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Erwerbspotenzial von SozialhilfebezieherInnen in Wien - Waff

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L&R SOZIALFORSCHUNG<br />

A-1060 <strong>Wien</strong>, L<strong>in</strong>iengasse 2A/1<br />

Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt<br />

A-1020 WIEN, Aspernbrückengasse 4/5<br />

<strong>Erwerbspotenzial</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>SozialhilfebezieherInnen</strong> <strong>in</strong> <strong>Wien</strong><br />

Bestandsaufnahme vor E<strong>in</strong>führung der bedarfsorientierten<br />

M<strong>in</strong>destsicherung - Kurzbericht<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft L&R Sozialforschung und forba<br />

Projektleitung:<br />

Andreas Riesenfelder (L&R Sozialforschung)<br />

Wissenschaftliche Mitarbeit:<br />

Manfred Krenn (forba)<br />

Susanne Schelepa (L&R Sozialforschung)<br />

E<strong>in</strong>e Studie im Auftrag <strong>von</strong> AMS <strong>Wien</strong>, ESF, waff, MA 24 und MA 40<br />

www.lrsocialresearch.at


Inhalt<br />

1 E<strong>in</strong>leitung 3<br />

2 Methodische Vorbemerkungen 4<br />

3 Bezugsverläufe <strong>von</strong> <strong>SozialhilfebezieherInnen</strong> 4<br />

4 Die Schnittstelle zwischen der Sozialhilfe und dem Erwerbssystem (Work<strong>in</strong>g Poor) 8<br />

5 Die Schnittstelle zwischen der Sozialhilfe und dem AMS 9<br />

6 Das Angebot <strong>von</strong> Sozialzentren und AMS aus der Perspektive der BezieherInnen 10<br />

7 Risikofaktoren, Probleme, Potenziale und Kompetenzen 11<br />

8 Orientierungen und Bewältigungsstrategien 14<br />

9 Die Aktivierung <strong>von</strong> <strong>SozialhilfebezieherInnen</strong> (Struktur- und Wirkungsanalysen) 17<br />

10 Prognostische Fragestellungen 21<br />

11 Schlussfolgerungen - Risikogruppen 22<br />

2


1 E<strong>in</strong>leitung<br />

Seit dem Jahr 1998 hat sich die Zahl der <strong>Wien</strong>er <strong>SozialhilfebezieherInnen</strong> (kurz: SH-<br />

BezieherInnen) mehr als verdreifacht. Im Jahr 2009 gab es <strong>in</strong> <strong>Wien</strong> 100.031 BezieherInnen <strong>von</strong><br />

Sozialhilfe. Da<strong>von</strong> wurde knapp die Hälfte als arbeitsfähig und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung<br />

stehend e<strong>in</strong>geschätzt. Relativ ger<strong>in</strong>g gestiegen ist die Anzahl der VollsozialhilfebezieherInnen<br />

(kurz: VSH-BezieherInnen), somit e<strong>in</strong>er Gruppe <strong>von</strong> BezieherInnen, welche ausschließlich auf<br />

den Sozialhilfebezug angewiesen s<strong>in</strong>d. H<strong>in</strong>gegen hat sich die Anzahl der RichtsatzergänzungsbezieherInnen<br />

(RSE-BezieherInnen beziehen zusätzlich zu e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>kommen e<strong>in</strong>e Sozialhilfeleistung)<br />

vervierfacht. Diese starke Dynamik ist mit e<strong>in</strong> Grund für die Beauftragung dieser Studie<br />

im Vorfeld der geplanten Umgestaltung <strong>von</strong> der Sozialhilfe zur Bedarfsorientierten M<strong>in</strong>destsicherung<br />

(BMS).<br />

Zu den Zielen der Studie zählen<br />

• die Vertiefung des Wissens über die <strong>Wien</strong>er SH-BezieherInnen<br />

• die Untersuchung des <strong>Erwerbspotenzial</strong>s der <strong>Wien</strong>er SH-BezieherInnen nach Umfang und<br />

Struktur<br />

• die Analyse der erfolgten Interventionen auf Bezugs- und Erwerbsverläufe der <strong>Wien</strong>er SH-<br />

BezieherInnen<br />

• die E<strong>in</strong>beziehung der Me<strong>in</strong>ung der <strong>Wien</strong>er SH-BezieherInnen über die Organisation und die<br />

Unterstützungsangebote<br />

• die Erarbeitung <strong>von</strong> Vorschlägen zu neuen Steuerungsmöglichkeiten bei der Aktivierung<br />

und im H<strong>in</strong>blick auf präventive und unterstützende Angebote<br />

Im Zentrum der Studie steht das <strong>Erwerbspotenzial</strong> <strong>von</strong> <strong>Wien</strong>er SH-BezieherInnen. Als SH-<br />

BezieherInnen werden genau genommen nur e<strong>in</strong>e Teilgruppe – jene, die „offene Sozialhilfe“ <strong>in</strong><br />

Anspruch nehmen – verstanden. Die offene Sozialhilfe be<strong>in</strong>haltet die Hilfe zur Sicherung des<br />

Lebensunterhalts <strong>in</strong>klusive der Krankenhilfe und die Hilfe <strong>in</strong> besonderen Lebenslagen. Hier fokussieren<br />

wir auf den ersten Aspekt, die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes.<br />

Auf diese Unterstützungsleistung besteht e<strong>in</strong> Rechtsanspruch und sie steht allen Menschen zu,<br />

die über ke<strong>in</strong> oder nur e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ges E<strong>in</strong>kommen verfügen, welches unter den Sozialhilferichtsätzen<br />

liegt und die die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. Die AntragstellerInnen s<strong>in</strong>d<br />

grundsätzlich verpflichtet, ihren Arbeitswillen nachzuweisen und ihre Arbeitskraft e<strong>in</strong>zusetzen.<br />

Da<strong>von</strong> ausgenommen s<strong>in</strong>d dem <strong>Wien</strong>er Sozialhilfegesetz (WSHG), § 9 Abs. 1 zufolge:<br />

• Personen, die sich <strong>in</strong> Erwerbsausbildung bef<strong>in</strong>den<br />

• alle<strong>in</strong> erziehende Mütter und Väter bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres des im<br />

geme<strong>in</strong>samen Haushalt lebenden K<strong>in</strong>des<br />

• Personen, die das 65. Lebensjahr (Männer) bzw. das 60. Lebensjahr (Frauen) vollendet<br />

haben<br />

• erwerbsunfähige Personen<br />

Diese vier Personengruppen s<strong>in</strong>d auch aus dem Untersuchungsbereich dieser Studie ausgeschlossen.<br />

Die Grundgesamtheit der Studie (arbeitsfähige und auch dem Arbeitsmarkt zur Verfügung<br />

stehende SH-BezieherInnen) besteht somit aus 113.162 BezieherInnen <strong>von</strong> Sozialhilfe<br />

für die Jahre 2000 bis 2008. Deren Sozialhilfe-Bezugskarrieren s<strong>in</strong>d anhand <strong>von</strong> exakt 207.800<br />

Bezugsepisoden abgebildet. Im selben Beobachtungszeitraum wurden für diesen Personenkreis<br />

134.549 arbeitsmarktpolitische Angebote gezählt, welche parallel zu e<strong>in</strong>em SH-Bezug<br />

angewendet wurden.<br />

3


2 Methodische Vorbemerkungen<br />

Die Studie beruht auf drei methodischen Zugängen, die jeweils bestimmte Aspekte der Sozialhilfethematik<br />

beleuchten. Diese empirischen Zugänge stehen nicht gesondert nebene<strong>in</strong>ander,<br />

sondern s<strong>in</strong>d aufe<strong>in</strong>ander bezogen, d.h. ihre jeweiligen besonderen Stärken wurden für<br />

die Konzeption gegenseitig genutzt. Im E<strong>in</strong>zelnen handelt es sich um folgende Elemente:<br />

• Zeitkont<strong>in</strong>uierliche und mehrjährige Betrachtungen zu <strong>in</strong>dividuellen Verläufen des<br />

Sozialhilfebezugs (Längsschnittdatenanalysen) s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Österreich <strong>in</strong> der hier durchgeführten<br />

Form noch nie veröffentlicht worden. Sie gelten daher als Novum; die eigentliche Innovation<br />

unseres Längsschnittdatendesigns besteht allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> der Komb<strong>in</strong>ation <strong>von</strong> Daten<br />

des SH-Bezugs mit Tageskalenderdaten des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger<br />

und des Arbeitsmarktservice Österreich: So wurde die Analyse <strong>in</strong>dividueller Sozialhilfebezugskarrieren<br />

durch e<strong>in</strong>e ergänzende Untersuchung <strong>von</strong> Erwerbskarrieren und durch<br />

Wirkungsanalysen <strong>von</strong> Aktivierungs- und Qualifizierungsangeboten für diese SH-<br />

BezieherInnen vervollständigt. Somit wurde es möglich, Bezugs- und Erwerbsverläufe für alle<br />

113.162 BezieherInnen der Jahre 2000 bis 2008 vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>von</strong> dokumentierten<br />

Aktivierungsformen zu analysieren.<br />

• Im Zuge der Repräsentativ<strong>in</strong>terviews wurden mehr als 500 Gespräche mit aktuellen sowie<br />

ehemaligen <strong>SozialhilfebezieherInnen</strong> abgehalten. Diese Interviews haben repräsentativen<br />

Charakter und erfassen mittels quantitativer und qualitativer Bestandteile E<strong>in</strong>schätzungen<br />

zum Angebot der Sozialhilfe und verschiedenen Unterstützungsangeboten, aber auch zu<br />

biographischen Fragestellungen, wie zu den <strong>in</strong>dividuellen Auslösern für den Zugang <strong>in</strong> bzw.<br />

den Abgang aus dem Sozialhilfebezug, zu Risikofaktoren, Problemen, Potenzialen und<br />

Kompetenzen. Damit konnten die Ergebnisse der Längsschnittanalyse bereits um e<strong>in</strong>e wesentliche<br />

qualitative Dimension erweitert und ergänzt werden.<br />

• Zur weiteren <strong>in</strong>haltlichen Vertiefung wurden Qualitative E<strong>in</strong>zelfallstudien durchgeführt. Für<br />

e<strong>in</strong> Verstehen der Ursachen des Sozialhilfebezugs ist die Rekonstruktion <strong>von</strong> lebens- und<br />

berufsbiographischen Verläufen und Brüchen <strong>von</strong> großer Bedeutung. Damit wurde auch e<strong>in</strong><br />

angemessenes Verständnis für neuere gesellschaftliche Entwicklungen ermöglicht - etwa<br />

die Zunahme der Anzahl <strong>von</strong> jüngeren und auch <strong>von</strong> formal gut ausgebildeten Personen <strong>in</strong><br />

Sozialhilfebezug. Insgesamt wurden 26 qualitative Tiefen<strong>in</strong>terviews durchgeführt.<br />

3 Bezugsverläufe <strong>von</strong> <strong>SozialhilfebezieherInnen</strong><br />

Im Rahmen dieses Abschnittes soll dargestellt werden, wie Sozialhilfe-Bezugsverläufe beschaffen<br />

s<strong>in</strong>d. Handelt es sich um eher kurze Bezüge, die nur e<strong>in</strong>mal stattf<strong>in</strong>den oder wiederkehrenden<br />

Charakter haben, oder handelt es sich um eher lang andauernde Bezüge? Zur Beantwortung<br />

dieser Fragestellung s<strong>in</strong>d zwei Herangehensweisen denkbar. Es können die e<strong>in</strong>zelnen<br />

Bezugsepisoden der SH-BezieherInnen betrachtet werden oder es kann e<strong>in</strong>e personenbasierte<br />

Betrachtungsweise verwendet werden. Wo liegt nun der Unterschied?<br />

Episodenbasierte Betrachtungsweisen bauen e<strong>in</strong> Analyseraster rund um jede e<strong>in</strong>zelne Episode 1<br />

des Sozialhilfebezugs auf. Weist e<strong>in</strong>e Person im Beobachtungszeitraum (2000-2008) mehrere<br />

Bezugsepisoden auf, so wird jede Episode gezählt und analysiert. Dieser Ansatz kann sehr gut<br />

1<br />

E<strong>in</strong>e Bezugsepisode charakterisiert mit ihrem Beg<strong>in</strong>n- und Endedatum jenen Zeitraum, während dem bei e<strong>in</strong>er<br />

Person e<strong>in</strong> Sozialhilfebezug vorliegt. Durch spezielle Glättungsverfahren werden zusätzlich kurze Lücken zwischen<br />

e<strong>in</strong>zelnen Bezugsepisoden bere<strong>in</strong>igt .<br />

4


Grundstrukturen <strong>von</strong> Bezügen abbilden, zeitliche Trends sichtbar machen und für Spezial<strong>in</strong>dikatoren,<br />

wie etwa Ausstiegswahrsche<strong>in</strong>lichkeiten als Grundlage dienen.<br />

Personenbasierte Betrachtungsweisen h<strong>in</strong>gegen ordnen alle Episoden e<strong>in</strong>er Person im Beobachtungszeitraum<br />

dieser Person zu, und s<strong>in</strong>d somit geeignet, langfristig ausgerichtete, personenbezogene<br />

Typologien zu bilden. Im Rahmen dieser Studie kommen beide Betrachtungsweisen<br />

zur Anwendung.<br />

E<strong>in</strong> Blick auf die e<strong>in</strong>zelnen Bezugsepisoden zeigt, dass rund 25% der Sozialhilfebezüge e<strong>in</strong>e<br />

Bezugsdauer bis zu drei Monaten und fast e<strong>in</strong> Drittel (32%) e<strong>in</strong>e Bezugsdauer über e<strong>in</strong>em Jahr<br />

aufweisen. Mehr als drei Jahre Laufzeit entfallen lediglich auf rund 10% der Sozialhilfe-Fälle.<br />

Somit kann die These, dass es sich bei Sozialhilfebezügen vorrangig um lang andauernde Beihilfen<br />

handelt, nicht bestätigt werden.<br />

Abbildung 1:<br />

Netto-Dauer der Sozialhilfe-Episoden (geglättet um Lücken bis zu zwei<br />

Monaten)<br />

25%<br />

20%<br />

15%<br />

22% 23%<br />

21% 22%<br />

10%<br />

5%<br />

3%<br />

6%<br />

4%<br />

0%<br />

bis 30 Tage 2 bis 3<br />

Monate<br />

4 bis 6<br />

Monate<br />

7 bis 12<br />

Monate<br />

13 bis 36<br />

Monate<br />

37 bis 60<br />

Monate<br />

61 Monate<br />

und mehr<br />

Quelle: L&R Datafile ‘LS SH <strong>Wien</strong>’, 2009; Wegen der Rundung auf ganzzahlige Prozentangaben können Summenwerte <strong>von</strong><br />

Teilbeträgen mit e<strong>in</strong>em Rundungsfehler behaftet se<strong>in</strong>.<br />

Wichtigster E<strong>in</strong>flussfaktor: Mit steigendem Alter ist e<strong>in</strong>e deutlich höhere Laufzeit sichtbar. Sozialhilfe-Episoden<br />

<strong>von</strong> über e<strong>in</strong>em Jahr zeigen sich bei 38% der Älteren ab 50 Jahren.<br />

Da der Studie Sozialhilfe-Daten für e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum zur Verfügung standen, ist es auch<br />

möglich, zeitliche Trends abzubilden. Zweite überraschende Erkenntnis: Die Dauer e<strong>in</strong>es Sozialhilfebezugs<br />

hat sich seit dem Jahr 2000 kaum verändert. Wir waren da<strong>von</strong> ausgegangen,<br />

dass <strong>in</strong> den letzten Jahren die Dauer der Bedürftigkeit angestiegen war. Tatsächlich bewegte<br />

sich der Anteil <strong>von</strong> Sozialhilfebezügen mit e<strong>in</strong>er Dauer bis zu 6 Monaten je nach Beobachtungsjahr<br />

zwischen 48% und 52%, war also nur ger<strong>in</strong>gen Schwankungen unterworfen. Dies verweist<br />

darauf, dass die größte Veränderung <strong>in</strong> der Sozialhilfe <strong>in</strong> den letzten Jahren auf e<strong>in</strong>er anderen<br />

Ebene stattfand: Die Zahl der BezieherInnen (und <strong>in</strong>sbesondere der BezieherInnen e<strong>in</strong>er Richtsatzergänzung)<br />

erfuhr e<strong>in</strong>e radikale Ausweitung. Wir zählen für das Jahr 2000 ‚lediglich‘ 13.216<br />

BezieherInnen e<strong>in</strong>er Richtsatzergänzung, im Jahr 2008 waren h<strong>in</strong>gegen bereits 40.416 Betroffene<br />

registriert. E<strong>in</strong>e besonders hohe Zuwachsdynamik entfiel auf die Jahre 2001 und 2002 mit<br />

e<strong>in</strong>er jährlichen Steigerung <strong>von</strong> 28% bis 29%.<br />

Typen <strong>von</strong> <strong>SozialhilfebezieherInnen</strong><br />

E<strong>in</strong>e gänzlich andere Betrachtungsweise ist jene mit Blick auf die Person. In der Analyse wurden<br />

die Bezugskarrieren der <strong>Wien</strong>er SH-BezieherInnen e<strong>in</strong>em <strong>von</strong> sechs Typen zugeordnet.<br />

5


Die Def<strong>in</strong>ition dieser Typen orientierte sich an der Dauer bzw. der Intensität des Bezugs und<br />

des Grades des Wiederauftretens <strong>von</strong> Bezügen. Wir unterscheiden:<br />

• KürzestbezieherInnen (bis max. 6 Monate)<br />

• KurzzeitbezieherInnen (7 – 12 Monate)<br />

• kont<strong>in</strong>uierlich-mittellange BezieherInnen (1 – 3 Jahre)<br />

• LangzeitbezieherInnen (3 Jahre und mehr)<br />

Dem Aspekt des Wiederauftretens tragen wir Rechnung, als wir 2 zusätzliche Typen def<strong>in</strong>iert<br />

haben (die genaue Abgrenzung der sechs Bezugstypen f<strong>in</strong>det sich im Bericht, Kapitel 2.3):<br />

• PendlerInnen können mehrere, aber kürzere Bezugsunterbrechungen aufweisen<br />

• Wiedere<strong>in</strong>steigerInnen h<strong>in</strong>gegen haben lediglich e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Bezugsunterbrechung zu verzeichnen,<br />

die aber auch länger beschaffen se<strong>in</strong> kann<br />

Die größte Gruppe stellt mit 27% Anteil die Gruppe der LangzeitbezieherInnen dar 2 . Als Hauptproblem<br />

wird hier die Verfestigung der prekären Situation zu thematisieren se<strong>in</strong>.<br />

Abbildung 2: Typisierung SH-BezieherInnen nach Jahren (Betroffene 2003 bis 2005)<br />

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30%<br />

KürzestbezieherInnen<br />

KurzzeitbezieherInnen<br />

6%<br />

6%<br />

6%<br />

10%<br />

10%<br />

10%<br />

2003 2004 2005<br />

Kont<strong>in</strong>uierlich-mittellange Bez.<br />

11%<br />

12%<br />

13%<br />

PendlerInnen<br />

25%<br />

25%<br />

24%<br />

Wiedere<strong>in</strong>steigerInnen<br />

18%<br />

17%<br />

16%<br />

Langzeitbez.<br />

27%<br />

27%<br />

27%<br />

Ke<strong>in</strong>em Profil zugeordnet<br />

4%<br />

4%<br />

4%<br />

Quelle: L&R Datafile ‘LS SH <strong>Wien</strong>’, 2009<br />

Be<strong>in</strong>ahe genauso groß ist die Gruppe der PendlerInnen mit 24% bis 25% Anteil. Bei dieser<br />

Gruppe wird wiederum der Fokus darauf zu richten se<strong>in</strong>, <strong>in</strong>wiefern Probleme vorliegen, welche<br />

e<strong>in</strong>en (regelmäßig) wiederkehrenden Charakter haben und nicht nachhaltig gelöst werden<br />

konnten. In abgeschwächter Form trifft diese Problemstellung auch auf die Gruppe der Wiedere<strong>in</strong>steigerInnen<br />

zu. Die Gruppengröße der Wiedere<strong>in</strong>steigerInnen beläuft sich den Analysen<br />

2<br />

Der relativ hohe Anteil des Typs „LangzeitbezieherInnen“ <strong>von</strong> rund 27% steht auf den ersten Blick im Widerspruch<br />

zu den episodenbasierten Ergebnissen, welche nur <strong>in</strong> 10% der Fälle e<strong>in</strong>e Episodendauer <strong>von</strong> mehr als<br />

drei Jahren belegen. Die Differenz ist vor allem auf den der Bezugstypisierung zugrunde liegenden Algorithmus<br />

zurückzuführen, welcher bei diesem Typ <strong>von</strong> LeistungsbezieherIn e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige, durchaus aber auch längere Lücke<br />

im Bezug toleriert.<br />

6


zufolge auf 16% bis 18%; zusammengerechnet stellen die PendlerInnen und Wiedere<strong>in</strong>steiger-<br />

Innen immerh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Anteil <strong>von</strong> rund 42%. Deutlich kle<strong>in</strong>er ist die Gruppe jener BezieherInnen,<br />

welche e<strong>in</strong>en kurzen Bezug bis zu e<strong>in</strong>em Jahr aufweisen. Kürzest- und KurzzeitbezieherInnen<br />

haben zusammen e<strong>in</strong>en Anteil <strong>von</strong> 16%.<br />

Diese dargestellten Befunde der Längsschnittdatenanalysen auf Personenbasis ergänzen bzw.<br />

relativieren das zuvor gezeichnete Bild. Zur Er<strong>in</strong>nerung: wir konnten die These, dass es sich bei<br />

Sozialhilfebezügen vorrangig um lang andauernde Beihilfen handelt, nicht bestätigen. Die Analysen<br />

auf Personenbasis zeigen, dass der Typ der LangzeitbezieherInnen mit rund 27% Anteil<br />

im Vergleich zum Anteil der PendlerInnen bzw. Wiedere<strong>in</strong>steigerInnen wohl e<strong>in</strong>e bedeutende,<br />

aber nicht die größte Gruppe darstellt. Und sie lenken den Blick auf e<strong>in</strong> anderes Phänomen:<br />

das wiederholte Auftreten <strong>von</strong> Bezügen. Mit rund 42% Anteil der PendlerInnen bzw. Wiedere<strong>in</strong>steigerInnen<br />

ist dieses Problem sehr deutlich ausgeprägt. Auf den Punkt gebracht: Der langfristige<br />

Bezug <strong>von</strong> Sozialhilfe ist nur e<strong>in</strong> Teil des Phänomens, e<strong>in</strong> ebenfalls kritischer Bereich ist die<br />

wiederkehrende Inanspruchnahme der Unterstützung. Die Frage nach den Ursachen für den<br />

E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den SH-Bezug ist daher zu erweitern um die Frage nach den Ursachen für die wiederholte<br />

Inanspruchnahme der Sozialhilfe-Unterstützung.<br />

Typen <strong>von</strong> <strong>SozialhilfebezieherInnen</strong> nach Sozial- und Bezugsmerkmalen<br />

Mit steigendem Lebensalter nimmt der Anteil <strong>von</strong> LangzeitbezieherInnen deutlich zu (siehe<br />

Abbildung 3). So beläuft sich der Anteil <strong>von</strong> LangzeitbezieherInnen unter den Jungen auf rund<br />

13%, unter Personen im unteren Haupterwerbsalter (25-34 Jahre) auf rund 21%, unter Personen<br />

im oberen Haupterwerbsalter (35-49 Jahre) auf 34% und unter Älteren auf 48%. Das Alter<br />

(mit se<strong>in</strong>en Begleitersche<strong>in</strong>ungen wie z.B. gesundheitlichen E<strong>in</strong>schränkungen) stellt also e<strong>in</strong>en<br />

zentralen Risikofaktor für e<strong>in</strong>en längerfristigen Verbleib <strong>in</strong> Sozialhilfebezug dar.<br />

Im H<strong>in</strong>blick auf die Ausbildung f<strong>in</strong>den sich bei Personen mit Pflichtschul- oder Lehrabschluss<br />

etwas häufiger PendlerInnen. Bei Personen mit Fachschul-, Matura- oder Hochschulabschluss<br />

s<strong>in</strong>d Kürzest- und KurzzeitbezieherInnen überdurchschnittlich häufig zu f<strong>in</strong>den. Dieses Ergebnis<br />

ist als H<strong>in</strong>weis auf den Risikofaktor „niedriges Ausbildungsniveau“ zu <strong>in</strong>terpretieren.<br />

Bei höherer K<strong>in</strong>derzahl f<strong>in</strong>det sich deutlich häufiger der Typ des Pendlers/der Pendler<strong>in</strong> und des<br />

kont<strong>in</strong>uierlich-mittellangen Bezugs. Deutlich seltener trifft h<strong>in</strong>gegen bei steigender K<strong>in</strong>derzahl<br />

der Typ des Kürzestbeziehers/der Kürzestbezieher<strong>in</strong> zu. So s<strong>in</strong>d lediglich 5% bis 6% der BezieherInnen<br />

mit mehr als drei K<strong>in</strong>dern als KürzestbezieherInnen e<strong>in</strong>zustufen, h<strong>in</strong>gegen immerh<strong>in</strong><br />

10% bis 11% der BezieherInnen mit e<strong>in</strong>em oder zwei K<strong>in</strong>dern. Somit ist auch die Zahl der K<strong>in</strong>der<br />

unter die Risikofaktoren zu reihen.<br />

In Bezug auf die Staatsbürgerschaft zeigt die Typisierung kaum Unterschiede zwischen ÖsterreicherInnen,<br />

EU-StaatsbürgerInnen und Drittstaatsangehörigen. Allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d Asylberechtigte<br />

überdurchschnittlich häufig dem Typ des Langzeitbeziehers/der Langzeitbezieher<strong>in</strong> zuzuordnen,<br />

seltener h<strong>in</strong>gegen dem Typ des Kurzzeitbeziehers/der Kurzzeitbezieher<strong>in</strong>. Dies kann auf<br />

zwei Ursachen zurückgeführt werden: Zum e<strong>in</strong>en werden die ger<strong>in</strong>gen Erwerbschancen <strong>von</strong><br />

Asylberechtigten hierfür verantwortlich se<strong>in</strong>. Zum anderen kann dies auch e<strong>in</strong>e Folge der traumatisierenden<br />

Erlebnisse der Betroffenen se<strong>in</strong>.<br />

Deutliche Unterschiede zeigen sich auch nach Art des Bezuges (Vollsozialhilfebezug vs. Richtsatzergänzung).<br />

Anhand der Daten der Gruppe „Betroffene 2005“ etwa ist zu ersehen, dass<br />

sich der Anteil der LangzeitbezieherInnen unter VollsozialhilfebezieherInnen (VSH-<br />

BezieherInnen) auf rund 47% beläuft, unter RichtsatzergänzungsbezieherInnen (RSE-<br />

BezieherInnen) h<strong>in</strong>gegen auf nur 20% (siehe Abbildung 3). Der Anteil der PendlerInnen fällt<br />

h<strong>in</strong>gegen bei RSE-BezieherInnen mit rund 29% doppelt so hoch aus als unter VSH-<br />

BezieherInnen mit rund 14%.<br />

7


Abbildung 3:<br />

Typisierung SH-BezieherInnen nach Sozial- und Bezugsmerkmalen<br />

(Gruppe „Betroffene 2005“)<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Männlich<br />

Weiblich<br />

bis 24 Jahre<br />

25 bis 34 Jahre<br />

35 bis 49 Jahre<br />

50 bis 65 Jahre<br />

RSE<br />

VSH<br />

ke<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der<br />

e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d<br />

zwei K<strong>in</strong>der<br />

drei K<strong>in</strong>der<br />

vier K<strong>in</strong>der<br />

fünf K<strong>in</strong>der und mehr<br />

Vor-/Pflicht-/Sonderschule<br />

Pflichtschulabschluss<br />

Lehre<br />

Fachschule<br />

Matura<br />

Hochschule<br />

Österreich<br />

EU<br />

EWR - CH<br />

Drittstaat<br />

AsylberechtigteR<br />

Gesamt<br />

KürzestbezieherInnen<br />

KurzzeitbezieherInnen<br />

Kont<strong>in</strong>uierlich-mittellange<br />

BezieherInnen<br />

PendlerInnen<br />

Wiedere<strong>in</strong>steigerInnen<br />

LangzeitbezieherInnen mit<br />

hoher Kont<strong>in</strong>uität<br />

Ke<strong>in</strong>em Profil zugeordnet<br />

Quelle: L&R Datafile ‘LS SH <strong>Wien</strong>’, 2009; EWR - CH: Island, Liechtenste<strong>in</strong>, Norwegen, zusätzlich auch die Schweiz<br />

4 Die Schnittstelle zwischen der Sozialhilfe und<br />

dem Erwerbssystem (Work<strong>in</strong>g Poor)<br />

Den Längsschnittdatenanalysen zufolge s<strong>in</strong>d rund 9% der SH-BezieherInnen als Work<strong>in</strong>g Poor 3<br />

e<strong>in</strong>zustufen. Männer s<strong>in</strong>d hier<strong>von</strong> etwas mehr als Frauen betroffen (9% vs. 8%), Personen im<br />

oberen Haupterwerbsalter mit rund 11% häufiger als der Durchschnitt.<br />

Deutlich präsent ist auch das Thema K<strong>in</strong>der: Alle<strong>in</strong>erzieherInnen s<strong>in</strong>d überdurchschnittlich häufig<br />

dem Work<strong>in</strong>g Poor Status zuzurechnen (12%), ebenso überdurchschnittlich ist das Aufkommen<br />

<strong>von</strong> Work<strong>in</strong>g Poor bei e<strong>in</strong>er höheren K<strong>in</strong>derzahl (drei K<strong>in</strong>der: 15% Anteil).<br />

In den letzten Jahren ist e<strong>in</strong> leichter Anstieg des Anteils an Work<strong>in</strong>g Poor <strong>SozialhilfebezieherInnen</strong><br />

zu ersehen.<br />

3<br />

Wir def<strong>in</strong>ieren hier jene Personen als „Work<strong>in</strong>g Poor“, welche e<strong>in</strong>en SH-Bezug <strong>von</strong> mehr als drei Monaten Dauer<br />

aufweisen und während dieses Bezugs m<strong>in</strong>destens 50% der Bezugszeit parallel dazu im Rahmen e<strong>in</strong>er unselbstständigen<br />

vollversicherungspflichtigen oder e<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>gfügigen Beschäftigung tätig waren.<br />

8


5 Die Schnittstelle zwischen der Sozialhilfe und<br />

dem AMS<br />

Arbeitsfähige SH-BezieherInnen haben laut <strong>Wien</strong>er Sozialhilfegesetz ihren Arbeitswillen nachzuweisen<br />

und ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensbedarfes für sich und die mit ihnen<br />

<strong>in</strong> Familiengeme<strong>in</strong>schaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen e<strong>in</strong>zusetzen. Vor diesem<br />

H<strong>in</strong>tergrund wurde die Schnittstelle zwischen der Sozialhilfe und dem Arbeitsmarktservice<br />

genauer unter die Lupe genommen. Die erste Frage lautet: In welchem Ausmaß s<strong>in</strong>d SH-<br />

BezieherInnen beim Arbeitsmarktservice als arbeitsuchend vorgemerkt?<br />

Es fanden sich den Längsschnittdatenanalysen zufolge vier Gruppen 4 :<br />

• Bei knapp 18% der BezieherInnen existiert überhaupt ke<strong>in</strong>e AL-Vormerkung im Umfeld des<br />

Sozialhilfe-Bezugs.<br />

• E<strong>in</strong>e relativ zeitnahe Synchronisierung zwischen dem E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> den SH-Bezug und dem<br />

Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er Vormerkung beim AMS (plus/m<strong>in</strong>us 30 Tage) f<strong>in</strong>det sich bei 35% der Sozialhilfe-Episoden.<br />

• Bei knapp 36% besteht vor E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> die Sozialhilfe e<strong>in</strong>e AL-Vormerkung. Zum größten Teil<br />

liegen die beiden Ereignisse zwischen e<strong>in</strong>em und sechs Monate <strong>von</strong>e<strong>in</strong>ander entfernt. Hier<br />

handelt es sich vermutlich vor allem um AMS-KundInnen mit e<strong>in</strong>er eher ger<strong>in</strong>gen Arbeitslodengeld-<br />

oder Notstandshilfe-Leistung, welche erst später beim Sozialamt e<strong>in</strong>e Richtsatzergänzung<br />

beantragen.<br />

• Bei knapp 14% erfolgt die AL-Vormerkung mit e<strong>in</strong>em Abstand <strong>von</strong> mehr als e<strong>in</strong>em Monat<br />

nach E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> den Bezug der Sozialhilfe. Zum größten Teil liegen wie zuvor die beiden Ereignisse<br />

nicht mehr als sechs Monate <strong>von</strong>e<strong>in</strong>ander entfernt.<br />

Abbildung 4:<br />

Status Vormerkung Arbeitslosigkeit bei E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> die Sozialhilfe<br />

0% 5% 10% 15% 20% 25%<br />

AL seit 13 Monaten und mehr<br />

AL seit 7 bis 12 Monaten<br />

AL seit 4 bis 6 Monaten<br />

AL seit 1 bis 3 Monaten<br />

AL seit maximal 30 Tagen<br />

AL <strong>in</strong> maximal 30 Tagen<br />

AL <strong>in</strong> 1 bis 3 Monaten<br />

AL <strong>in</strong> 4 bis 6 Monaten<br />

AL <strong>in</strong> 7 bis 12 Monaten<br />

AL <strong>in</strong> 13 Monaten und mehr<br />

Längerfristig nicht AL<br />

4%<br />

5%<br />

6%<br />

3%<br />

2%<br />

2%<br />

8%<br />

14%<br />

18%<br />

18%<br />

21%<br />

Quelle: L&R Datafile ‘LS SH <strong>Wien</strong>’, 2009<br />

4<br />

Die Schnittstelle zur AMS-Vormerkung wird nur für SH-Bezüge ab vier Monaten Dauer und für Personen ohne<br />

Work<strong>in</strong>g Poor - Status untersucht.<br />

9


Deutliche Unterschiede nach Sozial- und Bezugscharakteristika<br />

Zunächst spr<strong>in</strong>gen geschlechtsspezifische Differenzen <strong>in</strong>s Auge: So beläuft sich der Anteil unter<br />

den Männern ohne Vormerkung auf 12%, unter den Frauen auf rund 23%. Demgegenüber liegt<br />

bei Männern e<strong>in</strong>e (nahezu) lückenlose parallele Vormerkung etwas häufiger vor als bei Frauen<br />

(16% gegenüber 13% Anteil). Dieser Befund lässt auf e<strong>in</strong>e größere Erwerbsnähe der männlichen<br />

SH-Bezieher schließen.<br />

Ältere BezieherInnen zwischen 50 und 65 Jahren weisen seltener parallele Vormerkungen beim<br />

AMS auf. Die ger<strong>in</strong>gere E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der Älteren <strong>in</strong> das Vormerksystem des AMS wird unter anderem<br />

auch dadurch zu erklären se<strong>in</strong>, dass <strong>in</strong> <strong>Wien</strong> SH-BezieherInnen, welche <strong>in</strong> 5 Jahren das<br />

Pensionsalter erreichen, <strong>von</strong> der Pflicht zur Arbeitsuche teilweise ausgenommen se<strong>in</strong> können 5 .<br />

Weiters fällt bei höherer K<strong>in</strong>deranzahl e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere parallele Vormerkung auf.<br />

Zuletzt e<strong>in</strong> zentrales Ergebnis aus den Repräsentativ<strong>in</strong>terviews: Der Erhalt <strong>von</strong> Stellenangeboten<br />

durch das AMS korreliert deutlich mit der Bezugsdauer. SH-BezieherInnen erhalten häufig<br />

erst nach längerer Bezugsdauer Angebote vom AMS. Mögliche Erklärung: Zu Beg<strong>in</strong>n der Meldung<br />

wurde offenbar verstärkt auf die Eigenaktivität der Personen gesetzt.<br />

6 Das Angebot <strong>von</strong> Sozialzentren und AMS aus<br />

der Perspektive der BezieherInnen<br />

AMS und die Sozialzentren der Stadt <strong>Wien</strong> unterscheiden sich deutlich h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Ziele,<br />

Aufgaben und gesetzlicher Vorgaben. Trotz dieser strukturellen Unterschiede erschien es der<br />

Steuergruppe <strong>in</strong>teressant, gewisse Aspekte der Betreuung <strong>in</strong> paralleler Weise zu erheben. Wie<br />

bewerten also die SH-BezieherInnen die Betreuung durch AMS und Sozialzentren?<br />

Insgesamt werden die Leistungen des AMS im Mittel nur als „befriedigend“ benotet, jene der<br />

Sozialzentren mit e<strong>in</strong>em „gut“. „Im Mittel“ bedeutet zugleich, dass die Hälfte der Befragten hier<br />

schlechtere Noten ausstellt, diese Leistungen also bestenfalls befriedigend bezeichnet. Vor allem<br />

was die Information über weitere Unterstützungsmöglichkeiten betrifft, werden beide Institutionen<br />

relativ kritisch gesehen (siehe Abbildung 5).<br />

Auffällig <strong>in</strong> positiver H<strong>in</strong>sicht ist, dass Personen mit sprachlichen Defiziten die entsprechenden<br />

Informationen und Vermittlungsangebote des AMS und auch die Leistungen des AMS <strong>in</strong>sgesamt<br />

überdurchschnittlich gut bewerten. Dies betrifft auch den Nutzen <strong>von</strong> Kursen.<br />

Als der zentrale Pluspunkt der Betreuung durch die Sozialzentren kann jedenfalls die persönliche<br />

Beratung gelten. Vor dem H<strong>in</strong>tergrund der multiplen Problemlagen der Zielgruppe zeigt sich<br />

<strong>in</strong> der Befragung der Bedarf nach e<strong>in</strong>er umfassenden Unterstützung, die über e<strong>in</strong>e Abwicklung<br />

f<strong>in</strong>anzieller Sicherung und über kurzfristige Aktivierung und Vermittlung h<strong>in</strong>ausgeht. E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividualisierte,<br />

auf die spezifische persönliche Situation abgestimmte Beratung, die die komplexe<br />

Lebenssituation und die verschiedenen Problemquellen berücksichtigen kann, wird nachdrücklich<br />

gewünscht.<br />

Diese unterschiedliche E<strong>in</strong>schätzung zeigt sich auch <strong>in</strong> den Ergebnissen der qualitativen E<strong>in</strong>zelfallstudien.<br />

Während die Betreuung durch das AMS <strong>von</strong> vielen als „standardisierte Massenabfertigung“<br />

im Rahmen e<strong>in</strong>er bürokratischen Logik empfunden wird, <strong>in</strong> der wenig Spielraum für<br />

das E<strong>in</strong>gehen auf die Bedürfnisse und Ressourcen der Betroffenen bleibt, wird die Betreuung<br />

durch die Sozialzentren mit Abstrichen als adäquate Form der Unterstützung erlebt.<br />

5<br />

E<strong>in</strong> weiterer Grund kann die Pflege <strong>von</strong> Angehörigen se<strong>in</strong>.<br />

10


Als Idealfall e<strong>in</strong>er Betreuung wurde e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche Betreuung im Rahmen e<strong>in</strong>er Maßnahme<br />

wie „Jobchance“ beschrieben. Dabei spielt e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle, dass es dort e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive<br />

E<strong>in</strong>zelfallbetreuung gibt, die die Respektabilität als Person sicherstellt und durch e<strong>in</strong> auf gegenseitiges<br />

Vertrauen aufgebautes Betreuungsverhältnis Handlungsmotivation erzeugt.<br />

Abbildung 5:<br />

Bewertung verschiedener Aspekte der Betreuung <strong>in</strong> Sozialzentrum (oberer<br />

Balken) und AMS (unterer Balken)<br />

Information über Ansprüche bzgl. Sozialhilfe (SZ)<br />

Information über Ansprüche bzgl. AL/NH (AMS)<br />

29%<br />

17%<br />

28%<br />

29%<br />

27%<br />

21%<br />

12%<br />

14%<br />

10%<br />

14%<br />

Hilfe bei Formalitäten und Anträgen (SZ)<br />

Hilfe bei Formalitäten und Anträgen (AMS)<br />

30%<br />

14%<br />

22%<br />

27%<br />

29%<br />

20%<br />

15%<br />

12%<br />

11%<br />

19%<br />

Information über weitere Unterstützungsangebote (SZ)<br />

Information über weitere Unterstützungsangebote (AMS)<br />

20%<br />

10%<br />

15%<br />

21%<br />

24%<br />

21%<br />

15%<br />

14%<br />

25%<br />

35%<br />

Freundlichkeit der MitarbeiterInnen (SZ)<br />

Freundlichkeit der BeraterInnen (AMS)<br />

40%<br />

28%<br />

23%<br />

24%<br />

25%<br />

21%<br />

8%<br />

14%<br />

9%<br />

11%<br />

Vermittlung zu Unterstützungsmaßnahmen und Kursen (AMS)<br />

22%<br />

22%<br />

23%<br />

16%<br />

18%<br />

Zufriedenheit mit Angebot des SZ <strong>in</strong>sgesamt<br />

Zufriedenheit mit Angebot des AMS <strong>in</strong>sgesamt<br />

30%<br />

14%<br />

19%<br />

29%<br />

38%<br />

24%<br />

10% 7%<br />

20% 10%<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%<br />

sehr gut gut befriedigend genügend nicht genügend<br />

Quelle: L&R Datafile ‘REPR INT SH <strong>Wien</strong>’, 2010, n=501, Sozialzentrum n miss zwischen 7 und 254; AMS n miss zwischen<br />

8 und 145<br />

7 Risikofaktoren, Probleme, Potenziale und<br />

Kompetenzen<br />

Zugang <strong>in</strong> den Sozialhilfebezug<br />

Wie kommt es <strong>in</strong> der <strong>in</strong>dividuellen Biographie zu e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> den Sozialhilfebezug? Als<br />

zentrale Zugangskonstellation kann Arbeitslosigkeit gelten. Für mehr als die Hälfte der TeilnehmerInnen<br />

an der Repräsentativbefragung war der unmittelbare Verlust des Arbeitsplatzes<br />

e<strong>in</strong> (Mit-) Auslöser für den erstmaligen Bezug <strong>von</strong> Sozialhilfe. Gesundheitliche Probleme wie<br />

Krankheit, Beh<strong>in</strong>derung, körperliche E<strong>in</strong>schränkungen und Schulden s<strong>in</strong>d danach die beiden<br />

wichtigsten Momente. Die bestimmenden Faktoren unterscheiden sich maßgeblich im Kontext<br />

der spezifischen Lebensphasen der Personen und weisen geschlechtsspezifische Prägungen<br />

auf. Familiäre Faktoren etwa, <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die Verantwortungsübernahme für K<strong>in</strong>der oder<br />

auch e<strong>in</strong>e Trennung vom Partner, führen relativ mehr Frauen <strong>in</strong> die Sozialhilfe. Typisch für<br />

weibliche SH-Biographien ist auch der ger<strong>in</strong>ge Lohn, häufig <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit dem Faktor<br />

Teilzeitarbeit, wor<strong>in</strong> sich der geschlechtlich segregierte Arbeitsmarkt mit ger<strong>in</strong>gen Löhnen <strong>in</strong><br />

typischen Frauenberufen spiegelt. Als „typisch männliche Faktoren“, die <strong>in</strong> den Sozialhilfebezug<br />

führen, können neben den beiden arbeits(platz)bezogenen Faktoren des unmittelbaren Arbeitsplatzverlustes<br />

und der Gelegenheitsarbeit auch der Verlust der Wohnmöglichkeit gelten. Auch<br />

das krim<strong>in</strong>elle Delikt ist vorrangig e<strong>in</strong> Teil männlicher Biographien, das <strong>in</strong> die Sozialhilfe führt.<br />

11


Im Rahmen des qualitativen Studienteils wurden die biographischen Momente <strong>in</strong> den Erwerbskarrieren,<br />

die Personen <strong>in</strong> den SH-Bezug führten bzw. Hilfebedürftigkeit erzeugten, detailliert<br />

heraus gearbeitet. Wesentlich ist, dass diese Karrieren durch e<strong>in</strong>e hohe soziale Verwundbarkeit<br />

am Arbeitsmarkt gekennzeichnet s<strong>in</strong>d. Wir haben sechs verschiedene Muster dieser Verwundbarkeit<br />

identifiziert:<br />

• Verlust <strong>von</strong> Erwerbsstabilität durch plötzliche Veränderungen<br />

• Abwärtsspiralen<br />

• schwierige E<strong>in</strong>stiege<br />

• prekäre Biographien<br />

• lange Unterbrechungen<br />

• Chaosbiographien aufgrund ger<strong>in</strong>ger sozialer Ressourcen<br />

Diese Muster machen deutlich, dass Individuen unterschiedlicher Bildungs- und Qualifikationsniveaus<br />

und <strong>in</strong> unterschiedlichen biographischen Situationen sozial verletzungsanfälliger werden.<br />

Zeichnet man die Wege dieser Personen nach, wird deutlich, dass es diese Verwundbarkeit<br />

ist, die bestimmten Ereignissen <strong>in</strong> der Biographie e<strong>in</strong>e verlaufsprägende Wirkung <strong>in</strong> Richtung<br />

Hilfebedürftigkeit verleiht. E<strong>in</strong>e solche Wirkung geht <strong>von</strong> gesundheitlichen E<strong>in</strong>brüchen, <strong>von</strong><br />

kritischen Ereignissen wie Scheidung, Trennung, Tod des Partners 6 oder der erziehenden Mutter,<br />

<strong>von</strong> den Folgen e<strong>in</strong>es unternehmerischen Risikos und <strong>in</strong> bestimmten Konstellationen vom<br />

Verlust e<strong>in</strong>es (bis dah<strong>in</strong> robusten) Arbeitsplatzes aus. Aber auch schlechte Startbed<strong>in</strong>gungen<br />

am Arbeitsmarkt aufgrund problematischer familiärer Sozialisationsprozesse und ger<strong>in</strong>ger Ressourcen<br />

führen auf e<strong>in</strong>em <strong>von</strong> verstärkter Konkurrenz geprägten Arbeitsmarkt direkter und unmittelbarer<br />

<strong>in</strong> die Unterstützungsbedürftigkeit. Dabei zeigt sich, dass viele E<strong>in</strong>tritte <strong>in</strong> den Sozialhilfebezug<br />

bereits aus armutsnahen Positionen – entweder als letzter Schritt e<strong>in</strong>er Abwärtsspirale<br />

oder als Umstieg <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er verloren gegangenen prekären Beschäftigung – erfolgen.<br />

Problemfelder und Kompetenzen der <strong>SozialhilfebezieherInnen</strong><br />

SH-BezieherInnen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihrer aktuellen Lebenssituation mit Schwierigkeiten konfrontiert, die <strong>in</strong><br />

ihrem Zusammenwirken die Aufnahme e<strong>in</strong>er Existenz sichernden Erwerbstätigkeit und den Austritt<br />

aus dem SH-Bezug erschweren. Den zentralen Befund der Repräsentativ<strong>in</strong>terviews bildet<br />

hier das Auftreten multipler Problemlagen, das heißt die Betroffenheit <strong>von</strong> verschiedensten<br />

Problembereichen. Selten ist es e<strong>in</strong> Faktor alle<strong>in</strong>, der e<strong>in</strong>e Beschäftigungsaufnahme beh<strong>in</strong>dert,<br />

sondern das Zusammentreffen unterschiedlicher Problemfelder:<br />

• Insgesamt erweisen sich Schulden als das am weitesten verbreitete Phänomen, zwei <strong>von</strong><br />

drei SH-BezieherInnen s<strong>in</strong>d da<strong>von</strong> betroffen.<br />

• Etwa die Hälfte der BezieherInnen gibt an, dass ihnen aktuell e<strong>in</strong>e verwertbare berufliche<br />

Ausbildung fehlt. E<strong>in</strong> fehlender schulischer Abschluss <strong>in</strong> Österreich ist für etwa e<strong>in</strong> Viertel<br />

e<strong>in</strong> problematischer Faktor.<br />

• Von gesundheitsbezogenen E<strong>in</strong>schränkungen (diese umfassen physische, psychische sowie<br />

Suchtproblematiken) sehen sich vier <strong>von</strong> zehn BezieherInnen betroffen.<br />

• Rund e<strong>in</strong> Drittel der SH-BezieherInnen bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er unsicheren Wohnsituation.<br />

• E<strong>in</strong> gutes Viertel der Befragten hat private bzw. familiäre Probleme mit dem/der PartnerIn<br />

und/oder K<strong>in</strong>dern, wobei hier Lebenssituationen der Trennung oder Scheidung sowie Sorgerechtsstreitigkeiten<br />

e<strong>in</strong>e Rolle spielen.<br />

6<br />

Mit der Verwendung der männlichen Schreibweise wollen wir darauf h<strong>in</strong>weisen, dass wir ke<strong>in</strong>en Fall gefunden<br />

haben, wo der Tod e<strong>in</strong>er weiblichen Partner<strong>in</strong> Anlass für die Hilfebedürftigkeit war.<br />

12


Die folgende Abbildung verdeutlicht das Ausmaß der subjektiven Betroffenheit der BezieherInnen<br />

<strong>von</strong> verschiedenen Problemfaktoren.<br />

Abbildung 6:<br />

Zutreffen <strong>von</strong> verschiedenen Problemfaktoren<br />

Schulden<br />

49%<br />

12%<br />

39%<br />

ke<strong>in</strong>e verwertbare berufliche Ausbildung<br />

34%<br />

11%<br />

55%<br />

gesundheitliche E<strong>in</strong>schränkung (körperlich, psychisch, Sucht)<br />

29%<br />

12%<br />

59%<br />

unsichere Wohnsituation<br />

21%<br />

13%<br />

66%<br />

private / familiäre Probleme mit Partner/<strong>in</strong> bzw. K<strong>in</strong>d(ern)<br />

17%<br />

13%<br />

71%<br />

ke<strong>in</strong>e abgeschlossene Schulausbildung <strong>in</strong> Österreich<br />

26%<br />

2%<br />

73%<br />

Pflege / Betreuung <strong>von</strong> Angehörigen<br />

18%<br />

3%<br />

79%<br />

Ausbildung im Ausland erworben<br />

15%<br />

3%<br />

82%<br />

Sprachschwierigkeiten beim Lesen und Schreiben<br />

6%<br />

10%<br />

84%<br />

lange Bezugsdauer<br />

Sprachschwierigkeiten beim Sprechen<br />

ger<strong>in</strong>ge Beschäftigungsmotivation<br />

Freiheitsstrafe auf Bewährung, ausständiges Strafverfahren<br />

fehlende oder begrenzte Arbeitserlaubnis<br />

16%<br />

5% 10%<br />

10%<br />

7%<br />

5%<br />

84%<br />

85%<br />

90%<br />

93%<br />

95%<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%<br />

trifft völlig zu teilweise trifft nicht zu<br />

Quelle: L&R Datafile ‘REPR INT SH <strong>Wien</strong>’, 2010, n = 501; die Faktoren “ger<strong>in</strong>ge Beschäftigungsmotivation” sowie “lange<br />

Netto-Bezugsdauer” s<strong>in</strong>d nicht dreistufig klassifiziert, da sie im Gegensatz zu den anderen (so erhobenen) Faktoren<br />

aus verschiedenen Informationen errechnet s<strong>in</strong>d.<br />

Generell tritt e<strong>in</strong>e sehr breite Streuung dieser Problemfaktoren und e<strong>in</strong>e große Vielfalt ihrer<br />

Komb<strong>in</strong>ationen auf. Die Akkumulation <strong>von</strong> vielen Faktoren führt Personen tendenziell <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

länger dauernden SH-Bezug. Bei Alle<strong>in</strong>erzieherInnen summieren sich verschiedene Problemfelder<br />

<strong>in</strong>sbesondere im privaten Kontext, bei älteren BezieherInnen kommen vielfach auch gesundheitliche<br />

Probleme zu den anderen Schwierigkeiten dazu.<br />

Besondere Kumulationen treten bei Personen mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund auf, da hier die Faktoren<br />

e<strong>in</strong>er im Ausland erworbenen Ausbildung mit sprachlichen Problemen und der fehlenden<br />

verwertbaren beruflichen und/oder anerkannten schulischen Ausbildung zusammen treffen.<br />

Das Zusammentreffen <strong>von</strong> unterschiedlichen Faktoren kann am Beispiel der SH-BezieherInnen,<br />

die <strong>von</strong> gesundheitlichen E<strong>in</strong>schränkungen betroffen s<strong>in</strong>d, nachvollzogen werden. Von dieser<br />

Gruppe haben 73% auch Schulden, 58% s<strong>in</strong>d 50 Jahre oder älter, 46% verfügen über ke<strong>in</strong>e<br />

verwertbare berufliche Ausbildung, 40% leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er unsicheren Wohnsituation, 39% haben<br />

private bzw. familiäre Probleme, usw..<br />

Für die Bestimmung des <strong>in</strong>dividuellen <strong>Erwerbspotenzial</strong>s ist die Berücksichtigung <strong>von</strong> Stärken<br />

und Kompetenzen e<strong>in</strong> wesentlicher Blickw<strong>in</strong>kel. In der Repräsentativbefragung wurden dazu<br />

die Selbste<strong>in</strong>schätzungen der Befragten zu arbeitsmarktrelevanten Kompetenzen und Fähigkeiten<br />

erhoben. Es zeigt sich e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>sgesamt positive Selbstsicht der SH-BezieherInnen (siehe<br />

Abbildung 7). In besonders hohem Ausmaß schreiben sich die Befragten drei Stärken zu:<br />

• Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstse<strong>in</strong><br />

• Lernfreude<br />

13


• starkes Interesses der ausgeübten Arbeit gegenüber<br />

E<strong>in</strong> <strong>in</strong>sgesamt niedrigeres Niveau bei allen erhobenen Fähigkeiten f<strong>in</strong>det sich bei Personen mit<br />

motivationalen Schwächen, diese schreiben sich Kompetenzen <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gerem Ausmaß zu.<br />

Abbildung 7:<br />

Selbstwahrnehmung eigener Kompetenzen<br />

Zuverlässigkeit und Verantw ortungsbew usstse<strong>in</strong><br />

88%<br />

10%<br />

2%<br />

Lernfreude<br />

83%<br />

14%<br />

3%<br />

berufliches Engagement<br />

82%<br />

16%<br />

1%<br />

Wertschätzung <strong>von</strong> Arbeit<br />

80%<br />

14%<br />

6%<br />

Selbstreflexionsfähigkeit<br />

76%<br />

20%<br />

4%<br />

Lebenserfahrung<br />

74%<br />

22%<br />

4%<br />

Teamfähigkeit<br />

74%<br />

17%<br />

9%<br />

Pünktlichkeit und Ordentlichkeit<br />

72%<br />

16%<br />

12%<br />

Mehrsprachigkeit<br />

62%<br />

16%<br />

22%<br />

<strong>in</strong>haltliche Offenheit<br />

61%<br />

25%<br />

14%<br />

Toleranz gegenüber ger<strong>in</strong>gem E<strong>in</strong>kommen<br />

57%<br />

15%<br />

28%<br />

Überzeugungskraft<br />

52%<br />

36%<br />

12%<br />

Frustrationstoleranz bei Jobsuche<br />

50%<br />

27%<br />

22%<br />

Belastungstoleranz<br />

45%<br />

19%<br />

36%<br />

selbstorganisiertes Arbeiten<br />

25%<br />

34%<br />

41%<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%<br />

trifft voll zu trifft teilweise zu trifft nicht zu<br />

Quelle: L&R Datafile ‘REPR INT SH <strong>Wien</strong>’, 2010, n = 501, n miss bei den e<strong>in</strong>zelnen Fragen zwischen 15 und 61<br />

8 Orientierungen und Bewältigungsstrategien<br />

Die Ergebnisse der qualitativen E<strong>in</strong>zelfallstudien können die verbreitete These, dass lang andauernder<br />

Bezug <strong>von</strong> Unterstützung zu zunehmender Passivität bei der Arbeitssuche und e<strong>in</strong>em<br />

Verlust <strong>von</strong> Erwerbsorientierung führt, nicht bestätigen. Im Gegenteil: Selbst bei der überwiegenden<br />

Mehrheit jener LangzeitbezieherInnen, die bereits mehrere Jahre im Bezug stehen,<br />

ist die normative Orientierung an Erwerbsarbeit nach wie vor <strong>in</strong>takt. Allerd<strong>in</strong>gs weisen viele<br />

Problemprofile auf, die bei den derzeitigen Funktionsmechanismen des Arbeitsmarktes Risikofaktoren<br />

darstellen - v.a. gesundheitliche E<strong>in</strong>schränkungen, fehlende berufliche Qualifikationen,<br />

Alter, aber auch Formen <strong>von</strong> Überqualifizierung. Und es werden nicht alle Ressourcen der Betroffenen<br />

am Arbeitsmarkt als solche wahrgenommen. Hohes Bildungsniveau und entsprechendes<br />

kulturelles Kapital lassen sich im Allgeme<strong>in</strong>en besser verwerten als hohe Erwerbsorientierung<br />

und implizite Kompetenzen <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit e<strong>in</strong>em niedrigen Schulabschluss.<br />

Die stigmatisierende Wirkung des SH-Bezuges f<strong>in</strong>det im subjektiven Erleben der Betroffenen<br />

ihren Ausdruck. Der Gang auf das Sozialamt ist <strong>von</strong> vielfältigen Gefühlen sozialer Scham geprägt,<br />

die durch den Status der gesellschaftlich ratifizierten Unselbständigkeit und Hilflosigkeit<br />

14


hervorgerufen wird. E<strong>in</strong>e häufige Strategie, sich diesem Stigma zu entziehen ist die der Vermeidung,<br />

also der Nicht-Inanspruchnahme <strong>von</strong> Sozialhilfe trotz Anspruchsberechtigung. 7<br />

Im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er subjektiven Deutungsstrategie können sich SH-BezieherInnen diesem Stigma<br />

bis zu e<strong>in</strong>em gewissen Grad entziehen, <strong>in</strong>sofern sie sich als „würdige“ Arme (d.h. hilfsbedürftig<br />

aufgrund gesellschaftlich anerkannter E<strong>in</strong>schränkung der Arbeitsfähigkeit), begreifen. Psychische<br />

Krankheit, Hausfrauenrolle und Alle<strong>in</strong>erzieherInnenstatus haben wir <strong>in</strong> unserem Sample<br />

als solche identifizieren können. Auch der Umstand, als bereits am Rande der Gesellschaft<br />

Platzierte/r zu gelten (bspw. Obdachloser), kann die Schamschwelle entscheidend senken. Ist<br />

dies nicht der Fall, ist das Gefühl der sozialen Deklassierung vorherrschend, das se<strong>in</strong>en konkreten<br />

und s<strong>in</strong>nlich erlebbaren Ausdruck <strong>in</strong> der räumlichen Nähe zu klassisch Deklassierten sowie<br />

<strong>in</strong> der „Rolle des Bittstellers/der Bittsteller<strong>in</strong>“ am Sozialamt f<strong>in</strong>det. Auf der symbolischen Ebene<br />

besteht die Gefahr, als „Sozialfall“, der man im subjektiven Empf<strong>in</strong>den nicht ist, wahrgenommen<br />

zu werden, die Unbehagen auslöst.<br />

Die Unterscheidung <strong>in</strong> „würdige“ und „unwürdige“ Arme (hilfsbedürftig trotz une<strong>in</strong>geschränkter<br />

Arbeitsfähigkeit) spielt bei der subjektiven Bewältigung des Status als „SozialhilfebezieherIn“<br />

e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle. Die negativen Wirkungen der Stigmatisierung können durch Dist<strong>in</strong>ktion<br />

und Distanzierung <strong>von</strong> den „unwürdigen“ Armen, als e<strong>in</strong>e Form des „Stigma-Managements“,<br />

gemildert werden.<br />

E<strong>in</strong>e weitere Möglichkeit ist die Deutung des SH-Bezugs als „Versicherungsleistung“. Hier ist es<br />

die E<strong>in</strong>führung des Reziprozitätsgedankens und die damit verbundene Abwehr des „Bittstellerstatus“,<br />

die e<strong>in</strong>e positivere Bewältigung erlaubt. Auch aktive Bewältigungsstrategien etwa des<br />

„anwaltschaftlichen“ Musters oder der subjektiven S<strong>in</strong>nstiftung jenseits des Erwerbsarbeitsbezugs<br />

können hier angeführt werden. Wir beobachteten im Rahmen der qualitativen E<strong>in</strong>zelfallstudien<br />

aber auch weniger gut funktionierende Bewältigungsmuster, bei denen Gefühle der<br />

Nutzlosigkeit und sozialen Ausgrenzung, Probleme der Verarbeitung der massiven E<strong>in</strong>schränkungen<br />

<strong>in</strong> der Lebensführung und die Gefahr sozialer Isolation im Vordergrund stehen.<br />

Arbeitszeit- und Veränderungsbedarfe<br />

Mit Blick auf e<strong>in</strong>e Erwerbs<strong>in</strong>tegration bildet häufig die mögliche Arbeitszeit e<strong>in</strong>en limitierenden<br />

Faktor. Die Antworten auf die Frage nach der gewünschten bzw. möglichen Arbeitszeit zeigen<br />

die Grenzen der Arbeitsfähigkeit der Zielgruppe auf: nur etwa 60% wollen bzw. können e<strong>in</strong>er<br />

vollzeitigen Beschäftigung nachgehen (siehe Abbildung 8). Dieser Anteil ist zwar niedriger als<br />

auf Ebene der aktiven, unselbständig Beschäftigten <strong>in</strong> Österreich, entspricht allerd<strong>in</strong>gs den Arbeitszeitwünschen<br />

aller Arbeitslosen, auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en geschlechtsspezifischen Unterschieden<br />

(Wunsch nach Vollzeit Männer: 76%, Frauen: 46%). Für e<strong>in</strong> Viertel der Befragten wäre e<strong>in</strong>e<br />

Arbeit im Ausmaß <strong>von</strong> 20-35 Wochenstunden wünschenswert, etwa 8% streben e<strong>in</strong>e Tätigkeit<br />

mit ger<strong>in</strong>gerer wöchentlicher Arbeitszeit bzw. e<strong>in</strong>e tageweise Beschäftigung an. Somit kann also<br />

<strong>von</strong> e<strong>in</strong>er gleich hohen Beschäftigungsbereitschaft und -motivation der SH-BezieherInnen ausgegangen<br />

werden, wie sie auf Ebene aller Arbeitslosen <strong>in</strong> Österreich gegeben ist.<br />

7<br />

Für Österreich ergeben Berechnungen, dass 49-61% der eigentlich anspruchsberechtigten Haushalte ke<strong>in</strong>e Hilfe<br />

zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen. In <strong>Wien</strong> ist der Grad der Nicht<strong>in</strong>anspruchnahme <strong>von</strong> Sozialhilfeleistungen<br />

ger<strong>in</strong>ger (12-28%). Siehe Fuchs, Michael (2009): Nicht-Inanspruchnahme <strong>von</strong> Sozialleistungen am<br />

Beispiel der Sozialhilfe. In: Dimmel, Nikolaus, Heitzmann, Kar<strong>in</strong>, Schenk, Mart<strong>in</strong>: Handbuch Armut <strong>in</strong> Österreich.<br />

Innsbruck. We<strong>in</strong>. Bozen, S.290-301.<br />

15


Abbildung 8:<br />

Gewünschte Arbeitszeit nach Geschlecht<br />

Männer<br />

Frauen<br />

Gesamt<br />

76%<br />

46%<br />

35%<br />

60%<br />

25%<br />

13% 4% 7%<br />

12% 7%<br />

8% 7%<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Vollzeit<br />

Teilzeit 20-35 Wochenstunden<br />

Teilzeit unter 20 Wochenstunden,<br />

tageweise Beschäftigung<br />

am besten ke<strong>in</strong>e Beschäftigung<br />

Quelle: L&R Datafile ‘REPR INT SH <strong>Wien</strong>’, 2010, n = 501<br />

Der mögliche Weg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Erwerbstätigkeit bzw. die dafür nötigen Veränderungen s<strong>in</strong>d aus subjektiver<br />

Perspektive jedoch selten <strong>in</strong> Sicht. Etwa die Hälfte der BezieherInnen gibt auf diese<br />

Frage ke<strong>in</strong>e Antwort. Viele BezieherInnen nehmen somit kaum Ansatzpunkte wahr, die zu e<strong>in</strong>er<br />

Veränderung ihrer aktuellen Lage führen könnten. Es muss somit bei e<strong>in</strong>er relativ großen Personengruppe<br />

<strong>von</strong> e<strong>in</strong>er gewissen Orientierungslosigkeit ausgegangen werden.<br />

Die geäußerten Bedarfe korrespondieren im Wesentlichen mit den jeweiligen Risikofaktoren der<br />

Personen. Personen, die <strong>von</strong> Problemen im privaten Umfeld betroffen s<strong>in</strong>d, wünschen vorrangig<br />

Veränderungen <strong>in</strong> diesem Bereich, Personen mit Betreuungsaufgaben brauchen Veränderungen<br />

im Bereich der Betreuungssituation, usw. Der quantitativ wichtigste Veränderungswunsch<br />

geht <strong>in</strong> Richtung e<strong>in</strong>er Ausbildung bzw. e<strong>in</strong>es Ausbildungsabschlusses (siehe Abbildung 9). Es<br />

zeigt sich also e<strong>in</strong> relativ großes Interesse an beruflicher Weiter- bzw. Ausbildung.<br />

Abbildung 9:<br />

Vorrangiger Veränderungs- und Unterstützungsbedarf für Beschäftigungsaufnahme<br />

Ausbildung(sabschluss)<br />

28%<br />

Passende Arbeitsstelle/Beschäftigung f<strong>in</strong>den<br />

22%<br />

Unterstützung bei Jobsuche, Orientierung<br />

Veränderungen im privaten Umfeld (Wohnung, Schulden, fam. Probleme)<br />

Veränderung der Betreuungs-/Pflegesituation<br />

Verb. gesundheitliche Situation<br />

11%<br />

12%<br />

11%<br />

9%<br />

gesellschaftspolitische Veränderungen<br />

6%<br />

Sonstiges<br />

1%<br />

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50%<br />

Quelle: L&R Datafile ‘REPR INT SH <strong>Wien</strong>’, 2010, Ausschluss der AussteigerInnen (n=122), jener, die „am besten ke<strong>in</strong>e<br />

Beschäftigung wollen“ (n=25), sowie derer, die ke<strong>in</strong>e Angaben zu Veränderungs- und Unterstützungsbedarfen machen<br />

(n=194), somit n= 160<br />

16


9 Die Aktivierung <strong>von</strong> <strong>SozialhilfebezieherInnen</strong><br />

(Struktur- und Wirkungsanalysen)<br />

Dieser Studie wurden für alle <strong>Wien</strong>er SH-BezieherInnen der Jahre 2000 bis 2008 Teilnahmedaten<br />

an arbeitsmarktpolitischen Instrumenten <strong>von</strong> AMS <strong>Wien</strong> und waff zur Verfügung gestellt. Die<br />

Daten decken neun Arten <strong>von</strong> Instrumenten ab: Aktivierungen (kurz: AKT), Orientierungen<br />

(BO), Qualifizierungen (QUAL), Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsangebote (TRAIN), Beratungs- und Betreuungse<strong>in</strong>richtungen<br />

(BBE), Aufsuchende Vermittlungsunterstützungen (ABBE), E<strong>in</strong>gliederungsbeihilfen (EB),<br />

Geförderte Beschäftigungen (SÖB, GBP), sowie die Jobchance des waff (JOBCH).<br />

Anhand der Längsschnittdatenanalysen kann aufgezeigt werden, dass <strong>in</strong> rund 66% der Fälle 8<br />

die SH-BezieherInnen an ke<strong>in</strong>erlei arbeitsmarkpolitischen Angeboten teilgenommen haben.<br />

Dieser Wert ist als H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong>en sehr ger<strong>in</strong>gen Aktivierungsgrad zu <strong>in</strong>terpretieren. Bei ü-<br />

berwiegender bis durchgehender AMS-Vormerkung während des Bezugs der Sozialhilfe steigt<br />

der Anteil jener Personen, welche an (m<strong>in</strong>destens) e<strong>in</strong>em Instrument teilgenommen haben, auf<br />

rund 52% bis 60%.<br />

Im H<strong>in</strong>blick auf die Verteilung der Instrumente stechen mit sichtbar häufigerer Anwendung Qualifizierungen<br />

und Aktivierungen heraus; So haben <strong>in</strong> rund 20% der Fälle die SH-BezieherInnen<br />

e<strong>in</strong>en Qualifizierungskurs absolviert, <strong>in</strong> rund 9% der Fälle e<strong>in</strong>e Aktivierung. Ebenfalls häufiger,<br />

kommen BBE-Angebote zur Anwendung (7%). Alle anderen Instrumente erfassen maximal jeweils<br />

4% der SH-BezieherInnen, im Falle der ABBE-Angebote allerd<strong>in</strong>gs nur 1,2%, Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsangebote<br />

sogar nur 0,3%.<br />

Aktivierungsgrad nach Bezugs- und Sozialmerkmalen<br />

Von Interesse ersche<strong>in</strong>t vorweg, ob Unterschiede zwischen Richtsatzergänzungs-Bezieher-<br />

Innen und Vollsozialhilfe-BezieherInnen im H<strong>in</strong>blick auf die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> arbeitsmarktpolitische<br />

Instrumente festgestellt werden können. Dies kann bejaht werden. RSE-BezieherInnen wurden<br />

zu e<strong>in</strong>em höheren Prozentsatz <strong>von</strong> Instrumenten erfasst (35%) als VSH-BezieherInnen (27%).<br />

E<strong>in</strong> Blick auf das Lebensalter belegt deutliche Aktivierungsdefizite bei Älteren: Von diesen wurden<br />

nur rund 26% <strong>in</strong> Instrumente e<strong>in</strong>gebunden. Junge h<strong>in</strong>gegen wurden mit rund 39% überdurchschnittlich<br />

häufig erfasst. Die vermehrte Teilnahme <strong>von</strong> Jugendlichen ist vor allem auf e<strong>in</strong>e<br />

häufigere Anwendung <strong>von</strong> Qualifizierungen und Berufsorientierungskursen zurückzuführen.<br />

Mit steigendem Bildungsgrad vergrößert sich die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> arbeitsmarktpolitische Angebote.<br />

So nahmen rund 40% der HochschulabsolventInnen an Angeboten teil.<br />

Dauerhafter Ausstieg aus der Sozialhilfe nach Teilnahme an e<strong>in</strong>em Angebot<br />

In welchem Ausmaß kann durch e<strong>in</strong>e Teilnahme an e<strong>in</strong>em arbeitsmarktpolitischen Angebot e<strong>in</strong><br />

dauerhafter Ausstieg aus der Sozialhilfe erzielt werden? 9 Bei Betrachtung der Ergebnisse der<br />

Längsschnittdatenanalysen fällt auf, dass die e<strong>in</strong>zelnen Instrumente zu e<strong>in</strong>em sehr unterschiedlichen<br />

Grad zu e<strong>in</strong>em dauerhaften Ausstieg geführt haben.<br />

8<br />

9<br />

Bezogen auf die im Beobachtungszeitraum aufgetretenen Episoden.<br />

Zur Beantwortung dieser Frage wurde die Beendigung des SH-Bezugs im Anschluss an die Maßnahmenteilnahme<br />

beobachtet. Von e<strong>in</strong>em dauerhaften Ausstieg ist zu sprechen, wenn das mit e<strong>in</strong>er Frist <strong>von</strong> 6 Monaten auf das<br />

Ende der Maßnahme folgende Jahr ohne e<strong>in</strong>en Bezug <strong>von</strong> Sozialhilfe verlief. Details zum konkreten Beobachtungsdesign<br />

s<strong>in</strong>d dem Bericht, Kapitel 2.7.3 zu entnehmen.<br />

17


Insgesamt beläuft sich der Anteil an Maßnahmenteilnahmen mit dauerhaftem Ausstieg auf rund<br />

27%. Je nach Art des Instruments bewegen sich die Erfolgsquoten zwischen 19% und 50% 10<br />

(siehe Abbildung 10). Zur besseren Übersichtlichkeit unterscheiden wir:<br />

• Instrumente mit überdurchschnittlichen Effekten<br />

Der mit Abstand größte E<strong>in</strong>fluss ist der E<strong>in</strong>gliederungsbeihilfe mit e<strong>in</strong>em Anteil <strong>von</strong> 50% an<br />

dauerhaftem Ausstieg aus dem SH-Bezug zuzurechnen. Lediglich 16% der so geförderten<br />

Personen haben im Nachbeobachtungszeitraum weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en durchgehenden SH-Bezug<br />

zu verzeichnen. Deutlich ger<strong>in</strong>gere, aber dennoch überdurchschnittliche Effekte s<strong>in</strong>d bei der<br />

geförderten Beschäftigung (Beschäftigungsprojekte, SÖB 34%), bei Teilnahmen an Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsangeboten<br />

(32%) und bei der Jobchance (31%) zu sehen.<br />

• Instrumente mit durchschnittlichen Effekten<br />

Durchschnittliche Wirkungen entfallen auf Qualifizierungen und Berufsorientierungen. Bei<br />

Qualifizierungen s<strong>in</strong>d rund 28% im Nachbeobachtungszeitraum dauerhaft aus dem SH-<br />

Bezug ausgestiegen, im Falle der Berufsorientierungen s<strong>in</strong>d dies rund 27%.<br />

• Instrumente mit unterdurchschnittlichen Effekten<br />

Von unterdurchschnittlichen Effekten ist im Falle <strong>von</strong> Aktivierungen mit rund 25% dauerhaftem<br />

Ausstieg aus dem Bezug der Sozialhilfe sowie bei BBE-Angeboten mit rund 19% Erfolgsquote<br />

und bei ABBE-Angeboten mit rund 23% auszugehen.<br />

Abbildung 10: Dauerhafter Ausstieg aus der Sozialhilfe nach Teilnahme an e<strong>in</strong>em arbeitsmarktpolitischen<br />

Angebot differenziert nach Art des Instruments<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

AKT<br />

BO<br />

QUAL<br />

25%<br />

27%<br />

28%<br />

75%<br />

73%<br />

72%<br />

Dauerhaftes Bezugsende<br />

Weiterführung des Bezugs<br />

TRAIN<br />

32%<br />

68%<br />

BBE<br />

19%<br />

81%<br />

EB<br />

50%<br />

50%<br />

GB<br />

34%<br />

66%<br />

ABBE<br />

23%<br />

77%<br />

JOBCH<br />

31%<br />

69%<br />

GESAMT<br />

27%<br />

73%<br />

Quelle: L&R Datafile ‘LS SH <strong>Wien</strong>’, 2009<br />

Zur Er<strong>in</strong>nerung: 27% der Maßnahmenteilnahmen führten zu e<strong>in</strong>em dauerhaften Ausstieg aus<br />

der Sozialhilfe. Dies ist jedoch nicht gleichzusetzen mit Integration <strong>in</strong> das Erwerbsleben. Nur bei<br />

11% aller Fälle mit e<strong>in</strong>em dauerhaften Ausstieg ist auch e<strong>in</strong>e zum<strong>in</strong>dest teilweise Integration <strong>in</strong><br />

das Erwerbssystem verbunden. Dies ist als H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong>e „Wirkungslücke“ zu <strong>in</strong>terpretieren.<br />

Zur näheren Erforschung der Wirkungslücke wurden die Erwerbsverläufe der BezieherInnen –<br />

vor und nach Maßnahmenteilnahme – untersucht.<br />

10<br />

Dieser Befund wird zum Teil auch darauf zurückzuführen se<strong>in</strong>, dass nicht alle untersuchten Angebotsformen<br />

unmittelbar auf e<strong>in</strong>e Beschäftigungs<strong>in</strong>tegration abzielen (etwa Berufsorientierungen und BBE-Maßnahmen).<br />

18


Auswirkungen der Aktivierung auf die Erwerbs<strong>in</strong>tegration der Sozialhilfe-<br />

BezieherInnen<br />

E<strong>in</strong> anerkannter Ansatz zur Messung der Erwerbseffekte <strong>von</strong> Maßnahmenteilnahmen basiert<br />

auf der vergleichenden Vor- und Nachbeobachtung <strong>von</strong> Erwerbskarrieren. 11 Der Indikator zur<br />

Messung der Erwerbs<strong>in</strong>tegration hat den Charakter e<strong>in</strong>er Matrix. Diese Matrix hat zwei Dimensionen:<br />

e<strong>in</strong>erseits die Veränderung gegenüber der Ausgangsposition (Veränderungsdimension,<br />

also der Rückgang, Zuwachs oder das Gleichbleiben des Ausmaßes der Erwerbs<strong>in</strong>tegration),<br />

andererseits die absolute Erwerbslage im Nachbeobachtungszeitraum (Ergebnisdimension,<br />

also das Niveau der Erwerbs<strong>in</strong>tegration, ausgedrückt <strong>in</strong> Beschäftigungszeitanteilen). E<strong>in</strong>e Darstellung<br />

dieser Matrix ist der folgenden Tabelle zu entnehmen.<br />

Tabelle 1:<br />

Matrix zur Messung der Erwerbs<strong>in</strong>tegration im Umfeld e<strong>in</strong>er Maßnahmenteilnahme<br />

– Veränderungsdimension und Ergebnisdimension<br />

Rückgang:<br />

Reduktion des BZA um<br />

mehr als 5 PP<br />

Gleich:<br />

Veränderung des BZA<br />

<strong>in</strong>nerhalb +/-5 PP<br />

Veränderungsdimension<br />

Ger<strong>in</strong>ger Zuwachs:<br />

Zuwachs BZA zwischen<br />

6 und 15 PP<br />

Moderater Zuwachs:<br />

Zuwachs BZA zwischen<br />

16 und 50 PP<br />

Starker Zuwachs:<br />

Zuwachs BZA über 50<br />

PP<br />

Gleich auf Nullniveau - - -<br />

Rückgang auf Nullniveau<br />

Nullniveau:<br />

BZA 0%<br />

Rückgang auf niedriges<br />

Niveau<br />

Rückgang auf Mittleres<br />

Niveau<br />

Gleich auf niedrigem<br />

Niveau<br />

Gleich auf mittlerem<br />

Niveau<br />

Ger<strong>in</strong>ger Zuwachs auf<br />

niedriges Niveau<br />

Ger<strong>in</strong>ger Zuwachs auf<br />

mittleres Niveau<br />

Moderater Zuwachs auf<br />

niedriges Niveau<br />

Moderater Zuwachs auf<br />

mittleres Niveau<br />

-<br />

Starker Zuwachs auf<br />

mittleres Niveau<br />

Niedriges<br />

Niveau:<br />

BZA 1-<br />

33%<br />

Mittleres<br />

Niveau:<br />

BZA 34-<br />

66%<br />

Ergebnisdimension<br />

Rückgang auf hohes<br />

Niveau<br />

Gleich auf hohem<br />

Niveau<br />

Ger<strong>in</strong>ger Zuwachs auf<br />

hohes Niveau<br />

Moderater Zuwachs auf<br />

hohes Niveau<br />

Starker Zuwachs auf<br />

hohes Niveau<br />

Hohes<br />

Niveau:<br />

BZA über<br />

66%<br />

Quelle: L&R Sozialforschung-Erläuterungen; BZA … Beschäftigungszeitanteil; PP … Prozentpunkte.<br />

Auch bei diesem Untersuchungsansatz zeigt sich, dass die E<strong>in</strong>gliederungsbeihilfe durch die<br />

weitaus höchste Wirkung auf die Erwerbs<strong>in</strong>tegration der SH-BezieherInnen auszuzeichnen ist.<br />

32% der mit diesem Instrument geförderten Personen verzeichnen e<strong>in</strong>en starken Zuwachs auf<br />

e<strong>in</strong> hohes Erwerbsniveau, weitere 5% e<strong>in</strong>en starken Zuwachs auf mittleres Erwerbsniveau (siehe<br />

Abbildung 11).<br />

An zweiter Stelle ist (mit e<strong>in</strong>igem Abstand) die geförderte Beschäftigung zu reihen. Rund 16%<br />

der so geförderten SH-Bezugsfälle haben e<strong>in</strong>en starken Zuwachs auf hohes Niveau, weitere<br />

4% e<strong>in</strong>en starken Zuwachs auf mittleres Erwerbsniveau aufzuweisen. Im Mittelfeld s<strong>in</strong>d die Aktivierungen,<br />

Qualifizierungen, Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs- und ABBE-Angebote und die Jobchance zu platzieren.<br />

Vergleichsweise unterdurchschnittliche Erwerbseffekte erzielen Berufsorientierungen und BBE-<br />

Angebote. Letzteres Ergebnis wird vor allem dadurch zu erklären se<strong>in</strong>, dass weder Berufsorientierungen<br />

noch BBE-Angebote unmittelbar auf e<strong>in</strong>en Erwerbse<strong>in</strong>stieg abzielen.<br />

11<br />

Als Vorbeobachtungszeitraum wurde bei jeder Person das Jahr vor E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> die Maßnahme bestimmt, als Nachbeobachtungszeitraum<br />

diente das mit e<strong>in</strong>er Frist <strong>von</strong> 6 Monaten auf das Ende der Maßnahme folgende Jahr.<br />

19


Abbildung 11: Erwerbs<strong>in</strong>tegration nach der Teilnahme an dem arbeitsmarktpolitischem<br />

Angebot gegenüber dem Vorbeobachtungszeitraum, differenziert nach<br />

Angebotsform<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

AKT<br />

17%<br />

46%<br />

6%<br />

6%<br />

13%<br />

3%<br />

11%<br />

Rückgang<br />

BO<br />

QUAL<br />

13%<br />

14%<br />

53%<br />

42%<br />

6%<br />

6%<br />

6%<br />

6%<br />

15%<br />

12%<br />

4%<br />

3% 8%<br />

14%<br />

Gleich auf Nullniveau<br />

TRAIN<br />

BBE<br />

EB<br />

GB<br />

16%<br />

9%<br />

11%<br />

13%<br />

22%<br />

42%<br />

63%<br />

6% 6%<br />

36%<br />

7% 7% 12% 5%<br />

4% 5% 9%<br />

18% 5%<br />

32%<br />

6% 8% 18% 4%<br />

12%<br />

2% 7%<br />

16%<br />

Gleich auf niedrigem bis<br />

hohem Niveau<br />

Ger<strong>in</strong>ger Zuwachs<br />

Moderater Zuwachs<br />

ABBE<br />

JOBCH<br />

Gesamt<br />

6%<br />

13%<br />

14%<br />

55%<br />

52%<br />

45%<br />

5% 5%<br />

5% 4%<br />

14%<br />

11%<br />

6% 6% 14%<br />

3%<br />

2%<br />

3%<br />

12%<br />

14%<br />

13%<br />

Starker Zuwachs auf<br />

mittleres Niveau<br />

Starker Zuwachs auf<br />

hohes Niveau<br />

Quelle: L&R Datafile ‘LS SH <strong>Wien</strong>’, 2009<br />

Aktivierungsangebote und deren Wirkungen aus Sicht der <strong>SozialhilfebezieherInnen</strong><br />

In den qualitativen E<strong>in</strong>zelfallstudien kristallisierte sich e<strong>in</strong>e polarisierende Bewertung <strong>von</strong> Sozialzentren<br />

e<strong>in</strong>erseits und AMS andererseits heraus. Das AMS wird als Institution wahrgenommen,<br />

die streng e<strong>in</strong>er bürokratischen Logik folgt, und <strong>in</strong> der wenig Verständnis für die persönliche<br />

Situation aufgebracht werden kann. Dies zeigt sich auch <strong>in</strong> der subjektiven Beurteilung <strong>von</strong><br />

Aktivierungs- und Qualifizierungsangeboten – viele Betroffene reagieren mit Abwehr und Widerstand<br />

auf <strong>von</strong> ihnen als sozial fremd, persönlich verletzend und <strong>in</strong>fantilisierend empfundene<br />

“Kurs“formen. Als weitere Probleme, die bei der Aktivierung <strong>von</strong> SH-BezieherInnen auftreten<br />

können und deshalb spezielle Aufmerksamkeit und Berücksichtigung erfordern, haben wir das<br />

Problem des funktionalen Analphabetismus und die Somatisierung <strong>von</strong> Armut gefunden.<br />

Zur sozial<strong>in</strong>tegrativen Qualität nachfolgender Beschäftigungen<br />

Die erhobenen Erfahrungen 12 zeigen e<strong>in</strong>e klare Polarisierung, was die Stabilität und Qualität der<br />

dem SH-Bezug folgenden Erwerbs<strong>in</strong>tegration betrifft. E<strong>in</strong>e erste Gruppe <strong>von</strong> Personen weist <strong>in</strong><br />

fast allen Dimensionen der Arbeits- und Beschäftigungsqualität deutlich bessere Bed<strong>in</strong>gungen<br />

auf als jene der zweiten Gruppe. Ist die Arbeitszufriedenheit <strong>in</strong> der ersten Gruppe hoch, überlegen<br />

die Betroffenen <strong>in</strong> der zweiten Gruppe, wie sie am besten das <strong>von</strong> zunehmend unerträglichen<br />

Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen gekennzeichnete Arbeitsverhältnis wieder beenden können. Auffallend<br />

ist, dass die Personen der ersten Gruppe <strong>in</strong> öffentlichkeitsnahen Organisationen arbeiten,<br />

während die zweite Gruppe im privaten Niedriglohnsektor beschäftigt ist. Wir haben <strong>in</strong> unserem<br />

Sample viele Befunde über die Arbeitswirklichkeiten im Niedriglohnbereich erhalten, die zeigen,<br />

dass die Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen und Praktiken mehr oder weniger stark <strong>von</strong> <strong>in</strong> unserer Gesellschaft<br />

anerkannten M<strong>in</strong>deststandards <strong>von</strong> Arbeit abweichen. Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund muss<br />

auch das vorherrschende, auf schnelle Vermittlung ausgerichtete Aktivierungsverständnis, das<br />

12<br />

Im Rahmen der qualitativen E<strong>in</strong>zelfallstudien stand e<strong>in</strong> relativ begrenztes Sample <strong>von</strong> <strong>in</strong> Erwerbsarbeit <strong>in</strong>tegrierten,<br />

ehemaligen <strong>SozialhilfebezieherInnen</strong> zur Verfügung.<br />

20


sich <strong>in</strong> der Losung „Hauptsache Arbeit!“ kondensiert, kritisch h<strong>in</strong>terfragt und relativiert werden.<br />

Vor dem H<strong>in</strong>tergrund der <strong>von</strong> unseren InterviewpartnerInnen geschilderten Erfahrungen im<br />

Niedriglohnbereich wird deutlich, dass nicht jede Form <strong>von</strong> Arbeit automatisch auch sozial<strong>in</strong>tegratives<br />

Potenzial aufweist.<br />

10 Prognostische Fragestellungen<br />

Wie hoch ist die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, dass e<strong>in</strong>/e SH-BezieherIn nach e<strong>in</strong>er bestimmten Frist wieder<br />

dauerhaft aus dem Bezug der Sozialhilfe aussteigt? 13 Die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit e<strong>in</strong>es dauerhaften<br />

Ausstiegs 12 Monate nach E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> den Bezug liegt deutlich unter 50%: Nur rund 43%<br />

der SH-BezieherInnen können – so die Ergebnisse der Längsschnittdatenanalysen – nach 12<br />

Monaten e<strong>in</strong>en dauerhaften Ausstieg aus dem SH-Bezug vorweisen. Als <strong>in</strong>teressant muss gelten,<br />

dass die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit e<strong>in</strong>es dauerhaften Ausstiegs aus dem Bezug der Sozialhilfe <strong>in</strong><br />

den letzten Jahren ke<strong>in</strong>e signifikanten Änderungen erfahren hat (siehe Abbildung 12). Dieser<br />

Befund ist dah<strong>in</strong>gehend zu <strong>in</strong>terpretieren, dass sich zwar die Zahl der SH-BezieherInnen <strong>in</strong> den<br />

letzten Jahren deutlich erhöht hat, die Risikolagen bzw. Bezugsverläufe der betroffenen BezieherInnen<br />

offensichtlich aber ke<strong>in</strong>en wesentlichen Veränderungen unterworfen s<strong>in</strong>d.<br />

Abbildung 12: Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit „dauerhafter Ausstieg“ nach Jahr des E<strong>in</strong>tritts <strong>in</strong> die<br />

SH (Frist: 12 Monate, Fenster: 12 Monate)<br />

60%<br />

RSE VSH GESAMT<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006<br />

Quelle: L&R Datafile ‘LS SH <strong>Wien</strong>’, 2009<br />

Zu beachten ist, dass e<strong>in</strong> dauerhafter Ausstieg <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise gleichbedeutend ist mit e<strong>in</strong>er<br />

parallel e<strong>in</strong>her gehenden Integration <strong>in</strong> das Erwerbssystem. Letztendlich f<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong>e Restgruppe<br />

<strong>in</strong> der Größenordnung <strong>von</strong> rund 20% aller BezieherInnen, welche zwar e<strong>in</strong> dauerhaftes<br />

Bezugsende zu verzeichnen hat, allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e Erwerbsposition oder gesicherte erwerbsferne<br />

Position übergeht. Weitere Details hierzu f<strong>in</strong>den sich im Bericht, Kapitel 2.6.2.<br />

13<br />

Zur Beantwortung dieser Fragestellung wurde auf Basis der Längsschnittdaten geprüft, ob 12 Monate nach dem<br />

E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den Sozialhilfebezug während e<strong>in</strong>es darauffolgenden Fensters <strong>von</strong> 12 Monaten e<strong>in</strong> SH-Bezug vorliegt.<br />

Nur, wenn dieser gänzlich fehlte, war das Kriterium des „dauerhaften Ausstiegs“ erfüllt.<br />

21


Ausstiegswahrsche<strong>in</strong>lichkeit nach Sozial- und Bezugsmerkmalen<br />

Interessanterweise zeigt sich, dass RSE-BezieherInnen nur e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>g höhere Ausstiegswahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />

aufweisen als VSH-BezieherInnen (siehe Abbildung 12). E<strong>in</strong> deutlich negativer<br />

E<strong>in</strong>fluss auf die Ausstiegswahrsche<strong>in</strong>lichkeit ist bei folgenden Personengruppen zu sehen:<br />

• Ältere Personen<br />

• Asylberechtigte<br />

• Personen mit niedriger Bildungsstufe<br />

• Alle<strong>in</strong>unterstützte<br />

11 Schlussfolgerungen - Risikogruppen<br />

Den im Rahmen dieses Forschungsprojekts getätigten Analysen zufolge ist e<strong>in</strong>e Reihe <strong>von</strong> Risikogruppen<br />

identifizierbar:<br />

• Personen ohne verwertbare berufliche Ausbildung (Anteil 45%)<br />

• Personen mit gesundheitlichen E<strong>in</strong>schränkungen (Anteil 41%)<br />

• Personen mit Pflege- und Betreuungspflichten (Anteil 21%)<br />

• Personen mit ger<strong>in</strong>ger Beschäftigungsmotivation (Anteil 10%)<br />

• Personen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft (Anteil 30%)<br />

• Personen mit privaten Problemen (Anteil 48%)<br />

• Ältere Personen ab 50 Jahren (Anteil 10%)<br />

Beispielhaft beschreiben wir im Folgenden e<strong>in</strong>e ausgewählte Risikogruppe - Personen ohne<br />

verwertbare berufliche Ausbildung – etwas näher. Für Interessierte verweisen wir auf den Bericht,<br />

Kapitel 5.<br />

Personen ohne verwertbare berufliche Ausbildung<br />

• Be<strong>in</strong>ahe jedem/r zweiten der befragten SH-BezieherInnen (45%) fehlen - so die Ergebnisse<br />

der Repräsentativ<strong>in</strong>terviews - verwertbare berufliche Qualifikationen.<br />

• Bei dieser Gruppe handelt es sich zum überwiegenden Teil um Personen mit ger<strong>in</strong>gen Qualifikationsniveaus<br />

(höchstens Pflichtschule: 70%), zu e<strong>in</strong>em Großteil auch der jüngsten Altersgruppe<br />

zugehörig. Aber auch besser qualifizierte Personen können - <strong>in</strong>sbesondere wenn<br />

die Ausbildung im Ausland erworben wurde - vor diesem Problem stehen.<br />

• H<strong>in</strong>sichtlich persönlicher Veränderungsbedarfe für e<strong>in</strong>e Beschäftigungsaufnahme äußert<br />

diese Gruppe vor allem den Bedarf nach e<strong>in</strong>er Ausbildung bzw. e<strong>in</strong>em Ausbildungsabschluss.<br />

Von den Aus- und Weiterbildungsangeboten des AMS wird diese Gruppe relativ gut<br />

erreicht, die Teilnahmequote ist hoch. Zwei Drittel derer, die berufliche Ausbildungsdefizite<br />

aufwiesen/aufweisen, haben bereits an AMS-Kursen teilgenommen.<br />

• Spezifische Bedarfe dieser Teilgruppe: Es kann <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er grundsätzlich hohen (Weiter-)Bildungsbereitschaft<br />

bei den SH-BezieherInnen ausgegangen werden. Allerd<strong>in</strong>gs müssen<br />

die Qualifizierungsangebote den Bedarfen und mitunter multiplen Problemlagen gerecht<br />

werden. Der Nutzen <strong>von</strong> bisher besuchten AMS-Kursen wird <strong>von</strong> dieser Gruppe eher unterdurchschnittlich<br />

bewertet, was auf e<strong>in</strong>e bislang suboptimale Deckung dieses Bedarfs verweist.<br />

22

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