Differentialgleichungen
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<strong>Differentialgleichungen</strong><br />
Zusammenfassung der in der Vorlesung<br />
Mathematische Methoden der Chemie 1 (WS 2012/13)<br />
behandelten Themen<br />
Grundbegriffe und Definition<br />
Unter einer gewöhnlichen Differentialgleichung (=DGL) n-ter Ordnung versteht man eine<br />
Bestimmungsgleichung für eine unbekannte Funktion y=f(x) einer unabhängigen Variablen x,<br />
die Ableitungen dieser Funktion bis zur n-ten Ordnung enthält. Ferner können in der<br />
Gleichung die unbekannte Funktion f(x) sowie die unabhängige Variable x auftreten. Treten<br />
mehrere unabhängige Variable x 1 , x 2 , usw. auf, so heißt die Gleichung partielle DGL.<br />
Eine gewöhnliche DGL n-ter Ordnung heißt linear, wenn<br />
a) die unbekannte Funktion f(x) und alle ihre Ableitungen höchstens in der ersten Potenz<br />
vorkommen, und<br />
b) keine Produkte dieser Größen auftreten.<br />
Allgemeine Form:<br />
( n)<br />
( n−1)<br />
(1)<br />
a ( x)<br />
y + a<br />
−1(<br />
x)<br />
y + ..... + a1(<br />
x)<br />
y + a0(<br />
x)<br />
y = b(<br />
x),<br />
n<br />
n<br />
a ( x)<br />
≠ 0<br />
n<br />
Ist b(x) = 0, so heißt die lineare DGL homogen, ansonsten inhomogen. Tauchen Potenzen<br />
oder Produkte von y (n) = f (n) (x) auf, so heißt die DGL nicht-linear.<br />
Beispiele:<br />
y '(<br />
x)<br />
− 5x<br />
= 0 , linear, 1. Ordnung, gewöhnlich, inhomogen;<br />
y ''(<br />
x)<br />
− 5xy<br />
= 0 , linear, 2. Ordnung, gewöhnlich, homogen<br />
y ( x,<br />
z)<br />
⋅ y'<br />
'(<br />
x,<br />
z)<br />
+ z = 5 + x , nicht-linear, partiell, 2. Ordnung, inhomogen<br />
Die allgemeine Lösung f(x) (=Lösungsschar) einer gewöhnlichen DGL n-ter Ordnung enthält<br />
genau n willkürliche und unabhängige (Integrations-)konstanten. Weist man diesen n<br />
Konstanten in der allgemeinen Lösung einen festen Zahlenwert zu, so erhält man eine<br />
spezielle oder partikuläre Lösung. Gehört eine Lösung keiner Lösungsschar an, so heißt sie<br />
singuläre Lösung.<br />
Beispiel:<br />
2<br />
2<br />
( y ') − 4xy'<br />
+ 4y<br />
= 0 besitzt die Lösungsschar y ( x)<br />
= 2cx<br />
− c , c ∈R, und somit die<br />
partikulären Lösungen y( x)<br />
= 2x<br />
−1,<br />
y(<br />
x)<br />
= 8x<br />
−16,<br />
usw. Aber es existiert auch die<br />
singuläre Lösung<br />
2<br />
y ( x)<br />
= x , welche man nicht aus der Lösungsschar erhalten kann.<br />
Anfangswertproblem:<br />
Um die Integrationskonstanten einer allgemeinen Lösung festzulegen, benötigt man bei einer<br />
DGL n-ter Ordnung in der Regel n weitere Bedingungen. Diese werden im einfachsten Fall<br />
1
durch ein Anfangswertproblem (AWP) vorgegeben. Liegt die DGL als<br />
( n ) , ,<br />
(1) ,..... ( n−<br />
y = f x y y y<br />
1) vor, so bezeichnet man mit einem AWP die Vorgabe der Werte<br />
( )<br />
y .<br />
( n−1)<br />
( x0 ) = y0,<br />
y'<br />
( x0)<br />
= y1,....,<br />
y ( x0)<br />
= yn−<br />
1<br />
Beispiel: Man löse die DGL y '(<br />
x)<br />
= y(<br />
x)<br />
so, dass die Funktion y(x) durch den Punkt P(0,1)<br />
verläuft. Durch Einsetzen kann man zunächst überprüfen, dass die Lösungsschar die Form<br />
x<br />
y ( x)<br />
= Ce besitzt, also eine frei wählbare Konstante C beinhaltet. Diese wird mit dem AWP<br />
0<br />
bestimmt. Es muss gelten 1 = Ce = C , also ist die gesuchte partikuläre Lösung y =<br />
x<br />
( x)<br />
e .<br />
Spezielle <strong>Differentialgleichungen</strong> 1. Ordnung<br />
Exakte Differentialgleichung<br />
Die DGL<br />
A ( x,<br />
y)<br />
+ B(<br />
x,<br />
y)<br />
⋅ y'(<br />
x)<br />
= 0<br />
heißt exakt, wenn es eine Funktion U(x,y)= constant gibt, so dass<br />
∂U<br />
∂U<br />
U<br />
x<br />
= = A und U<br />
y<br />
= = B<br />
∂x<br />
∂y<br />
gilt. y= y(x) ist im Intervall I genau dann eine Lösung, wenn U(x,y) = const. auf I. Zum<br />
Beweis wird U(x,y) nach x differenziert und man erhält<br />
dU<br />
dx<br />
∂U<br />
∂U<br />
dy<br />
= 0 = + ⋅ = A + By'<br />
= 0 .<br />
∂x<br />
∂y<br />
dx<br />
Man testet auf Exaktheit mit dem Satz von Schwarz; es muss die Integrabilitätsbedingung<br />
∂ A(<br />
x,<br />
y)<br />
∂B(<br />
x,<br />
y<br />
=<br />
)<br />
∂y<br />
∂x<br />
für alle x und y aus dem Definitionsbereich gelten.<br />
Lösungsmethode für die exakte DGL:<br />
Gegeben sei die DGL A ( x,<br />
y)<br />
+ B(<br />
x,<br />
y)<br />
⋅ y'(<br />
x)<br />
= 0 .<br />
1.<br />
∂ A(<br />
x,<br />
y)<br />
∂B(<br />
x,<br />
y<br />
=<br />
) bestätigen .<br />
∂y<br />
∂x<br />
2. Über den Ansatz A = U<br />
x<br />
und B = U<br />
y<br />
eine Stammfunktion U(x,y) bestimmen.<br />
2
a) A unbestimmt nach x integrieren: U ( x,<br />
y)<br />
= ∫ A(<br />
x,<br />
y)<br />
dx + c(<br />
y)<br />
.<br />
b) U partiell nach y ableiten und mit B gleichsetzen:<br />
∂<br />
dc(<br />
y)<br />
U y<br />
( x,<br />
y)<br />
= ( A(<br />
x,<br />
y)<br />
dx) + = B(<br />
x,<br />
y)<br />
∂y<br />
∫<br />
dy<br />
c) c(y) durch Integration nach y bestimmen:<br />
⎡ ∂<br />
⎤<br />
c ( y)<br />
= ∫ ⎢B(<br />
x,<br />
y)<br />
− ( ∫ A(<br />
x,<br />
y)<br />
dx)<br />
⎥dy<br />
⎣ ∂y<br />
⎦<br />
3. Anfangswertproblem (so vorhanden) lösen.<br />
2<br />
Beispiel: y'<br />
( 2y<br />
x ) = −2xy<br />
+ , mit dem AWP y(0)= 1 .<br />
2<br />
Die DGL lässt sich schreiben als 2xy<br />
+ ( 2 y + x ) y'<br />
= 0<br />
A( x,<br />
y)<br />
= 2xy<br />
und<br />
∂A<br />
∂B<br />
1. Exaktheitstest = 2 x,<br />
= 2x<br />
, somit gilt<br />
∂y<br />
∂x<br />
2<br />
2. a) U ( x,<br />
y)<br />
= ∫ 2xydx<br />
+ c(<br />
y)<br />
= x y + c(<br />
y)<br />
∂U<br />
b)<br />
∂y<br />
= x<br />
2<br />
+ c'<br />
( y)<br />
= B(<br />
x,<br />
y)<br />
= 2 y + x<br />
c) c' ( y)<br />
= 2y<br />
, c ( y)<br />
= ∫ 2 ydy = y<br />
2<br />
2<br />
. Somit gilt<br />
B ( x,<br />
y)<br />
+ x<br />
2<br />
= 2y<br />
.<br />
∂A<br />
∂B<br />
= und die DGL ist exakt.<br />
∂y<br />
∂x<br />
. Somit ergibt sich die allgemeine Lösung<br />
2 2<br />
(Lösungsschar) zu U ( x,<br />
y)<br />
= x y + y = const = C .<br />
3. AWP y(0)=1, d.h. 0 2 ⋅1+1 2 =C, C=1. Die gesuchte partikuläre Lösung ist somit<br />
2 2<br />
x y + y = 1 .<br />
Trennbare <strong>Differentialgleichungen</strong><br />
Diese haben (evtl. nach Umformung) die Gestalt<br />
dy<br />
y'<br />
= = f ( x)<br />
⋅ g(<br />
y)<br />
dx<br />
mit stetigen und auf den Intervallen x ∈ I und y ∈ J erklärten Funktionen f(x) und g(y) . Der<br />
Lösungsweg ist in diesem Fall besonders einfach und beinhaltet die folgenden Schritte.<br />
1. Sämtliche Nullstellen η von g(y) bestimmen. y(x)=η ist jeweils eine partikuläre<br />
Lösung der DGL.<br />
2. Trennung der Variablen in den Intervallen mit g(y)≠ 0, d.h. auf den verschiedenen<br />
1<br />
Seiten des Gleichheitszeichens steht jeweils nur eine Variable: dy = f ( x)<br />
dx .<br />
g(<br />
y)<br />
dy<br />
3. Jede Seite gemäß G ( y)<br />
= ∫ und F ( x)<br />
=<br />
g(<br />
y)<br />
∫ f ( x)<br />
dx unbestimmt integrieren. Die<br />
allgemeine Lösung lautet dann G ( y)<br />
− F(<br />
x)<br />
= const = C .<br />
4. Falls erforderlich Lösung des AWPs.<br />
3
2 1<br />
Beispiel: y ⋅ y'<br />
= mit dem AWP y(1)=1 , für x gelte x>0 . Umgeschrieben ergibt sich<br />
x<br />
1 1<br />
y'<br />
= 2<br />
y<br />
⋅ x<br />
, d.h. f ( x)<br />
= 1/<br />
x und 2<br />
g ( y)<br />
= 1/ y .<br />
1. g(y) besitzt keine Nullstelle.<br />
2 1<br />
2. Trennung der Variablen ergibt y dy = dx .<br />
x<br />
2 1 3<br />
3. Unbestimmtes Integrieren ergibt G ( y ) =<br />
∫<br />
y dy = y + K1<br />
und<br />
3<br />
1<br />
F ( x)<br />
=<br />
∫<br />
dx = ln( x)<br />
+ K 2 . Die allgemeine Lösung lautet somit 1 y 3 − ln( x)<br />
= C .<br />
x<br />
3<br />
4. Das AWP führt dann zu<br />
1 1<br />
1 3 − ln(1) = C = . Somit lautet die gesuchte partikuläre<br />
3<br />
3<br />
3<br />
3<br />
Lösung y − 3ln( x)<br />
= 1 bzw. explizit y = 3 ⋅ln(<br />
x)<br />
+ 1 .<br />
Diese sind von der allgemeinen Form<br />
Lineare <strong>Differentialgleichungen</strong> 1. Ordnung<br />
y '(<br />
x)<br />
+ a(<br />
x)<br />
y(<br />
x)<br />
= f ( x)<br />
.<br />
Ist f ( x ) ≠ 0so handelt es sich um eine inhomogene DGL, anderenfalls um eine homogene<br />
DGL. Man muss unbedingt beachten, dass der Faktor vor y’(x) in dieser Darstellung gleich 1<br />
ist, weil nur dann die folgenden Lösungsverfahren angewendet werden können. Die<br />
zugeordnete homogene DGL lautet<br />
y '(<br />
x)<br />
+ a(<br />
x)<br />
y(<br />
x)<br />
= 0 ,<br />
welche durch Trennung der Variablen auf die Form<br />
dy(<br />
x)<br />
dy(<br />
x)<br />
= −a(<br />
x)<br />
y(<br />
x)<br />
⇒ = −a(<br />
x)<br />
dx<br />
dx<br />
y(<br />
x)<br />
gebracht werden kann. Wie bei den trennbaren DGLn beschrieben, kann die zugeordnete<br />
homogene DGL leicht gelöst werden und ergibt<br />
mit der Stammfunktion<br />
− A(<br />
x)<br />
yh ( x)<br />
= c ⋅ e = c ⋅ ~ yh(<br />
x),<br />
c ∈R ,<br />
∫<br />
A ( x)<br />
= a(<br />
x)<br />
dx .<br />
Die allgemeine vollständige Lösung y(x) der inhomogenen DGL ergibt sich aus<br />
y(<br />
x)<br />
=<br />
− A(<br />
x)<br />
yh ( x)<br />
+ y<br />
p(<br />
x)<br />
= c ⋅ e + y<br />
p<br />
( x)<br />
,<br />
4
worin y p (x) eine beliebige partikuläre Lösung der inhomogenen DGL ist. Diese kann man z.<br />
B. durch Raten erhalten, was aber natürlich kein gängiges Verfahren sein kann. Vielmehr<br />
wendet man zur Ermittlung der kompletten Lösung y(x) das Lösungsverfahren Variation der<br />
Konstanten an (=Verfahren von Lagrange). Dazu betrachtet man den Faktor c nicht als<br />
konstant, sondern setzt ihn als Funktion der unabhängigen Variablen x:<br />
Einsetzen in DGL liefert<br />
Somit erhalten wir<br />
y( x)<br />
= c(<br />
x)<br />
⋅ ~ y ( x)<br />
⇒ y'(<br />
x)<br />
= c'(<br />
x)<br />
⋅ ~ y ( x)<br />
+ c(<br />
x)<br />
⋅ ~ y '( x)<br />
.<br />
h<br />
f ( x)<br />
= c'(<br />
x)<br />
⋅ ~ y ( x)<br />
+ c(<br />
x)<br />
⋅ ~ y '( ) + ( ) ⋅ ( ) ⋅ ~<br />
h<br />
x a x c x yh(<br />
x)<br />
<br />
<br />
<br />
h<br />
.<br />
h<br />
= 0!<br />
f ( x)<br />
f ( x)<br />
A(<br />
x)<br />
c'(<br />
x)<br />
= ~ ⇒ c(<br />
x)<br />
= ∫ dx + C = ∫ e f ( x)<br />
dx + C<br />
y ( x)<br />
~<br />
.<br />
y ( x)<br />
h<br />
Die allgemeine Lösung der inhomogen DGL erhält man dann zu<br />
h<br />
A(<br />
x)<br />
− A(<br />
x)<br />
( e f ( x)<br />
dx + C) ⋅ e<br />
y(<br />
x)<br />
= c(<br />
x)<br />
⋅ ~ y ( x)<br />
= ∫ .<br />
h<br />
Wenn nötig, wird zur Bestimmung der Konstanten C das Anfangswertproblem gelöst.<br />
h<br />
1 3<br />
Beispiel 1: y ' + y = x , x,<br />
y > 0 .<br />
x<br />
1. Homogene DGL mit Trennung der Variablen lösen. Es ergibt sich<br />
1 dyh<br />
1 dyh<br />
dx dyh<br />
dx<br />
yh'<br />
+ yh<br />
= 0 ⇒ = − yh<br />
⇒ = − ⇒ = −<br />
x dx x y x<br />
∫<br />
y<br />
∫<br />
x<br />
h<br />
1<br />
⇒ ln( y h ) = −ln(<br />
x)<br />
+ c*<br />
⇒ y h = c ⋅ = c ⋅ y<br />
~<br />
h<br />
x<br />
2. Variation der Konstanten führt zu y( x)<br />
= c(<br />
x)<br />
⋅ ~ y ( x)<br />
. Somit lässt sich c(x) bestimmen<br />
3<br />
f ( x)<br />
x<br />
4 1 5<br />
zu c( x)<br />
= ∫ ~ dx = ∫ dx = ∫ x dx = x + C .<br />
yh(<br />
x)<br />
1<br />
5<br />
x<br />
3. Die gesamte Lösung der inhomogenen DGL ergibt sich dann zu<br />
1 ⎛ 1 5 ⎞ 1 4 C<br />
y( x)<br />
= c(<br />
x)<br />
⋅ ~ yh ( x)<br />
= ⋅ ⎜ x + C ⎟ = x + .<br />
x ⎝ 5 ⎠ 5 x<br />
h<br />
h<br />
Beispiel 2:<br />
y ' = y + x mit dem AWP y ( 0) = 2 .<br />
5
1. Homogene DGL mit Trennung der Variablen lösen. Es ergibt sich<br />
y h<br />
' − y h<br />
= 0 ⇒<br />
dy h dy h<br />
x<br />
= dx ⇒<br />
∫<br />
=<br />
∫<br />
dx ⇒ ln | y h | = x + c*<br />
⇒ y h = c ⋅ e = c ⋅ y<br />
~<br />
h<br />
y h<br />
y h<br />
2. Variation der Konstanten führt zu y( x)<br />
= c(<br />
x)<br />
⋅ ~ y ( x)<br />
. Somit lässt sich c(x) bestimmen<br />
f ( x)<br />
x<br />
( . Dieses Integral lässt sich durch partielle<br />
zu c x)<br />
∫ ~ dx = ∫ dx =<br />
x ∫<br />
− x<br />
= xe dx<br />
yh ( x)<br />
e<br />
− x<br />
Integration lösen und man erhält c(<br />
x)<br />
= −e<br />
( x + 1) + C<br />
3. Die gesamte Lösung der inhomogenen DGL ergibt sich dann zu<br />
− x<br />
x<br />
y( x)<br />
= c(<br />
x)<br />
⋅ ~ y ( x)<br />
= − e ( x + 1) + C ⋅ e = −x<br />
−1<br />
+ C ⋅ e .<br />
h<br />
[ ]<br />
x<br />
0<br />
4. AWP, es sollte sein y(0)=2 . Einsetzen liefert 2 = −1+<br />
C ⋅e<br />
= −1+<br />
C ⇒ C = 3. Somit<br />
x<br />
ergibt sich die gesuchte partikuläre Lösung zu y( x)<br />
= −x<br />
−1<br />
+ 3⋅<br />
e .<br />
h<br />
6