Die Klangtreue - Diners Club Switzerland
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014 | diners club | switzerland /// 04_11 ///<br />
.../Porträt<br />
T e x T : B e n D i K T v o n S T i e h r<br />
<strong>Die</strong><br />
<strong>Klangtreue</strong><br />
Nein, wir schreiben jetzt nicht, dass Anne-Sophie<br />
Mutter seit über 35 Jahren die erste Geige spielt. Der<br />
dezente Versuch einer Annäherung an ein Wunderkind<br />
ohne Kindheit, das zum Jahrhundertphänomen<br />
ohne Angriffsflächen reifte.
Wenn KünSTlerinnen unD KünSTler<br />
Erfolg haben, ereilt sie nicht nur Ruhm, Geld,<br />
Adoration und der Hauch von Unsterblichkeit<br />
– sie bekommen auch eine Punze aufgestempelt.<br />
Sie tragen dann eine unverlangte<br />
Trademark, mit der sie den Rest ihres Lebens<br />
verbringen müssen. Von Vollkommenheit ist<br />
da gern die Rede, oft von Genie, manchmal<br />
sogar wird das Überirdische in seiner höchsten<br />
Spielart, der Göttlichkeit h. c. (etwa bei<br />
Greta Garbo oder Rudolf Nurejew), über den<br />
Künstler hereingebetet. <strong>Die</strong> Violinvirtuosin<br />
Anne-Sophie Mutter ist so eine Gezeichnete,<br />
und sie trägt den zwiespältigsten Stempel<br />
der Huldigung an ihrer Person und ihrem<br />
Schaffen, den es gibt: die Perfektion. Perfektion<br />
ist gelobtes Land und Fluch zugleich.<br />
Wer sie erreicht, hat alles überwunden und<br />
ist unüberwindbar geworden. Aber Perfektion<br />
ist kühl, sie schafft Distanz – und Perfektion<br />
schliesst, wenn einmal erreicht, alle<br />
Hoffnung auf einen nächsten Entwicklungsschritt,<br />
auf weitere Vervollkommnung, aus.<br />
Es bleibt die zwiespältige Hoffnung auf Wiederholung,<br />
auf Wiederbesteigung des bereits<br />
bekannten Gipfels. Und auf diesen Gipfeln<br />
spielt Anne-Sophie alle grossen Meister der<br />
klassischen und manche der zeitgenössischen<br />
Musik seit mehr als 35 Jahren.<br />
Begonnen hat alles Ende der sechziger<br />
Jahre in Wehr, einem 13’000-Seelen-Städtchen<br />
am Oberrhein im Badischen. Ein Ort, wo keine<br />
Prominenz wohnt, keine Sensationen<br />
stattfinden. Hier hört die kleine Anne-Sophie,<br />
geboren 1963, im elterlichen Wohnzimmer<br />
zum ersten Mal ein klassisches Konzert<br />
im Radio. <strong>Die</strong> Fünfjährige verkündet mit solcher<br />
Ernsthaftigkeit, Solistin werden zu wollen,<br />
dass die Eltern sie zum Geigenunterricht<br />
schicken. Während andere Kinder ihres Alters<br />
elektrische Eisenbahnen im Kreis fahren lassen,<br />
Puppenwagen schieben oder sich ge-<br />
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Meister und Mutter<br />
Von niemand Geringerem als Herbert von Karajan erhielt Anne-sophie Mutter<br />
quasi den ritterschlag für ihre beeindruckende Karriere als Violinistin<br />
genseitig an zu Marterpfählen umgeträumte<br />
Bäume binden, wächst das pausbäckige,<br />
blonde kleine Mädchen im Strickkleidchen<br />
mit Violine, Klavier, Notenblättern und Partituren<br />
zusammen. Ihre Altersgenossinnen<br />
schwärmen für Pierre Brice, Anne-Sophie für<br />
Beethoven, Mozart, Bartok.<br />
Innerhalb eines halben Jahres lernt das<br />
Kind sein Instrument, mit dem es eine<br />
lebens lange Liebesbeziehung eingehen wird,<br />
so gut, dass es einen Wettbewerb gewinnt.<br />
Anne-Sophies Eltern können die amtliche<br />
Schulkommission davon überzeugen: kein<br />
regulärer Schulbesuch für ihre Tochter,<br />
sondern Privatunterricht. Und dazu Geige,<br />
Klavier und viel, viel üben. Szenenwechsel,<br />
einige Jahre später bei den Salzburger<br />
Pfingstfestspielen 1977. Der Jahrhundert-Dirigent<br />
Herbert von Karajan ist bei der ersten<br />
Probe für Mozarts Violinkonzert in G-Dur –<br />
und der Maestro ist unzufrieden. Ständig kritisiert<br />
er das Orchester, zerlegt das Werk in<br />
seine Moleküle, um es besser zu verstehen,<br />
und fordert mehr Präzision, mehr Klarheit,<br />
mehr von allem. Lediglich bei den Solostellen,<br />
die ein 13-jähriges Mädchen namens<br />
Anne-Sophie Mutter spielt, nickt er nur.<br />
Schon vor einiger Zeit ist Karajan auf das<br />
Wunderkind und die mehrfache Siegerin des<br />
renommierten «Jugend musiziert»-Nachwuchswettbewerbs<br />
aufmerksam geworden<br />
und will sie als Solistin präsentieren. Er, der<br />
in Kindheit und Jugend kaum Förderung erfuhr<br />
und sich alles härtest selbst erarbeiten<br />
musste, hatte das unglaubliche Talent des<br />
Mädchens erkannt und sie unter seine Fittiche<br />
genommen. «Er hat mich nie vor dem<br />
Orchester kritisiert, sondern nach der Probe<br />
mit auf sein Zimmer genommen, um dort<br />
die Interpretation zu diskutieren. So hat er<br />
es auch in den folgenden 13 Jahren unserer<br />
Zusammenarbeit gehalten», erinnert sich<br />
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Mutter heute noch in Interviews glasklar an<br />
die Vorbereitungen zu jenem Konzert, das<br />
ihr in der internationalen Klassikszene den<br />
Durchbruch brachte.<br />
Und von diesem Moment an leistet sich<br />
Anne-Sophie Mutter keinen Patzer mehr. Aus<br />
dem biederen, leicht nerdigen Backfisch mit<br />
der Geige wurde dank sensationeller Konzerte<br />
und Einspielungen mit den Berliner<br />
Symphonikern unter Herbert von Karajan<br />
ein musikalischer Fixstern, der weit über<br />
die Grenzen des Klassikuniversums hinaus<br />
strahlt. Sie benahm sich trotz Jugend und Pubertät<br />
untadelig. Niemand nahm Anstoss an<br />
dem ungleichen Meister-Schülerin-Verhältnis,<br />
denn irgendwie war immer völlig klar:<br />
Hier ging es nicht einmal um Freundschaft,<br />
geschweige denn etwas Pikanteres. Zwischen<br />
Herbert von Karajan und Anne-Sophie<br />
Mutter ging es immer nur um die Musik, wie<br />
sie in einem Interview mit der «Frankfurter<br />
Allgemeinen Zeitung» glaubhaft betont:<br />
«Ich wäre nie auf die Idee gekommen, mit<br />
ihm befreundet sein zu wollen. Um Gottes<br />
willen, er war für mich immer eine Respektsperson,<br />
da schloss sich das irgendwie aus.<br />
Privat kannte ich ihn kaum.» Da ist sie also<br />
wieder, diese Distanz, die das Streben nach<br />
Perfek tion mit sich bringt. Nur einmal hat<br />
sie der alte Karajan überbrückt und ist im<br />
Sinne ihres Fortkommens persönlich geworden.<br />
Nämlich, als er ihr nach den ersten Konzerten<br />
und dem damit verbundenen Medieninteresse<br />
lapidar zuraunte: «Deine Kleider,<br />
mit denen musst du was machen!» So ging<br />
Anne-Sophie Mutter auch durch eine äussere<br />
Metamorphose. Das Kind ohne Kindheit<br />
streifte als letztes Überbleibsel seine textile<br />
Provinz ab und mauserte sich zur jungen Dame<br />
in Dior. <strong>Die</strong> musikalische Makellosigkeit<br />
hatte nun auch ihre visuelle Entsprechung<br />
gefunden, ohne dabei die hohe Kunst in die
BArtoK stAtt BArBie<br />
Als Fünfjähriger war Anne-sophie Mutter<br />
bereits klar, dass ihr Himmel in Zukunft<br />
voller Geigen hängen wird<br />
M A n n e - s o p H i e M u t t e r<br />
>>> pArtitur eines LeBens<br />
Geboren am 29. Juni 1963 in rheinfeld/<br />
baden, deutschland.<br />
© 1968 beginn mit Violinunterricht<br />
© 1969 sieg beim ersten wettbewerb<br />
© 1970 1. Preis als Geigerin beim bun-<br />
deswettbewerb «Jugend musiziert»<br />
© entbindung vom schulbesuch; Privat-<br />
unterricht<br />
© 1977 internationaler durchbruch bei<br />
den salzburger Pfingstfestspielen,<br />
gefördert von Herbert von Karajan<br />
© 1984 erste Platinschallplatte für<br />
Vivaldis «Vier Jahreszeiten» unter<br />
Herbert von Karajan<br />
© 1987 Gründung der rudolf-eberle-stif-<br />
tung zur Förderung junger streicher<br />
© 1989 Hochzeit mit dem Juristen detlef<br />
wunderlich<br />
© 1995 tod des ehemanns<br />
© 1997 europatournee mit brahms-<br />
Programm<br />
© 1997 Gründung der anne-sophie<br />
Mutter stiftung<br />
© 1998 welttournee mit beethoven-<br />
Programm<br />
© 2000 welttournee «Jahrhundertprojekt»<br />
mit Kompositionen des 20. Jahrhunderts<br />
© 2002 Heirat mit andré levin<br />
© 2003 soloprogramm «tango song and<br />
dance»<br />
© 2005 Grammy und echo-auszeich-<br />
nungen<br />
© 2006 scheidung von andré levin<br />
© 2007 uraufführung von «Violinkonzert<br />
nr. 2» von sofia Gubaidulina<br />
im lauf ihrer 35-jährigen künstlerischen<br />
laufbahn hat anne-sophie Mutter mehr<br />
als 70 alben bzw. cds für die deutsche<br />
Grammophon eingespielt und rund zwei<br />
dutzend höchstrangiger nationaler und<br />
internationaler auszeichnungen erhalten,<br />
vom Grammy bis zum französischen titel<br />
«ritter der ehrenlegion».<br />
anne-sophie Mutter hat zwei Kinder und<br />
lebt in München.<br />
Niederungen der Pin-up-Buntheit zu verschleppen,<br />
wie es später mit Popstar-Ruhm<br />
liebäugelnde Musikerinnen (wie etwa das<br />
sexy Streicherensemble Bond) auch durchaus<br />
erfolgreich ausprobiert haben.<br />
Seit 35 Jahren wird Anne-Sophie Mutter<br />
ihrem Ruf als Jahrhunderttalent und bedeutendste<br />
Interpretin ihres Instruments seit<br />
Yehudi Menuhin gerecht. Zur eleganten<br />
Erscheinung vom Scheitel bis zum Stöckelschuh<br />
kamen im Lauf der Zeit zwei aussergewöhnliche<br />
Instrumente. Mutter spielt<br />
vorzugsweise auf zwei Violinen des legendären<br />
Geigenbaumeisters Antonio Stradivari<br />
(1648–1737) – nur noch 143 seiner Violinen<br />
sind erhalten. Bei den Konzerten und Einspielungen,<br />
die sie vor Jahrzehnten mit und<br />
unter Karajan erarbeitete, strich sie vor allem<br />
die Saiten ihrer Emiliani (jede Stradivari<br />
hat ihren eigenen Namen), geschaffen um<br />
das Jahr 1703. Bei ihren heutigen Auftritten<br />
kommt meist Lord Dunn Raven aus dem<br />
Jahr 1710 auf die Bühne. Jedes der beiden<br />
wohlklingenden Meisterwerke des Musikinstrumentenbaus<br />
ist infolge der stetig<br />
gestiegenen Nachfrage rund 1,5 Millionen<br />
Euro wert. Mutter räumte immer ein, zu ihren<br />
Instrumenten eine inten sive emotionale<br />
Beziehung zu haben, vor allem zur Lord Dunn<br />
Raven. Zweimal jährlich reist das gute Stück,<br />
das auch den feinsten Ton zuverlässig in die<br />
letzte Reihe grösster Konzert säle schickt und<br />
dessen Klang mit warmem, flackerndem Kerzenlicht<br />
verglichen wird, zu einem Experten<br />
in Frankreich zur Regeneration. Bei Etienne<br />
Vatelot, einem Genie der Geige – allerdings<br />
nicht im Spiel, sondern in der Diagnose der<br />
Befindlichkeit von Holz, Lack, Feuchtigkeits-<br />
018 | diners club | switzerland /// 04_11 ///<br />
gehalt bzw. deren richtiger Behandlung –,<br />
wird das 300 Jahre alte Instrument wieder<br />
tourneefit gemacht. Das perfekte Werkzeug<br />
einer Geigengöttin hat das Recht auf ebensolchen<br />
Zustand.<br />
Zur Perfektion gehört auch eine Lebensplanung<br />
ohne Spitzkehren, in denen man<br />
ins Schleudern kommen könnte. Bereits mit<br />
15 Jahren, als sie ihre erste Stradivari bekam,<br />
nahm sich Anne-Sophie Mutter vor, sich, der<br />
Welt und auch ihrem Instrument das Auskühlen<br />
ihres glühenden Talents zu lauem<br />
Mittelmass zu ersparen und den richtigen<br />
Zeitpunkt für das Ende der Karriere – ein<br />
Wort, das sie jedoch im Zusammenhang mit<br />
Kunst strikt ablehnt, für sich also nicht gelten<br />
lässt – zu finden. Lange dachte sie an<br />
den 40. Geburtstag als idealen Moment für<br />
die letzte Verbeugung vor Publikum. Aber zur<br />
Perfektion gehört, dass sie keiner Abnutzung<br />
unterliegt. Auch dann nicht, wenn man fast<br />
alle Werke der einschlägigen klassischen Musik<br />
als Referenz für die Ewigkeit eingespielt<br />
hat, Werktreue nach langer, intensiver Befassung<br />
mit dem Stück inklusive. Für den<br />
schnellen, grellen Effekt war und ist sie nicht<br />
zu haben: «Etwas anders zu spielen, nur um<br />
anders zu sein, ist eine Art von Betrug.» So<br />
schmiss sie vor einigen Jahren nach den Proben<br />
zu Jean Sibelius’ Violinkonzert ein gross<br />
angekündigtes Konzert unter Meister Sergiu<br />
Celibidache, weil sie dessen Interpretationsbegehren<br />
als eine Aufforderung zum Selbstmord<br />
betrachtete.<br />
<strong>Die</strong> Werktreue ist es auch, aus der manche<br />
Kritiker ihre Pfeile schnitzen. Kritiker, die an<br />
ihrem Spiel nicht mehr auszusetzen finden<br />
als den Umstand, dass sie sich davon nicht<br />
© PicturedesK.coM, ullstein, zill, Flueeler, seeGer, PesKa / deutscHe GraMMoPHon<br />
erschüttert fühlen können. Was wiederum<br />
die Künstlerin nicht nur nicht erschüttert;<br />
solche Kritiken erreichen den Geigenolymp<br />
gar nicht. Sie mögen in ihre Richtung aufsteigen,<br />
zerplatzen aber wirkungslos, lange<br />
ehe sie ASM (so ihr offizielles Kürzel) tatsächlich<br />
erreichen. Vor der Abnutzung hat auch<br />
die rechtzeitige Entscheidung geschützt, die<br />
endlichen Weiten der klassischen Werke zeitweise<br />
zu verlassen und sich auch der zeitgenössischen<br />
E-Musik zuzuwenden. Komponisten<br />
wie Wolfgang Rihm oder Krzysztof<br />
Penderecki werden von ihr nicht nur gespielt<br />
und so einem breiten Publikum präsentiert –<br />
die von ihr geschaffene Anne-Sophie Mutter<br />
Stiftung fördert auch diese und viele andere<br />
musikalische Künstler der Gegenwart. Und<br />
das ist nur ein kleiner Ausschnitt ihres aussermusikalischen<br />
Wirkens: karitative Stiftungen,<br />
mindestens vier Konzerte für den<br />
guten Zweck pro Jahr, intensive Mitarbeit<br />
bei der Verbesserung des Musikunterrichts<br />
an deutschen Schulen.<br />
Fehlt da nicht etwas, zum Beispiel der<br />
Blick ins Privatleben? Das gibt es, aber seit<br />
35 Jahren sperrt Anne-Sophie Mutter dieses<br />
so konsequent weg wie ihre Stradivari nach<br />
dem Auftritt. Man weiss, dass sie in München<br />
lebt; eine Bildreportage über ihr Haus,<br />
ihren gediegenen Einrichtungsstil wäre der<br />
Vierzehnender für jeden «Schöner wohnen»-<br />
Redakteur. Wird es aber nicht spielen, zumindest<br />
nicht in diesem Leben. Mit 26 heiratete<br />
sie den Rechtsanwalt Detlef Wunderlich, der<br />
1995 starb. Futter für die Gesellschaftsbericht -<br />
erstattung hätte ihre darauf folgende kurze,<br />
aber intensive Ehe mit dem Musikerkollegen<br />
André Levin gebracht, der sie schon lange<br />
verehrte, ehe er sie 2002 heiraten durfte.<br />
Aber auch das Ende dieser Beziehung vier<br />
Jahre später hindert ihn nicht daran, von<br />
ihr öffentlich weiterzuschwärmen. Mit der<br />
Konsequenz, mit der sie den Bogen über die<br />
Saiten ihrer Geige streicht, spricht sie dennoch<br />
nicht über diesen Teil ihres Lebens.<br />
Mit charmantem, aber eisenhartem Lächeln<br />
stellt sie fest: «Ich halte meine Lebensweise<br />
für authentisch. Dass ich ungern über das<br />
Private spreche, ist eine Tatsache, von der ich<br />
möchte, dass sie akzeptiert wird.»<br />
Leichter tut sich die 48-jährige Ausnahmekünstlerin,<br />
über ihre ewige Punze, die Perfektion<br />
und den Superlativ, zu reflektieren. Und<br />
gibt preis, dass die Verknüpfung ihrer Person<br />
mit Perfektion nur mit einem zu tun habe,<br />
nämlich einem Defizit an Vorstellungsvermögen:<br />
«Es liegt an der mangelnden Fantasie<br />
jener Menschen, die über mich urteilen.<br />
Niemand ahnt, wie weit mein Abstand zur<br />
Perfektion noch ist. Monet hat 40 Jahre mit<br />
Nympheas zugebracht, ich ringe schon seit<br />
40 Jahren mit Mozart. Angekommen bin ich<br />
nicht.» Eigentlich könne sie sonst nichts, stapelt<br />
sie überzeugend tief, nur Geige spielen.<br />
Und sie habe noch viel, viel Weg durch karges<br />
Land vor sich: «<strong>Die</strong> Vollendung ist eine Fata<br />
Morgana, die mich durchhalten lässt auf dem<br />
Weg durch die Wüste.» Der führt manchmal<br />
auch durch ungewohntes Gebiet. Erst Anfang<br />
Oktober gastierte Anne-Sophie Mutter nicht<br />
im Konzertsaal, sondern im Fernsehstudio<br />
bei Talk-Grandseigneur Harald Schmidt.<br />
Gemeinsam spielten sie George Gershwins<br />
«Summertime»; Schmidt begleitete sie am<br />
Klavier. Und was soll man sagen – auch an<br />
der Seite von «Dirty Harry» war ASM perfekt.<br />
/// 04_11 /// switzerland | diners club | 019<br />
seLBst und BiLd<br />
Anne-sophie Mutter sagt, dass niemand ahnt,<br />
wie weit ihr Abstand von der perfektion wirklich<br />
ist. stimmt, dass ahnt wirklich niemand<br />
M A s M s p e c i A L<br />
>>> tonAnGeBend<br />
<strong>Die</strong> ultimative CD-Box: ASM 35 The<br />
Complete Musician – Digital Edition:<br />
am 23. august 2011 feierte anne-sophie<br />
Mutter ihr 35-jähriges Bühnenjubiläum.<br />
zur Feier dieses ereignisses ehrt die<br />
deutsche Grammophon die Künstlerin mit<br />
einer in limitierter auflage erscheinenden<br />
de-luxe-Box mit 40 cds, die ihre gesam-<br />
ten dG-aufnahmen von 1978 bis 2010<br />
enthält, gestaltet in Mini-lP-Hüllen mit<br />
original-cover. die edition bietet über<br />
40 stunden Musik: sämtliche aufnahmen<br />
der Geigerin mit Karajan (1978–1988),<br />
ihr überaus erfolgreiches album «carmen<br />
Fantasy», ihre vier mit einem Grammy®<br />
aus gezeichneten aufnahmen, darunter die<br />
Gesamteinspielung der beethoven-sona-<br />
ten, ihre meisterhafte interpretation von<br />
Mozarts Konzerten, sonaten und Klavier-<br />
trios aus dem Jahr 2006, zeitgenössische<br />
Kompositionen, die ihr von Henri dutilleux,<br />
sofia Gubaidulina, witold lutosławski,<br />
norbert Moret, Krzysztof Penderecki,<br />
andré Previn und wolfgang rihm gewidmet<br />
wurden, und vieles mehr.<br />
darin enthalten sind zwei Bonus-cds<br />
mit seltenen und bislang unveröffentlichten<br />
aufnahmen: das Lutosławski-<br />
Gedächtniskonzert in Warschau (1994),<br />
ein recital mit lambert orkis (1995) und<br />
eine aufnahme der elfjährigen Geigerin,<br />
die solowerke von prokofjew spielt<br />
(1974). um den exklusiven charakter zu<br />
unterstreichen, sind die 6’500 exemplare<br />
dieser limitierten Auflage nummeriert –<br />
und anne-sophie Mutter hat die ersten<br />
400 bücher signiert.