uns "Norweger" hier überhaupt nicht<br />

haben wollen. Also muss erst einmal Aufklärungsarbeit gemacht werden, wir beiden sind ja nicht<br />

wirklich Norweger. Wir haben noch nie eine christliche Kirche mit so vielen Muslimen darin gesehen.<br />

Alsbald wird diese Kirche von Bart und mir nur noch "Musilm-Church" genannt...<br />

Fahrplan heute<br />

Ab Uhrzeit An Uhrzeit<br />

Riksgränsen 11:47 Narvik 12:36<br />

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Tag 6: Narvik und Umgebung auf japanische Art<br />

Ich weiß noch immer nicht, wohin es jetzt weitergehen soll. Ich bin gedanklich schon drauf und dran,<br />

mir ein Busticket zum nächsten südlich gelegenen Bahnhof - nach Fauske - zu kaufen. Yuya möchte<br />

sich heute ein Auto mieten, um sich abends fern der Stadt die Polarlichter ansehen zu können. Er<br />

redet viel von Aurora Borealis und ist hauptsächlich deswegen hier nach Norwegen gekommen. Aus<br />

Japan hat er sich viele Informationsbroschüren zu über die Polarlichter mitgenommen, die ich zu<br />

entziffern versuche. Nachdem er die Polarlichter gesehen hat, soll es mit der Bahn weiter nach Italien<br />

und Spanien gehen - in Hamburg war er bereits.<br />

Mir kommt die Idee, dass wir uns ja zusammen ein Auto mieten könnten und dann jeder nur die Hälfte<br />

zahlen muss. Er ist damit einverstanden und kurze Zeit später machen wir uns auf dem Weg zum<br />

nächsten Hertz-Autoverleih. Nach einigen Komplikationen haben wir dann endlich den Preis<br />

herausgefunden. Für das billigste Auto, einen Toyota Yaris, soll das 1000 NOK (140 Euro) pro Tag<br />

kosten! Das erscheint uns dann doch sehr teuer und wir verwerfen den Plan schweren Herzens. Yuya<br />

scheint dieser Gedanke aber noch einige Zeit lang im Kopf herumzuschwirren. Während wir durch das<br />

Einkaufszentrum gehen schlägt es mir vor, dass es doch auch reichen würde, wenn ich nur 200 NOK<br />

dazulegen würde. Ich nehme das Angebot an und etwa eine halbe Stunde später und nach dem<br />

Unterschreiben einen komplizierten Vertrages, sind wir Besitzer eines japanischen Kleinkraftwagens.<br />

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Bei der Abfahrt lässt mich Yuya beiläufig wissen, dass er eigentlich nur mit Automatik-Gangschaltung<br />

fahren kann, und diese hier auch auf der falschen Seite wäre. Und nach dem ersten Fast-<br />

Zusammenstoß mit einem anderen Auto erfahre ich dann auch von ihm, dass in Japan eigentlich<br />

Linksverkehr herrscht. Er empfiehlt mir ein wenig mit aufzupassen, dass er nicht plötzlich auf der<br />

falschen Seite fährt. Und daran muss ich ihn auf der ganzen Fahrt oft genug erinnern...<br />

Vielleicht bliebe noch zu erwähnen, dass wir an einem Parkplatz im Schnee stecken bleiben und ich<br />

das Auto wieder raus schieben müssen, während Yuya das Pedal so weit durchdrückt, dass ein<br />

durchdrehendes Vorderrad schon anfängt zu stinken. Doch alles in allem sind es immer wieder sehr<br />

lustige Situationen. Nebenbei muss ich feststellen, dass Yuya (mal abgesehen von der<br />

Fotoausrüstung) gar nicht so "japanisch" ist. Er trinkt z.B. Milch und achtet höllisch darauf, dass er<br />

keine tot auf der Straße liegenden Tiere überfährt. Nach einer über 100 Kilometer langen Fahrt kehren<br />

wir wieder nach Narvik zurück und verbringen die Zeit bis zum Abend in der Herberge.<br />

Bart ist inzwischen leider erfolglos von seiner Jobsuche zurückgekehrt. Er denkt noch gar nicht an die<br />

Rückkehr nach Belgien und möchte erst einmal so lange wie möglich hier bleiben.<br />

Um 10 Uhr machen Yuya und ich uns auf den Weg zum eigentlichen "Ziel", den Polarlichtern. schon<br />

hier in der Stadt sind welche zu erkennen, und während wir am Fjord entlangfahren, leuchten sie in<br />

den schönsten Farben über uns. Yuya hat es dabei schwer, sich auf das Fahren zu konzentrieren. Wir<br />

fahren hoch in die Berge auf das Haugfjellet und suchen uns eine dunkle Stelle zum beobachten der<br />

Polarlichter. Doch gemütlich ist es hier oben auf dem Fjell ganz und gar nicht. Der stürmische Wind<br />

schneidet uns mit -20°C kalter Luft ins Gesicht.<br />

Nach einem kurzen Aufenthalt fahren wir wieder zurück in Richtung Fjord und stoppen in einem Wald,<br />

wo es viel windstiller ist. Leider haben die Polarlichter inzwischen nachgelassen. Wir setzen uns nach<br />

einiger Zeit wieder ins Auto, um stärkere Polarlichter abzuwarten. So sitzen wir gut eine Stunde dick in<br />

unsere Jacken eingemollt im Auto und blicken auf die schwächer werdenden Lichter. Nach Mitternacht<br />

fahren wir ein wenig enttäuscht wieder zurück ins Tal.<br />

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Tag 7: Langeweile...<br />

Ich habe mich nun dazu entschieden, heute doch mit dem Bus zum nächsten norwegischen Bahnhof<br />

nach Fauske zu fahren. Viel passieren wird heute nicht, abgesehen davon, dass ich mich von Bart<br />

und Yuyo verabschiede. Bart sagt, dass er evtl. eine Stelle auf einer Werft gefunden hat, wo sie alte<br />

Boote reparieren.<br />

Mein Bus fährt erst um 16.10 Uhr und bis dahin habe ich noch eine Menge Zeit, alleine im Zimmer zu<br />

sitzen und bis zum Erbrechen zu lesen. Draußen hat es kräftig zu schneiden begonnen. Das schöne<br />

Wetter der letzten Tage ist leider vorbei, doch dafür sind die Narviker heute ganz happy, dass es das<br />

Sonnenlicht das erste Mal in diesem Jahr heute Morgen bis in die Innenstadt geschafft hat.<br />

Die Fahrt mit dem Bus ist nicht gerade abwechslungsreich. Es ist stockdunkel und der Busfahrer liefert<br />

sich die halbe Fahrt über ein Wettrennen mit einer Militärkolonne aus Jeeps. Zwischendurch gibt es<br />

noch eine kurze Fährüberfahrt von Skarberget nach Bognes. Die bis an das Nordkap führende<br />

Europastraße 6 ist hier durch einen Fjord unterbrochen und die Fähre bietet an dieser Stelle die<br />

einzige Verbindung zwischen Süd -und Nordnorwegen. Durch das schroffe Innland gibt es,<br />

abgesehen von kleinen Wanderpfaden, keine Straßen mehr.<br />

Nach über 5 Stunden Fahrtzeit kommen wir endlich in Fauske an und ich steige gleich in den<br />

Nachtzug nach Trondheim um. Wieder ohne besondere Vorkommnisse geht es weiter. Ein schrecklich<br />

langweiliger Tag...<br />

Fahrplan heute<br />

Ab Uhrzeit An Uhrzeit<br />

Narvik (Bus) 16:10 Fauske 21:20<br />

Fauske 21:45 Trondheim 07:50<br />

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Tag 8: Trondheim und das norwegische Innland<br />

Das war mal wieder typisch! Mitten in der Nacht stürmt eine ganze Schulklasse in das Abteil, die dann<br />

auch keine Ruhe mehr gibt. So beende ich um halb acht meinen Halbschlaf, um nur kurze Zeit später<br />

ziemlich unausgeschlafen aus dem Zug zu steigen.<br />

Ich möchte mir noch ein wenig die Stadt ansehen, bevor es am Mittag weitergehen soll. In Trondheim<br />

ist es meinem Gefühl nach schon ein Eckchen wärmer. Es schneit stark den ganzen Tag über. Im<br />

Internet-Café hole ich mir Informationen ein über weiter südlich an der Bahnstrecke liegende<br />

Übernachtungsmöglichkeiten ein. Die Informationen zur Jugendherberge in Dombås hören sich ganz<br />

nett an. Das Foto ist viel versprechend und der Preis beträgt auch nur 190 NOK pro Nacht.<br />

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Nach einer ausgiebigen Besichtigung der Stadt und ihrer verscheiten Umgebung geht es wieder mit<br />

dem Zug weiter. Die Strecke ist traumhaft. Erst geht es noch durch die vorgelagerten Dörfer von<br />

Trondheim und dann fährt der Zug langsam immer weiter bergauf, bis es schließlich über die weite<br />

Fläche des verschneiten Dovrefjell geht. Der Zug, den man optisch fast mit einem ICE verwechseln<br />

könnte, hält auch an kleinen Dörfern, wie dem verträumten Hjerkin. Hjerkin liegt mitten auf dem<br />

Dovrefjell und besteht nur aus einem schon romantisch anmutenden hölzernen Bahnhof und einigen<br />

Häusern - in der Mitte ein kleines Hotel. Und alles ist von der weißen Szenerie des Fjells umgeben.<br />

Bei Bahnfans wird diese Strecke als eine der schönsten der Welt bezeichnet.<br />

Vor Dombås geht die Strecke wieder langsam bergab und schlängelt sich in einer weiten Serpentine<br />

in das Tal hinab. Als ich in der Dämmerung am Bahnhof von Dombås ankomme, erfahre ich, dass ich<br />

gleich noch zwei Kilometer zur Jugendherberge bergauf laufen muss. Gar nicht so einfach mit dem<br />

vielen Gepäck auf der rutschigen Straße. An einer Skipiste sehe ich mich ein wenig verdutzt um. Das<br />

einzig beleuchtete Gebäude hier ist ein großer modern aussehender Holzbau, der viel mehr wie ein<br />

Hotel, als wie eine Jugendherberge aussieht.<br />

Es ist die Jugendherberge.<br />

Als die Dame an der Rezeption endlich alles usw. erledigt hat, nennt sie mir den Preis: 350 NOK. Ok,<br />

sage ich ohne zu überlegen und greife schon zum Portemonnaie. Ups! Dann fällt es mir erst auf, dass<br />

das ja gute 50 Euro sind! Für eine Nacht! "Well, that's quite a lot", sage ich zögernd. Ja, da könne ich<br />

Recht haben, sagt sie mir nur und ruft vorsichtshalber noch ihren Chef an, was aber trotzdem keine<br />

Änderung im Preis bringt.<br />

350 Kronen?!? Ich bin doch nicht mit dem Zuckerbeutel gepudert! Tolle Jugendherberge! Die<br />

Mehrbettzimmer wären alle belegt, aber dafür würde ich ja ein Einzelzimmer im Hotelteil dieses<br />

Betriebes bekommen, was normalerweise noch viel teurer sei, vertröstet sie mich. Ich will doch nur ein<br />

warmes Plätzchen zum Übernachten. Mein Vorschlag, doch bei den Mehrbettzimmern mit dem<br />

Schlafsack auf dem Boden schlafen zu können, schlägt sie aus. Keine Chance. Dann eben nicht!<br />

Ich kehre dieser Möchtegern-Jugendherberge den Rücken und gehe mangels Alternativen in diesem<br />

komischen Kaff direkt wieder zurück zum Bahnhof. Von dort aus geht es wenig später wieder mit dem<br />

Zug weiter; dieses Mal nach Lillehammer. Wenigstens in der ehemaligen Olympiastadt sollte doch<br />

irgendetwas Brauchbares zu finden sein. Und tatsächlich! Nach einer Suche, die mich quer durch die<br />

Innenstadt führt, finde ich die hiesige Jugendherberge sogar: Zwei Jungen, die mir Flyer für eine Anti-<br />

Irak-Krieg-Demonstration in die Hand drücken, sagen mir, dass sie direkt im Bahnhofsgebäude ist...<br />

Hmpf... Und die Übernachtung kostet hier nur 200 NOK. Hinzu kommt, dass die junge Frau an der<br />

Rezeption sich sogar freut, endlich mal mit jemandem Deutsch sprechen zu können. Ich frage sie<br />

woher sie so gut Deutsch kann und sie antwortet mir, dass die ein Jahr lang in Deutschland gearbeitet<br />

hat.<br />

Als ich die Tür zu meinem Zimmer öffne, steht da ein halbnackter Man mit einem Handtuch um die<br />

Lenden. Er ruft mir nur ein kurzes "Hola!" zu und verschwindet sofort im Badezimmer. "Wenn Du willst,<br />

dann können wir uns auch auf Spanisch unterhalten!", biete ich ihm auf Spanisch an. Das läuft dann<br />

jedoch weniger gut. Jack kommt nämlich aus Minnesota und kann eigentlich gar kein Spanisch.<br />

Trotzdem wird es auch auf Englisch ein netter Abend. Wo ich doch gerade "Stupid White Men" von<br />

Michael Moore gelesen habe, muss ich doch unbedingt mal einen Nordamerikaner dazu befragen...<br />

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FietsPad.De – Winterreise 2 - Skandinavien<br />

Fahrplan heute<br />

Ab Uhrzeit An Uhrzeit<br />

Fauske 21:45 Trondheim 07:50<br />

Trondheim 14:20 Dombås 16:53<br />

Dombås 18:56 Lillehammer 22:44<br />

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Tag 9: Die unheimliche Reise in die Vergangenheit und Gastfreundschaft in<br />

Oslo<br />

Dieses Vandrerhejm (Jugendherberge) ist wirklich international. Gestern lief der Check-in in Deutsch<br />

ab und heute sitzt eine nette Französin an der Rezeption. Sie gibt mir Tipps dazu, wie ich meine Zeit<br />

in Lillehammer am besten "totschlagen" kann, bis ich um 15 Uhr mit dem Zug weiterfahre. Ich<br />

entscheide mich für das Freilichtmuseum Maihaugen und lasse meinen nervigen Rucksack erst<br />

einmal im Vandrerhejm zurück. Durch die belebte Innenstadt geht es zum Museum. Irgendwie sagt<br />

mir dieser Name "Maihaugen" etwas - irgendwie spukt er in meinem Hinterkopf herum. Mir kommt es<br />

erst wieder in den Sinn, wie ich zwischen den alten Häusern stehe und mir alles so bekannt<br />

vorkommt. Jetzt erst wird mir klar, dass ich hier schon einmal im Sommer mit meinen Eltern gewesen<br />

bin! Doch im Winter bietet diese Fläche ein komplett anderes Bild. Ich bin fast alleine im Museum und<br />

habe alle Zeit mir alles in Ruhe anzusehen. So kann ich mich gemütlich in die auch im Winter<br />

geöffneten Teile der Häuser setzen und in aller Ruhe die Atmosphäre auf mich einwirken lassen...<br />

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FietsPad.De – Winterreise 2 - Skandinavien<br />

Als sehr beeindruckend empfinde ich die im Museumsgebäude gelegene Ausstellung zur Geschichte<br />

Norwegens. Da sitze ich zum Beispiel ganz alleine im Filmsaal und lasse die "ersten" Jahrtausende<br />

Norwegens in einer multimedialen Diashow an mir vorbeiziehen. Es ist schon ein mulmiges Gefühl,<br />

wenn man so alleine durch die dunklen Gänge geht. Im Hintergrund spielt gruselige Musik und ich<br />

fühle mich gleich an einen der Horror-Filme erinnert, die in Museen spielen, in denen man die<br />

Wachsfiguren nicht von Menschen unterscheiden kann. Ich laufe ganz alleine durch das Museum. Erst<br />

starren einen düstere nordische Steinzeitmenschen an, dann nicht viel freundlicher wirkende Wikinger<br />

und im nächsten Moment geht man durch ein urtümliches Haus, wo die Menschen an der Pest<br />

verreckend daliegen. Immer wieder sind menschliche Laute von allen Seiten zu vernehmen.<br />

Babygeschrei, Stöhnen, das Hämmern von Werkzeugen... eine beeindruckend gruselige Atmosphäre,<br />

die man hier während der Hauptsaison nicht erleben kann. Ich jedenfalls kann mich überhaupt nicht<br />

einmal daran erinnern, jemals hier gewesen zu sein.<br />

Leider vergeht die Zeit viel zu schnell und ich muss die Besichtigung abbrechen. Schnell gehe ich<br />

durch die Renaicance, den zweiten Weltkrieg und die Neuzeit, um am heutigen Tag noch rechtzeitig<br />

den Bahnhof zu erreichen.<br />

Die Fahrt nach Oslo gestaltet sich nicht besonders abwechslungsreich. Die Landschaft ist schon den<br />

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FietsPad.De – Winterreise 2 - Skandinavien<br />

ganzen Tag lang hinter einem diesigen Schleier versteckt. In Oslo ist das Wetter nicht besser: Auf den<br />

Straßen liegen in Massen Schneematsch und Eis, die das Laufen zu einer Rutschpartie machen.<br />

Doch ich habe ein ganz anderes Problem: Ich kann Tor Even nicht finden. Tor Even habe ich im Jahr<br />

2000 bei einer Fährüberfahrt nach Oslo kennen gelernt. Er kam gerade von großer Radreise aus<br />

Osteuropa zurück, während ich mir gerade Norwegen mit dem Rad vornehmen wollte. Am Tag des<br />

Aufbruchs zur jetzigen Reise habe ich ihn noch schnell per E-Mail "angedroht", dass ich auf meiner<br />

Reise evtl. auch einen Zwischenstopp in Oslo machen werde.<br />

In der Wartehalle des Hauptbahnhofs greife ich zum Telefon und versuche ihn auf seinem Handy zu<br />

erreichen. Immerhin! Ich komme sogar durch, und höre ihn irgendwas von "behind you" sagen. Keine<br />

zwei Sekunden später klopft mir jemand auf die Schulter. Na klar! Es ist Tor Even, der mich gerade an<br />

seinem Handy hat. So musste es ja sein! Zusammen fahren wir mit seinem Auto zu seiner Wohnung<br />

in der östlichen Innenstadt Oslos. Er lebt hier in einer nett eingerichteten Wohnung mit seinem<br />

"Boyfriend" zusammen. Ok, das soll mich jetzt nicht weiter stören. Viel wichtiger ist es, dass es ein<br />

grandioses Abendessen gibt und wir uns den ganzen Abend toll über Reisen, Politik und Gott und die<br />

Welt unterhalten...<br />

Fahrplan heute<br />

Ab Uhrzeit An Uhrzeit<br />

Lillehammer 15:19 Oslo 17:34<br />

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FietsPad.De – Winterreise 2 - Skandinavien<br />

Tag 10: Zurück nach Schweden<br />

Um 8 Uhr schalte ich den Wecker aus und werfe einen Blick nach draußen. Das Wetter ist genauso<br />

matschig, wie gestern. Die Köpfe der Passanten sind zum Schutz vor dieser ekelhaft feuchten Kälte<br />

tief in den Kragen gezogen. Ich entscheide mich spontan gegen eine Sightseeing-Tour in Oslo. Bei<br />

diesem Wetter wird es nicht so viel zu fotografieren geben, außerdem hätte ich auch nicht dagegen<br />

einzuwenden, mal auszuschlafen. Bis zum späten Morgen kommen Tor Even und sein Freund nicht<br />

aus ihrem Schlafzimmer. Ich schlafe noch bis 11 Uhr aus und lese ein wenig.<br />

Gegen drei Uhr bringt Tor Even mich wieder mit dem Auto zum Bahnhof. Er erzählt mir davon, dass<br />

das Winterwetter in Oslo lange nicht so schlimm, wie diesen Winter war. Es ging praktisch immer hin -<br />

und her. Warm - kalt - warm - kalt - warm - kalt... Kaum ist Schnee gefallen, schmilzt er auch schon<br />

wieder. Und das bei einer nordischen Stadt, wie Oslo, die man sich doch eigentlich so tief verschneit<br />

vorstellt. Zudem seien im Winter die Strompreise extrem um mehr als das doppelte (!) angestiegen.<br />

Grund ist, dass es im letzten Jahr zu wenig geregnet hat, denn Norwegen bezieht den größten Teil<br />

seiner Energie aus Wasserkraft. Atomkraftwerke oder ähnliches gibt es hier nicht. Auch ich habe das<br />

Gefühl, dass seit meinem letzten Aufenthalt in Norwegen vieles noch teurer geworden ist, als es<br />

ohnehin schon war.<br />

Am Bahnhof verabschiede ich mich von Tor Even und danke ihm für die tolle Gastfreundschaft. Er<br />

wirft einen kritischen Blick auf meinen Zug nach Göteborg. Er hatte gar nicht gewusst, dass die<br />

schwedische Bahn auch solche Schrottzüge, wie die Bahn in Norwegen einsetzen würde. Nun ja, von<br />

seinem eigenen Land hat man immer das schlechteste Bild....<br />

Abgesehen davon weist er mich noch darauf hin, dass ich auf dem Weg nach Schweden sicher durch<br />

den Zoll kontrolliert werde. Bis jetzt bin ich auf meiner gesamten Reise nicht ein einziges Mal an einer<br />

Grenze kontrolliert worden und musste nicht einmal irgendwo den Ausweis vorzeigen.<br />

Wie dem auch sei - die Landschaft zieht an mir vorbei. Erst der Oslofjord und dann folgt eine typische<br />

Moränenlandschaft, wie man sie von Ostholstein und Schweden kennt. Irgendwann werden die<br />

Nummernschilder der an den Bahnhöfen stehenden Autos schwedisch und erst jetzt bemerke ich,<br />

dass ich wieder in Schweden bin - ohne jegliche Kontrolle durch den Zoll. Auf dieser Reise hätte sich<br />

Schmuggel richtig lohnen können...<br />

Nach längerer Fahrt fahren wir in den Hauptbahnhof von Göteborg ein. Es ist bereits dunkel und ich<br />

weiß noch nicht, wo ich hier übernachten könnte. In der Nähe des Hauptbahnhofs gibt es<br />

ausschließlich nur große Hotels der Oberklasse. Ich laufe quer durch die Innenstadt und suche nach<br />

Informationen. Eine vollbusige Kioskesitzerin weist mir mit keckem Blick darauf hin, dass ich ja<br />

gegenüber im Radisson übernachten könnte. Ähem, nun ja... Das Tourismusbüro ist leider<br />

geschlossen. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als meinen Informationsprospekt der schwedischen<br />

Jugendherbergen herauszukramen und die Adressen mit den aushängenden Stadtplänen zu<br />

vergleichen. Alles was recht ist, aber die nächste Jugendherberge ist demnach mehrere Kilometer<br />

entfernt. Und das, wo ich morgen um halb acht meinen Zug nach Hause nehmen wollte. Gegenüber<br />

vom Hauptbahnhof kann man mir im Büro der städtischen Tram sehr gut weiterhelfen. Ich bekomme<br />

einen Stadtplan umsonst und man zeichnet mir bei der Gelegenheit noch alle Jugendherbergen<br />

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FietsPad.De – Winterreise 2 - Skandinavien<br />

darauf ein. Leider stimmt es, dass die nächste Jugendherberge ziemlich weit entfernt liegt. Mir bleibt<br />

wohl oder übel nichts anderes übrig, als zu Fuß dorthin zu laufen.<br />

In Göteborg ist der Schneematsch inzwischen wieder gefroren. Ich komme nur sehr schwer voran und<br />

muss die meiste Zeit neben den Gehwegen im Rasen laufen. Auf den Gehwegen ist es mit dem<br />

Rucksack einfach viel zu rutschig und besonders an Ampeln kann ich mich nur sehr schwer am Fleck<br />

halten. Die freundliche Verkäuferin im Ticket-Center hat har mir etwas von einer halben Stunde<br />

Fußweg erzählt.<br />

Etwa eine Stunde später checke ich im Slottskogen Vandrarhem ein. Die Herberge - in einem riesigen<br />

Plattenbau-Komplex gelegen - wirkt von außen recht abschreckend, ist dafür von innen aber umso<br />

besser. Per Kreditkarte (!) bezahle ich die Übernachtungsgebühr von nur 105 SEK. Dies ist die bisher<br />

komfortabelste und preisgünstigste Übernachtungsmöglichkeit in Skandinavien, die ich kenne. Der<br />

Herr an der Rezeption weist mich darauf hin, dass da evtl. noch zwei andere Leute aus Deutschland<br />

wären. Die hätten einen deutschen Akzent wie ich gehabt.<br />

Die beiden Deutschen sind sogar im gleichen Zimmer wie ich. Sie sind beide gestern mit der Ryanair<br />

für nur 105 Euro Hin -und Rückflug vom Provinzflughafen Hahn aus hier angekommen. Der eine von<br />

ihnen studiert in Mainz, der andere ist "Darstellender Künstler", in diesem Fall auch Fakir genannt. sie<br />

möchten sich jetzt Göteborg für ein paar Tage ansehen und fliegen danach, ebenfalls für einen<br />

Spottpreis, mit der Ryanair weiter nach Pisa. Die beiden sind die ersten Deutschen, die ich nach<br />

Stockholm sehe. Skandinavien ist eben im Winter doch ganz anders. Und gerade jetzt Anfang Februar<br />

kann von großem Tourismus keine Rede sein.<br />

Am Abend unterhalten wir uns noch lange vorm Fernseher mit einer Angestellten der Jugendherberge.<br />

Sie erzählt uns ein wenig über die sozialen Strukturen hier in Schweden und wie schwierig es hier sei,<br />

nachdem diese ganzen "fucking Arabs" hier angekommen seien. Mit Tränen in den Augen erzählt sie<br />

davon, dass es hier früher in der Zeitung gestanden hätte, wenn ein Auto gestohlen wurde. Erst<br />

nachdem diese Ausländer gekommen seien, hätte es diese Probleme gegeben. Wir können dem<br />

nichts hinzufügen und sie erntet nur stille Blicke. Das selbstauferlegte Schweigen von uns Deutschen<br />

zu diesem Thema...<br />

Fahrplan heute<br />

Ab Uhrzeit An Uhrzeit<br />

Oslo 13:00 Göteborg 17:07<br />

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Tag 11: Heimfahrt<br />

Um 6.15 Uhr fängt es wieder an. Bip, Biep, Biip, Biiiep...<br />

Wieder dieses nervtötende Geräusch des Weckers! In mieser Morgenlaune packe ich meine Sachen<br />

schnell zusammen und habe danach noch 10 Minuten Zeit mir in der Gemeinschaftsküche mein Müsli<br />

reinzuschaufeln. Kein Mensch ist so früh wach, wie ich. Ich sitze ganz alleine hier. Schnell spüle ich<br />

das Geschirr ab und werfe meine Schlüsselkarte in den Briefkasten der Rezeption. Bis zur Abfahrt<br />

meiner Straßenbahn an der rund 200 Meter entfernten Haltestelle habe ich noch 5 Minuten. In<br />

schnellen schritten laufe und schlittere ich über den gefrorenen Schneematsch und erreiche die<br />

Straßenbahn gerade noch rechtzeitig.<br />

Als wir losfahren, frage ich eine Frau, wo ich denn hier die Tickets einlösen könne. Da wäre ich in den<br />

falschen Wagen eingestiegen. So ein Mist auch! Also steige ich an der Station schnell auf den<br />

vorderen Wagen um. Mit muffiger Morgenlaune verkauft mir die Fahrerin ein Ticket für 20 SEK. Je<br />

näher wir der Innenstadt kommen, desto geschäftiger werden die Straßen. Es ist kurz nach sieben<br />

und überall sieht man schon Leute auf dem Weg zur Arbeit. Viele Straßenbahnen flitzen durch die<br />

Straßen. In der Straßenbahn sitzen die typischen Pendler. Soll heißen: Man schweigt sich an und<br />

schaut bloß niemandem in die Augen. An Weichen muss die Fahrerin aussteigen. Sie greift sich eine<br />

Stange und läuft mitten auf die Straße, wo sie mithilfe der Stange die Weiche stellen muss. Eine doch<br />

recht alte und umständliche Methode, doch das System läuft. Pünktlich kommen wir am Hauptbahnhof<br />

an und ich mache mich auf den Weg zu meinem Gleis.<br />

Ich steige in einen Hochmodernen Zug namens Linx 2000. Nach der Abfahrt frage ich den<br />

freundlichen Schaffner, ob ich denn keine Reservierung benötigen würde, da er davon gar nichts<br />

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erwähnt. "Normalerweise wäre das schon üblich, aber heute mal nicht", sagt er mir. Das finde ich doch<br />

mal super! Da kann ich mit einem ganz normalen Interrail-Ticket in einem mindestens so tollen Zug,<br />

wie dem ICE fahren, und muss nicht einmal einen Aufpreis dafür bezahlen.<br />

Leicht schwebt der Zug durch die hügelige Landschaft. Der Schnee wird auf dem Weg nach Süden<br />

immer spärlicher. Dafür kommt die Sonne heraus und alles sieht schon viel freundlicher als in<br />

Göteborg und Oslo aus. Der Schaffner kommt noch einmal mit ein paar Donuts auf einem Tablett<br />

vorbei. "Nein, ich möchte nichts", lasse ich ihn wissen.<br />

Er weiß scheinbar, wie knapp ich bei Kasse bin: "Das wollte ich Sie auch gar nicht fragen. Möchten sie<br />

vielleicht im Internet surfen?"<br />

Ich zögere und stelle die in Deutschland sicher als unverschämt geltende Frage: "Ähem, kostet das<br />

denn was?"<br />

"Nein, soweit ich weiß, ist das kostenlos. Gehen Sie doch einfach mal in das Bistro, da können sie<br />

ruhig im Internet surfen."<br />

Hmm, so ganz traue ich dem Braten nicht. Kostenlos in einem fahrenden Zug im Internet surfen? Will<br />

der mich denn auf den Arm nehmen? Doch dann stellt sich heraus, dass das wirklich funktioniert! An<br />

einem kleinen Laptop lässt man mich beliebig lange im Internet surfen. Ich schreibe E-Mails und sehe<br />

nach den neuesten Informationen. Ganz wie zu Hause. Und all das läuft über einen Satelliten, der von<br />

einer Antenne im Zug angefunkt wird. Ich bin fasziniert von dieser Technik. Das ganze Projekt läuft<br />

über die Firma Linx AB und ich werde zu beginn von einem netten Mitarbeiter Betreut, der mich auf<br />

Englisch in die Bedienungsweise des Laptops einweist. Er entschuldigt sich dafür, dass es eine<br />

deutsche Tastatur ist. Das würde den meisten noch Kopfzerbrechen bereiten und solle in Zukunft<br />

beseitigt werden. Mehr über dieses Tolle Projekt gibt es übrigens hier zu lesen.<br />

Die Reise ist zu Ende und mein Bild von Skandinavien hat sich wieder um einiges gebessert. Es ist<br />

für mich einfach kein Urlaubsland für Radreisen. Für andere Menschen mag das anders aussehen,<br />

doch eine so entspannende und zugleich so erlebnisreiche Reise per Zug, wie hier in Schweden und<br />

Norwegen, hatte ich noch nie. Erst ging es in die Metropole Stockholm, danach musste ich mich in<br />

einem kleinen Dorf in Lappland per Ski zum weit entfernten Briefkasten kämpfen, bin dann zwei Tage<br />

später mit dem Auto an der norwegischen Küste unterwegs gewesen und zurück ging es über die<br />

Metropolen Oslo und Göteborg. Ganz zu schweigen von den netten Kontakten, die ich zu Menschen<br />

aus vielen verschiedenen Nationen hatte. Japaner, Russen, Spanier, Franzosen, Belgier,<br />

Nordamerikaner und natürlich Schweden und Norweger. Für mich ist das winterliche Skandinavien -<br />

besonders nördlich des Polarkreises - sicher eine weitere Reise wert.<br />

Und vielleicht kaufe ich mir ja doch noch eine Skiausrüstung...<br />

Fahrplan heute<br />

Ab Uhrzeit An Uhrzeit<br />

Göteborg Olivedalsg<br />

(Tram)<br />

07:07<br />

Göteborg<br />

Centralstationen<br />

07:30<br />

Göteborg C 07:40 Koebenhavn H 11:04<br />

Koebenhavn H 11:47 Hamburg Hbf (vespätet) ca. 17:00<br />

Hamburg Hbf 17:41 Tornesch 18:10<br />

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Mit SCANRAIL im Winter unterwegs...<br />

Dies war die für mich bisher beeindruckenste Bahnreise. Es hat einfach alles gepasst. Die Bahnen in<br />

Schween und Norwegen sind zuverlässig, pünktlich und bieten in der Regel einen guten Service.<br />

Ganz zu schweigen von den atemberaubenden Landschaften, die auf den mitunter weltweit schönsten<br />

Bahnstrecken befahren werden. Die Bahnlinien nehmen oftmals ganz andere Wege als die wenigen<br />

Straßen und somit bietet sich ein noch viel entspannteres Bild von Skandinavien, als per Auto oder<br />

Fahrrad. Natürlich habe ich mich manchmal geärgert, dass ich nicht wie mit dem Fahrrad, mal eben<br />

anhalten und fotografieren konnte. Doch eine skandinavische Winterreise würde auch meine<br />

Vorstellungen des Möglichen sprengen.<br />

Ich bin auf allen Strecken innerhalb Skandinaviens mit dem sogenannten ScanRail-Ticket unterwegs<br />

gewesen, was in etwa einer skandinavischen Version des allgemeinhin bekannten Interrail-Tickets<br />

entspricht. Auf so ziemlich allen Bahnstrecken in Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland kann<br />

man mit diesem Ticket fahren. Da es aber auch hier eine Menge verschiedener Tarife gibt, die sich<br />

immer wieder ändern, verweise ich an dieser Stelle auf folgende Internet-Seiten:<br />

- http://www.scanrail.com/ - Die offizielle Seite<br />

- http://www.scanrail.de/ - einzige deutschsprachige Seite zu<br />

Scanrail. Etwas veraltet, dafür mit einigen Hintergrundinformationen.<br />

Hier ein paar gesammelte Erfahrungen, die ich in Dänemark, Schweden und Norwegen gemacht<br />

habe:<br />

Allgemein gilt: Nach dem Erwerb eines<br />

Scanrail-Tickets heißt das noch lange nicht<br />

"freie Bahn". Viele Züge - besonders in<br />

Norwegen - erfordern einen Aufschlag von ca.<br />

50 Kronen pro Fahrt für die erforderliche<br />

Sitzplatzreservierung. Dabei kommen schon so<br />

einige Tickets zusammen, wie nebenstehendes<br />

Foto zeigt.<br />

Deutschland/Dänemark: Von Norddeutschland<br />

aus bietet sich der oft mehrmals täglich<br />

verkehrende Zug der DSB an. Er startet in<br />

Hamburg und fährt direkt, inklusive der<br />

Fährfahrt Puttgarten/Rødby, nach Kopenhagen.<br />

Auf der Brücke über den Öresund geht es mit<br />

regelmäßig verkehrenden Nahverkehrszügen<br />

nach Malmö. Man kann auch direkt direkt den "Linx" von Göteborg nach Kopenhagen oder umgekehrt<br />

nehmen, ohne in Malmö umsteigen zu müssen.<br />

Schweden: Von Malmö aus gibt es einen durchgehend verkehrenden Nachtzug nach Stockholm. Der<br />

Aufschlag muss hier nur gezahlt werden, wenn man in einem Schlafwagen übernachten möchte.<br />

Von Stockhom und Götebirg aus gibt es den mindestens täglich verkehrenden "Polarexpress" von<br />

Tågkompaniet. Besonders interessant ist die Strecke nach Narvik, dem angeblich nördlichsten<br />

Bahnhof des europäischen Schienenverkehrsnetzes. Über Nacht fährt man in den hohen Norden und<br />

überschreitet dabei den Polarkreis. Bevor der Zug auf einer abenteuerlichen Strecke seinen Weg<br />

hinunter in den Fjord antritt, fährt man noch lange Zeit durch die verlassene Tundra Lapplands. Beim<br />

Nachtzug wird über Nacht in Boden ein Panorama-Waggon angehängt. Hier kann man für einen Preis<br />

von 1-2 Euro einfache Getränke wie Milch oder Kaffee bekommen und den Ausblick auf die weite<br />

Landschaft genießen. Aufpassen sollte man wegen der ziemlich guten Heizanlage des Zuges.<br />

Während die Temperatur die meiste Zeit bei unter 20°C liegt, kann man sich beim Schlafen an der<br />

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Heizung leicht verbrennen. Die ist verdammt heiß, um die Innentemperatur im Winter überhaupt halten<br />

zu können!<br />

Außerdem sollte man es in Südschweden auf keinen Fall verpassen, mal den Linx von Göteborg nach<br />

Kopenhagen gefahren zu sein. Außerhalb der Hauptsaison kann man in diesem Schnellzug ohne<br />

Aufschlag mitfahren und im Winter 2002/2003 war es möglich, dort umsonst im Internet zu surfen. Ob<br />

das weiterhin so bleibt, ist abzuwarten.<br />

Norwegen: In Norwegen gibt es allgemein nur wenige Züge ohne Aufschlag.<br />

Zwischen Narvik und Fauske gibt es keine Bahnstrecke, allerdings gibt es hier eine Buslinie. Den<br />

Scanrail-Rabatt von 50% abgerechnet, bezahlt man hier etwa 30 Euro für die Fahrt von Narvik nach<br />

Fauske. Von Narvik aus kann man bietet sich auch ein Ausflug auf die Lofoten an. Allerdings ist der<br />

Weg auf die Lofoten um einigen länger und langwieriger, als es ein Blick auf die Landkarte vermuten<br />

lässt und man kann auch nur per Bus oder Mietwagen dorthin gelangen. Hierfür muss man auf jeden<br />

Fall 4 Tage Zeit mitbringen.<br />

Lohnenswert ist eine Fahrt mit dem "Signatur" von Trondheim nach Oslo durch das norwegische<br />

Hochland. Außerdem soll die Strecke Oslo-Bergen wahnsinnig schön sein - von der Flåmbahn ganz<br />

zu schweigen.<br />

Von Oslo aus gibt es eine Fähre der Color Line direkt nach Kiel und umgekehrt. Allerdings kann man<br />

auch den Weg über das Festland nehmen, ohne einmal eine Fähre zu benutzen. Und zwar die<br />

Strecke Oslo-Göteborg-Kopenhagen-Fredericia-Kiel/Hamburg. Allerdings geht es mit der<br />

Fährverbindung Puttgarten/Rødby immer noch am schnellsten.<br />

Übrigens: Das Scanrail-Ticket ist offiziell nicht übertragbar, ich wurde allerdings nie nach meinem<br />

Ausweis gefragt... :o)<br />

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