Dreibund 2012 - Oratorienchor Schaffhausen
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Giuseppe Verdi (1813–1901): ÅQuattro pezzi sacriÇ<br />
ÄSie [die ‹Quattro pezzi sacri›] sind die persÖnlichste<br />
Aussage und so nach innen gekehrt, dass eine<br />
konzentrierte EinfÑhrung dazu gehÖrt, ihre Mitteilung<br />
zu empfangen.Ç So beurteilte der Komponist<br />
Hans Gål (1890–1987) dieses lange Zeit unterschÉtzte<br />
Werk von Giuseppe Verdi. Dieser war berÑhmt<br />
als Opernkomponist. Um damals als Musiker<br />
Erfolg zu haben in Italien, musste man entweder<br />
Opern oder geistliche Werke komponieren. Verdi<br />
begann zwar schon mit sieben Jahren in der Kirche<br />
seiner Heimatstadt Le Roncole zu orgeln und war in<br />
jungen Jahren Kirchenmusiker in Busseto. Er fÑhlte<br />
sich aber nicht zur Kirchenmusik hingezogen. So<br />
kÑndigte er schon bald seine Stelle in Busseto und<br />
versuchte als Opernkomponist zu reÑssieren, was<br />
ihm auch in kurzer Zeit gelang.<br />
Erst viel spÉter begann er wieder geistliche Werke<br />
zu komponieren. 1869 entstand ein ÄLibera meÇ<br />
(Teil des Gemeinschaftswerks ÄMessa per RossiniÇ),<br />
und 1874 schuf er das Requiem.<br />
Die ÄQuattro pezzi sacriÇ bestehen aus vier zwischen<br />
1889 und 1898 unabhÉngig voneinander<br />
komponierten Teilen:<br />
ÅAve MariaÇ fÑr vier Solisten a cappella, lateinisch,<br />
1989, Ñberarbeitet 1898<br />
ÅStabat MaterÇ fÑr gemischten Chor und Orchester,<br />
lateinisch, 1895<br />
ÅLaudi alla Vergine MariaÇ fÑr vier solistische<br />
Frauenstimmen a cappella, italienisch , um 1890,<br />
bearbeitet 1898<br />
ÅTe DeumÇ fÑr Doppelchor mit Sopransolo und<br />
Orchester, lateinisch, 1896<br />
Dies ist Verdis letzte Komposition. Er selbst hielt<br />
sehr viel von ihr.<br />
Die UrauffÑhrung unter dem Namen ÄTre pezzi<br />
sacriÇ (ohne ÄAve MariaÇ) fand 1898 in Paris statt –<br />
ohne Verdi, die èrzte hatten ihm von der Reise abgeraten.<br />
In diesen drei StÑcken habe Verdi Äsehr<br />
Altes – Gregorianik, PalÉstrinastil – und avancierte<br />
KompositionsmittelÇ verbunden, schreibt die Biografin<br />
Barbara Meier. Bei der AuffÑhrung in Wien<br />
im November 1898 – jetzt unter dem Namen<br />
ÄQuattro pezzi sacriÇ – wurde erstmals auch das<br />
ÄAve MariaÇ gesungen, allerdings von einem Frauenchor.<br />
Die beiden A-cappella-Werke fÑhrt der <strong>Oratorienchor</strong><br />
am MCS-Weihnachtskonzert auf.<br />
ÅAve Maria sulla scala enigmaticaÇ<br />
Statt den uns am besten vertrauten Dur- oder Moll-<br />
Tonleitern verwendete Verdi bei der Komposition<br />
dieses ÄAve MariaÇ die sogenannte enigmatische<br />
(=rÉtselhafte) Tonleiter oder Scala enigmatica. Sie<br />
enthÉlt drei Halbtonschritte, was zu einer ÑbermÉssigen<br />
Sekunde in der Scala fÑhrt.<br />
Die Scala enigmatica stammt vom Bologneser Musikprofessor<br />
Adolfo Crescenti (1854–1921). Er hatte<br />
sie in der MailÉnder Musikzeitschrift ÄGazzetta<br />
MusicaleÇ verÖffentlicht mit dem Aufruf, die Leiter<br />
zu harmonisieren.<br />
Verdi hatte zu dieser Zeit ÄOtelloÇ beendet und<br />
befand sich in einer kompositionsfreien Phase. So<br />
liess er sich von dieser Scala inspirieren und komponierte<br />
damit ein ÄAve MariaÇ fÑr vier Solostimmen<br />
a cappella. Die Scala enigmatica erscheint zuerst<br />
im Bass, dann im Alt, im Tenor und schliesslich<br />
im Sopran. Die andern drei Stimmen bilden dazu ein<br />
harmonisches Geflecht. Dass Verdi Crescentis Aufruf<br />
gefolgt war, verleitete seinen Librettisten Arrigo<br />
Boito zur Annahme, Verdi vermisse das Komponieren.<br />
Er schrieb seinem Freund: ÄDie Ave Marias<br />
genÑgen Ihnen nicht, Sie brauchen etwas anderesÇ,<br />
und motivierte ihn, ÄFalstaffÇ, Verdis letzte Oper,<br />
zu komponieren.<br />
ÅLaudi alla Vergine MariaÇ<br />
FÑr dieses Werk vertonte Verdi die ersten 21 Verse<br />
aus dem Schlussgesang von Dantes ÄGÖttlicher<br />
KomÖdieÇ. Am Ende des ÄParadisoÇ steht die vollkommene<br />
mystische Gottesschau Dantes. Um diese<br />
zu erleben, benÖtigt Dante die Vermittlung Marias.<br />
Der hl. Bernhard von Clairvaux, seinerseits ein<br />
grosser Marienverehrer und Mystiker, der Dante<br />
nun durchs Paradies begleitet, bittet in diesen Versen<br />
Maria, Dante diese Gottesschau zu ermÖglichen.<br />
Sein Mariengebet (Verse 1–39) besteht aus zwei<br />
Teilen: 1. Lobpreis Marias, 2. FÑrbitte fÑr Dante.<br />
Den ersten Teil, den Lobpreis, hat Verdi in Musik<br />
umgesetzt. Er schrieb das Werk fÑr 4 solistische<br />
Frauenstimmen a cappella. Wie das ÄAve MariaÇ<br />
aus diesem Zyklus wird es aber heute meist von<br />
einem Chor gesungen. Bei der UrauffÑhrung war es<br />
so erfolgreich, dass es wiederholt werden musste.<br />
Rita Kempter<br />
Literatur:<br />
Anmerkungen zur ÄGÖttlichen KommÖdieÇ von Hermann Gmelin (dtv<br />
klassik)<br />
Barbara Meier: Giuseppe Verdi (rororo)<br />
Anselm Gerhard: Giuseppe Verdi (C.H.Beck)<br />
Wikipedia (Verdi; Scala enigmatica)<br />
MCS Weihnachtskonzert: Freitag, 14. Dezember,<br />
19.30 Uhr, Kirche St. Johann, <strong>Schaffhausen</strong><br />
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