Freizeitpark: Häuser, die in Bäumen wachsen - Mikado

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Holzwelten $$$ aumhäuser sind ein Lieblingsthema von Jürgen Bergmann, vielleicht sogar: das Lieblingsthema. Mit ihnen hat er sich intensiv beschäftigt. Über sie besitzt er eine umfangreiche Fotosammlung verschiedenster Objekte der ganzen Welt. „Das Alter der ‚Baumeister‘ ist eigentlich immer auf den ersten Blick erkennbar“, erzählt er. „Baumhäuser von Kindern sind aus der vorgefundenen Situation in der Baumkrone entwickelt. Und es wurde das Material verbaut, das gerade irgendwie da war. Baumhäuser von Erwachsenen dagegen sind immer ganz exakt bis ins letzte Detail geplant und das Material wurde gezielt eingekauft. Der Baum spielt meist keine Rolle oder wird dem Baumhaus angepasst, manchmal sogar ‚geköpft‘, was zu seinem Absterben führen kann.“ Bergmann orientiert sich an den Baumhäusern von Kindern. Handwerkliches Können und viel Improvisation Große verrückte Dinge aus Holz – darauf hat sich Bergmann spezialisiert. „Künstlerische Holzgestaltung“ heißt sein Unternehmen. Es befindet sich in Sachsen, in einem Waldgebiet an der deutsch-polnischen Grenze 20 km nördlich von Görlitz. Neben seinem Betriebsgelände liegt ein ausgedehnter Freizeitpark. Der gehört auch ihm, ist mit bespielbaren Großskulpturen bestückt – und mit bewohnbaren: „1. Deutsches Baumhaus-Hotel“ nennt sich eine Gruppe skurriler Gebäude für „Wipfelschläfer“. Sie unterscheiden sich schon auf den ersten Blick von den inzwischen in Mode gekommenen Design-Baumhäusern: Alles ist hier krumm und schief, eng und verwinkelt, märchenhaft. Zufällig sieht es aus – ist es aber nicht. Dahinter steckt eine ausgeklügelte Planung, handwerkliches Können, Mut zur Improvisation, viel Erfahrung und eine klare Haltung. Die Planung erfolgt mit Arbeitsmodellen. „Modellskizzen“ nennt sie Bergmann. Sie sind die Grundlage für die Kostenangebote der Statikbüros. Es gibt tatsächlich welche, die sich dieser außergewöhnlichen Aufgabe stellen. Die Berechnungen sind alles andere als einfach, zumal Bergmann gerne mit krummen Baumstämmen und Ästen arbeitet, manchmal auch mit sehr krummen. Es kam schon ▴▴Das „1. Deutsche Baumhaus- Hotel“ besteht aus Gebäuden unterschiedlicher Größe, erschlossen über gewundene Stege vor, dass der statische Nachweis einen Umfang von über 1000 Seiten aufwies. Für krumme Baumstämme und Äste gibt es keine Berechnungstabellen. Die tragenden Bauteile sind deshalb meist überdimensioniert, was aber gestalterisch nicht stört. Im Gegenteil: Das macht die Gebäude noch bizarrer und ausdrucksstärker. Geschickte Integration von Stämmen und Ästen Richtig aus der Astlandschaft der Bäume entwickelt sind Bergmanns Baumhäuser allerdings eher selten. Sein erstes Baumhaus war noch so eins. Es befindet sich auf dem Gelände in der Krone einer mächtigen Eiche. Früher wohnte er darin, jetzt möchte er es für seine „Hotelgäste“ umbauen, denn mit seiner Familie ist er nach unten in eine umgebaute Scheune gezogen. Sein Büro allerdings ist noch ein Baumhaus – in einer großen Kastanie. Macht das den Bäumen eigentlich nichts aus? „Nein“, antwortet Bergmann, „die kriegen dadurch einen Wachstumsschub. Bäume sind so programmiert, dass sich die Stämme und Äste einer veränderten Statik 66 mikado 5.2013
Holzwelten $$$ durch Zunahme ihrer Dicke anpassen.“ Den Baumhäusern kann dabei nichts passieren, denn das Holz des Baums drückt nicht gegen einen Fremdkörper, sondern wächst um ihn herum. Diese Eigenschaft nutzen Bergmanns Häuser manchmal geschickt aus, um Stämme und Äste zu „integrieren“. Sie wachsen durch Böden, Wände und Dächer. Das erfordert von den Zimmerern ein sorgfältiges Arbeiten auf der Baustelle. Die wenigen Millimeter Spielraum schließt der Ast dann im Lauf der Zeit durch sein Dickenwachstum selbst. Allerdings bedeutet das auch, dass der Ast an diesem Durchstoßpunkt dann immer gleich dick bleibt. Es entsteht eine „Sollbruchstelle“, die bei hohen Belastungen wie starken Stürmen zuerst bricht. Deshalb dürfen solche Äste keine tragende Funktion haben. Eigene Tragkonstruktionen aus Robinienstämmen Aus statischen Gründen ruhen Bergmanns Häuser aber sowieso fast immer auf eigenen Tragkonstruktionen und nicht auf dem Baum, in den sie hineingebaut sind. Dafür verwendet er aber ebenfalls Stämme: Sie werden auf seinem Gelände entrindet und für ihre Aufgabe bearbeitet. Robinien nimmt er am liebsten, denn die sind ungewöhnlich krumm, ungewöhnlich hart und witterungsbeständiger als Eiche. Frei in der Landschaft stehen diese Konstruktionen aber nicht, sondern lehnen sich immer an einen großen Baum an und gehen mit ihm eine enge Verbindung ein. Haus und Baum sollen eine Einheit bilden, schließlich suchen die Gäste ja vor allem ein intensives Naturerlebnis. Konstruktive Verbindungen zwischen Baumhaus und Baum erfolgen mit großen Schrauben ins Holz. „Tut das dem Baum nicht weh?“, fragen nicht nur viele Kinder. „Nein, das tut es nicht“, antwortet Bergmann. „Erstens fehlt ihm das entsprechende Nervensystem. Und zweitens: Wievielmal kleiner ist so eine Schraube im riesigen Stamm im Vergleich zu Piercings am menschlichen Körper? Außerdem: In der Natur brechen bei Stürmen oft ganze Äste ab und auch das macht dem Baum nichts. Es verändert nur seine Statik – und er reagiert dann darauf.“ ▴▴Wie von Kindern gemacht sehen die Baumhäuser aus, doch dahinter steckt ein klares Konzept und viel Erfahrung Hohe Qualität, viel Phantasie und lange Erfahrung Wie plant und wie realisiert man solch ungewöhnliche Bauwerke? „Natürlich ist da viel Improvisation dabei“, erläutert Bergmann. „Unser wichtigstes Werkzeug ist die Kettensäge. Schon in der Werkhalle, wo die Balken und Bretter an die krummen Baumstämme angepasst werden müssen. Und dann auch bei der Montage vor Ort, um das Bauwerk an die in den Baumwipfeln vorgefundenen Gegebenheiten anzupassen. Das ist ein zentraler Punkt unserer Philosophie. Das Wissen dazu gibt es in keinem Lehrbuch. Das mussten wir uns in einem jahrelangen Lernprozess hart erarbeiten.“ Ist so eine Arbeitsmethodik nicht sehr aufwendig? „Natürlich ist das ein hoher Aufwand. Aber wir bauen ja nicht für kleine Privatkunden mit geringem Budget, sondern für die Freizeitbranche. Da ist hohe Qualität gefragt. Und die liefern wir.“ Diese hohe Qualität spürt man auch nebenan bei den Häusern seines „Baumhotels“ – sowohl außen als auch innen. Die handwerkliche Arbeit ist ablesbar, aber gekonnt und www.mikado-online.de 67
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