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einer verängstigten Gottheit, kein Feuersturm, der Bauwerke in Asche legt, ist notwendig. Die bloße<br />

Berührung der Zungen genügt und schon ist der ganze tolle Spuk verflogen. Die Wörter verlieren ihre<br />

Eindeutigkeit. Aus dem Miteinander ist das Gegeneinander, aus dem Sicherverstehen das Sich-nichtmehr-Verstehen<br />

geworden. Was sich wie Strafe liest, ist zugleich wohltuende Begrenzung jedes<br />

Totalisierungsstrebens.<br />

Die Turmbaugeschichte wird seit alters verstanden als die Lehrgeschichte für den Schrecken, der<br />

dem frevlerischen Hochmut innewohnt. Seine Antriebskraft ist die Selbstliebe bis hin zur<br />

Gottesverachtung. Der Sündenfall geht weiter und vervielfältigt sich zugleich. Wir alle sind<br />

Nachkommen der Ureltern in ihrem Versagen der Schlange gegenüber. Wir alle sind Nachkommen<br />

Kains und dann Lamechs, zum Brudermord, zur hemmungslosen Vergeltung fähig. Wir alle sind, ob<br />

aus Angst, ob aus Ruhmsucht, Nachkommen der Turmbauergeneration. Babel ist überall und mit<br />

Babel die wirtschaftliche, politische und religiöse Großmannssucht. Die Technik führt nur aus, was<br />

aus der Wahnfabrik des menschlichen Geistes geboren wird – immer neue Träume eines goldenen<br />

Zeitalters, eines erfüllten Daseins, Trugbilder, gleich ob imperiale Machtphantasien vermeintlich<br />

auserwählter Völker oder der Wahn der genetischen Manipulation. Das menschliche Genom ist<br />

entschlüsselt und zugleich patentiert für die Gewinninteressen von Biotech-Firmen. Kann man das<br />

wirklich wollen? Ein neuer Turmbau ist im Entstehen. Doch muß man innehalten und sich selber<br />

entdecken in dieser Geschichte. Wie viel ist in uns, das uns falsche Träume vorgaukelt. Die ewige<br />

Schönheit, der Körperkult, das gewissenlose Streben nach beruflichen Positionen. Der Egoismus<br />

treibt tausend Blüten hervor, aber er zerstört so viel. Hochmut prägt auch viele Bereiche der Kultur<br />

und inszenierte Demut ist eine seiner übelsten Gestalten.<br />

Der Kern des menschlichen Hochmuts, was ihn in den Frevel an der Natur, an Gott, an sich selbst<br />

treibt ist, „dass der Mensch seine Endlichkeit nicht anerkennen will. Er macht seinen kleinen<br />

Verstand zum Richter über alles. „ Er schreibt seinen endlichen kulturellen Schöpfungen unendliche<br />

Bedeutsamkeit zu und macht sie dadurch zu Götzen, nämlich zu Gegenständen unendlichen<br />

Anliegens…. Eine dämonische Macht treibt den Menschen dazu, natürliche Selbstbejahung mit<br />

zerstörerischer Selbstüberhebung zu verwechseln“, so formulierte es der große Theologe Paul Tillich.<br />

Die Geschichte vom Turmbau zu Babel ist von zeitloser Wahrheit. Jede Zeit, jede Kultur begegnet sich<br />

hier im Spiegel der potentiellen Selbstgefährdung. Gigantomachie und Verstiegenheiten aller Art<br />

brechen immer neu auf. Wir alle sind Turmbauer, verlangen nach der totalen Liebe, fordern ewige<br />

Gesundheit ein, plündern den Planeten aus, zerstören damit unsere eigenen Lebensgrundlagen und<br />

überschwemmen unsere Umwelt mit Müll und Gift und merken so wenig, wie wir uns selber darin<br />

vergiften und zumüllen. Doch das gute, das gelingende Leben vollzieht sich in der Liebe zum Kleinen,<br />

im Sinn für die Geschenke im Alltag, in der gnadenhaften Öffnung auf Gott, der uns einen Namen,<br />

unsere Würde schenkt, um die wir nicht im Wettstreit um Ruhm und Ehre kämpfen müssen. Die<br />

Gegengeschichte zum Turmbau zu Babel ist deshalb das Pfingstereignis. Eine Gemeinschaft, geboren<br />

aus der Liebe Gottes, verbindet sich aus aller Welt Zungen, ohne Einheitswahn, ohne auferlegten<br />

Normierungsdruck. Der Geist der Freundschaft ruft aus der Verstiegenheit zurück in die Liebe<br />

füreinander, in die Demut des Verstehens, in das Geheimnis des Empfangens, in die Annahme<br />

unseres bruchstückhaften, aber gottgesegneten Lebens. Glaube bricht den Hochmut, Liebe heilt den<br />

Frevel unseres Tuns.

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