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Quantenoptik

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<strong>Quantenoptik</strong><br />

Dirk–Gunnar Welsch


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Feldquantisierung 7<br />

1.1 Kanonische Feldquantisierung . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

1.2 Das freie elektromagnetische Feld . . . . . . . . . . . . 16<br />

1.3 Lineare Hintergrundmedien . . . . . . . . ....... 35<br />

1.4 Wechselwirkung mit atomaren Systemen . . . . . . . . 42<br />

2 Quantenzustände 57<br />

2.1 Fock-Zustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57<br />

2.2 Glauber-Zustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />

2.3 Gequetschte Zustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74<br />

2.4 Feldstärkezustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />

2.5 Phasenzustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94<br />

3 Phasenraumfunktionen 103<br />

3.1 P -, W -undQ-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 105<br />

3.2 s-parametrisierte Phasenraumfunktionen . ....... 109<br />

3.3 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117<br />

4 Photodetektion 121<br />

4.1 Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121<br />

4.2 Übergangswahrscheinlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . 124<br />

4.3 Photoelektronenverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . 127<br />

4.4 Photoelektronen- und Photonenstatistik . . . . . . . . 135<br />

5 Optische 4-Kanal-Systeme 141<br />

5.1 Klassische Grundgleichungen . . . . . . . . ....... 141<br />

5.2 Quantenmechanische Grundgleichungen . . ....... 143<br />

5.3 Operator- und Zustandstransformation . . . . . . . . . 146<br />

3


4 INHALTSVERZEICHNIS<br />

5.4 Phasenraumfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150<br />

5.5 Spezielle Zustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151<br />

5.6 Verlustbehaftete Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . 157<br />

6 Quantenzustandsmessung 163<br />

6.1 Phasenempfindliche Messungen . . . . . . . ...... 166<br />

6.1.1 Statistik verschobener Fock-Zustände . . . . . . 166<br />

6.1.2 Feldstärkestatistik . . . . . . . . . . . . . . . . 169<br />

6.1.3 Phasenraumfunktionen . . . . . . . . . . . . . . 174<br />

6.2 Quantenzustandsrekonstruktion . . . . . . . . . . . . . 180<br />

6.2.1 Punktweise Rekonstruktion im Phasenraum . . 180<br />

6.2.2 Tomographische Rekonstruktion der Wigner-<br />

Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182<br />

6.2.3 Dichtematrix in einer Feldstärkebasis . . . . . . 187<br />

6.2.4 Dichtematrix in der Fock-Basis . . . ...... 193<br />

6.2.5 Quantenphase . . . ................ 201<br />

7 Quantenkohärenz 209<br />

7.1 Verschränkte Zustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210<br />

7.2 No-Cloning-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215<br />

7.3 EPR-Paradoxon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217<br />

7.4 Bellsche Ungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223<br />

7.5 Quantenkryptographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229<br />

7.6 Quantenteleportation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238<br />

7.7 Quantencomputer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252<br />

8 Fundamentale Quanteneffekte 261<br />

8.1 Hamilton-Operator . . . . ................ 262<br />

8.2 Spontane Emission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264<br />

8.2.1 Schwache Atom-Feld-Kopplung . . . . . . . . . 267<br />

8.2.2 Starke Atom-Feld-Kopplung . . . . . . . . . . . 279<br />

8.3 Das Jaynes-Cummings-Modell . . . . . . . . . . . . . . 284<br />

8.3.1 Collapse und Revival . . . . . . . . . . . . . . . 289<br />

8.3.2 Photonenstatistik . . . . . . . . . . . . . . . . . 296<br />

8.4 Der Mikromaser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298<br />

8.5 Resonanzfluoreszenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302<br />

8.5.1 Quellenmäßige Darstellung von Ê(r) . . . . . . 303


INHALTSVERZEICHNIS 5<br />

8.5.2 Bloch-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 306<br />

8.5.3 Intensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308<br />

8.5.4 Intensitätskorrelation . . . . . . . . . . . . . . . 311<br />

8.5.5 Squeezing . . . . ................. 314<br />

8.6 Casimir-Polder-Kräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316<br />

8.6.1 Kraft auf ein Atom . . . . . . . . . . . . . . . . 318<br />

8.6.2 Kraft auf einen makroskopischen Körper . . . . 324


6 INHALTSVERZEICHNIS


Die ganzen 50 Jahre bewußter Grübelei<br />

haben mich der Antwort der Frage<br />

Was sind Lichtquanten?“ nicht näher<br />

”<br />

gebracht. Heute glaubt zwar jeder Lump,<br />

er wisse es, aber er täuscht sich.<br />

Albert Einstein (1951)<br />

Kapitel 1<br />

Quantisierung des<br />

elektromagnetischen<br />

Feldes<br />

1.1 Kanonische Feldquantisierung<br />

Wir wollen die wesentlichen Gesichtspunkte am Beispiel eines reellen<br />

(physikalisch meßbaren), skalaren Feldes ψ(r,t)erörtern, und zwar im<br />

Vergleich mit und in Analogie zu der Punktmechanik.<br />

Punktmechanik:<br />

An die Spitze eines abgeschlossenen Systems kann eine Lagrange-Funktion<br />

L = L(q α , ˙q α ) (1.1)<br />

gestellt werden, und das Hamilton-Prinzip<br />

δ<br />

∫ t2<br />

t 1<br />

dtL=0, δq α (t 1 )=δq α (t 2 )=0 (1.2)<br />

liefert als Bewegungsgleichungen für die Koordinaten q α (t) dieLagrange-Gleichungen<br />

d ∂L<br />

− ∂L =0 (1.3)<br />

dt ∂ ˙q α ∂q α<br />

(α =1, 2,...,f). Falls das betrachtete System nicht abgeschlossen ist<br />

und von außen zeitlich kontrollierbar ist, kann die Lagrange-Funktion<br />

auch explizit von der Zeit abhängen, L = L(q α , ˙q α ,t).<br />

7


8 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

Feldtheorie:<br />

Das (reelle) Feld ψ(r,t)alsFunktionderkontinuierlichenOrtsvariablen<br />

kann gewissermaßen als kontinuierlicher Grenzfall eines Systems mit<br />

(nicht abzählbar) unendlich vielen Koordinaten aufgefaßt werden. Wegen<br />

des Kontinuums von Koordinaten ist es zweckmäßig, eine Lagrange-<br />

Dichte L einzuführen, die von ψ und ˙ψ abhängt, aber auch (im Gegensatz<br />

zum diskreten Fall) von Ableitungen der Feldfunktion abhängen<br />

kann. Wir wollen annehmen, daß L noch von den ersten räumlichen<br />

Ableitungen abhängt, d.h. von ∂ k ψ ≡ ψ ,k ≡ ∂ψ/∂x k ,<br />

L = L(ψ, ψ ,k , ˙ψ). (1.4)<br />

Solange die Feldgleichungen Differentialgleichungen höchstens zweiter<br />

Ordnung sind, brauchen Ableitungen höherer als erster Ordnung in der<br />

Lagrange-Dichte nicht berücksichtigt werden. Mit der Lagrange-Dichte<br />

kann dann eine Lagrange-Funktion, genauer ein Lagrange-Funktional<br />

∫<br />

L =<br />

d 3 r L(ψ, ψ ,k , ˙ψ) (1.5)<br />

definiert und ein Hamilton-Prinzip formuliert werden:<br />

δ<br />

∫ t2<br />

t 1<br />

dtL= δ<br />

=<br />

∫ t2<br />

t 1<br />

∫ t2<br />

t 1<br />

∫<br />

dt<br />

∫<br />

dt<br />

d 3 r L(ψ, ψ ,k , ˙ψ)<br />

d 3 r δL(ψ, ψ ,k , ˙ψ) =0, (1.6)<br />

δψ(r,t 1 )=δψ(r,t 2 )=0. (1.7)<br />

Wir führen die Variation von L aus und finden zunächst<br />

δL = ∂L ∂L<br />

δψ + δψ ,k + ∂L<br />

∂ψ ∂ψ ,k ∂ ˙ψ δ ˙ψ (1.8)<br />

(über doppelt auftretende Vektorindizes ist zu summieren). Wir formen


1.1. KANONISCHE FELDQUANTISIERUNG 9<br />

(1.8) etwas um,<br />

δL = ∂L ∂L ∂δψ<br />

δψ + + ∂L ∂δψ<br />

∂ψ ∂ψ ,k ∂x k ∂ ˙ψ ∂t<br />

[ ∂L<br />

=<br />

∂ψ − ∂ ∂L<br />

− ∂ ]<br />

∂L<br />

∂x k ∂ψ ,k ∂t ∂ ˙ψ<br />

δψ<br />

+ ∂ ( ) ∂L<br />

δψ + ∂ ( ) ∂L<br />

∂x k ∂ψ ,k ∂t ∂ ˙ψ δψ . (1.9)<br />

Wir setzen (1.9) in (1.6) ein. Das erste Glied in der letzten Zeile von<br />

(1.9) ist eine Vektordivergenz und liefert wegen des Gaußschen Satzes<br />

(und der Randbedingung im Unendlichen) keinen Beitrag. Das zweite<br />

Glied in der letzten Zeile von (1.9) liefert ebenfalls keinen Beitrag wegen<br />

den Variationsbedingungen (1.7). Wir erhalten also<br />

∫ t2<br />

t 1<br />

∫<br />

dt<br />

d 3 r<br />

[ ∂L<br />

∂ψ −<br />

− ∂ ]<br />

∂L<br />

∂ψ ,k ∂t ∂ ˙ψ<br />

δψ =0. (1.10)<br />

∂ ∂L<br />

∂x k<br />

Da δψ beliebig ist, muß<br />

∂L<br />

∂ψ −<br />

∂ ∂L<br />

∂x k<br />

− ∂ ∂L<br />

=0 (1.11)<br />

∂ψ ,k ∂t ∂ ˙ψ<br />

gelten. Die Feldgleichung (1.11) stellt offensichtlich das Analogon zu<br />

den Bewegungsgleichungen (Lagrange-Gleichungen) für die Koordinaten<br />

q α des diskreten Systems dar.<br />

Die Analogie zwischen Punktmechanik und Feldtheorie kann noch<br />

weiter getrieben werden, wenn man L anstelle von L betrachtet. In der<br />

Punktmechanik ist L = L(q α , ˙q α )eineFunktionderKoordinatenund<br />

der zeitlichen Ableitungen der Koordinaten (Geschwindigkeiten). In


10 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

der Feldtheorie kann gemäß (1.5) L = L[ψ(r), ˙ψ(r)] als ein Funktional<br />

der Feldgröße und ihrer zeitlichen Ableitung aufgefaßt werden. 1 Die<br />

partiellen Ableitungen in der Punktmechanik sind bekanntlich gemäß<br />

∂L 1<br />

=lim<br />

∂q α ɛ→0 ɛ [L(q α ′+ɛδ αα ′, ˙q α ′) − L(q α ′, ˙q α ′)] (1.12)<br />

definiert. In Verallgemeinerung von (1.12) können Funktionalableitungen<br />

in der Feldtheorie definiert werden,<br />

δL<br />

δψ(r) =lim 1<br />

{ [<br />

L ψ(r ′ )+ɛδ(r−r ′ ),<br />

ɛ→0 ɛ<br />

˙ψ(r<br />

] [<br />

′ ) − L ψ(r ′ ), ˙ψ(r<br />

]}<br />

′ ) ,<br />

(1.13)<br />

d.h., das Kronecker-Symbol wird durch die δ-Funktion ersetzt [δ(r) ≡<br />

δ(x)δ(y)δ(z)]. Die Feldgleichung (1.11) kann dann mittels der Funktionalableitungen<br />

in völliger Analogie zu (1.3) in der Form<br />

δL<br />

δψ − ∂ δL<br />

=0 (1.14)<br />

∂t δ ˙ψ<br />

geschrieben werden. Wie der Vergleich von (1.14) mit (1.11) zeigt,<br />

müssen die Relationen<br />

δL ∂L<br />

=<br />

δ ˙ψ ∂ ˙ψ<br />

(1.15)<br />

und<br />

δL<br />

δψ = ∂L<br />

∂ψ −<br />

∂ ∂L<br />

(1.16)<br />

∂x k ∂ψ ,k<br />

gelten. Es genügt offensichtlich, die Gültigkeit der Relation (1.16) zu<br />

zeigen; die Relation (1.15) ergibt sich als die einfachere als Spezialfall.<br />

1 Das hier nicht interessierende Zeitargument von ψ ist der Bequemlichkeit halber weggelassen.


1.1. KANONISCHE FELDQUANTISIERUNG 11<br />

Für ɛ → 0gilt<br />

[<br />

L ψ(r ′ )+ɛδ(r−r ′ ), ˙ψ(r<br />

]<br />

′ )<br />

∫ [<br />

= d 3 r ′ L ψ(r ′ )+ɛδ(r−r ′ ), ψ ,k (r ′ )+ɛ ∂<br />

∫<br />

=<br />

[<br />

d 3 r ′ L ψ(r ′ ), ψ ,k (r ′ ), ˙ψ(r<br />

]<br />

′ )<br />

∫<br />

+ ɛ<br />

[<br />

= L ψ(r ′ ), ˙ψ(r ′ )<br />

∫<br />

+ ɛ<br />

[ ∂L<br />

d 3 r ′ ∂ψ(r ′ ) δ(r−r′ )+<br />

]<br />

[ ∂L<br />

d 3 r ′ ∂ψ(r ′ ) −<br />

[<br />

= L ψ(r ′ ), ˙ψ(r<br />

]<br />

′ )<br />

+ ɛ<br />

∂<br />

∂x ′ k<br />

[ ∂L<br />

∂ψ(r) −<br />

woraus mit (1.13) sofort (1.16) folgt.<br />

Anmerkung<br />

∂x ′ k<br />

∂L<br />

∂ψ ,k (r ′ )<br />

]<br />

δ(r−r ′ ), ˙ψ(r ′ )<br />

∂<br />

∂x ′ k<br />

]<br />

∂L<br />

δ(r−r ′ )<br />

∂ψ ,k (r ′ )<br />

∂<br />

∂x k<br />

∂L<br />

∂ψ ,k (r)<br />

]<br />

δ(r−r ′ )<br />

]<br />

, (1.17)<br />

Mit Hilfe der Funktionalableitungen kann die Feldgleichung (1.14)<br />

natürlich auch direkt aus dem Hamilton-Prinzip hergeleitet werden:<br />

δ<br />

∫ t2<br />

t 1<br />

=<br />

=<br />

=<br />

=<br />

dtL=<br />

∫ t2<br />

t 1<br />

∫ t2<br />

t 1<br />

∫ t2<br />

t 1<br />

∫ t2<br />

t 1<br />

∫<br />

dt<br />

∫<br />

dt<br />

∫<br />

dt<br />

∫<br />

dt<br />

∫ t2<br />

t 1<br />

dt δL<br />

( )<br />

δL<br />

d 3 δL<br />

r δψ + δ ˙ψ<br />

δψ δ ˙ψ<br />

( )<br />

δL<br />

d 3 δL ∂δψ<br />

r δψ +<br />

δψ δ ˙ψ ∂t<br />

[( δL<br />

d 3 r<br />

δψ − ∂ δL<br />

∂t δ ˙ψ<br />

( δL<br />

d 3 r<br />

δψ − ∂ δL<br />

∂t δ ˙ψ<br />

)<br />

δψ + ∂ ∂t<br />

( δL<br />

δ ˙ψ δψ )]<br />

)<br />

δψ =0, (1.18)


12 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

woraus mit der üblichen Argumentation sofort (1.14) folgt.<br />

In der Punktmechanik werden die zu den q α kanonisch konjugierten<br />

Variablen p α als<br />

p α = ∂L<br />

∂ ˙q α<br />

(1.19)<br />

eingeführt. Damit kann die Hamilton-Funktion<br />

H = ∑ α<br />

p α ˙q α − L (1.20)<br />

des Systems als Funktion der q α und p α konstruiert werden. Analog<br />

kann in der Feldtheorie das zu ψ(r) kanonischkonjugierteFeldπ(r)<br />

definiert werden,<br />

π = δL ∂L<br />

= ,<br />

δ ˙ψ ∂ ˙ψ<br />

(1.21)<br />

und es kann die Hamilton-Funktion<br />

∫<br />

H = d 3 r H (1.22)<br />

konstruiert werden, wobei die Hamilton-Dichte<br />

H = π ˙ψ − L (1.23)<br />

als eine Funktion von ψ(r) undπ(r) aufzufassenist.DieHamilton-<br />

Funktion ist dann als ein Funktional von ψ und π aufzufassen, H =<br />

H[ψ(r), π(r)], und es gilt<br />

∫<br />

δH =<br />

d 3 r<br />

( δH<br />

δψ<br />

δψ +<br />

δH<br />

δπ δπ )<br />

. (1.24)<br />

Andererseits haben wir<br />

∫<br />

δL =<br />

∫<br />

=<br />

∫<br />

=<br />

( )<br />

δL<br />

d 3 δL<br />

r δψ + δ ˙ψ<br />

δψ δ ˙ψ<br />

(<br />

d 3 r ˙πδψ+ πδ ˙ψ<br />

)<br />

d 3 r<br />

[<br />

˙πδψ+ δ(π ˙ψ) − ˙ψδπ<br />

]<br />

, (1.25)


1.1. KANONISCHE FELDQUANTISIERUNG 13<br />

d.h.<br />

∫<br />

δH = δ<br />

∫<br />

=<br />

d 3 r π ˙ψ − δL<br />

d 3 r<br />

(<br />

− ˙πδψ+ ˙ψδπ<br />

)<br />

, (1.26)<br />

und der Vergleich mit (1.24) liefert die Hamilton-Gleichungen für die<br />

Felder ψ und π:<br />

wobei gemäß (1.16)<br />

δH<br />

δψ<br />

= − ˙π, (1.27)<br />

δH<br />

δπ = ˙ψ, (1.28)<br />

δH<br />

δψ = ∂H<br />

∂ψ −<br />

δH<br />

δπ = ∂H<br />

∂π −<br />

∂<br />

∂x k<br />

∂H<br />

∂ψ ,k<br />

, (1.29)<br />

∂ ∂H<br />

∂x k ∂π ,k<br />

= ∂H<br />

∂π<br />

(1.30)<br />

gilt.<br />

Mit (1.27) und (1.28) ergibt sich für die zeitliche Änderung einer<br />

beliebigen [als Funktional F = F [ψ(r), π(r)] analog zum Hamilton-<br />

Funktional (1.22) definierten] Größe<br />

˙ F =<br />

∫<br />

∫<br />

=<br />

( δF<br />

d 3 r<br />

δψ ˙ψ + δF )<br />

δπ ˙π<br />

( δF<br />

d 3 δH<br />

r<br />

δψ δπ − δF<br />

δπ<br />

)<br />

δH<br />

δψ<br />

≡ {F, H} , (1.31)<br />

wobei die Poisson-Klammer {F, G} zweier Größen F und G als Funktional<br />

von ψ(r) undπ(r) invölliger Analogie zur Punktmechanik definiert<br />

ist,<br />

∫<br />

{F, G} =<br />

d 3 r<br />

( δF<br />

δψ<br />

δG<br />

δπ − δF<br />

δπ<br />

)<br />

δG<br />

. (1.32)<br />

δψ


14 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

Insbesondere gilt in Analogie zu der aus der Punktmechanik bekannten<br />

Relation<br />

{q α ,p α ′} = δ αα<br />

′ (1.33)<br />

für die kanonisch konjugierten Felder ψ und π<br />

{ψ(r), π(r ′ )} = δ(r−r ′ ) . (1.34)<br />

Zum Beweis stellen wir ψ und π in der Form<br />

∫<br />

ψ(r) = d 3 r ′ ψ(r ′ ) δ(r−r ′ ) , (1.35)<br />

∫<br />

π(r) =<br />

d 3 r ′ π(r ′ ) δ(r−r ′ ) (1.36)<br />

dar, woraus ersichtlich ist, daß<br />

ist und folglich<br />

δψ(r)<br />

δψ(r ′ ) = δ(r−r′ ) ,<br />

δπ(r)<br />

δπ(r ′ ) = δ(r−r′ ) ,<br />

δψ(r)<br />

δπ(r ′ )<br />

δπ(r)<br />

δψ(r ′ )<br />

=0, (1.37)<br />

=0 (1.38)<br />

{ψ(r), π(r ′ )}<br />

∫ [ δψ(r)<br />

= d 3 r ′′ δπ(r ′ )<br />

δψ(r ′′ ) δπ(r ′′ ) − δψ(r) δπ(r ′ ]<br />

)<br />

δπ(r ′′ ) δψ(r ′′ )<br />

∫<br />

= d 3 r ′′ δ(r−r ′′ ) δ(r ′ −r ′′ )=δ(r−r ′ ) (1.39)<br />

gilt.<br />

Sind die q α und p α kanonisch konjugierte Variablen mit kontinuierlichem,<br />

nicht eingeschränktem reellen Wertebereich, dann kann der Übergang<br />

zur Quantentheorie in der Weise erfolgen, daß q α und p α durch<br />

hermitesche Operatoren ˆq α und ˆp α ersetzt werden und die Poisson-<br />

Klammern in mit (i) −1 multiplizierte Kommutatoren übergehen (kanonische<br />

Quantisierung):<br />

q α ,p α ↦→ ˆq α , ˆp α (1.40)


1.1. KANONISCHE FELDQUANTISIERUNG 15<br />

mit<br />

[ˆq α , ˆp α ′]=i δ αα ′, (1.41)<br />

[ˆq α , ˆq α ′]=[ˆp α , ˆp α ′]=0. (1.42)<br />

Wenden wir das kanonische Quantisierungskonzept auf die betrachtete<br />

Feldtheorie an, so haben wir die klassischen, reellen Felder ψ und π<br />

durch hermitesche Feldoperatoren zu ersetzen,<br />

ψ(r), π(r) ↦→ ˆψ(r), ˆπ(r) (1.43)<br />

die den (gleichzeitigen) Vertauschungsrelationen<br />

[<br />

ˆψ(r), ˆπ(r )]<br />

′ = i δ(r−r ′ ) (1.44)<br />

[<br />

ˆψ(r), ˆψ(r ′ )]<br />

=[ˆπ(r), ˆπ(r ′ )] = 0 (1.45)<br />

genügen. Die Hamilton-Dichte H und die Hamilton-Funktion H gehen<br />

in die entsprechenden Operatoren Ĥ und Ĥ über, und die Feldgleichungen<br />

im Heisenberg-Bild folgen aus<br />

˙ˆF = 1 [ ˆF, Ĥ ] , (1.46)<br />

i<br />

d.h. speziell<br />

˙ˆψ = 1 [ ˆψ, Ĥ ] = δĤ<br />

i δˆπ , (1.47)<br />

˙ˆπ = 1<br />

i<br />

[ˆπ, Ĥ ] = − δĤ . (1.48)<br />

δ ˆψ


16 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

1.2 Das freie elektromagnetische Feld<br />

Wir wollen das Konzept auf das freie elektromagnetische Feld (Strahlungsfeld)<br />

anwenden und beginnen mit den Maxwell-Gleichungen<br />

∇ · B =0, ∇ × E = −Ḃ, (1.49)<br />

∇ · E =0, ∇ × B = 1 Ė. (1.50)<br />

c2 Die Gleichungen werden üblicherweise mittels Potentialansatz gelöst,<br />

B = ∇ × A, (1.51)<br />

E = −Ȧ − ∇ϕ. (1.52)<br />

Damit sind die Gleichungen (1.49) erfüllt, und die Gleichungen (1.50)<br />

liefern<br />

∇ × ∇ × A + 1 c ∇ ˙ϕ + 1 Ä =0, (1.53)<br />

2 c2 bzw.<br />

∆ϕ + ∇ · Ȧ =0 (1.54)<br />

∇<br />

(∇ · A + 1 )<br />

c ˙ϕ − ∆A + 1 Ä =0, (1.55)<br />

2 c2 ∂<br />

(∇ · A + 1 )<br />

∂t c ˙ϕ + ∆ϕ − 1 ¨ϕ =0. (1.56)<br />

2 c2 Lorentz-Eichung:<br />

∇ · A + 1 ˙ϕ =0, (1.57)<br />

c2 ∆A − 1 Ä =0, (1.58)<br />

c2 ∆ϕ − 1 ¨ϕ =0. (1.59)<br />

c2 Coulomb-Eichung:<br />

∇ · A =0, (1.60)<br />

∆A − 1 Ä =0 (1.61)<br />

c2


1.2. DAS FREIE ELEKTROMAGNETISCHE FELD 17<br />

∆ϕ =0 ❀ ϕ =0. (1.62)<br />

Wir wollen im weiteren die Coulomb-Eichung verwenden, so daß als<br />

Feldgleichung die Wellengleichung (1.61) für das Vektorpotential verbleibt,<br />

aus dem dann das elektrische und das magnetische Feld gemäß<br />

B = ∇ × A, E = −Ȧ (1.63)<br />

folgen. Die Wellengleichung (1.61) kann aus der Lagrange-Dichte<br />

L = 1 2<br />

(ε 0 E 2 − 1 µ 0<br />

B 2 )<br />

= 1 2<br />

[ε 0 Ȧ 2 − 1 µ 0<br />

(∇ × A) 2 ]<br />

(1.64)<br />

bzw. des entsprechenden Lagrange-Funktionals<br />

∫<br />

L =<br />

d 3 r L = 1 2<br />

∫<br />

d 3 r<br />

[ε 0 Ȧ 2 − 1 µ 0<br />

(∇ × A) 2 ]<br />

(1.65)<br />

abgeleitet werden. Mit<br />

(∇ × A) 2 = ɛ kij ɛ kln A j,i A n,l<br />

=(δ il δ jn − δ in δ jl ) A j,i A n,l<br />

= A 2 j,l − A j,nA n,j<br />

= A 2 j,l − (A jA n,j ) ,n<br />

+ A j A n,n,j (1.66)<br />

(ɛ kij -Levi-Civita-Tensor)kanndieLagrange-Funktion(1.65)inder<br />

Form<br />

∫ (<br />

L = 1 d 3 r ε<br />

2<br />

0 A˙<br />

2 k − 1 )<br />

A 2 k,l<br />

(1.67)<br />

µ 0<br />

aufgeschrieben werden. Das zweite Glied in (1.66) liefert keinen Beitrag<br />

zum (Volumen-)Integral in (1.65), da eseineVektordivergenzdarstellt<br />

und in ein Oberflächenintegral im Unendlichen umgewandelt werden<br />

kann (Gaußscher Satz plus Randbedingung im Unendlichen), und das


18 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

dritte Glied in (1.66) liefert wegen der Coulomb-Eichung keinen Beitrag.<br />

Wir bilden die Funktionalableitungen<br />

und finden, daß die Lagrange-Gleichungen<br />

δL<br />

δA ˙ = ε 0 A˙<br />

k , (1.68)<br />

k<br />

δL<br />

δA k<br />

= 1 µ 0<br />

A k,l,l (1.69)<br />

δL<br />

δA k<br />

− ∂ ∂t<br />

δL<br />

δ ˙ A k<br />

=0 (1.70)<br />

auf<br />

bzw.<br />

1<br />

µ 0<br />

A k,l,l − ε 0 Ä k =0 (1.71)<br />

A k,l,l − 1 c 2 Äk =0 (1.72)<br />

führen, wobei natürlich noch zu beachten ist, daß nur solche Lösungen<br />

der Wellengleichung (1.72) zulässig sind, die der Coulomb-<br />

Eichbedingung genügen, A k,k =0. Die Lagrange-Gleichungen (1.72)<br />

liefern also genau die Wellengleichung (1.61), und somit kann (1.67)<br />

tatsächlich als Lagrange-Funktion des Strahlungsfeldes angesehen werden.<br />

2 Die zu den A k kanonisch konjugierten Felder Π k ergeben sich als:<br />

Π k = δL<br />

δA ˙ = ε 0 A˙<br />

k = −ε 0 E k (1.73)<br />

k<br />

Damit können wir nun die Hamilton-Funktion des Strahlungsfeldes<br />

2 Der Lagrange-Formalismus kann natürlich auch angewendet werden, ohne eine spezielle Eichung<br />

zu verwenden. Das Ergebnis sind die Potentialgleichungen (1.53) und (1.54), die den Feldgleichungen<br />

(1.50) entsprechen.


1.2. DAS FREIE ELEKTROMAGNETISCHE FELD 19<br />

konstruieren,<br />

∫<br />

H =<br />

∫<br />

=<br />

d 3 r Π k ˙ A k − L<br />

d 3 r<br />

(<br />

Π k A˙<br />

k − ε 0<br />

2 Ȧ2 k + 1 )<br />

A 2 k,l , (1.74)<br />

2µ 0<br />

so daß mit (1.73)<br />

H = 1 2<br />

∫<br />

d 3 r<br />

( 1<br />

ε 0<br />

Π 2 k + 1 µ 0<br />

A 2 k,l<br />

)<br />

(1.75)<br />

bzw. [unter Berücksichtigung von (1.66)]<br />

H = 1 2<br />

∫<br />

[ 1<br />

d 3 r Π 2 + 1 ]<br />

(∇ × A) 2<br />

ε 0 µ 0<br />

(1.76)<br />

folgt. Gehen wir in (1.75) wieder zu den elektromagnetischen Feldern<br />

über, so ist unschwer zu sehen, daß die Hamilton-Funktion erwartungsgemäß<br />

die Energie des Strahlungsfeldes darstellt:<br />

H = 1 2<br />

∫<br />

d 3 r<br />

(<br />

ε 0 E 2 k + 1 µ 0<br />

B 2 k<br />

Aus (1.75) folgen die kanonischen Gleichungen als<br />

)<br />

. (1.77)<br />

A˙<br />

k = δH = 1 Π k , (1.78)<br />

δΠ k ε 0<br />

˙Π k = − δH<br />

δA k<br />

= 1 µ 0<br />

A k,l,l . (1.79)<br />

Differentiation von (1.78) nach der Zeit und Elimination von ˙Π k liefert<br />

natürlich genau die Feldgleichungen (1.72).<br />

Hinsichtlich der Poisson-Klammer von A k (r) undΠ k ′(r ′ )könnte<br />

man zunächst denken, daß<br />

{A k (r), Π k ′(r ′ )} = δ kk<br />

′ δ(r−r ′ ) (falsch!) (1.80)


20 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

gilt. Dies kann jedoch auf Grund der Coulomb-Eichung A k,k = Π k,k =0<br />

nicht der Fall sein. Auf der rechten Seite von (1.80) muß die sogenannte<br />

transversale (tensorwertige) δ-Funktion stehen, die ebenfalls der<br />

Coulomb-Eichung (auch Transversalitätsbedingung genannt) genügt,<br />

{A k (r), Π k ′(r ′ )} = δ ⊥ kk ′(r−r′ ) (richtig!). (1.81)<br />

Die transversale δ-Funktion δ ⊥ kk ′ (r−r ′ )istimeinzelnenfolgendermaßen<br />

definiert:<br />

(a) Wenn f k (r) zu dem Raum der transversalen Vektorfunktionen<br />

gehört, d.h. f k,k (r)=0, dann soll<br />

∫<br />

d 3 r ′ δ ⊥ kk ′(r−r′ ) f k ′(r ′ )=f k (r) (1.82)<br />

gelten, d.h., im Hinblick auf transversale Tensorfunktionen ist<br />

die Wirkung der transversalen δ-Funktion die gleiche wie die der<br />

üblichen (tensorwertigen) δ-Funktion δ kk ′δ(r−r ′ ).<br />

(b) Wenn eine Vektorfunktion g k (r) nichtzumRaumdertransversalen<br />

Vektorfunktionen gehört, dann soll<br />

∫<br />

d 3 r ′ δkk ⊥ ′(r−r′ ) g k ′(r ′ )=gk ⊥ (r) (1.83)<br />

gerade die Projektion von g k (r) auf diesen Raum sein, d.h.<br />

g ⊥ k,k (r)=0.<br />

(c) Die transversale δ-Funktion ist symmetrisch,<br />

Offensichtlich gilt<br />

∂<br />

∂x k<br />

δ ⊥ kk ′(r−r′ )=<br />

δ ⊥ kk ′(r−r′ )=δ ⊥ k ′ k (r′ −r) . (1.84)<br />

∂<br />

∂x ′ k ′ δ ⊥ kk ′(r−r′ )=0. (1.85)<br />

Eine häufig verwendete explizite Darstellung der transversalen δ-<br />

Funktion ist<br />

δkk ⊥ ′(r) =δ kk ′ δ(r)+ 1 ∂ 2 1<br />

4π ∂x k ∂x k<br />

′ |r| . (1.86)


1.2. DAS FREIE ELEKTROMAGNETISCHE FELD 21<br />

Anmerkung<br />

• Die transversale δ-Funktion kann verwendet werden, um transversale<br />

Funktionalableitungen zu definieren,<br />

δ− F<br />

δ−<br />

f k (r) =lim 1 { [<br />

F fk ′(r ′ )+ɛδkk ⊥ ɛ→0 ɛ<br />

′(r−r′ ) ] − F [f k ′(r ′ )] } . (1.87)<br />

• Der Lagrange- und Hamilton-Formalismus kann auch sofort mit<br />

diesen Funktionalableitungen formuliert werden. In diesem Fall<br />

muß die Coulomb-Eichung nicht als ständige Bedingung mitgeführt<br />

werden, da man sich automatisch immer im Raum der<br />

transversalen Vektorfunktionen befindet.<br />

Feldquantisierung<br />

Sinngemäße Anwendung von (1.43) – (1.45) liefert:<br />

A k (r) ↦→ Âk(r), Π k (r) ↦→ ˆΠ k (r) (1.88)<br />

[Âk (r), ˆΠ k ′(r ′ )]<br />

= i δ ⊥ kk ′(r−r′ ) (1.89)<br />

[Âk (r), )]<br />

Âk ′(r′ =<br />

[ˆΠk (r), ˆΠ k ′(r )]<br />

′ =0 (1.90)<br />

Die Vertauschungsregel (1.89) impliziert insbesondere die fundamentale<br />

Vertauschungsregel<br />

[Êk (r), ˆB k ′(r ′ )]<br />

= − i<br />

ε 0<br />

ɛ kk′ n<br />

∂<br />

∂x n<br />

δ(r−r ′ ) (1.91)


22 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

zwischen elektrischem Feld und Induktionsfeld, und gemäß (1.90) gilt:<br />

[Êk (r), )]<br />

Êk ′(r′ =<br />

[<br />

ˆBk (r), ˆB k ′(r )]<br />

′ =0 (1.92)<br />

Zum Beweis von (1.91) führen wir zunächst die kanonisch konjugierten<br />

Variablen ein und schreiben<br />

[Êk (r), ˆB k ′(r )]<br />

′ = − 1 ∂<br />

ɛ k′ nj<br />

[ˆΠk (r), )]<br />

ε Âj(r ′ , (1.93)<br />

0<br />

woraus wegen (1.89)<br />

[Êk (r), ˆB k ′(r ′ )]<br />

∂x ′ n<br />

= i<br />

ε 0<br />

ɛ k′ nj<br />

∂<br />

∂x ′ n<br />

δ ⊥ jk (r′ −r) (1.94)<br />

folgt. Verwenden wir die Darstellung (1.86) für die transversale δ-<br />

Funktion und berücksichtigen wir die Antisymmetrie des ɛ-Tensors, so<br />

folgt unschwer, daß der zweite Term in (1.86) nicht zu dem Kommutator<br />

beiträgt, d.h.<br />

[Êk (r), ˆB k ′(r )]<br />

′<br />

= i<br />

ε 0<br />

ɛ k′ nj<br />

∂<br />

∂x ′ n<br />

δ jk δ(r ′ − r) =− i<br />

ε 0<br />

ɛ kk′ n<br />

Gemäß (1.75) lautet der Hamilton-Operator:<br />

∂<br />

∂x n<br />

δ(r ′ −r).<br />

(1.95)<br />

Ĥ = 1 2<br />

∫<br />

d 3 r<br />

( 1<br />

ε 0<br />

ˆΠ2 k + 1 µ 0<br />

 2 k,l<br />

)<br />

(1.96)<br />

Im Heisenberg-Bild ist die Bewegungsgleichung für irgendeinen (nicht<br />

explizit zeitabhängigen) Operator ˆF durch<br />

gegeben. Insbesondere überzeugt man sich, daß<br />

˙ˆF = 1 [ ˆF, Ĥ ] (1.97)<br />

i<br />

˙Â k = 1 [Âk ,<br />

i Ĥ] = 1 ˆΠk , (1.98)<br />

ε 0


1.2. DAS FREIE ELEKTROMAGNETISCHE FELD 23<br />

˙ˆΠ k = 1 [ ˆΠk ,<br />

i Ĥ] = 1 Â k,l,l (1.99)<br />

µ 0<br />

gilt. In anderen Worten, die klassischen Bewegungsgleichungen (1.78)<br />

und (1.79) sind nunmehr als Operatorgleichungen im Heisenberg-Bild<br />

aufzufassen, und es folgt die Wellengleichung für den Operator des Vektorpotentials,<br />

Modenentwicklung<br />

 k,l,l − 1 c 2 ¨Âk =0. (1.100)<br />

Die Wellengleichung (1.100) wird üblicherweise durch einen Separationsansatz<br />

gelöst und das Vektorpotential in Form einer Modenentwicklung<br />

dargestellt,<br />

 k (r,t)= √ 1 ∑<br />

c λ A λk (r)ˆq λ (t)<br />

ε0<br />

(1.101)<br />

λ<br />

wobei die Modenfunktionen Lösungen der Helmholtz-Gleichung sind,<br />

A λk,l,l + ω2 λ<br />

c 2 A λk =0 (1.102)<br />

(mit A λk,k =0), und die ˆq λ (als Operatoren im Heisenberg-Bild) Bewegungsgleichungen<br />

für harmonische Oszillatoren genügen,<br />

¨ˆq λ + ω 2 λˆq λ =0. (1.103)<br />

Die Modenentwicklung des kanonisch konjugierten Feldes ˆΠ k ergibt sich<br />

dann aus<br />

ε 0<br />

˙Âk (r,t)= √ ∑<br />

ε 0 c λ A λk (r) ˙ˆq λ (t) (1.104)<br />

als:<br />

λ<br />

ˆΠ k (r,t)= √ ∑<br />

ε 0 c λ A λk (r)ˆp λ (t) (1.105)<br />

λ


24 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

Die Modenfunktionen bilden ein Orthonormalsystem im Raum der<br />

transversalen Vektorfunktionen:<br />

∫<br />

c λ c λ<br />

′ d 3 rA λk (r)A λ′ k(r) =δ λλ ′, (1.106)<br />

Anmerkungen<br />

∑<br />

c 2 λ A λk(r)A λk ′(r ′ )=δkk ⊥ ′(r−r′ ) . (1.107)<br />

λ<br />

• Wir haben die Moden mit dem diskreten Index λ charakterisiert.<br />

Dies ist in Strenge jedoch nur möglich, wenn das Strahlungsfeld<br />

ganz in einem endlichen Raumbereich konzentriert ist, wie es<br />

beispielsweise in einem von ideal leitenden Wänden begrenzten<br />

Resonator mit den Randbedingungen<br />

e ‖ (r) · A λ (r) ∣ =0, (1.108)<br />

Rand<br />

e ⊥ (r) · [∇ × A λ (r)] ∣ ∣<br />

Rand<br />

=0 (1.109)<br />

[e ‖ (r) -EinheitsvektorinderRandfläche, e ⊥ (r) -Einheitsvektor<br />

senkrecht zur Randfläche] der Fall wäre. Da dies unter realen<br />

Bedingungen natürlich nicht der Fall ist, hat man es i. allg.<br />

mit mehr oder weniger ausgeprägten Modenkontinua zu tun. Um<br />

trotzdem die in der Regel einfachere diskrete Schreibweise beizubehalten,<br />

wird häufig so vorgegangen, daß das betrachtete System<br />

zunächst als in einem endlichen Volumen (mit geeigneten Randbedingungen)<br />

befindlich angenommen wird, und erst am Ende<br />

der Rechnungen wird der Grenzübergang zum Modenkontinuum<br />

vollzogen, indem man das Volumen gegen unendlich streben läßt.<br />

• Die Modenentwicklungen (1.101) und (1.105) beziehen sich<br />

zunächst auf das Heisenberg-Bild. Es ist klar, daß sie auch<br />

im Schrödinger-Bild gelten. Mit den Feldoperatoren sind<br />

natürlich auch die Modenoperatoren im Schrödinger-Bild als<br />

zeitunabhängig anzusehen, und die Zustände tragen die volle<br />

Zeitabhängigkeit. Wir werden deshalb in Zukunft das Zeitargument<br />

weglassen, solange nicht ein bestimmtes Bild favorisiert<br />

wird.


1.2. DAS FREIE ELEKTROMAGNETISCHE FELD 25<br />

Wir drücken die ˆq λ und ˆp λ durch die Felder Âk(r) und ˆΠ k (r) aus,<br />

ˆq λ = √ ε 0 c λ<br />

∫<br />

d 3 rA λk (r)Âk(r), (1.110)<br />

ˆp λ =<br />

c ∫<br />

λ<br />

√<br />

ε0<br />

d 3 rA λk (r) ˆΠ k (r), (1.111)<br />

und berechnen ihre Vertauschungsregeln,<br />

∫ ∫<br />

[ˆq λ , ˆp λ ′]=c λ c λ<br />

′ d 3 r d 3 r ′ A λk (r)A λ′ k ′(r′ )<br />

[Âk (r), ˆΠ<br />

]<br />

k ′(r ′ )<br />

= ic λ c λ<br />

′<br />

= ic λ c λ<br />

′<br />

so daß (wie erwartet)<br />

∫<br />

∫<br />

∫<br />

d 3 r d 3 r ′ A λk (r)A λ′ k ′(r′ )δkk ⊥ ′(r−r′ )<br />

d 3 rA λk (r)A λ′ k(r), (1.112)<br />

[ˆq λ , ˆp λ ′]=iδ λλ<br />

′ (1.113)<br />

gilt. Analog finden wir:<br />

[ˆq λ , ˆq λ ′]=[ˆp λ , ˆp λ ′]=0 (1.114)<br />

Der Übergang von den Âk(x n ), ˆΠ k (x n )zudenˆq λ , ˆp λ kann offensichtlich<br />

als kanonische Transformation aufgefaßt werden.<br />

Wir setzen die Modenentwicklungen (1.101) und (1.105) in den<br />

Hamilton-Operator (1.96) ein underhalten(erwartungsgemäß):<br />

∑<br />

Ĥ = 1 2<br />

(ˆp<br />

2 λ + ω λ)<br />

λˆq2 2<br />

λ<br />

(1.115)


26 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

Das heißt, das Strahlungsfeld (in einem endlichen Volumen) kann als<br />

ein System (abzählbar) unendlich vieler harmonischer Oszillatoren aufgefaßt<br />

werden, wobei jeder (diskreten) Mode ein Oszillator entspricht.<br />

Photonenerzeugungs- und -vernichtungsoperatoren<br />

Ein harmonischer Oszillator der Frequenz ω hat bekanntlich ein äquidistantes<br />

Energieniveauschema, wobei der Abstand zweier benachbarter<br />

Energieniveaus ω ist. Mit anderen Worten, jedes Niveau kann durch<br />

Angabe der jeweiligen Anzahl von Quanten ω eindeutig charakterisiert<br />

werden. Im Falle des Strahlungsfeldes (in einem endlichen Volumen)<br />

werden die Quanten der den (diskreten) monochromatischen<br />

Moden entsprechenden harmonischen Oszillatoren auch Photonen genannt.<br />

Neben den Operatoren ˆq λ , ˆp λ ist es deshalb zweckmäßig, Operatoren<br />

einzuführen, die direkt der Erzeugung und Vernichtung dieser<br />

Quanten sowie ihrer Anzahl zugeordnet werden können:<br />

bzw.<br />

√<br />

<br />

ˆq λ =<br />

(â λ +â † λ<br />

2ω λ<br />

√<br />

ωλ<br />

ˆp λ = −i<br />

2<br />

)<br />

, (1.116)<br />

( )<br />

â λ − â † λ<br />

, (1.117)<br />

√ √<br />

ωλ 1<br />

â λ =<br />

2 ˆq λ + i ˆp λ , (1.118)<br />

2ω λ<br />

√ √<br />

â † λ = ωλ 1<br />

2 ˆq λ − i ˆp λ . (1.119)<br />

2ω λ<br />

Man überzeugt sich leicht, daß folgende Vertauschungsregeln gelten:<br />

[â λ , â † λ ′ ]<br />

= δ λλ<br />

′ (1.120)<br />

]<br />

[â λ , â λ ′]=<br />

[â † λ , ↠λ<br />

=0 (1.121)<br />


1.2. DAS FREIE ELEKTROMAGNETISCHE FELD 27<br />

Mit (1.116) und (1.117) lautet der Hamilton-Operator (1.115)<br />

Ĥ = ∑ λ<br />

ω λ<br />

(ˆnλ + 1 2<br />

)<br />

(1.122)<br />

Die nicht hermiteschen Operatoren â λ und â † λ<br />

heißen Photonenvernichtungs-<br />

und Photonenerzeugungsoperator der Mode λ,undderausihnen<br />

gebildete hermitesche Operator<br />

ˆn λ =â † λâλ (1.123)<br />

heißt Photonenanzahloperator (auch Photonenzahloperator) der Mode<br />

λ. DieVertauschungsregeln(1.120)und(1.121)weisenPhotonenals<br />

Bosonen aus (siehe auch Abschnitt 2.1).<br />

Die Modenentwicklungen der Felder (1.101) und (1.105) können<br />

durch Einführen der Erzeugungs- und -vernichtungsoperatoren wie<br />

folgt dargestellt werden:<br />

 k (r) = ∑ √<br />

<br />

c λ A λk (r)â λ +h.c., (1.124)<br />

2ω λ ε 0<br />

λ<br />

√<br />

∑ <br />

ˆΠ k (r) =−ε 0 iω λ c λ A λk (r)â λ +h.c.. (1.125)<br />

2ω λ ε 0<br />

λ<br />

Wird über c λ so verfügt, daß c λ =1 ist, dann sind die Modenfunktionen<br />

A λk (r) aufeinsnormiert.Häufig wird auch über die c λ so verfügt, daß<br />

√<br />

<br />

2ω λ ε 0<br />

c λ =1 (1.126)<br />

gilt und die Modenfunktionen auf /(2ω λ ε 0 )normiertsind.Indiesem<br />

Fall nehmen die Gleichungen (1.124) und (1.125) formal die einfache<br />

Form<br />

 k (r) = ∑ A λk (r)â λ +h.c., (1.127)<br />

λ<br />

∑<br />

ˆΠ k (r) =−ε 0 iω λ A λk (r)â λ +h.c. (1.128)<br />

λ


28 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

an. Damit können wir die Operatoren der elektrischen und magnetischen<br />

Feldstärke wie folgt angeben:<br />

Ê k (r) =− 1 ε 0<br />

ˆΠk (r) = ∑ λ<br />

iω λ A λk (r)â λ +h.c., (1.129)<br />

ˆB k (r) =ɛ kij  j,i (r) = ∑ λ<br />

ɛ kij A λj,i (r)â λ +h.c.. (1.130)<br />

Oft werden die Feldoperatoren in den sogenannten positiven Frequenzanteil,<br />

der die Vernichtungsoperatoren enthält, und den negativen<br />

Frequenzanteil, der die Erzeugungsoperatoren enthält, zerlegt. So<br />

schreibt man beispielsweise das Vektorpotential auch in der Form<br />

 k (r) =Â(+) k<br />

(r)+Â(−) k<br />

(r), (1.131)<br />

 (+)<br />

k<br />

(r) = ∑ λ<br />

A λk (r)â λ ,<br />

 (−)<br />

[Â(+)<br />

†<br />

k<br />

(r) =<br />

k<br />

(r)]<br />

(1.132)<br />

[und ˆΠ k (r), Ê k (r) und ˆB k (r) inanalogerForm].<br />

Anmerkungen<br />

• Wir haben bis jetzt immer mit reellen Modenfunktionen gerechnet.<br />

Es kann jedoch von Vorteil sein, komplexwertige Modenfunktionen<br />

zu verwenden. Alle bisherigen Überlegungen bleiben<br />

sinngemäß gültig, und man kann sich überlegen, daß insbesondere<br />

die Gleichungen (1.127) – (1.130) ohne Modifikation auch<br />

für komplexwertige Modenfunktionen richtig bleiben. Ein typisches<br />

Beispiel ist die Entwicklung des Strahlungsfeldes im freien<br />

Raum nach ebenen Wellen (Seite 30). Anstelle reelle Sinus- und<br />

Kosinusfunktionen zu verwenden, ist es weitaus bequemer, nach<br />

komplexen Exponentialfunktionen zu entwickeln.<br />

• Die Darstellung der Feldoperatoren mittels Modenentwicklung<br />

erhält man direkt aus den Modenentwicklungen der klassischen<br />

Felder, wenn man die dortigen Modenfunktionen übernimmt<br />

und die (komplexen) Entwicklungskoeffizienten – bis auf


1.2. DAS FREIE ELEKTROMAGNETISCHE FELD 29<br />

entsprechende Faktoren – durch Photonenvernichtungs- und -<br />

erzeugungsoperatoren ersetzt. Die Bestimmung der Modenstruktur<br />

des Strahlungsfeldes ist ein rein klassisches, i. allg. nicht triviales<br />

Problem. Die Quantennatur der Strahlung wird durch die<br />

Photonenvernichtungs- und -erzeugungsoperatoren repräsentiert.<br />

Vakuumenergie<br />

Bekanntlich besitzt ein harmonischer Oszillator der Frequenz ω die<br />

Grundzustandsenergie 1 2ω (auch Nullpunktsenergie oder Vakuumenergie<br />

genannt). Die proportionale Grundzustandsenergie ist offensichtlich<br />

ein reiner Quanteneffekt und widerspiegelt das Quantenphänomen,<br />

daß Ort und Impuls nicht gleichzeitig wohldefinierte Werte annehmen<br />

können. Im Falle der den unendlich vielen Moden des Strahlungsfeldes<br />

entsprechenden unendlich vielen harmonischen Oszillatoren ergibt sich<br />

offensichtlich eine unendlich große Grundzustandsenergie<br />

W 0 = ∑ λ<br />

1<br />

2 ω λ . (1.133)<br />

Um diese (unphysikalische) Divergenz zu vermeiden, könnte die Energie<br />

des Strahlungsfeldes derart renormiert werden, daß die Energie eines<br />

jeden Oszillators vom Grundzustand – dem Photonenvakuum – aus<br />

gezählt und die unendlich große Konstante in (1.122) einfach weglassen<br />

wird, d.h.<br />

Ĥ = ∑ ω λ ˆn λ . (1.134)<br />

λ<br />

Dies ist im freien Raum und in vielen Fällen auch bei Anwesenheit<br />

makroskopischer Körper tatsächlich sinnvoll.<br />

Wird bei Anwesenheit makroskopischer Körper die Geometrie der<br />

Anordnung geändert und fragt man nach der daraus resultierenden<br />

Differenz der (vor und nach der Änderung jeweils unendlich großen)<br />

Vakuumenergien, so stellt man fest, daß diese Energiedifferenz und deren<br />

Ableitungen nach charakteristischen Längen der betrachteten Anordnung<br />

endlich sein können. Diese Gradienten können als Kräfte –<br />

Casimir-Kräfte genannt – interpretiert und nachgewiesen werden. Ein<br />

typisches Beispiel ist die Änderung der Vakuumenergie, die mit der<br />

Änderung des Abstands zweier perfekt reflektierender (metallischer)


30 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

Platten (im ansonsten leeren Raum) einhergehtundzueinergegenseitigen<br />

Anziehung der Platten Anlaß gibt, wobei sich die Kraft pro<br />

Flächeneinheit betragsmäßig als<br />

F<br />

L = 1 ∣ ∣∣∣ ∂W 0<br />

2 L 2 ∂d ∣ = π2<br />

240<br />

c<br />

d 4 (1.135)<br />

abschätzen läßt. Der Casimir-Effekt ist natürlich nicht auf perfekt<br />

reflektierende Körper beschränkt; wichtig ist, daß beispielsweise die<br />

Struktur des Strahlungsfeldes hinreichend empfindlich auf die räumlichen<br />

Anordnungen der Körper reagiert (siehe die systematische Behandlung<br />

im Abschnitt 8.6.2).<br />

Strahlungsfeld im freien Raum<br />

Für den Fall des Strahlungsfeldes im ansonsten leeren Raum sind transversale<br />

ebene Wellen Lösungen der Helmholtz-Gleichung. Betrachten<br />

wir zunächst ein endliches Quantisierungsvolumen V = L 1 L 2 L 3 und<br />

nehmen periodische Randbedingungen an, so ist unschwer zu sehen,<br />

daß sich das Vektorpotential in der Form<br />

Â(r) = ∑ l,µ<br />

√<br />

<br />

2ε 0 ω l V e lµe ik l·râ<br />

l,µ +h.c. (1.136)<br />

angeben läßt, wobei die (diskreten) Wellenzahlvektoren durch<br />

k l =2π<br />

(<br />

l1<br />

L 1<br />

, l 2<br />

L 2<br />

, l 3<br />

L 3<br />

)<br />

, l i ganz (1.137)<br />

(ω 2 l = k2 l c2 )festgelegtsindundfür jeden Wellenzahlvektor zwei Polarisationseinheitsvektoren<br />

e lµ ⊥ k l , µ =1, 2 (1.138)<br />

existieren. Wie bereits erwähnt, kann der Übergang zum unendlich<br />

ausgedehnten freien Raum und dem entsprechenden Modenkontinuum


1.2. DAS FREIE ELEKTROMAGNETISCHE FELD 31<br />

durch den Grenzübergang V →∞ realisiert werden, bei dem die Fourier-<br />

Reihe in (1.136) in das Fourier-Integral<br />

Â(r) = ∑ µ<br />

∫<br />

√<br />

d 3 <br />

k<br />

2ε 0 ω(2π) e µ(k)e ik·r â 3 µ (k)+h.c. (1.139)<br />

übergeht und die Vertauschungsregel für die â µ (k) undâ † µ (k)<br />

[<br />

]<br />

â µ (k), â † µ<br />

(k ′ ) = δ ′ µ,µ<br />

′ δ(k−k ′ ) (1.140)<br />

lautet, d.h., an die Stelle des Kronecker-Symbols tritt die δ-Funktion.<br />

Im Falle eines Modenkontinuums kann sich der Photonenbegriff sinnvollerweise<br />

nur auf Intervalle des die Moden charakterisierenden kontinuierlichen<br />

Parameterraums beziehen. Im vorliegenden Fall stellt<br />

d 3 ˆN =ˆnµ (k)d 3 k =â † µ (k)â µ(k)d 3 k (1.141)<br />

den Anzahloperator für Photonen im differentiellen Wellenzahlintervall<br />

dar, wobei ˆn µ (k) dieBedeutungdesAnzahldichteoperatorszukommt.<br />

Integration über ein endliches Intervall im k-Raum liefert dann den<br />

Photonenanzahloperator für dieses Intervall.<br />

Nichtmonochromatische Moden<br />

Die bisher und üblicherweise betrachteten Moden als Lösungen der<br />

Helmholtz-Gleichung entsprechen harmonischen Oszillatoren und beschreiben<br />

die möglichen monochromatischen elektromagnetischen Feldanregungen.<br />

Nun hat man es i. allg. und insbesondere bei der Ausbreitung<br />

elektromagnetischer Wellen im freien Raum mit Wellenpaketen zu<br />

tun, d.h. mit Überlagerungen von monochromatischen Moden, so daß<br />

es wünschenswert ist, das für monochromatische Moden eingeführte<br />

Photonenkonzept in gewisser Weise auch auf impulsförmige elektromagnetische<br />

Strahlung anzuwenden. Zu diesem Zweck führen wir in der


32 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

monochromatischen Modenentwicklung des Vektorpotentials,<br />

 k (r) = ∑ λ<br />

A λk (r)â λ +h.c., (1.142)<br />

eine unitäre Transformation â λ ↦→ â ′ ν durch,<br />

â λ = ∑ ν<br />

U λν â ′ ν , (1.143)<br />

(U −1 ) νλ = U ∗ λν , (1.144)<br />

so daß<br />

â ′ ν = ∑ λ<br />

(U −1 ) νλ â λ = ∑ λ<br />

U ∗ λνâλ (1.145)<br />

und â ′†<br />

ν wieder bosonische Vernichtungs- und Erzeugungsoperatoren<br />

darstellen:<br />

[â′<br />

ν , â ′ ν ′†] = ∑ ]<br />

Uλν ∗ U λ ′ ν<br />

[â ′ λ , â † λ ′<br />

λ,λ ′<br />

= ∑ λ,λ ′ U ∗ λνU λ′ ν ′δ λλ ′ = ∑ λ<br />

U ∗ λνU λν<br />

′ = δ νν ′. (1.146)<br />

Wir setzen (1.143) in (1.142) ein und erhalten die Modenentwicklung<br />

 k (r) = ∑ ν<br />

A ′ νk (r)â′ ν +h.c. (1.147)<br />

mit den nichtmonochromatischen Modenfunktionen:<br />

A ′ νk (r) =∑ λ<br />

U λν A λk (r) (1.148)


1.2. DAS FREIE ELEKTROMAGNETISCHE FELD 33<br />

Die A ′ νk (r) sindnichtorthogonal,<br />

∫<br />

d 3 rA ′ νk ∗ (r)A ′ ν k(r) ′<br />

= ∑ λ,λ ′ U ∗ λν U λ ′ ν ′ ∫<br />

d 3 rA ∗ λk (r)A λ ′ k(r)<br />

= ∑ λ,λ ′ U ∗ λνU λ′ ν ′ <br />

2ε 0 ω λ<br />

δ λλ<br />

′<br />

= ∑<br />

2ε 0<br />

λ<br />

ω −1<br />

λ U ∗ λνU λν ′, (1.149)<br />

und der Hamilton-Operator (1.122) lautet in den gestrichenen Variablen<br />

Ĥ = ∑ ν,ν ′ ∑ λ<br />

ω λ Uλν ∗ U λν ′ â′ ν † â ′ ν ′. (1.150)<br />

Untersuchen wir die Situation im Heisenberg-Bild etwas genauer.<br />

Machen wir in (1.142) die Ersetzung<br />

â λ ↦→ â λ (t) =â λ e −iω λt , (1.151)<br />

so liefert die unitäre Transformation (1.142) (auf die zeitunabhängigen<br />

â λ angewendet) das zeitabhängige Vektorpotential<br />

 k (r,t)= ∑ ν<br />

A ′ νk(r,t)â ′ ν +h.c. (1.152)<br />

mit<br />

A ′ νk(r,t)= ∑ λ<br />

U λν A λk (r)e −iω λt<br />

(1.153)<br />

anstelle von (1.147) mit (1.148). Das Vektorpotential ist hier nach<br />

Lösungen A ′ νk (r,t)dervollenWellengleichungentwickelt,sodaßdie<br />

A ′ νk (r,t)mehroderwenigerkomplizierte,inRaumundZeitpropagierende<br />

Wellenpakete 3 darstellen können. Da jedem dieser Wellenpakete<br />

3 Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Raum-Zeit-Moden (spatio-temporal modes).


34 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

ein bosonischer Teilchenerzeugungs- und -vernichtungsoperator zugeordnet<br />

ist, kann jedem dieser Wellenpakete ein Hilbert-Raum zugewiesen<br />

werden, der von den Eigenvektoren des jeweiligen Teilchenzahloperators<br />

– also ˆn ′ ν =â′† ν â′ ν<br />

für das ν-te Wellenpaket – aufgespannt wird.<br />

Da diese Zustände keine Energieeigenzustände sind [siehe (1.150)], besitzen<br />

die ihnen entsprechenden photonischen Teilchen keine definierte<br />

Energie – im Gegensatz zur üblichen Vorstellung von Photonen.<br />

Lassen sich die (relevanten) Wellenpakete A ′ νk (r,t)durcheineMittenfrequenz<br />

ω ν und eine (im Vergleich dazu) langsam veränderliche<br />

Einhüllende Ãνk(r,t)charakterisieren,<br />

 k (r,t)= ∑ ν<br />

à νk (r,t)â ′ ν e−iω νt +h.c., (1.154)<br />

à νk (r,t)=A ′ νk(r,t)e iω νt = ∑ λ<br />

U λν A λk (r)e −i(ω λ−ω ν )t , (1.155)<br />

dann können die den Wellenpaketen zugeordneten Operatoren â ′ ν und<br />

â ′ ν † als Vernichtungs- und Erzeugungsoperatoren von Photonen angesehen<br />

werden, die näherungsweise die Energie ω ν besitzen.<br />

Nehmen wir an, der von einer Quelle emittierten Strahlung kann<br />

ein Wellenpaket<br />

A k (r,t)= ∑ λ<br />

zugeordnet werden. Setzen wir<br />

α λ A λk (r)e −iω λt ,<br />

∑<br />

|α λ | 2 =1, (1.156)<br />

λ<br />

U λ1 = α λ , (1.157)<br />

so können wir A k (r,t)mitA ′ 1k (r,t)in(1.152)bzw.mitÃ1k(r,t)in<br />

(1.154) identifizieren. Ausgehend von (dem Spaltenvektor) U λ1 können<br />

dann weitere zu U λ1 und untereinander orthogonale (Spaltenvektoren)<br />

U λν konstruiert werden. Die auf diese Weise resultierende unitäre Transformation<br />

liefert dann einen Satz von Wellenpaketen, von denen nur ein<br />

Wellenpaket, nämlich das erste, in einen angeregten Zustand präpariert<br />

ist, während sich alle anderen im Vakuumzustand befinden und somit<br />

für praktische Untersuchungen keine Rolle spielen.


1.3. LINEARE HINTERGRUNDMEDIEN 35<br />

1.3 Lineare Hintergrundmedien<br />

Optische Untersuchungen zu speziellen Licht-Materie-Wechselwirkungsprozessen<br />

setzen immer die Anwesenheit bestimmter (passiver)<br />

Bauelemente voraus, wie beispielsweise Blenden, Linsen, Strahlteiler,<br />

Spiegel, Resonatoranordnungen. Die Anwesenheit solcher in der Regel<br />

dielektrischen makroskopischen Körper und ihre Wirkung auf die<br />

Felder muß natürlich in einer quantentheoretischen Beschreibung voll<br />

enthalten sein. Letztlich hat man es also nie mit dem freien elektromagnetischen<br />

Feld zu tun, d.h. mit dem elektromagnetischen Feld vor<br />

dem Vakuumhintergrund, sondern immer mit Feldern mit inhomogenen<br />

materiellen Hintergrundmedien. In diesem Zusammenhang ist zu<br />

betonen, daß die Charakterisierung einer Resonatoranordnung durch<br />

Randbedingungen der Form (1.108) und (1.109) wie überhaupt das Modenkonzept<br />

für das elektromagnetische Feld bei Anwesenheit makroskopischer<br />

Körper nur unter sehr einschränkenden Bedingungen möglich<br />

und sinnvoll ist.<br />

Im Prinzip ist natürlich immer eine mikroskopische Behandlung<br />

der Hintergrundmedien möglich, indem die entsprechenden (mikroskopischen)<br />

Ladungen und Ströme in den Maxwell-Gleichungen explizit<br />

berücksichtigt werden (siehe Abschnitt 1.4) – ein Verfahren, das in der<br />

Praxis nicht durchstehbar ist. Bekanntlich verwendet man bereits in<br />

der klassischen Elektrodynamik anstelle der mikroskopischen Maxwell-<br />

Gleichungen phänomenologische makroskopische Gleichungen, in denen<br />

der Einfluß von Hintergrundmedien durch Polarisations- und Magnetisierungsfelder<br />

und entsprechende Materialgleichungen erfaßt wird.<br />

Für das elektromagnetische Feld auf einem allgemeinen (für die Optik<br />

typischerweise) dielektrischen Hintergrund 4 ohne zusätzliche Ladungen<br />

und Ströme werden in den Lehrbüchern zur Elektrodynamik die<br />

phänomenologischen Maxwell-Gleichungen gemeinhin in der Form<br />

∇ · B =0, ∇ × E = −Ḃ, (1.158)<br />

(<br />

∇ · E + 1 )<br />

P =0, ∇ × B = 1 (<br />

Ė + 1 )<br />

Ṗ (1.159)<br />

ε 0 c 2 ε 0<br />

4 Die folgenden Überlegungen können sinngemäß auch auf Magnetodielektrika verallgemeinert<br />

werden [D.T. Ho, S.Y. Buhmann, L. Knöll, D.-G. Welsch, S. Scheel, J. Kästel, Phys. Rev. A 68<br />

043816 (2003)].


36 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

angegeben, wobei für lineare, isotrope Medien ohne räumliche Dispersion<br />

ein lokaler und kausaler Zusammenhang zwischen elektrischem<br />

Feld und Polarisationsfeld angenommen wird:<br />

∫ ∞<br />

P(r,t)=ε 0 dτ χ(r, τ)E(r,t− τ) (1.160)<br />

0<br />

Die Ortsabhängigkeit der Suszeptibilität χ(r, τ) widerspiegeltdieInhomogenität<br />

des Mediums, d.h. die räumliche Anordnung der im konkreten<br />

Fall zu betrachtenden dielektrischen Körper. Wir gehen (bzgl.<br />

der Zeit) in den Fourier-Raum über,<br />

E(r,t)=<br />

B(r,t)=<br />

∫ ∞<br />

0<br />

∫ ∞<br />

und erhalten aus (1.158) – (1.160)<br />

wobei<br />

0<br />

dω E(r, ω)e −iωt +c.c., (1.161)<br />

dω B(r, ω)e −iωt +c.c., (1.162)<br />

∇ · B(r, ω) =0, (1.163)<br />

∇ × E(r, ω) =iωB(r, ω), (1.164)<br />

∇ · ε(r, ω)E(r, ω) =0, (1.165)<br />

∇ × B(r, ω) =−i ω ε(r, ω)E(r, ω), (1.166)<br />

c2 ε(r, ω) =1+<br />

∫ ∞<br />

0<br />

dτ e iωτ χ(r, τ) (1.167)<br />

die relative Dielektrizitätsfunktion ist. Dabei ist ε(r, ω) für jedes r eine<br />

komplexwertige Funktion von ω, die den Kramers-Kronig-Beziehungen<br />

genügen muß:<br />

Re ε(r, ω) − 1= P π<br />

∫ ∞<br />

−∞<br />

dω ′ Im ε(r, ω′ )<br />

ω ′ − ω<br />

(1.168)


1.3. LINEARE HINTERGRUNDMEDIEN 37<br />

Im ε(r, ω) =− P π<br />

∫ ∞<br />

−∞<br />

dω ′ Re ε(r, ω′ ) − 1<br />

ω ′ − ω<br />

(1.169)<br />

Bekanntlich beschreibt der Realteil von ε(r, ω) denEffekt der Dispersion<br />

und der Imaginärteil den Effekt der Absorption.<br />

Dispersions- und absorptionsfreie Medien<br />

Für hinreichend schmalbandige Anteile des elektromagnetischen Feldes<br />

fern von Medienresonanzen kann die Dielektrizitätsfunktion näherungsweise<br />

als reell (Vernachlässigung von Absorption) und frequenzunabhängig<br />

(Vernachlässigung von Dispersion) angesehen werden, d.h.<br />

ε(r, ω) ≈ ε(r) =ε ∗ (r). (1.170)<br />

Für solche Schmalbandfelder kann dann die Quantisierung in ähnlicher<br />

Weise wie für (das komplette) Feld im freien Raum erfolgen. So ist aus<br />

(1.164) und (1.166) ersichtlich, daß E(r, ω)einerhomogenenWellengleichung<br />

mit (im Gegensatz zur üblichen Helmholtz-Gleichung) räumlich<br />

veränderlicher Phasengeschwindigkeit genügt,<br />

∇ × ∇ × E(r, ω) − ω2<br />

ε(r)E(r, ω) =0, (1.171)<br />

c2 deren Lösungen der verallgemeinerten Transversalitätsbedingung<br />

∇ · ε(r)E(r, ω) =0 (1.172)<br />

genügen müssen. In Analogie zu (1.63) können elektrisches und magnetisches<br />

Feld wieder aus einem Vektorpotential hergleitet werden,<br />

B(r, ω) =∇ × A(r, ω), E(r, ω) =iωA(r, ω), (1.173)<br />

wobei an die Stelle der Coulomb-Eichung die verallgemeinerte Eichbedingung<br />

∇ · ε(r)A(r, ω) =0 (1.174)<br />

tritt. Offensichtlich genügt A(r, ω)ebenfallsderhomogenenWellengleichung<br />

(1.171). Das durch diese Gleichung (zusammen mit der Eichbedingung)<br />

definierte Eigenwertproblem führt auf ein verallgemeinertes


38 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

System orthogonaler Moden, nach denen die Felder entwickelt werden<br />

können und denen dann wieder bosonische Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren<br />

zugeordnet werden können.<br />

Dispersive und absorptive Medien 5<br />

Das oben skizzierte Verfahren versagt völlig, wenn – wie es in der<br />

Realität der Fall ist – Dispersion und Absorption berücksichtigt werden<br />

müssen. Verführe man wie oben, wäre das reelle ε(r) in(1.171)<br />

durch ein komplexwertiges, frequenzabhängiges ε(r, ω) zuersetzen.Die<br />

Lösungen von (1.171) wären gedämpfte Wellen derart, daß beim Übergang<br />

zur Quantentheorie die Feldoperatoren auf Grund von Absorption<br />

weggedämpft würden. Mehr noch, bereits die klassische Gleichung<br />

(1.171) ist für absorptive Medien i. allg. falsch, da die zugrunde liegende<br />

Materialgleichung (1.160) i. allg. falsch ist. 6 Eine solche Gleichung<br />

kann in der Regel nur zwischen den Mittelwerten von Polarisation<br />

und elektrischer Feldstärke gelten, nicht jedoch zwischen den Größen<br />

selbst. Die rechte Seite von (1.160) muß – in Übereinstimmung mit dem<br />

Dissipations-Fluktuations-Theorem – durch einen Rauschterm ergänzt<br />

werden:<br />

∫ ∞<br />

P(r,t)=ε 0 dτ χ(r, τ)E(r,t− τ)+P N (r,t) (1.175)<br />

0<br />

Die homogenen Maxwell-Gleichungen (1.165) und (1.166) sind folglich<br />

durch inhomogene zu ersetzen, so daß an die Stelle der Gleichungen<br />

(1.163) – (1.166) die Gleichungen<br />

∇ · B(r, ω) =0, (1.176)<br />

∇ × E(r, ω) =iωB(r, ω), (1.177)<br />

∇ · ε(r, ω)E(r, ω) = 1 ε 0<br />

ρ N<br />

(r, ω), (1.178)<br />

5 T. Gruner, D.-G. Welsch, Phys. Rev. A 53, 1818(1996);S.Scheel,L.Knöll, D.-G. Welsch,<br />

Phys. Rev. A 58, 700(1998).<br />

6 Wenn in (1.160) E und P die nackten“ Felder wären, gäbe es beispielsweise keine thermische<br />

”<br />

Strahlung. Die Gleichung (1.160) kann – wenn überhaupt – nur für Mittelwerte gelten.


1.3. LINEARE HINTERGRUNDMEDIEN 39<br />

∇ × B(r, ω) =µ 0 j N<br />

(r, ω) − i ω ε(r, ω)E(r, ω) (1.179)<br />

c2 treten, wobei die Rauschladungsdichte ρ N und die Rauschstromdichte<br />

j N mit der Rauschpolarisation P N gemäß<br />

und<br />

ρ N<br />

(r, ω) =−∇ · P N (r, ω) (1.180)<br />

j N<br />

(r, ω) =−iωP N (r, ω) (1.181)<br />

zusammenhängen und die Kontinuitätsgleichung<br />

∇ · j N<br />

(r, ω) =iωρ N<br />

(r, ω) (1.182)<br />

gilt. Die Maxwell-Gleichungen (1.177) und (1.179) liefern [anstelle der<br />

homogenen Wellengleichung (1.171)] nunmehr die inhomogene Wellengleichung<br />

∇ × ∇ × E(r, ω) − ω2<br />

c 2 ε(r, ω)E(r, ω) =iωµ 0j N<br />

(r, ω), (1.183)<br />

die wegen (1.182) mit der verbliebenen Maxwell-Gleichung (1.178) verträglich<br />

ist. Die Lösung des Problems kann mittels der (tensoriellen)<br />

Green-Funktion quellenmäßig dargestellt werden,<br />

∫<br />

E k (r, ω) =iµ 0 ω d 3 r ′ G kk ′(r, r ′ , ω) j N k ′(r ′ , ω), (1.184)<br />

wobei die Green-Funktion die Lösung der inhomogenen Wellengleichung<br />

(1.183) mit δ-förmiger Quelle ist,<br />

)]<br />

[∂ k ∂ l −δ kl<br />

(△+ ω2<br />

c ε(r, ω) G 2 lm (r, r ′ , ω) =δ km δ(r − r ′ ), (1.185)<br />

die der Randbedingung im Unendlichen genügt. Folgende nützliche Relationen<br />

gelten:<br />

G ∗ (r, r ′ , ω) =G(r, r ′ , −ω ∗ ), (1.186)<br />

∫<br />

G(r, r ′ , ω) =G T (r ′ , r, ω), (1.187)<br />

d 3 s ω2<br />

c 2 Im ε(s, ω) G(r, s, ω) · G∗ (s, r ′ , ω) =ImG(r, r ′ , ω). (1.188)


40 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

Man überzeugt sich unschwer davon, daß das elektrische Feld (1.184)<br />

neben der inhomogenen Wellengleichung (1.183) auch die verbliebene<br />

Maxwell-Gleichung (1.178) erfüllt. Die quellenmäßige Darstellung des<br />

magnetischen Feldes folgt unmittelbar aus (1.177) und (1.184).<br />

Es kann nun gezeigt werden, daß die Feldgleichungen (1.176) –<br />

(1.183) sowie die daraus resultierende quellenmäßige Darstellung<br />

(1.184) des elektrischen Feldes und die entsprechende für das magnetische<br />

Feld unmittelbar in die Quantentheorie als operatorwertige Gleichungen<br />

übernommen werden können, wenn der Rauschstrom wie folgt<br />

festgelegt wird:<br />

ĵ N<br />

(r, ω) =ω<br />

√<br />

ε0<br />

π Im ε(r, ω) ˆf(r, ω) (1.189)<br />

[<br />

ˆfk (r, ω), ˆf † k<br />

(r ′ , ω )]<br />

′ = δ ′ kk ′δ(r − r ′ )δ(ω − ω ′ ) (1.190)<br />

[<br />

ˆfk (r, ω), ˆf k ′(r ′ , ω )]<br />

′ =0=<br />

[<br />

ˆf<br />

†<br />

k (r, ω), ˆf<br />

]<br />

†<br />

k<br />

(r ′ , ω ′ )<br />

′<br />

(1.191)<br />

Das Kontinuum von bosonischen Feldern ˆf(r, ω) beschreibt gewissermaßen<br />

die elementaren Anregungen des betrachteten Gesamtsystems<br />

(elektromagnetisches Feld, Polarisationsfeld, dissipatives System).<br />

Sämtliche elektromagnetischen Felder sind durch die fundamentalen<br />

Felder ˆf(r, ω) undˆf † (r, ω) ausdrückbar, die als die (kanonisch<br />

konjugierten) Grundvariablen der Theorie aufgefaßt werden können.<br />

Gemäß (1.161), (1.162), (1.177), (1.184) und (1.189) lauten die Operatoren<br />

des elektrischen Feldes und des Induktionsfeldes<br />

ˆB(r) =<br />

∫ ∞<br />

0<br />

Ê(r) =<br />

∫ ∞<br />

0<br />

dω Ê(r, ω)+h.c., (1.192)<br />

dω ˆB(r, ω)+h.c., ˆB(r, ω) =(iω) −1 ∇ × Ê(r, ω), (1.193)


1.3. LINEARE HINTERGRUNDMEDIEN 41<br />

wobei<br />

Ê(r, ω) =iµ 0<br />

√<br />

ε0<br />

π ω2 ∫<br />

d 3 r ′ √ Im ε(r ′ , ω) G(r, r ′ , ω) · ˆf(r ′ , ω)<br />

(1.194)<br />

gilt. Die Gleichung (1.192) zusammen mit (1.194) stellt die direkte<br />

Verallgemeinerung der Gleichung (1.129) dar; das (klassische) Problem<br />

der Bestimmung der Modenstruktur des elektromagnetischen Feldes ist<br />

durch das der Bestimmung des Green-Tensors als Lösung der Gleichung<br />

(1.185) ersetzt. 7 Speziell für ein homogenes und isotropes Dielektrikum<br />

lautet die die Randbedingung im Unendlichen befriedigende Lösung<br />

von (1.185)<br />

mit<br />

und<br />

G lm (r, r ′ , ω) = [ ∂ l ∂ m + q 2 δ lm<br />

]<br />

q −2 (ω)g(|r−r ′ |, ω) (1.195)<br />

g(|r−r ′ |, ω) = eiq(ω)|r−r′ |<br />

4π|r−r ′ |<br />

(1.196)<br />

q 2 (ω) = ω2<br />

ε(ω) . (1.197)<br />

c2 Zum Beweis des Quantisierungsverfahrens bemerken wir, daß die fundamentalen<br />

gleichzeitigen Vertauschungsregeln für das elektromagnetische<br />

Feld, wie sie in (1.89) – (1.91) gegeben sind, erfüllt sein müssen.<br />

Daß dies der Fall ist, kann durch direktes Ausrechnen überprüft werden,<br />

wobei hinsichtlich des Mediums nur sehr allgemeine, aus Kausalitätsgründen<br />

resultierende mathematische Eigenschaften von ε(r, ω)<br />

vorausgesetzt werden müssen, ohne die konkrete Gestalt im Einzelfall<br />

zu kennen.<br />

Offensichtlich ist die zeitliche Entwicklung der Felder ˆf(r, ω) (im<br />

Heisenberg-Bild) harmonisch,<br />

ˆf(r, ω,t)=ˆf(r, ω)e −iωt . (1.198)<br />

7 Das Verfahren läßt sich auch auf Magnetodielektrika ausdehnen [D.T. Ho, S.Y. Buhmann, L.<br />

Knöll, D.-G. Welsch, S. Scheel, J. Kästel, Phys. Rev. A 68 043816 (2003)].


42 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

Der Hamilton-Operator des Gesamtsystems kann somit (bis auf die hier<br />

unwichtige Nullpunktsenergie) in der Form<br />

∫<br />

Ĥ =<br />

d 3 r<br />

∫ ∞<br />

0<br />

dω ω ˆf † (r, ω) · ˆf(r, ω) (1.199)<br />

angegeben werden.<br />

1.4 Wechselwirkung mit atomaren Systemen<br />

Im Falle der Wechselwirkung des elektromagnetischen Feldes mit Ladungen<br />

und Strömen lauten die Maxwell-Gleichungen<br />

∇ · B =0, ∇ × E = −Ḃ, (1.200)<br />

wobei für punktförmige Teilchen<br />

∇ · E = 1 ρ, ∇ × B = µ 0 j + 1 Ė, (1.201)<br />

ε 0 c2 ρ(r) = ∑ α<br />

Q α δ(r − r α ) (1.202)<br />

und<br />

j(r) = ∑ α<br />

Q α ṙ α δ(r − r α ) (1.203)<br />

gilt. Mit den Potentialansätzen (1.51) und (1.52) kann wieder gesichert<br />

werden, daß die Gleichungen (1.200) erfüllt sind.<br />

Minimale Kopplung<br />

Beschränken wir uns auf nichtrelativistische materielle Systeme wie<br />

Atome und Moleküle unter üblichen Laborbedingungen, dann können<br />

wir als Bewegungsgleichungen für die Punktladungen die Newtonschen


1.4. WECHSELWIRKUNG MIT ATOMAREN SYSTEMEN 43<br />

Bewegungsgleichungen zugrunde legen. Diese sowie die aus (1.201) resultierenden<br />

Gleichungen für die Potentiale lassen sich aus folgender<br />

Lagrange-Funktion herleiten:<br />

∫<br />

L = 1 2<br />

d 3 r<br />

[ε 0 (Ȧ + ∇ϕ)2 − 1 ]<br />

(∇ × A) 2<br />

µ 0<br />

∑<br />

∫<br />

m α ṙ 2 α + d 3 r (j · A − ρϕ). (1.204)<br />

+ 1 2<br />

Verwenden wir wieder die Coulomb-Eichung,<br />

α<br />

∇ · A =0, (1.205)<br />

so genügt das skalare Potential der Poisson-Gleichung<br />

∆ϕ = − 1 ε 0<br />

ρ, (1.206)<br />

d.h., ϕ ist ein Funktional von ρ und repräsentiert keinen zusätzlichen<br />

Freiheitsgrad des Systems. Die Lagrange-Funktion (1.204) kann dann<br />

wie folgt aufgeschrieben werden:<br />

∫<br />

L = 1 d 3 r<br />

[ε<br />

2<br />

0 Ȧ 2 − 1 ]<br />

(∇ × A) 2<br />

µ 0<br />

∑<br />

∫<br />

m α ṙ 2 α − W Coul + d 3 r j · A<br />

+ 1 2<br />

α<br />

(1.207)<br />

wobei<br />

W Coul = 1 2<br />

∫<br />

d 3 r ρϕ (1.208)<br />

die Coulomb-Energie bedeutet.<br />

Aus (1.207) kann dann auf dem üblichen Weg die Hamilton-<br />

Funktion konstruiert werden,<br />

∫<br />

H p α · ṙ α + d 3 r Π · Ȧ − L<br />

= ∑ α<br />

∑<br />

∫<br />

= 1 2<br />

m α ṙ 2 α + W Coul + 1 2<br />

α<br />

d 3 r<br />

[ε 0 Ȧ 2 + 1 µ 0<br />

(∇ × A) 2 ]<br />

,<br />

(1.209)


44 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

in der ṙ α und Ȧ zugunsten der kanonisch konjugierten Variablen zu<br />

eliminieren sind. Es ist leicht zu sehen, daß das zu A kanonisch konjugierte<br />

Feld Π wie im wechselwirkungsfreien Fall<br />

Π = δL<br />

δȦ = ε 0 Ȧ (1.210)<br />

lautet, während die zu den Teilchenkoordinaten r α kanonisch konjugierten<br />

Impulse p α auf Grund des Stromterms<br />

p α = ∂L<br />

∂ṙ α<br />

= m α ṙ α + Q α A(r α ) (1.211)<br />

lauten. Wir verwenden (1.210) und (1.211) und können die Hamilton-<br />

Funktion (1.209) in der Form<br />

H = 1 2<br />

∑<br />

α<br />

1 [<br />

pα − Q α A(r α ) ] ∫<br />

2<br />

+ WCoul + 1<br />

m<br />

2<br />

α<br />

aufschreiben und wie folgt zerlegen:<br />

[ 1<br />

d 3 r Π 2 + 1 ]<br />

(∇ × A) 2<br />

ε 0 µ 0<br />

(1.212)<br />

H = H P + H F + H PF , (1.213)<br />

H P – übliche Hamilton-Funktion geladener Teilchen mit Coulomb-<br />

Wechselwirkung:<br />

H P = ∑ α<br />

p 2 α<br />

2m α<br />

+ W Coul (1.214)<br />

H F –Hamilton-FunktiondesfreienStrahlungsfeldes:<br />

H F = 1 2<br />

∫<br />

[ 1<br />

d 3 r Π 2 + 1 ]<br />

(∇ × A) 2<br />

ε 0 µ 0<br />

(1.215)


1.4. WECHSELWIRKUNG MIT ATOMAREN SYSTEMEN 45<br />

H PF –Wechselwirkungsterm:<br />

H PF = H (1)<br />

PF + H(2) PF<br />

(1.216)<br />

H (1)<br />

PF = − ∑ α<br />

Q α<br />

m α<br />

p α · A(r α ) (1.217)<br />

H (2)<br />

PF = ∑ α<br />

Q 2 α<br />

2m α<br />

A 2 (r α ) (1.218)<br />

Der obige kanonische Formalismus kann sofort in die Quantentheorie<br />

übersetzt werden, indem die kanonisch konjugierten Variablen als<br />

Operatoren angesehen werden,<br />

r α , p α , A, Π ↦→ ˆr α , ˆp α , Â, ˆΠ, (1.219)<br />

die den bekannten (gleichzeitigen) Vertauschungsregeln für kanonisch<br />

konjugierte Variablen genügen. Aus der Hamilton-Funktion H wird der<br />

Hamilton-Operator Ĥ, dersichaus(1.212)–(1.216)einfachdurchdie<br />

Ersetzungen (1.219) ergibt. 8<br />

Betrachten wir den Fall der Wechselwirkung des elektromagnetischen<br />

Feldes mit einem Atom, und konzentrieren wir uns zunächst auf<br />

den im Vektorpotential linearen Term (1.217) in (1.216),<br />

Ĥ (1)<br />

PF<br />

↦→ Ĥ(1)<br />

AF = − ∑ α<br />

Q α<br />

m α<br />

ˆp α · Â(ˆr α). (1.220)<br />

Die α-Summe läuft hier über die Elektronen und den Kern des betrachteten<br />

Atoms. Wir führen Massenmittelpunkts- und Relativkoordinaten<br />

ein, 9 ˆr α = ˆr A + ˆr ′ α, (1.221)<br />

8 Die Einbeziehung von (dispersiven und absorptiven) linearen Medien erfordert die Ersetzung des<br />

Hamilton-Operators des freien Strahlungsfeldes durch (1.199) und die Hinzunahme der Coulomb-<br />

Wechselwirkung der geladenen Teilchen mit dem Medium;sieheKapitel8,Gleichungen(8.1)–<br />

(8.5).<br />

9 Man beachte, daß im Falle von N Teilchen wegen ∑ α m αˆr ′ α =0 nur N − 1 (vektorielle) Relativkoordinaten<br />

ˆr ′ α (und Relativimpulse ˆp ′ α)unabhängige Variablen darstellen.


46 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

ˆp α = m α<br />

m ˆp A + ˆp ′ α , (1.222)<br />

so daß (1.220) in der Form<br />

Ĥ (1)<br />

AF = − ∑ α<br />

geschrieben werden kann.<br />

Elektrische Dipolnäherung<br />

Q<br />

(<br />

α mα<br />

)<br />

m α m ˆp A + ˆp ′ α · Â(ˆr A+ˆr ′ α) (1.223)<br />

 k (ˆr + ˆr ′ α) =<br />

∑ l,m,n<br />

1<br />

l!m!n!<br />

∂ l+m+n  k (ˆr)<br />

∂ˆx l 1 ∂ˆxm 2 ∂ˆxn 3<br />

(ˆx ′ α1) l (ˆx ′ α2) m (ˆx ′ α3) n<br />

= Âk(ˆr)+Âk,j(ˆr)ˆx ′ αj<br />

+ ··· , (1.224)<br />

d.h.<br />

 k (ˆr + ˆr ′ α ) ≈ Âk(ˆr), (1.225)<br />

vorausgesetzt daß die Auslenkungen der Elektronen durch das Strahlungsfeld<br />

klein sind im Vergleich zur charakteristischen Wellenlänge des<br />

Feldes – eine Bedingung, die für optische Felder in der Regel sehr gut<br />

erfüllt ist. In Dipolnäherung nimmt also (1.223) die Gestalt<br />

Ĥ (1)<br />

AF = − ∑ α<br />

an, woraus für neutrale Atome<br />

Q<br />

(<br />

α mα<br />

)<br />

m α m ˆp A + ˆp ′ α · Â(ˆr A) (1.226)<br />

Ĥ (1)<br />

AF = − ∑ α<br />

Q α<br />

m α<br />

ˆp ′ α · Â(ˆr A) (1.227)<br />

folgt, bzw. mit der Modenentwicklung (1.127)<br />

Ĥ (1)<br />

AF = − ∑ λ<br />

∑<br />

α<br />

Q α<br />

m α<br />

A λ (ˆr A ) · ˆp ′ α âλ +h.c.. (1.228)<br />

Kann die Massenmittelpunktsbewegung unberücksichtigt bleiben, ist<br />

ˆr A einfach durch die feste c-Zahl-Position des Atoms zu ersetzen


1.4. WECHSELWIRKUNG MIT ATOMAREN SYSTEMEN 47<br />

(ˆr A ↦→ r A ), so daß die Modenfunktionen in (1.228) nicht mehr von<br />

den dynamischen Variablen abhängen, sondern nur noch als die Kopplungsstärken<br />

bestimmende Parameter in den Wechselwirkungsoperator<br />

eingehen:<br />

Ĥ (1)<br />

AF = − ∑ ∑ Q α<br />

A λ (r A ) · ˆp ′ α<br />

m âλ +h.c.. (1.229)<br />

λ α α<br />

Mit Hilfe der Relation<br />

[ˆr<br />

′<br />

α , ĤA]<br />

= i<br />

∂ĤA<br />

∂ ˆp ′ α<br />

= i<br />

m α<br />

ˆp ′ α (1.230)<br />

(ĤP ↦→ ĤA –Hamilton-OperatordesAtoms),kann(1.229)indieForm<br />

Ĥ (1)<br />

AF = i <br />

∑<br />

A λ (r A ) · [ˆd, Ĥ A<br />

]âλ +h.c. (1.231)<br />

λ<br />

gebracht werden, wobei<br />

ˆd = ∑ α<br />

Q αˆr ′ α (1.232)<br />

der atomare Dipoloperator ist. Wir führen die atomaren Flip-<br />

Operatoren Ânm ein,<br />

 nm = |n〉〈m|, Ĥ A |n〉 = ω n |n〉, (1.233)<br />

und können den Wechselwirkungsoperator (1.231) wie folgt darstellen:<br />

Ĥ (1)<br />

AF = −i ∑ n,m<br />

∑<br />

ω nm d nm·A λ (r A ) Ânmâ λ +h.c.<br />

λ<br />

= −i ∑ n,m<br />

ω nm d nm·Â(+) (r A )Ânm +h.c. (1.234)<br />

(d nm = 〈n|ˆd|m〉, ω nm = ω n − ω m ). Speziell für Resonanzübergänge<br />

(ω nm ≈ ω λ )findenwir<br />

Ĥ (1)<br />

AF = − ∑ n,m<br />

d nm·Ê(+) (r A )Ânm +h.c.. (1.235)


48 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

Eine solche Resonanznäherung wird auch als Rotating Wave Approximation<br />

bezeichnet.<br />

Wenn nur die inneratomare Dynamik von Interesse ist und man<br />

es mit resonanter Wechselwirkung gebundener atomarer Zustände mit<br />

optischen Feldern zu tun hat, deren elektrische Feldstärke kleiner als<br />

die sogenannte inneratomare Feldstärke (∼ 10 10 Vm −1 )ist,reichtesin<br />

vielen Fällen aus, nur den im Vektorpotential linearen Term (1.217) in<br />

(1.216) zu berücksichtigen und näherungsweise<br />

zu setzen.<br />

Multipolkopplung<br />

Ĥ AF = Ĥ(1) AF<br />

(1.236)<br />

Für die Behandlung der Wechselwirkung atomarer Systeme mit dem<br />

elektromagnetischen Feld haben sich die Begriffe PolarisationundMagnetisierung<br />

als äußerst nützlich erwiesen. Wir betrachten ein neutrales<br />

atomares System am (festen) Ort r A und definieren die Polarisation als<br />

P(r) = ∑ α<br />

∫ 1<br />

0<br />

dλ Q α r α δ(r − r A − λr α ) (1.237)<br />

(r α − r A ↦→ r α ). Die Rechnung zeigt, daß<br />

−∇ · P = ρ (1.238)<br />

mit ρ gemäß (1.202) gilt. Mittels (1.238) eliminieren wir in der Maxwell-<br />

Gleichung<br />

ε 0 ∇ · E = ρ (1.239)<br />

die (mikroskopische) Ladungsdichte ρ(r) underhalten<br />

∇ · D(r) =0, (1.240)<br />

wobei<br />

D = ε 0 E + P (1.241)


1.4. WECHSELWIRKUNG MIT ATOMAREN SYSTEMEN 49<br />

das Verschiebungsfeld bedeutet, das im Falle eines neutralen Atoms<br />

natürlich quellenfrei und somit rein transversal ist, 10<br />

und (1.241) folglich<br />

D ‖ =0, D = D ⊥ , (1.242)<br />

ε 0 E ‖ = −P ‖ (1.243)<br />

impliziert. Zeitliche Differentiation von (1.238) liefert<br />

so daß wegen der Kontinuitätsgleichung<br />

die Relation<br />

˙ρ + ∇ · Ṗ =0, (1.244)<br />

˙ρ + ∇ · j =0 (1.245)<br />

∇ · (j − Ṗ) =0 (1.246)<br />

gilt, d.h., j − Ṗ muß sich als Rotation eines Vektorfeldes darstellen<br />

lassen,<br />

j − Ṗ = ∇ × M. (1.247)<br />

Die Rechnung zeigt, daß dies mit<br />

M(r) = ∑ α<br />

∫ 1<br />

0<br />

dλ Q α λr α × ṙ α δ(r − r A − λr α ) (1.248)<br />

der Fall ist.<br />

Bekanntlich kann zu der Lagrange-Funktion eines Systems die totale<br />

zeitliche Ableitung einer beliebigen Koordinatenfunktion addiert<br />

werden, ohne die Bewegungsgleichungen zu ändern. Wir legen die<br />

Coulomb-Eichung zugrunde und addieren zu der Lagrange-Funktion<br />

(1.207),<br />

L = L 0 + L int , (1.249)<br />

10 Beachte, daß es sich hier um das mikroskopische Verschiebungsfeld und nicht das (räumlich<br />

gemittelte) Verschiebungsfeld in den üblichen makroskopischen Maxwell-Gleichungen handelt.


50 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

∫<br />

L 0 = 1 2<br />

d 3 r<br />

[ε 0 Ȧ 2 − 1 ]<br />

(∇ × A) 2<br />

µ 0<br />

∫<br />

∫<br />

L int = d 3 r j · A =<br />

+ 1 2<br />

∑<br />

m α ṙ 2 α − W Coul , (1.250)<br />

α<br />

d 3 r j ⊥ · A, (1.251)<br />

die totale zeitliche Ableitung der Funktion<br />

∫<br />

∫<br />

F = − d 3 r P · A = −<br />

d 3 r P ⊥ · A (1.252)<br />

und erhalten für die neue Lagrange-Funktion<br />

L ′ = L + dF<br />

dt = L 0 + L ′ int, (1.253)<br />

L ′ int = L int + dF ∫<br />

∫<br />

dt = d 3 r j · A − d 3 r (Ṗ · A + P · Ȧ). (1.254)<br />

Wir berücksichtigen (1.247) und schreiben (1.254) in der Form<br />

∫<br />

∫<br />

L ′ int = d 3 r (∇ × M) · A − d 3 r P · Ȧ (1.255)<br />

bzw.:<br />

∫<br />

L ′ int =<br />

∫<br />

d 3 r M · (∇ × A) −<br />

d 3 r P · Ȧ (1.256)<br />

Wir ersetzen in (1.256) die Potentialausdrücke durch die Felder,<br />

∇ × A = B, −Ȧ = E⊥ , (1.257)<br />

und sehen, daß der Wechselwirkungsterm bei multipolarer Kopplung<br />

physikalisch<br />

∫<br />

L ′ int =<br />

∫<br />

d 3 r M · B +<br />

d 3 r P · E ⊥ (1.258)


1.4. WECHSELWIRKUNG MIT ATOMAREN SYSTEMEN 51<br />

bedeutet. Machen wir noch Gebrauch von (1.237) und (1.248), so ergibt<br />

sich<br />

L ′ int = ∑ α<br />

∫ 1<br />

0<br />

+ ∑ α<br />

dλλQ α ṙ α · [B(r A +λr α ) × r α ]<br />

∫ 1<br />

0<br />

dλ Q α r α · E ⊥ (r A +λr α ). (1.259)<br />

Die Lagrange-Funktion L ′ führt auf die kanonisch konjugierten Impulse<br />

∫ 1<br />

p ′ α = ∂L′ = m α ṙ α + dλλQ α B(r A +λr α ) × r α , (1.260)<br />

∂ṙ α 0<br />

Π ′ = δ− L ′<br />

δ−<br />

Ȧ = ε 0Ȧ − P⊥ = −ε 0 E ⊥ − P ⊥ = −D ⊥ . (1.261)<br />

Speziell für neutrale Systeme gilt wegen (1.242)<br />

Π ′ = −D. (1.262)<br />

Wir konstruieren die Hamilton-Funktion<br />

H ′ = ∑ ∫<br />

p ′ α · ṙ α + d 3 r Π ′ · Ȧ − L′ . (1.263)<br />

α<br />

Ohne die Rechnung im einzelnen auszuführen, ist klar, daß<br />

∑<br />

∫<br />

H ′ = H = 1 2<br />

m α ṙ 2 α + W Coul + 1 2<br />

d 3 r<br />

[ε 0 Ȧ 2 + 1 ]<br />

(∇ × A) 2<br />

µ 0<br />

α<br />

(1.264)<br />

gilt und sich gemäß (1.260) und (1.261) nur die kanonischen Impulse<br />

ändern, d.h.,<br />

H = 1 2<br />

∑<br />

α<br />

[ ∫<br />

1<br />

1<br />

p ′ α<br />

m − α<br />

+ 1 2<br />

0<br />

∫<br />

dλλQ α B(r A +λr α ) × r α<br />

] 2<br />

+ W Coul<br />

d 3 r<br />

[ 1<br />

ε 0<br />

(Π ′ + P ⊥ ) 2 + 1 µ 0<br />

(∇ × A) 2 ]<br />

(1.265)


52 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

und folglich:<br />

∑<br />

{ ∫<br />

H = 1 1<br />

1<br />

2<br />

p ′ α<br />

m − [<br />

dλλQ α ∇ × A(rA +λr α ) ] } 2<br />

× r α<br />

α α 0<br />

+ 1 ∫<br />

∫ [ 1<br />

d 3 r P 2 + 1<br />

2ε<br />

2<br />

d 3 r Π ′2 + 1 ]<br />

(∇ × A) 2<br />

0 ε 0 µ 0<br />

+ 1 ε 0<br />

∑<br />

α<br />

∫ 1<br />

0<br />

dλ Q α r α · Π ′ (r A +λr α )<br />

Hier wurde berücksichtigt, daß<br />

W Coul = ε ∫<br />

0<br />

dr 3 E ‖2 = 1 ∫<br />

2<br />

2ε 0<br />

(1.266)<br />

dr 3 P ‖2 (1.267)<br />

sowie P ‖2 + P ⊥2 = P 2 gilt.<br />

Der Übergang zur Quantentheorie kann nun wieder wie üblich geschehen,<br />

indem die kanonisch konjugierten Variablen durch Operatoren<br />

mit den bekannten Vertauschungsregeln ersetzt werden,<br />

r α , p ′ α , A, Π′ ↦→ ˆr α , ˆp ′ α , Â, ˆΠ ′ , (1.268)<br />

und obige Hamilton-Funktion H in den Hamilton-Operator Ĥ übergeht.<br />

Im Gegensatz zur minimalen Kopplung tritt in (1.266) das Vektorpotential<br />

als solches nicht mehr auf, sondern nur noch in Form der<br />

in den Maxwell-Gleichungen auftretenden Felder.<br />

Der Übergang von den alten zu den neuen Variablen ist eine kanonische<br />

Transformation und entspricht in der Quantentheorie einer<br />

unitären Transformation, der Power-Zienau-Transformation,<br />

ˆr ′ α = Ûˆr αÛ † = ˆr α , ˆp ′ α = Û ˆp αÛ † , (1.269)<br />

[ ∫ i<br />

Û =exp<br />

<br />

 ′ = ÛÂÛ † = Â, ˆΠ′ = Û ˆΠÛ † , (1.270)<br />

] [<br />

d 3 r ˆP · Â i ∑<br />

∫ ]<br />

1<br />

=exp dλ Q α ˆr α ·<br />

<br />

Â(r A+λˆr α ) .<br />

α 0<br />

(1.271)


1.4. WECHSELWIRKUNG MIT ATOMAREN SYSTEMEN 53<br />

Elektrische Dipolnäherung<br />

Der Hamilton-Operator gemäß (1.266) zeichnet sich nicht nur dadurch<br />

aus, daß er effektiv nur die in den Maxwell-Gleichungen auftretenden<br />

Felder enthält, sondern eine systematische Multipolentwicklung der<br />

Wechselwirkung atomarer Systeme mit dem Strahlungsfeld gestattet.<br />

Zu diesem Zweck sind das Induktionsfeld ˆB(r A +λˆr α )unddasVerschiebungsfeld<br />

ˆD ⊥ (r A + λˆr α )durchihreTaylor-Entwicklungenzuersetzen.<br />

Beschränken wir uns auf die elektrische Dipolnäherung, so geht der<br />

Hamilton-Operator (1.266) in<br />

Ĥ = ∑ ˆp ′ α 2<br />

+ 1 ∫<br />

dr 3 ˆP2<br />

2m<br />

α α 2ε 0<br />

∫ [ 1<br />

d 3 r<br />

ε ˆΠ′2 + 1 ]<br />

(∇ ×<br />

0 µ Â)2 + 1 ˆd ·<br />

0 ε ˆΠ′ (r A ) (1.272)<br />

0<br />

+ 1 2<br />

über, wobei ˆd der atomare Dipoloperator gemäß (1.232) ist. In (elektrischer)<br />

Dipolnäherung lautet der Wechselwirkungsoperator somit<br />

Ĥ int = 1 ε 0<br />

ˆd · ˆΠ′ (r A )=− 1 ε 0<br />

ˆd · ˆD⊥ (r A ). (1.273)<br />

Die Verallgemeinerung für den Fall mehrerer wohl unterscheidbarer atomarer<br />

Systeme ist unschwer zu vollziehen,<br />

Ĥ = ∑ A<br />

Ĥ A + ∑ A,A ′<br />

A≠A ′ Ĥ AA<br />

′ , (1.274)<br />

wobei Ĥ A gemäß (1.272) definiert ist und<br />

Ĥ AA<br />

′ = 1 ∫<br />

d 3 r<br />

2ε ˆP A · ˆP A<br />

′ (1.275)<br />

0<br />

gilt.<br />

Anmerkungen<br />

• Um den ”<br />

richtigen“ Wechselwirkungsterm in Dipolnäherung gibt<br />

es bis heute Diskussionen. Aus den obigen Darlegungen ist ersichtlich,<br />

daß die Hamilton-Operatoren für minimale Kopplung


54 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG<br />

und Multipolkopplung physikalisch die gleichen sind und sich nur<br />

insoweit unterscheiden, daß unterschiedliche kanonische Variablen,<br />

die über eine kanonische (sprich unitäre) Transformation<br />

miteinander in Beziehung stehen, verwendet werden. In (elektrischer)<br />

Dipolnäherung koppelt dann das Dipolmoment an den<br />

transversalen Anteil des Verschiebungsfeldes an und nicht – wie<br />

man immer wieder findet – an das transversale elektrische Feld.<br />

Im Gegensatz dazu kann die Power-Zienau-Transformation auf<br />

den Hamilton-Operator Ĥ in minimaler Kopplung angewendet<br />

werden,<br />

Ĥ ′ †<br />

= Û ĤÛ, (1.276)<br />

und ein neuer Hamilton-Operator Ĥ′ erzeugt werden. Schreibt<br />

man diesen in den kanonischen Variablen der minimalen Kopplung<br />

auf, so stellt man fest, daß nunmehr in (elektrischer) Dipolnäherung<br />

das Dipolmoment an das transversale elektrische<br />

Feld koppelt, d.h., der Wechselwirkungsterm ist formal −ˆd ·<br />

Ê ⊥ (r A ). Für Erwartungswerte muß bekanntlich<br />

mit<br />

〈Ψ|Ô(t)|Ψ〉 = 〈Ψ′ | Ô′ (t)|Ψ ′ 〉 (1.277)<br />

|Ψ ′ 〉 = Û † |Ψ〉, Ô ′ (t) =e i Ĥ′ t Ô ′ e − i Ĥ′t , Ô ′ = Û † ÔÛ (1.278)<br />

gelten. Damit sich die Erwartungswerte nicht ändern, müssen also<br />

sowohl die Operatoren als auch die Zustände unitär transformiert<br />

werden. In Dipolnäherung gilt insbesondere<br />

ˆD ′⊥ (r A )=Û † ˆD⊥ (r A )Û = ɛ 0Ê⊥ (r A ) (1.279)<br />

Da die Heisenberg-Bewegungsgleichungen forminvariant unter<br />

der unitären Transformation bleiben, genügt folglich der Operator<br />

der elektrischen Feldstärke einer Bewegungsgleichung vom<br />

Typ der Gleichung für das Verschiebungsfeld. Wird der Hamilton-<br />

Operator der minimalen Kopplung unitär transformiert und der<br />

resultierende Hamilton-Operator (der Multipolkopplung) in Verbindung<br />

mit den untransformierten Feldern und Zuständen verwendet,<br />

liefern minimale Kopplung und Multipolkopplung unterschiedliche<br />

Ergebnisse, wenn die unterschiedliche physikalische<br />

Bedeutung der kanonischen Feldimpulse nicht beachtet wird.


1.4. WECHSELWIRKUNG MIT ATOMAREN SYSTEMEN 55<br />

• Das Gegenüberstellen der Begriffe minimale Kopplung und Multipolkopplung<br />

ist etwas irreführend, da beide sich nur in der Wahl<br />

der kanonisch konjugierten Impulse unterscheiden. Während sich<br />

bei der minimalen Kopplung allein die kinetischen und kanonischen<br />

Impulse der Teilchen unterscheiden, unterscheiden sich bei<br />

der Multipolkopplung auch der ”<br />

kinetische“ Feldimpuls ˆΠ = ε 0<br />

˙Â<br />

vom kanonischen Feldimpuls ˆΠ ′ .Insbesonderesindinder(elektrischen)<br />

Dipolnäherung die kinetischen Teilchenimpulse identisch<br />

mit den kanonischen Teilchenimpulsen, und die Änderung betrifft<br />

ausschließlich das Feld.


56 KAPITEL 1. FELDQUANTISIERUNG


Kapitel 2<br />

Quantenzustände des<br />

Strahlungsfeldes<br />

2.1 Fock-Zustände<br />

Wir gehen von einer geeigneten Modenentwicklung des Strahlungsfeldes<br />

aus und greifen eine Mode heraus (die Verallgemeinung auf Mehrmodenfelder<br />

kann dann durch entsprechende Produktzustände geschehen).<br />

Der Einfachheit halber lassen wir den Modenindex weg. Fock-Zustände<br />

sind als Eigenzustände des Anzahloperators<br />

definiert:<br />

ˆn =â † â (2.1)<br />

ˆn |n〉 = n |n〉 (2.2)<br />

Wir untersuchen zunächst die Wirkung von â l auf |n〉:<br />

folglich ist<br />

ˆnâ l |n〉 = ([ˆn, â l] +â lˆn ) |n〉, (2.3)<br />

[ˆn, ] â<br />

l<br />

= [ â † â, â l] = [ â † , â l] â +â [ † â, â l]<br />

} {{ } } {{ }<br />

−lâ l−1 0<br />

= −lâ l , (2.4)<br />

ˆnâ l |n〉 =(n − l)â l |n〉, (2.5)<br />

57


58 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

d.h.<br />

bzw.<br />

Völlig analog kann man zeigen, daß<br />

gilt. Mit (2.7) folgt dann<br />

〈n−l−1|n−l−1〉 = ∣ (−) c<br />

} {{ }<br />

≥ 0<br />

â l |n〉 ∼|n − l〉 (2.6)<br />

c (−)<br />

l,n âl |n〉 = |n − l〉. (2.7)<br />

c (+)<br />

l,n â†l |n〉 = |n + l〉 (2.8)<br />

1,n−l<br />

∣ 2 〈n−l|â † â|n−l〉 = ∣ (−)<br />

c ∣ 2 (n−l), (2.9)<br />

woraus (wegen der positiven Norm von Hilbert-Raum-Vektoren) ersichtlich<br />

ist, daß<br />

(n − l) ≥ 0 (2.10)<br />

1,n−l<br />

gelten muß, d.h., n muß eine nichtnegative ganze Zahl sein,<br />

n =0, 1, 2,... (2.11)<br />

Die Zustände |n〉 als Eigenzustände des Anzahloperators ˆn heißen Anzahlzustände<br />

oder Fock-Zustände, in Verbindung mit dem Strahlungsfeld<br />

auch Photonenanzahlzustände (photon number states). Die Tatsache,<br />

daß die Zahl der Photonen in einer Mode beliebig sein kann, widerspiegelt<br />

den bosonischen Charakter vonPhotonen.ImFallemonochromatischer<br />

Moden sind die Fock-Zustände gleichzeitig Eigenzustände<br />

des Hamilton-Operators<br />

Ĥ = ω (ˆn + 1 2)<br />

. (2.12)<br />

Die Quanten ω (im betrachteten Quantisierungsvolumen) repräsentieren<br />

dann Photonen scharfer Energie.<br />

Gemäß (2.8) kann ein Fock-Zustand |n〉 aus dem Vakuumzustand<br />

|0〉 durch n-maliges Anwenden des Erzeugungsoperators â † erhalten<br />

werden,<br />

|n〉 = c (+)<br />

n,0 â†n |0〉, (2.13)


2.1. FOCK-ZUSTÄNDE 59<br />

wobei wegen 〈n|n〉 =1<br />

1= ∣ ∣c (+)<br />

∣ 2 〈0|â n â †n |0〉 (2.14)<br />

gelten muß. Wir berechnen den Normierungsfaktor:<br />

n,0<br />

〈0|â n â †n |0〉 = 〈0|â n−1 ââ †n |0〉<br />

= 〈0|â [ n−1 â, â †n] |0〉 + 〈0|â n−1 â †n â|0〉 = n〈0|â<br />

}{{}<br />

n−1 â †n−1 |0〉,<br />

0<br />

(2.15)<br />

woraus (durch wiederholtes Anwenden)<br />

〈0|â n â †n |0〉 = n! (2.16)<br />

folgt. Damit wird mit (2.14)<br />

∣ (+)<br />

c ∣ 2 = 1 n! , (2.17)<br />

und (2.13) lautet:<br />

n,0<br />

|n〉 = 1 √<br />

n!<br />

â †n |0〉 (2.18)<br />

Wir wenden â † auf |n〉 aus (2.18) an,<br />

d.h.:<br />

â † |n〉 = 1 √<br />

n!<br />

â †n+1 |0〉 = √ n +1<br />

Analog liefert die Anwendung von â auf |n〉:<br />

1<br />

√ â †n+1 |0〉 , (2.19)<br />

(n +1)!<br />

} {{ }<br />

|n +1〉<br />

â † |n〉 = √ n +1|n +1〉 (2.20)<br />

â|n〉 = √ n |n − 1〉 (2.21)


60 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

Anwendung von â † auf |n〉 entspricht also der Erzeugung eines Photons,<br />

und Anwendung von â auf |n〉 entspricht der Vernichtung eines<br />

Photons.<br />

Die Fock-Zustände bilden ein vollständiges Orthonormalsystem und<br />

können als Basis des Hilbert-Raumes verwendet werden,<br />

〈n|m〉 = δ nm<br />

(2.22)<br />

∑<br />

|n〉〈n| = Î (2.23)<br />

n<br />

so daß sich jeder Zustand |Ψ〉 einer Strahlungsfeldmode nach Fock-<br />

Zuständen entwickeln läßt, 1<br />

|Ψ〉 = ∑ n<br />

|n〉〈n|Ψ〉. (2.24)<br />

Die Wahrscheinlichkeit, bei einer Photonenanzahlmessung genau n<br />

Photonen zu registrieren, ist dann durch<br />

prob n = |〈n|Ψ〉| 2 (2.25)<br />

gegeben.<br />

Photonenanzahl- und Feldstärkestatistik<br />

Für den Mittelwert und die Varianz einer Größe<br />

Ô gilt bekanntlich<br />

〈Ô〉 = 〈Ψ|Ô|Ψ〉 (2.26)<br />

und 〈<br />

(∆ Ô) 2〉 = 〈( Ô −〈Ô〉) 2〉<br />

=<br />

〈Ô2 〉 − 〈 Ô 〉 2<br />

. (2.27)<br />

Wenn sich die betrachtete Strahlungsfeldmode in einem Fock-Zustand<br />

befindet, |Ψ〉 = |n〉, unterliegtdiePhotonenanzahloffensichtlich keiner<br />

Schwankung,<br />

〈ˆn〉 = n, 〈(∆ˆn) 2 〉 =0. (2.28)<br />

1 Entsprechend gilt für gemischte Zustände ˆϱ = ∑ n,m<br />

|n〉〈m| 〈n|ˆϱ|m〉.


2.1. FOCK-ZUSTÄNDE 61<br />

Fock-Zustände repräsentieren den Extremfall der sub-Poisson-Photonenstatistik<br />

nichtklassischer Strahlung, d.h. Strahlung, deren Statistik<br />

prinzipiell nicht durch klassisch-statistische Modelle beschreibbar ist.<br />

Dazu sehen wir uns ganz allgemein die normalgeordnete Varianz 2<br />

〈:(∆ˆn) 2 :〉 = 〈â † â † ââ〉−〈ˆn〉 2<br />

= 〈â †( [â † , â] +ââ<br />

} {{ }<br />

†) â〉−〈ˆn〉 2 = 〈(∆ˆn) 2 〉−〈ˆn〉 ≥−〈ˆn〉 (2.29)<br />

−1<br />

an (: : – Normalordnungssymbol). Im Falle einer sub-Poisson-Statistik,<br />

muß also<br />

〈(∆ˆn) 2 〉 < 〈ˆn〉, (2.30)<br />

〈:(∆ˆn) 2 :〉 < 0 (2.31)<br />

gelten, d.h., die normalgeordnete Varianz muß negativ sein – ein Ergebnis,<br />

das im Rahmen klassisch-statistischer Modelle nicht beschreibbar<br />

ist. Das klassische Analogon zu (der meßbaren Größe) 〈: (∆ˆn) 2 :〉 ist<br />

offensichtlich 3 (∆|α| 2 ) 2 =<br />

∫<br />

( ) 2.<br />

d 2 α P cl (α) |α| 2 − |α| 2 (2.32)<br />

Es ist klar, daß für jede klassische Wahrscheinlichkeitsverteilung<br />

P cl (α) ≥ 0istundsomit<br />

(∆|α| 2 ) 2 ≥ 0 (2.33)<br />

gelten muß. Speziell im Falle von Fock-Zuständen nimmt die normalgeordnete<br />

Varianz 〈:(∆ˆn) 2 :〉 wegen 〈(∆ˆn) 2 〉 =0 den minimalen Wert<br />

an,<br />

〈:(∆ˆn) 2 :〉 = −〈ˆn〉. (2.34)<br />

Betrachten wir Feldstärken der Art<br />

ˆF = Câ + C ∗ â † , C = |C|e −iϕ . (2.35)<br />

2 Normalgeordnete Größen sind mit üblichen Photodetektoren direkt meßbar (Kapitel 4).<br />

3 Man ersetze â durch die c-Zahl α und entsprechend â † durch α ∗ und mittele mit einer klassischen<br />

Wahrscheinlichkeitsverteilung.


62 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

Ihr Mittelwert<br />

〈 ˆF 〉 = C〈â〉 + C ∗ 〈â † 〉 (2.36)<br />

verschwindet offensichtlich im Falle von Fock-Zuständen (|Ψ〉 = |n〉),<br />

Für die Varianz<br />

〈 ˆF 〉 =0. (2.37)<br />

〈(∆ ˆF ) 2 〉 = C 2 〈â 2 〉 + C ∗2 〈â †2 〉 + |C| 2 〈(ââ † +â † â)〉−〈ˆF 〉 2 (2.38)<br />

ergibt sich für Fock-Zustände<br />

〈(∆ ˆF ) 2 〉 = |C| 2 〈(ââ † +â † â)〉 = |C| 2 (2〈ˆn〉 +1). (2.39)<br />

Wir sehen, daß mit wachsender Photonenanzahl die Feldstärkeschwankung<br />

zunimmt und asymptotisch proportional zu dieser wird. Speziell<br />

für das Vakuumrauschen der Feldstärke gilt (|Ψ〉 = |0〉)<br />

Mehrmodenfelder<br />

〈(∆ ˆF ) 2 〉 = |C| 2 . (2.40)<br />

Im Falle eines in mehreren Moden angeregten Strahlungsfeldes erhält<br />

man die entsprechenden Fock-Zustände als direkte Produkte<br />

der 1-Moden-Fock-Zustände mit<br />

|n 1 ,n 2 ,...〉 = |n 1 〉⊗|n 2 〉⊗··· (2.41)<br />

ˆn λ |n λ 〉 = n λ |n λ 〉. (2.42)<br />

Die Zustände (2.41) sind offensichtlich Eigenzustände des Operators<br />

der Gesamtanzahl von Photonen,<br />

ˆN = ∑ λ<br />

ˆn λ , (2.43)<br />

ˆN|n 1 ,n 2 ,...〉 = N|n 1 ,n 2 ,...〉, (2.44)<br />

N = ∑ λ<br />

n λ . (2.45)


2.2. GLAUBER-ZUSTÄNDE 63<br />

Im Falle von monochromatischen Moden sind diese Zustände auch<br />

Energieeigenzustände mit Energien 4<br />

E = ∑ λ<br />

ω λ n λ . (2.46)<br />

2.2 Glauber-Zustände<br />

Betrachten wir zunächst wieder den Fall eines 1-Moden-Feldes. Unterwerfen<br />

wir â und |n〉 einer unitären Transformation,<br />

so gilt offensichtlich<br />

â ′ = ÛâÛ † , (2.47)<br />

|n〉 ′ = Û|n〉, (2.48)<br />

ˆn ′ |n〉 ′ = n|n〉 ′ , (2.49)<br />

â ′† |n〉 ′ = √ n +1|n +1〉 ′ , (2.50)<br />

â ′ |n〉 ′ = √ n |n − 1〉 ′ . (2.51)<br />

Die transformierten Operatoren â ′ und â ′† sind wieder bosonische<br />

Vernichtungs- und Erzeugungsoperatoren, so daß ˆn ′ =â ′† â ′ wieder ein<br />

Anzahloperator ist, dessen Eigenzustände gerade die transformierten<br />

Zustände |n〉 ′ sind. Es ist klar, daß sich die physikalischen Eigenschaften<br />

der Zustände |n〉 ′ wesentlich von denen der Zustände |n〉 unterscheiden<br />

können, und zwar in Abhängigkeit von der jeweils gewählten<br />

unitären Transformation Û.<br />

Wir wählen als unitäre Transformation die kohärente Verschiebung:<br />

Û ≡ ˆD(α) =e α↠−α ∗ â (2.52)<br />

Der Operator ˆD(α) heißtauchkohärenter Verschiebungsoperator; α ist<br />

eine beliebige komplexe Zahl. Stellt der Kommutator zweier Operatoren<br />

 und ˆB eine c-Zahl dar,<br />

4 Vom Vakuumniveau aus gezählt.<br />

[Â, ˆB] =c-Zahl, (2.53)


64 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

so gilt bekanntlich<br />

eÂ+ ˆB = e − 1 2 [Â, ˆB] eÂe ˆB. (2.54)<br />

Mit Hilfe dieser Relation ist leicht zu sehen, daß der kohärente Verschiebungsoperator<br />

in Normal- und Antinormalordnung wie folgt lautet:<br />

Normalordnung: ˆD(α) =e<br />

− 1 2 |α|2 e α↠e −α∗â, (2.55)<br />

Antinormalordnung: ˆD(α) =e<br />

1<br />

2 |α|2 e −α∗âe α↠. (2.56)<br />

Wir berechnen â ′ und finden zunächst<br />

Nun gilt<br />

d.h.<br />

woraus<br />

â ′ = ˆD(α)â ˆD † (α) =e α↠e<br />

−α∗ââe α∗âe−αâ†<br />

= e α↠âe −α↠≡ â(α). (2.57)<br />

dâ(α)<br />

dα<br />

= eα↠⠆ âe −α↠− e α↠ââ † e −αâ†<br />

= e [↠α↠, â ]<br />

e −α↠, (2.58)<br />

} {{ }<br />

−1<br />

dâ(α)<br />

dα<br />

folgt. Mit der ”<br />

Anfangsbedingung“<br />

finden wir also:<br />

= −1, (2.59)<br />

â(α) =−α + ˆb (2.60)<br />

â(0) = â ❀ ˆb =â (2.61)<br />

â ′ =â(α) = ˆD(α)â ˆD † (α) =â − α (2.62)<br />

Die unitäre Transformation bewirkt also eine Verschiebung von â um<br />

die komplexe Zahl −α.


2.2. GLAUBER-ZUSTÄNDE 65<br />

Die Zustände<br />

|n〉 ′ = |n, α〉 = ˆD(α)|n〉 (2.63)<br />

heißen kohärent verschobene Fock-Zustände bzw. kohärent verschobene<br />

Anzahlzustände. Sie sind Eigenzustände des kohärent verschobenen<br />

Anzahloperators,<br />

ˆn ′ =ˆn(α) =â † (α)â(α) = ( â † − α ∗) (â − α) , (2.64)<br />

ˆn(α)|n, α〉 = n|n, α〉. (2.65)<br />

Speziell für α =0, erhalten wir die gewöhnlichen Fock-Zustände,<br />

|n, α =0〉 = |n〉.<br />

Die Zustände, die sich ergeben, wenn umgekehrt n =0 gesetzt und<br />

α als Variable betrachtet wird, heißen Glauber-Zustände oder auch<br />

kohärente Zustände:<br />

|α〉 = |0, α〉 = ˆD(α)|0〉 (2.66)<br />

Wegen<br />

[siehe (2.51) mit n =0] wird mit (2.62)<br />

â(α)|0, α〉 =0 (2.67)<br />

(â − α)|0, α〉 =0 ❀ â|0, α〉 = α|0, α〉, (2.68)<br />

d.h., die Glauber-Zustände sind rechtsseitige Eigenzustände des Vernichtungsoperators,<br />

â|α〉 = α|α〉 (2.69)<br />

Wie aus (2.66) leicht zu sehen ist, sind sie auf 1 normiert,<br />

〈α|α〉 =1. (2.70)


66 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

Wir wollen die Frage nach der Wirkung von â † auf |α〉 beantworten:<br />

d.h.:<br />

â † |α〉 =â † ˆD(α)|0〉<br />

=â † e − 1 2 |α|2 e α↠e −α∗â|0〉<br />

=â † e (− 1 2 α∗ +â †)α e −α∗â|0〉<br />

( ) ∂<br />

=<br />

∂α + α∗<br />

e (− 1 2 α∗ +â †)α e −α∗â|0〉 , (2.71)<br />

2 } {{ }<br />

|α〉<br />

â † |α〉 =<br />

( ) ∂<br />

∂α + α∗<br />

|α〉 (2.72)<br />

2<br />

Entsprechend gilt:<br />

( ∂<br />

〈α|â = 〈α|<br />

∂α ∗<br />

←−<br />

+ α 2<br />

)<br />

(2.73)<br />

Glauber-Zustände können wie alle anderen Zustände nach Fock-<br />

Zuständen entwickelt werden:<br />

|α〉 = ∑ n<br />

|n〉〈n|α〉, (2.74)<br />

〈n|α〉 = 〈n| ˆD(α)|0〉<br />

= e − 1 2 |α|2 〈n|e α↠e −α∗â|0〉<br />

= e − 1 2 |α|2 〈n|e α↠|0〉<br />

= e − 1 αn<br />

2<br />

|α|2<br />

n! 〈n|â†n |0〉<br />

= e − 1 αn 1<br />

2<br />

|α|2<br />

√ 〈n| √ â †n |0〉 , (2.75)<br />

n!<br />

} n!<br />

{{ }<br />

|n〉


2.2. GLAUBER-ZUSTÄNDE 67<br />

d.h.:<br />

〈n|α〉 = αn<br />

√<br />

n!<br />

e − 1 2 |α|2 (2.76)<br />

Das Ergebnis läßt sich unschwer auf kohärent verschobene Fock-Zustände<br />

verallgemeinern:<br />

〈n|m, α〉 = 〈n| ˆD(α)|m〉 = e − 1 2 |α|2 √<br />

n!m!<br />

min(n,m)<br />

∑<br />

×<br />

l=0<br />

(−1) m−l α ∗(m−l) α (n−l)<br />

l!(n − l)!(m − l)!<br />

. (2.77)<br />

Die Tatsache, daß die Glauber-Zustände (rechtsseitige) Eigenvektoren<br />

eines nicht hermiteschen Operators sind, hat einige ungewöhnliche<br />

Eigenschaften zur Folge. So sind sie nicht nur nicht orthogonal, sondern<br />

sie sind auch übervollständig. Wie wollen zunächst das Skalarprodukt<br />

〈α|β〉 berechnen. Aus<br />

( ∂<br />

〈α|â|β〉 = β〈α|β〉 =<br />

∂α + α )<br />

〈α|β〉 (2.78)<br />

∗ 2<br />

[vgl. (2.73)] finden wir für 〈α|β〉 die Differentialgleichung<br />

deren Lösung offensichtlich<br />

lautet. Mit der ”<br />

Anfangsbedingung“<br />

erhalten wir also<br />

∂<br />

∂α ∗〈α|β〉 = ( β − 1 2 α) 〈α|β〉, (2.79)<br />

〈α|β〉 = A exp [( β − 1 2 α) α ∗] (2.80)<br />

1=〈β|β〉 = Ae 1 2 |β|2 ❀ A = e − 1 2 |β|2 (2.81)<br />

〈α|β〉 =exp [ − 1 2<br />

(<br />

|α| 2 + |β| 2) + α ∗ β ] (2.82)


68 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

bzw.<br />

woraus insbesondere<br />

〈α|β〉 =exp [ − 1 2 |α − β|2 + 1 2 (α∗ β − αβ ∗ ) ] , (2.83)<br />

|〈α|β〉| 2 = e −|α−β|2 (2.84)<br />

folgt. Wir sehen, daß die Zustände |α〉 und |β〉, α ≠ β, nichtorthogonal<br />

sind. Sie können näherungsweise als orthogonal angesehen werden,<br />

falls der Abstand der Punkte α und β in der komplexen Ebene – dem<br />

Phasenraum – hinreichend groß ist,<br />

〈α|β〉 ≈0 für |α − β| ≫ 1. (2.85)<br />

Jeder Zustand |Ψ〉kann nach Glauber-Zuständen entwickelt werden.<br />

Um dies zu zeigen, berechnen wir<br />

∫<br />

d 2 α |α〉〈α| = ∑ ∫<br />

d 2 α |n〉〈n|α〉〈α|m〉〈m|. (2.86)<br />

n,m<br />

Wir erhalten unter Verwendung von (2.76)<br />

∫<br />

d 2 α |α〉〈α| = ∑ ∫<br />

|n〉〈m|<br />

√ d 2 αα n α ∗m e −|α|2 = π ∑<br />

n,m n!m! } {{ } n<br />

πn!δ nm<br />

|n〉〈n| (2.87)<br />

bzw. wegen der Vollständigkeit der Fock-Zustände [siehe (2.23)]:<br />

∫<br />

1<br />

π<br />

d 2 α |α〉〈α| = Î (2.88)<br />

Da der Einheitsoperator durch die Glauber-Zustände aufgelöst wird,<br />

kann also ein beliebiger Zustand |Ψ〉 nach Glauber-Zuständen entwickelt<br />

werden,<br />

|Ψ〉 = 1 ∫<br />

d 2 α |α〉〈α|Ψ〉. (2.89)<br />

π<br />

Wenden wir (2.89) auf einen beliebigen Glauber-Zustand an (d.h.<br />

|Ψ〉 = |β〉), so sehen wir, daß jeder dieser Zustände (in nichttrivialer


2.2. GLAUBER-ZUSTÄNDE 69<br />

Weise) wieder nach Glauber-Zuständen entwickelt werden kann,<br />

|β〉 = 1 π<br />

∫<br />

d 2 α |α〉〈α|β〉, (2.90)<br />

d.h., die Glauber-Zustände sind nicht linear unabhängig voneinander.<br />

Um explizit zu demonstrieren, daß die Glauber-Zustände übervollständig<br />

sind, entwickeln wir einen Fock-Zustand nach Glauber-<br />

Zuständen. Gemäß (2.89) gilt<br />

|n〉 = 1 π<br />

∫<br />

d 2 α |α〉〈α|n〉. (2.91)<br />

Wegen der Übervollständigkeit der Glauber-Zustände ist es nicht notwendig,<br />

über den gesamten Phasenraum zu integrieren, sondern es<br />

reicht beispielsweise – wie wir sehen werden – die Integration längs<br />

eines Kreises aus, d.h.<br />

|n〉 = C n(|α|)<br />

2π<br />

∫ +π<br />

−π<br />

dϕ α e −inϕ α<br />

|α〉 (2.92)<br />

(α = |α|e iϕ α<br />

). Um uns von der Richtigkeit dieser Gleichung zu überzeugen,<br />

entwickeln wir die Glauber-Zustände |α〉 nach Fock-Zuständen<br />

|n〉. Mit(2.74)und(2.76)erhaltenwir<br />

woraus<br />

|n〉 = C n (|α|)e − 1 2 |α|2 ∑ m<br />

∫ +π<br />

|α| m 1<br />

√ dϕ α e i(m−n)ϕ α<br />

m! 2π −π<br />

} {{ }<br />

δ mn<br />

|m〉<br />

= C n (|α|)e − 1 |α|n<br />

2<br />

|α|2<br />

√ |n〉, (2.93)<br />

n!<br />

C n (|α|) =e 1 2 |α|2 √<br />

n!<br />

|α| n (2.94)<br />

folgt. Damit ist auch klar, daß sich ein beliebiger Zustand |Ψ〉 nach<br />

Glauber-Zuständen auf einem Kreis entwickeln läßt.


70 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

Es läßt sich zeigen, daß die Relation (2.88) auch für kohärent verschobene<br />

Fock-Zustände |n, α〉 mit beliebigem n gültig ist:<br />

∫<br />

1<br />

π<br />

d 2 α |n, α〉〈n, α| = 1 π<br />

∫<br />

d 2 α ˆD(α)|n〉〈n| ˆD † (α) =Î (2.95)<br />

Anmerkungen<br />

• Aus (2.82) folgt, daß<br />

e −α∗β 〈α|β〉 =exp [ − 1 2<br />

(<br />

|α| 2 + |β| 2)] = 〈α|0〉〈0|β〉 (2.96)<br />

gilt. Da ferner die linke Seite dieser Gleichung als<br />

e −α∗β 〈α|β〉 = 〈α| : e −â†â : |β〉 (2.97)<br />

geschrieben werden kann, finden wir für alle |α〉 und |β〉<br />

woraus die nützliche Relation<br />

〈α| : e −â†â : |β〉 = 〈α|0〉〈0|β〉, (2.98)<br />

für den Vakuumprojektor |0〉〈0| folgt.<br />

|0〉〈0| =:e −â†â :=:e −ˆn : (2.99)<br />

• Man kann sich leicht überlegen [indem man von 〈n|α〉 gemäß<br />

(2.76) ausgeht], daß die Verallgemeinerung auf beliebige Fock-<br />

Zustands-Projektoren<br />

|n〉〈n| =: (↠â) n<br />

n!<br />

−â†â<br />

e :=:ˆnn<br />

e−ˆn : (2.100)<br />

n!<br />

lautet.


2.2. GLAUBER-ZUSTÄNDE 71<br />

• Ferner kann man sich ebenfalls leicht überlegen [indem man 〈α|β〉<br />

gemäß (2.83) zugrunde legt bzw. (2.99) von links mit ˆD(α) und<br />

von rechts mit ˆD † (α) multipliziertsowie(2.55)verwendet],daß<br />

die (nicht orthogonalen) Glauber-Zustands-Projektoren in der<br />

Form<br />

[<br />

|α〉〈α| =:e −ˆn(α) :=:exp − ˆD(α)ˆn ˆD<br />

]<br />

† (α) : (2.101)<br />

geschrieben werden können. Wie erwartet, gehen (2.100) für n =<br />

0und(2.101)für α =0 in (2.99) über.<br />

• Schließlich lassen sich (2.100) und (2.101) noch weiter zu<br />

|n, α〉〈n, α| =:ˆnn (α)<br />

e −ˆn(α) : (2.102)<br />

n!<br />

verallgemeinern.<br />

Phasenraum-POMs<br />

Für jedes (fest) vorgegebene n und variables α definieren die hermiteschen<br />

Operatoren<br />

ˆΠ n (α) =π −1 |n, α〉〈n, α| = π −1 ˆD(α)|n〉〈n| ˆD† (α) (2.103)<br />

ein Probability Operator Measure (POM) 5<br />

P n (α) =〈ˆΠ n (α)〉, (2.104)<br />

∫<br />

P n (α) ≥ 0, (2.105)<br />

d 2 α P n (α) =1 (2.106)<br />

5 Auch als POVM – Positive Operator Valued Measure –bezeichnet.


72 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

für die komplexe Amplitude α, derselbstkeinhermitescherOperator<br />

entspricht. Die Operatoren ˆΠ n (α) können (für festes n) alsnichtorthogonale<br />

Projektoren aufgefaßt werden, deren Erwartungswerte eine<br />

Verteilungsfunktion P n (α) für die komplexe Amplitude α im Sinne<br />

einer Wahrscheinlichkeitsdichte definieren, die jedoch im Gegensatz<br />

zu Größen mit orthogonalen Projektoren nicht beliebig scharf werden<br />

kann. In der klassischen Optik ist der Zustand vollständig bestimmt,<br />

wenn die Verteilungsfunktion für die komplexe Amplitude α bekannt<br />

ist. Offensichtlich gibt es in der quantentheoretischen Beschreibung beliebig<br />

viele solcher Verteilungsfunktionen. Wir werden im Kapitel 3<br />

sehen, daß jede dieser Funktionen den Quantenzustand eindeutig bestimmt.<br />

Mehr noch, diese Funktionen müssen nicht – im Gegensatz zu<br />

den Funktionen P n (α) –denCharaktervonWahrscheinlichkeitsdichten<br />

besitzen.<br />

Umgekehrt, für (fest) vorgegebenes α und variables n stellen die<br />

Operatoren π ˆΠ n (α) gewöhnliche orthogonale Projektoren dar,<br />

und ihre Erwartungswerte<br />

π ˆΠ n (α) π ˆΠ m (α) =δ nm π ˆΠ n (α), (2.107)<br />

˜P n (α) =〈π ˆΠ n (α)〉 = πP n (α) (2.108)<br />

sind (für festes α) herkömmliche quantenmechanische Wahrscheinlichkeiten,<br />

˜P n (α) ≥ 0, (2.109)<br />

∑<br />

˜P n (α) =1. (2.110)<br />

n<br />

In unserem Fall ist also ˜P n (α) die Wahrscheinlichkeit dafür, bei einer<br />

Messung des kohärent verschobenen (hermiteschen) Anzahloperators<br />

ˆn(α) denWertn zu registrieren.<br />

Photonenanzahl- und Feldstärkestatistik<br />

Vergleichen wir die Photonenanzahlstatistik der Glauber-Zustände mit<br />

ihrer Feldstärkestatistik. Gemäß (2.76) ist die Photonenanzahlstatistik


2.2. GLAUBER-ZUSTÄNDE 73<br />

eines Glauber-Zustands |α〉 durch die Poisson-Verteilung<br />

P n = |〈n|α〉| 2 = |α|2n<br />

n!<br />

e −|α|2 (2.111)<br />

gegeben, die als Grenze zwischen klassischer und nichtklassischer Strahlung<br />

angesehen werden kann.<br />

Mittlere Anzahl von Photonen:<br />

Varianz der Photonenanzahl:<br />

〈ˆn〉 = 〈α|ˆn|α〉 = |α| 2 . (2.112)<br />

〈(∆ˆn) 2 〉 = 〈α|ˆn 2 |α〉−〈α|ˆn|α〉 2 = |α| 2 = 〈ˆn〉. (2.113)<br />

Relative Schwankung der Photonenanzahl:<br />

√<br />

〈(∆ˆn)2 〉<br />

= √ 1 = 1 → 0 für |α| →∞. (2.114)<br />

〈ˆn〉 〈ˆn〉 |α|<br />

Wir vergleichen wieder mit der als Feldstärkestatistik bezeichneten<br />

Statistik von ˆF = Câ + C ∗ â † .<br />

Mittlere Feldstärke:<br />

〈 ˆF 〉 = 〈α| ˆF |α〉 = Cα + C ∗ α ∗ =2|C||α| cos(ϕ − ϕ α ). (2.115)<br />

Feldstärkevarianz:<br />

〈(∆ ˆF ) 2 〉 = 〈α| ˆF 2 |α〉−〈α| ˆF |α〉 2 = |C| 2<br />

Relative Feldstärkeschwankung:<br />

√<br />

〈(∆ ˆF ) 2 〉 1<br />

〈 ˆF<br />

=<br />

〉 2|α| cos(ϕ α − ϕ)<br />

= 〈(∆ ˆF ) 2 〉 vac . (2.116)<br />

→ 0 für |α| →∞ (2.117)<br />

[cos(ϕ α − ϕ) ≠0]. Das Rauschen der Feldstärke einer Mode ist also unabhängig<br />

von der Größe der kohärenten Amplitude α und einzig durch


74 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

das Quantenrauschen des Vakuums bestimmt. Die Glauber-Zustände<br />

können deshalb als diejenigen Quantenzustände angesehen werden, die<br />

am nächsten schwankungsfreien kohärenten Moden (Wellen) der klassischen<br />

Elektrodynamik kommen.<br />

Mehrmodenfelder<br />

Im Falle eines in mehreren Moden angeregten Strahlungsfeldes erhält<br />

man die entsprechenden Glauber-Zustände als direkte Produkte<br />

der 1-Moden-Glauber-Zustände mit<br />

|α 1 , α 2 ,...〉 = |α 1 〉⊗|α 2 〉⊗··· (2.118)<br />

â λ |α λ 〉 = α λ |α λ 〉. (2.119)<br />

Die Zustände (2.118) sind offensichtlich Eigenzustände der positiven<br />

Frequenzanteile von Feldstärkeoperatoren,<br />

ˆF (+) = ∑ λ<br />

C λ â λ , (2.120)<br />

ˆF (+) |α 1 , α 2 ,...〉 = F (+) |α 1 , α 2 ,...〉, (2.121)<br />

F (+) = ∑ λ<br />

C λ α λ . (2.122)<br />

2.3 Gequetschte Zustände<br />

Wir wollen einen Glauber-Zustand |β〉 durch das POM ˆΠ(α) =<br />

π −1 |α〉〈α| veranschaulichen, d.h. durch die Verteilungsfunktion 6<br />

Q(α) =〈β|ˆΠ(α)|β〉 = π −1 |〈α|β〉| 2 (2.123)<br />

im Phasenraum. Gemäß (2.84) ist Q(α) eineGauß-Verteilung,<br />

Q(α) =π −1 e −|α−β|2 . (2.124)<br />

Der Kreis in der Abbildung mit einem Radius von der Größenordnung<br />

6 Die Verteilungsfunktion heißt auch Q-Funktion, Abschnitt 3.


2.3. GEQUETSCHTE ZUSTÄNDE 75<br />

Im α<br />

β<br />

Re α<br />

1charakterisiertdasGebiet,indemQ(α) imwesentlichenvonnull<br />

verschieden ist. Speziell für den Radius 1/ √ 2 charakterisiert der Kreis<br />

größenordnungsmäßig den Bereich der Vakuumfluktuationen der speziellen<br />

Feldstärke<br />

ˆF = 1 √<br />

2<br />

(â<br />

+â<br />

† ) ≡ ˆx, (2.125)<br />

für die<br />

〈(∆ ˆF ) 2 〉 = 1 2<br />

(2.126)<br />

gilt [siehe (2.116) mit |C| =1/ √ 2]. Läßt sich der Kreis beispielsweise<br />

zu einer Ellipse deformieren (quetschen), bedeutet dies offensichtlich<br />

(im Vergleich zum Vakuum) vergrößertes Rauschen entlang der großen<br />

Hauptachse und (im Vergleich zum Vakuum) verringertes Rauschen<br />

entlang der kleinen Halbachse. Zustände mit derartigen Eigenschaften<br />

Im α<br />

Re α<br />

werden gequetschte Zustände (Squeezed States)genannt,wobeidieDeformation<br />

des charakteristischen Rauschgebiets des Ausgangszustandes


76 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

natürlich auf vielfältige Weise geschehen kann. Oft werden im engeren<br />

Sinn unter gequetschten Zuständen gequetschte kohärente Zustände<br />

verstanden, die aus Glauber-Zuständen entstehen, wenn deren Vakuumrauschen<br />

elliptisch deformiert wird. 7<br />

Gemäß (2.47), (2.48) betrachten wir wieder eine unitäre Transformation<br />

â ′ = ÛâÛ † , (2.127)<br />

und wählen<br />

|n〉 ′ = Û|n〉 (2.128)<br />

Û ≡ Ŝ(ξ) =exp[ − 1 2<br />

(<br />

ξâ †2 − ξ ∗ â 2)] (2.129)<br />

(ξ = |ξ|e iϕ ξ<br />

– beliebige komplexe Zahl). Der Operator<br />

Quetschoperator (Squeeze Operator). Definieren wir<br />

Ŝ(ξ) heißtauch<br />

â(λ) =Ŝ(λξ)âŜ† (λξ), (2.130)<br />

so gilt offensichtlich<br />

â ′ =â(λ)| λ=1<br />

, â =â(λ)| λ=0<br />

, (2.131)<br />

und für â(λ)kanneineeinfacheDifferentialgleichung aufgestellt werden:<br />

so daß mit<br />

dâ(λ)<br />

dλ<br />

= dŜ(λξ)<br />

dλ<br />

dŜ(λξ)<br />

dλ<br />

âŜ† (λξ)+Ŝ(λξ)â dŜ† (λξ)<br />

dλ<br />

= Ŝ(λξ) [ − 1 2<br />

, (2.132)<br />

(<br />

ξâ †2 − ξ ∗ â 2)] (2.133)<br />

dâ(λ)<br />

dλ = Ŝ(λξ) [ (<br />

â, 1 2 ξâ †2 − ξ ∗ â 2)] Ŝ † (λξ)<br />

= [ (<br />

â(λ), 1 2 ξâ †2 (λ) − ξ ∗ â 2 (λ) )]<br />

= 1 2 ξ [ â(λ), â †2 (λ) ] = ξâ † (λ) (2.134)<br />

7 Diese Zustände bilden die Klasse der Gaußschen Zustände.


2.3. GEQUETSCHTE ZUSTÄNDE 77<br />

folgt. Analog finden wir<br />

dâ † (λ)<br />

dλ<br />

Die Gleichungen (2.134) und (2.135) sind zu<br />

= ξ ∗ â(λ). (2.135)<br />

äquivalent, deren Lösung<br />

d 2 â(λ)<br />

dλ 2 = |ξ| 2 â(λ) (2.136)<br />

mit den ”<br />

Anfangsbedingungen“<br />

â(λ) =ĉ 1 e |ξ|λ +ĉ 2 e −|ξ|λ (2.137)<br />

â(λ)| λ=0<br />

=ĉ 1 +ĉ 2 =â, (2.138)<br />

dâ(λ)<br />

dλ ∣ = |ξ| (ĉ 1 − ĉ 2 )=ξâ †<br />

λ=0<br />

(2.139)<br />

ist. Die beiden algebraischen Gleichungen (2.138) und (2.139) liefern<br />

(â<br />

ĉ 1 = 1 2 + e<br />

iϕξâ †) , (2.140)<br />

(â<br />

ĉ 2 = 1 2 − e<br />

iϕξâ †) . (2.141)<br />

Wir setzen (2.140) und (2.141) in (2.137) ein und erhalten<br />

woraus für λ =1<br />

â(λ) =â cosh(|ξ|λ)+â † e iϕ ξ<br />

sinh(|ξ|λ), (2.142)<br />

â ′ =â cosh |ξ| +â † e iϕ ξ<br />

sinh |ξ| (2.143)<br />

und entsprechend<br />

folgt.<br />

(â ′ ) † =(â † ) ′ =â † cosh |ξ| +âe −iϕ ξ<br />

sinh |ξ| (2.144)


78 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

Eine alternative Darstellung der Transformation, die auch für konkrete<br />

Rechnungen oftmals sehr zweckmäßig sein kann, ist<br />

â ′ = µâ + νâ † , (2.145)<br />

â ′† = ν ∗ â + µ ∗ â † , (2.146)<br />

|µ| 2 − |ν| 2 =1. (2.147)<br />

Man überzeugt sich leicht, daß die Relation (2.147) einfach Ausdruck<br />

der Tatsache ist, daß (wegen der Unitarität der Transformation) die<br />

Vertauschungsregeln erhalten bleiben. Der Zusammenhang zwischen<br />

den Parametern µ und ν und dem Parameter ξ ergibt sich aus einem<br />

Vergleich von (2.143) mit (2.145),<br />

µ =cosh|ξ|, (2.148)<br />

ν = |ν|e iϕ ν<br />

= e iϕ ξ<br />

sinh |ξ|. (2.149)<br />

Entsprechend (2.148) ist µ reell. In der Literatur findet man auch µ<br />

komplex. Letzteres bedeutet einen (irrelevanten) zusätzlichen Phasenfaktor<br />

derart, daß in (2.145)<br />

â ′ ↦→ e −iϕµâ ′ , ϕ ν ↦→ ϕ ν + ϕ µ (2.150)<br />

zu substituieren ist.<br />

Anwenden des Quetschoperators auf Fock-Zustände liefert sogenannte<br />

gequetschte Fock-Zustände:<br />

|n〉 ′ = Ŝ(ξ)|n〉 (2.151)<br />

Entsprechend werden die Zustände<br />

ˆD ′ (β)|n〉 ′ = ˆD ′ (β)Ŝ(ξ)|n〉 = Ŝ(ξ) ˆD(β)|n〉 (2.152)<br />

auch als kohärent verschobene gequetschte (bzw. gequetschte kohärent<br />

verschobene) Fock-Zustände bezeichnet. Offensichtlich gilt<br />

ˆD ′ (β) =Ŝ(ξ) ˆD(β)Ŝ† (ξ) =exp ( βâ ′† − β ∗ â ′) . (2.153)


2.3. GEQUETSCHTE ZUSTÄNDE 79<br />

Wie bereits erwähnt, werden unter gequetschten Zuständen im engeren<br />

Sinne oftmals die Zustände verstanden, die sich für n =0 ergeben:<br />

|β〉 s = ˆD ′ (β)|0〉 ′ = ˆD ′ (β)Ŝ(ξ)|0〉 = Ŝ(ξ) ˆD(β)|0〉 (2.154)<br />

Für β ≠0 werden die Zustände |β〉 s auch gequetschte kohärente<br />

Zustände genannt, und für β =0 wird vom gequetschten Vakuum gesprochen.<br />

Die Definition (2.154) impliziert die folgenden Möglichkeiten<br />

gequetschte kohärente Zustände zu erzeugen:<br />

(a) Anwenden des Verschiebungsoperators auf das Vakuum liefert<br />

einen kohärenten Zustand, auf den der Quetschoperator angewendet<br />

wird:<br />

|β〉 s = Ŝ(ξ) ˆD(β)|0〉 =<br />

Ŝ(ξ)|β〉. (2.155)<br />

(b) Anwenden des Quetschoperators auf das Vakuum liefert ein gequetschtes<br />

Vakuum, das dann kohärent verschoben wird:<br />

|β〉 s = ˆD ′ (β)Ŝ(ξ)|0〉 = ˆD ′ (β)|0〉 s . (2.156)<br />

Wir ersetzen in (2.153) die Operatoren â ′ und â ′† gemäß (2.145)<br />

und (2.146) und finden<br />

ˆD ′ (β) ≡ ˆD(α) =exp ( αâ † − α ∗ â ) (2.157)<br />

mit<br />

bzw.<br />

α = µ ∗ β − νβ ∗ (2.158)<br />

β = µα + να ∗ . (2.159)<br />

Aus der Definition (2.154) ist ersichtlich, daß – analog zu den normalen<br />

kohärenten Zuständen (d.h. den Glauber-Zuständen) – die Zustände<br />

|β〉 s (rechtsseitige) Eigenzustände von â ′ sind,<br />

â ′ |β〉 s =â ′ ˆD′ (β)|0〉 ′ = ˆD ′ (β) ˆD ′† (β)â ′ ˆD′ (β)|0〉 ′<br />

= ˆD ′ (β)(â ′ + β)|0〉 ′ = β|β〉 s . (2.160)


80 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

Die gequetschten kohärenten Zustände können also als diejenigen<br />

Zustände definiert werden, die das [im Vergleich zu (2.69) verallgemeinerte]<br />

Eigenwertproblem<br />

â ′ |β〉 s = ( µâ + νâ †) |β〉 s = β|β〉 s<br />

(2.161)<br />

lösen (|µ| 2 − |ν| 2 =1).<br />

In völliger Analogie zu (2.95) gilt<br />

∫<br />

1<br />

d 2 β<br />

π<br />

ˆD ′ (β)|n〉 ′ 〈n| ′ ˆD′† (β)<br />

= 1 ∫<br />

d 2 β<br />

π<br />

ˆD ′ (β)Ŝ(ξ)|n〉〈n|Ŝ† (ξ) ˆD ′† (β) =Î (2.162)<br />

und insbesondere für n =0<br />

∫<br />

1<br />

π<br />

d 2 β |β〉 ss 〈β| = Î, (2.163)<br />

d.h., jeder Zustand kann nach gequetschten kohärenten Zuständen entwickelt<br />

werden,<br />

|Ψ〉 = 1 ∫<br />

π<br />

d 2 β |β〉 ss 〈β|Ψ〉. (2.164)<br />

Mit der Variablensubstitution gemäß (2.157) und (2.158) wird aus<br />

(2.162) ∫<br />

1<br />

π<br />

d 2 α ˆD(α)Ŝ(ξ)|n〉〈n|Ŝ† (ξ) ˆD † (α) =Î, (2.165)<br />

d.h.<br />

ˆΠ n (α, ξ) =π −1 ˆD(α) Ŝ(ξ)|n〉〈n|Ŝ† (ξ) ˆD † (α) (2.166)<br />

stellt (für jedes n und ξ) einPOMfür die komplexe Amplitude α dar<br />

[vgl. (2.103)].<br />

Man kann zeigen, daß der Quetschoperator Ŝ(ξ) [Gleichung(2.129)]<br />

in der Form<br />

(<br />

Ŝ(ξ) =exp − ν )( 1 )ˆn+ ( )<br />

1<br />

2 ν<br />

∗<br />

2µ â†2 exp<br />

µ 2µ â2 (2.167)


2.3. GEQUETSCHTE ZUSTÄNDE 81<br />

[mit µ und ν aus (2.148) und (2.149)] faktorisiert werden kann. Das gequetschte<br />

Vakuum |0〉 s kann also aus dem gewöhnlichen Vakuum durch<br />

die nichtunitäre Transformation<br />

|0〉 s = 1 √ µ<br />

exp<br />

(<br />

− ν<br />

2µ â†2 )<br />

|0〉 (2.168)<br />

erzeugt werden. Kohärentes Verschieben liefert dann die gequetschten<br />

kohärenten Zustände:<br />

|β〉 s = 1 √ µ<br />

ˆD(α)exp<br />

(<br />

− ν<br />

2µ â†2 )<br />

|0〉<br />

= √ 1 [<br />

exp − ν<br />

µ 2µ<br />

= e− 1 2 |α|2<br />

√ µ<br />

[<br />

exp<br />

(↠− α ∗) ]<br />

2<br />

ˆD(α)|0〉<br />

αâ † − ν<br />

2µ<br />

(↠− α ∗) ]<br />

2<br />

|0〉 (2.169)<br />

[α gemäß (2.158), µ reell]. Ausmultiplizieren undZusammenfassenergibt<br />

schließlich<br />

|β〉 s = √ 1<br />

) (<br />

exp<br />

(− 1<br />

µ<br />

2 |β|2 + ν∗ β<br />

2µ β2 exp<br />

µ ↠− ν )<br />

2µ â†2 |0〉<br />

(2.170)<br />

Oftmals kann es zweckmäßig sein, die Zustände |β〉 s nach anderen<br />

Zuständen zu entwickeln, wie beispielsweise nach Fock- Zuständen,<br />

|β〉 s = ∑ n<br />

|n〉〈n|β〉 s , (2.171)<br />

oder auch Glauber-Zuständen,<br />

|β〉 s = 1 ∫<br />

π<br />

d 2 α |α〉〈α|β〉 s , (2.172)<br />

wobei die Entwicklungskoeffizienten 〈α|β〉 s und 〈n|β〉 s in einfacher Wei-


82 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

Im α<br />

Re α<br />

Große Phasen- und kleine Amplitudenfluktuationen (Amplitude Squeezing).<br />

se aus (2.170) hergeleitet werden können. So finden wir zunächst<br />

〈α|β〉 s = √ 1 exp<br />

(− 1<br />

µ<br />

2 |β|2 + ν∗<br />

2µ β2 )<br />

exp<br />

( β<br />

µ α∗ − ν<br />

2µ α∗2 )<br />

〈α|0〉<br />

= √ 1 exp<br />

(− 1<br />

µ<br />

2 |α|2 − 1 2 |β|2 + ν∗<br />

2µ β2 − ν<br />

2µ α∗2 + 1 )<br />

µ βα∗ . (2.173)<br />

Verwenden wir ferner die Identität<br />

∞∑<br />

n=0<br />

1<br />

n! H n(x)t n =exp ( −t 2 +2tx ) , (2.174)<br />

so können wir (2.170) in der Form<br />

|β〉 s = √ 1<br />

) ∑<br />

exp<br />

(− 1<br />

µ<br />

2 |β|2 + ν∗<br />

2µ β2 n<br />

( ) n ( )<br />

1 ν<br />

2 β<br />

√ Hn √ |n〉<br />

n! 2µ 2µν<br />

(2.175)<br />

(H n – Hermitesche Polynome) schreiben, woraus sofort 〈n|β〉 s abgelesen<br />

werden kann. Aus (2.173) ist zu ersehen, daß die Funktion<br />

Q(α)=π −1 |〈α|β〉 s | 2 eine Gauß-Verteilung im Phasenraum darstellt.<br />

Man überzeugt sich, daß die im Falle von Glauber-Zuständen (ν =0)<br />

kreisförmigen Höhenlinien für ν ≠0 zu Ellipsen deformiert werden.


2.3. GEQUETSCHTE ZUSTÄNDE 83<br />

Im α<br />

Re α<br />

Große Amplituden- und kleine Phasenfluktuationen (Phase Squeezing).<br />

Mittlere Amplitude:<br />

〈â〉 = 〈0|Ŝ† (ξ) ˆD † (α)â ˆD(α)Ŝ(ξ)|0〉<br />

= 〈0|Ŝ† (ξ)(â + α)Ŝ(ξ)|0〉<br />

= 〈0|(µâ − νâ † + α)|0〉<br />

= α = βµ − β ∗ ν (2.176)<br />

[beachte ˆD † (α)= ˆD(−α), Ŝ† (ξ)=Ŝ(−ξ), µ(−ξ)=µ(ξ), ν(−ξ)=−ν(ξ),<br />

µ rell].<br />

Mittlere Photonenanzahl:<br />

〈ˆn〉 = 〈0|Ŝ† (ξ) ˆD † (α)ˆn ˆD(α)Ŝ(ξ)|0〉<br />

= 〈0|Ŝ† (ξ)(â † + α ∗ )(â + α)Ŝ(ξ)|0〉<br />

= 〈0|(µâ † − ν ∗ â + α ∗ )(µâ − νâ † + α)|0〉<br />

= |α| 2 + |ν| 2 , (2.177)<br />

d.h.<br />

〈ˆn〉 = n coh + n svac , (2.178)<br />

n coh = | s 〈β|â|β〉 s | 2 = |〈α|â|α〉| 2 = |α| 2 , (2.179)<br />

n svac = s 〈0|ˆn|0〉 s = |ν| 2 . (2.180)


84 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

Mittlere Feldstärke:<br />

〈 ˆF 〉 = Cα + C ∗ α ∗ . (2.181)<br />

Um die Feldstärkevarianz zu berechnen, benötigen wir noch den Mittelwert<br />

von â 2 :<br />

〈â 2 〉 = 〈0|Ŝ† (ξ) ˆD † (α)â 2 ˆD(α) Ŝ(ξ)|0〉<br />

= 〈0|Ŝ† (ξ)(â + α) 2 Ŝ(ξ)|0〉<br />

= 〈0|(µâ − νâ † + α) 2 |0〉<br />

= α 2 − µν. (2.182)<br />

Mit (2.176), (2.177) und (2.182) finden wir unschwer<br />

〈(∆ ˆF ) 2 〉 = |Cµ − C ∗ ν ∗ | 2<br />

{<br />

√<br />

]}<br />

= |C| 2 1+2|ν|<br />

[1−<br />

2 1+ 1<br />

|ν| cos(2ϕ−ϕ ν) . (2.183)<br />

2<br />

In Abhängigkeit vom gewählten Phasenparameter können die Feldstärkefluktuationen<br />

kleiner oder größer als die Vakuumfluktationen sein:<br />

√<br />

1+ 1<br />

|ν| 2 cos(2ϕ−ϕ ν) > 1 ❀ 〈(∆ ˆF ) 2 〉 < |C| 2 , (2.184)<br />

√<br />

1+ 1<br />

|ν| 2 cos(2ϕ−ϕ ν) < 1 ❀ 〈(∆ ˆF ) 2 〉 > |C| 2 (2.185)<br />

[zur Erinnerung: 〈(∆ ˆF ) 2 〉 vac = |C| 2 ].<br />

Minimale Varianz:<br />

2ϕ−ϕ ν =2nπ ❀ min〈(∆ ˆF ) 2 〉 = |C| 2 e −2|ξ| . (2.186)<br />

Maximale Varianz:<br />

2ϕ−ϕ ν =(2n+1)π ❀ max〈(∆ ˆF ) 2 〉 = |C| 2 e 2|ξ| . (2.187)<br />

Folglich gilt<br />

min〈(∆ ˆF ) 2 〉 max〈(∆ ˆF ) 2 〉 = |C| 4 , (2.188)


2.3. GEQUETSCHTE ZUSTÄNDE 85<br />

d.h., das Unschärfeprodukt aus minimaler und maximaler Schwankung<br />

ist gleich dem Quadrat der im Vakuumzustand beobachteten Schwankung.<br />

Offensichtlich unterscheiden sich die Feldstärken mit minimalem<br />

und maximalem Rauschen um π/2 imPhasenparameter.Manüberzeugt<br />

sich leicht, daß<br />

[ ˆF (ϕ), ˆF(ϕ+π/2)] = 2i|C| 2 (2.189)<br />

gilt und somit ganz allgemein (d.h. für beliebige Zustände) die Heisenbergsche<br />

Unschärferelation<br />

〈[∆ ˆF (ϕ)] 2 〉〈[∆ ˆF (ϕ+π/2)] 2 〉≥|C| 4 (2.190)<br />

folgt. Speziell für gequetschte kohärente Zustände ergibt sich mit<br />

(2.183) das Unschärfeprodukt zu<br />

〈[∆ ˆF (ϕ)] 2 〉〈[∆ ˆF (ϕ+π/2)] 2 〉 = |C| 4 [ 1+4µ 2 |ν| 2 sin 2 (2ϕ−ϕ ν ) ] , (2.191)<br />

woraus zu ersehen ist, daß für 2ϕ − ϕ ν = nπ in Übereinstimmung mit<br />

(2.188) das Gleichheitszeichen realisiert wird,<br />

〈[∆ ˆF (ϕ)] 2 〉〈[∆ ˆF (ϕ+π/2)] 2 〉 = |C| 4 (2ϕ−ϕ ν = nπ). (2.192)<br />

Man nennt Zustände, die das Gleichheitszeichen in einer Unschärferelation<br />

realisieren, auch Zustände minimaler Unschärfe (Minimum-Uncertainty<br />

States).<br />

Ganz allgemein spricht man von Quetschung (Squeezing) als einem<br />

nichtklassischen (phasenabhängigen) Effekt, wenn (für bestimmte<br />

Phasenparameter ϕ) dasFeldstärkerauschen die Vakuumgrenze unterschreitet,<br />

〈(∆ ˆF ) 2 〉 < |C| 2 . (2.193)<br />

Die Ungleichung (2.193) wird oft in der Form<br />

〈:(∆ ˆF ) 2 :〉 < 0 (2.194)<br />

angegeben, woraus der nichtklassische Charakter des Squeezing-Effekts<br />

(analog der Argumentation zum nichtklassischen Effekt der sub-<br />

Poisson-Statistik) sofort deutlich wird. Wie bereits betont, stellen die


86 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

(a)<br />

F<br />

2|C|<br />

2<br />

1<br />

−2<br />

2<br />

4<br />

6<br />

8<br />

ϕ<br />

−1<br />

(b)<br />

−2<br />

2<br />

1<br />

−2<br />

2<br />

4<br />

6<br />

8<br />

−1<br />

−2<br />

(c)<br />

2<br />

1<br />

−2<br />

2<br />

4<br />

6<br />

8<br />

−1<br />

−2<br />

√<br />

Mittlere Feldstärke 〈 ˆF 〉 und die Feldstärkeschwankung 〈 ˆF 〉 ± 1 〈[∆ ˆF ]<br />

2<br />

2 〉 gequetschter<br />

kohärenter Zustände als Funktion des Phasenparameters ϕ für<br />

α =1 [(a) ν =0 (Glauber-Zustand), (b) ν =1 (Amplitudenquetschung, vgl.<br />

die Abbildung auf Seite 82), (c) ν = e iπ (Phasenquetschung, vgl. die Abbildung<br />

auf Seite 83)].


2.4. FELDSTÄRKEZUSTÄNDE 87<br />

gequetschten kohärenten Zustände |β〉 s nur eine Möglichkeit zur Realisierung<br />

der Ungleichung (2.194) dar.<br />

Eine Verallgemeinerung auf Mehrmodenfelder kann analog zu den<br />

Glauber-Zuständen erfolgen. In Praxis hat man es jedoch oft mit Mehrmodenquetschung<br />

im Sinne eines Mehrmodenquetschoperators von der<br />

Art<br />

Ŝ =exp<br />

⎡<br />

⎣− 1 2<br />

∑ (<br />

ξ λλ ′â † λ↠λ<br />

− ξ ′ λλ ∗ ′â λâ λ ′) ⎤ ⎦ (2.195)<br />

λ,λ ′<br />

(ξ λλ<br />

′ = ξ λ′ λ o.B.d.A.) zu tun. Speziell für den 2-Moden-Fall haben wir<br />

)<br />

Ŝ = exp<br />

(−ξ 12 â † 1↠2 + ξ∗ 12â1â 2 , (2.196)<br />

und man kann zeigen, daß Ŝ wie folgt faktorisiert werden kann:<br />

( )ˆn1 +ˆn<br />

Ŝ = e −q 12â † 1<br />

2 +1<br />

1↠2<br />

e q∗ 12â1â 2<br />

, (2.197)<br />

cosh |ξ 12 |<br />

q 12 = e iϕ ξ 12 tanh |ξ12 |. (2.198)<br />

Anwenden von Ŝ auf das Vakuum liefert das sogenannte gequetschte<br />

2-Moden-Vakuum:<br />

1 ∑<br />

Ŝ|0, 0〉 =<br />

(−q 12 ) n |n, n〉. (2.199)<br />

cosh |ξ 12 |<br />

Während der Quetschungsoperator (2.129) für eine Mode dem<br />

Zeitentwicklungsoperator (im Wechselwirkungsbild) für einen entarteten<br />

parametrischen Oszillator entspricht, entspricht der 2-Moden-<br />

Quetschungsoperator (2.196) dem Zeitentwicklungsoperator für einen<br />

nichtentarteten parametrischen Oszillator. Parametrische Verstärkung<br />

ist die bisher wohl wirkungsvollste Methode zur Erzeugung von gequetschtem<br />

Licht.<br />

2.4 Feldstärkezustände<br />

Wir beginnen wieder mit einem 1-Moden-Feld und wollen die Eigenzustände<br />

des Feldstärkeoperators<br />

n<br />

ˆF = ˆF (ϕ) =Câ + C ∗ â † = |C| ( âe −iϕ +â † e iϕ) (2.200)


88 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

bestimmen,<br />

ˆF (ϕ)|F, ϕ〉 = F |F, ϕ〉. (2.201)<br />

Dazu bemerken wir zunächst, daß für jedes ϕ die hermiteschen Operatoren<br />

ˆF (ϕ) und ˆF (ϕ+π/2) die gleiche Rolle wie Ort und Impuls in der<br />

Quantenmechanik spielen. Ein Vergleich von<br />

( =1) mit (2.189) liefert<br />

[ˆx, ˆp] =i (2.202)<br />

ˆx ̂= 1 √<br />

2|C|<br />

ˆF (ϕ), (2.203)<br />

ˆp ̂= 1 √<br />

2|C|<br />

ˆF (ϕ+π/2). (2.204)<br />

Die Wirkung von ˆp in der Ortsdarstellung ist bekanntlich gemäß<br />

〈x|ˆp|Ψ〉 = −i ∂ 〈x|Ψ〉 (2.205)<br />

∂x<br />

gegeben. Folglich gilt für die Wirkung von ˆF (ϕ+π/2) in der durch ˆF (ϕ)<br />

definierten Feldstärkedarstellung<br />

〈F, ϕ| ˆF (ϕ+π/2)|Ψ〉 = −2i|C| 2 ∂<br />

∂F<br />

〈F, ϕ|Ψ〉. (2.206)<br />

Wir stellen die Eigenzustände von ˆF (ϕ) inderFock-Basisdar,<br />

|F, ϕ〉 = ∑ n<br />

|n〉〈n|F, ϕ〉, (2.207)<br />

und berechnen die Entwicklungskoeffizienten 〈n|F, ϕ〉 = 〈F, ϕ|n〉 ∗ .Aus<br />

ˆn|n〉 =â † â|n〉 = n|n〉 (2.208)<br />

erhalten wir zunächst<br />

〈F, ϕ|â † â|n〉 = n〈F, ϕ|n〉. (2.209)


2.4. FELDSTÄRKEZUSTÄNDE 89<br />

Berücksichtigen wir, daß gemäß (2.200)<br />

gilt, so wird aus (2.209)<br />

â † e iϕ = 1 [ ]<br />

ˆF (ϕ) − i ˆF (ϕ+π/2) , (2.210)<br />

2|C|<br />

âe −iϕ = 1 [ ]<br />

ˆF (ϕ)+i ˆF (ϕ+π/2)<br />

2|C|<br />

n〈F, ϕ|n〉 = 1<br />

4|C| 2〈F, ϕ| [<br />

ˆF (ϕ)−i ˆF(ϕ+π/2)<br />

]<br />

(2.211)<br />

[ ]<br />

× ˆF (ϕ)+i ˆF(ϕ+π/2) |n〉, (2.212)<br />

woraus wegen (2.201) und (2.206)<br />

n〈F, ϕ|n〉 = 1 [<br />

F −2|C| 2 ∂ ][<br />

F +2|C| 2 ∂ ]<br />

〈F, ϕ|n〉 (2.213)<br />

4|C| 2 ∂F<br />

∂F<br />

und nach Ausmultiplizieren<br />

[<br />

∂ 2 ( ) 2 F<br />

∂F − + n + ]<br />

1<br />

2<br />

〈F, ϕ|n〉 =0 (2.214)<br />

2 2|C| 2 |C| 2<br />

folgt, wobei 〈F, ϕ|n〉 der Normierungsbedingung<br />

∫<br />

dF |〈F, ϕ|n〉| 2 =1 (2.215)<br />

genügen muß. Erwartungsgemäß entspricht die Gleichung (2.214) der<br />

Energieeigenwertgleichung eines harmonischen Oszillators in der Ortsdarstellung,<br />

so daß für ϕ =0 die Lösung in der bekannten Form<br />

( )<br />

1 1 F<br />

〈F, 0|n〉 =<br />

√<br />

(2|C| 2 π) H 1/4 n √ exp<br />

(− F 2 )<br />

n!2<br />

n 2|C| 4|C| 2<br />

angegeben werden kann.<br />

(2.216)


90 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

Der Übergang von ˆF (0) zu ˆF (ϕ) kanndurcheineunitäre Transformation<br />

vollzogen werden,<br />

ˆF (ϕ) =Û(ϕ) ˆF (0)Û † (ϕ), (2.217)<br />

Û(ϕ) =e iˆnϕ . (2.218)<br />

Unter Berücksichtigung von<br />

ˆF (0)|F, 0〉 = F |F, 0〉 (2.219)<br />

können wir also<br />

Û(ϕ) ˆF (0)Û † (ϕ)<br />

} {{ }<br />

ˆF (ϕ)<br />

Û(ϕ)|F, 0〉 = F<br />

Û(ϕ)|F, 0〉 (2.220)<br />

schreiben, d.h.<br />

|F, ϕ〉 = Û(ϕ)|F, 0〉 (2.221)<br />

bzw.<br />

|F, ϕ〉 ∑ n<br />

|n〉〈n|F, ϕ〉, (2.222)<br />

woraus wir mit (2.218)<br />

〈n|F, ϕ〉 = 〈n|Û(ϕ)|F, 0〉 = einϕ 〈n|F, 0〉 (2.223)<br />

ablesen. Unter Verwendung von (2.216) können wir somit die Feldstärkeeigenvektoren<br />

für beliebige Werte des Phasenparameters ϕ wie folgt<br />

darstellen:<br />

|F, ϕ〉 =<br />

(<br />

1<br />

(2|C| 2 π) exp − F 2 ) ∑ 1/4 4|C| 2 n<br />

e inϕ ( ) F<br />

√ H n √ |n〉<br />

n!2<br />

n 2|C|<br />

(2.224)


2.4. FELDSTÄRKEZUSTÄNDE 91<br />

Wir verwenden die Identität (2.174) und erhalten aus (2.224)<br />

|F, ϕ〉 =<br />

d.h.:<br />

=<br />

=<br />

|F, ϕ〉 =<br />

(<br />

1<br />

(2|C| 2 π) exp − F 2 ) ∑ 1/4 4|C| 2 n<br />

(<br />

1<br />

(2|C| 2 π) exp − F 2 ) ∑ 1/4 4|C| 2 n<br />

(<br />

1<br />

(2|C| 2 π) exp − F 2 )<br />

exp<br />

1/4 4|C| 2<br />

e inϕ ( ) F 1<br />

√ H n √ √ (â † ) n |0〉<br />

n!2<br />

n 2|C| n!<br />

( ) n ( )<br />

1 1<br />

F<br />

√2 e iϕ â † H n √ |0〉<br />

n!<br />

2|C|<br />

[<br />

− 1 (↠2<br />

e iϕ) ]<br />

2 F +<br />

|C| ↠e iϕ |0〉,<br />

(2.225)<br />

(<br />

1<br />

(2|C| 2 π) exp − F 2 ) [<br />

exp − 1 ( ) ]<br />

2 |C|<br />

1/4 4|C| 2 2 C ↠+ F C ↠|0〉<br />

(2.226)<br />

Die Gleichung (2.226) definiert den (nicht unitären) Operator ˆT (F, ϕ),<br />

der das Photonenvakuum in einen Feldstärkezustand überführt,<br />

|F, ϕ〉 = ˆT (F, ϕ) |0〉. (2.227)<br />

Aus einem kohärenten Zustand |α〉 wird |F, ϕ〉 gemäß<br />

|F, ϕ〉 = ˆT (F, ϕ) ˆD † (α) |α〉 (2.228)<br />

erzeugt. Vergleichen wir (2.226) mit (2.170), so finden wir, daß für<br />

2ϕ − ϕ ν =2nπ und β/µ = F/C der gequetschte kohärente Zustand im<br />

Grenzprozeß |ν| →∞ gegen einen Feldstärkezustand tendiert. Das Ergebnis<br />

ist natürlich nicht überraschend, da für unendlich großes Quetschen<br />

die Feldstärkeschwankung für den entsprechenden Phasenparameter<br />

gegen Null geht und somit ein Feldstärkeeigenzustand realisiert<br />

werden muß.<br />

Die Feldstärkezustände |F, ϕ〉 können natürlich auch nach anderen<br />

Zuständen, die vollständige (bzw. übervollständige) Sätze bilden,


92 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

entwickelt werden. Betrachten wir beispielsweise die Entwicklung nach<br />

kohärenten Zuständen über dem gesamten Phasenraum,<br />

|F, ϕ〉 = 1 ∫<br />

d 2 α |α〉〈α|F, ϕ〉. (2.229)<br />

π<br />

Wir verwenden (2.226) und finden für die Entwicklungskoeffizienten<br />

〈α|F, ϕ〉 = 〈α| ˆT (F, ϕ)|0〉<br />

(<br />

1<br />

=<br />

(2|C| 2 π) exp − F 2 ) [<br />

exp − 1 ( ) ]<br />

2 |C|<br />

1/4 4|C| 2 2 C α∗ + F C α∗ 〈α|0〉<br />

=<br />

(<br />

1<br />

(2|C| 2 π) exp − F 2<br />

1/4 4|C| − 1 ) [<br />

2 2 |α|2 exp − 1 ( ) ]<br />

2 |C|<br />

2 C α∗ + F C α∗ .<br />

(2.230)<br />

Für jeden Phasenparameter ϕ bilden die Zustände |F, ϕ〉 ein<br />

vollständiges Orthonormalsystem (von Dirac-Zuständen),<br />

〈F, ϕ|F ′ , ϕ〉 = δ(F −F ′ ), (2.231)<br />

∫<br />

dF |F, ϕ〉〈F, ϕ| = Î, (2.232)<br />

so daß sich jeder Zustand des Strahlungsfeldes nach Feldstärkezuständen<br />

entwickeln läßt,<br />

∫<br />

|Ψ〉 = dF |F, ϕ〉〈F, ϕ|Ψ〉. (2.233)<br />

Die Wahrscheinlichkeitsdichte, den Wert F der Feldstärke ˆF (ϕ) zufinden,<br />

ist durch<br />

p(F, ϕ) =|〈F, ϕ|Ψ〉| 2 (2.234)<br />

gegeben. Es ist unschwer zu sehen, daß die Beziehung<br />

gilt.<br />

p(−F, ϕ) =p(F, ϕ + π) (2.235)


2.4. FELDSTÄRKEZUSTÄNDE 93<br />

Betrachten wir als einfaches Beispiel die Feldstärkeverteilung eines<br />

Glauber-Zustands. Mit (2.230) finden wir unschwer<br />

{<br />

}<br />

p(F, ϕ) =|〈F, ϕ|α〉| 2 1<br />

= √ exp − [F −〈ˆF (ϕ)〉] 2<br />

, (2.236)<br />

2πσ<br />

2 2σ 2<br />

wobei die Beziehungen<br />

und<br />

〈 ˆF (ϕ)〉 = 〈α| ˆF (ϕ)|α〉 =2|C||α| cos(ϕ − ϕ α ) (2.237)<br />

σ 2 ≡〈[∆ ˆF (ϕ)] 2 〉 = 〈α|[∆ ˆF (ϕ)] 2 |α〉 = |C| 2 (2.238)<br />

verwendet wurden [vgl. (2.115) und (2.116)]. Für einen Glauber-<br />

Zustand sind die Feldstärken also Gauß-verteilt, und zwar für alle Phasenparameter<br />

in der gleichen Weise. Die Gleichung (2.236) läßt sich<br />

unschwer auf gequetschte kohärente Zustände verallgemeinern, wenn<br />

die (für ν =0 gültige) Gleichung (2.238) durch die (für beliebiges ν<br />

gültige) Gleichung (2.183) ersetzt wird.<br />

Oftmals ist es zweckmäßig, anstelle einer Feldstärkeverteilung<br />

p(F, ϕ) ihrecharakteristischeFunktionΨ(y, ϕ) zubetrachten,<br />

p(F, ϕ) = 1 ∫<br />

dye −iyF Ψ(y, ϕ), (2.239)<br />

2π<br />

∫<br />

Ψ(y, ϕ) = dF e iyF p(F, ϕ). (2.240)<br />

Bekanntlich ist p(F, ϕ) derErwartungswertdesFeldstärkeprojektors<br />

|F, ϕ〉〈F, ϕ|, dergemäß<br />

|F, ϕ〉〈F, ϕ| = ˆδ [ F − ˆF (ϕ) ] = 1 ∫<br />

dye −iyF e iy ˆF (ϕ)<br />

2π<br />

= 1 ∫<br />

dye −iyF exp ( iyCâ + iyC ∗ â †) (2.241)<br />

2π<br />

als Fourier-Integral dargestellt werden kann, d.h., es gilt<br />

|F, ϕ〉〈F, ϕ| = 1 ∫<br />

dye −iyF ˆD(iyC ∗ ) (2.242)<br />


94 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

mit ˆD(iyC ∗ )alsdemVerschiebungsoperator.WirgehenvonderOperatorgleichung<br />

(2.242) zu der entsprechenden Gleichung für die Erwartungswerte<br />

über, vergleichen mit (2.239) und erhalten:<br />

Ψ(y, ϕ) =Tr [ˆϱ ˆD(iyC ∗ ) ] (2.243)<br />

Die charakteristische Funktion Ψ(y, ϕ)derFeldstärkeverteilung p(F, ϕ)<br />

ist also der Erwartungswert eines speziellen Verschiebungsoperators.<br />

Anmerkung<br />

In der Literatur wird ˆF (ϕ)auchals(Rotated) Quadrature-Component-<br />

Operator bezeichnet – insbesondere auch im Hinblick auf materielle<br />

Systeme – und es wird in diesem Zusammenhang häufig |C| =1/ √ 2<br />

gewählt,<br />

ˆF (ϕ) = √ 2|C| ˆx(ϕ), (2.244)<br />

ˆx(ϕ) =2 −1/2 ( âe −iϕ +â † e iϕ) =ˆq cos ϕ +ˆp sin ϕ, (2.245)<br />

ˆq =2 −1/2 (â +â † ), (2.246)<br />

ˆp = −i2 −1/2 (â − â † ). (2.247)<br />

Entsprechend wird von Quadrature-Component-Verteilungen anstelle<br />

von Feldstärkeverteilungen gesprochen,<br />

p(x, ϕ) =|〈x, ϕ|Ψ〉| 2 . (2.248)<br />

2.5 Phasenzustände<br />

In der klassischen Optik kann die komplexe Amplitude α einer Strahlungsfeldmode<br />

immer in Betrag (Amplitude im üblichen Sinne) und<br />

Phase zerlegt werden,<br />

α = |α|e iφ , α ∗ = |α|e −iφ , (2.249)<br />

|α| = √ α ∗ α . (2.250)


2.5. PHASENZUSTÄNDE 95<br />

In der Quantentheorie ist eine solche Zerlegung mit einem hermiteschen<br />

Phasenoperator nicht möglich:<br />

â = ˆV √ˆn, â † = √ˆn ˆV † , ˆV † ≠ ˆV −1 (2.251)<br />

Stellt man ˆV in der Form<br />

ˆV = e i ˆφ<br />

(2.252)<br />

dar, so kann ˆφ offensichtlich kein hermitescher Operator sein, ˆφ ≠ ˆφ † .<br />

Man kann sich von dem genannten Sachverhalt etwa wie folgt überzeugen.<br />

Wegen<br />

â|n〉 = ˆV √ˆn|n〉 = ˆV √ n|n〉 = √ n|n − 1〉 (2.253)<br />

gilt für n>0<br />

ˆV |n〉 = |n − 1〉, (2.254)<br />

und ˆV |0〉 muß sich in der Form<br />

ˆV |0〉 = ∑ n<br />

d n |n〉 (2.255)<br />

darstellen lassen, da die Fock-Zustände eine vollständige Basis repräsentieren.<br />

Damit finden wir<br />

ˆV † |n〉 = ∑ m<br />

|m〉〈m| ˆV † |n〉<br />

= ∑ m>0<br />

|m〉〈m| ˆV † |n〉 + |0〉〈0| ˆV † |n〉<br />

= ∑ m>0<br />

|m〉〈m − 1|n〉 + ∑ m<br />

d ∗ m |0〉〈m|n〉<br />

und folglich gilt (n>0)<br />

= |n +1〉 + d ∗ n|0〉, (2.256)<br />

ˆV † ˆV |n〉 = ˆV † |n − 1〉 = |n〉 + d ∗ n−1|0〉. (2.257)


96 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

Nehmen wir an, daß ˆV unitär ist, d.h. ˆV<br />

† ˆV = Î.Dannmußoffenbar<br />

d n =0 für alle n sein, und es muß speziell<br />

ˆV |0〉 =0 (2.258)<br />

gelten [wegen Gleichung (2.255)]. Somit finden wir das widersprüchliche<br />

Ergebnis, daß sowohl<br />

〈0| ˆV † ˆV |0〉 = 〈0|0〉 =1 alsauch 〈0| ˆV<br />

† ˆV |0〉 =0 (2.259)<br />

gelten muß, d.h., ˆV kann nicht unitär sein.<br />

Wir wollen ˆV und ˆV † in der Fock-Basis darstellen. Es gilt<br />

∑ √ √ˆn = n |n〉〈n| (2.260)<br />

n<br />

sowie<br />

â = ∑ n<br />

â|n〉〈n| = ∑ n<br />

√ ∑ √<br />

n |n − 1〉〈n| = n +1|n〉〈n +1|. (2.261)<br />

n<br />

Die Gleichung (2.261) läßt sich nun wie folgt umschreiben:<br />

d.h.:<br />

â = ∑ n,m<br />

√<br />

n +1|n〉〈n +1|m〉〈m|<br />

=<br />

( ) ( )<br />

∑ ∑ √<br />

|n〉〈n +1| m |m〉〈m| , (2.262)<br />

n<br />

m<br />

} {{ } } {{ }<br />

ˆV<br />

√ˆn<br />

ˆV = ∑ n<br />

|n〉〈n +1| (2.263)<br />

Wir multiplizieren ˆV aus (2.263) mit √ˆn und erhalten<br />

ˆV √ˆn = ∑ n<br />

|n〉〈n +1| √ˆn = ∑ n<br />

√ˆn +1|n〉〈n +1| (2.264)


2.5. PHASENZUSTÄNDE 97<br />

bzw.<br />

ˆV √ˆn = √ˆn +1ˆV. (2.265)<br />

Wie man sich unschwer überzeugen kann, impliziert die Darstellung<br />

von ˆV in der Form (2.263) folgende Relationen:<br />

ˆV |n〉 = |n − 1〉, (2.266)<br />

ˆV |0〉 =0, (2.267)<br />

ˆV ˆV † = Î, (2.268)<br />

ˆV † ˆV = Î − |0〉〈0|, (2.269)<br />

[ ˆV,ˆV † ]=|0〉〈0|. (2.270)<br />

Insbesondere zeigen die Gleichungen (2.268) – (2.270), daß ˆV nur einseitig<br />

unitär ist, was offensichtlich dann von Bedeutung ist, wenn der Zustand<br />

der Strahlungsfeldmode mit dem Vakuum überlappt, d.h. einen<br />

Vakuumanteil besitzt,<br />

〈Ψ|[ ˆV,ˆV † ]|Ψ〉 = |〈0|Ψ〉| 2 . (2.271)<br />

Anders ausgedrückt, bei einer Anwendung auf Zustände |Ψ〉, für die<br />

〈0|Ψ〉 =0 gilt, verhält sich ˆV wie ein unitärer Operator und folglich ˆφ<br />

wie ein hermitescher Operator.<br />

Die (rechtsseitigen) Eigenzustände von ˆV mit<br />

ˆV |φ〉 = e iφ |φ〉 (2.272)<br />

heißen Phasenzustände (man spricht in diesem Zusammenhang auch<br />

von der kanonischen Phase bzw. der London-Phase). Um diese Zustände<br />

zu bestimmen, gehen wir in die Fock-Basis,<br />

|φ〉 = ∑ n<br />

b n |n〉, (2.273)<br />

und finden<br />

∑<br />

b n+1 |n〉 = e ∑ iφ<br />

n<br />

n<br />

b n |n〉, (2.274)


98 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

d.h.<br />

woraus<br />

folgt, so daß<br />

b n+1 = e iφ b n , (2.275)<br />

b n = e inφ b 0 (2.276)<br />

∑<br />

|φ〉 = b 0 e inφ |n〉 (2.277)<br />

gilt. Die Phasenzustände erfüllen die Periodizitätsbedingung<br />

und genügen der Phasenverschiebungsrelation<br />

Ferner lösen sie die Identität auf:<br />

∣ √ ∣ ∫ ∣∣<br />

−2 φ 0 +2π<br />

∣b 0 2π dφ |φ〉〈φ|<br />

n<br />

|φ +2π〉 = |φ〉 (2.278)<br />

e −iαˆn |φ〉 = |φ − α〉. (2.279)<br />

φ 0<br />

= ∑ n,m<br />

|n〉〈m|<br />

∫ φ0 +2π<br />

1<br />

dφ e i(n−m)φ<br />

2π φ<br />

} 0<br />

{{ }<br />

δ nm<br />

= ∑ n<br />

|n〉〈n| = Î. (2.280)<br />

Üblicherweise wird b 0 =1/ √ 2π gesetzt, so daß die Phasenzustände die<br />

folgende Form annehmen:<br />

|φ〉 = √ 1 ∑<br />

e inφ |n〉 (2.281)<br />

2π<br />

n<br />

Es ist klar, daß |φ〉 kein Eigenzustand von ˆV † ist. Aus (2.263) und<br />

(2.281) ist unschwer zu sehen, daß die Anwendung von ˆV † auf |φ〉 das<br />

Ergebnis<br />

(<br />

ˆV † |φ〉 = e −iφ |φ〉−√ 1 )<br />

|0〉<br />

(2.282)<br />


2.5. PHASENZUSTÄNDE 99<br />

liefert.<br />

Die Phasenzustände sind nicht orthogonal und lassen sich nicht normieren.<br />

Man kann zeigen, daß<br />

〈φ|φ ′ 〉 = 1<br />

2π<br />

∑<br />

n<br />

e −in(φ−φ′ )<br />

= 1<br />

4π + 1 2 δ(φ − φ′ ) − i<br />

4π cot[ 1<br />

2 (φ − φ′ ) ] (2.283)<br />

gilt. Natürlich kann wegen der Vollständigkeitsrelation (2.280) jeder<br />

Zustand nach Phasenzuständen entwickelt werden (φ 0 =0),<br />

|Ψ〉 =<br />

∫ 2π<br />

0<br />

dφ |φ〉〈φ|Ψ〉, (2.284)<br />

wobei<br />

ˆΠ(φ) =|φ〉〈φ| (2.285)<br />

ein POM für die kanonische Phase darstellt:<br />

P (φ) =〈ˆΠ(φ)〉, (2.286)<br />

∫ 2π<br />

0<br />

P (φ) ≥ 0, (2.287)<br />

dφ P (φ) =1. (2.288)<br />

Mit anderen Worten, die Verteilungsfunktion P (φ) für die Quantenphase<br />

kann nicht beliebig scharf werden – ein Ausdruck der Tatsache,<br />

daß der Phase kein hermitescher Operator entspricht.<br />

Kosinus- und Sinuszustände<br />

Die Operatoren ˆV und ˆV † können verwendet werden, um hermitesche<br />

Operatoren Ĉ und Ŝ zu definieren, die dem Kosinus und Sinus der<br />

Phase entsprechen:<br />

Ĉ = 1 2 ( ˆV + ˆV † ) (2.289)


100 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

Ŝ = 1 2i ( ˆV − ˆV † ) (2.290)<br />

Man überzeugt sich leicht, daß die Relationen<br />

[Ĉ, ˆn] =iŜ, (2.291)<br />

[Ŝ, ˆn] =−iĈ, (2.292)<br />

[Ĉ,Ŝ] = i<br />

2<br />

|0〉〈0| (2.293)<br />

gelten, so daß insbesondere die Unschärferelation<br />

〈(∆Ĉ)2 〉〈(∆Ŝ)2 〉≥ 1 16 〈|0〉〈0|〉2 (2.294)<br />

folgt. Das heißt, Kosinus und Sinus können i. allg. nicht gleichzeitig<br />

definierte Werte annehmen. Dies ist nur für solche Zustände möglich,<br />

die nicht mit dem Vakuum überlappen.<br />

Wir wollen das Eigenwertproblem von Ĉ lösen,<br />

Dazu gehen wir wieder in die Fock-Basis,<br />

Ĉ| cos φ〉 = C| cos φ〉. (2.295)<br />

| cos φ〉 = ∑ n<br />

c n |n〉, (2.296)<br />

und erhalten mit den Definitionen (2.289) und (2.263) für die Koeffizienten<br />

c n das Gleichungssystem<br />

2Cc 0 = c 1 , 2Cc n+1 = c n + c n+2 , (2.297)<br />

dessen Lösung<br />

lautet. Somit gilt:<br />

C =cosφ, (2.298)<br />

c n =˜c 0 sin[(n +1)φ] (2.299)<br />

Ĉ| cos φ〉 =cosφ| cos φ〉 (2.300)


2.5. PHASENZUSTÄNDE 101<br />

∑<br />

| cos φ〉 =˜c 0 sin[(n +1)φ]|n〉 (2.301)<br />

n<br />

Alle unabhängigen Lösungen sind offensichtlich im Intervall 0 ≤ φ < π<br />

enthalten. Sie bilden ein vollständiges Orthonormalsystem,<br />

〈cos φ| cos φ ′ 〉 = δ(φ − φ ′ ), (2.302)<br />

∫ π<br />

0<br />

dφ | cos φ〉〈cos φ| = Î, (2.303)<br />

wobei ˜c 0 = √ 2/π gesetzt wurde.<br />

Wenden wir uns dem etwas allgemeineren Kosinus-Eigenwertproblem<br />

mit verschobenem Argument zu und betrachten dazu den Operator<br />

Ĉ(α) =e −iαˆn Ĉe iαˆn = 1 2<br />

(<br />

ˆVe iα + ˆV † e −iα) (2.304)<br />

Mit (2.300) und (2.301) folgt unschwer:<br />

Ĉ(α)|ψ, α〉 =cosψ|ψ, α〉 (2.305)<br />

|ψ, α〉 = e −iαˆn | cos ψ〉 =<br />

√<br />

2<br />

π<br />

∑<br />

e −inα sin[(n +1)ψ]|n〉<br />

n<br />

Offensichtlich gilt<br />

(2.306)<br />

Ĉ = Ĉ(α)| α=0, Ŝ = Ĉ(α)| α=− π 2 . (2.307)<br />

Damit erhalten wir also für das Sinus-Eigenwertproblem<br />

Ŝ|ψ, α = − 1 2 π〉 =cosψ |ψ, α = −1 2π〉, (2.308)


102 KAPITEL 2. QUANTENZUSTÄNDE<br />

Üblicherweise wird<br />

gesetzt, so daß<br />

√<br />

2<br />

|ψ, α = − 1 2 π〉 = ∑<br />

i n sin[(n +1)ψ]|n〉. (2.309)<br />

π<br />

n<br />

ψ = 1 2 π − φ (2.310)<br />

cos ψ =sinφ, (2.311)<br />

(−π/2 < φ ≤ π/2) ist, und es wird die Bezeichnung<br />

| sin φ〉 ≡|ψ = 1 2 π − φ, α = −1 π〉 (2.312)<br />

2<br />

verwendet. Dann kann (2.308) in der üblichen Form<br />

Ŝ| sin φ〉 =sinφ| sin φ〉 (2.313)<br />

geschrieben werden. Es ist klar, daß wegen (2.302) und (2.303) die<br />

Relationen<br />

〈sin φ| sin φ ′ 〉 = δ(φ − φ ′ ), (2.314)<br />

∫ π/2<br />

−π/2<br />

dφ | sin φ〉〈sin φ| = Î (2.315)<br />

gelten.<br />

Kosinus und Sinus können verwendet werden, um zwei hermitesche<br />

Phasenoperatoren ˆφ C = ˆφ † C und ˆφ S = ˆφ † S über das jeweilige Argument<br />

zu definieren,<br />

ˆφ C =cos −1 Ĉ, (2.316)<br />

ˆφ S =sin −1 Ŝ, (2.317)<br />

die natürlich nicht miteinander vertauschen,<br />

[ ˆφC , ˆφ S<br />

]<br />

≠0. (2.318)<br />

Damit können zwei unitäre Exponentialoperatoren definiert werden,<br />

und es gilt<br />

ˆV = 1 2<br />

ˆV C = e i ˆφ C<br />

, ˆV<br />

†<br />

C<br />

ˆV S = e i ˆφ S<br />

, ˆV<br />

†<br />

S<br />

= ˆV<br />

−1<br />

C , (2.319)<br />

= ˆV<br />

−1<br />

S , (2.320)<br />

(e i ˆφ C<br />

+ e i ˆφ S<br />

+ e −i ˆφ C<br />

− e −i ˆφ S<br />

)<br />

. (2.321)


Kapitel 3<br />

Phasenraumfunktionen<br />

Wie jedes quantenmechanische System wird sich das Strahlungsfeld i.<br />

allg. nicht in einem reinen Zustand |Ψ〉, sondernineinemstatistischen<br />

Gemisch<br />

ˆϱ = ∑ p Ψ |Ψ〉〈Ψ| (3.1)<br />

Ψ<br />

befinden, wobei p Ψ die klassische Wahrscheinlichkeit dafür ist, das System<br />

in dem (reinen) Zustand |Ψ〉 anzutreffen,<br />

p Ψ ≥ 0, (3.2)<br />

∑<br />

p Ψ =1. (3.3)<br />

Ψ<br />

Der Erwartungswert einer physikalischen Größe<br />

Ô ergibt sich dann als<br />

〈Ô〉 =Tr(ˆϱ Ô) =∑<br />

Ψ<br />

p Ψ<br />

〈Ψ|Ô|Ψ〉. (3.4)<br />

Das heißt, die Mittelungsprozedur ist eine zweifache. Es sind zunächst<br />

die quantenmechanischen Mittelwerte 〈Ψ|Ô|Ψ〉 von Ô in den Zuständen<br />

|Ψ〉 zu bilden, und diese sind dann mit den klassischen Wahrscheinlichkeiten<br />

p Ψ zu mitteln. Speziell für Ô = Î gilt<br />

1=Trˆϱ = ∑ Ψ<br />

p Ψ , (3.5)<br />

103


104 KAPITEL 3. PHASENRAUMFUNKTIONEN<br />

und für<br />

Ô =ˆϱ finden wir<br />

〈ˆϱ〉 =Trˆϱ 2 = ∑ Ψ<br />

∑<br />

Ψ ′ p Ψ p Ψ<br />

′<br />

∣ 〈Ψ ′ |Ψ〉 ∣ ∣ 2 ≤ 1. (3.6)<br />

Offensichtlich gilt das Gleichheitszeichen im Falle eines reinen Zustandes<br />

ˆϱ = |Ψ 0 〉〈Ψ 0 |,<br />

{<br />

1für Ψ = Ψ0 ,<br />

p Ψ =<br />

(3.7)<br />

0sonst.<br />

Wir wollen wieder ein 1-Moden-Strahlungsfeld betrachten und annehmen,<br />

daß der Zustand des Feldes durch den Dichteoperator ˆϱ beschrieben<br />

wird. Ferner sei Ô = Ô(â, ↠)irgendeineGröße des Feldes,<br />

deren Mittelwert<br />

〈Ô〉 =Tr[ˆϱ Ô(â, ↠)] (3.8)<br />

es zu bestimmen gilt. Dies kann z.B. in der orthogonalen Fock-Basis<br />

geschehen,<br />

ˆϱ = ∑ ϱ mn |m〉〈n| (3.9)<br />

m,n<br />

(ϱ mn = 〈m|ˆϱ|n〉). Man kann natürlich auch die nicht orthogonalen<br />

kohärenten Zustände verwenden,<br />

ˆϱ = 1 ∫ ∫<br />

d 2 α d 2 βϱ(α, β)|α〉〈β| (3.10)<br />

π 2<br />

[ϱ(α, β)= 〈α|ˆϱ|β〉], so daß<br />

〈Ô〉 = 1 ∫ ∫<br />

d 2 α<br />

π 2<br />

d 2 βϱ(α, β)〈β|Ô(â, ↠)|α〉 (3.11)<br />

gilt. Wir vergleichen mit der klassischen Beschreibung:<br />

â, â † ↦→ α, α ∗ , Ô(â, â † ) ↦→ O(α, α ∗ ) ≡ O(α), (3.12)<br />

〈Ô〉 ↦→ O =<br />

∫<br />

d 2 α P cl (α)O(α), (3.13)<br />

wobei P cl (α) alsdieklassischeWahrscheinlichkeitsdichtefür die komplexe<br />

Amplitude α der betrachteten Strahlungsfeldmode alle Information<br />

über ihren (klassischen) Zustand enthält.


3.1. P -, W -UNDQ-FUNKTION 105<br />

3.1 P -, W -undQ-Funktion<br />

Es stellt sich die Frage, ob es ein quantenmechanisches Analogon zu<br />

der Gleichung (3.13) gibt. Um sie zu beantworten, nehmen wir an, daß<br />

mit Hilfe der Vertauschungsregeln für â und â † diese Operatoren in der<br />

Operatorfunktion Ô(â, ↠)z.B.soumsortiertwordensind,daßsiein<br />

Normalordnung angeordnet sind,<br />

Ô(â, â † )=Ô(n) (â, â † )=:Ô(n) (â, â † ):. (3.14)<br />

Als nächstes definieren wir die dem Operator Ô in Normalordnung<br />

zugeordnete c-Zahlfunktion dadurch, daß wir in Ô(n) (â, â † )â durch α<br />

und â † durch α ∗ ersetzen:<br />

Ô (n) (â, â † ) ↦→ O (n) (α, α ∗ ) ≡ O (n) (α). (3.15)<br />

Wir betrachten die Selbstdarstellung<br />

∫<br />

O (n) (γ) = d 2 α O (n) (α)δ(α−γ), (3.16)<br />

wobei δ(α) die2-dimensionaleδ-Funktion<br />

∫ ∫ dx dy α x+Im α y)<br />

δ(α) =<br />

e−i(Re<br />

2π 2π<br />

= 1 ∫<br />

d 2 β e αβ∗ −α ∗ β<br />

π 2<br />

(3.17)<br />

bedeutet. Mit (3.17) lautet (3.16)<br />

O (n) (γ) = 1 ∫ ∫<br />

d 2 α d 2 β O (n) (α)e −(α∗ −γ ∗ )β e (α−γ)β∗ . (3.18)<br />

π 2<br />

Ersetzen wir auf der rechten Seite dieser Gleichung γ durch â und γ ∗<br />

durch â † ,soerhaltenwiroffensichtlich eine Darstellung des (normalgeordneten)<br />

Operators Ô, nämlich<br />

Ô = 1 ∫ ∫<br />

d 2 α d 2 β O (n) (α)e −(α∗ −â †)β e (α−â)β∗<br />

π 2<br />

= 1 ∫ ∫<br />

d 2 α d 2 β O (n) (α)e αβ∗ −α ∗β e β↠e −β∗ â<br />

(3.19)<br />

π 2


106 KAPITEL 3. PHASENRAUMFUNKTIONEN<br />

bzw. [unter Berücksichtigung von (2.52)]<br />

Ô = 1 ∫ ∫<br />

d 2 α d 2 β O (n) (α)e αβ∗ −α ∗β :<br />

π ˆD(β) :. (3.20)<br />

2<br />

Ist O (n) (α) Fourier-transformierbar,<br />

O (n) (α) = 1 π 2 ∫<br />

d 2 β O (n) (β)e αβ∗ −α ∗β , (3.21)<br />

so ist die Fourier-Transformierte O (n) (β) durch<br />

∫<br />

O (n) (β) = d 2 α O (n) (α)e βα∗ −β ∗ α<br />

(3.22)<br />

gegeben und folglich gilt<br />

Ô = 1 ∫<br />

π 2<br />

d 2 β O (n) (−β) :ˆD(β) :. (3.23)<br />

Definieren wir die operatorwertige δ-Funktion als<br />

ˆδ(α−â) = 1 π 2 ∫<br />

d 2 β ˆD(β)e αβ∗ −α ∗β , (3.24)<br />

dann kann<br />

Ô offensichtlich auch in der Form<br />

∫<br />

Ô =<br />

d 2 α O (n) (α) :ˆδ(α−â): (3.25)<br />

dargestellt werden. Wir bilden den Erwartungswert 〈Ô〉 und sehen, daß<br />

dieser das Phasenraumintegral von O (n) (α) gewichtetmitdemErwartungswert<br />

〈: ˆδ(α−â):〉 ist: 1<br />

〈Ô〉 = ∫<br />

d 2 α P (n) (α)O (n) (α) (3.26)<br />

1 Das setzt voraus, daß die Reihenfolge von Phasenraumintegration und quantenmechanischer<br />

Mittelung vertauschbar ist.


3.1. P -, W -UNDQ-FUNKTION 107<br />

P (n) (α) =〈: ˆδ(α−â):〉 (3.27)<br />

Die Gleichung (3.26) hat (formal) große Ähnlichkeit mit der klassischen<br />

Gleichung (3.13). Die dem Operator Ô zugeordnete c-Zahlfunktion<br />

O (n) (α) wirdmitder Verteilungsfunktion“ P (n) (α) über dem<br />

”<br />

Raum der komplexen Amplitude α (dem Phasenraum) gemittelt“, wobei<br />

∫<br />

”<br />

d 2 α P (n) (α) =1 (3.28)<br />

gilt. Im Unterschied zur Wahrscheinlichkeitsdichte P cl (α) der klassischen<br />

Statistik besitzt die Phasenraumfunktion P (n) (α) i.allg.jedoch<br />

nicht die Attribute einer Wahrscheinlichkeitsdichte (man spricht deshalb<br />

auch von einer Quasiwahrscheinlichkeitsdichte). So ist P (n) (α)<br />

nicht notwendigerweise positiv und kann darüberhinaus hochgradig singulär<br />

werden. Die Funktion<br />

P (α) ≡ P (n) (α) (3.29)<br />

heißt üblicherweise P -Funktion. Wir berücksichtigen, daß<br />

O (n) (α)<br />

=〈α|Ô|α〉 =Tr(|α〉〈α|Ô) (3.30)<br />

gilt, und können demnach (3.26) in der Form<br />

[∫<br />

]<br />

〈Ô〉 =Tr d 2 α P (α)|α〉〈α| Ô<br />

(3.31)<br />

schreiben. Der Vergleich mit (3.4) liefert dann:<br />

∫<br />

ˆϱ =<br />

d 2 α P (α)|α〉〈α| (3.32)<br />

Die Darstellung (3.32) des Dichteoperators wird auch Glauber-Sudarshan-Darstellung<br />

genannt. Da mit der P -Funktion die komplette Quantenstatistik<br />

der betrachteten Strahlungsfeldmode bekannt ist, wird der


108 KAPITEL 3. PHASENRAUMFUNKTIONEN<br />

Quantenzustand des Systems durch die P -Funktion vollständig festgelegt.<br />

Das geschilderte Vorgehen ist natürlich nicht auf Normalordnung<br />

beschränkt. Insbesondere können alle Schritte für symmetrische Ordnung<br />

(s) und Antinormalordnung (a) durchgeführt werden. Es sei<br />

O (s) (α)diedemsymmetrischgeordnetenOperatorÔ(â, ↠)= Ô(s) (â, â † )<br />

zugeordnete c-Zahl Funktion. Dann gilt offensichtlich:<br />

〈Ô〉 =<br />

∫<br />

d 2 α P (s) (α)O (s) (α) (3.33)<br />

W (α) ≡ P (s) (α) =〈ˆδ(α−â)〉 (3.34)<br />

Die Funktion W (α) heißtWigner-Funktion.Analoggiltfür die Berechnung<br />

der Erwartungswerte von antinormalgeordneten Größen:<br />

〈Ô〉 =<br />

∫<br />

d 2 α P (a) (α)O (a) (α) (3.35)<br />

Q(α) ≡ P (a) (α) =〈‡ˆδ(α−â)‡〉 (3.36)<br />

(‡‡ –Antinormalordungssymbol).Q(α) istdiealsPOMbereitseingeführte<br />

Q-Funktion (auch Husimi-Funktion genannt),<br />

Q(α) =π −1 〈α|ˆϱ|α〉, (3.37)


3.2. S-PARAMETRISIERTE PHASENRAUMFUNKTIONEN 109<br />

denn es gilt<br />

∫<br />

‡ˆδ(α−â)‡ = π −2 ∫<br />

= π −3 ∫<br />

= π −3 ∫<br />

= π −1<br />

d 2 β e αβ∗ −α ∗β e<br />

−β∗âeβâ†<br />

∫<br />

d 2 β<br />

∫<br />

d 2 β<br />

d 2 γ e αβ∗ −α ∗β e<br />

−β∗â|γ〉〈γ|e βâ†<br />

d 2 γ e (α−γ)β∗ −(α ∗ −γ ∗ )β |γ〉〈γ|<br />

d 2 γδ(α − γ)|γ〉〈γ|<br />

= π −1 |α〉〈α|. (3.38)<br />

Im Gegensatz zur P -Funktion existiert die Q-Funktion also immer und<br />

besitzt, wie bereits gesagt, alle Attribute einer Wahrscheinlichkeitsdichte<br />

im Phasenraum – allerdings nicht im Sinne einer Wahrscheinlichkeitsdichte<br />

für die (bekanntlich nicht gleichzeitig scharf meßbaren)<br />

Größen (â +â † )/2 und(â − â † )/(2i).<br />

3.2 s-parametrisierte Phasenraumfunktionen<br />

Die drei bisher betrachteten Phasenraumfunktionen beziehen sich auf<br />

Spezialfälle der sogenannten s-Ordnung, die durch den kontinuierlichen<br />

Parameter s charakterisiert werden kann. Dazu definieren wir zunächst<br />

den kohärenten Verschiebungsoperator in s-Ordnung als<br />

Offensichtlich gilt [vergleiche (2.52) – (2.54)]<br />

ˆD(α; s) =e 1 2 s|α|2 ˆD(α). (3.39)<br />

ˆD(α;0)= ˆD(α) (symmetrischeOrdnung), (3.40)<br />

ˆD(α;1)=e α↠e −α∗â (Normalordnung), (3.41)<br />

ˆD(α; −1) = e −α∗âe α↠(Antinormalordnung). (3.42)


110 KAPITEL 3. PHASENRAUMFUNKTIONEN<br />

ˆD(α; s) und ˆD(α; s ′ )lassensichineinfacherWeiseineinanderumrechnen,<br />

ˆD(α; s) =e 1 2 (s−s′ )|α| 2 ˆD(α; s ′ ), (3.43)<br />

speziell<br />

ˆD(α; s) =e 1 2 (s−1)|α|2 ˆD(α;1). (3.44)<br />

Damit können beispielsweise die für s =1 gültigen Gleichungen (3.20)<br />

und (3.25) gemäß<br />

Ô = 1 ∫ ∫<br />

d 2 α d 2 β O(α; s)e αβ∗ −α ∗ β ˆD(β; s) (3.45)<br />

π 2<br />

und<br />

∫<br />

Ô =<br />

d 2 α O(α; s)ˆδ(α−â; s) (3.46)<br />

für beliebiges s verallgemeinert werden, wobei in Verallgemeinerung<br />

von (3.24)<br />

ˆδ(α−â; s) = 1 ∫<br />

d 2 β<br />

π ˆD(β; s)e αβ∗ −α ∗ β<br />

(3.47)<br />

2<br />

definiert wurde. Aus (3.46) folgt dann für den Mittelwert 〈Ô〉<br />

〈Ô〉 =<br />

∫<br />

d 2 α P (α; s)O(α; s) (3.48)<br />

mit<br />

P (α; s) =〈ˆδ(α−â; s)〉 (3.49)<br />

als der s-parametrisierten Phasenraumfunktion. 2 Insbesondere gilt<br />

P (α;1)=P (α) (P -Funktion), P (α;0)=W (α) (Wigner-Funktion)und<br />

P (α; −1) = Q(α) (Q-Funktion).<br />

2 Die Gültigkeit der Gleichungen (3.48) und (3.49) setzt wieder voraus, daß die Reihenfolge von<br />

Phasenraumintegration und quantenmechanischer Mittelung vertauschbar ist.


3.2. S-PARAMETRISIERTE PHASENRAUMFUNKTIONEN 111<br />

Mit (3.43) sowie der Umkehrtransformation von (3.47) kann<br />

ˆδ(α − â; s) durchˆδ(α − â; s ′ )ausgedrückt werden:<br />

ˆδ(α−â; s) = 1 ∫<br />

d 2 β e 1<br />

π 2 2 (s−s′ )|β| 2 e αβ∗ −α ∗ β ˆD(β; s ′ )<br />

= 1 ∫<br />

∫<br />

d 2 β e 1<br />

π 2 2 (s−s′ )|β| 2 e αβ∗ −α ∗ β<br />

d 2 γ e βγ∗ −β ∗ γˆδ(γ−â; s ′ ). (3.50)<br />

Für s


112 KAPITEL 3. PHASENRAUMFUNKTIONEN<br />

folgt. Speziell für s =0 lautet (3.56)<br />

ˆδ(α−â; s=0) = ˆδ(α−â) = 2 π ˆD(α)(−1)ˆn ˆD† (α) = 2 π (−1)ˆn(α) , (3.57)<br />

d.h., die Wigner-Funktion ist proportional dem Erwartungswert des<br />

kohärent verschobenen Paritätsoperators.<br />

Die dem Operator Ô zugeordnete c-Zahlfunktion O(α; s) kannberechnet<br />

werden, indem von einer bekannten Funktion O(α; s ′ )ausgegangen<br />

wird. Gemäß (3.45) gilt<br />

Ô = 1 ∫<br />

d 2 β O(−β; s)<br />

π ˆD(β; s), (3.58)<br />

2<br />

wobei O(β; s) dieFourier-TransformiertevonO(α; s) ist.Wirverwenden<br />

(3.43) und erhalten<br />

Ô = 1 π 2 ∫<br />

d 2 β O(−β; s)e 1 2 (s−s′ )|β| 2 ˆD(β; s ′ ), (3.59)<br />

d.h.<br />

und folglich haben wir<br />

O(α; s ′ )= 1 π 2 ∫<br />

O(β; s ′ )=O(β; s)e 1 2 (s−s′ )|β| 2 , (3.60)<br />

d 2 β e αβ∗ −α ∗β O(β; s)e 1 2 (s−s′ )|β| 2 . (3.61)<br />

Wir wollen die Funktion O(α; s) ineineretwasdirekterenWeiseberechnen,<br />

die gleichzeitig die Struktur des Formalismus deutlicher macht.<br />

Wie wir gleich zeigen werden, gilt<br />

Tr [ ˆD(α; s) ˆD(β; −s)<br />

]<br />

= πδ(α+β), (3.62)<br />

woraus unter Berücksichtigung von (3.47)<br />

Tr [ˆδ(α−â; s)ˆδ(β−â; −s)<br />

]<br />

= π −1 δ(α−β) (3.63)<br />

folgt. Speziell für β =0, d.h. ˆD(0; −s)= Î,liefert(3.62)<br />

Tr [ ˆD(α; s)<br />

]<br />

= πδ(α) (3.64)


3.2. S-PARAMETRISIERTE PHASENRAUMFUNKTIONEN 113<br />

und damit auch<br />

Tr[δ(α−â; s)] = π −1 . (3.65)<br />

Der Beweis von (3.62) kann etwa wie folgt geführt werden:<br />

Tr [ ˆD(α; s) ˆD(β; −s)<br />

]<br />

=exp [ 1<br />

2 s(|α|2 −|β| 2 ) ] Tr [ ˆD(α) ˆD(β)<br />

]<br />

=exp [ 1<br />

2 (s+1)(|α|2 −|β| 2 ) ] Tr [ e −α∗âe (α+β)↠e −β∗ â ]<br />

=exp [ 1<br />

2 (s+1)(|α|2 −|β| 2 ) ] Tr [ e (α+β)↠e ]<br />

−(α∗ +β ∗ )â<br />

=exp [ 1<br />

2 (s+1)(|α|2 −|β| 2 ) ] ∫<br />

1<br />

d 2 γ 〈γ|e (α+β)↠e −(α∗ +β ∗ )â |γ〉<br />

π<br />

=exp [ 1<br />

2 (s+1)(|α|2 −|β| 2 ) ] ∫<br />

1<br />

d 2 γ e (α+β)γ∗ e −(α∗ +β ∗ )γ<br />

π<br />

= πδ(α+β). (3.66)<br />

Um die Funktion O(α; s) inderEntwicklung(3.46)vonÔ nach s-<br />

parametrisierten ˆδ-Operatoren ˆδ(α−â; s) zu bestimmen, multiplizieren<br />

wir (3.46) mit ˆδ(β−â; −s) undbildendieSpur,<br />

Tr [ Ôˆδ(β−â; −s) ]<br />

∫<br />

= d 2 α O(α; s)Tr [ˆδ(α−â; ]<br />

s)ˆδ(β−â; −s) , (3.67)<br />

} {{ }<br />

π −1 δ(α − β)<br />

woraus mit (3.63)<br />

O(α; s) =πTr [ Ôˆδ(α−â; −s) ] (3.68)<br />

folgt. Die Gleichungen (3.46) und (3.68) gelten natürlich auch für den<br />

statistischen Operator:<br />

∫<br />

ˆϱ = d 2 αϱ(α; s)ˆδ(α−â; s), (3.69)


114 KAPITEL 3. PHASENRAUMFUNKTIONEN<br />

ϱ(α; s) =πTr [ˆϱˆδ(α−â; −s) ] . (3.70)<br />

Wegen Tr ˆϱ =1 sowie der Relation (3.65) genügt die zugeordnete c-<br />

Zahlfunktion ϱ(α; s) offensichtlich der Bedingung<br />

1= 1 ∫<br />

d 2 αϱ(α; s). (3.71)<br />

π<br />

Wir vergleichen (3.70) mit (3.49) und finden<br />

P (α; s) =Tr [ˆϱˆδ(α−â; s) ] = π −1 ϱ(α; −s), (3.72)<br />

d.h., die Phasenraumfunktion, die gemäß (3.48) benötigt wird zur Berechnung<br />

des Mittelwertes einer gegebenen Größe Ô unter Verwendung<br />

der zugeordneten c-Zahlfunktion für den Ordnungsparameter s,<br />

ist durch die dem statistischen Operator zugeordnete c-Zahlfunktion<br />

für den Ordnungsparameter −s gegeben. Mit anderen Worten, wird Ô<br />

s-geordnet, muß ˆϱ −s-geordnet werden,<br />

∫<br />

〈Ô〉 = π−1 d 2 αϱ(α; −s)O(α; s). (3.73)<br />

Die Gleichungen (3.71) und (3.72) zeigen insbesondere, daß P (α; s) für<br />

jedes s auf eins normiert ist,<br />

∫<br />

d 2 α P (α; s) =1. (3.74)<br />

Wie bereits ausgeführt, existiert P (α; −1) = Q(α) immeralsWahrscheinlichkeitsverteilung<br />

im Sinne eines POM, wobei offensichtlich<br />

0 ≤ P (α; −1) ≤ π −1 (3.75)<br />

gilt – die Verteilungsfunktion kann nicht beliebig schmal werden. Man<br />

kann zeigen, daß P (α; s) für s ≤−1immerimSinneeinesPOMexistiert.<br />

Für −1


3.2. S-PARAMETRISIERTE PHASENRAUMFUNKTIONEN 115<br />

wie mit (3.57) unschwer zu erkennen ist. Negative Werte von P (α; s)<br />

sind ein Zeichen nichtklassischen Verhaltens. Schließlich muß P (α; s)<br />

für s>0nichteinmalimSinneeinerüblichen Funktion existieren.<br />

Insbesondere ist klar, daß negative Werte von normalgeordneten Varianzen<br />

notwendigerweise verlangen, daß P (α;1)≡ P (α) nichtüberall<br />

nichtnegativ sein kann.<br />

Öfters werden Phasenraumfunktionen etwas anders normiert, oder<br />

es werden auch etwas andere Argumente verwendet. So wird beispielsweise<br />

in Anlehnung an Ort und Impuls<br />

α = 1 √<br />

2<br />

(q + ip) (3.77)<br />

geschrieben, und es werden Re α und Im α gemäß<br />

Re α = √ q , Im α = √ p (3.78)<br />

2 2<br />

durch q und p ersetzt, so daß<br />

P (α; s) =P (Re α + iIm α; s) =P (q/ √ 2+ip/ √ 2; s) (3.79)<br />

gilt. Die auf eins normierte Phasenraumfunktion P (q, p; s) bezüglich<br />

des von q und p aufgespannten Phasenraums ist dann gemäß<br />

gegeben,<br />

∫<br />

1<br />

2P (α; s) ↦→ P (q, p; s) (3.80)<br />

∫<br />

dq<br />

dpP(q, p; s) =1. (3.81)<br />

In manchen Fällen kann es nützlich sein, anstelle einer Phasenraumfunktion<br />

P (α; s) ihreFourier-Transformierte(charakteristischeFunktion)<br />

Φ(α; s) zuverwenden,<br />

P (α; s) = 1 π 2 ∫<br />

d 2 β e αβ∗ −α ∗β Φ(β; s), (3.82)<br />

∫<br />

Φ(α; s) =<br />

∫<br />

=<br />

d 2 β e αβ∗ −α ∗β P (β; s)<br />

d 2 β e αβ∗ −α ∗β 〈ˆδ(β−â; s)〉 = 〈 ˆD(α; s)〉, (3.83)


116 KAPITEL 3. PHASENRAUMFUNKTIONEN<br />

wobei wegen (3.43) die Beziehung<br />

und speziell<br />

Φ(α; s) =e 1 2 (s−s′ )|α| 2 Φ(α; s ′ ) (3.84)<br />

Φ(α; s) =e 1 2 s|α|2 Φ(α;0)=e 1 2 s|α|2 Tr [ˆϱ ˆD(α) ] (3.85)<br />

gilt. Aus Φ(α; s)können insbesondere die s-geordneten Momente durch<br />

Differentiation in einfacher Weise gewonnen werden:<br />

〈â†mâ n〉 s<br />

∣<br />

∂m ∂ n<br />

=(−1)n<br />

∂α m ∂α Φ(α; s) ∣∣∣α=α∗<br />

. (3.86)<br />

∗n<br />

=0<br />

Der Zusammenhang zwischen Φ(α; s) undΦ(α; s ′ )kannbenutzt<br />

werden, um einen Zusammenhang zwischen P (α; s) undP (α; s ′ )herzustellen.<br />

Man überzeugt sich leicht [siehe (3.51)], daß sich speziell für<br />

s


3.3. BEISPIELE 117<br />

und folglich gilt<br />

Ô = 1 π<br />

∫<br />

d 2 α Tr<br />

{Ô ˆD(−α; −s)<br />

}<br />

ˆD(α; s), (3.90)<br />

speziell<br />

ˆϱ = 1 π<br />

∫<br />

{<br />

d 2 α Tr ˆϱ ˆD(−α; −s)}<br />

ˆD(α; s), (3.91)<br />

d.h. [siehe (3.83)]<br />

ˆϱ = 1 π<br />

∫<br />

d 2 α Φ(−α; −s)<br />

} {{ }<br />

Φ ∗ (α; −s)<br />

ˆD(α; s). (3.92)<br />

3.3 Beispiele<br />

Kohärenter Zustand<br />

ˆϱ = |β〉〈β|. (3.93)<br />

Aus (3.32) ist sofort zu sehen, daß die P -Funktion<br />

P (α) =δ(α−β) (3.94)<br />

lautet. Man beachte, daß in der klassischen Optik eine Phasenraumverteilung<br />

dieser Art eine schwankungsfreie Strahlungsfeldmode charakterisiert.<br />

Dies ist in der <strong>Quantenoptik</strong> nicht der Fall, da ein kohärenter<br />

Zustand noch die Vakuumfluktuationen enthält. Anwendung von (3.87)<br />

liefert die Wigner-Funktion<br />

W (α) = 2 (3.95)<br />

π e−2|α−β|2<br />

und die Q-Funktion<br />

Q(α) = 1 (3.96)<br />

π e−|α−β|2<br />

in Form von Gauß-Funktionen.


118 KAPITEL 3. PHASENRAUMFUNKTIONEN<br />

Gequetschtes Vakuum<br />

W (α)<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.2<br />

0<br />

-<br />

2<br />

-<br />

1<br />

0<br />

Re (α)<br />

1<br />

2<br />

0<br />

-1<br />

-2<br />

1<br />

2<br />

Im (α)<br />

Wigner-Funktion des gequetschten Vakuums (ξ =0.54).<br />

Fock-Zustand<br />

ˆϱ = |n〉〈n|. (3.97)<br />

Für einen Fock-Zustand als extrem nichtklassischen Strahlungsfeldzustand<br />

wird die P -Funktion hochgradig singulär und existiert nicht als<br />

gewöhnliche Funktion. Wir berechnen<br />

P (α) =〈ˆδ(α − â;1)〉<br />

= 1 π 2 ∫<br />

d 2 β e αβ∗ −α ∗β 〈n|e β↠e −β∗â|n〉, (3.98)<br />

〈n|e β↠e −β∗â|n〉 =<br />

=<br />

n∑<br />

k=0<br />

n∑<br />

k=0<br />

(−1) k |β|2k<br />

(k!) 2<br />

〈n|â †k â k |n〉<br />

} {{ }<br />

n(n − 1) ···[n − (k − 1)]<br />

)<br />

1 n<br />

(−1)<br />

k!( k |β| 2k , (3.99)<br />

k<br />

∫<br />

1<br />

π 2<br />

d 2 β |β| 2k e αβ∗ −α ∗β<br />

= (−1) k ∂k ∂ k<br />

δ(α) (3.100)<br />

∂α k ∂α∗k


3.3. BEISPIELE 119<br />

Q(α)<br />

0.06<br />

0.04<br />

0.02<br />

0<br />

-<br />

2<br />

0<br />

Re (α)<br />

2<br />

-2<br />

0<br />

2<br />

Im (α)<br />

Q-Funktion des Fock-Zustands |n=4〉.<br />

W (α)<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.2<br />

0<br />

-0.2<br />

-2<br />

0<br />

Re (α)<br />

2<br />

-2<br />

0<br />

2<br />

Im (α)<br />

Wigner-Funktion des Fock-Zustands |n=4〉.<br />

und erhalten die P -Funktion als<br />

P (α) =<br />

n∑<br />

k=0<br />

)<br />

1 n ∂<br />

k<br />

∂<br />

k!( k<br />

δ(α). (3.101)<br />

k ∂α k ∂α∗k


120 KAPITEL 3. PHASENRAUMFUNKTIONEN<br />

Im Gegensatz dazu stellt die Q-Funktion<br />

Q(α) = 1 π |〈α|n〉|2 = 1 |α| 2n<br />

e −|α|2 (3.102)<br />

π n!<br />

eine Funktion mit allen Attributen einer Wahrscheinlichkeitsdichte dar.


Kapitel 4<br />

Photoelektrischer<br />

Nachweis von Licht<br />

4.1 Modell<br />

Im Sinne eines einfachen Modells für einen Photodetektor betrachten<br />

wir ein Ensemble von (atomaren) Absorptionszentren, das bei Bestrahlung<br />

mit Licht Photonen absorbiert und dabei Elektronen freisetzt<br />

(Photoeffekt). Wir wollen annehmen, daß die Anzahl N der Detektoratome<br />

hinreichend groß ist (N →∞), so daß jedes Atom im Beobachtungszeitraum<br />

höchstens ein Elektron zur Anzahl der emittierten<br />

Elektronen beiträgt. Wir ordnen jedem Atom im gegebenen Meßzeitintervall<br />

t, t + ∆t eine Zufallsvariable zu, die die Anzahl der emittierten<br />

Elektronen beschreibt und nach Voraussetzung also nur die Werte 0 und<br />

1annehmensoll.Imweiterenwollenwirmiti =1, 2,...,N die Atome<br />

durchnumerieren und mit ñ i die Zufallsvariable des i-ten Atoms<br />

bezeichnen (Realisierungen 0, 1). Die Zufallsvariable ñ der insgesamt<br />

im betrachteten Zeitintervall von allen Atomen emittierten Anzahl von<br />

Elektronen ist<br />

N∑<br />

ñ = ñ i , (4.1)<br />

i=1<br />

121


122 KAPITEL 4. PHOTODETEKTION<br />

und für den Mittelwert einer beliebigen Funktion f(ñ 1 ,...ñ N )gilt<br />

f(ñ 1 ,...,ñ N ) =<br />

1∑ 1∑<br />

··· p k1 ,...,k N<br />

f(k 1 ,...,k N ). (4.2)<br />

k 1 =0 k N =0<br />

Die Koeffizienten p k1 ,...,k N<br />

sind die elementaren Wahrscheinlichkeiten<br />

dafür, daß im Beobachtungszeitraum das erste Atom k 1 Elektronen<br />

emittiert, das zweite Atom k 2 Elektronen emittiert usw. (i =1,...,N,<br />

k i =0, 1).<br />

Es sei p m (t, ∆t) die Wahrscheinlichkeit dafür, daß im Zeitintervall<br />

t, t + ∆t genau m Photoelektronen freigesetzt werden. Wir definieren<br />

die charakteristische Funktion<br />

y(x, t, ∆t) =(1 + x)ñ =<br />

N∑<br />

p m (t, ∆t)(1 + x) m , (4.3)<br />

m=0<br />

aus der die Wahrscheinlichkeitsverteilung p m (t, ∆t) wiefolgtabgeleitet<br />

werden kann:<br />

p m (t, ∆t) = 1 m!<br />

∂ m<br />

∂x m y(x, t, ∆t) ∣<br />

∣∣∣x=−1<br />

. (4.4)<br />

Stellen wir y(x, t, ∆t) inderForm<br />

y(x, t, ∆t) =<br />

N∏<br />

∏ N<br />

(1 + = [(1 + x)ñ x)ñi i +(1− ñ i )] (4.5)<br />

i=1<br />

i=1<br />

dar, so führt die Entwicklung nach Potenzen von (1 + x) undderVergleich<br />

mit (4.3) unmittelbar auf<br />

p m (t, ∆t) = ∑ K m N<br />

ñ i1 ...ñ im (1 − ñ im+1 ) ···(1 − ñ iN ) , (4.6)<br />

wobei die Summe alle Kombinationen KN<br />

m erfaßt, d.h. alle Möglichkeiten,<br />

aus den Zahlen 1,...,N genau m Zahlen auszuwählen. Damit<br />

wird unter Berücksichtigung von (4.2) die Bedeutung von p m (t, ∆t)<br />

unmittelbar ersichtlich. Der Summand ñ i1 ...ñ im (1−ñ im+1 ) ···(1−ñ iN )


4.1. MODELL 123<br />

gibt die Wahrscheinlichkeit an, daß m herausgegriffene Detektoratome<br />

i 1 ,...,i m im betrachteten Zeitintervall jeweils ein Photoelektron liefern,<br />

während die restlichen N − m Atome kein Photoelektron liefern.<br />

Um die charakteristische Funktion zu bestimmen, entwickeln wir sie<br />

in eine Taylor-Reihe (N →∞),<br />

Mit (4.3) finden wir<br />

y(x, t, ∆t) = ∑ m<br />

1<br />

m! F m(t, ∆t)x m , (4.7)<br />

F m (t, ∆t) = ∂m<br />

∂x m y(x, t, ∆t) ∣<br />

∣∣∣x=0<br />

. (4.8)<br />

∂ m<br />

∂x m y(x, t, ∆t) ∣<br />

∣∣∣x=0<br />

(4.9)<br />

= ∑ k<br />

p k (t, ∆t) k(k−1) ···[k−(m−1)] (1+x) k−m∣ ∣<br />

x=0<br />

,<br />

d.h., die F m sind durch die faktoriellen Momente von ñ gegeben,<br />

F m (t, ∆t) =<br />

m∏<br />

[ñ − (j − 1)]. (4.10)<br />

j=1<br />

Stellen wir y(x, t, ∆t)wiederinderForm(4.5)darundentwickelnnach<br />

Potenzen von x, soliefertderVergleichmit(4.7)<br />

F m (t, ∆t) =m! ∑ ñ i1 ...ñ im = ∑ ′<br />

ñ i1 ...ñ im . (4.11)<br />

KN<br />

m<br />

i 1 ,i 2 ,...,i m<br />

Die erste Summation hat die gleiche Bedeutung wie in (4.6), während in<br />

den zweiten Summen der Strich Terme mit gleichen Indizes ausschließt.<br />

Offensichtlich ist<br />

p i1 ,i 2 ,...,i m<br />

= ñ i1 ...ñ im (4.12)<br />

die Wahrscheinlichkeit dafür, daß m herausgegriffene Detektoratome<br />

i 1 ,...,i m im betrachteten Zeitintervall jeweils ein Photoelektron liefern,<br />

während über die restlichen N − m Atome keine Aussage gemacht<br />

wird. Diese Wahrscheinlichkeiten berechnen wir quantentheoretisch in<br />

niedrigster Ordnung der Diracschen Störungstheorie.


124 KAPITEL 4. PHOTODETEKTION<br />

4.2 Quantenmechanische Übergangswahrscheinlichkeiten<br />

Gegeben sei ein Hamilton-Operator<br />

Ĥ = Ĥ0 + Ĥint , (4.13)<br />

Ĥ int =<br />

N∑<br />

i=1<br />

Ĥ (i)<br />

int<br />

(4.14)<br />

[Ĥ0 -Hamilton-OperatordesausStrahlung,QuelleundDetektorbestehenden<br />

Systems ohne die Wechselwirkung zwischen Strahlung und<br />

Detektor, Ĥint -(1-Photon-)WechselwirkungstermStrahlung-Detektor].<br />

Die Zeitentwicklung im Dirac-Bild lautet<br />

wobei<br />

i d dτ ˆϱ(τ) =[ Ĥ int (τ), ˆϱ(τ) ] , (4.15)<br />

Ĥ int (τ) =exp [ iĤ0(τ −t)/ ] Ĥ int (t)exp [ −iĤ0(τ −t)/ ] (4.16)<br />

gilt. Die (formale) Lösung von (4.15) kann als<br />

ˆϱ(τ) =Û(τ,t)ˆϱ(t)Û † (τ,t) (4.17)<br />

geschrieben werden, wobei der Zeitentwicklungsoperator<br />

Gleichung<br />

mit<br />

genügt, woraus<br />

[<br />

Û(t+∆t, t) =T + exp − i <br />

folgt (T + -positiveZeitordnung).<br />

Û(τ,t) der<br />

i d Û(τ,t)=Ĥint(τ)Û(τ,t) (4.18)<br />

dτ<br />

Û(t, t) =Î (4.19)<br />

∫ t+∆t<br />

t<br />

]<br />

dτ Ĥint(τ)<br />

(4.20)


4.2. ÜBERGANGSWAHRSCHEINLICHKEITEN 125<br />

|f〉<br />

ω<br />

Wir wollen annehmen, daß sich der Photodetektoranfangs(d.h.<br />

zur Zeit t) imGrundzustand|G〉 befindet, und ˆϱ rs der (Anfangs-)Dichteoperator<br />

von Strahlung und Strahlungsquelle ist, so daß ˆϱ(t) gemäß<br />

|g〉<br />

ˆϱ(t) =|G〉ˆϱ rs 〈G| (4.21)<br />

angesetzt werden kann. Die Wahrscheinlichkeit, daß der Detektor im<br />

Zeitintervall t, t + ∆t einen Übergang<br />

|G〉 →{|F 〉} (4.22)<br />

macht, ist<br />

p {F } (t, ∆t) = ∑ F<br />

Tr[ ˆϱ(t+∆t)|F 〉〈F |] , (4.23)<br />

wobei wir ein (Quasi-)Kontinuum {|F 〉} von Endzuständen annehmen<br />

wollen. Mit (4.17) können wir dann<br />

p {F } (t, ∆t) = ∑ ]<br />

Tr<br />

[ˆϱ rs 〈G|Û † (t+∆t, t)|F 〉〈F |Û(t+∆t, t)|G〉 (4.24)<br />

F<br />

schreiben. Wir spezifizieren |G〉 and |F 〉:<br />

m∏<br />

|G〉 = |g il 〉, |F 〉 =<br />

l=1<br />

m∏<br />

|f il 〉. (4.25)<br />

l=1


126 KAPITEL 4. PHOTODETEKTION<br />

Da jedes Atom mit höchstens einem Photoelektron zur Lichtabsorption<br />

beitragen soll, können wir in niedrigster Ordnung der Störungstheorie<br />

[<br />

Û(t+∆t, t) = 1 m! T +<br />

− i <br />

∫ t+∆t<br />

t<br />

dτ<br />

m∑<br />

l=1<br />

Ĥ (i l)<br />

int (τ) ] m<br />

(4.26)<br />

schreiben, so daß (4.24) die folgende Form annimmt [p {F } (t, ∆t) ↦→<br />

p i1 ,i 2 ,...,i m<br />

(t, ∆t)]:<br />

p i1 ,i 2 ,...,i m<br />

(t, ∆t)<br />

= ∑<br />

f i1 ,f i2 ,...f im<br />

Tr<br />

×<br />

[<br />

T +<br />

m<br />

∏<br />

l=1<br />

{ˆϱ rs<br />

[<br />

T −<br />

m<br />

∏<br />

l=1<br />

∫ ]<br />

i t+∆t<br />

dτ l 〈g il<br />

<br />

|Ĥ(i l)<br />

int (τ l)|f il 〉<br />

t<br />

(<br />

− i ) ∫ ]}<br />

t+∆t<br />

dτ l ′ 〈f il<br />

<br />

|Ĥ(i l)<br />

int (τ l ′ )|g il 〉<br />

t<br />

(4.27)<br />

(T − -negativeZeitordnung).<br />

Wir wollen annehmen, daß die Wechselwirkung der Strahlung mit<br />

den Detektoratomen in Dipol- und Resonanznäherung beschrieben werden<br />

kann. Dann gilt für jedes Atom<br />

〈f i |Ĥ(i) int (τ ′ )|g i 〉≈−iω fi g i<br />

(d fi g i<br />

) k e iω f i g i<br />

(τ ′ −t) Â (+)<br />

k<br />

(r i , τ ′ )<br />

und somit haben wir<br />

1 ∑<br />

2<br />

f i<br />

〈g i |Ĥ(i)<br />

≈−(d fi g i<br />

) k e iω f i g i<br />

(τ ′ −t) Ê (+)<br />

k<br />

(r i , τ ′ ), (4.28)<br />

int (τ)|f i〉〈f i |Ĥ(i) int (τ ′ )|g i 〉<br />

= S (i)<br />

kk<br />

(τ −τ ′ ′ )Ê(−) k<br />

(r i , τ)Ê(+) k<br />

(r ′ i , τ ′ ), (4.29)<br />

wobei die konkrete Struktur von<br />

S (i)<br />

kk ′ (τ −τ ′ )= 1 2 ∑<br />

f i<br />

(d gi f i<br />

) k (d fi g i<br />

) k<br />

′ e −iω f i g i<br />

(τ−τ ′ )<br />

(4.30)


4.3. PHOTOELEKTRONENVERTEILUNG 127<br />

natürlich aus dem verwendeten Modell resultiert. In der Regel kann<br />

S (i)<br />

kk ′ (τ −τ ′ ) ∼ δ kk ′δ(τ −τ ′ ) (4.31)<br />

angenommen werden, d.h. also insbesondere Gedächtnislosigkeit des<br />

Detektors im Sinne eines Markow-Prozesses. Damit nimmt (4.27) die<br />

Gestalt<br />

〈<br />

〉<br />

p i1 ,i 2 ,...,i m<br />

(t, ∆t) ∼<br />

◦<br />

m∏<br />

l=1<br />

∫ t+∆t<br />

t<br />

dτ l Ê (−) (r il , τ l ) · Ê(+) (r il , τ l ) ◦ ◦<br />

an [ ◦ ◦ ◦ ◦ -Normal-undZeitordnung,〈···〉 =Tr(ˆϱ rs ···)].<br />

(4.32)<br />

4.3 Photoelektronenverteilung<br />

Gemäß (4.12) sind die in der Gleichung (4.32) berechneten Wahrscheinlichkeiten<br />

gerade die gesuchten Wahrscheinlichkeiten für die faktoriellen<br />

Momente F m (t, ∆t) inderGleichung(4.11).Wirsetzensieeinund<br />

verfahren dann wie folgt:<br />

(a) Wir gehen von der Summation über alle Atome zur Integration<br />

über, d.h., wir nehmen eine kontinuierliche Verteilung der Absorptionszentren<br />

an.<br />

(b) Wir setzen voraus, daß die relevanten Detektorabmessungen klein<br />

im Vergleich zur langsam veränderlichen Amplitude des zu untersuchenden<br />

Strahlungsfeldes sind.<br />

Das Ergebnis ist<br />

〈<br />

F m (t, ∆t) =<br />

◦<br />

[ξÎ(t, ∆t) ] m ◦◦<br />

〉<br />

(4.33)<br />

mit<br />

Î(t, ∆t) =<br />

∫ t+∆t<br />

t<br />

dτ Î(τ), (4.34)


128 KAPITEL 4. PHOTODETEKTION<br />

Î(τ) =Ê(−) (r, τ) · Ê(+) (r, τ) (4.35)<br />

(ξ -NachweisempfindlichkeitdesPhotodetektors).<br />

Wir setzen (4.33) in die Gleichung (4.7) für die charakteristische<br />

Funktion y(x, t, ∆t) einunderhalten<br />

woraus<br />

y(x, t, ∆t) =<br />

〈<br />

◦<br />

〈<br />

y(x, t, ∆t) =<br />

∑<br />

m<br />

〉<br />

1<br />

[ ] m<br />

m!<br />

ξÎ(t, ∆t)x ◦◦<br />

[ξÎ(t,<br />

]<br />

◦ exp ∆t)x<br />

〉<br />

◦<br />

, (4.36)<br />

(4.37)<br />

folgt. Gemäß (4.4) folgt dann aus (4.37) für die Photoelektronenverteilung:<br />

〈<br />

p m (t, ∆t) =<br />

◦<br />

1<br />

[ ] 〉<br />

m<br />

m!<br />

ξÎ(t, ∆t) e −ξÎ(t,∆t) ◦ (4.38)<br />

In der klassischen Optik spielen Zeit- und Normalordnung keine Rolle<br />

und 〈···〉 bedeutet einfach klassisch-stochastische Mittelung. Kann<br />

speziell das klassische Feld als rauschfrei angenommen werden, stellt<br />

p m (t, ∆t) einePoisson-Verteilungdar.Für ein hinreichend kurzes Meßintervall<br />

nimmt (4.34) die Gestalt<br />

Î(t, ∆t) ≈ ∆tÎ(t) (4.39)<br />

an. Die Messung der Photoelektronenstatistik liefert also (zumindest im<br />

Prinzip) alle normal- und zeitgeordneten Intensitätskorrelationsfunktionen<br />

des Strahlungsfeldes (amOrtdesDetektors).<br />

Wir haben bis jetzt den Fall betrachtet, daß an einem bestimmten<br />

Raumpunkt r eine Messung in einem bestimmten Zeitintervall t, t+∆t<br />

vorgenommen wird. Die Betrachtung kann auf mehrere Detektoren an<br />

verschiedenen Raumpunkten, die in unterschiedlichen Zeitintervallen<br />

messen, ausgedehnt werden. In diesem Fall ist die Verbundwahrscheinlichkeit<br />

zu berechnen, daß der 1. Detektor (am Ort r 1 ) m 1 Photoelektronen<br />

im Zeitintervall t 1 ,t 1 + ∆t 1 registriert, der 2. Detektor (am Ort


4.3. PHOTOELEKTRONENVERTEILUNG 129<br />

r 2 ) m 2 Photoelektronen im Zeitintervall t 2 ,t 2 +∆t 2 registriert usw. Das<br />

Ergebnis (für M Detektoren) lautet<br />

p m1 ,m 2 ,...,m M<br />

(t 1 , ∆t 1 ,t 2 , ∆t 2 ,...,t M , ∆t M )<br />

〈<br />

M∏<br />

=<br />

◦<br />

l=1<br />

〉<br />

1<br />

[ ] ml<br />

ξ l Î l (t l , ∆t l ) e<br />

−ξ l Î l (t l ,∆t l ) ◦ . (4.40)<br />

m l !<br />

Die Gleichung (4.40) kann auch auf die Messung von Verbundwahrscheinlichkeiten<br />

mittels eines Detektors (am gleichen Ort) angewendet<br />

werden, wenn die einzelnen Zeitintervalle voneinander getrennt sind.<br />

Beispiel: Mittlere Anzahl von Photoelektronen<br />

Aus<br />

n = ∑ mp m (t, ∆t) (4.41)<br />

m<br />

zusammen mit (4.38) folgt sofort<br />

n =<br />

= ξ<br />

ξ〈Î(t, ∆t)〉<br />

∫ t+∆t<br />

woraus sich für Kurzzeitmessungen<br />

〈Ê(−) 〉<br />

n = ξ∆t (t) · Ê(+) (t)<br />

t<br />

dτ<br />

〈Ê(−) (τ) · Ê(+) (τ)〉<br />

, (4.42)<br />

(4.43)<br />

ergibt. Erwartungsgemäß ist die mittlere Anzahl der freigesetzten Photoelektronen<br />

proportional zur Intensität des eingestrahlten Lichtes.<br />

Beispiel: Zweierkorrelation<br />

Die Anzahlkorrelation der von einem Detektor in zwei nicht überlappenden<br />

Zeitintervallen registrierten Photoelektronen ist gemäß (4.40)<br />

wie folgt bestimmt:<br />

n(t, ∆t)n(t+τ, ∆t) =<br />

∑ m 1 ,m 2<br />

m 1 m 2 p m1 ,m 2<br />

(t, ∆t, t+τ, ∆t)<br />

= ξ 2 〈<br />

〉<br />

◦ Î(t, ∆t)Î(t+τ, ∆t) ◦ (4.44)


130 KAPITEL 4. PHOTODETEKTION<br />

(τ > ∆t). Insbesondere für Kurzzeitmessungen erhalten wir<br />

n(t, ∆t)n(t+τ, ∆t)=ξ 2 (∆t) 2 G (2,2) (t, t+τ), (4.45)<br />

wobei<br />

〈<br />

〉<br />

G (2,2) (t, t+τ) = ◦ Î(t)Î(t+τ) ◦ =<br />

〈Ê(−) i<br />

(t)Ê(−) j<br />

〉<br />

(t+τ)Ê(+) (t+τ)Ê(+) (t)<br />

j<br />

i<br />

(4.46)<br />

die zeit- und normalgeordnete Intensitätskorrelationsfunktion (niedrigster<br />

Ordnung) des zu untersuchenden Strahlungsfeldes(amjeweiligen<br />

Beobachtungsort) ist. Im stationären Fall hängt sie nur von der Zeitdifferenz<br />

τ ab,<br />

G (2) (τ) = limG (2,2) (t, t+τ). (4.47)<br />

t→∞<br />

Für klassische Strahlung gilt<br />

G (2,2) (t, t+τ) =<br />

∫ ∞<br />

0<br />

dI<br />

∫ ∞<br />

0<br />

dI ′ II ′ p cl (I,t,I ′ ,t+τ) (4.48)<br />

[p cl (I,t,I ′ ,t+τ) -klassischeVerbundwahrscheinlichkeitsverteilungfür<br />

die Intensitäten zur Zeit t und zur Zeit t+τ]. Anwendung der Schwarzschen<br />

Ungleichung liefert<br />

∫ ∞<br />

0<br />

dI<br />

∫ ∞<br />

0<br />

[∫ ∞<br />

≤<br />

0<br />

dI ′ II ′ p cl (I,t,I ′ ,t+τ)<br />

] 1 [∫<br />

dII 2 2 ∞<br />

] 1<br />

p cl (I,t) dII 2 2<br />

p cl (I,t+τ) . (4.49)<br />

0<br />

Wir wollen stationäre Verhältnisse annehmen,<br />

p cl (I) = lim<br />

t→∞<br />

p cl (I,t)= lim<br />

t→∞<br />

p cl (I,t+τ). (4.50)<br />

In diesem Fall besagt die Ungleichung (4.49) offensichtlich, daß<br />

G (2) (τ) ≤ G (2) (0) (4.51)


4.3. PHOTOELEKTRONENVERTEILUNG 131<br />

G (2) (τ)<br />

klassisch<br />

nichtklassisch<br />

gelten muß. Das heißt, die stationäre Intensitätskorrelationsfunktion<br />

klassischer Strahlung hat einen nichtpositiven Anfangsanstieg. Mit anderen<br />

Worten ausgedrückt, die Wahrscheinlichkeit, Koinzidenzen zu<br />

gleichen Zeiten zu beobachten, ist größer als die (oder mindestens gleich<br />

der) Wahrscheinlichkeit, zeitlich getrennte Koinzidenzen zu registrieren.<br />

Noch anders ausgedrückt, wenn für ein Strahlungsfeld die Ungleichung<br />

(4.51) nicht gilt, widerspricht dies dem klassischen Wahrscheinlichkeitskonzept.<br />

Für<br />

τ<br />

G (2) (τ) >G (2) (0) (4.52)<br />

verhält sich also das Strahlungsfeld nichtklassisch, d.h., es besitzt kein<br />

klassisches Analogon. Für nichtklassische Strahlung werden also gleichzeitige<br />

Koinzidenzen seltener beobachtet als ungleichzeitige. Der Effekt<br />

heißt Photon Antibunching [im Gegensatz zu Photon Bunching im<br />

Falle der Ungleichung (4.51)]. Das Gleichheitszeichen in (4.51) wird<br />

offensichtlich dann realisiert, wenn sich das Strahlungsfeld in einem<br />

kohärenten Zustand befindet.<br />

Da jede physikalische Korrelation nach hinreichend langer Zeit<br />

zerfällt, gilt<br />

lim<br />

τ→∞ G(2) (τ) =〈Î〉2 , (4.53)


132 KAPITEL 4. PHOTODETEKTION<br />

so daß für τ →∞ die Bedingung (4.52) für nichtklassisches Verhalten<br />

〈Î〉2 > 〈:Î2 :〉 (4.54)<br />

bzw.<br />

〈:(∆Î)2 :〉 < 0 (4.55)<br />

lautet.<br />

Beispiel: Varianz<br />

Um die Varianz (∆n) 2 zu bestimmen, haben wir zunächst<br />

n 2 = ∑ m<br />

m 2 p m (t, ∆t) (4.56)<br />

zu bestimmen. Anwendung von (4.38) liefert<br />

n 2 = ξ 〈 Î(t, ∆t) 〉 + ξ 2〈 ◦ ◦ Î 2 (t, ∆t) ◦ ◦<br />

〉<br />

, (4.57)<br />

so daß mit (4.42)<br />

(∆n) 2 = n + ξ 2〈 ◦ ◦<br />

[<br />

∆ Î(t, ∆t) ] 2 ◦◦<br />

〉<br />

(4.58)<br />

folgt. Für klassische Strahlung spielt die Ordnung keine Rolle,<br />

〈 ◦◦<br />

[<br />

∆ Î(t, ∆t) ] 2 ◦◦<br />

〉 〈[ ] 2 〉<br />

↦→ ∆I(t, ∆t) ≥ 0, (4.59)<br />

und folglich gibt klassische Strahlung immer Anlaß zu einer super-<br />

Poisson-Statistik der registrierten Photoelektronen,<br />

(∆n) 2 ≥ n. (4.60)<br />

Das Gleichheitszeichen wird für ein schwankungsfreies klassisches Feld<br />

bzw. ein in einem kohärenten Zustand angeregtes quantisiertes Feld<br />

realisiert, das auch hier wieder die Grenze zwischen klassischer und<br />

nichtklassischer Strahlung markiert. Nichtklassisches Verhalten liegt im<br />

Falle einer sub-Poisson-Statistik vor,<br />

cl<br />

(∆n) 2 < n (4.61)


4.3. PHOTOELEKTRONENVERTEILUNG 133<br />

d.h.<br />

〈 ◦◦<br />

[<br />

∆ Î(t, ∆t) ] 2 ◦◦<br />

〉<br />

< 0 (4.62)<br />

Im Kurzzeitregime,<br />

lautet (4.58)<br />

Î(t, ∆t) =∆t Î(t), (4.63)<br />

(∆n) 2 = n + ξ 2 (∆t) 2〈 : [ ∆Î(t)] 2<br />

:<br />

〉<br />

, (4.64)<br />

und als Bedingung für sub-Poisson-Statistik erhalten wir<br />

〈<br />

:<br />

[<br />

∆ Î(t) ] 2<br />

:<br />

〉<br />

< 0. (4.65)<br />

Für stationäre Felder wird diese Bedingung identisch mit der Antibunching-Bedingung<br />

(4.55).<br />

Anmerkungen<br />

• Analog zu (4.45) und (4.46) lassen sich im Kurzzeitregime<br />

(im Prinzip) Intensitätskorrelationsfunktionen beliebiger Ordnung<br />

bestimmen, d.h. Funktionen<br />

〈<br />

〉<br />

G (n,n) (t 1 ,...,t n )=<br />

=<br />

〈Ê(−) k 1<br />

◦<br />

n∏<br />

Î(t i ) ◦ i=1<br />

(t 1 ) ···Ê(−) k n<br />

(t n )Ê(+)<br />

k n<br />

〉<br />

(t n ) ···Ê(+) k 1<br />

(t 1 )<br />

(4.66)<br />

(t n >t n−1 > ··· >t 1 ). Nicht meßbar sind auf diese Weise Feldkorrelationsfunktionen<br />

vom Typ<br />

〈<br />

〉<br />

n∏<br />

n+m<br />

∏<br />

G (n,m)<br />

k 1 ,...,k n+m<br />

(t 1 ,...,t n+m )= ◦<br />

(t i )Ê(+) (t j ) ◦ i=1 j=n+1<br />

Ê (−)<br />

k i<br />

(4.67)<br />

mit n ≠ m. Für ihre Messung werden Interferenzexperimente<br />

benötigt, in denen das zu untersuchende Feld (auch Signalfeld genannt)<br />

mit einem bekanntem Vergleichsfeld (in der Regel ein in einem<br />

kohärenten Zustand angeregtes Feld) überlagert wird. Dann<br />

k j


134 KAPITEL 4. PHOTODETEKTION<br />

liefern Intensitätskorrelationsfunktionen des Überlagerungsfeldes<br />

auch Aussagen über phasenabhängige Feldkorrelationsfunktionen<br />

vom Typ (4.67) für das Signalfeld. So kann beispielsweise nur auf<br />

diese Weise der Squeezing-Effekt nachgewiesen werden.<br />

• Zur Rolle von Normal- und Zeitordnung<br />

Vom formal-mathematischen Standpunkt sichern die Ordnungsprozeduren,<br />

daß die (reelle) Photoelektronenverteilung der Erwartungswert<br />

eines hermiteschen Operators ist. Physikalisch<br />

bringt die Normalordnungsvorschrift zum Ausdruck, daß die<br />

(üblichen) Photodetektoren auf der Grundlage von Absorption<br />

von Strahlung arbeiten, während die Zeitordnungsvorschrift sogenannte<br />

zeitverzögerte Beiträge unterdrückt. Wenn Felder von realen<br />

Quellen herrühren und somit keine freien Felder sind, können<br />

sich die nichtgleichzeitigen Vertauschungsregeln von denen freier<br />

Felder in solchen Beiträgen unterscheiden, so daß beispielsweise<br />

[Ê(±) i (r 1 ,t 1 ), Ê(±) j (r 2 ,t 2 )<br />

]<br />

≠0 (4.68)<br />

gelten kann. Die genannten Beiträge können auftreten, wenn sich<br />

Strahlung zwischen den Punkten P 1 (Ort r 1 )undP 2 (Ort r 2 )<br />

nicht nur direkt, sondern auch über den Umweg über die Quellen<br />

ausbreiten kann. Dieser Fall ist in der Regel in experimentellen<br />

Meßanordnungen (außerhalb von Resonatoren) ausgeschlossen.<br />

Dann muß nur das aus der Richtung der Quellen einfallende<br />

Feld berücksichtigt werden, und die Zeitordnung kann wegge-<br />

Strahlungsquelle<br />

P 1<br />

P 2


4.4. PHOTOELEKTRONEN- UND PHOTONENSTATISTIK 135<br />

Detektor<br />

Strahlungsquelle<br />

Ê in<br />

lassen werden. Sie ist jedoch unverzichtbar im Falle einer quellenmäßigen<br />

Darstellung des Feldes.<br />

• Quellenmäßige Darstellung<br />

Ist<br />

Ê(t) =Ês(t)+Êfree(t) (4.69)<br />

die quellenmäßige Darstellung, dann kann gezeigt werden, daß<br />

sich Korrelationsfunktionen vom Typ (4.67) in der Form<br />

G (n,m)<br />

k 1 ,...,k n+m<br />

(t 1 ,...,t n+m )=<br />

〈<br />

•<br />

n∏<br />

n+m<br />

∏<br />

i=1 j=n+1<br />

Ê (−)<br />

k i<br />

(t i )Ê(+)<br />

k j<br />

(t j ) • •<br />

(4.70)<br />

• •<br />

darstellen lassen, wobei folgende Regeln impliziert. 1. Normalordnung,<br />

2. Zerlegung gemäß (4.69), 3. Anordnung der Operatoren<br />

Ê(+) k s<br />

und Ê(+) k free<br />

daß die Operatoren Ê(+) k free<br />

Operatoren Ê(+)<br />

k s<br />

(bzw. Ê(−)<br />

k s<br />

〉<br />

und Ê(−) k free )inProduktenso,<br />

k free )rechts(links)vonden<br />

(bzw. Ê(−)<br />

(bzw. Ê (−)<br />

k s )stehen.4.Zeitordnungbezüglich<br />

der Quellterme in den Quellfeldintegralen.<br />

4.4 Photoelektronen- und Photonenstatistik<br />

Wir zerlegen das im Beobachtungszeitraum t, t+∆t einfallende Feld Êin<br />

in geeignete (nicht notwendigerweise monochromatische) orthogonale


136 KAPITEL 4. PHOTODETEKTION<br />

Moden, so daß<br />

gilt, wobei<br />

ξÎ(t, ∆t) ↦→ ηˆn (4.71)<br />

ˆn = ∑ λ<br />

ˆn λ = ∑ λ<br />

â † λâλ (4.72)<br />

der Anzahloperator der im betrachteten Zeitintervallinsgesamteinfallenden<br />

Photonen bedeutet und η die darauf bezogene Nachweisempfindlichkeit<br />

ist,<br />

0 ≤ η ≤ 1. (4.73)<br />

So weit nichts anderes vereinbart wird, beziehen sich hier und im weiteren<br />

alle Formeln auf das gewählte Zeitintervall t, t + ∆t, sodaßwir<br />

auf seine explizite Angabe verzichten können. Mit der Ersetzung (4.72)<br />

geht (4.38) in<br />

P m =<br />

〈<br />

: 1 〉<br />

m! (ηˆn)m e −ηˆn :<br />

(4.74)<br />

über (Mandel-Formel). Das Ergebnis läßt sich unschwer auf den Fall<br />

von Verbundmessungen an M Detektoren verallgemeinern. Analog zu<br />

(4.40) erhalten wir<br />

〈<br />

〉<br />

M∏ 1<br />

P m1 ,m 2 ,...,m M<br />

= :<br />

m l ! (η lˆn l ) m l<br />

e −η lˆn l<br />

: . (4.75)<br />

l=1<br />

Es ist anzumerken, daß die Gleichung (4.74) [wie auch die Gleichung<br />

(4.38)] i. allg. ein POM repräsentiert,<br />

wobei ˆΠ m der (verallgemeinerte) Projektor<br />

P m =Tr (ˆϱˆΠ m<br />

)<br />

, (4.76)<br />

ˆΠ m =: 1 m! (ηˆn)m e −ηˆn : (4.77)<br />

ist,<br />

ˆΠ † m = ˆΠ m , (4.78)


4.4. PHOTOELEKTRONEN- UND PHOTONENSTATISTIK 137<br />

∑<br />

m<br />

ˆΠ m = Î, (4.79)<br />

Tr (ˆϱˆΠ m<br />

)<br />

≥ 0. (4.80)<br />

Wir fassen P m als Funktion der Nachweisempfindlichkeit η auf,<br />

ˆΠ m = ˆΠ m (η), P m = P m (η), und schreiben<br />

d.h.<br />

P m (η) =<br />

=<br />

= ∑ k<br />

=<br />

〈<br />

: 1 〉<br />

m! (ηˆn)m e −ηˆn :<br />

〈<br />

: 1 〉<br />

m! ηmˆn m e (1−η)ˆn e −ˆn :<br />

∞∑<br />

n=m<br />

(m+k)!<br />

m!k!<br />

〉<br />

η m (1 − η)<br />

〈:<br />

k 1<br />

(m+k)!ˆnm+k e −ˆn :<br />

} {{ }<br />

P m+k (1)<br />

n!<br />

(n−m)!m! ηm (1 − η) n−m P n (1), (4.81)<br />

P m (η) = ∑ n<br />

P m|n (η) P n (1) (4.82)<br />

⎧<br />

⎨<br />

P m|n (η) =<br />

⎩<br />

( n<br />

m)<br />

η m (1 − η) n−m<br />

für n ≥ m<br />

0 für n


138 KAPITEL 4. PHOTODETEKTION<br />

zu klären (siehe auch Abschnitt 2.2), betrachten wir die dem Operator<br />

ˆΠ m (1) = : 1 m! ˆnm e −ˆn : (4.85)<br />

zugeordnete c-Zahl-Funktion in Normalordnung,<br />

( ) m (<br />

Π (n)<br />

m (1) = 1 ∑<br />

|α λ | 2 exp − ∑ m!<br />

λ<br />

λ<br />

|α λ | 2 )<br />

. (4.86)<br />

Anwenden des polynomischen Satzes liefert<br />

Π (n)<br />

m (1) =<br />

woraus mit (2.111)<br />

folgt, d.h.<br />

Π (n)<br />

m (1) =<br />

ˆΠ m (1) =<br />

∑<br />

m 1 +m 2 +···=m<br />

∑<br />

∏<br />

λ<br />

m 1 +m 2 +···=m<br />

∑<br />

m 1 +m 2 +···=m<br />

1 (<br />

|αλ | 2) m λ<br />

e −|α λ| 2 , (4.87)<br />

m λ !<br />

∏<br />

|〈α λ |m λ 〉| 2 (4.88)<br />

λ<br />

∏<br />

|m λ 〉〈m λ |. (4.89)<br />

Damit erhalten wir für P m (1) [in Verallgemeinerung von (2.100)]<br />

∑<br />

〉<br />

P m (1) = 〈ˆΠ m (1)〉 =<br />

|m λ 〉〈m λ | , (4.90)<br />

λ<br />

〈 ∏<br />

m 1 +m 2 +···=m λ<br />

} {{ }<br />

p m1 ,m 2 ,...<br />

P m (1) =<br />

∑<br />

m 1 +m 2 +···=m<br />

p m1 ,m 2 ,... (4.91)<br />

Hier ist p m1 ,m 2 ,... die Verbundwahrscheinlichkeit dafür, daß m 1 Photonen<br />

in der Mode 1, m 2 Photonen in der Mode 2 usw. des (im betrachteten<br />

Zeitintervall) einfallenden Strahlungsfeldes sind, und folglich ist P m (1)<br />

die Wahrscheinlichkeit dafür, daß insgesamt m Photonen einfallen.


4.4. PHOTOELEKTRONEN- UND PHOTONENSTATISTIK 139<br />

Damit kann die Gleichung (4.82) folgendermaßen interpretiert werden.<br />

Die Wahrscheinlichkeit, daß n Photonen im einfallenden Feld sind,<br />

ist P n (1). Die Wahrscheinlichkeit, daß unter der Bedingung, daß n Photonen<br />

einfallen, bei gegebener Nachweisempfindlichkeit (Quantenausbeute)<br />

η genau m Photoelektronen (und damit m Photonen) registriert<br />

werden, ist dann P m|n (η). Summation über alle n liefert schließlich die<br />

Wahrscheinlichkeit, daß insgesamt m Photoelektronen (und damit insgesamt<br />

m Photonen) registriert werden. Im Grenzfall η→1sprichtman<br />

auch von einer perfekten Messung,<br />

P m|n (η) → δ mn ❀ P m (η) → P m (1). (4.92)<br />

In diesem Fall repräsentiert die Anzahlverteilung der Photoelektronen<br />

gerade die Gesamtanzahlverteilung der Photonen im einfallenden Feld.<br />

Da i. allg. η < 1ist,isti.allg.auchP m|n (η) < 1(n ≥ m).<br />

Die Gleichung (4.82) [zusammen mit (4.83)] bringt zum Ausdruck,<br />

daß die gemessene Verteilung P m (η) sichmittelseinerBernoulli-<br />

Transformation aus der wahren Verteilung P m (1) ergibt. In der Praxis<br />

steht damit das Problem, die wahre Verteilung P m (1) aus der gemessenen<br />

Verteilung P m (η) zu bestimmen. Das kann mittels der inversen<br />

Bernoulli-Transformation geschehen:<br />

P m (1) =<br />

〈<br />

: 1 〉 〈<br />

m! ˆnm e −ˆn : = : 1 〉<br />

m! ˆnm e −ηˆn e (η−1)ˆn :<br />

= ∑ k<br />

=<br />

∞∑<br />

n=m<br />

(m+k)!<br />

η −(m+k) (η − 1) k<br />

m!k!<br />

〈<br />

〉<br />

1<br />

× :<br />

(m+k)! (ηˆn)m+k e −ηˆn :<br />

} {{ }<br />

P m+k (η)<br />

n!<br />

(n−m)!m!<br />

( 1<br />

η) m (<br />

1 − 1 η) n−m<br />

P n (η). (4.93)


140 KAPITEL 4. PHOTODETEKTION<br />

Damit erhalten wir<br />

P m (1) = ∑ n<br />

P m|n<br />

(<br />

η<br />

−1 ) P n (η) (4.94)<br />

mit P m|n (η −1 ) gemäß (4.83). Die inverse Bernoulli-Transformation<br />

(4.93) unterscheidet sich also von der Bernoulli-Transformation (4.82)<br />

dadurch, daß η durch η −1 in P m|n ersetzt wird. Aus (4.83) ist zu sehen,<br />

daß für<br />

η < 1 2<br />

(4.95)<br />

die Entwicklungskoeffizienten P m|n (η −1 )inderReihe(4.93)mitwachsendem<br />

n unbeschränkt wachsen. Da die gemessenen Werte von P n (η)<br />

immer mit Fehlern behaftet sind, kann die praktische Anwendung der<br />

inversen Bernoulli-Transformation kritisch werden, wenn die Quantenausbeute<br />

unter 50% sinkt.<br />

Anmerkung<br />

• Gegenwärtig ist es mit den herkömmlichen Photodetektoren i.<br />

allg. noch nicht möglich, die Photonenstatistik hinreichend genau<br />

zu messen. Entweder ist die Nachweisempfindlichkeit zu gering,<br />

oder es ist nicht möglich, zwischen m und m +1 Photonen zu<br />

unterscheiden.<br />

• Selbst wenn es möglich wäre, die Photonenstatistik exakt zu<br />

messen, wäre dies keine vollständige Messsung der Quantenstatistik<br />

des jeweiligen Signalfeldes, da die Nichtdiagonalelemente der<br />

Dichtematrix bei der Messsung ausgespart blieben.


Kapitel 5<br />

Optische<br />

4-Kanal-Systeme<br />

5.1 Klassische Grundgleichungen<br />

Wie wir im Kapitel 4 gesehen haben, sprechen Photodetektoren auf die<br />

Intensitäten von Strahlungsfeldern an. Betrachten wir beispielsweise ein<br />

klassisches 1-Modenfeld der komplexen Amplitude α = |α|e iϕ α ,sokann<br />

auf diese Weise |α| bestimmt werden, nicht aber ϕ α .UmInformationen<br />

über die Phase zu erhalten, bedarf es interferometrischer Verfahren. So<br />

kann die zu untersuchende Mode mit einer bekannten Vergleichsmode<br />

überlagert und die Intensität des Interferenzfeldes gemessen werden,<br />

die bekanntlich von der Phasendifferenz der beiden Moden abhängt.<br />

Das Standardbauelement, mit dessen Hilfe zwei Felder zur Interferenz<br />

gebracht werden könnnen, ist der Strahlteiler – ein Bauelement,<br />

das aus optischen Experimenten nicht wegzudenken ist. Der Strahlteiler<br />

ist das einfachste Beispiel für ein sogenanntes 4-Kanal-System mit<br />

zwei Eingängen und zwei Ausgängen. So werden an einem Strahlteiler<br />

zwei einlaufende in zwei auslaufende Felder gemischt. Ein Strahlteiler<br />

kann durch ein (lineares) dielektrisches Vielschichtsystem realisiert<br />

werden. Das Verhalten elektromagnetischer Strahlung an einem solchen<br />

System wird durch die Maxwell-Gleichungen beschrieben. Analog<br />

der Herleitung der Fresnelschen Beziehungen für Reflexion und Brechung<br />

ebener, monochromatischer Wellen an einer ebenen Grenzfläche<br />

zweier Medien mit unterschiedlicher BrechzahllassensichBeziehungen<br />

141


142 KAPITEL 5. OPTISCHE 4-KANAL-SYSTEME<br />

α ′ 2<br />

Strahlteiler<br />

r, t<br />

α 1<br />

′<br />

α 1<br />

r ′ ,t ′<br />

α 2<br />

für Reflexion und Transmission ebener, monochromatischer Wellen an<br />

(Mehrschicht-)Platten herleiten. Es seien α 1 und α 2 die komplexen Amplituden<br />

der beiden einlaufenden Moden und α 1 ′ und α′ 2 die komplexen<br />

Amplituden der beiden auslaufenden Moden. Es ergibt sich<br />

α 1 ′ = tα 1 + r ′ α 2 , (5.1)<br />

α 2 ′ = rα 1 + t ′ α 2 , (5.2)<br />

wobei t, t ′ und r, r ′ die komplexen Transmissions- und Reflexionskoeffizienten<br />

sind. Diese Koeffizienten können aus den Parametern (Brechungsindizes<br />

und Schichtdicken) des Strahlteilers ermittelt werden.<br />

Im Falle eines idealen Strahlteilers, wenn sämtliche Verluste vernachlässigt<br />

werden können, bilden die Transmissions- und Reflexionskoeffizienten<br />

eine U(2)-Matrix, 1 d.h. die unitäre Matrix<br />

U =<br />

( )<br />

U11 U 12<br />

≡<br />

U 21 U 22<br />

(<br />

t r<br />

′<br />

r t ′ )<br />

. (5.3)<br />

Die Gleichungen (5.1) und (5.2) sind dann Ausdruck einer unitären<br />

1 Die Menge aller unitären N × N-Matrizen bilden eine Lie-Gruppe der Dimension N 2 ,dieals<br />

U(N)-Gruppe bezeichnet wird. Eine Matrix der Gruppe besitzt N 2 komplexe Matrixelemente und ist<br />

daher durch 2N 2 reelle Zahlen charakterisiert. Berücksichtigt man weiter, daß die Unitaritätsbeziehung<br />

als Matrixgleichung N 2 Bedingungen liefert, so bleiben 2N 2 −N 2 =N 2 unabhängige Parameter<br />

übrig, d.h., die U(N)-Gruppe besitzt die Dimension N 2 .Diezusätzliche Bedingung det U =1 führt<br />

auf die SU(N)-Gruppe der Dimension N 2 − 1.


5.2. QUANTENMECHANISCHE GRUNDGLEICHUNGEN 143<br />

Transformation,<br />

α ′ i = ∑ j<br />

U ij α j , (U −1 ) ij = U ∗ ji (5.4)<br />

(i, j =1, 2), die einer kanonischen Transformation entspricht und folglich<br />

Poisson-Klammern invariant läßt. Transformationen dieses Typs<br />

werden generell durch verlustlose 4-Kanal-Systeme realisiert und werden<br />

i. allg. zunächst für eine Frequenzkomponente formuliert, d.h.<br />

α i → α i (ω), U ij → U ij (ω), (5.5)<br />

so daß das Transformationsgesetz (5.4) genaugenommen<br />

α ′ i (ω) =∑ j<br />

U ij (ω) α j (ω),<br />

[<br />

U −1 (ω) ] ij = U ji ∗ (ω) (5.6)<br />

lautet.<br />

5.2 Quantenmechanische Grundgleichungen<br />

Beschränken wir uns zunächst auf den Idealfall verlustfreier Bauelemente,<br />

der für Strahlungsfelder in einem hinreichend engen Frequenzintervall<br />

(fern von Absorptionslinien des Materials) näherungsweise realisiert<br />

werden kann. Die für klassische elektromagnetische Felder gültige<br />

Transformation (5.6) läßt sich unschwer auf Quantenfelder übertragen.<br />

Bekanntlich sind die komplexen Amplituden α i und α i ′ der einlaufenden<br />

und auslaufenden Moden durch Photonenvernichtungsoperatoren<br />

â i und â ′ i zu ersetzen (und entsprechend α∗ i und α′ i ∗ durch Photonenerzeugungsoperatoren<br />

â † i und â′ i † ), und (5.6) geht in<br />

â ′ i(ω) = ∑ j<br />

U ij (ω)â j (ω),<br />

[<br />

U −1 (ω) ] ij = U ∗ ji(ω) (5.7)


144 KAPITEL 5. OPTISCHE 4-KANAL-SYSTEME<br />

über. Die unitäre Transformation sichert, daß, wenn die Operatoren<br />

der einlaufenden Felder den bosonischen Vertauschungsrelationen<br />

[âi (ω), â † j (ω′ ) ] = δ ij δ(ω − ω ′ ), (5.8)<br />

[âi (ω), â j (ω ′ ) ] =0= [ â † i (ω), ↠j (ω′ ) ] (5.9)<br />

genügen, dies auch für die Operatoren der auslaufenden Felder gilt,<br />

[â′<br />

i (ω), â ′ j † (ω ′ ) ] = ∑ U ik (ω)Ujl ∗ (ω′ ) [ â k (ω), â † l (ω′ ) ]<br />

kl<br />

= ∑ k<br />

U ik (ω)U ∗ jk(ω)δ(ω − ω ′ )=δ ij δ(ω − ω ′ ), (5.10)<br />

[â′<br />

i (ω), â ′ j (ω′ ) ] =0= [ â ′ i † (ω), â ′ j † (ω ′ ) ] . (5.11)<br />

Die Unitarität der Transformation hat ferner die Beziehung<br />

â ′ 1 † (ω)â ′ 1(ω)+â ′ 2 † (ω)â ′ 2(ω) =â † 1 (ω)â 1(ω)+â † 2 (ω)â 2(ω) (5.12)<br />

zur Folge, wie unschwer zu verifizieren ist. Sie besagt, daß die Anzahl<br />

der Photonen in den einlaufenden Moden gleich der Anzahl der Photonen<br />

in den auslaufenden Moden ist. Wie erwartet, bleibt die Photonenzahl<br />

im Falle eines verlustlosen Strahlteilers erhalten.<br />

Da eine N × N-Matrix der U(N)-Gruppe durch N 2 reelle Prameter<br />

charakterisiert werden kann, haben wir es im Falle der U(2)-Gruppe mit<br />

vier reellen Parametern zu tun. Üblicherweise wird eine Darstellung der<br />

Form<br />

(<br />

)<br />

U(ω) =e iφ(ω) T (ω) R(ω)<br />

−R ∗ (ω) T ∗ (5.13)<br />

(ω)<br />

mit<br />

T (ω) =cosθ(ω)e iφ T (ω)<br />

R(ω) =sinθ(ω)e iφ R(ω)<br />

(5.14)<br />

(5.15)<br />

verwendet (0 ≤ θ(ω) ≤ π/2). Es ist nicht schwierig, sich davon zu überzeugen,<br />

daß U(ω) wiefolgtfaktorisiertwerdenkann:<br />

U(ω) =e iφ(ω) U (φ +)<br />

z (ω) U (2θ)<br />

y (ω) U (φ −)<br />

z (ω), (5.16)


5.2. QUANTENMECHANISCHE GRUNDGLEICHUNGEN 145<br />

U (φ ±)<br />

z (ω) =<br />

U (2θ)<br />

y (ω) =<br />

( )<br />

e<br />

iφ ± (ω)/2<br />

0<br />

, (5.17)<br />

0 e −iφ ±(ω)/2<br />

( )<br />

cos θ(ω) sinθ(ω)<br />

(5.18)<br />

− sin θ(ω) cosθ(ω)<br />

[φ ± (ω)=φ T (ω) ± φ R (ω)]. Ohne Einschränkung der Allgemeinheit kann<br />

der Phasenparameter φ(ω) Null gesetzt werden (er ist dann gewissermaßen<br />

in der Definition der Photonenoperatoren inbegriffen). In diesem<br />

Fall geht (für jede Frequenzkomponente) die U(2)-Matrix in eine SU(2)-<br />

Matrix über, d.h. eine unitäre Matrix mit der Determinante Eins. Die<br />

Größen T (ω) undR(ω) werdeninderRegelauchTransmissions-und<br />

Reflexionskoeffizient genannt, und es gilt<br />

|T (ω)| 2 + |R(ω)| 2 =1. (5.19)<br />

Durch die Gleichungen (5.7) werden die auslaufenden Felder in Relation<br />

zu den einlaufenden Feldern gesetzt. Gleichungen dieser Art<br />

werden auch als Input-Output-Beziehungen bezeichnet. Es ist oft<br />

zweckmäßig, sie in der kompakten Form<br />

â ′ (ω) =U(ω)â(ω) (5.20)<br />

mit<br />

U(ω)U + (ω) =U + (ω)U(ω) =I (5.21)<br />

darzustellen, wobei hier â(ω) [bzw.â ′ (ω)] den Spaltenvektor“ mit den<br />

”<br />

” Komponenten“ â 1(ω) undâ 2 (ω) [bzw.â ′ 1 (ω) undâ′ 2 (ω)] bedeutet. Im<br />

Ergebnis der gemäß (5.20) erfolgten Mischung der Felder werden sich<br />

i. allg. auch deren quantenstatistische Eigenschaften ändern, d.h., die<br />

auslaufenden Felder werden in anderen Zuständen präpariert sein als<br />

die einlaufenden. Bei gegebenem Quantenzustand der einlaufenden Felder<br />

können unter Verwendung der Input-Output-Beziehungen (5.20)<br />

sämtliche quantenstatistischen Eigenschaften der auslaufenden Felder<br />

bestimmt werden. Wird zusätzlich an einem der auslaufenden Felder eine<br />

Messung durchgeführt, so wird damit nach den Gesetzen der Quantentheorie<br />

auch der Quantenzustand des anderen auslaufenden Felds


146 KAPITEL 5. OPTISCHE 4-KANAL-SYSTEME<br />

verändert. Jedes Vierkanalsystem (und somit jeder Strahlteiler) kann<br />

somit auch als ein Gerät zur Erzeugung von Strahlungsfeldern mit definierten<br />

quantenstatistischen Eigenschaften angesehen werden.<br />

Der Dichteoperator ˆϱ der einlaufenden Felder kann als Funktional<br />

der â(ω) undâ † (ω) aufgefaßtwerden, 2<br />

und es sei<br />

ˆϱ =ˆϱ [ â(ω), â † (ω) ] , (5.22)<br />

 = Â[ â(ω), â † (ω) ] (5.23)<br />

irgendeine Größe zur Charakterisierung dieser Felder. Der Erwartungswert<br />

der Größe lautet dann<br />

{<br />

〈Â〉 =Tr(ˆϱÂ) =Tr ˆϱ [ â(ω), â † (ω) ] Â [ â(ω), â † (ω) ]} . (5.24)<br />

Die Spurbildung wird im Hilbert-Raum der Modenoperatoren â(ω)<br />

vollzogen. Bezüglich der auslaufenden Felder wird die betrachtete<br />

Größe durch den Operator<br />

 ′ = Â[ â ′ (ω), â ′† (ω) ] (5.25)<br />

beschrieben, und der Erwartungswert lautet<br />

〈Â′ 〉 =Tr (ˆϱÂ′) {<br />

=Tr ˆϱ [ â(ω), â † (ω) ] Â [ â ′ (ω), â ′† (ω) ]} , (5.26)<br />

wobei â ′ (ω) [undâ ′† (ω)] in Â[â′ (ω), â ′† (ω)] gemäß (5.20) durch â(ω)<br />

[und â † (ω)] auszudrücken ist. Die Spurbildung kann wiederum im<br />

Hilbert-Raum der Modenoperatoren â(ω) ausgeführt werden.<br />

5.3 Operator- und Zustandstransformation<br />

Die Transformation der Modenoperatoren gemäß (5.20) kann in der<br />

Form<br />

â ′ (ω) =Û † â(ω)Û (5.27)<br />

2 Im Falle diskreter Moden ist ˆϱ eine gewöhnliche Funktion der entsprechenden Operatoren.


5.3. OPERATOR- UND ZUSTANDSTRANSFORMATION 147<br />

(Û −1 =Û † )geschriebenwerden,wobeiderunitäre Operator Û ein Funktional<br />

der Modenoperatoren ist,<br />

Û = Û[ â(ω)â † (ω) ] , (5.28)<br />

und es läßt sich zeigen, daß<br />

Û in der Form<br />

{ ∫ ∞<br />

Û =exp − i dω [ â † (ω) ] }<br />

T<br />

Φ(ω) â(ω)<br />

0<br />

(5.29)<br />

(T -transponieren)darstellbarist,wobeidiehermitescheMatrixΦ<br />

hängt mit der unitären Matrix U über die Beziehung<br />

exp[−iΦ(ω)] = U(ω) (5.30)<br />

zusammen hängt.<br />

Mit (5.27) kann (5.25) als<br />

 ′ = Â[ â ′ (ω), â ′† (ω) ] = Â[ Û † â(ω)Û,Û † â † (ω)Û]<br />

= Û † Â [ â(ω), â † (ω) ] Û (5.31)<br />

geschrieben werden, d.h., Anwenden von Û † auf  liefert Â′ ,<br />

 ′ †<br />

= Û ÂÛ. (5.32)<br />

Damit kann die Gleichung (5.26) zur BerechnungdesErwartungswerts<br />

von Â′ in die Form<br />

〈Â′ 〉 =Tr (ˆϱÂ′) =Tr (ˆϱÛ † ÂÛ) =Tr ( Û ˆϱÛ † Â ) (5.33)<br />

gebracht werden, wobei berücksichtigt wurde, daß innerhalb der Spur<br />

zyklisch vertauscht werden darf. Anstatt den Operator  zu transformieren<br />

und den Erwartungswert mit dem Dichteoperator ˆϱ zu berechnen,<br />

wie dies in (5.26) geschieht, ergibt sich das gleiche Ergebnis, wenn<br />

der Operator  ungeändert bleibt und der Dichteoperator ˆϱ gemäß<br />

ˆϱ ′ = Û ˆϱÛ † =ˆϱ [ Ûâ(ω)Û † , Û↠(ω)Û †] (5.34)


148 KAPITEL 5. OPTISCHE 4-KANAL-SYSTEME<br />

transformiert wird:<br />

〈Â′ 〉 =Tr (ˆϱ ′ Â ) . (5.35)<br />

Wir können also die Erwartungswerte von Größen der einlaufenden<br />

Felder gemäß Gleichung (5.24) und die Erwartungswerte der entsprechenden<br />

Größen der auslaufenden Felder gemäß Gleichung (5.35) berechnen,<br />

wobei in beiden Fällen der gleiche Operator  zuständig ist,<br />

jedoch die Mittelungsprozeduren mit unterschiedliche Dichteoperatoren<br />

durchzuführen sind. Im ersten Fall haben wir den Dichteoperator<br />

ˆϱ in ≡ ˆϱ der einlaufenden Felder zu verwenden und im zweiten Fall den<br />

Dichteoperator ˆϱ out ≡ ˆϱ ′ der auslaufenden Felder. Sind die einlaufenden<br />

Felder speziell in einem reinen Zustand präpariert,<br />

ˆϱ = |Ψ〉〈Ψ|, (5.36)<br />

liegen die auslaufenden Felder ebenfalls in einem reinen Zustand vor,<br />

d.h.<br />

ˆϱ ′ = |Ψ ′ 〉〈Ψ ′ | (5.37)<br />

mit<br />

|Ψ ′ 〉 = Û|Ψ〉. (5.38)<br />

Wir wollen noch eine Formel für die Zustandstransformation angeben,<br />

die direkt von der U(2)-Matrix Gebrauch macht. Gemäß (5.20) und<br />

(5.27) gilt<br />

Ûâ(ω)Û † =(Û −1 ) † â(ω)Û −1 = U −1 (ω)â(ω) =U + (ω)â(ω) (5.39)<br />

Wir setzen (5.39) in (5.34) ein und erhalten den Dichteoperator der<br />

auslaufenden Felder in der Form:<br />

ˆϱ ′ =ˆϱ [ U + (ω)â(ω), U T (ω)â † (ω) ] (5.40)<br />

Die beiden Varianten zur Berechnung von quantenmechanischen<br />

Erwartungswerten von Größen der auslaufenden Felder sind völlig<br />

gleichberechtigt und liefern identische Ergebnisse. Welche Variante<br />

bei praktischen Rechnungen effektiver zum Ziel führt, ist vom speziellen<br />

Problem abhängig. Die Situation ist ähnlich derjenigen der


5.3. OPERATOR- UND ZUSTANDSTRANSFORMATION 149<br />

Zeitabhängigkeit von Operatoren und Zuständen im Heisenberg-Bild<br />

und im Schrödinger-Bild. Während im Heisenberg-Bild die Operatoren<br />

einer (unitären) Zeitentwicklung unterliegen und der Dichteoperator<br />

sich zeitlich nicht ändert, liegt im Schrödinger-Bild gerade der umgekehrte<br />

Fall vor.<br />

Für praktische Zwecke wird in der Regel eine diskrete Beschreibungsweise<br />

der ein- und auslaufenden Felder bevorzugt. Zu diesem<br />

Zweck kann beispielsweise die Frequenzachse in hinreichend kleine Intervalle<br />

der Mittenfrequenzen ω m und Breiten ∆ω m unterteilt werden,<br />

und es können dementsprechend diskrete Modenoperatoren<br />

â m = √ ∆ω m â(ω m ) (5.41)<br />

für die einlaufenden Felder und diskrete Modenoperatoren â ′ m für die<br />

auslaufenden Felder definiert werden. Jedes Paar der Operatoren â m<br />

and â ′ m ist dann gemäß (5.20) durch die Input-Output-Beziehung<br />

â ′ m = U mâ m (5.42)<br />

miteinander verknüpft. Entsprechend (5.29) und (5.30) kann der<br />

unitäre Operator Û dann in der Form<br />

Û = ∏ m<br />

Û m (5.43)<br />

geschrieben werden, wobei<br />

[ ]<br />

Û m =exp − i(â † m )T Φ m â m<br />

(5.44)<br />

mit Φ m = Φ(ω m )gilt.Esistklar,daßdasKonzeptdiskreterModen<br />

auch im Falle nichtmonochromatischer Moden anwendbar ist, falls sie<br />

sich über (nunmehr endliche) Frequenzintervalle erstrecken, in denen<br />

die Transmissions- und Reflektionskoeffizienten als (näherungsweise)<br />

konstant angesehen werden dürfen.<br />

Jede Matrix U m kann gemäß (5.16) – (5.18) zerlegt werden. Entsprechend<br />

kann der unitären Operator Ûm zerlegt werden. Im einfachsten<br />

Fall von 1-Moden-Feldern in den beiden Eingängen (m =1) kann<br />

er in der Form<br />

(<br />

Û = exp iφ ˆN<br />

)<br />

)<br />

exp<br />

(iφ + ˆLz<br />

exp<br />

(2iθ ˆL<br />

)<br />

y<br />

)<br />

exp<br />

(iφ − ˆLz , (5.45)


150 KAPITEL 5. OPTISCHE 4-KANAL-SYSTEME<br />

faktorisiert werden, wobei ˆN =ˆn1 +ˆn 2 und 3<br />

ˆL y = 2i(â†<br />

1 1â2 − â † 2â1)<br />

, (5.46)<br />

ˆL z = 1 2(â†<br />

1â1 − â † )<br />

2â2<br />

(5.47)<br />

gilt. Die Zerlegung (5.45) läßt sich natürlich noch weiter faktorisieren.<br />

So kann man zeigen, daß folgende, für praktische Rechnungen nützliche<br />

Beziehung gilt:<br />

Û = ( e iφ T )ˆn 1<br />

exp ( − e iφ R ∗ â † 2â1)<br />

exp<br />

(<br />

e −iφ Râ † 1â2)<br />

(e −iφ T ) −ˆn 2<br />

. (5.48)<br />

5.4 Phasenraumfunktionen<br />

Die Transformationsformel (5.40) ist besonders nützlich, wenn<br />

der Quantenzustand im Phasenraum dargestellt wird. Es seien<br />

P [α(ω), α ∗ (ω); s] und P ′ [α(ω), α ∗ (ω); s] die s-parametrisierte Phasenraumfunktionen<br />

(genauer Phasenraumfunktionale) der einlaufenden<br />

und auslaufenden Felder (Abschnitt 3.2), 4 und gesucht ist der Zusammenhang<br />

zwischen beiden. Wir wollen annehmen, daß der Dichteoperator<br />

der einlaufenden Felder, der zunächst in irgendeiner Form als Funktional<br />

der Operatoren â(ω) undâ † (ω) gegebenist,ineines-geordnete<br />

Form gebracht worden ist, was wir durch die Schreibweise<br />

ˆϱ =ˆϱ [ â(ω), â † (ω) ]∣ ∣<br />

s<br />

(5.49)<br />

andeuten wollen. Das heißt, die rechte Seite dieser Gleichung ist als<br />

Funktional der Operatoren â(ω) undâ † (ω) soaufgeschrieben,daßdiese<br />

s-geordnet sind. Ersetzen wir nun die Operatoren â(ω) undâ † (ω)<br />

durch c-Zahlen α(ω) undα ∗ (ω), erhalten wir das dem Dichteoperator<br />

der einlaufenden Felder zugeordnete c-Zahlfunktional ϱ[α(ω), α ∗ (ω); s]<br />

in s-Ordnung. Den s-geordneten Dichteoperator der auslaufenden Felder<br />

finden wir dann sehr einfach, da auf der rechten Seite der Gleichung<br />

3 Beachte, daß ˆL y , ˆL z und ˆL x =(â † 1â2 +â † 2â1)/2 dieErzeugendenderSU(2)-Gruppesindund<br />

den Vertauschungsregeln für Drehimpulsoperatoren genügen ( =1). Der Operator ˆL 0 = ˆN/2vervollständigt<br />

sie zu den Erzeugenden der U(2)-Gruppe.<br />

4 Um die Transformationsvorschrift zu verdeutlichen, geben wir hier im Gegensatz zum Abschnitt<br />

3.2 auch α ∗ als Argument an.


5.5. SPEZIELLE ZUSTÄNDE 151<br />

(5.40) die Operatoren â(ω)undâ † (ω)gemäß der Vorschrift (5.40) transformiert<br />

werde können, ohne die s-Ordnung zu verletzen,<br />

ˆϱ ′ =ˆϱ [ U + (ω)â(ω), U T (ω)â † (ω) ]∣ ∣<br />

s<br />

. (5.50)<br />

Ersetzen wir hier die Operatoren â(ω) undâ † (ω) wiederdurchc-Zahlen<br />

α(ω)undα ∗ (ω), erhalten wir das dem Dichteoperator der auslaufenden<br />

Felder zugeordnete c-Zahlfunktional ϱ ′ [α(ω), α ∗ (ω); s]ins-Ordnung, so<br />

daß<br />

ϱ ′[ α(ω), α ∗ (ω); s ] = ϱ [ U + (ω)α(ω), U T (ω)α ∗ (ω); s ] (5.51)<br />

gilt. Damit gelangen wir wegen (3.72) zu dem Transformationsgesetz:<br />

P ′[ α(ω), α ∗ (ω); s ] = P [ U + (ω)α(ω), U T (ω)α ∗ (ω); s ] (5.52)<br />

5.5 Spezielle Zustände<br />

Wir wollen einige einfache Anwendungen diskutieren und für speziell<br />

präparierte 1-Moden-Felder in den Eingangskanälen die Quantenstatistik<br />

der auslaufenden Felder untersuchen.<br />

1. Der einfachste Fall ist der, daß die einlaufenden Felder in Glauber-<br />

Zuständen präpariert sind, so daß gemäß (2.66)<br />

[ 2∑<br />

|Ψ〉 = |α 1 , α 2 〉 =exp (α i â † i − α∗ i âi)<br />

i=1<br />

]<br />

|0, 0〉 (5.53)<br />

gilt. Der Zustand |Ψ ′ 〉 der auslaufenden Felder ist wieder ein<br />

Glauber-Zustand, wie die folgende Rechnung zeigt. Wir berücksichtigen,<br />

daß Û|0, 0〉=|0, 0〉 ist und finden unter Anwendung der


152 KAPITEL 5. OPTISCHE 4-KANAL-SYSTEME<br />

Transformationsvorschrift (5.39)<br />

|Ψ ′ 〉 = Û|α 1, α 2 〉 = Û exp [ ∑<br />

i<br />

(<br />

α i â † i − α∗ i âi) ] Û † Û|0, 0〉<br />

[ ∑<br />

=exp<br />

i<br />

=exp<br />

[ ∑<br />

i<br />

[ ∑<br />

=exp<br />

j<br />

(<br />

α i Ûâ † iÛ† − α ∗ i Ûâ iÛ † ) ] |0, 0〉<br />

∑ (α i j U jiâ † j − ∑<br />

α∗ i j jiâj) ]<br />

U ∗ |0, 0〉<br />

(<br />

α ′ j↠j − α′ j ∗ â j<br />

) ] |0, 0〉, (5.54)<br />

d.h.<br />

|Ψ ′ 〉 = |α 1 ′ , α′ 2 〉, (5.55)<br />

wobei die komplexen Amplituden α j<br />

′ des Glauberzustands der<br />

auslaufenden Felder durch<br />

α ′ j = ∑ i<br />

U ji α i (5.56)<br />

gegeben sind. Glauber-Zustände werden also in Glauberzustände<br />

transformiert, wobei die komplexen Amplituden nach exakt der<br />

gleichen Vorschrift transformiert werden wie die komplexen Amplituden<br />

klassischer Felder [vgl. (5.56) mit (5.4)]. Im Falle von<br />

Glauberzuständen entspricht also die Wirkung eines Strahlteilers<br />

genau den Vorstellungen von der Wellennatur elektromagnetischer<br />

Strahlung.<br />

2. Wir wollen als nächstes annehmen, daß die einlaufende Mode im<br />

Kanal 1 in einem Fock-Zustand mit n Photonen präpariert ist<br />

und der zweite Eingangskanal ungenutzt ist (Vakuumzustand).<br />

Der Quantenzustand der einlaufenden Felder lautet somit<br />

und der Zustand der auslaufenden Felder ist<br />

|Ψ〉 = |n, 0〉, (5.57)<br />

|Ψ ′ 〉 = Û|n, 0〉. (5.58)


5.5. SPEZIELLE ZUSTÄNDE 153<br />

Mit<br />

Û aus (5.48) (φ =0) folgt zunächst<br />

|Ψ ′ 〉 = T ˆn 1<br />

e −R∗ â † 2â1<br />

|n, 0〉 (5.59)<br />

und nach Potenzreihenentwicklung der Exponentialfunktion [und<br />

Anwendung der Relationen (2.20) und (2.21)]<br />

n∑<br />

( ) 1/2 n<br />

|Ψ ′ 〉 =<br />

(−R ∗ ) k T n−k |n − k, k〉. (5.60)<br />

k<br />

k=0<br />

Der Zustand |Ψ ′ 〉 enthält erwartungsgemäß (keine Verluste!) nur<br />

solche Fock-Zustände, für die die Gesamtzahl der Photonen in<br />

den beiden Ausgangskanälen erhalten bleibt und gleich der Anzahl<br />

n der einlaufenden Photonen ist. Aus der Gleichung (5.60)<br />

ist zu ersehen, daß sich für die Wahrscheinlichkeit, k reflektierte<br />

Photonen und entsprechend n − k transmittierte Photonen zu<br />

beobachten eine Binomialverteilung ergibt,<br />

( n<br />

p n−k,k = |R|<br />

k)<br />

2k |T | 2(n−k) . (5.61)<br />

Dieses Ergebnis kann unter Zugrundelegung des Teilchenbilds rein<br />

klassisch derart interpretiert werden, 5 daß n Photonen auf den<br />

Strahlteiler treffen und jedes mit der Wahrscheinlichkeit |R| 2 reflektiert<br />

und mit der Wahrscheinlichkeit |T | 2 =1− |R| 2 transmittiert<br />

wird und sich somit die Wahrscheinlichkeit für die Reflexion<br />

bzw. Transmission von m ≤ n Photonen nach dem Bernoulli-<br />

Schema als Binomialverteilung ergibt. 6<br />

3. Betrachten wir nunmehr den Fall, daß die zwei einlaufenden Moden<br />

in den speziellen Fock-Zuständen mit jeweils einem Photon<br />

angeregt sind,<br />

|Ψ〉 = |1, 1〉. (5.62)<br />

5 Ungeachtet einer solchen Interpretation ist der Zustand (5.60) als verschränkter Zustand extrem<br />

nichtklassisch (siehe Kapitel 7).<br />

6 Ein gewisser Versuch werde n mal wiederholt. Dabei mögen die Einzelversuche der Serie voneinander<br />

unabhängig sein. In jedem Einzelversuch möge ein gewisses Ereignis A eintreten können oder<br />

nicht, und die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten von A im Einzelversuch sei unabhängig von der<br />

Nummer des Versuchs gleich p. DieWahrscheinkichkeit,daßdasEreignisk mal eintritt (k ≤ n), ist<br />

p (n)<br />

k<br />

= ( n<br />

k)<br />

p k (1 − p) n−k .


154 KAPITEL 5. OPTISCHE 4-KANAL-SYSTEME<br />

Wir verwenden wieder Û aus (5.48) (φ =0) und finden (mittels<br />

Potenzreihenentwicklung der Exponentialoperatoren) nach einer<br />

kurzen Rechnung für den Zustand der auslaufenden Felder<br />

|Ψ ′ 〉 =(1− 2|R| 2 )|1, 1〉 + √ 2RT |2, 0〉− √ 2R ∗ T ∗ |0, 2〉, (5.63)<br />

woraus die Wahrscheinlichkeiten<br />

p 1,1 = ( 1 − 2|R| 2) 2<br />

(5.64)<br />

und<br />

p 0,2 = p 2,0 =2|T | 2 |R| 2 = 1 2 (1 − p 1,1) (5.65)<br />

folgen. Erwartungsgemäß gilt wieder Photonenzahlerhaltung.<br />

Überraschend ist allerdings, daß sich im Fall eines 50%:50%-<br />

Strahlteilers (d.h. |R| 2 = |T | 2 =1/2) für die Wahrscheinlichkeit<br />

p 1,1 unabhängig von den Phasen von R und T der Wert Null<br />

ergibt. Beide Photonen können also nur den gleichen Ausgang<br />

benutzen – ein Ergebnis, das im Rahmen eines klassischen Teilchenbilds<br />

schwer verständlich ist. Es läßt sich unschwer für den<br />

Fall verallgemeinern, daß die einlaufenden Moden in einem Fock-<br />

Zustand<br />

|Ψ〉 = |n, n〉 (5.66)<br />

mit beliebigem n präpariert sind. Die Rechnung zeigt, daß im<br />

Falle eines 50%:50%-Strahlteilers jede der auslaufenden Moden<br />

nur eine gerade Anzahl von Photonen enthalten kann,<br />

|Ψ ′ 〉 =<br />

n∑<br />

c k |2k, 2n − 2k〉. (5.67)<br />

k=0<br />

Mit anderen Worten, die Photonen können nur paarweise die<br />

Ausgänge des Strahlteilers passieren.<br />

4. Ein anderes interessantes Beispiel ist der Durchgang einer<br />

Schrödinger-Katze durch einen Strahlteiler. Dazu nehmen wir an,<br />

daß eine der einfallenden Moden in einem Zustand<br />

|α + 〉 = N −1/2 (|α〉 + |−α〉) (5.68)


5.5. SPEZIELLE ZUSTÄNDE 155<br />

mit<br />

(<br />

N =2 1+e −2|α|2) (5.69)<br />

präpariert ist und der zweite Eingangskanal ungenutzt bleibt. Der<br />

betrachtete Zustand der einlaufenden Felder lautet somit<br />

|Ψ〉 = |α + , 0〉. (5.70)<br />

Das Bemerkenswerte an dem Zustand |α + 〉 ist, daß es sich bei der<br />

kohärenten Überlagerung zweier Glauber-Zustände |α〉 und |−α〉<br />

um einen Zustand handelt, in dem mit wachsendem |α| die beiden<br />

Zustände makroskopisch unterscheidbar werden. Mit anderen<br />

Worten, für hinreichend großes |α| liegt also eine kohärente Überlagerung<br />

makroskopisch unterscheidbarer Zustände vor. Obwohl<br />

dies nach den Regeln der Quantemechanik möglich ist, kann man<br />

erwarten, daß solche Zustände sehr empfindlich auf Umgebungseinflüsse<br />

reagieren, die Quantenkohärenzen nach extrem kurzen<br />

Zeiten zerfallen (Dekohärenz) und inkohärente Mischungen übrigbleiben.<br />

Dieser Effekt kann mit dem Strahlteiler sehr anschaulich<br />

modelliert werden, wobei die Kopplung an den ungenutzten Kanal<br />

gewissermaßen die Rolle der erwähnten Umgebungskopplung<br />

spielt.<br />

Wir wenden die Transformationsvorschrift (5.55) [zusammen mit<br />

(5.56)] auf die Glauber-Zustände des Überlagerungszustands |Ψ〉<br />

in (5.70) an und erhalten für den Zustand der auslaufenden Moden<br />

7<br />

|Ψ ′ 〉 = Û|α +, 0〉 = N −1/2 (|T α, −R ∗ α〉 + |−T α,R ∗ α〉) . (5.71)<br />

Wir interessieren uns speziell für den Zustand der transmittierten<br />

Mode, der durch den Dichteoperator<br />

ˆϱ T =Tr 2 (|Ψ ′ 〉〈Ψ ′ |) (5.72)<br />

bestimmt wird (Spurbildung bezüglich der Mode im zweiten Ausgangskanal).<br />

Wir setzen |Ψ ′ 〉 aus (5.71) in (5.72) ein und erhalten<br />

7 Man beachte, daß der Vakuumzustand als Glauber-Zustand mit der Amplitude Null angesehen<br />

werden kann.


156 KAPITEL 5. OPTISCHE 4-KANAL-SYSTEME<br />

zunächst<br />

und mit (2.82)<br />

ˆϱ T = N −1 (|T α〉〈T α| + | − T α〉〈−T α|<br />

+ |T α〉〈−T α|〈R ∗ α| − R ∗ α〉<br />

+ | − T α〉〈T α|〈−R ∗ α|R ∗ α〉) (5.73)<br />

ˆϱ T = N −1[ |T α〉〈T α| + |−T α〉〈−T α|<br />

]<br />

+ e −2|Rα|2 (|T α〉〈−T α| + |−T α〉〈T α|) . (5.74)<br />

Im Grenzfall |T |→1 (|R|→0) geht ˆϱ T in (5.74) erwartungsgemäß<br />

in den Zustand |α + 〉 in (5.68) über, d.h, unsere Schrödinger Katze<br />

kann ungehindert passieren. Der in der runden Klammer in (5.74)<br />

stehende Interferenzterm (der geradeAusdruckeinerkohärenten<br />

Überlagerung ist) bleibt voll erhalten. Dies kann sich bereits dramatisch<br />

ändern, wenn |T | etwas kleiner als Eins ist und Reflexionsverluste<br />

∼ e −2|Rα|2 berücksichtigt werden müssen. Mit wachsendem<br />

|α| geht dieser Exponentialfaktor für jedes noch so kleine<br />

(von Null verschiedene) |R| gegen Null, so daß im Falle makroskopischer<br />

|α|-Werte der Interferenzterm schnell bedeutungslos<br />

werden kann und nur die inkohärente Mischung<br />

übrigbleibt.<br />

ˆϱ T = N −1 (|T α〉〈T α| + | − T α〉〈−T α|) (5.75)<br />

5. Wir wollen annehmen, daß eine der Eingangsmoden (Signalmode)<br />

in einem nicht näher spezifizierten Zustand ˆϱ 1 präpariert ist<br />

und die zweite Eingangsmode (Referenzmode) in einem Glauberzustand<br />

|α 2 〉 vorliegt, so daß der Zustand der einlaufenden Felder<br />

insgesamt<br />

ˆϱ =ˆϱ 1 |α 2 〉〈α 2 | (5.76)<br />

lautet. Ferner nehmen wir an, daß in den beiden Ausgängen<br />

des Systems Photonenzahlmessungen durchgeführt werden (Kapitel<br />

4). Die mittleren Anzahlen von Photonen in den beiden Ausgangskanälen<br />

sind unschwer zu berechnen. Mit (5.7) und (5.13)


5.6. VERLUSTBEHAFTETE SYSTEME 157<br />

(φ =0) erhalten wir<br />

〈â ′ 1 † â ′ 1 〉 = |T |2 〈â † 1â1〉+|R| 2 〈â † 2â2〉+T ∗ R〈â † 1â2〉+TR ∗ 〈â † 2â1〉, (5.77)<br />

〈â ′ 2 † â ′ 2〉 = |R| 2 〈â † 1â1〉+|T | 2 〈â † 2â2〉−T ∗ R〈â † 1â2〉−TR ∗ 〈â † 2â1〉, (5.78)<br />

woraus für die Differenz der mittleren Photonenzahlen<br />

∆n ′ 12 = 〈â ′ 1 † â ′ 1〉−〈â ′ 2 † â ′ 2〉<br />

= ( |T | 2 − |R| 2)( 〈â † 1â1〉−〈â † 2â2〉 )<br />

+2|T ||R| ( e −i(φ R−φ T ) 〈â † 2â1〉 + e i(φ R−φ T ) 〈â † 1â2〉 ) (5.79)<br />

folgt, d.h. speziell im Falle des Zustands (5.76)<br />

wobei<br />

∆n ′ 12 = ( |T | 2 −|R| 2)( 〈â † 1â1〉−|α 2 | 2 )<br />

+2|T ||R||α 2 | ( e −iϕ 〈â 1 〉 + e iϕ 〈â † 1 〉) , (5.80)<br />

ϕ = φ R − φ T + ϕ α2 (5.81)<br />

ist. Wird speziell ein halbdurchlässiger Strahlteiler verwendet,<br />

(|T | 2 = |R| 2 =1/2), verschwindet der erste Term in (5.80), und<br />

der gemessene Mittelwert der Photonenzahldifferenz geht in<br />

∆n ′ 12 = |α 2 | 〈 e −iϕ â 1 + e iϕ â † 〉<br />

1<br />

(5.82)<br />

über, d.h., er liefert den Mittelwert einer Feldstärke der Signalmode:<br />

ˆF 1 = C 1 â 1 + C ∗ 1â † 1 (5.83)<br />

[C 1 = |α 2 |e −iϕ ;siehe(2.35)].DieMeßanordnunggestattetalsodie<br />

direkte Messung von Feldstärkemittelwerten einer Mode. Wie wir<br />

noch sehen werden (Abschnitt 6.1.2) gestattet die Meßanordnung<br />

(für |α 2 | →∞)dieMessungderkomplettenFeldstärkestatistik.<br />

5.6 Verlustbehaftete Systeme<br />

Wie bereits betont, setzt die U(2)- bzw. SU(2)-Transformation voraus,<br />

daß von Verlusten abgesehen werden kann. Nur in diesem Fall sind


158 KAPITEL 5. OPTISCHE 4-KANAL-SYSTEME<br />

die Input-Output-Beziehungen (5.20) gültig. Da für verlustbehaftete<br />

Systeme |T (ω)| 2 +|R(ω)| 2


5.6. VERLUSTBEHAFTETE SYSTEME 159<br />

Weise ausgedrückt werden, wobei für verschwindenden Imaginärteil<br />

von ε(r, ω)diecharakteristischeAbsorptionsmatrixA(ω) ebenfallsverschwindet<br />

[und somit (5.84) in (5.20) übergeht],<br />

Im ε(r, ω) → 0 ❀ A(ω) → 0. (5.86)<br />

Die Input-Output-Beziehungen (5.84) können verwendet werden,<br />

um Momente und Korrelationen der auslaufenden Felder aus den entsprechenden<br />

Größen der einlaufenden Felder einschließlich der des<br />

Geräts zu berechnen und somit die Statistik der auslaufenden Felder<br />

aus der (Verbund-)Statistik der einlaufenden Felder und der Gerätegrößen<br />

zu bestimmen. Wir wollen auch hier wieder nach der Zustandstransformation<br />

fragen, die der Operatortransformation (5.84) entspricht.<br />

Es ist klar, daß es nicht möglich ist, einen unitären Transformationsoperator<br />

im Hilbert-Raum der Felder zu finden, sondern<br />

wir müssen den Hilbert-Raum um die Gerätefreiheitsgrade erweitern.<br />

Wir definieren zunächst den Vierervektor“ ˆb mit den Komponenten“<br />

” ” ˆb1 =â 1 , ˆb 2 =â 2 , ˆb 3 =ĝ 1 , ˆb 4 =ĝ 2 ,ergänzen â ′ zu ˆb ′ mit ˆb ′ 1 =â′ 1 , ˆb ′ 2 =â′ 2 ,<br />

ˆb′ 3 =ĝ 1, ′ ˆb ′ 4 =ĝ 2 ′ und ergänzen dementsprechend die Gleichungen (5.84)<br />

zu<br />

ˆb ′ (ω) =U(ω) ˆb(ω) (5.87)<br />

wobei U(ω) nunmehr eine unitäre 4×4-Matrix ist, d.h.<br />

U(ω)U + (ω)=I. Ohne Einschränkung der Allgemeinheit kann<br />

die Matrix U(ω) (für jedes ω) alseinElementderSU(4)-Gruppeaufgefaßt<br />

und durch die Matrizen T (ω) und A(ω) wiefolgtausgedrückt<br />

werden: 8<br />

(<br />

)<br />

T (ω)<br />

A(ω)<br />

U(ω) =<br />

−S(ω)C −1 (ω)T (ω) C(ω)S −1 (ω)A(ω)<br />

(5.88)<br />

8 L. Knöll, S. Scheel, E. Schmidt, D.-G. Welsch, A.V. Chizhov, Phys. Rev. A 59, 4716(1999).<br />

Der Übergang von der U(4)-Transformation zur SU(4)-Transformation entspricht wieder einer Umdefinition<br />

(bezüglich der Phasen) der Operatoren â und ĝ.


160 KAPITEL 5. OPTISCHE 4-KANAL-SYSTEME<br />

C(ω) =<br />

√<br />

T (ω)T + (ω) (5.89)<br />

S(ω) =<br />

√<br />

A(ω)A + (ω) (5.90)<br />

Es ist klar, daß die Gleichungen (5.87) [zusammen mit (5.88)] die Input-<br />

Output-Beziehungen (5.84) enthalten, und es ist nicht schwierig sich<br />

davon zu überzeugen, daß U(ω) eineunitäre Matrix ist.<br />

Die Transformation (5.87) kann wieder als unitäre Operatortransformation<br />

ˆb ′ = Û † ˆb Û (5.91)<br />

geschrieben werden, wobei sich der unitäre Operator Û völlig analog<br />

zu (5.28) – (5.30) darstellen läßt [â(ω) → ˆb(ω), Φ(ω) → 4 × 4-Matrix,<br />

U(ω)gemäß (5.88)]. Auch hier ist es natürlich wieder möglich zu diskretisieren,<br />

und zwar völliger Analogie zu dem im Abschnitt 5.3 Gesagten.<br />

Zustandstransformation<br />

Um sofort den Quantenzustand der auslaufenden Felder zu erhalten, ist<br />

es wieder zweckmäßig, die Operatoren ungeändert zu lassen und den<br />

Zustand zu transformieren. Dies kann in völliger Analogie zu (5.34) geschehen.<br />

Um den Zustand der Felder zu erhalten, muß dann natürlich<br />

[im Gegensatz zu (5.34)] noch über das Gerät abgespurt werden (Symbol<br />

Tr D ):<br />

ˆϱ ′ =ˆϱ ′[ˆb(ω), ˆb† (ω) ] =ˆϱ [ U + (ω)ˆb(ω), U T (ω)ˆb † (ω) ] , (5.92)<br />

Phasenraumfunktionen<br />

{<br />

ˆϱ ′ F =Tr D ˆϱ [ U + (ω)ˆb(ω), U T (ω)ˆb † (ω) ]} . (5.93)<br />

Dementsprechend ergibt sich für den Zusammenhang der s-parametrisierten<br />

Phasenraumfunktionale der auslaufenden Felder und der ein-


5.6. VERLUSTBEHAFTETE SYSTEME 161<br />

laufenden Felder<br />

P F[ ′ α(ω), α ∗ (ω); s ] ∫<br />

= Dγ P ′[ β(ω), β ∗ (ω); s ]<br />

∫<br />

= Dγ P [ U + (ω)β(ω), U T (ω)β ∗ (ω); s ] (5.94)<br />

(β 1 = α 1 , β 2 = α 2 , β 3 = γ 1 , β 4 = γ 2 ;dieγ i sind die Phasenraumvariablen<br />

des Geräts). Integration des [analog zu (5.52) konstruierten] Phasenraumfunktionals<br />

des Gesamtsystems über das Gerät liefert also das<br />

Phasenraumfunktional der auslaufenden Felder.<br />

Beispiel: Glauber-Zustände<br />

Zwei einlaufende Wellen mögen in Glauber-Zuständen präpariert sein,<br />

und wir wollen annehmen, daß die Geräteanregungen ebenfalls in<br />

Glauber-Zuständen präpariert sind. Der Eingangszustand des Gesamtsystems<br />

lautet somit<br />

Der Ausgangszustand<br />

|Ψ〉 = |β〉 ≡|α 1 , α 2 , γ 1 , γ 2 〉. (5.95)<br />

|Ψ ′ 〉 = Û|β〉 (5.96)<br />

ist dann offensichtlich wieder ein kohärenter Zustand,<br />

|Ψ ′ 〉 = |β ′ 〉, β ′ = Uβ, (5.97)<br />

und die beiden auslaufenden Felder sind ebenfalls in Glauberzuständen<br />

präpariert:<br />

ˆϱ ′ F = |α′ 〉〈α ′ |, α ′ = T α + Aγ. (5.98)<br />

Die kohärenten Amplituden α i ′ der auslaufenden Felder sind also nicht<br />

nur durch die charakteristiische Transformationsmatrix bestimmt, sondern<br />

auch durch die charakteristische Absorptionsmatrix.


162 KAPITEL 5. OPTISCHE 4-KANAL-SYSTEME


Kapitel 6<br />

Quantenzustandsmessung<br />

Reine Zustände eines Quantenobjekts werden üblicherweise durch auf<br />

Eins normierte Vektoren |Ψ〉 in dem dem Quantenobjekt entsprechenden<br />

Hilbert-Raum beschrieben. Im allgemeineren Falle eines statistischen<br />

Gemisches von (reinen) Zuständen |Ψ〉 mit Wahrscheinlichkeiten<br />

p Ψ tritt anstelle des Zustandsvektors bekanntlich der statistische Operator<br />

ˆϱ = ∑ p Ψ |Ψ〉〈Ψ|. (6.1)<br />

Ψ<br />

Der Hilbert-Raum des Objekts wird üblicherweise durch einen Satz<br />

orthonormierter Basisvektoren |A〉 aufgespannt, die die Eigenvektoren<br />

(Eigenzustände) von hermiteschen Operatoren  darstellen, wobei diese<br />

einen vollständigen Satz veträglicher (d.h. gleichzeitig scharf meßbarer)<br />

physikalischer Größen (Observablen) des Objekts repräsentieren. 1<br />

Die Eigenwerte A der Operatoren  stellen dabei die möglichen Meßwerte<br />

dar. 2<br />

In diesem Zusammenhang muß sorgfältig zwischen einer Einzelmessung<br />

und einer Ensemblemessung (d.h.einerhinreichendgroßenAnzahl<br />

von Einzelmessungen an identisch präparierten Objekten) unterschieden<br />

werden. Wird eine Einzelmessung an dem (in einem unbekannten<br />

Quantenzustand vorliegenden) Objekt vorgenommen, geht der Zustand<br />

des Objekts (entsprechend dem von-Neumannschen Projektionspostu-<br />

1 Wir schreiben der Einfachheit  und A, ohne den vollständigen Satz von Größen näher zu<br />

spezifizieren.<br />

2 Hierbei wird angenommen, daß die Messung fehlerfrei ist, was bei praktischen Messungen<br />

natürlich immer nur näherungsweise der Fall ist.<br />

163


164 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG<br />

lat) in einen Zustand |A〉 über und der entsprechende Eigenwert A<br />

wird als Meßwert registriert, wobei das Ergebnis der Messung völlig<br />

unvorhersagbar ist. Wenn nach dieser Messung nochmals am gleichen<br />

Objekt gemessen wird, ist das Ergebnis nunmehr exakt voraussagbar –<br />

der gleiche Meßwert wie in der ersten Messung wird registriert.<br />

Wird die Messung hinreichend oft an jeweils identisch präparierten<br />

Objekten durchgeführt, so strebt mit wachsender Anzahl der Messsungen<br />

die relative Häufigkeit, mit der ein bestimmter Meßwert A registriert<br />

wird, gegen 〈A|ˆϱ|A〉, dementsprechendenDiagonalmatrixelement<br />

des Dichteoperators. Wird 〈A|ˆϱ|A〉 für alle Werte von A gemessen,<br />

ist die Statistik der den vollständigen Satz bildenden physikalischen<br />

Größen bekannt.<br />

Um den Quantenzustand vollständig zu kennen, bedarf es natürlich<br />

der Bestimmung aller Dichtematrixelemente 〈A|ˆϱ|A ′ 〉.Sosindinsbesondere<br />

die Nichtdiagonalelemente ganz wesentlich für die Bestimmung der<br />

Statistik von solchen Sätzen von Observablen ˆB, dienichtmit verträglich<br />

sind ([Â, ˆB] ≠0). Natürlich kann die Statistik von ˆB – ähnlich<br />

wie die Statistik von  –auchdirektdurchMessungderDiagonalelemente<br />

〈B|ˆϱ|B〉 bestimmt werden. Neben  und ˆB können nun weitere<br />

Sätze von Observablen betrachtet werden, die mit den vorherigen nicht<br />

verträglich sind, und Messungen der entsprechenden Diagonalelemente<br />

des Dichteoperators durchgeführt werden. 3 Es stellt sich die bereits<br />

1933 von Pauli aufgeworfene Frage, 4 welche und wie viele nichtverträgliche<br />

Observablen gemessen werden müssen, um aus den erhaltenen<br />

Verteilungen auf den vollständigen Quantenzustand (alsobeispielsweise<br />

Diagonal- und Nichtdiagalonalelemente des Dichteoperators in einer<br />

gegebenen orthogonalen Basis) schließen zu können.<br />

Im wesentlichen kann zwischen zwei Strategien zur Bestimmung<br />

des Quantenzustands aus experimentellen Daten unterschieden werden.<br />

Zum einen kann wie oben angedeutet verfahren werden. In einer<br />

Serie von Ensemblemessungen werden der Reihe nach die Verteilungen<br />

von miteiander nicht verträglichen vollständigen Sätzen von jeweils<br />

verträglichen Observablen des Objekts vermessen, die in ihrer Gesamt-<br />

3 Es ist i. allg. nicht trivial, für einen gegebenen Satz von verträglichen Observablen eine realisierbare<br />

Meßanordnung zu finden.<br />

4 W. Pauli, in: Handbuch der Physik, Band 24, Teil 1, Herausgeber H. Geiger und K. Scheel<br />

(Springer-Verlag, Berlin, 1933).


165<br />

heit die vollständige Information über den Quantenzustand des Objekts<br />

enthalten. 5 Ein typisches Beispiel sind die Feldstärkeverteilungen einer<br />

Strahlungsfeldmode p(F, ϕ) = 〈F, ϕ|ˆϱ|F, ϕ〉 für alle Phasenparameter<br />

ϕ in einem π-Interval. Wie wir sehen werden (Abschnitt 6.2.2), ist ihre<br />

Kenntnis völlig äquivalent der Kenntnis des Quantenzustands der<br />

Mode.<br />

Zum anderen kann versucht werden, das Objekt an ein zweites<br />

System mit bekanntem Quantenzustand derart zu koppeln, daß die<br />

Messsung von Observablen des Gesamtsystems der ”<br />

gleichzeitigen“<br />

Messung nichtverträglicher Observablen des Objekts entspricht. In diesem<br />

Fall kann die Anzahl der Observablen (des Gesamtsystems), die in<br />

einer Folge von Ensemblemessungen gemessen werden müssen, unter<br />

Umständen drastisch reduziert werden, jedoch zu Lasten der Schärfe<br />

der Objektobservablen. Im Ergebnis der Kopplung des Objekts an das<br />

zweite System verrauschen gewissermaßen die zunächst nicht verträglichen<br />

Objektobservablen derart, daß sie nunmehr zwar gleichzeitig meßbar<br />

sind, das Objekt jedoch nicht mehr ”<br />

scharf“ abbilden. Ein typisches<br />

Beispiel ist die Q-Funktion einer Strahlungsfeldmode Q(α) =<br />

π −1 〈α|ˆϱ|α〉, diealsPhasenraumfunktioneinRepräsentant des Quantenzustands<br />

ist (Kapitel 3) und als Verbundwahrscheinlichkeit für verrauschtes<br />

(â+â † )/2(Ort)undverrauschtes(â−â † )/(2i)(Impuls)angesehen<br />

werden kann. Wie wir sehen werden (Abschnitt 6.1.3), erfordert<br />

ihre Bestimmung nur eine Ensemblemessung.<br />

Wir werden uns im folgenden im wesentlichen auf Quantenzustände<br />

von optischen Einmodenfeldern beschränken und in diesem Zusammenhang<br />

laufende Wellen vor Augen haben. Die grundlegenden theoretischen<br />

Konzepte sind sinngemäß natürlich auch auf Resonatorfelder und<br />

materielle Systeme anwendbar (wir werden gegebenenfalls darauf hinweisen).<br />

Wie im Kapitel 4 dargelegt wurde, reagieren Photodetektoren auf<br />

Strahlungsfeldintensitäten und liefern daher keine Phaseninformationen.<br />

Ideale Verhältnisse vorausgesetzt, kann also ein Photodetektor bei<br />

einer direkten Messung an einer zu untersuchenden Mode nur die Photonenanzahlstatistik<br />

p n = 〈n|ˆϱ|n〉 der Mode liefern. Klassisch entspricht<br />

dies offensichtlich der Verteilung des Betrags der komplexen Amplitu-<br />

5 Solch eine Gesamtheit nichtverträglicher Observablen wird auch als Quorum bezeichnet.


166 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG<br />

de α. Esisklar,daßbereitsklassischderZustanderstdannfestgelegt<br />

ist, wenn die Verteilung der komplexen Amplitude bezüglich Betrag<br />

und Phase gegeben ist. Dies erfordert offensichtlich phasenempfindliche<br />

Messungen. Dies gilt natürlich auch für die <strong>Quantenoptik</strong>.<br />

6.1 Phasenempfindliche Messungen<br />

Phaseninformationen werden in der Optik üblicherweise über Interferenzexperimente<br />

gewonnen. Im einfachsten Fall wird die zu untersuchende<br />

Mode (Signalmode) mit einer zweiten Mode (Referenzmode)<br />

an einem Strahlteiler gemischt, und es wird dann die Photonenstatistik<br />

in den Ausgängen gemessen. Sind die (Mitten-)Frequenzen der<br />

beiden Moden gleich, spricht man von (4-Kanal-)Homodyne-Messung,<br />

andernfalls von (4-Kanal-)Heterodyne-Messung. Im weiteren wollen wir<br />

uns mit dem Homodyne-Schema etwas eingehender befassen.<br />

Photodetektor<br />

â ′ 2<br />

Strahlteiler<br />

â 1<br />

â 2<br />

â ′ 1<br />

6.1.1 Statistik verschobener Fock-Zustände<br />

Betrachten wir ein Vier-Kanal-Sysytem, wie es oben skizziert ist, und<br />

nehmen wir an, in einem der beiden Ausgangskanäle (dem k-ten) werde


6.1. PHASENEMPFINDLICHE MESSUNGEN 167<br />

[gemäß (4.74)] die Photonenanzahlstatistik gemäß<br />

P m =<br />

〈: 1 〉<br />

m! (η Dˆn ′ k )m e −η Dˆn ′ k :<br />

(6.2)<br />

gemessen, wobei<br />

ˆn ′ k =â′ k † â ′ k (6.3)<br />

der Photonenanzahloperator der Mode im gewählten Ausgangskanal<br />

ist und η D die Nachweisempfindlichkeit (Quantenausbeute) des Detektors<br />

bedeutet. Wir wollen den Strahlteiler als verlustlos ansehen, so<br />

daß die Operatoren der auslaufenden Moden mit den Operatoren der<br />

einlaufenden Moden gemäß (5.42) über eine U(2)-Transformation [bzw.<br />

SU(2)-Transformation] miteinander verknüpft sind,<br />

â ′ k = U k1 â 1 + U k2 â 2 . (6.4)<br />

Ferner wollen wir annehmen, daß die erste Mode als Signalmode fungiert<br />

(â 1 → â)unddiealsReferenzmodefungierendezweiteMode(auch<br />

lokaler Oszillator genannt) in einem Glauber-Zustand |α L 〉 präpariert<br />

ist. In diesem Fall können dann in (6.2) wegen der Normalordnung die<br />

transformierten Operatoren (6.4) gemäß<br />

â ′ k ↦→ U k1 â + U k2 α L (6.5)<br />

bzw. [unter Verwendung des Verschiebungsoperators ˆD(α)]<br />

â ′ k ↦→ U k1(â − α) =U k1 ˆD(α)â ˆD† (α) (6.6)<br />

mit<br />

α = − U k2<br />

α L (6.7)<br />

U k1<br />

ersetzt werden [siehe (2.57) und (2.62)]. Dies bedeutet für den Photonenanzahloperator<br />

ˆn ′ k in (6.2) die Ersetzung<br />

und (6.2) lautet wie folgt:<br />

ˆn ′ k ↦→ |U k1| 2ˆn(α) =|U k1 | 2 ˆD(α)ˆn ˆD† (α), (6.8)<br />

P m =<br />

〈<br />

: 1 〉<br />

m! [ηˆn(α)]m e −ηˆn(α) :<br />

(6.9)


168 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG<br />

Wir sehen, daß die im gewählten Ausgangskanal mit der Quantenausbeute<br />

η D gemessene Verteilung von Fock-Zuständen nichts anderes als<br />

die mit der Quantenausbeute<br />

η = |U k1 | 2 η D (6.10)<br />

gemessene Verteilung der um α verschobenen Fock-Zustände der Signalmode<br />

darstellt.<br />

Wenn speziell die Signalmode mit einem starken Lokaloszillator<br />

(|α L | →∞) an einem Strahlteiler hinreichend hoher Durchlässigkeit<br />

(|U 11 | = |U 22 | → 1) und geringer Reflektivität (|U 21 | = |U 12 | → 0) derart<br />

überlagert wird, daß |U 12 ||α L | endlich bleibt, dann wird für hohe Nachweisempfindlichkeit<br />

des Detektors (η D → 1) die (nahezu) exakte Verteilung<br />

der verschobenen Fock-Zustände |m, α〉 = ˆD(α)|m〉 der Signalmode<br />

realisiert,<br />

P m → p m (α) =〈m, α|ˆϱ|m, α〉<br />

=Tr(ˆϱ|m, α〉〈m, α|) =Tr[ˆϱ ˆD(α)|m〉〈m| ˆD † (α)]. (6.11)<br />

Wird also in einer Serie von (Ensemble-)Messungen α variiert, kann auf<br />

diese Weise p m (α)punktweiseüber den Phasenraum vermessen werden.<br />

Für jedes (fest) vorgegebene m und variables α definiert<br />

ˆΠ m (α) =π −1 |m, α〉〈m, α| (6.12)<br />

bekanntlich ein POM für die komplexe Amplitude α:<br />

P m (α) =〈ˆΠ m (α)〉 = π −1 p m (α) (6.13)<br />

(siehe auch Abschnitt 2.2). Mit anderen Worten, für jedes m legt p m (α)<br />

als Phasenraumfunktion den Quantenzustand der Mode bereits fest.<br />

Andererseits stellt p m (α) für festes α eine gewöhnliche Wahrscheinlichkeitsverteilung<br />

bezüglich der Photonenanzahl m dar. Es ist deshalb zu<br />

erwarten, daß es ausreicht, diese nur für einen eingeschränkten Wertebereich<br />

von α zu messen, um den Quantenzustand zu bestimmen.<br />

Das Meßverfahren erfordert i. allg. Photodetektoren hoher Nachweisempfindlichkeit,<br />

die zwischen m und m +1 Photonen unterscheiden<br />

können – Forderungen, die gegenwärtig mit herkömmlicher Technik


6.1. PHASENEMPFINDLICHE MESSUNGEN 169<br />

schwerlich zu erfüllen sind. 6 Anders liegt der Fall, wenn die Notwendigkeit<br />

der Diskrimination entfällt und ein (effektiv) kontinuierliches Signal<br />

anliegt, das mit hoher Nachweisempfindlichkeit registriert werden<br />

kann. Dies läßt sich mittels balancierter Homodyne-Technik realisieren.<br />

6.1.2 Feldstärkestatistik<br />

Wir legen wieder das in der Abbildung auf Seite 166 skizzierte Schema<br />

zugrunde, wobei im Gegensatz zu Abschnitt 6.1.1 nunmehr das<br />

Differenzsignal der Photodetektoren in den beiden Ausgangskanälen<br />

gemessen werden soll. Entsprechend (4.75) lautet die Verbundwahrscheinlichkeit<br />

P m1 ,m 2<br />

dafür, daß der erste Detektor m 1 Photonen und<br />

der zweite Detektor m 2 Photonen registriert,<br />

wobei die gestrichenen Größen in dem POM<br />

P m1 ,m 2<br />

= 〈ˆΠm1 ,m 2<br />

〉<br />

, (6.14)<br />

ˆΠ m1 ,m 2<br />

=:<br />

2∏<br />

l=1<br />

1<br />

m l ! (η lˆn ′ l )m l<br />

e −η lˆn ′ l<br />

: (6.15)<br />

mit den ungestrichenen gemäß (5.42) zusammenhängen:<br />

ˆn ′ 1 =â ′ 1 † â ′ 1 = ( U ∗ 11â † 1 + U ∗ 12â † 2)(<br />

U11 â 1 + U 12 â 2<br />

)<br />

, (6.16)<br />

ˆn ′ 2 =â′ 2 † â ′ 2 = ( U ∗ 21↠1 + U ∗ 22↠2)(<br />

U21 â 1 + U 22 â 2<br />

)<br />

. (6.17)<br />

Die Gleichungen (6.16) und (6.17) entsprechen genau den Gleichungen<br />

(5.77) und (5.78), wenn die Matrix U gemäß (5.13) (mit φ =0)<br />

gewählt wird. Wie wir bereits wissen [Gleichungen (5.82) und (5.83)],<br />

entspricht der Mittelwert der Differenz 〈ˆn ′ 1 〉−〈ˆn′ 2 〉 dem Mittelwert einer<br />

Signalfeldstärke, falls ein 50%50%-Strahlteiler verwendet wird und<br />

die Referenzmode in einem Glauber-Zustand angeregt ist. Wir wollen<br />

nunmehr die Frage beantworten, inwieweit die insgesamt meßbare Differenzstatistik<br />

einer Feldstärkestatistik der Signalmode entspricht.<br />

6 Kohärent verschobene Fock-Zustände haben insbesondere bei der Rekonstruktion von Quantenzuständen<br />

von Resonatorfeldern und der Massenmittelpunktsbewegung von Ionen und Atomen in<br />

Fallen an Bedeutung gewonnen. In beiden Fällen können Größen gemessen werden, aus denen die<br />

Statistik verschobener Fock-Zustände ableitbar ist.


170 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG<br />

Die Wahrscheinlichkeit für die Differenzereignisse<br />

∆m = m 1 − m 2 (6.18)<br />

folgt aus (6.14) als<br />

mit<br />

P ∆m = 〈ˆΠ∆m 〉<br />

(6.19)<br />

ˆΠ ∆m = ∑ m 2<br />

ˆΠ∆m+m2 ,m 2<br />

. (6.20)<br />

Die weitere Auswertung der Gleichung (6.19) wird zweckmäßigerweise<br />

im Phasenraum durchgeführt. Es seien Π m1 ,m 2<br />

(α 1 , α 2 ;1) und<br />

Π ∆m (α 1 , α 2 ;1) die den Operatoren ˆΠ m1 ,m 2<br />

und ˆΠ ∆m zugeordneten c-<br />

Zahlfunktionen in Normalordnung,<br />

Π m1 ,m 2<br />

(α 1 , α 2 ;1)=<br />

2∏<br />

l=1<br />

1 (<br />

ηl |α ′<br />

m l !<br />

l| 2) m l<br />

e<br />

−η l |α ′ l |2 , (6.21)<br />

Π ∆m (α 1 , α 2 ;1)= ∑ m 2<br />

Π ∆m+m2 ,m 2<br />

(α 1 , α 2 ;1), (6.22)<br />

wobei<br />

|α ′ 1 |2 = ∣ ∣U 11 α 1 + U 12 α 2<br />

∣ ∣<br />

2<br />

, (6.23)<br />

|α ′ 2| 2 = ∣ ∣ U21 α 1 + U 22 α 2<br />

∣ ∣<br />

2<br />

, (6.24)<br />

gilt. Wir setzen (6.21) in (6.22) ein, führen die Summation aus und<br />

erhalten<br />

(<br />

η1 |α ′<br />

Π ∆m (α 1 , α 2 ;1)=<br />

1| 2 ) ∆m/2<br />

η 2 |α 2 ′ |2 )<br />

× I ∆m<br />

(2<br />

√η 1 |α 1 ′ |2 η 2 |α 2 ′ |2 e −η 1|α ′ 1 |2 e −η 2|α ′ 2 |2 (6.25)<br />

[I n (z)-modifizierteBessel-Funktion,I −n (z)=I n (z)]. Wir wollen gleiche<br />

Quantenausbeuten annehmen,<br />

η 1 = η 2 ≡ η, (6.26)


6.1. PHASENEMPFINDLICHE MESSUNGEN 171<br />

und einen 50%:50%-Strahlteiler betrachten (balanciertes Schema!),<br />

√<br />

1<br />

|U 11 | = |U 22 | = |U 12 | = |U 21 | =<br />

2 . (6.27)<br />

Mit (6.27) lauten die Gleichungen (6.23) und (6.24)<br />

∣<br />

|α 1 ′ |2 = 1 ∣<br />

2 α1 + e iψ α 2 2<br />

, (6.28)<br />

∣<br />

|α 2 ′ |2 = 1 ∣ α1 − e iψ α<br />

2<br />

2 2<br />

, (6.29)<br />

wobei der Phasenfaktor durch<br />

e iψ = U 12<br />

U 11<br />

(6.30)<br />

gegeben ist. Schließlich nehmen wir wieder an, daß die Referenzmode<br />

in einem Glauber-Zustand |α L 〉 angeregt ist. In diesem Fall können wir<br />

in Π ∆m (α 1 , α 2 ;1) die Ersetzung α 2 = α L vornehmen, so daß wir es nur<br />

noch mit einer Funktion von α 1 zu tun haben,<br />

Π ∆m (α 1 , α 2 ;1)→ Π ∆m (α 1 , α L ;1)≡ Π ∆m (α 1 ;1). (6.31)<br />

Betrachten wir speziell den Grenzfall eineshinreichendstarkenLokaloszillators,<br />

d.h. |α L | →∞ bei endlichem |∆m/α L |.DieRechnung<br />

liefert (α ≡ α 1 ) 7<br />

[ (<br />

1<br />

∆m − ηα<br />

∗<br />

Π ∆m (α;1)= √<br />

{−<br />

2πη|αL | exp L e −iψ α +c.c. )] }<br />

2<br />

. (6.32)<br />

2 2η|α L | 2<br />

Wir führen die Signalfeldstärke<br />

ein und schreiben (6.32) als<br />

ˆF = |C| ( âe −iϕ +â † e iϕ) , ϕ = ϕ αL + ψ (6.33)<br />

Π ∆m (α;1)= |C| 1<br />

√<br />

|α L | 2πη|C|<br />

2<br />

{ [<br />

∆m|C|/(η|αL |) −〈α|<br />

× exp −η<br />

ˆF (ϕ)|α〉 ] }<br />

2<br />

. (6.34)<br />

2|C| 2<br />

7 I n (z) ≈ (2πz) −1/2 exp[z − n 2 /(2z)]; |z| →∞, |n| →∞, |n 2 /z| endlich.


172 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG<br />

Aus einem Vergleich mit (2.236) ist sofort ersichtlich, daß für η =1<br />

(perfekte Detektion) Π ∆m (α;1) bis auf den Faktor |C|/|α L | die dem<br />

Feldstärkeprojektor |F, ϕ〉〈F, ϕ| zugeordnete c-Zahlfunktion in Normalordnung<br />

ist, d.h. 8<br />

mit<br />

ˆΠ∆m = |C| |F, ϕ〉〈F, ϕ| (6.35)<br />

|α L |<br />

F = |C| ∆m. (6.36)<br />

|α L |<br />

Die gemessene Differenzereignisverteilung ist also eine Feldstärkeverteilung<br />

p(F, ϕ) =〈F, ϕ|ˆϱ|F, ϕ〉 (6.37)<br />

des Signalfeldes:<br />

P ∆m = |C| (<br />

|α L | p F = |C|<br />

)<br />

|α L | ∆m, ϕ=ϕ α L<br />

+ ψ<br />

(6.38)<br />

Wird in einer Serie von Ensemblemessungen die Phase des Lokaloszillators<br />

variiert, können somit alle Feldstärkeverteilungen in einem π-<br />

Intervall ermittelt werden. 9<br />

Ist die Quantenausbeute kleiner als Eins (η


6.1. PHASENEMPFINDLICHE MESSUNGEN 173<br />

wobei die Gewichtsfunktion die Gauß-Funktion<br />

(<br />

1<br />

p(F ; s) = √ exp − F 2 )<br />

2πs|C|<br />

2 2s|C| 2<br />

(6.41)<br />

ist. Dementsprechend sind die gemessenen Verteilungen Faltungen von<br />

Feldstärkeverteilungen der Signalmode mit Gauß-Funktionen,<br />

P ∆m =<br />

|C| (<br />

η|α L | p F =<br />

|C|<br />

)<br />

η|α L | ∆m, ϕ = ϕ α L<br />

+ ψ;(1− η)/η , (6.42)<br />

∫<br />

p(F, ϕ; s) =<br />

dF ′ p(F −F ′ ; s) p(F ′ , ϕ). (6.43)<br />

Speziell für η =0.5 (s=1) stellt p(F ; s) dieVakuumfeldstärkeverteilung<br />

Wahrscheinlichkeit P ∆m für den Fall einer in einem Fock-Zustand mit einem<br />

Photon angeregte Signalfeldmode bei einer angenommenen Quantenausbeute<br />

η =1 (a) – (c) und η =0.75 (d) sowie |α L | 2 =0 (a), 0.5 (b),5(c),5(d).<br />

Die durchgezogenen Kurven stellen die [im Fall (d) verrauschten] Feldstärkeverteilungen<br />

p[F, ϕ;(1−η)/η] mitexaktkontinuierlichemArgumentdar.<br />

dar, wie aus einem Vergleich von (6.41) mit (2.236) sofort zu ersehen<br />

ist. 10 Mit anderen Worten, wird nur jedes zweite Photon detektiert,<br />

10 Zur Bedeutung der Funktion p(F ; s) sieheauch(6.83).


174 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG<br />

wird das Signal mit dem Vakuumrauschen verfälscht. In der Abbildung<br />

sind Beispiele für den Fall einer in einem Fock-Zustand mit einem Photon<br />

angeregte Signalfeldmode gezeigt. 11<br />

6.1.3 Phasenraumfunktionen<br />

Im Abschnitt 6.1.1 haben wir bereits gesehen, daß die mittels<br />

kohärent verschobener Fock-Zustände definierbaren Phasenraumfunktionen<br />

punktweise vermessen werden können, d.h., der Funktionswert<br />

für jeden Wert der komplexen Amplitude wird durch eine wohldefinierte<br />

Ensemblemessung geliefert. Es erhebt sich die Frage, ob es möglich<br />

ist, in nur einer Ensemblemessung die Funktionswerte über dem gesamten<br />

Phasenraum zu erhalten, was gleichbedeutend mit der Frage ist, ob<br />

es möglich ist, den kompletten Quantenzustand aus einer einzigen Ensemblemessung<br />

zu bestimmen. Wie wir sehen werden, ist dies in der<br />

Tat möglich.<br />

Wir wollen uns dies am Beispiel der Q-Funktion klar machen. Bekanntlich<br />

verschwindet im klassischen Grenzfall der Unterschied zwischen<br />

Wigner- und Q-Funktion. In diesem Fall kann also die Q-<br />

Funktion als Verbundwahrscheinlichkeitsdichte für kanonisch konjugierte<br />

Größen vom Typ Ort und Impuls angesehen werden. In der<br />

Quantentheorie ist dies natürlich nicht möglich, da diese Größen nicht<br />

gleichzeitig definierte Werte annehmen können. Es liegt deshalb nahe,<br />

anstelle der exakten (nicht gleichzeitig meßbaren) Größen etwas verrauschte<br />

(aber dann gleichzeitig meßbare) Größen zu betrachten. Dies<br />

kann beispielsweise so geschehen, daß die Signalfeldmode durch einen<br />

Strahlteiler geschickt und dabei mit einer in einem definierten Quantenzustand<br />

präparierten Referenzmode überlagert wird und die beiden<br />

Ausgangsmoden als neue Signalmoden angesehenwerden,andenendie<br />

Messungen auszuführen sind. Im einfachsten Fall kann der Eingangskanal<br />

für die Referenzmode ungenutzt bleiben, so daß dort Vakuum<br />

anliegt.<br />

Es seien<br />

ˆF ′ 1 (ϕ) =Câ′ 1 + C∗ â ′ 1 † , (6.44)<br />

ˆF ′ 2 (ϕ) =Câ′ 2 + C∗ â ′ 2 † (6.45)<br />

11 W. Vogel, J. Grabow, Phys. Rev. A 47, 4227(1993).


6.1. PHASENEMPFINDLICHE MESSUNGEN 175<br />

Feldstärken der beiden auslaufenden Moden zum jeweils gleichen Phasenparameter<br />

ϕ. Die charakteristische Funktion Ψ(y 1 ′ ,y′ 2 , ϕ, ϕ) der<br />

Verbundfeldstärkeverteilung p(F 1 ′,F′ 2 , ϕ, ϕ) dieserModenkanngemäß<br />

(2.243) berechnet werden, 12<br />

Ψ(y ′ 1 ,y′ 2 , ϕ, ϕ) =〈 ˆD′ (iC ∗ y ′ 1 ,iC∗ y ′ 2 )〉<br />

= 〈 exp [ iC ∗ (y ′ 1â ′ 1 † + y ′ 2â ′ 2 † ) − h.c ]〉 . (6.46)<br />

Wir wollen wieder einen 50%:50%-Strahlteiler zugrunde legen und<br />

den Fall betrachten, daß eine π/2-Phasenverschiebung realisiert wird.<br />

Gemäß (5.20) haben wir dann<br />

Damit kann (6.46) als<br />

â ′ 1 = U 11 â 1 + U 12 â 2 =2 −1/2 (â 1 − iâ 2 ), (6.47)<br />

â ′ 2 = U 21â 1 + U 22 â 2 =2 −1/2 (−iâ 1 +â 2 ). (6.48)<br />

Ψ(y ′ 1,y ′ 2, ϕ, ϕ) = 〈 exp [ iC ∗ 2 −1/2 (y ′ 1 + iy ′ 2)â † 1<br />

+ iC ∗ 2 −1/2 (iy ′ 1 + y′ 2 )↠2 − h.c]〉 (6.49)<br />

geschrieben werden. Die Situation wird besonders einfach, wenn der<br />

Eingangskanal für die Referenzmode (Index 2) ungenutztist,dieReferenzmode<br />

sich folglich im Vakuumzustand befindet. Der entsprechende<br />

Erwartungswert in (6.49) kann sofort ausgeführt werden. Wir erhalten<br />

bzw.<br />

mit<br />

Ψ(y ′ 1 ,y′ 2 , ϕ, ϕ) =exp[ − 1 2 |iC∗ 2 −1/2 (iy ′ 1 + y′ 2 )|2]<br />

× 〈 exp [ iC ∗ 2 −1/2 (y ′ 1 + iy′ 2 )↠1 − h.c]〉 (6.50)<br />

Ψ(y ′ 1,y ′ 2, ϕ, ϕ) =e − 1 2 |β 1| 2 〈 ˆD(β 1 )〉 = Φ(β 1 ; −1) (6.51)<br />

β 1 = iC ∗ 2 −1/2 (y ′ 1 + iy ′ 2) (6.52)<br />

[siehe (3.85)]. Die charakteristische Funktion der Verbundfeldstärkeverteilung<br />

der beiden auslaufenden Moden entspricht also der charakteristischen<br />

Funktion der Q-Funktion der einlaufenden Signalmode. Wir<br />

12 ˆD(α1 , α 2 )=exp(α 1 â † 1 + α 2â † 2 − H.c.).


176 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG<br />

gehen von der charakteristischen Funktion der Feldstärkeverteilung zur<br />

Feldstärkeverteilung über. Mit der Variablensubstitution (6.52) und der<br />

abkürzenden Bezeichnung<br />

finden wir<br />

d.h.:<br />

∫<br />

p(F 1 ′ 1<br />

,F′ 2 , ϕ, ϕ)=<br />

(2π) 2 ∫<br />

1<br />

=<br />

2|C| 2 π 2<br />

α = 1<br />

2 1/2 C (F 1 ′ + iF 2 ′ ), (6.53)<br />

dy ′ 1<br />

∫<br />

dy ′ 2 Ψ(y′ 1 ,y′ 2 , ϕ, ϕ) e−iy′ 1F ′ 1−iy ′ 2F ′ 2<br />

d 2 β 1 Φ(β 1 ; −1) e αβ∗ 1−α ∗ β 1<br />

, (6.54)<br />

[<br />

p(F 1 ′ 1<br />

,F′ 2 , ϕ, ϕ) =<br />

2|C| Q α = 1<br />

]<br />

2 2 1/2 C (F 1 ′ +iF 2 ′ )<br />

(6.55)<br />

Die Verbundfeldstärkeverteilung ist also nichts anderes als die (skalierte)<br />

Q-Funktion der Signalfeldmode. Die Messung der Verbundfeldstärkeverteilung<br />

entspricht also einer Messung der Q-Funktion und<br />

liefert somit den Quantenzustand der Signalmode.<br />

Um das Ergebnis physikalisch zu interpretieren, schreiben wir die<br />

(gleichzeitig gemessenen) Observablen ˆF ′ 1(ϕ) und ˆF ′ 2(ϕ) in(6.44)und<br />

(6.45) mittels (6.47) und (6.48) etwas um,<br />

wobei die<br />

ˆF ′ 1(ϕ) = ˆF 1 (ϕ)+ ˆF 2 (ϕ + π/2), (6.56)<br />

ˆF ′ 2(ϕ) = ˆF 1 (ϕ + π/2) + ˆF 2 (ϕ), (6.57)<br />

ˆF k (ϕ) =2 −1/2 |C|e −iϕ â k +h.c. (6.58)<br />

(k =1, 2) Feldstärken der einlaufenden Moden darstellen. Die gemessenen<br />

Observablen können also als zwei um π/2 phasenverschobene<br />

und wegen der Vakuumbeimischung der Referenzmode verrauschte<br />

Feldstärken der Signalmode angesehen werden. Während die beiden<br />

”<br />

reinen“ Feldstärken (die ja Größen vom Typ Ort und Impuls


6.1. PHASENEMPFINDLICHE MESSUNGEN 177<br />

darstellen) nicht vertauschen und folglich nicht gleichzeitig definierte<br />

Werte annehmen können, sichert die Beimischung der Referenzmode<br />

die Vertauschbarkeit und die gleichzeitige Meßbarkeit. Der Preis,<br />

den man dafür zu zahlen hat, ist offensichtlich die durch das zusätzliche<br />

Vakuumrauschen resultierende ”<br />

Verschmierung“ der Verteilung.<br />

Die obigen Überlegungen können natürlich auch für allgemeinere Fälle<br />

durchgeführt werden, in denen nicht unbedingt um π/2 verschoben<br />

wird und die Referenzmode auch nicht im Vakuumzustand vorliegt, so<br />

daß die resultierende Phasenraumfunktion nicht notwendigerweise die<br />

Q-Funktion ist.<br />

Meßschema<br />

Bleiben wir bei der Q-Funktion. Entsprechend den obigen Ausführungen<br />

kann sie wie folgt gemessen werden. Die Signalmode wird zunächst<br />

durch einen 50%:50%-Strahlteiler, der eine π/2-Phasenverschiebung<br />

realisiert, geschickt. Die beiden auslaufenden Moden werden dann als<br />

einlaufende Moden in zwei (balancierten) 4-Kanal-Homodyne-Detektoren<br />

(Abschnitt 6.3) verwendet, deren Koinzidenzstatistik aufgezeichnet<br />

wird. Das Meßschema stellt eine (balancierte) 8-Kanal-Homodyne-Anordnung<br />

dar, bei der ein Eingang mit der Signalmode belegt ist,<br />

zwei Eingänge mit Lokaloszillatoren belegt sind und ein Kanal ungenutzt<br />

bleibt (Vakuum).<br />

Alternativ kann, wie in der Abbildung gezeigt, mit einem Lokaloszillator<br />

und zwei freien Eingängen gearbeitet werden. 13 Die Strahlteiler<br />

sind (beliebige) verlustlose 50%:50%-Strahlteiler; die notwendige Phasenverschiebung<br />

wird durch ein zusätzliches λ/4-Plättchen realisiert.<br />

Alle Rechnungen können völlig analog zu den entsprechenden Rechnungen<br />

im Abschnitt 6.1.2 durchgeführt werden. So ist die Verbundwahrscheinlichkeit<br />

dafür, daß der erste Detektor m 1 Photonen, der zweite<br />

Detektor m 2 Photonen, der dritte Detektor m 3 Photonen und der vierte<br />

13 Um die Q-Funktion in einer balancierten Homodyne-Anordnung zu zu messen, werden minimal<br />

drei Eingänge und drei Ausgänge benötigt, so daß also bereits eine 6-Kanalanordnung ausreichend ist<br />

[A. Zucchetti, W. Vogel, D.-G. Welsch, Phys. Rev. A 54, 856(1996)].ZweiderdreiEingänge werden<br />

mit der Signalmode und der Lokaloszillatormode belegt, während der dritte Eingang frei bleibt,<br />

und es werden die Differenzsignale in zwei Ausgangskanälen bezüglich des dritten Ausgangskanals<br />

gemessen.


178 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG<br />

Lokaloszillator<br />

â ′ 2<br />

â 3<br />

â 4<br />

â ′ 3<br />

λ/4<br />

â ′ 1<br />

â 1<br />

Signal<br />

â ′ 4<br />

â 2<br />

Detektor m 4 Photonen registriert,<br />

P m1 ,m 2 ,m 3 ,m 4<br />

= 〈ˆΠm1 ,m 2 ,m 3 ,m 4<br />

〉<br />

, (6.59)<br />

ˆΠ m1 ,m 2 ,m 3 ,m 4<br />

=:<br />

4∏<br />

l=1<br />

1<br />

m l ! (η lˆn ′ l )m l<br />

e −η lˆn ′ l<br />

: , (6.60)<br />

wobei die Transformation zwischen ungestrichenen und gestrichenen<br />

Modenoperatoren (unter Berücksichtigung der zusätzlichen π/2-<br />

Phasenverschiebung) wieder gemäß (5.42) geschieht. Die Wahrscheinlichkeit<br />

für die Differenzereignisse<br />

ergibt sich dann als<br />

∆m 1 = m 1 − m 4 , ∆m 2 = m 3 − m 2 (6.61)<br />

P ∆m1 ,∆m 2<br />

= 〈ˆΠ∆m1 ,∆m 2<br />

〉<br />

, (6.62)<br />

ˆΠ ∆m1 ,∆m 2<br />

= ∑ m 2 ,m 4<br />

ˆΠ∆m1 +m 4 ,m 2 ,∆m 2 +m 2 ,m 4<br />

. (6.63)<br />

Die weiteren Rechnungen werden zweckmäßigerweise wieder im Phasenraum<br />

ausgeführt. Unter den gleichen Bedingungen eines starken Lokaloszillators<br />

wie im Abschnitt 6.1.2 führt die Rechnung zu folgendem


6.1. PHASENEMPFINDLICHE MESSUNGEN 179<br />

Ergebnis (α ≡ α 1 ):<br />

P ∆m1 ,∆m 2<br />

= 1 (<br />

|α L | Q α = −∆m )<br />

1 + i∆m 2<br />

2 αL<br />

∗<br />

(6.64)<br />

Wie die Gleichung (6.38) gilt die Gleichung (6.64) für pefekte Detektion,<br />

d.h. η =1. Ist die Quantenausbeute kleiner als Eins (η < 1), wird<br />

anstelle der Q-Funktion offensichtlich eine Faltung der Q-Funktion mit<br />

einer Gauß-Funktion gemessen. Dies entspricht aber genau der Messung<br />

einer s-parametrisierten Phasenraumfunktion mit s


180 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG<br />

6.2 Quantenzustandsrekonstruktion<br />

Jeder Satz von (meßbaren) Größen, der alle Information über den<br />

Quantenzustand eines Systems enthält (aus dem sich also beispielsweise<br />

die Dichtematrix in einer gewünschten Basis rekonstruieren läßt), kann<br />

natürlich selbst als Repräsentant des Quantenzustands des Systems angesehen<br />

werden. Quantenzustandsrekonstruktion bedeutet dann, aus<br />

den gemessenen Größen den Quantenzustand in einer speziellen Darstellung,<br />

die möglicherweise einer direkten Messung nicht zugänglich<br />

ist, zu rekonstruieren. Das gleiche trifft auchfür eine Reihe von Größen<br />

zu, die einer direkten Messung nicht so ohne weiteres zugänglich sind.<br />

6.2.1 Punktweise Rekonstruktion im Phasenraum<br />

Die Kenntnis der Verteilung der kohärent verschobenen Fock-Zustände<br />

für gegebenes α gestattet in einfacher Weise die Bestimmung von s-<br />

parametrisierten Phasenraumfunktionen im Punkt α.Gemäß (3.56) gilt<br />

für die Operator-δ-Funktion<br />

ˆδ(α−â; s) =<br />

2<br />

π(1 − s) ˆD(α)<br />

( )ˆn s +1 ˆD† (α). (6.66)<br />

s − 1<br />

Bilden wir den Erwartungswert, so erhalten wir bekanntlich [siehe<br />

(3.49)] die Phasenraumfunktion<br />

und zwar ausgedrückt durch die Verteilung<br />

[vgl. (6.11)]:<br />

P (α; s) =Tr [ˆϱˆδ(α − â; s) ] , (6.67)<br />

p n (α) =〈n, α|ˆϱ|n, α〉 = 〈n| ˆD † (α)ˆϱ ˆD(α)|n〉 (6.68)<br />

P (α; s) =<br />

2<br />

π(1 − s)<br />

∑<br />

n<br />

( ) n s +1<br />

p n (α) (6.69)<br />

s − 1


6.2. QUANTENZUSTANDSREKONSTRUKTION 181<br />

Wird also in einer Serie von Ensemblemessungen α variiert und somit<br />

p m (α) punktweise über den Phasenraum vermessen, dann kann P (α; s)<br />

ebenfalls punktweise über den Phasenraum bestimmt werden. Speziell<br />

für s = −1 geht(6.69)indenbekanntenAusdruckfür die Q-Funktion<br />

über,<br />

Q(α) =π −1 p 0 (α) =π −1 〈0, α|ˆϱ|0, α〉 = π −1 〈α|ˆϱ|α〉. (6.70)<br />

Die Gleichung (6.69) kann unschwer auf den Fall ausgedehnt werden,<br />

daß p m (α) nichtperfektgemessenwird(η < 1). Führen wir die<br />

Rechnungen (3.55) mit exp[−ηˆn(α)] anstelle von exp[−ˆn(α)] durch, so<br />

erhalten wir unschwer<br />

ˆδ(α−â; s) =<br />

woraus mit (6.9)<br />

2<br />

π(1 − s)<br />

P (α; s) =<br />

∑<br />

[ ] n η(s − 1) + 2<br />

: [ηˆn(α)]n e −ηˆn(α) : , (6.71)<br />

η(s − 1) n!<br />

n<br />

2<br />

π(1 − s)<br />

∑<br />

[ ] n η(s − 1) + 2<br />

P n (α) (6.72)<br />

η(s − 1)<br />

n<br />

folgt. Speziell die Messung von P 0 (α) liefert nunmehr die Phasenraumfunktion<br />

für<br />

s =1− 2η −1 . (6.73)<br />

Experimentell wurde die Methode erstmals für die Rekonstruktion<br />

der Wigner-Funktionen des Quantenzustands der Schwerpunktsbewegung<br />

eines Fallenions demonstriert. 15 Die obige Abbildung zeigt die rekonstruierte<br />

Wigner-Funktion eines mit einem Quant angeregten Fock-<br />

Zustands. Später wurde die Methode auch für optische Felder demonstriert,<br />

wie die Rekonstruktion der Wigner-Funktion eines (mit etwa<br />

einem Photon) schwach angeregten Glauber-Zustands in der folgenden<br />

Abbildung zeigt. 16<br />

15 D. Leibfried, D.M. Meekhof, B.E. King, C. Monroe, W.M. Itano, D.J. Wineland, Phys. Rev.<br />

Lett. 77, 4281(1996).<br />

16 K. Banaszek, C. Radzewicz, K. Wódkiewicz, J.S. Krasiński, Phys. Rev. A 60, 674(1999).


182 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG<br />

W (α)<br />

W (α)<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.2<br />

0<br />

2<br />

-<br />

2<br />

Re α<br />

0<br />

2<br />

-<br />

2<br />

0<br />

Im α<br />

6.2.2 Tomographische Rekonstruktion der Wigner-Funktion<br />

Bei dem als Optical Homodyne Tomography bekannten Verfahren wird<br />

aus den gemessenen Feldstärkeverteilungen einer Mode 17 die Wigner-<br />

Funktion konstruiert. Dieses und alle anderen Verfahren, bei denen<br />

die gemessenen Verteilungen Feldstärkeverteilungen sind, basieren auf<br />

der Tatsache, daß die Kenntnis der Feldstärkeverteilungen in einem π-<br />

17 Wie bereits erwähnt, spricht man (insbesondere bei materiellen Systemen) auch von Quadrature-<br />

Component-Verteilungen.


6.2. QUANTENZUSTANDSREKONSTRUKTION 183<br />

Intervall äquivalent der Kenntnis des Quantenzustands ist. 18 Dies läßt<br />

sich etwa wie folgt zeigen. Wir setzen die charakteristische Funktion<br />

Ψ(y, ϕ) einerFeldstärkeverteilung p(F, ϕ),<br />

Ψ(y, ϕ) =Tr [ˆϱ ˆD(iyC ∗ ) ] (6.74)<br />

[siehe (2.243)], in Relation zu der charakteristischen Funktion einer s-<br />

parametrisierten Phasenraumfunktion Φ(α; s),<br />

Φ(α; s) =e 1 2 s|α|2 Tr [ˆϱ ˆD(α) ] (6.75)<br />

[siehe (3.85)]. Da Φ(α; s) einRepräsentant des Quantenzustands ist,<br />

kann natürlich Ψ(y, ϕ) ausΦ(α; s) bestimmtwerden,indem<br />

gewählt wird:<br />

α = iyC ∗ (6.76)<br />

Ψ(y, ϕ) =e − 1 2 s|α|2 Φ(iyC ∗ ; s) (6.77)<br />

Umgekehrt besagt die Beziehung (6.76), daß für gewähltes ϕ die Funktion<br />

Ψ(y, ϕ) dieFunktionΦ(α) längs einer (durch den Koordinatenursprung<br />

gehenden) um den Winkel π/2+ϕ gedrehten Geraden im Phasenraum<br />

festlegt (n =0, −1),<br />

Somit gilt:<br />

y = |α|<br />

|C| einπ , ϕ α − ϕ = 1 2<br />

(2n +1)π. (6.78)<br />

[ ]<br />

|α|<br />

Φ(α; s) =e 1 2 s|α|2 Ψ<br />

|C| einπ , ϕ = ϕ α − 1 2 (2n+1)π<br />

(6.79)<br />

Ist also Ψ(y, ϕ) für alle Werte von ϕ in einem π-Intervall bekannt,<br />

dann ist Φ(α) indergesamtenkomplexenPhasenraumebenebekannt.<br />

18 K. Vogel, H. Risken, Phys. Rev. A 40, 2847(1989).


184 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG<br />

Im α<br />

y<br />

ϕ<br />

Re α<br />

Was für die charakteristischen Funktionen gilt, gilt natürlich auch für<br />

die Verteilungen selbst. Die Gesamtheit der Feldstärkeverteilungen in<br />

einem π-Intervall bestimmt eindeutig den Quantenzustand und kann<br />

somit selbst als Repräsentant des Quantenzustands angesehen werden.<br />

Insbesondere können aus den Feldstärkeverteilungen in mehr oder weniger<br />

komplizierter Weise die üblichen Quantenzustandsdarstellungen<br />

gefunden werden.<br />

Wir beginnen mit den s-parametrisierten Phasenraumfunktionen.<br />

Entsprechend (2.239), (6.77) und (3.83) gilt<br />

p(F, ϕ) = 1<br />

2π<br />

∫<br />

dye −iyF e − 1 2 sy2 |C| 2 Φ(iyC ∗ ; s), (6.80)<br />

d.h.<br />

p(F, ϕ) = 1 ∫<br />

∫<br />

dye −iyF e − 1 2 sy2 |C| 2 d 2 α exp [ iy〈α|<br />

2π<br />

ˆF (ϕ)|α〉 ] P (α; s),<br />

(6.81)<br />

〈α| ˆF (ϕ)|α〉 = Cα + C ∗ α ∗ =2|C||α| cos(ϕ α − ϕ) (6.82)<br />

[vgl. (3.83)]. Falls s ≥ 0ist,kanndiey-Integration unmittelbar ausgeführt<br />

werden. Das Ergebnis ist<br />

∫<br />

p(F, ϕ) = d 2 α p [ F −〈α| ˆF (ϕ)|α〉; s ] P (α; s) (6.83)<br />

mit p(F ; s) aus(6.41).Offensichtlich ist p [ F −〈α| ˆF (ϕ)|α〉; s ] als Funktion<br />

von α die dem Feldstärkeprojektor |F, ϕ〉〈F, ϕ| zugeordnete c-Zahl-


6.2. QUANTENZUSTANDSREKONSTRUKTION 185<br />

Funktion in s-Ordnung. 19 Speziell für s=1 (Normalordnung) ist sie die<br />

Feldstärkeverteilung eines Glauber-Zustands |α〉.<br />

Im Grenzfall s → 0führt p(F ; s) aufeineδ-Funktion,<br />

lim p(F ; s) =δ(F ), (6.84)<br />

s→0<br />

und aus (6.83) folgt (nach einer Variablentransformation):<br />

p(F, ϕ) = 1 ∫<br />

2|C|<br />

[ ( )]<br />

F<br />

F<br />

dyW<br />

2|C| cos ϕ − y sin ϕ + i 2|C| sin ϕ + y cos ϕ<br />

Wie bereits erwähnt, wird gemäß (3.77) – (3.80) öfters<br />

(6.85)<br />

gesetzt und |C| =1/ √ 2gewählt, d.h.<br />

1<br />

2W (α) → W (q, p) (6.86)<br />

ˆF (ϕ) → ˆx(ϕ) (6.87)<br />

[siehe (2.244) – (2.248)]. Die Gleichung (6.85) nimmt dann die folgende<br />

Form an:<br />

p(x, ϕ) =<br />

∫<br />

dyW(x cos ϕ − y sin ϕ,xsin ϕ + y cos ϕ) (6.88)<br />

Integration der Wigner-Funktion W (q, p) längs aller um den Winkel ϕ<br />

gegenüber der p-Achse des Phasenraums gedrehten Geraden liefert also<br />

die Quadrature-Component-Verteilung p(x, ϕ) für den Phasenparameter<br />

ϕ, diesomitalsMarginalverteilungderWigner-Funktionaufgefaßt<br />

werden kann.<br />

Die Gleichung (6.85) [bzw. die Gleichung (6.88)] stellt eine Radon-<br />

Transformation dar. Ihre Umkehrung (inverse Radon-Transformation)<br />

liefert die Wigner-Funktion W (q, p) aus den Feldstärkeverteilungen<br />

19 Für s


186 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG<br />

y<br />

p<br />

x<br />

ϕ<br />

q<br />

p(F, ϕ)] [bzw. Qudrature-Component-Verteilungen p(x, ϕ)] mit ϕ ∈ π-<br />

Intervall. Wir verwenden den Zusammenhang zwischen den charakteristischen<br />

Funktionen [siehe die Gleichungen (6.76) – (6.79)], gehen zu<br />

den entsprechenden Verteilungsfunktionen über und erhalten nach einer<br />

kurzen Rechnung für den Fall s =0 das folgende Ergebnis:<br />

W (q, p) = 1 ∫ π ∫<br />

dϕ<br />

(2π) 2<br />

0<br />

∫<br />

dz<br />

[ (<br />

dF |z| exp iz q cos ϕ+p sin ϕ −<br />

F<br />

|C| √ 2<br />

)]<br />

p(F, ϕ)<br />

(6.89)<br />

Da separates Ausführen der z-Integration auf eine singuläre Funktion<br />

führt, kann das Dreifachintegral nicht so ohne weiteres in ein Zweifachintegral,<br />

d.h. in ein Integral über ϕ und F als den Variablen der<br />

gemessenen Verteilungen überführt werden. Dies kann näherungsweise<br />

geschehen, indem nur Spektralkomponenten der Verteilungen p(F, ϕ)<br />

bis zu einer hinreichend hohen Abschneidefrequenz z c berücksichtigt<br />

werden. Das heißt, die Verteilungen werden etwas ”<br />

ausgeschmiert“, 20<br />

und (6.89) geht in<br />

W (q, p) ≃ W c (q, p)<br />

= 1 ∫ π ∫ (<br />

dϕ dF K<br />

2π 2 c q cos ϕ + p sin ϕ −<br />

F )<br />

|C| √ 2<br />

0<br />

p(F, ϕ) (6.90)<br />

20 Dies entspricht effektiv einer Reduktion der Quantenausbeute η.


6.2. QUANTENZUSTANDSREKONSTRUKTION 187<br />

mit<br />

K c (y) = 1 2<br />

∫ +zc<br />

−z c<br />

dz |z|e iyz (6.91)<br />

(z c > 0) über.<br />

Das tomographische Verfahren, die Wigner-Funktionausihrenunter<br />

allen möglichen Winkeln gemessenen Marginalverteilungen zu rekonstruieren,<br />

wurde erstmals auf optische Felder in Verbindung mit<br />

dem (balancierten) 4-Kanal-Homodyne-Verfahren angewandt und wird<br />

in diesem Zusammenhang auch als Optische Homodyne-Tomographie<br />

(Optical Homodyne Tomography)bezeichnet.DieAbbildungenaufden<br />

Seiten 188 und 189 zeigen entsprechende Ergebnisse. 21 Die im unteren<br />

Teil der Abbildung auf Seite 188 angegebenen Varianzen zeigen<br />

noch einmal deutlich deutlich, daß für bestimmte Phasenparamneter<br />

das Feldstärkerauschen eines gequetschten Vakuums unterhalb des Vakuumrauschens<br />

liegt.<br />

Wie bereits im Abschnitt 6.1.2 ausgeführt wurde, werden i. allg. anstelle<br />

von p(F, ϕ) verrauschteVerteilungen,d.h.Faltungenvonp(F, ϕ)<br />

mit Gauß-Funktionen, gemessen. Wird in diesem Fall die inverse<br />

Radon-Transformation (6.89) [bzw. (6.90)] mit den gemessenen Verteilungen<br />

durchgeführt, so ist das Ergebnis die entsprechend verrauschte<br />

Wigner-Funktion des Signalzustands. Der Sachverhalt kann auch so<br />

interpretiert werden, daß für η < 1nichtdieWigner-FunktiondesSignalzustands,<br />

sondern eine s-parametrisierte Phasenraumfunktion mit<br />

s< 0rekonstruiertwird,undzwarmit<br />

wie man sich überlegen kann.<br />

s =1− η −1 , (6.92)<br />

6.2.3 Dichtematrix in einer Feldstärkebasis<br />

Wir wollen die Dichtematrix in einer Feldstärkedarstellung (d.h. die<br />

Matrixelemente 〈F, ϕ|ˆϱ|F ′ , ϕ〉) ausdenFeldstärkeverteilungen (in einem<br />

π-Intervall) rekonstruieren. Dazu beginnen wir mit der Gleichung<br />

21 D.T. Smithey, M. Beck, M.G. Raymer, A. Faridani, Phys. Rev. Lett. 70, 1244(1993).


188 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG<br />

(a) Homodyne gemessene Verteilungen p(x, ϕ) einesgequetschtenVakuums<br />

[P ϕ (x ϕ )inderAbbildungentsprichtp(x, ϕ) imText];(b)VarianzenderVerteilungen<br />

des gequetschten Vakuums (Kreise) und Varianzen der Verteilungen<br />

des Vakuums (Dreiecke). In dem Experiment wurden 4000 wiederholte<br />

Messungen für 27 Phasenparamter durchgeführt.<br />

(2.206), die wir in der Form<br />

∂<br />

∂F<br />

|F, ϕ〉 =<br />

1<br />

2i|C| 2 ˆF (ϕ+π/2)|F, ϕ〉 (6.93)<br />

schreiben, woraus ersichtlich ist, daß |F ′ , ϕ〉 und |F, ϕ〉 über die unitäre<br />

Transformation<br />

[<br />

|F ′ , ϕ〉 =exp −i F ′ ]<br />

−F<br />

ˆF (ϕ+π/2) |F, ϕ〉 (6.94)<br />

2|C| 2<br />

miteinander zusammenhängen. Ferner erinnern wir uns daran, daß für<br />

den Feldstärkeprojektor |F, ϕ〉〈F, ϕ|<br />

|F, ϕ〉〈F, ϕ| = 1 ∫<br />

dye −iyF ˆD(iyC ∗ ) (6.95)<br />


6.2. QUANTENZUSTANDSREKONSTRUKTION 189<br />

Tomographisch rekontruierte Wigner-Funktionen eines gequetschten Vakuums<br />

(a) und des gewöhnlichen Vakuums (c) [W (X, P) inderAbbildung<br />

entspricht W (q, p) imText].ZurIllustrationderUnterschiedesinddarunter<br />

[(b) und (d)] einige Höhenlinien angegeben.<br />

gilt [Gleichung (2.242)]. Damit können die gesuchten Dichtematrixelemente<br />

wie folgt dargestellt werden:<br />

[<br />

〈F, ϕ|ˆϱ|F ′ , ϕ〉 = 〈F, ϕ|ˆϱ exp −i F ′ −F<br />

∫<br />

=<br />

]<br />

ˆF (ϕ+π/2) |F, ϕ〉<br />

2|C| 2<br />

{ [<br />

dye −iyF Tr ˆϱ exp −i F ′ ]<br />

−F<br />

ˆF (ϕ+π/2) e iy ˆF (ϕ)<br />

2|C| 2<br />

}<br />

. (6.96)


190 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG<br />

Mit<br />

[<br />

exp −i F ′ ]<br />

−F<br />

[<br />

ˆF (ϕ+π/2) exp iy<br />

2|C| ˆF<br />

]<br />

(ϕ)<br />

2<br />

[<br />

= e − i 2 (F ′ −F )y exp −i F ′ ]<br />

−F<br />

ˆF (ϕ+π/2) + iy ˆF (ϕ)<br />

2|C| 2<br />

[(<br />

= e − i 2 (F ′ −F )y exp − F ′ ) ]<br />

−F<br />

2|C| C + iyC â − h.c.<br />

2<br />

(<br />

= e − i 2 (F ′ −F )y F<br />

ˆD<br />

′ )<br />

−F<br />

2|C| 2 C∗ + iyC ∗<br />

(6.97)<br />

geht (6.96) in<br />

bzw.<br />

mit<br />

〈F, ϕ|ˆϱ|F ′ , ϕ〉 = 1<br />

2π<br />

〈F −F ′ , ϕ|ˆϱ|F +F ′ , ϕ〉 = 1 ∫<br />

2π<br />

∫<br />

[ (<br />

dye − i 2 (F ′ +F )y Tr ˆϱ ˆD F ′ )]<br />

−F<br />

2|C| 2 C∗ + iyC ∗<br />

(6.98)<br />

dye −iF y Ψ(y, F ′ , ϕ) (6.99)<br />

[ ( )]<br />

Ψ(y, F ′ , ϕ) =Tr ˆϱ ˆD F<br />

′<br />

|C| 2 C∗ + iyC ∗<br />

(6.100)<br />

über. Wir vergleichen (6.100) mit (2.243) und sehen, daß die charakteristische<br />

Funktion Ψ(y, F ′ , ϕ) in (6.99) die charakteristische Funktion<br />

Ψ(ỹ, ˜ϕ) einerFeldstärkeverteilung ist,<br />

Ψ(y, F ′ , ϕ) =Tr [ˆϱ ˆD ( iỹ|C|e i ˜ϕ)] = Ψ(ỹ, ˜ϕ), (6.101)<br />

√<br />

ỹ = y 2 + F ′2<br />

|C| 4, (6.102)<br />

˜ϕ = ϕ +arg<br />

(y − i F ′ )<br />

. (6.103)<br />

|C| 2<br />

Mit anderen Worten, die Dichtematrixelemente in einer Feldstärke-


6.2. QUANTENZUSTANDSREKONSTRUKTION 191<br />

(a)<br />

(b)<br />

0.4<br />

0.3<br />

0.2<br />

0.1<br />

0<br />

-4 -2 0<br />

x<br />

x<br />

2<br />

4<br />

4<br />

2<br />

0<br />

x x’ ′<br />

-2<br />

-4<br />

0.3<br />

0.2<br />

0.1<br />

0<br />

-4 -2 0<br />

x<br />

x<br />

2<br />

4<br />

4<br />

2<br />

0<br />

x x’ ′<br />

-2<br />

-4<br />

Rekonstruierte (reelle) Dichtematrizen 〈x, ϕ|ˆϱ|x ′ , ϕ〉 eines gequetschten (Vakuum-)Zustands<br />

in den Qudrature-Component-Basen mit (a) ϕ =0( ”<br />

Orts“-<br />

Darstellung) und (b) ϕ = π/2 ( ”<br />

Impuls“-Darstellung) aus gemessenen Verteilungen.<br />

22<br />

darstellung (Phasenwinkel ϕ) können aus den Feldstärkeverteilungen<br />

in einem π-Intervall mittels einer zweifachen Fourier-Transformation<br />

rekonstruiert werden: 23<br />

〈F −F ′ , ϕ|ˆϱ|F +F ′ , ϕ〉 = 1 ∫<br />

2π<br />

dye −iF y ∫<br />

d ˜F e i ˜F ỹ p( ˜F, ˜ϕ)<br />

Die Abbildung auf Seite 191 zeigt zwei Beispiele.<br />

Anmerkungen<br />

(6.104)<br />

• Unter Berücksichtigung von (3.85) kann die Gleichung (6.99) [zusammen<br />

mit (6.100)] verwendet werden, um die Dichtematrixelemente<br />

〈F −F ′ , ϕ|ˆϱ|F +F ′ , ϕ〉 durch die Wigner-Funktion auszu-<br />

22 D.-G. Welsch, W. Vogel, T. Opatrný, Progr. in Optics XXXIX,63(1999).<br />

23 Für 2|C| 2 =1 in (6.102) and (6.103) stellt (6.104) den Zusammenhang zwischen den Quadrature-<br />

Component-Verteilungen p(˜x, ˜ϕ) unddenDichtematrixelementen〈x−x ′ , ϕ|ˆϱ|x+x ′ , ϕ〉 in der durch<br />

den Phasenwinkel ϕ festgelegten Quadrature-Component-Darstellung dar.


192 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG<br />

drücken. In Verallgemeinerung von (6.85) erhalten wir<br />

〈F −F ′ , ϕ|ˆϱ|F +F ′ , ϕ〉 = 1 ∫ {<br />

dy exp<br />

(−2i F ′ )<br />

2|C|<br />

|C| y [ ( )]}<br />

F<br />

F<br />

× W<br />

2|C| cos ϕ−y sin ϕ+i 2|C| sin ϕ+y cos ϕ .(6.105)<br />

Bei Kenntnis der Wigner-Funktion kann also jedes Dichtematrixelement<br />

mittels einer einfachen Fourier-Transformation aus dieser<br />

rekonstruiert werden. Andererseits erfordert die Rekonstruktion<br />

der Wigner-Funktion aus den gemessenen Verteilungen p(F, ϕ)eine<br />

dreifache Fourier-Integration (inverse Radon-Transformation),<br />

so daß sich insgesamt ein Vierfachintegral ergibt. Es liegt deshalb<br />

auf der Hand, daß es effektiver ist, die Dichtematrixelemente direkt<br />

aus den gemessenen Verteilungen zu rekonstruieren.<br />

• Die zur Rekonstruktion der Wigner-Funktion notwendige Dreifachintegration<br />

bringt die Tatsache zum Ausdruck, daß kein<br />

nichtsingulärer Integralkern existiert, dessen mit p(F, ϕ) gewichtetes<br />

Integral über F und ϕ gerade die Wigner-Funktion ergibt.<br />

Obwohl zur Rekonstruktion der Dichtematrixelemente in<br />

jeder beliebigen Feldstärkedarstellung nur eine Zweifachintegration<br />

notwendig ist, läßt sich diese nicht als Integral über F und<br />

ϕ mit nichtsingulärem Integralkern darstellen.<br />

• Es sei  eine Größe, für deren Erwartungswert 〈Â〉 ein nichtsingulärer<br />

Integralkern definiert werden kann, dessen mit p(F, ϕ)<br />

gewichtetes Integral über F und ϕ gerade 〈Â〉 liefert:<br />

〈Â〉 =<br />

∫ π<br />

0<br />

∫<br />

dϕ<br />

dF p(F, ϕ) K(A, F, ϕ) (6.106)<br />

In diesem Fall wird die experimentelle Rekonstruktion des Erwartungswerts<br />

〈Â〉 denkbar einfach, da er aus den experimentellen<br />

Daten mittels Samplingtechnik direktrekonstruiertwerden


6.2. QUANTENZUSTANDSREKONSTRUKTION 193<br />

kann. 24 Entsprechend (3.91) gilt<br />

ˆϱ = 1 ∫ {<br />

d 2 α Tr ˆϱ<br />

π<br />

ˆD(−α)<br />

} ∫<br />

1 ˆD(α) = d 2 α Φ(−α;0)ˆD(α).<br />

π<br />

(6.107)<br />

Wir verwenden den Zusammenhang zwischen den charakteristischen<br />

Funktionen Φ(α; s) undΨ(y, ϕ) vons-parametrisierter<br />

Phasenraumfunktionen und Feldstärkeverteilungen [siehe die<br />

Gleichungen (6.76) – (6.79)] und erhalten nach einer kurzen Rechnung<br />

∫ π ∫<br />

ˆϱ = |C|2 dϕ dy |y|Ψ(−y, ϕ)<br />

π<br />

ˆD(iyC ∗ ) (6.108)<br />

bzw.<br />

mit<br />

0<br />

ˆϱ =<br />

ˆK(F, ϕ) = |C|2<br />

π<br />

∫ π<br />

0<br />

∫<br />

∫<br />

dϕ<br />

dF p(F, ϕ) ˆK(F, ϕ) (6.109)<br />

{<br />

dy|y| exp iy[ ˆF<br />

}<br />

(ϕ) − F ] . (6.110)<br />

Somit läßt sich der Erwartungswert einer Größe  formal immer<br />

in der Gestalt (6.106) aufschreiben, wobei der Integralkern<br />

K(A, F, ϕ)=Tr [ ˆK(F, ϕ) Â ] (6.111)<br />

auch singulär werden kann, wie die Beispiele der Wigner-Funktion<br />

[Â=ˆδ(α−â)] und der Dichtematrix in einer Feldstärkedarstellung<br />

(Â = |F, ϕ〉〈F ′ , ϕ|) zeigen.<br />

6.2.4 Dichtematrix in der Fock-Basis<br />

Die Dichtematrixelemente in der Fock-Darstellung, 〈n|ˆϱ|m〉, können<br />

mittels Samplingtechnik aus den gemessenen Verteilungen p(F, ϕ) re-<br />

24 Samplingmethoden sind natürlich nicht nur bezüglich p(F, ϕ), sondern anderer meßbarer Verteilungen<br />

anwendbar.


194 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG<br />

konstruiert werden:<br />

〈m|ˆϱ|n〉 =<br />

∫ π<br />

0<br />

∫<br />

dϕ<br />

dF p(F, ϕ) K mn (F, ϕ) (6.112)<br />

Das heißt, im Falle  = |n〉〈m| liefert (6.111) für alle Werte von n und<br />

m gutartige“ Integralkerne (Samplingfunktionen) 25<br />

”<br />

K mn (F, ϕ) =〈m| ˆK(F, ϕ)|n〉 = |C|2<br />

π<br />

Unter Berücksichtigung der Beziehung<br />

∫<br />

{<br />

dy|y|〈m| exp iy[ ˆF<br />

}<br />

(ϕ) − F ] |n〉.<br />

(6.113)<br />

ˆF (ϕ) =e iˆnϕ ˆF (0)e<br />

−iˆnϕ<br />

(6.114)<br />

[siehe (2.217) und (2.218)] folgt aus (6.113), daß<br />

( ) F<br />

K mn (F, ϕ) =e i(m−n)ϕ f mn √<br />

2|C|<br />

(6.115)<br />

gilt, wobei die Funktionen f mn (x) offensichtlich in der Form<br />

f mn (x) = 1 ∫<br />

dy|y|〈m| exp{iy[ˆx − x]}|n〉 (6.116)<br />

2π<br />

[ˆx ≡ ˆx(0) = (â +â † )/ √ 2] geschrieben werden können. Aus (6.110) ist<br />

leicht ersichtlich, daß ˆK(F, ϕ + π) = ˆK(−F, ϕ) giltunddemzufolge<br />

auch K mn (F, ϕ + π)=K mn (−F, ϕ). Folglich muß f mn (x) derSymmetriebedingung<br />

f mn (−x) =(−1) m−n f mn (x) (6.117)<br />

genügen.<br />

25 Beachte, daß die Integralkerne i. allg. nicht eindeutig bestimmt sind.


6.2. QUANTENZUSTANDSREKONSTRUKTION 195<br />

Wir wollen die Gleichung (6.116) hier nicht weiter auswerten, sondern<br />

die Funktionen f mn (x)e i(m−n)ϕ auf einem etwas anderem Wege bestimmen.<br />

Dazu erinnern wir daran, daß sie die Integralkerne darstellen,<br />

um gemäß (6.112) die Umkehrtransformation von<br />

p(x, ϕ) =〈x, ϕ|ˆϱ|x, ϕ〉 = ∑ m,n〈x, ϕ|m〉〈x, ϕ|n〉 ∗ 〈m|ˆϱ|n〉 (6.118)<br />

zu realisieren und damit die Dichtematrixelemente ϱ mn = 〈m|ˆϱ|n〉 aus<br />

p(x, ϕ) zubestimmen.Mit<br />

[siehe (2.223)] lautet (6.118)<br />

〈x, ϕ|m〉 = e −imϕ 〈x|m〉 (6.119)<br />

p(x, ϕ) = ∑ m,n<br />

g mn (x)e −i(m−n)ϕ ϱ mn , (6.120)<br />

g mn (x) =ψ m (x)ψ n (x), (6.121)<br />

wobei die Funktionen ψ m (x) =〈x|m〉 als Energieeigenfunktionen des<br />

harmonischen Oszillators (in skalierter Ortsdarstellung) die regulären<br />

(d.h. normierbaren) Lösungen der Differentialgleichung<br />

[<br />

1<br />

2<br />

d 2<br />

dx 2 + ( m + 1 2 − 1 2 x2)] φ m (x) =0 (6.122)<br />

sind [siehe die Gleichungen (2.214) und (2.216)]. Neben den regulären<br />

Lösungen φ m (x)=ψ m (x)besitztdieGleichung(6.122)bekanntlichnoch<br />

irreguläre Lösungen φ m (x)=ϕ m (x), die als nicht normierbare Lösungen<br />

bei der Behandlung des Energieeigenwertproblems des harmonischen<br />

Oszillators ausgeschlossen werden müssen. Es kann nun gezeigt<br />

werden, daß sich die gesuchten Funktionen f mn (x) aufdieregulären<br />

und irregulären Lösungen ψ m (x) undϕ n (x) derDifferentialgleichung<br />

(6.122) zurückführen lassen: 26<br />

f mn (x) = d<br />

dx [ψ m(x)ϕ n (x)] (6.123)<br />

26 Th. Richter, Phys. Lett. A 211, 327(1996).


196 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG<br />

Die irregulären Wellenfunktionen ϕ k (x) sinddabeisozuwählen, daß<br />

W k (x) =ψ k (x)ϕ ′ k(x) − ψ k(x)ϕ ′ k (x) =2/π (6.124)<br />

gilt (Strich bedeutet Ableitung nach x). 27<br />

0.6<br />

(4,4)<br />

0.75<br />

(1,4)<br />

0.4<br />

0.5<br />

0.2<br />

0.25<br />

0<br />

0<br />

-0.2<br />

-0.25<br />

-0.4<br />

-0.5<br />

-0.6<br />

-4 -2 0 2 4<br />

q<br />

-0.75<br />

-4 -2 0 2 4<br />

Zwei typische Beispiele für f mn (x) (durchgezogeneLinien)undg mn (x) (unterbrochene<br />

Linien). 28 (q in der Abbildung entspricht x im Text).<br />

q<br />

Zum Beweis der Gleichung (6.123) [zusammen mit (6.124)] bemerken<br />

wir zunächst, daß Multiplikation der Gleichung (6.120) mit<br />

f kl (x)e i(k−l)ϕ und Integration über ϕ und x [unter Beachtung der Symmetriebeziehung<br />

(6.117)]<br />

∫ π<br />

0<br />

mit<br />

∫<br />

dϕ<br />

dxp(x, ϕ)f kl (x)e i(k−l)ϕ = ∑ m,n<br />

[ ∫<br />

π<br />

]<br />

dx ψ m (x)ψ n (x)f kl (x) ϱ mn<br />

(6.125)<br />

m − n = k − l (6.126)<br />

liefert. Damit die rechte Seite von (6.125) ϱ kl ergibt, muß also<br />

∫<br />

π dx ψ m (x)ψ n (x)f kl (x) =δ mk δ nl (6.127)<br />

27 Mit Hilfe der zeitfreien Schrödinger-Gleichung (6.122) ist unschwer zu sehen, daß die Ableitung<br />

der Wronski-Determinante zweier Lösungen ψ k (x) undϕ k (x) dieserGleichungverschwindet,<br />

W ′ k (x)=0, woraus W k(x)=const. folgt. Ist die Konstante ungleich Null, müssen ψ k (x) undϕ k (x)<br />

linear unabhängige Lösungen sein. Das heißt, wenn ψ k (x) dienormierbareLösung ist, muß ϕ k (x)<br />

eine nichtnormierbare Lösung sein.<br />

28 U. Leonhardt, M. Munroe, T. Kiss, Th. Richter, M.G. Raymer, Opt. Commun. 127, 144(1996).


6.2. QUANTENZUSTANDSREKONSTRUKTION 197<br />

gelten. Diese Orthogonalitätsrelation kann in ähnlicher Weise bewiesen<br />

werden wie die Orthogonalität der Eigenfunktionen hermitescher Operatoren.<br />

Wir verzichten an dieser Stelle auf den allgemeinen Beweis und<br />

betrachten nur den Diagonal“-Fall<br />

”<br />

∫<br />

∫<br />

G mn = π dx ψ m (x)ψ n (x)f mn (x) =π dx ψ m (x)ψ n (x)[ψ m (x)ϕ n (x)] ′ .<br />

Wir finden<br />

∫<br />

G mn = π<br />

∫<br />

= π<br />

d.h.<br />

= −π<br />

dx ψ m (x)ψ n (x)[ψ ′ m(x)ϕ n (x)+ψ m (x)ϕ ′ n(x)]<br />

{<br />

dx ψ m (x)ϕ n (x)[ψ m (x)ψ n (x)] ′<br />

(6.128)<br />

}<br />

+ ψm(x)[ψ 2 n (x)ϕ ′ n(x) − ψ n(x)ϕ ′ n (x)]<br />

} {{ }<br />

W n<br />

∫<br />

dx ψ m (x)ψ n (x)[ψ m (x)ϕ n (x)] ′ + πW n , (6.129)<br />

2G mn = πW n , (6.130)<br />

woraus G mn =1 für W n =2/π folgt.<br />

Die folgende Abbildung 29 zeigt die mittels Samplingtechnik rekonstruierte<br />

Photonenzahlverteilung eines gequetschten Vakuums. Das Experiment<br />

stellt die erste experimentelle Aufzeichnung der Photonenverteilung<br />

eines gequetschten Vakuums dar.<br />

Die Dichtematrix in der Fock-Darstellung kann natürlich auch aus<br />

den Verteilungen p n (α) kohärent verschobener Fock-Zustände rekonstruiert<br />

werden. Wie bereits mehrfach betont, legt p n (α) alsFunktion<br />

von α für jedes n den Quantenzustand bereits fest. Um aus einer solchen<br />

Phasenraumfunktion die Dichtematrix in der Fock-Darstellung zu erhalten,<br />

muß diese (mehrfach) differenziert werden – ein Verfahren, das<br />

für meßtechnische Zwecke wegen der zu großen Ungenauigkeiten als<br />

wenig geeignet erscheint. Betrachten wir beispielsweise die Q-Funktion<br />

29 S. Schiller, G. Breitenbach, S.F. Pereira, T. Müller, J. Mlynek, Phys. Rev. Lett. 77, 2933(1996).


198 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG<br />

Mittels Samplingtechnik aus den Feldstärkeverteilungen rekonstruierte Photonenzahlverteilung<br />

eines gequetschten Vakuums und zum Vergleich in der<br />

Einfügung die des des Vakuums (die experimentellen Werte sind die Punkte).<br />

π −1 p 0 (α), für die unter Berücksichtigung von (2.76)<br />

Q(α) = π −1 〈α|ˆϱ|α〉<br />

〈α|m〉〈n|α〉ϱ mn<br />

= π −1 ∑ mn<br />

= e −|α|2 ∑ mn<br />

α ∗m α n<br />

√<br />

m!n!<br />

ϱ mn (6.131)<br />

geschrieben werden kann. Aus (6.131) ist sofort ersichtlich, daß bei<br />

bekanntem Q(α) diegesuchtenDichtematrixelementeϱ mn wie folgt ermittelt<br />

werden können:<br />

ϱ mn =<br />

π √<br />

m!n!<br />

∂ m+n<br />

Q(α)<br />

∂α ∗m ∂α n e|α|2 ∣ (6.132)<br />

α=0


6.2. QUANTENZUSTANDSREKONSTRUKTION 199<br />

Werden die Funktionen p n (α) für alle n gemessen, kann die Dichtemetrix<br />

mittels Samplingtechnik unmittelbar bestimmt werden. Zu<br />

diesem Zweck erinnern wir an die Gleichung<br />

∫<br />

ˆϱ = π d 2 α P (α; s)ˆδ(α−â; −s) (6.133)<br />

[siehe (3.69) und (3.72)], woraus<br />

∫<br />

ϱ mn = π d 2 α P (α; s)〈m|ˆδ(α−â; −s)|n〉 (6.134)<br />

folgt. Wir setzen hier P (α; s) aus(6.69)einunderhalten<br />

ϱ mn = ∑ k<br />

∫<br />

d 2 α K k mn(α) p k (α) (6.135)<br />

mit<br />

K k mn (α) = 2<br />

1 − s<br />

( ) k s +1<br />

〈m|ˆδ(α−â; −s)|n〉. (6.136)<br />

s − 1<br />

Man kann zeigen, 30 daß für −1


200 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG<br />

(α = |α|e iϕ ). Für festes |α| fassen wir p n (α)=p n (|α|e iϕ )alsFunktion<br />

von ϕ auf und bilden die Fourierkomponenten<br />

p k n(|α|) = 1 ∫<br />

dϕ p n (α)e ikϕ (6.139)<br />

2π<br />

[k =0, 1, 2,..., p −k<br />

n (|α|)=p k n ∗ (|α|)]. Damit folgt aus (6.137):<br />

2π<br />

p k n (|α|) =∑ m<br />

G m+km<br />

n (|α|)ϱ m+km (6.140)<br />

Die Fourier-Komponenten p k n(|α|) sindalsodurchdieDichtematrixelemente<br />

bestimmt, deren Zeilen- und Spaltenindizes sich jeweils gerade<br />

um k unterscheiden. Damit reduziert sich das Problem der Bestimmung<br />

der Dichtematrixelemente aus den gemessenen Verteilungen auf<br />

die Lösung des Gleichungssystems (6.140), d.h., die Bestimmung der<br />

Dichtematrixelemente ϱ m+km aus den Fourier-Komponenten p k n (|α|)für<br />

festes k (und variables m und n).<br />

0.4<br />

|ϱ| !!""""<br />

0.3<br />

0.2<br />

0.1<br />

0<br />

0<br />

1<br />

n<br />

2<br />

3<br />

0<br />

1<br />

m<br />

2<br />

3<br />

Eine analytische Lösung des Gleichungssystems (6.140) ist nicht<br />

bekannt. Die in der Literatur verwendeten Lösungen (6.140) sind ausschließlich<br />

auf numerischem Wege gefunden worden. Für jeden physikalischen<br />

Quantenzustand müssen die Dichtematrixelemente ϱ lm für


6.2. QUANTENZUSTANDSREKONSTRUKTION 201<br />

hinreichend großes l und/oder m verschwindend klein werden. Mit anderen<br />

Worten, für jede geforderte Genauigkeit kann ein n max gefunden<br />

werden, so daß ϱ lm =0 gesetzt werden kann, wenn l und/oder m größer<br />

als n max ist. Das heißt, im Rahmen der geforderten Genauigkeit kann<br />

die Summe in (6.140) auf die Glieder mit m≤n max −k beschränkt werden,<br />

und das Gleichungssystem kann (unter Berücksichtigung endlich<br />

vieler Meßwerte) numerisch ausgewertet werden. Die Abbildung 31 zeigt<br />

als Beispiel die auf diese Weise (für |α|=0.79) rekonstruierte Dichtematrix<br />

des Zustands |Ψ〉 =1/ √ 2(|0〉−i|2〉) (derSchwerpunktsbewegung<br />

eines Fallenions).<br />

6.2.5 Quantenphase<br />

Während Photonenzahlen prinzipiell mitPhotodetektorendirektgemessen<br />

werden können (und nur die technische ”<br />

Unvollkommenheit“<br />

der verfügbaren Detektoren für die unter Umständen hohe Meßungenauigkeit<br />

verantwortlich ist), ist bis heute kein direktes Phasenmeßverfahren<br />

bekannt (zur Definition von Phasenzuständen siehe Abschnitt<br />

2.5). Ist aus experimentellenDatenderQuantenzustandineiner<br />

bestimmten Darstellung bekannt, kann natürlich die Phasenstatistik<br />

durch Berechnen bestimmt werden – ein in der Regel sehr indirektes<br />

und umständliches Verfahren. Es stellt sich die Frage, ob es möglich ist,<br />

aus den gemessenen Daten mittels Samplingtechnik die Phasenstatistik<br />

möglichst direkt zu bestimmen. Die Antwort, die bisher gegeben wurde,<br />

ist, daß sich die exponentiellen Phasenmomente im Rahmen von balancierten<br />

Homodyne-Messungen auf der Grundlage der Samplingformel<br />

(6.106) direkt ermitteln lassen. 32<br />

Wir beginnen mit dem Grenzfall der klassischen Optik. Es<br />

sei W (q, p) dieklassischeWahrscheinlichkeitsdichteimPhasenraum.<br />

Führen wir ebene Polarkoordinaten ein,<br />

q = r cos φ, (6.141)<br />

p = r sin φ, (6.142)<br />

31 D. Leibfried, D.M. Meekhof, B.E. King, C. Monroe, W.M. Itano, D.J. Wineland, Phys. Rev.<br />

Lett. 77, 4281(1996).<br />

32 M. Dakna, T. Opatrný, D.-G. Welsch, Opt. Commun. 148, 355(1998).


202 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG<br />

so können wir<br />

W (q, p)dqdp = P (r, φ)drdφ (6.143)<br />

schreiben, wobei für die Wahrscheinlichkeitsdichte P (r, φ)<br />

P (r, φ) =rW(r cos φ,rsin φ) (6.144)<br />

gilt. Die Wahrscheinlichkeitsdichte für die Phase φ kann dann als Marginalverteilung<br />

von P (r, φ) angesehenwerden,<br />

P (φ) =<br />

∫ ∞<br />

Gemäß (2.245) sowie (6.141) und (6.142) gilt<br />

0<br />

drP(r, φ) (6.145)<br />

x(ϕ) =q cos ϕ + p sin ϕ = r cos(φ − ϕ), (6.146)<br />

so daß die Wahrscheinlichkeitsdichte p(x, ϕ) inderForm<br />

∫ ∫ ∞<br />

p(x, ϕ) = dφ drP(r, φ) δ[x−r cos(φ−ϕ)] (6.147)<br />

2π<br />

0<br />

geschrieben werden kann. Wie man sich leicht überzeugen kann, stellt<br />

die Gleichung (6.147) nichts anderes als die Radon-Transformation in<br />

(6.88) dar. 33 Wie im Abschnitt 6.2.2 ausgeführt wurde, kann die Gleichung<br />

(6.147) nicht in der Form (6.106) mit regulärem Integralkern<br />

invertiert werden, und damit kann natürlich auch die Phasenverteilung<br />

P (φ) alsMarginalverteilungvonP (r, φ) nichtunmittelbarausdengemessenen<br />

Homodyne-Daten ermittelt werden.<br />

Betrachten wir die exponentiellen Phasenmomente<br />

∫<br />

Ψ k = dφ e ikφ P (φ), (6.148)<br />

2π<br />

d.h. der Fourier-Komponenten von P (φ). Mit (6.145) lautet (6.148)<br />

∫ ∫ ∞<br />

Ψ k = dφ dre ikφ P (r, φ) (6.149)<br />

2π<br />

0<br />

33 Die Phasenraumfunktion W (q, p)inderklassischenTheorieentsprichtoffensichtlich der Wigner-<br />

Funktion in der Quantentheorie.


6.2. QUANTENZUSTANDSREKONSTRUKTION 203<br />

(k ≥ 0, Ψ −k = Ψ ∗ k ). Wir wollen annehmen, daß Ψ k (für k>0) gemäß<br />

(6.106) aus p(x, ϕ) bestimmtwerdenkann: 34<br />

∫<br />

Ψ k =<br />

2π<br />

∫<br />

dϕ<br />

K k (x, ϕ) =<br />

dxK k (x, ϕ)p(x, ϕ), (6.150)<br />

∞∑<br />

l=−∞<br />

e ilϕ K kl (x). (6.151)<br />

Wir setzen in (6.150) für p(x, ϕ) denAusdruckaus(6.147)einund<br />

erhalten<br />

∫ ∫ ∫ ∫ ∞<br />

Ψ k = dϕ dx dφ drK k (x, ϕ)δ[x−r cos(φ−ϕ)] P (r, φ).<br />

2π<br />

2π 0<br />

(6.152)<br />

Wenn φ in P (r, φ)durchφ+φ 0 ersetzt wird, P (r, φ)→P (r, φ+φ 0 ), geht<br />

gemäß (6.149) Ψ k in e −ikΦ 0<br />

Ψ k über. Im Hinblick auf (6.152) bedeutet<br />

dies K kl (x)=δ kl K k (x), d.h.<br />

K k (x, ϕ) =e ikϕ K k (x). (6.153)<br />

Wir vergleichen (6.152) [zusammen mit (6.153)] mit (6.149) und sehen,<br />

daß die Funktionen K k (x) dieIntegralgleichung<br />

∫<br />

2π<br />

dφ e ikφ K k (r cos φ) =1 (6.154)<br />

für beliebiges r lösen.<br />

Durch Einsetzen kann man sich unschwer davon überzeugen, daß<br />

für k =1, 3, 5,...und<br />

K k (x) = 1 k−1<br />

(−1) 2<br />

4 k sign x (6.155)<br />

K k (x) =(2π) −1 (−1) k+2<br />

2 k ln |x| (6.156)<br />

34 Beachte, daß es bereits ausreicht, die ϕ-Integration über ein π-Intervall zu erstrecken.


204 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG<br />

für k =2, 4, 6,... Lösung der Integralgleichung (6.154) ist. 35 Während<br />

die Integralkerne für ungerades k immer existieren, divergieren sie (logarithmisch)<br />

für ungerades k an der Stelle x =0. Die Divergenz ist<br />

unerheblich, wenn die Mode im Sinne der klassischen Optik hinreichend<br />

stark angeregt ist, so daß p(x, ϕ) für x → 0hinreichendschnell<br />

verschwindet und folglich p(x) ≈ 0inderUmgebungvonx =0 gesetzt<br />

werden darf. Dies ist in der <strong>Quantenoptik</strong> i. allg. nicht der Fall. Die geraden<br />

Fourier-Komponenten der radial integrierten Wigner-Funktion<br />

(6.145) lassen sich also (ebenso wie die Wigner-Funktion selbst) nicht<br />

in der Form (6.106) mit regulären Integralkernen darstellen.<br />

Bekanntlich kann die Wigner-Funktion in der <strong>Quantenoptik</strong> i. allg.<br />

nicht als Wahrscheinlichkeitsdichte und insbesondere die radial integrierte<br />

Wigner-Funktion nicht als Wahrscheinlichkeitsdichte für die<br />

(kanonische) Phase angesehen werden. Die Integralkerne (6.155) und<br />

(6.156) stellen also nur asymptotisch für großes |x| die Integralkerne<br />

für die exponentiellen Phasenmomente dar. Quantemechanisch ist die<br />

(kanonische) Phasenverteilung P (φ) als<br />

definiert, wobei die Phasenzustände<br />

P (φ) =〈φ|ˆϱ|φ〉 (6.157)<br />

|φ〉 =(2π) −1/2 ∑ n<br />

e inφ |n〉 (6.158)<br />

[siehe (2.281)] der Eigenwertgleichung<br />

ˆV |φ〉 = e iφ |φ〉 (6.159)<br />

[siehe (2.272)] mit<br />

|n〉〈n +1| (6.160)<br />

ˆV = ∑ n<br />

[siehe (2.263)] gilt. Mit (6.157) – (6.160) nimmt (6.148) die Gestalt<br />

Ψ k =Tr (ˆϱ ˆV k) = ∑ n<br />

ϱ n+kn (6.161)<br />

35 Da die Integralkerne in einer Gleichung vom Typ (6.106) nicht eindeutig definiert sind, gibt<br />

es neben (6.155) und (6.156) noch weitere Lösungen der Integralgleichung (6.154). Die Lösungen<br />

(6.155) und (6.156) stellen die einfachsten und für praktische Messungen optimalsten Lösungen dar.


6.2. QUANTENZUSTANDSREKONSTRUKTION 205<br />

an. Wir wollen wieder annehmen, daß sich die Ψ k in der Form (6.150)<br />

[zusammen mit (6.151)] darstellen lassen. Ersetzen wir p(x, ϕ) in<br />

(6.150) gemäß (6.120) und (6.121) durch<br />

p(x, ϕ) = ∑ m,n<br />

ψ m (x)ψ n (x)e −i(m−n)ϕ ϱ mn , (6.162)<br />

so liefert der Vergleich mit (6.161)<br />

∫<br />

2π<br />

dxK k (x)ψ n+k (x)ψ n (x) =1 (6.163)<br />

(n =0, 1, 2,...). Die Funktionen K k (x) müssen also für beliebiges n die<br />

Integralgleichung (6.163) erfüllen, die im quantenmechanischen Fall an<br />

die Stelle der Integralgleichung (6.154) der klassischen Theorie tritt.<br />

Die Funktionen K k (x) können auf unterschiedlichem Wege konstruiert<br />

und numerisch berechnet werden. Aus den in der Abbildung gezeigten<br />

K (x)<br />

k<br />

K (x)<br />

k<br />

x<br />

x<br />

Beispielen ist ersichtlich, daß sie nur in unmittelbarer Umgebung des<br />

Vakuums (d.h. x =0) von den Resultaten (6.155) und (6.156) für den<br />

klassischen Grenzfall abweichen. Dieses Ergebnis ist in voller Übereinstimmung<br />

mit der Tatsache, daß das klassische Phasenkonzept versagt,<br />

wenn das Vakuum zum Zustand substantiell beiträgt.<br />

Bemerkenswert ist, daß die Berücksichtigung des Vakuums die Divergenz<br />

bei x =0in(6.156)aufhebt.MitanderenWorten,dieexponentiellen<br />

Phasenmomente lassen sich in der Form (6.150) mit regulären


206 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG<br />

Integralkernen darstellen und können somit mittels Samplingtechnik<br />

aus den gemessenen Homodyne-Daten direkt ermittelt werden. Hervorzuheben<br />

ist, daß das Verfahren vom klassischen Grenzfall bis hin<br />

zum nichtklassischen Quantenfall in einheitlicher Weise anwendbar ist,<br />

d.h. nicht zwischen klassischer Theorie und Quantentheorie unterschieden<br />

werden muß. Die folgende Abbildung 36 zeigt die mittels Samplingtechnik<br />

aus den Feldstärkeverteilungen rekonstruierten exponentiellen<br />

Phasenmomente eines phasengequetschten Zustands [(a) Realteile, (b)<br />

Imaginärteile]. Sind die exponentiellen Phasenmomente bekannt, kann<br />

in einfacher Weise die Phasenverteilung rekonstruiert werden:<br />

P (φ) =(2π) −1<br />

∞<br />

∑<br />

k=−∞<br />

e −ikφ Ψ k . (6.164)<br />

Die letzte Abbildung 37 zeigt die aus 20 exponentiellen Phasenmomenten<br />

(der vorherherigen Abbildung) rekonstruierte Phasenverteilung eines<br />

phasengequetschten Zustands (ϕ in der Abbildung entspricht φ im<br />

Text.)<br />

36 M. Dakna, G. Breitenbach, J. Mlynek, T. Opatrný, S. Schiller, D.-G. Welsch, Opt. Commun.<br />

152, 289(1998).<br />

37 M. Dakna, G. Breitenbach, J. Mlynek, T. Opatrný, S. Schiller, D.-G. Welsch, Opt. Commun.<br />

152, 289(1998).


6.2. QUANTENZUSTANDSREKONSTRUKTION 207


208 KAPITEL 6. QUANTENZUSTANDSMESSUNG


Kapitel 7<br />

Quantenkohärenz<br />

Hat die Schrödinger-Gleichung mehrere Lösungen – etwa |Ψ 1 〉 und |Ψ 2 〉,<br />

so stellt die Linearkombination (kohärente Überlagerung)<br />

|Ψ〉 = c 1 |Ψ 1 〉 + c 2 |Ψ 2 〉 (7.1)<br />

offensichtlich auch einen möglichen Zustand dar. Diese als Superpositionsprinzip<br />

bekannte Tatsache folgt aus der Linearität der Schrödinger-Gleichung.<br />

Das Superpositionsprinzip ist eines der grundlegenden<br />

Prinzipien der Quantenmechanik und wird in der Regel ohne große<br />

Diskussion akzeptiert. Bei genauerem Hinsehen sind damit eine ganze<br />

Reihe von Effekten verbunden, die höchst seltsam anmuten.<br />

Beschreiben |Ψ 1 〉 und |Ψ 2 〉 etwa Zustände, bei denen sich ein Teilchen<br />

an zwei verschiedenen Orten aufhält, so entspricht eine Linearkombination<br />

von |Ψ 1 〉 und |Ψ 2 〉 einem Zustand, bei dem sich das Teilchen an<br />

beiden Orten gewissermaßen gleichzeitig aufhalten kann. Analog kann<br />

man einen Zustand konstruieren, bei dem ein radioaktives Atom zur<br />

gleichen Zeit existiert und bereits zerfallen ist. Der Effekt mutet noch<br />

seltsamer an, wenn makroskopische Objekte betrachtet werden. Das bekannteste<br />

Beispiel stammt von Schrödinger selbst: Wird das quantenmechanische<br />

Einteilchensystem mit einem Mechanismus identifiziert,<br />

der eine Katze tötet, so ist die Katze gleichzeitig lebendig und tot.<br />

209


210 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

7.1 Verschränkte Zustände<br />

Zu verschränkten Zuständen (Entangled States)gelangenwir,wennwir<br />

das Superpositionsprinzip auf ein System anwenden, das im einfachsten<br />

Fall aus zwei wohl unterscheidbaren Teilsystemen besteht. Der Zustand<br />

|Ψ 12 〉 des Gesamtsystems ist unverschränkt, wenn er sich als Produktzustand<br />

gemäß<br />

|Ψ 12 〉 = |Ψ 1 〉⊗|Φ 2 〉 (7.2)<br />

darstellen läßt, wobei |Ψ 1 〉 den Zustand des Systems 1 und |Φ 2 〉 den<br />

Zustand des Systems 2 angibt. Die Zustände |Ψ 1 〉 und |Φ 2 〉 können<br />

beliebige Linearkombinationen von möglichen Zuständen |ψ i 1 〉 und |ϕj 2 〉<br />

des jeweiligen Systems sein,<br />

|Ψ 1 〉 = ∑ i<br />

a i |ψ1 i 〉, (7.3)<br />

|Φ 2 〉 = ∑ j<br />

b j |ϕ j 2 〉, (7.4)<br />

so daß für den Zustand |Ψ 12 〉 in (7.2)<br />

|Ψ 12 〉 = ∑ i,j<br />

a i b j |ψ i 1 〉⊗|ϕj 2 〉 (7.5)<br />

folgt. Der Zustand des Gesamtsystems heißt verschränkt, wenn er sich<br />

nicht als Produktzustand (7.2) darstellen läßt,<br />

so daß an die Stelle von (7.5)<br />

|Ψ 12 〉 ≠ |Ψ 1 〉⊗|Φ 2 〉, (7.6)<br />

|Ψ 12 〉 = ∑ i,j<br />

c ij |ψ i 1 〉⊗|ϕj 2 〉 (7.7)<br />

mit<br />

c ij ≠ a i b j (7.8)<br />

tritt. Auf beliebige (gemischte) Zustände ˆϱ 12 des Gesamtsystems<br />

verallgemeinert, lautet die Definition derquantenmechanischenVerschränkung<br />

wie folgt. Ein Zustand ˆϱ 12 ist verschränkt, wenn er sich


7.1. VERSCHRÄNKTE ZUSTÄNDE 211<br />

nicht in der Form<br />

ˆϱ 12 = ∑ i,j<br />

p ij ˆϱ i 1 ⊗ ˆϱj 2 (7.9)<br />

mit<br />

∑<br />

p ij =1, p ij ≥ 0 (7.10)<br />

i,j<br />

darstellen läßt, wobei ˆϱ i 1 und ˆϱ j 2 Zustände der beiden Teilsysteme sind.<br />

Zustände der Gestalt (7.9) werden auch als separabel bezeichnet. Die<br />

Summe in der Gleichung (7.9) bringt bekanntlich zum Ausdruck, daß<br />

nur mit einer gewissen (klassischen) Wahrscheinlichkeit p ij gesagt werden<br />

kann, daß das System 1 im Zustand ˆϱ i 1 und das System 2 im Zustand<br />

ˆϱ j 2 vorliegt.<br />

Die Zustände ˆϱ i 1 und ˆϱ j 2 in der Gleichung (7.9) können o.B.d.A. als<br />

reine Zustände angesehen werden, d.h. (ˆϱ i 1) 2 =ˆϱ i 1 und (ˆϱ j 2 )2 =ˆϱ j 2 ,daˆϱi 1<br />

und ˆϱ j 2 nach ihren Eigenzuständen entwickelt werden können. Beispiele<br />

für verschränkte Zustände sind uns bereits im Abschnitt 5.5 begegnet.<br />

Werden zwei in einem reinen (nicht notwendigerweise verschränkten)<br />

Zustand präparierte Moden an einem Strahlteiler gemischt, so wird i.<br />

allg. ein verschränkter Zustand erzeugt. Eine Ausnahme bilden offensichtlich<br />

Glauber-Zustände, die wieder in Glauber-Zustände übergehen<br />

(erstes Beispiel im Abschnitt 5.5).<br />

Wie kann nun der Grad der quantenmechanischen Verschränkung<br />

eines gegebenen Zustands ˆϱ 12 quantifiziert werden? Die quantenmechanische<br />

Verschränkung eines Zustands kann als Ausdruck dessen angesehen<br />

werden, daß die beiden Teilsysteme nichtklassisch korreliert sind,<br />

d.h. ihre Korrelation klassisch-stochastisch nicht modellierbar ist. Ein<br />

globales Maß für die Korrelation zweier Systeme stellt die gegenseitige<br />

(von-Neumann-)Entropie<br />

dar, wobei<br />

S C = S 1 + S 2 − S 12 (7.11)<br />

S 12 = −Tr ( ˆϱ 12 log ˆϱ 12 ) (7.12)<br />

die Entropie des Gesamtsystems (d.h. die in diesem System insgesamt<br />

enthaltene Information 1 )undS 1 und S 2 die Entropien der beiden Teil-<br />

1 In der Informationstheorie wird üblicherweise der Logarithmus zur Basis 2 betrachtet.


212 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

systeme sind (d.h. die im jeweils betrachteten Teilsystem enthaltene<br />

Information). Der jeweilige Dichteoperator folgt aus ˆϱ 12 durch Spurbildung<br />

bezüglich des jeweils anderen Systems. So lautet beispielsweise<br />

S 1<br />

S 1 = −Tr ( ˆϱ 1 log ˆϱ 1 ), ˆϱ 1 =Tr 2 ˆϱ 12 (7.13)<br />

(die Spurbildung bezüglich des zweiten Systems ist durch die Schreibweise<br />

Tr 2 angezeigt). Die Entropien S 1 , S 2 und S 12 genügen den Araki-<br />

Lieb-Ungleichungen 2 |S 1 − S 2 | ≤ S 12 ≤ S 1 + S 2 . (7.14)<br />

Sind die beiden Systeme unkorreliert, ist S C =0, da in diesem Fall<br />

offensichtlich S 12 = S 1 + S 2 gilt. Maximale Korrelation S C = S 1 + S 2<br />

liegt für S 12 =0 vor, d.h. für verschwindenden Informationsinhalt des<br />

Gesamtsystems. Jedoch ist aus S C i. allg. nicht zu entnehmen, ob und<br />

inwieweit die beiden Systeme nichtklassisch korreliert sind.<br />

Wir wollen zunächst annehmen, daß es sich bei den beiden Systemen<br />

um klassisch-stochastische Systeme mit den als diskret angenommenen<br />

Variablen α 1 und α 2 handelt und p α1 α 2<br />

die Verbundwahrscheinlichkeit<br />

für das Gesamtsystem ist. 3 Der Informationsgehalt beispielsweise des<br />

ersten Teilsystems ist dann 4<br />

S 1 = − ∑ α 1<br />

p α1 log p α1 , (7.15)<br />

wobei<br />

p α1 = ∑ α 2<br />

p α1 ,α 2<br />

(7.16)<br />

gilt. Damit wird aus (7.15)<br />

S 1 = − ∑ α 1<br />

∑<br />

p α1 ,α ′ 2<br />

)<br />

. (7.17)<br />

α 2<br />

p α1 ,α 2<br />

log( ∑<br />

α ′ 2<br />

2 H. Araki, E. Lieb, Commun. Math. Phys. 18, 160(1970).<br />

3 Mit α ist ein i. allg. mehrdimensionaler Variablenraum gemeint. Im Falle von Strahlungsfeldmoden<br />

ist α mit Zellen im Phasenraum der komplexen Amplituden zu identifizieren.<br />

4 Quantenmechanisch entspricht die Größe in (7.15) der Wehrl-Entropie, wenn (im kontinuierlichen<br />

Grenzfall) p mit der Q-Funktion identifiziert wird.


7.1. VERSCHRÄNKTE ZUSTÄNDE 213<br />

Offensichtlich gilt<br />

log<br />

p α1 ,α ′ 2<br />

)<br />

≥ log p α1 ,β 2<br />

(7.18)<br />

( ∑<br />

α ′ 2<br />

für beliebiges β 2 . Speziell für β 2 =α 2 läßt sich somit S 1 in (7.17) gemäß<br />

S 1 ≤− ∑ ∑<br />

p α1 ,α 2<br />

log p α1 ,α 2<br />

= S 12 (7.19)<br />

α 1 α 2<br />

abschätzen, so daß<br />

S 12 − S 1 = S 2|1 ≥ 0 (7.20)<br />

(und analog S 12 − S 2 = S 1|2 ≥ 0) gilt. Das heißt, für beliebige klassische<br />

Systeme können die bedingten Entropien S 2|1 und S 1|2 nicht negativ<br />

werden.<br />

Benutzen wir S C in (7.11) als Korrelationsmaß, so bedeutet S C ≥ 0,<br />

daß die Ungleichungen<br />

S 2 ≥ S 12 − S 1 (7.21)<br />

und<br />

S 1 ≥ S 12 − S 2 (7.22)<br />

simultan erfüllt sind. Das System ist also korreliert (S C > 0), und die<br />

Korrelation besitzt ein klassisch-stochastisches Analogon, falls (7.21)<br />

und (7.22) zu<br />

S 2 >S 12 − S 1 ≥ 0 (7.23)<br />

und<br />

erweitert werden können. Wenn andererseits<br />

S 1 >S 12 − S 2 ≥ 0 (7.24)<br />

S 12 − min (S 1 ,S 2 ) < 0 (7.25)<br />

gilt, ist eine klassisch-stochastische Modellierung der Korrelation nicht<br />

möglich, d.h., die Korrelation ist in jedem Fall nichtklassisch dominiert.<br />

5<br />

5 Ein schwächeres Kriterium, das bereits auf nichtklassisches Korrelationsverhalten schließen läßt,<br />

ist offensichtlich S 12 − max (S 1 ,S 2 ) < 0.


214 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

Befindet sich das Gesamtsystem in einem reinen Zustand |Ψ 12 〉,so<br />

gilt S 12 =0,und die ersteder Ungleichungen(7.14)liefertS 1 =S 2 ,d.h.,<br />

die Entropien der beiden Teilsysteme sind gleich. Läßt sich ferner |Ψ 12 〉<br />

nicht als direktes Produkt der Form (7.2) darstellen (S C > 0), so ist<br />

offensichtlich S 1 = S 2 > 0, und die Ungleichung (7.25) ist immer erfüllt.<br />

Im Falle eines reinen Zustand wird<br />

E = S 1 = S 2<br />

(7.26)<br />

üblicherweise als Verschränkungsmaß angesehen. Es ist die Information,<br />

die in einem Teilsystem enthalten ist und durch Messung an dem<br />

anderen Teilsystem gewonnen werden kann. 6<br />

Wenn kein reiner Zustand vorliegt und die Ungleichung (7.25) erfüllt<br />

ist, kann i. allg. nur geschlossen werden, daß der Zustand mit Sicherheit<br />

verschränkt ist, wobei die Frage nach dem tatsächlichen Anteil der<br />

nichtklassischen Korrelation in diesem Zustand noch offen ist und nur<br />

beantwortet werden kann, wenn das Verschränkungsmaß E = E(ˆϱ 12 )<br />

tatsächlich sämtliche klassische Korrelation ausschließt. Dazu gibt es<br />

eine Reihe von Vorschlägen, insbesondere auch die Bedingungen betreffend,<br />

die jedes Verschränkungsmaß erfüllen sollte. Solche Bedingungen<br />

sind: 7<br />

(1) E(ˆϱ 12 )=0 für Zustände der Form (7.9) [zusammen mit (7.10)].<br />

(2) E(ˆϱ 12 )istinvariantunterlokalenunitären Transformationen,<br />

E(ˆϱ 12 )=E ( Û 1 ⊗ Û2ˆϱ 12 Û † 1 ⊗ Û † 2)<br />

. (7.27)<br />

6 Befinden sich die beiden Teilsysteme anfangs in einem reinen, verschränkten Zustand und wird<br />

beispielsweise das erste Teilsystem durch einen verrauschten (d.h. verlustbehafteten) Quantenkanal<br />

geschickt, so ist der Endzustand der beiden Teilsysteme i. allg. ein Gemisch mit von Null verschiedener<br />

Entropie S 1′ 2 (woraus S 1 ′ als neue Entropie des ersten Teilsystems folgt). In diesem Zusammenhang<br />

wird die Größe I E = S 1 ′ − S 1′ 2 auch als kohärente (Quanten-)Information bezeichnet<br />

und als Maß für den Grad der am Ende des Übertragungskanals noch vorhandenen Verschränkung<br />

angesehen [B. Schumacher, M.A. Nielson, Phys. Rev. A 54, 2629(1996)].<br />

7 V. Vedral, M.B. Plenio, M.A. Rippin, P.L. Knight, Phys. Rev. Lett. 78, 2275(1997).


7.2. NO-CLONING-THEOREM 215<br />

(3) Eine vollständig positive, spurerhaltende Abbildung<br />

ˆϱ 12 → ∑ ˆσ i , ˆσ i = ˆV †<br />

i ˆϱ 12 ˆV i , ˆVi = ˆV<br />

∑<br />

1i ˆV2i , ˆV †<br />

i<br />

ˆV i = Î,<br />

i<br />

i<br />

(7.28)<br />

kann die Verschränkung nicht erhöhen,<br />

∑<br />

Tr ˆσ i E(ˆσ i /Tr ˆσ i ) ≤ E(ˆϱ 12 ). (7.29)<br />

i<br />

Es sei D die Gesamtheit aller nichtverschränkten Zustände ˆσ 12 für das<br />

betrachtete Gesamtsystem. Ein Maß für die Verschränkung eines gegebenen<br />

Zustands ˆϱ 12 kann dann als<br />

E(ˆϱ 12 )=minD(ˆϱ 12 ||ˆσ 12 )|ˆσ12 ∈D<br />

(7.30)<br />

definiert werden, wobei D ein Maß für den Abstand zwischen den<br />

Zuständen ˆϱ 12 und ˆσ 12 ist, das den Bedingungen (1)–(3) genügt. Ein<br />

solches Abstandsmaß ist beispielsweise die relative Entropie<br />

D(ˆϱ 12 ||ˆσ 12 )=S(ˆϱ 12 ||ˆσ 12 )=Tr [ˆϱ 12 (log ˆϱ 12 − log ˆσ 12 ) ] . (7.31)<br />

Im Falle eines reinen Zustands führt das auf der relativen Entropie<br />

(7.31) basierende Verschränkungsmaß (7.30) gerade auf die Untersystementropie<br />

gemäß (7.26). 8<br />

7.2 No-Cloning-Theorem<br />

Die Möglichkeit, quantenmechanische Zustände im Sinne der Gleichung<br />

(7.1) kohärent zu überlagern, hat zur Folge, daß es unmöglich ist eine<br />

Apparatur zu konstruieren, die einen beliebigen unbekannten Quantenzustand<br />

kopiert. Dieser auch als No-Cloning-Theorem bezeichnete<br />

Sachverhalt läßt sich wie folgt indirekt beweisen, indem wir zunächst<br />

annehmen, daß es möglich ist, einen beliebigen unbekannten Quantenzustand<br />

zu kopieren. Um eine Kopie von einem Quantenzustand |Ψ〉<br />

zu erzeugen, muß das im Zustand |Ψ 1 〉 = |Ψ〉 präparierte erste System<br />

8 V. Vedral, M.B. Plenio, Phys. Rev. A 57, 1619(1998).


216 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

zusammen mit einem zweiten in einem Zustand |Φ 2 〉 = |Φ〉 (etwa dem<br />

Grundzustand) befindlichem System dazu gebracht werden, die (zeitliche)<br />

Entwicklung<br />

Û|Ψ〉⊗|Φ〉 = |Ψ〉⊗|Ψ〉 (7.32)<br />

zu durchlaufen, wobei Û der entsprechende (universelle) unitäre Transformationsoperator<br />

ist. Da die Gleichung (7.32) für jeden zu kopierenden<br />

Zustand |Ψ〉 gelten muß, darf Û nicht von |Ψ〉 abhängen, d.h., für<br />

zwei Zustände |Ψ (a) 〉 und |Ψ (b) 〉 muß gleichermaßen<br />

und<br />

Û|Ψ (a) 〉⊗|Φ〉 = |Ψ (a) 〉⊗|Ψ (a) 〉 (7.33)<br />

Û|Ψ (b) 〉⊗|Φ〉 = |Ψ (b) 〉⊗|Ψ (b) 〉 (7.34)<br />

gelten. Nunmehr betrachten wir einen Zustand<br />

|Ψ (c) 〉 = C ( |Ψ (a) 〉 + |Ψ (b) 〉 ) . (7.35)<br />

Anwenden der Kopiervorschrift liefert<br />

)<br />

Û|Ψ (c) 〉⊗|Φ〉 = C<br />

(Û|Ψ (a) 〉⊗|Φ〉 + Û|Ψ(b) 〉⊗|Φ〉<br />

(<br />

)<br />

= C |Ψ (a) 〉⊗|Ψ (a) 〉 + |Ψ (b) 〉⊗|Ψ (b) 〉<br />

≠ |Ψ (c) 〉⊗|Ψ (c) 〉, (7.36)<br />

d.h., die Annahme der Existenz einer zustandsunabhängigen Kopieroperation<br />

muß offensichtlich falsch sein. Im übrigen müßten die<br />

Zustände |Ψ (a) 〉 und |Ψ (b) 〉 orthogonal sein, da bei einer unitären Transformation<br />

eines Zustandsvektors seine Norm erhalten bleiben muß.<br />

Wichtig ist, daß sich das No-Cloning-Theorem auf einen unbekannten<br />

Quantenzustand bezieht, der kopiert werden soll. Es ist natürlich<br />

prinzipiell möglich, einen bekannten Quantenzustand zu kopieren.<br />

Denkbar ist auch, ausgehend von einem unbekannten Zustand<br />

|Ψ〉 = a|ϕ〉 + b|ψ〉 (7.37)<br />

des ersten Systems, ein zweites System hinzuzunehmen und das Gesamtsystem<br />

in dem verschränkten Zustand<br />

|Ψ〉 = a|ϕ〉⊗|ϕ〉 + b|ψ〉⊗|ψ〉 (7.38)


7.3. EPR-PARADOXON 217<br />

zu präparieren. Wenn die Zustände |ϕ〉 und |ψ〉 zu einer orthogonalen<br />

Basis gehören, so verhalten sich beide Systeme bei einer Messung<br />

bezüglich dieser Basis offensichtlich gleich, was natürlich für andere<br />

Basen nicht der Fall ist.<br />

7.3 EPR-Paradoxon<br />

Der Zustand (7.38) als ein einfaches Beispiel für einen verschränkten<br />

Zustand kann speziell durch ein Paar polarisierter Photonen realisiert<br />

werden. Betrachten wir polarisierte Photonen definierter Ausbreitungsrichtung.<br />

Um die zwei möglichen Polarisationsfreiheitsgrade zu erfassen,<br />

bedarf es bekanntlich einer 2-Modenbeschreibung. Wir wollen uns<br />

im weiteren auf lineare Polarisation beschränken. Die zwei senkrecht<br />

zueinander stehenden Polarisationsrichtungen seien durch die x- und<br />

die y-Achse eines kartesischen Koordinatensystems festgelegt, dessen<br />

z-Achse die Ausbreitungsrichtung definiert. Die den beiden Polarisationsrichtungen<br />

zugeordneten Vernichtungsoperatoren seien â 1 und â 2<br />

und die entsprechenden Fock-Zustände |n 1 ,n 2 〉 = |n 1 〉⊗|n 2 〉.DerPolarisationszustand<br />

eines Photons kann dann durch Zustände |j〉,<br />

|j〉 =<br />

{ |1, 0〉 ≡|11 , 0 2 〉 für j =0,<br />

|0, 1〉 ≡|0 1 , 1 2 〉 für j =1<br />

(7.39)<br />

festgelegt werden (|j =0〉: dasPhotonistparallelzurx-Achse polarisiert;<br />

|j =1〉: dasPhotonistparallelzury-Achse polarisiert). Ein<br />

möglicher verschränkter Zustand eines Photonenpaars ist<br />

|Ψ〉 = 1 √<br />

2<br />

(<br />

|0〉⊗|1〉 + |1〉⊗|0〉<br />

)<br />

, (7.40)<br />

wobei der Zustand, bei dem Photon 1 parallel zur x-Achse und Photon<br />

2parallelzury-Achse polarisiert ist, mit dem Zustand verschränkt ist,<br />

bei dem nunmehr Photon 1 parallel zur y-Achse und Photon 2 parallel<br />

zur x-Achse polarisiert ist. Die Polarisation eines einzelnen Photons<br />

eines solchen Paars ist also völlig unbestimmt. Eine Messung des Polarisationszustands<br />

beispielsweise des erstenPhotonskannsowohlPolarisation<br />

parallel zur x-Achse als auch parallel zur y-Achse ergeben, das


218 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

Ergebnis ist völlig unbestimmt und rein zufällig. Nichtsdestoweniger<br />

weiß“ Photon 2, das sich beliebig weit entfernt von Photon 1 befinden<br />

”<br />

kann, ganz genau, welche Polarisationsrichtung es infolge einer Polarisationsmessung<br />

am Photon 1 annehmen muß – als Konsequenz der<br />

Orthogonalität der Zustände |0 1 〉⊗|1 2 〉 und |1 1 〉⊗|0 2 〉.<br />

Dieses Problem – auch als EPR-Paradoxon bekannt geworden –<br />

hat schon immer für philosophische Debatten gesorgt. Der Name EPR-<br />

Paradoxon geht auf einen 1935 von Einstein, Podolsky und Rosen verfaßten<br />

Artikel zurück. 9 Wir wollen die dort behandelte Problematik am<br />

Beispiel der Polarisationszustände unseres Photonenpaars erläutern.<br />

Wird an einem Photon nach Passieren eines entsprechend polarisierenden<br />

Strahlteilers eine Polarisationsmessung in einem um den Winkel θ<br />

(um die z-Achse) gedrehten Koordinatensystems durchgeführt,<br />

x ′ = Tx+ Ry, (7.41)<br />

y ′ = −Rx + Ty, (7.42)<br />

T = cos θ, R =sinθ, (7.43)<br />

so ergeben sich die Vernichtungsoperatoren â ′ 1 und â ′ 2,diedendurch<br />

die x ′ -Achse und die y ′ -Achse definierten Polarisationsrichtungen eines<br />

Photons zugeordnet sind, gemäß einer unitären Transformation (siehe<br />

Abschnitt 5.3),<br />

â ′ 1 = Û † â 1 Û = T â 1 + Râ 2 , (7.44)<br />

â ′ 2 = Û † â 2 Û = −Râ 1 + T â 2 , (7.45)<br />

Û = T ˆn 1<br />

exp ( −Râ † ) (<br />

exp Râ<br />

†<br />

2â1<br />

1â2) T<br />

−ˆn 2<br />

. (7.46)<br />

Der Operatortransformation in (7.44) und (7.45) entspricht die Zustandstransformation<br />

(|Ψ ′ 〉≡|Ψ〉 θ )<br />

|Ψ〉 θ = Û|Ψ〉. (7.47)<br />

Wir wenden die Transformation (7.47) auf die Zustände<br />

|1, 0〉 =â † 1 |0, 0〉, |0, 1〉 =↠2 |0, 0〉 (7.48)<br />

9 A. Einstein, B. Podolsky, N. Rosen, Can Quantum Mechanical Description of Physical Reality<br />

be Considered Complete, Phys.Rev.44, 777(1935).


7.3. EPR-PARADOXON 219<br />

an und erhalten nach einer einfachen Rechnung<br />

|1, 0〉 θ = T |1, 0〉−R|0, 1〉 =cosθ|1, 0〉−sin θ|0, 1〉, (7.49)<br />

|0, 1〉 θ = R|1, 0〉 + T |0, 1〉 =sinθ|1, 0〉 +cosθ|0, 1〉. (7.50)<br />

Als ein Maß für den Polarisationsgrad eines Photons im xy-<br />

Basissystem kann die Größe (Inversion)<br />

angesehen werden und analog<br />

ˆP = |0, 1〉〈0, 1| − |1, 0〉〈1, 0| (7.51)<br />

ˆP θ = Û † ˆP Û = Û † |0, 1〉〈0, 1|Û − Û † |1, 0〉〈1, 0|Û (7.52)<br />

für den Polarisationsgrad in einem gedrehten Koordinatensystem. Wir<br />

verwenden die Transformationsformeln (7.49) und (7.50) (θ →−θ) 10<br />

und drücken ˆP θ in der Ausgangsbasis aus. Eine einfache Rechnung liefert<br />

ˆP θ =(T 2 − R 2 ) ˆP +2RT (|0, 1〉〈1, 0| + |1, 0〉〈0, 1|)<br />

=cos(2θ) ˆP +sin(2θ)(|0, 1〉〈1, 0| − |1, 0〉〈0, 1|). (7.53)<br />

Es ist unschwer zu sehen, daß [für sin(2θ) ≠0]<br />

[ ˆP, ˆPθ<br />

]<br />

=2sin(2θ)(|0, 1〉〈1, 0| − |1, 0〉〈0, 1|) ≠0 (7.54)<br />

gilt. Mit anderen Worten, ˆP und ˆPθ besitzen [für sin(2θ) ≠0] kein gemeinsames<br />

Eigenvektorsystem und repräsentieren folglich keine gleichzeitig<br />

scharf meßbaren Größen.<br />

Wir betrachten nunmehr Photonen in zwei Ausbreitungsrichtungen<br />

und ordnen ihnen ein 4-Modensystem wie folgt zu. Die Moden<br />

1und2(Vernichtungsoperatorenâ 1 und â 2 )sollendiesenkrechtzueinander<br />

linear polarisierten Wellen darstellen,diewirdenPhotonen<br />

in der einen Ausbreitungsrichtung zuordnen. Analog sollen die Moden<br />

3und4(Vernichtungsoperatorenâ 3 und â 4 )diesenkrechtzueinander<br />

linear polarisierten Wellen darstellen, die wir den Photonen in der<br />

10 Beachte ˆP θ = Û † ˆP Û.


220 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

anderen Ausbreitungsrichtung zuordnen. In jeder der beiden Ausbreitungsrichtungen<br />

wird die Strahlung durch einen polarisierenden Strahlteiler<br />

geschickt. Die durch den polarisierenden Strahlteiler in der einen<br />

Ausbreitungsrichtung definierte Basis sei um den Winkel θ 1 und die<br />

durch den Strahlteiler in der anderen Ausbreitungsrichtungdefinierte<br />

Basis um den Winkel θ 2 bezüglich des xy-Ausgangsbasissystems gedreht.<br />

Verfolgen wir, was mit einem verschränkten Polarisationszustand<br />

Polarisationsfilter 1 (Winkel θ 1 ) Polarisationsfilter 2 (Winkel θ 2 )<br />

â 1<br />

Photonenquelle<br />

â 2<br />

â 3<br />

â 4<br />

des Typs (7.40) geschieht, d.h. dem Zustand<br />

|Ψ〉 = 1 √<br />

2<br />

(<br />

|11 , 0 2 〉⊗|1 3 , 0 4 〉 + |0 1 , 1 2 〉 12 ⊗ |0 3 , 1 4 〉 34<br />

)<br />

(7.55)<br />

eines Photonenpaars, wie es von einem Atom bei einem 2-Photonen-<br />

Kaskadenübergang J =0→ J =1→ J =0 erzeugt werden kann. Anwenden<br />

der Transformationsformeln (7.49) und (7.50) auf jeden der beiden<br />

Zustände in (7.55) liefert den verschränkten Zustand, in dem sich die<br />

beiden Photonen des Paars nach Passieren des jeweiligen polarisierenden<br />

Strahlteilers befinden:<br />

|Ψ〉 θ1 θ 2<br />

= 1 √<br />

2<br />

(<br />

|11 , 0 2 〉 θ1 ⊗ |1 3 , 0 4 〉 θ2 + |0 1 , 1 2 〉 θ1 ⊗ |0 3 , 1 4 〉 θ2<br />

)<br />

= 1 √<br />

2<br />

[(T 1 T 2 +R 1 R 2 ) |1 1 , 0 2 , 1 3 , 0 4 〉 +(R 1 T 2 −T 1 R 2 ) |1 1 , 0 2 , 0 3 , 1 4 〉<br />

− (R 1 T 2 −T 1 R 2 ) |0 1 , 1 2 , 1 3 , 0 4 〉 +(T 1 T 2 +R 1 R 2 ) |0 1 , 1 2 , 0 3 , 1 4 〉]<br />

= 1 √<br />

2<br />

[cos θ 21 |1 1 , 0 2 , 1 3 , 0 4 〉−sin θ 21 |1 1 , 0 2 , 0 3 , 1 4 〉<br />

+sinθ 21 |0 1 , 1 2 , 1 3 , 0 4 〉 +cosθ 21 |0 1 , 1 2 , 0 3 , 1 4 〉] (7.56)


7.3. EPR-PARADOXON 221<br />

(θ 21 = θ 2 − θ 1 ). Wir fassen etwas anders zusammen und schreiben<br />

|Ψ〉 θ1 θ 2<br />

= 1 √<br />

2<br />

|1 1 , 0 2 〉⊗(cos θ 21 |1 3 , 0 4 〉−sin θ 21 |0 3 , 1 4 〉)<br />

+ 1 √<br />

2<br />

|0 1 , 1 2 〉⊗(sin θ 21 |1 3 , 0 4 〉 +cosθ 21 |0 3 , 1 4 〉)<br />

= 1 √<br />

2<br />

(|1 1 , 0 2 〉⊗|1 3 , 0 4 〉 θ21 + |0 1 , 1 2 〉⊗|0 3 , 1 4 〉 θ21 ) . (7.57)<br />

Wir wollen annehmen, daß der Polarisationszustand des ersten Photons<br />

in dem um den Winkel θ 1 (bezüglich des Ausgangsbasissystems)<br />

gedrehten Basissystem gemessen wird, d.h., ˆPθ1 ist bezüglich des (untransformierten)<br />

Ausgangszustands (7.55) der der Meßgröße zugeordnete<br />

Operator. 11 Die Gleichung (7.57) besagt dann, daß im Ergebnis<br />

einer solchen Messung das Ergebnis einer Messung des Polarisationszustands<br />

des (räumlich beliebig weit entfernten) zweiten Photons in einer<br />

um den Winkel θ 21 gedrehten Basissystem mit Sicherheit vorhergesagt<br />

werden kann, ohne in direkte Wechselwirkung mit diesem Photon zu<br />

treten. Da (für gegebenen Winkel θ 2 ) der Winkel θ 1 für die Polarisationsmessung<br />

am ersten Photon beliebig variierbar ist, kann der Polarisationszustand<br />

des zweiten Photons für beliebige Winkel θ 21 eindeutig<br />

festgelegt werden, ohne mit dem zweiten Photon in irgendeiner Weise<br />

in Kontakt zu treten.<br />

In dem eingangs erwähnten Artikel von Einstein, Podolsky und Rosen<br />

wird dazu ausgeführt, daß dann, wenn der Ausgang einer Messung<br />

einer Größe eines Systems mit Sicherheit vorhergesagt werden kann,<br />

ohne das System in irgendeiner Weise zu stören (also ohne mit dem<br />

System in direkten Kontakt zu treten), ... there exists an element of<br />

physical reality corresponding to this physical quantity ... In unserem<br />

Fall bedeutet die EPR-Argumentation, daß ˆP θ21 für zwei beliebige Winkel<br />

θ 21 =θ 21 ′ und θ 21 ′′ und θ 21 =θ 21≠ ′ θ 21 ′′ gleichzeitig physikalische Realität<br />

sein müssen – im Widerspruch zur Quantenmechanik, die das gerade<br />

auschließt, da ˆP θ<br />

′<br />

21<br />

und ˆP θ<br />

′′ nicht vertauschen und folglich nicht gleichzeitig<br />

definierte Werte annehmen<br />

21<br />

können.<br />

11 Beachte, daß bezüglich des transformierten Zustandsvektors (7.57) der Meßgröße der untransformierte<br />

Operator ˆP = |0 1 , 1 2 〉〈0 1 , 1 2 | − |1 1 , 0 2 〉〈1 1 , 0 2 | zugeordnet ist.


222 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

In dem Artikel wird versucht, den Widerspruch dahingehend zu<br />

lösen, daß die Quantenmechanik als eine nicht vollständige physikalische<br />

Theorie anzusehen ist. So heißt es in einer abschließenden Bemerkung:<br />

While we have thus shown that the wave function does not<br />

provide a complete description of the physical reality, we left open<br />

the question of whether or not such a description exists. We believe,<br />

however, that such a theory is possible. 12 Die Vorstellung dabei ist,<br />

daß eine vollständige Zustandsbeschreibung die Berücksichtigung von<br />

weiteren Größen erfordert, die, da sie nicht bekannt sind, auch oft verborgene<br />

Variablen (oder verborgene Parameter) genannt werden. Unter<br />

Einbeziehung zusätzlicher Größen könnte der Zufall aus der Quantentheorie<br />

verbannt und insbesondere gesichert werden, daß eine Messung<br />

an einem System keinen Einfluß auf die Messung an einem räumlich<br />

(beliebig weit entfernten) zweiten System ausüben kann, da nunmehr<br />

die Eigenschaften beider Systeme von vornherein eindeutig festgelegt<br />

werden können. Beobachtete Korrelationen bei Messungen an räumlich<br />

getrennten Systemen sind dann – analog zur statistischen Mechanik<br />

–AusdruckunsererUnkenntnisdieserzusätzlichen Größen, da diese<br />

durch die Messungen nicht eindeutig festgelegt werden.<br />

Im Sinne der statistischen Interpretation der Quantenmechanik<br />

ist die EPR-Argumentation natürlich unzulässig. Der Polarisationszustand<br />

des zweiten Photons ist erst dann festgelegt, wenn am ersten<br />

Photon eine Messung ausgeführt worden ist, wobei das Ergebnis der<br />

Messung völlig zufällig ist, z.B. Polarisation parallel zur x ′ -Achse (des<br />

um den Winkel θ 1 gedrehten Basissystems). Der Zustand des Photonenpaars<br />

nach dieser (Einzel-)Messung,<br />

|Ψ〉 θ1 θ 2<br />

= |1 1 , 0 2 〉⊗|1 3 , 0 4 〉 θ21 , (7.58)<br />

ist offensichtlich nicht mehr verschränkt. Das heißt, unabhängig von<br />

weiteren Messungen am ersten Photon für veränderte Winkel θ 1 bleibt<br />

12 Einstein hat diesen Gedanken wiederholt aufgegriffen. So äußerte er sich verschiedentlich wie<br />

folgt: Assuming success of efforts to accomplish a complete physical description, the statistical quantum<br />

theory would, within the framework of future physics, take an approximately analogous position<br />

to the statistical mechanics within the framework of classical mechanics. I am firmly convinced that<br />

the development of theoretical physics will be of this type, but the path will be lengthy and difficult.<br />

An anderer Stelle äußerte er: Iam,infact,convincedthattheessentially statistical character of contemporary<br />

quantum theory is solely to be ascribed to the fact that this operates with an incomplete<br />

description of physical systems.


7.4. BELLSCHE UNGLEICHUNGEN 223<br />

das zweite Photon in dem Zustand |1 3 , 0 4 〉 θ21 (mit festem θ 21 )präpariert.<br />

Alle anderen Realitäten“ für dieses Photon bleiben somit fiktiv.<br />

”<br />

Die potentiellen Möglichkeiten vor der Messung werden gewissermaßen<br />

durch die Messung aufgehoben. Natürlich wird auch keine Information<br />

momentan zwischen voneinander entfernten Systemen übertragen,<br />

wie im Zusammenhang mit dem EPR-Paradoxon auch zu hören ist.<br />

Ein verschränkter Zustand enthält offensichtlich gegenseitige Information<br />

über die beiden Systeme. Lernen wir etwas über das eine System,<br />

gewinnen wir automatisch auch Information über das zweite System.<br />

Diese gegenseitige Information bleibt erhalten, wenn sich die beiden<br />

Systeme voneinander entfernen. Da die Systeme die Information gewissermaßen<br />

mit auf die Reise nehmen, breitet diese sich im Raum nicht<br />

anders aus als die Systeme.<br />

7.4 Bellsche Ungleichungen<br />

Bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hat es Versuche gegeben,<br />

die Quantentheorie durch ”<br />

erweiterte“ Theorien zu ersetzen und<br />

die verborgenen Variablen zu spezifizieren. Mit den sogenannten Bellschen<br />

Ungleichungen 13 konnte gezeigt werden, daß die quantenmechanischen<br />

Voraussagen für Korrelationsmessungen von Voraussagen, wie<br />

sie von entsprechenden Theorien verborgener Variablen gemacht werden<br />

können, qualitativ abweichen können. Wir wollen dies am Beispiel<br />

des im Abschnitt 7.3 behandelten Systems demonstrieren.<br />

Die Operatoren der an den beiden polarisierenden Strahlteilern einlaufenden<br />

und auslaufenden Wellen sind gemäß (7.44) und (7.45) [zusammen<br />

mit (7.43)] wie folgt miteinander verknüpft:<br />

â ′ 1 =â 1 cos θ 1 +â 2 sin θ 1 , (7.59)<br />

â ′ 2 = −â 1 sin θ 1 +â 2 cos θ 1 , (7.60)<br />

â ′ 3 =â 3 cos θ 2 +â 4 sin θ 2 , (7.61)<br />

â ′ 2 = −â 3 sin θ 2 +â 4 cos θ 2 . (7.62)<br />

13 J.S. Bell, Physics 1, 105(1964);Rev.Mod.Phys.38, 447(1966).


224 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

Wir wollen (bezüglich der beiden Ausbreitungsrichtungen) die normalgeordnete,<br />

normierte Polarisationskorrelationsfunktion [I ′ ≡ I(θ 1 , θ 2 )]<br />

I(θ 1 , θ 2 )=N −1〈( )〉<br />

â ′ 1 † â ′ 1 − â ′ 2 † â ′ 2)(â′<br />

3†â ′ 3 − â ′ 4 † â ′ 4 (7.63)<br />

untersuchen, wobei der Normierungsfaktor<br />

N = 〈( )〉<br />

â ′ 1 † â ′ 1 +â′ 2 † â ′ 2)(â′ 3†â ′ 3 +â′ 4 † â ′ 4<br />

(7.64)<br />

nicht von den Winkeln θ 1 und θ 2 abhängt (verlustlose Polarisationsfilter!),<br />

da aus (7.59) – (7.62), wie leicht zu sehen ist,<br />

(k =1, 3) folgt, und somit gilt<br />

â ′ k † â ′ k +â′ k+1 † â ′ k+1 =↠kâk +↠k+1âk+1 (7.65)<br />

N = 〈( â † 1â1 +â † )(â†<br />

2â2 3â3 +â † 4â4)〉<br />

. (7.66)<br />

Mit Hilfe der P -Funktion läßt sich die betrachtete Korrelationsfunktion<br />

(7.63) in der Form<br />

∫<br />

I(θ 1 , θ 2 )=N −1 d 8 α P (α) ( |α 1| ′ 2 − |α 2| ′ 2)( |α 3| ′ 2 − |α 4| ′ 2)<br />

∫<br />

=<br />

d 8 α ˜P (α)I(α 1 , α 2 , θ 1 )I(α 3 , α 4 , θ 2 ) (7.67)<br />

aufschreiben [P (α) ≡ P (α 1 , α 2 , α 3 , α 4 )], wobei<br />

˜P (α) =N −1 P (α) ( |α 1 | 2 + |α 2 | 2)( |α 3 | 2 + |α 4 | 2) , (7.68)<br />

∫<br />

N =<br />

d 8 α P (α) ( |α 1 | 2 + |α 2 | 2)( |α 3 | 2 + |α 4 | 2) , (7.69)<br />

I(α 1 , α 2 , θ 1 )= |α′ 1| 2 − |α ′ 2| 2<br />

|α 1 | 2 + |α 2 | 2 , I(α 3, α 4 , θ 2 )= |α′ 3| 2 − |α ′ 4| 2<br />

|α 3 | 2 + |α 4 | 2 (7.70)<br />

gilt. Es ist klar, daß der Zusammenhang zwischen den α ′ i und den α i<br />

(i =1, 2, 3, 4) gemäß (7.59) – (7.62) gegeben ist. Die Gleichung (7.67)<br />

gilt gleichermaßen in der Quantentheorie und in der klassischen Theorie.<br />

Während in der Quantentheorie P (α) unddamitauch ˜P (α) i.allg.


7.4. BELLSCHE UNGLEICHUNGEN 225<br />

nur als Quasiverteilungsfunktionen angesehen werden können, handelt<br />

es sich in der klassischen Theorie um echte Verteilungsfunktionen im<br />

Sinne von Wahrscheinlichkeitsdichten.<br />

Im Falle klassischer Wahrscheinlichkeitsdichten kann die Gleichung<br />

(7.67) wie folgt interpretiert werden. Die unter dem Winkel θ 1 am ersten<br />

System und unter dem Winkel θ 2 am zweiten System eines räumlich getrennten<br />

2-Modensystems vorgenommenen Polarisationsmessungen liefern<br />

für fest vorgegebene Werte der Modenamplituden α i die Meßwerte<br />

I(α 1 , α 2 , θ 1 )undI(α 3 , α 4 , θ 2 ). Offensichtlich hängt das Meßergebnis 1,<br />

d.h. I(α 1 , α 2 , θ 1 ), nicht vom Meßergebnis 2, d.h. I(α 3 , α 4 , θ 2 ), ab und<br />

umgekehrt. Mit anderen Worten, die Wahl des Winkels θ 1 hat keinerlei<br />

Einfluß auf das Meßergebnis 2, und entsprechend hat die Wahl des<br />

Winkels θ 2 keinerlei Einfluß auf das Meßergebnis 1. Der Sachverhalt<br />

wird auch als Lokalität (bzw. Lokalitätsprinzip) bezeichnet,wobeizu<br />

betonen ist, daß die vier Modenamplituden als bekannt (d.h. als vorgegeben)<br />

angesehen werden.<br />

Die Situation kann sich grundsätzlich ändern, wenn die Modenamplituden<br />

als variable Größen angesehen werden müssen. Wir wollen annehmen,<br />

daß als Meßwerte tatsächlich nur die Werte von I(α 1 , α 2 , θ 1 )<br />

und I(α 3 , α 4 , θ 2 )fungierenunddemzufolgeausdenexperimentellenDaten<br />

keine Aussagen über die Werte der Modenamplituden α i (Betrag<br />

und Phase!) gemacht werden können. Die Tatsache, daß die α i variabel<br />

sind, macht sich dadurch bemerkbar, daß wiederholte Messungen bei<br />

unveränderten Werten der Winkel θ 1 und θ 2 unterschiedliche Meßwerte<br />

liefern, da nunmehr unterschiedliche Werte der Modenamplituden<br />

vorliegen können. Im allgemeinen bleibt dann weiter nichts übrig, als<br />

bestimmte statistische Annahmen über die Verteilung der Werte der<br />

Modenamplituden zu treffen und über alle Ereignisse zu mitteln. Das<br />

Ergebnis ist dann die Gleichung (7.67) mit<br />

∫<br />

˜P (α) ≥ 0, d 8 α ˜P (α) =1. (7.71)<br />

Die Modenamplituden spielen in diesem Zusammenhang offensichtlich<br />

die Rolle verborgener Variablen. 14 Es ist natürlich denkbar, daß neben<br />

den bisher betrachteten komplexen Amplituden weitere Variablen<br />

14 Werden bei einer wiederholten Messung einer Größe unterschiedliche Meßwerte registriert, so<br />

bedeutet dies bei einer klassischen Beschreibungsweise, daß die Größe noch von Variablen abhängen


226 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

zu berücksichtigen sind, von deren Existenz wir möglicherweise noch<br />

gar keine Kenntnis haben. An den obigen und den folgenden Gleichungen<br />

ändert sich dann nur insoweit etwas, als daß diese Variablen noch<br />

in α einzubeziehen sind. Unter Berücksichtigung verborgener Variablen<br />

kann der Begriff der Lokalität verallgemeinert werden. Lokalität<br />

bedeutet dann, daß sich die Korrelation von Größen zweier räumlich<br />

getrennter Systeme in der Form einer Gleichung vom Typ (7.67) in<br />

Verbindung mit den Beziehungen (7.71) darstellen läßt.<br />

Wir bilden die Differenz<br />

I(θ 1 , θ 2 ) − I(θ 1 , θ 2 ′<br />

∫<br />

)<br />

= d 8 α ˜P (α)[I(α 1 , α 2 , θ 1 )I(α 3 , α 4 , θ 2 )−I(α 1 , α 2 , θ 1 )I(α 3 , α 4 , θ 2 ′ )]<br />

∫<br />

= d 8 α ˜P (α)I(α 1 , α 2 , θ 1 )I(α 3 , α 4 , θ 2 )[1±I(α 1 , α 2 , θ 1 ′ )I(α 3, α 4 , θ 2 ′ )]<br />

∫<br />

− d 8 α ˜P (α)I(α 1 , α 2 , θ 1 )I(α 3 , α 4 , θ 2)[1±I(α ′ 1 , α 2 , θ 1)I(α ′ 3 , α 4 , θ 2 )] .<br />

Berücksichtigen wir, daß<br />

(7.72)<br />

|I(α 1 , α 2 , θ (′)<br />

1 )| ≤ 1, |I(α 3, α 4 , θ (′)<br />

2 )| ≤ 1 (7.73)<br />

gilt, so können wir I(θ 1 , θ 2 ) − I(θ 1 , θ 2 ′ )betragsmäßig wie folgt abschätzen:<br />

∣ I(θ1 , θ 2 ) − I(θ 1 , θ 2) ∣ ∫<br />

′ ≤ d 8 α ∣ ∣ ˜P (α) [1 ± I(α1 , α 2 , θ 1)I(α ′ 3 , α 4 , θ 2)]<br />

′<br />

∫<br />

+ d 8 α ∣ ∣ ˜P (α) [1 ± I(α1 , α 2 , θ 1 ′ )I(α 3, α 4 , θ 2 )] . (7.74)<br />

Wir wollen annehmen, daß ˜P (α) denForderungen(7.71)nachkommt<br />

und als klassische Verteilungsfunktion interpretiert werden kann. In<br />

muß, die durch die betrachtete Messung nicht festgelegt werden, und demzufolge die einzelnen Messungen<br />

für unterschiedliche Werte dieser Variablen durchgeführt werden. Der Einfluß solcher verborgener<br />

Variablen kann immer durch Verteilungsfunktionen im Sinne der Wahrscheinlichkeitsrechnung<br />

erfaßt werden.


7.4. BELLSCHE UNGLEICHUNGEN 227<br />

diesem Fall nimmt die Ungleichung (7.74) die Gestalt<br />

∣<br />

∣I(θ 1 , θ 2 ) − I(θ 1 , θ ′ 2 )∣ ∣ ≤ 2 ± [ I(θ ′ 1 , θ′ 2 )+I(θ′ 1 , θ 2) ] (7.75)<br />

an, woraus die (spezielle) Bellsche Ungleichung<br />

∣ I(θ1 , θ 2 ) − I(θ 1 , θ ′ 2)+I(θ ′ 1, θ ′ 2)+I(θ ′ 1, θ 2 ) ∣ ∣ ≤ 2 (7.76)<br />

folgt. Diese Ungleichung ist Folge der gemachten Lokalitätsannahme<br />

für klassisch-stochastisch beschreibbare Systeme. Eine Verletzung der<br />

Bellschen Ungleichung, d.h.<br />

∣<br />

∣I(θ 1 , θ 2 ) − I(θ 1 , θ ′ 2 )+I(θ′ 1 , θ′ 2 )+I(θ′ 1 , θ 2) ∣ ∣ > 2 (7.77)<br />

ist also gleichbedeutend mit einer Verletzung des klassischen Lokalitätsprinzips<br />

und zeigt an, daß eine klassisch-stochastische Modellierung<br />

nicht möglich ist.<br />

Genau dies kann aber in der Quantentheorie der Fall sein, wie am<br />

Beispiel des verschränkten Polarisationszustands (7.55) zu ersehen ist. 15<br />

Eine einfache Rechnung zeigt, daß die Gleichung (7.63) [zusammen mit<br />

(7.64)] auf diesen Zustand angewendet<br />

I(θ 1 , θ 2 )=cos(2θ 21 ) (7.78)<br />

(θ 21 = θ 2 − θ 1 )liefert.Verfügen wir über die Winkel in (7.77) so, daß<br />

gilt, erhalten wir<br />

θ 2 − θ 1 = θ 2 − θ ′ 1 = θ′ 2 − θ′ 1 = 1 3 (θ′ 2 − θ 1) (7.79)<br />

∆I = I(θ 1 , θ 2 ) − I(θ 1 , θ ′ 2 )+I(θ′ 1 , θ′ 2 )+I(θ′ 1 , θ 2)<br />

=3cos(2θ 21 ) − cos(6θ 21 ). (7.80)<br />

15 Wird die Bellsche Ungleichung verletzt, kann auf Verschränkung geschlossen werden. Der umgekehrte<br />

Schluß ist nicht richtig: Verschränkung muß nicht notwendigerweise mit einer Verletzung<br />

der Bellschen Ungleichung einhergehen, wenn der Zustand noch ”<br />

genügend“ klassische Korrelation<br />

enthält.


228 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

Ist beispielsweise θ 21 = π/8 oderθ 21 =3π/8, dann ergibt sich |∆I| =<br />

∆I =2 √ 2 > 2, d.h., die Bellsche Ungleichung (7.76) ist verletzt, und es<br />

gilt die Ungleichung (7.77). Die Verletzung der Bellschen Ungleichung<br />

wurde experimentell in quantitativer guter Übereinstimmung mit der<br />

theoretischen Voraussage nachgewiesen, 16 womit auch der experimentelle<br />

Beweis für die Verletzung des klassisch-stochastischen Lokalitätsprinzips<br />

erbracht wurde.<br />

Die Verletzung dieses Prinzips kann auch direkt an dem transformierten<br />

Zustand (7.56) gesehen werden – dem Zustand des korrelierten<br />

Photonenpaares nach Durchlaufen der beiden polarisierenden Strahlteiler.<br />

Es sei µ der Polarisationsindex bezüglich der durch den jeweiligen<br />

polarisierenden Strahlteiler definierten Basis (z.B. entspreche µ=0 der<br />

Polarisation parallel zur jeweiligen x ′ -Achse und µ =1 der Polarisation<br />

parallel zur jeweiligen y ′ -Achse). Ferner bezeichne P θ1 θ 2<br />

(µ 1 ,µ 2 ) die<br />

Wahrscheinlichkeit, bei einer Polarisationsmessung am Zustand |Ψ〉 θ1 θ 2<br />

das erste Photon µ 1 -polarisiert und das zweite Photon µ 2 -polarisiert<br />

vorzufinden. Aus (7.56) lesen wir die folgenden Wahrscheinlichkeiten<br />

ab:<br />

P θ1 θ 2<br />

(0, 0) = 1 2 cos2 θ 21 , P θ1 θ 2<br />

(0, 1) = 1 2 sin2 θ 21 , (7.81)<br />

P θ1 θ 2<br />

(1, 0) = 1 2 sin2 θ 21 , P θ1 θ 2<br />

(1, 1) = 1 2 cos2 θ 21 . (7.82)<br />

Wir denken uns die Anordnung durch einen dritten polarisierenden<br />

Strahlteiler (der eine um den Winkel θ 3 bezüglich der Ausgangsbasis<br />

gedrehte Basis definiert) erweitert. Im Rahmen einer klassischstatistisch<br />

begründeten Theorie kann dann eine Verbundwahrscheinlichkeit<br />

P θ1 θ 2 θ 3<br />

(ν 1 , ν 2 , ν 3 )eingeführt werden, und es gilt<br />

woraus<br />

P θ1 θ 2<br />

(ν 1 , ν 2 )=P θ1 θ 2 θ 3<br />

(ν 1 , ν 2 , 0) + P θ1 θ 2 θ 3<br />

(ν 1 , ν 2 , 1), (7.83)<br />

folgt. Analog ergibt sich<br />

P θ1 θ 2<br />

(ν 1 , ν 2 ) ≥ P θ1 θ 2 θ 3<br />

(ν 1 , ν 2 , ν 3 ) (7.84)<br />

P θ2 θ 3<br />

(ν 2 , ν 3 ) ≥ P θ1 θ 2 θ 3<br />

(ν 1 , ν 2 , ν 3 ). (7.85)<br />

16 A. Aspect, J. Dalibard, G. Roger, Phys. Rev. Lett. 49, 1804(1982).


7.5. QUANTENKRYPTOGRAPHIE 229<br />

Wir addieren die Ungleichungen (7.84) und (7.85) und erhalten<br />

P θ1 θ 2<br />

(ν 1 , ν 2 )+P θ2 θ 3<br />

(ν ′ 2 , ν 3) ≥ P θ1 θ 2 θ 3<br />

(ν 1 , ν 2 , ν 3 )+P θ1 θ 2 θ 3<br />

(ν 1 , ν ′ 2 , ν 3)<br />

} {{ }<br />

P θ1 θ 3<br />

(ν 1 , ν 3 )<br />

(7.86)<br />

(ν 2 ≠ ν ′ 2), d.h. die folgende Bellsche Ungleichung:<br />

P θ1 θ 2<br />

(ν 1 , ν 2 )+P θ2 θ 3<br />

(ν ′ 2, ν 3 ) − P θ1 θ 3<br />

(ν 1 , ν 3 ) ≥ 0 (7.87)<br />

Mit Blick auf die in den Gleichungen (7.81) und (7.82) angegebenen<br />

Wahrscheinlichkeiten müßte also beispielsweise<br />

∆P =sin 2 θ 21 +sin 2 θ 32 − sin 2 θ 31 ≥ 0 (7.88)<br />

gelten. Wie aus der Abbildung zu ersehen ist (θ 3 =0), wird diese Ungleichung<br />

für bestimmte Winkel verletzt.<br />

∆P<br />

0.4<br />

0.2<br />

0<br />

−0.2<br />

0<br />

θ 2<br />

θ 1<br />

3<br />

1 2<br />

2 1<br />

3 0<br />

7.5 Quantenkryptographie 17<br />

Wir wollen das Problem einer abhörsicheren Übermittlung von Information<br />

zwischen zwei miteinander kommunizierenden (und räumlich<br />

17 Streng genommen geht es um die quantenmechanische Übermittlung des Schlüssels.


230 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

hinreichend weit voneinander getrennten) Partnern betrachten. Traditionell<br />

werden diese Alice und Bob genannt, und Eve fungiert als potentielle<br />

Lauscherin. Damit Eve nicht mithören kann, wird der Klartext<br />

verschlüsselt. Dies kann beispielsweise so geschehen, daß die zu übermittelnden<br />

Symbole (Buchstaben oder Zahlen) nach einer bestimmten<br />

geheimen Vorschrift (dem Schlüssel oder Kode) durch andere Symbole<br />

ersetzt werden. Bleibt die Vorschrift über die gesamte zu übermittelnde<br />

Nachricht unverändert, so hängt es von der mathematischen Komplexität<br />

der Vorschrift ab, ob es einem Lauscher (innerhalb einer vernünftigen<br />

Zeitspanne) gelingt, den Code zu knacken und damit die Nachricht<br />

zu entschlüsseln.<br />

Nachricht<br />

E<br />

Nachricht<br />

Alice<br />

chiffrierter Text<br />

Bob<br />

Schlüssel<br />

Schlüssel<br />

Die meisten in diesem Zusammenhang benutzten Verfahren basieren<br />

auf dem sogenannten RSA-System. 18 Bob als derjenige, der geheime<br />

Nachrichten zu empfangen wünscht, erzeugt ein spezielles Paar<br />

von Schlüsseln, bestehend aus einem öffentlichen und einem privaten<br />

Schlüssel. Bob publiziert den öffentlichen Schlüssel und behält den privaten<br />

geheim. Wenn Alice Bob eine geheime Nachricht übermitteln will,<br />

benutzt sie zur Verschlüsselung den jederman zugänglichen öffentlichen<br />

Schlüssel. Bob benutzt dann seinen privaten Schlüssel, um die erhaltene<br />

Nachricht im Klartext zu lesen. Damit ein solches duales System sicher<br />

ist, muß es extrem schwierig sein, die Nachricht zu entschlüsseln, wenn<br />

nur der öffentliche Schlüssel bekannt ist. Speziell das RSA-Verfahren<br />

basiert auf der Schwierigkeit, große ganze Zahlen zu faktorisieren. Bob<br />

18 R. Rivest, A. Shamir, L. Adelman, Commun. ACM 21, 120(1978).


7.5. QUANTENKRYPTOGRAPHIE 231<br />

wählt zwei große Primzahlen p und q aus und bildet das Produkt<br />

n = pq. (7.89)<br />

Als nächstes sucht er sich eine ganze Zahl d, sodaßd und (p − 1)(q − 1)<br />

relative Primzahlen sind (d.h., außer der 1 besitzen sie keinen gemeinsamen<br />

Teiler). Schließlich berechnet er eine ganze Zahl e nach der Vorschrift<br />

ed=1mod[(p−1)(q−1)]. (7.90)<br />

Das Zahlenpaar (e, n) bildetdieGrundlagedesöffentlichen Schlüssels,<br />

und entsprechend dient das Zahlenpaar (d, n) alsprivaterSchlüssel.<br />

Für alle diese Schritte existieren effektive Algorithmen, die eine sehr<br />

schnelle Berechnung gestatten. Alice verschlüsselt die Bob zu sendende<br />

Nachricht wie folgt. Zunächst stellt Alice den Klartext nach festen<br />

(i. allg. bekannten) Regeln als Folge von ganzen Zahlen n i mit 1 ≤ n i ≤ n<br />

dar. Dann ordnet sie den Zahlen n i neue Zahlen m i nach der Vorschrift<br />

m i = n e i mod n (7.91)<br />

zu und schickt diese Bob. Bob erzeugt dann die unverschlüsselte Folge<br />

der Zahlen n i nach der Vorschrift<br />

n i = m d i<br />

mod n. (7.92)<br />

Im Anschluß daran überführt er die Zahlen n i wieder in den Klartext.<br />

Die Sicherheit des Systems besteht darin, daß es mit wachsendem n<br />

immer schwieriger wird, p und q (und damit d) zu finden, da die Rechenzeit,<br />

die die entsprechenden Algorithmen benötigen, jegliches vertretbare<br />

Maß überschreiten können. Nichtsdestoweniger bleibt immer<br />

noch ein gewisses Restrisiko, daß der Schlüssel geknackt wird (siehe<br />

auch Abschnitt 7.7).<br />

Ein (im Prinzip) absoluter Schutz vor Entschlüsselung kann dadurch<br />

erreicht werden, daß von der festen Verschlüsselungsvorschrift<br />

abgegangen wird und eine Folge von Zufallssymbolen von der Länge<br />

des zu übermittelnden Textes als Schlüssel verwendet wird. Bei dem sogenannten<br />

One-Time-Pad-Verfahren werden die Symbole der zu übermittelnden<br />

Nachricht nach festen (und i. allg. bekannten) Regeln in<br />

Zahlen übersetzt und zwar zweckmäßigerweise in binärer Darstellung.


232 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

Alice<br />

Nachricht 0 1 1 0 1 0 0 1<br />

Schlüssel 1 0 0 1 1 0 1 0<br />

Summe (mod 2) 1 1 1 1 0 0 1 1<br />

=chiffrierter Text<br />

Übertragung<br />

Bob<br />

chiffrierter Text 1 1 1 1 0 0 1 1<br />

Schlüssel 1 0 0 1 1 0 1 0<br />

Summe (mod 2) 0 1 1 0 1 0 0 1<br />

=Nachricht<br />

Danach werden zu diesen Zahlen die Zufallszahlen des Schlüssels mod 2<br />

addiert (d.h. ohne Zweier-Übertrag). Die so chiffrierte Nachricht (das<br />

sogenannte Kryptogramm) kann dann über einen öffentlichen Kanal<br />

an den Empfänger verschickt werden. Die Dechiffrierung seitens<br />

des Empfängers erfolgt dann durch abermalige Addition mod 2, und<br />

Rückübersetzung der Zahlen in die Symbole liefert dann den Klartext.<br />

Da die Folge der Zufallszahlen frei von jeglicher Systematik ist, ist<br />

der Kode prinzipiell nicht zu knacken. Die Schwachstelle bildet der<br />

Kode selbst, der geheimgehalten werden muß. Dies kann natürlich nie<br />

garantiert werden. Wird der Kode beispielsweise irgendwo in einem Tresor<br />

hinterlegt, so kann dieser illegal geöffnet und der Kode kopiert werden,<br />

oder die Person, die ihn bei sich trägt, wird abgefangen. Wird der<br />

Kode über einen Nachrichtenkanal übermittelt, kann er durch eine dritte<br />

Person abgehört und ebenfalls kopiert werden. Das Problem, abhörsicher<br />

einen Zufallsschlüssel zu übermitteln, kann prinzipiell gelöst werden,<br />

wenn anstelle eines klassischen Schlüssels ein Quantenschlüssel<br />

verwendet wird, d.h., die Zufallsfolge von Zahlen in Form von Quantenzuständen<br />

übertragen wird. Die Abhörsicherheit resultiert aus dem<br />

Umstand, daß es unmöglich ist, Kopien eines beliebigen, unbekannten<br />

Quantenzustands herzustellen. Dieser als No-Cloning-Theorem bezeichnete<br />

Sachverhalt (Abschnitt 7.2) macht es einer Lauscherin wie


7.5. QUANTENKRYPTOGRAPHIE 233<br />

Eve unmöglich, die von Alice gesendete Quanteninformation abzufangen,<br />

zu kopieren und das (unverfälschte) Original an Bob weiterzuleiten.<br />

Unverschränkte Qubits<br />

Nach diesen etwas allgemeinen Erörterungen wollen wir uns dem konkreten<br />

Fall zuwenden, daß polarisierte Photonen zur Realisierung eines<br />

Quantenschlüssels verwendet werden. Im Hinblick auf die zwei Polarisationsrichtungen<br />

kann ein mit einer transversalen elektromagnetischen<br />

Welle verknüpftes Photon als Repräsentant eines Qubits 19 angesehen<br />

werden. Wir wollen wieder linear polarisierte Photonen betrachten, die<br />

sich in z-Richtung ausbreiten. Für die Festlegung der Polarisationsrichtung<br />

(Messung) wollen wir in der zur z-Achse senkrechten Ebene<br />

neben einem (willkürlich gewählten) xy-Koordinatensystem – Symbol<br />

+ –einumdenWinkelθ = π/4 gedrehtesx ′ y ′ -Koordinatensystem –<br />

Symbol × –betrachten.Fernerwollenwirverabreden,daßPhotonen<br />

mit Polarisationsrichtungen x und x ′ den Binärwert 0 und Photonen<br />

mit Polarisationsrichtungen y und y ′ den Binärwert 1 repräsentieren.<br />

Es sei wieder |0〉≡|1 1 , 0 2 〉 der Zustand eines in x-Richtung polarisierten<br />

Photons und |1〉≡|0 1 , 1 2 〉 der Zustand des Photons, wenn es in<br />

y-Richtung polarisiert ist [siehe (7.39)]. Wir wenden die Transformationsformeln<br />

(7.49) und (7.50) [zusammen mit (7.43)] auf die Zustände<br />

|0〉 und |1〉 an und erhalten (θ = π/4) die transformierten Zustände<br />

|0〉 ′ = 1 √<br />

2<br />

(|0〉−|1〉) , (7.93)<br />

|1〉 ′ = 1 √<br />

2<br />

(|0〉 + |1〉) . (7.94)<br />

Da gemäß (7.54) die Operatoren ˆP und ˆP ′ = ˆP θ=π/4 nicht vertauschen,<br />

[ ˆP, ˆP<br />

′ ] =2(|1〉〈0| − |0〉〈1|) ≠0, (7.95)<br />

19 Eine klassische Variable, die zwei Werte annehmen kann, erlaubt die Speicherung von maximal<br />

1 Bit Information. Analog wurde als elementare Einheit der Quanteninformation das Qubit<br />

eingeführt, repräsentiert durch den Quantenzustand eines 2-Niveausystems. Dementsprechend entspricht<br />

einem n-Qubit-System ein 2n-dimensionaler Hilbert-Raum. Im Zusammenhang mit verschränkten<br />

Zuständen wird auch das Ebit verwendet, das zwei (maximal) verschränkten 2-Niveausystemen<br />

entspricht. Zwei orthogonale Zustände eines Qubits werden gewöhnlich als |0〉 und |1〉 bezeichnet.<br />

Neben polarisierten Photonen kommen alsphysikalischeRealisierungenSpin-1/2-Teilchen<br />

und atomare 2-Niveausysteme in Betracht.


234 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

können die Polarisationsrichtungen in den beiden Basissystemen nicht<br />

gleichzeitig festgelegt werden. Wird also an einem in x-Richtung polarisierten<br />

Photon eine Polarisationsmessung im x ′ y ′ -System durchgeführt,<br />

so beobachtet man in jeweils 50% der Fälle ein in x ′ -Richtung bzw.<br />

y ′ -Richtung polarisiertes Photon, und eine sich anschließende Polarisationsmessung<br />

im ursprünglichen xy-Koordinatensystem reproduziert<br />

i. allg. den Ausgangszustand nicht.<br />

Darauf basiert das sogenannte BB84-Protokoll. 20 Alice sendet Bob<br />

einzelne Photonen, die in jeweils einem der vier betrachteten Polarisationszuständen<br />

präpariert sind und notiert den gewählten Zustand<br />

jedes Photons in einer Liste. Die Folge der gewählten Zustände sei<br />

völlig zufällig. Bob hat nun die Möglichkeit, den Polarisationszustand<br />

der eintreffenden Photonen in der xy-Basis und der x ′ y ′ -Basis zu messen.<br />

Bob notiert die jeweils gewählte Basis und den darin registrierten<br />

Polarisationszustand. Nach Übertragung einer hinreichend großen Anzahl<br />

von Photonen nehmen Alice und Bob öffentlich miteinander Kontakt<br />

auf und informieren sich über die Abfolge der jeweils verwendeten<br />

Basis. In den Fällen mit gleicher Basis müssen dann beide identische<br />

Basis von Alice × + × × × × × + × × + +<br />

Bitfolge von Alice 1 1 1 1 1 0 0 1 0 1 0 0<br />

Basis von Bob + + × + × × + × + × + +<br />

Bitfolge von Bob 0 1 1 1 1 0 0 0 1 1 0 0<br />

Schlüssel 1 1 1 0 1 0 0<br />

Bit-Werte registriert haben, da die von Bob detektierten Photonen sich<br />

exakt in den Zuständen befinden, in denen sie von Alice präpariert wurden.<br />

Alle Ereignisse, bei denen die von Bob gewählte Basis nicht mit<br />

der von Alice verwendeten übereinstimmt, werden im weiteren nicht<br />

20 C.H. Bennett, G. Brassard, in Proceedings of IEEE International Conference on Computers,<br />

Systems, and Signal Processing (Bangalore, 1984), S. 175.


7.5. QUANTENKRYPTOGRAPHIE 235<br />

berücksichtigt. Auf diese Weise gelingt es Alice und Bob, zufällige Zahlenketten<br />

mit gleicher Abfolge von Nullen und Einsen aufzustellen, die<br />

nur ihnen bekannt sind, da aus der öffentlichen Kommunikation keine<br />

Information über den jeweiligen Polarisationszustand (senkrecht oder<br />

horizontal polarisiert bzw. 45˚ oder 135˚ polarisiert) zu entnehmen ist.<br />

Da einzelne Photonen bei der Übertragung verwendet werden, kann<br />

Eve als potentielle Lauscherin ein von Alice ankommendes Photon passieren<br />

lassen (wobei sie keinerlei Information über den Polarisationszustand<br />

erhält), oder aber sie führt an dem Photon eine Polarisationsmessung<br />

aus und schickt ein je nach Ausgang der Messung präpariertes<br />

Ersatzphoton an Bob weiter. Bedingt durch die Verwendung nichtorthogonaler<br />

Zustände ist es Eve jedoch nicht möglich, den Zustand jedes<br />

Photons (mittels Einzelmessung) korrekt zu ermitteln. Wählt Eve wie<br />

Bob ganz zufällig entweder die xy-Basis oder die x ′ y ′ -Basis für ihre<br />

Messung aus, so wird sie bei der Hälfte der ankommenden Photonen in<br />

der falschen Basis messen und ein zufälliges Ergebnis erhalten. Demnach<br />

kommen in 50% der Fälle, in denen der Polarisationszustand des<br />

Basis von Alice × + × × × × × + × × + +<br />

Bitfolge von Alice 1 1 1 1 1 0 0 1 0 1 0 0<br />

Basis von Eve + + × + × + + × × + + +<br />

Bitfolge von Eve 0 1 1 1 1 0 0 1 0 1 0 0<br />

Basis von Bob + + × + × × + × + × + +<br />

Bitfolge von Bob 0 1 1 1 1 1 0 1 1 1 0 0<br />

Vergleich<br />

√ √ √ f<br />

√ √ √<br />

von Alice gesendeten Photons der von Bob gewählten Basis entspricht,<br />

Photonen mit verändertem Polarisationszustand an. Bei wiederum 50%<br />

dieser Photonen erhält Bob ein Ergebnis, das dem ursprünglich von Ali-


236 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

ce gewählten Zustand widerspricht. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein von<br />

Bob empfangenes Bit mit dem von Alice gesendeten übereinstimmt, beträgt<br />

also p=1/4. Die Wahrscheinlichkeit, daß N getestete Bits übereinstimmen,<br />

ist dann p N ,undsomitistdieWahrscheinlichkeit,beieinem<br />

Test von N Bits die Lauscherin Eve zu entdecken,<br />

( ) N 1<br />

prob(Eve) = 1 − p N =1− . (7.96)<br />

4<br />

Bis jetzt wurde stillschweigend angenommen, daß der Übertragungskanal<br />

verlustlos arbeitet und die Detektoren mit Quantenausbeute 1<br />

arbeiten. Dies ist in der Praxis natürlich nicht der Fall. So wird es immer<br />

wieder vorkommen, daß ein von Alice gesendetes Photon von Bob<br />

nicht registriert wird. Diese Ereignisse werden bei der Festlegung des<br />

Schlüssels nicht berücksichtigt.<br />

prob(Eve)<br />

1<br />

0.8<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.2<br />

1 2 3 4 5<br />

N<br />

Verschränkte Qubits<br />

Werden verschränkte Qubits zur Schlüsselübermittlung verwendet, so<br />

stellt der Test der Bellschen Ungleichungen eine elegante Methode dar<br />

einen Lauschangriff zu entdecken. Folgendes Schema kann zur Anwendung<br />

gebracht werden. 21 Eine spezielle Quelle produziert Paare<br />

verschränkter Photonen in Zuständen beispielsweise der Form |Ψ〉 =<br />

2 −1/2 (|0〉⊗|1〉 + |1〉⊗|0〉) [Gleichung(7.40)],diedannvoneinandergetrennt<br />

und zu Alice und Bob geschickt werden. Alice und Bob wählen<br />

21 A.K. Ekert, Phys. Rev. Lett. 67, 667(1991).


7.5. QUANTENKRYPTOGRAPHIE 237<br />

vor jeder Messung zufällig eine von drei Stellungen ihrer polarisierenden<br />

Strahlteiler. In dem in der Tabelle angegeben Beispiel wählt Alice<br />

zwischen den Winkeln θ 1 =π/8, π/4, 3π/8 undBobzwischendenWinkeln<br />

θ 2 =0, π/8, π/4 aus.AnalogdemProtokollmitunverschränkten<br />

Photonen notieren Alice und Bob wieder Orientierung und Resultat je-<br />

Basis von Alice (θ 1 ) 1 8 π 3 8 π 1 4 π 1 8 π 3 8 π 1 4 π 1 4 π 1 4 π 3 8 π 3 8 π 1 8 π 1 4 π<br />

Bitfolge von Alice 0 1 0 1 1 0 1 0 0 1 1 0<br />

Basis von Bob (θ 2 )<br />

1<br />

4 π 0 1 4 π 0 1 8 π 1 4 π 1 8 π 1 8 π 0 1 4 π 1 8 π 1 8 π<br />

Bitfolge von Bob 1 0 1 1 0 1 1 - 1 1 0 0<br />

Differenz |θ 21 |<br />

1<br />

8 π 3 8 π 0 1 8 π 1 4 π 0 1 8 π 1 8 π 3 8 π 1 8 π 0 1 8 π<br />

Klasse B B C B - C B - B B C B<br />

Schlüssel - - 0 - - 0 - - - - 1 -<br />

der Messung. Sämtliche Messungen werden entsprechend der relativen<br />

Orientierung der polarisierenden Strahlteiler in drei Klassen eingeteilt:<br />

(1) Bei paralleler Orientierung ergeben sich korrelierte Ergebnisse,<br />

die im weiteren als Schlüssel verwendet werden können (Klasse C<br />

in der Tabelle).<br />

(2) Messungen mit Winkeldifferenzen |θ 21 | = π/8 und|θ 21 | =3π/8<br />

ermöglichen Tests der Bellschen Ungleichung (7.76) (Klasse B in<br />

der Tabelle). Wird sie verletzt, folgt, daß die von Alice und Bob<br />

registrierten Photonen quantenmechanisch verschränkt sind. Falls<br />

Eve als dritte Person einen Lauschangriff startet, d.h. Photonen<br />

abfängt, diese mißt und entsprechend dem Ergebnis der Messung


238 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

präparierte Ersatzphotonen weiterschickt, so zerstört sie notwendigerweise<br />

die Verschränkung der beiden Photonen und die Bellsche<br />

Ungleichung wird nicht mehr verletzt – Eve ist ertappt.<br />

(3) Messungen mit Differenzen von 45 ◦ und solche, bei denen nur ein<br />

oder kein Photon registriert wird, werden nicht weiter berücksichtigt<br />

(Klasse ”<br />

-“ in der Tabelle).<br />

Die Quantenkryptographie ist die gegenwärtig am weitesten entwickelte<br />

Anwendung auf dem Gebiet der Quantenkommunikation. Bereits<br />

seit 1995 hat sie das Labor verlassen. Experimentell wurde sie<br />

erstmals 1989 demonstriert 22 –dasJahr,dasdamitalsGeburtsstunde<br />

der experimentellen Quantenkommunikation angesehen werden kann.<br />

Das 1989-er Experiment basierte auf Polarisationskodierung mit einzelnen<br />

Photonen und übertrug einen Schlüssel über 30 cm Laufweg.<br />

Tatsächlich wurden in dem Experiment anstelle einzelner Photonen<br />

hinreichend schwache Impulse in kohärenten Zuständen mit mittleren<br />

Photonenzahlen sehr klein im Vergleich zur Eins verwendet. Seit<br />

1995 sind Experimente unter realen Bedingungen, zumindest was Systeme<br />

angeht, die auf Kodierung mit schwachen Impulsen beruhen,<br />

schon fast eine Routineübung geworden, wobei gegenwärtig Entfernungen<br />

von 20 ...30 km mit Übertragungsraten ∼ 10 2 Hz realisiert werden.<br />

Um daraus eine echte Alternative zu klassischen Verfahren zu machen,<br />

müssen insbesondere die Entfernung vergrößert und die Übertragungsrate<br />

erhöht werden.<br />

7.6 Quantenteleportation<br />

Alice sei im Besitz eines Systems in einem bestimmten Zustand, beispielsweise<br />

eines Apparats mit bestimmten Eigenschaften, und es besteht<br />

die Aufgabe, Bob in die Lage zu versetzen, eine identische Kopie<br />

dieses Apparats anzufertigen (ohne daß Alice den Apparat Bob<br />

schickt). Dies kann so geschehen, daß Alice den Apparat (vollständig)<br />

vermißt und die dokumentierten Unterlagen Bob schickt, auf deren<br />

Grundlage Bob aus einem entsprechenden ”<br />

Rohling“ eine Kopie des<br />

22 C. Bennett, G. Brassard, SIGACT News 20, 78(1989).


7.6. QUANTENTELEPORTATION 239<br />

Apparats anfertigt, d.h., alle Eigenschaften des in Alice’ Besitz befindlichen<br />

Apparats auf entsprechende Rohmaterialien überträgt. Für<br />

klassische Objekte ist dies natürlich prinzipiell möglich.<br />

Für Quantenobjekte ändert sich die Situation grundsätzlich. Führt<br />

Alice eine Messung an einem solchen Objekt aus, so wird sein Zustand<br />

im allgemeinen zerstört. Alice benötigt also ein Ensemble identisch<br />

präparierter Objekte (d.h., sie muß die Quelle kontrollieren), um alle<br />

Messungen durchzuführen, die für eine vollständige Rekonstruktion<br />

des Quantenzustands notwendig sind. Es zeigt sich nun, daß es gerade<br />

die Quantenmechanik ist, die es prinzipiell ermöglicht, den Zustand, in<br />

dem das bei Alice befindliche Objekt präpariert ist, auf ein analoges<br />

Objekt bei Bob zu übertragen, ohne daß Alice den Zustand überhaupt<br />

vollständig zu kennen braucht. Dieser überraschende Sachverhalt, der<br />

den Effekt der quantenmechanischen Zustandsverschränkung ausnutzt,<br />

wird als Quantenteleportation bezeichnet und besitzt offensichtlich kein<br />

klassisches Analogon.<br />

Wir wollen das Prinzip am einfachsten Beispiel erläutern, 23 der Teleportation<br />

eines Qubits, und nehmen an, daß das entsprechende 2-Niveausystem<br />

(im folgenden mit dem Index 1 versehen) Alice in einem<br />

ihr unbekannten, allgemeinen Überlagerungszustand<br />

|Ψ〉 T ≡ |Ψ 1 〉 = a|0 1 〉 + b|1 1 〉 (7.97)<br />

angeregt ist. Die Aufgabe von Alice besteht nun darin, Bob in<br />

die Lage zu versetzen, eine identische Kopie dieses ihr zunächst<br />

völlig unbekannten Zustands (auf ein entsprechendes, Bob zugängliches<br />

2-Niveausystem) zu übertragen. Es ist klar, daß dies nicht ohne<br />

Zerstörung des Ausgangszustands möglich sein wird.<br />

Um die Aufgabe zu lösen, benötigt Alice zwei weitere 2-Niveausysteme<br />

(Indizes 2 und 3), die in einem verschränkten Zustand präpariert<br />

sind, beispielsweise<br />

|Φ + 23 〉 = 1 √<br />

2<br />

(|0 2 , 0 3 〉 + |1 2 , 1 3 〉) . (7.98)<br />

23 Das Schema geht auf C. Bennett, G. Brassard, C. Crepeau, R. Jozsa, A. Peres und W. Wootters<br />

zurück [Phys. Rev. Lett. 70, 1895(1993)].Experimentellwurdees(sinngemäß) erstmals von D.<br />

Boschi, S. Branca, F. De Martini, L. Hardy und S. Popescu realisiert [Phys. Rev. Lett. 80, 1121<br />

(1998)].


240 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

Alice<br />

Zustand der Systeme 1 und 2<br />

nach der Messung<br />

|Φ ± |〉, |Ψ ± 〉<br />

Zustand des Systems 3 infolge der<br />

Messung an den Systemen 1 und 2<br />

|Ψ k 3<br />

3<br />

〉<br />

Nachricht an Bob<br />

Bob<br />

1<br />

2<br />

verschränkter Zustand<br />

der Systeme 1, 2 und 3<br />

|Ψ〉 T = Û k |Ψ k 3 〉<br />

1<br />

2<br />

|Ψ 123 〉<br />

3<br />

|Ψ〉 T |Φ +<br />

1<br />

23〉<br />

2 3<br />

zu übertragender Zustand<br />

des Systems 1<br />

verschränkter Zustand<br />

der Systeme 2 und 3<br />

Der Gesamtzustand der drei betrachteten Systeme lautet dann<br />

|Ψ 123 〉 = |Ψ 1 〉⊗|Φ + 23 〉<br />

= a √<br />

2<br />

(|0 1 〉⊗|0 2 , 0 3 〉 + |0 1 〉⊗|1 2 , 1 3 〉)<br />

+ b √<br />

2<br />

(|1 1 〉⊗|0 2 , 0 3 〉 + |1 1 〉⊗|1 2 , 1 3 〉)<br />

= a √<br />

2<br />

(|0 1 , 0 2 〉⊗|0 3 〉 + |0 1 , 1 2 〉⊗|1 3 〉)<br />

+ b √<br />

2<br />

(|1 1 , 0 2 〉⊗|0 3 〉 + |1 1 , 1 2 〉⊗|1 3 〉) . (7.99)<br />

Alice behält System 2 und Bob erhält System 3. Der nächste Schritt<br />

wird sofort klar, wenn der Zustand (7.99) nicht in der Basis der Produktzustände<br />

|k 1 ,l 2 〉 dargestellt wird, sondern in der Bell-Basis der<br />

verschränkten Zustände<br />

|Ψ ± 12 〉≡|Ψ± 〉 = 1 √<br />

2<br />

(|0 1 , 1 2 〉 ±|1 1 , 0 2 〉) , (7.100)<br />

|Φ ± 12 〉≡|Φ± 〉 = 1 √<br />

2<br />

(|0 1 , 0 2 〉 ±|1 1 , 1 2 〉) . (7.101)


7.6. QUANTENTELEPORTATION 241<br />

Mit<br />

|0 1 , 1 2 〉 = 1 √<br />

2<br />

(<br />

|Ψ + 〉 + |Ψ − 〉 ) , (7.102)<br />

|1 1 , 0 2 〉 = 1 √<br />

2<br />

(<br />

|Ψ + 〉−|Ψ − 〉 ) , (7.103)<br />

|0 1 , 0 2 〉 = 1 √<br />

2<br />

(<br />

|Φ + 〉 + |Φ − 〉 ) , (7.104)<br />

|1 1 , 1 2 〉 = 1 √<br />

2<br />

(<br />

|Φ + 〉−|Φ − 〉 ) (7.105)<br />

läßt sich der Zustand (7.99) in der Form<br />

|Ψ 123 〉 = 1 2<br />

[<br />

|Φ + 〉⊗(a|0 3 〉 + b|1 3 〉)+|Ψ + 〉⊗(b|0 3 〉 + a|1 3 〉)<br />

+ |Ψ − 〉⊗(−b|0 3 〉 + a|1 3 〉)+|Φ − 〉⊗(a|0 3 〉−b|1 3 〉) ] (7.106)<br />

aufschreiben.<br />

Führt Alice an den Systemen 1 und 2 eine (Einzel-)Messung in der<br />

Bell-Basis durch, so ist aus (7.106) zu erkennen, daß je nach Ausgang<br />

der Messung das bei Bob befindliche System 3 in einem der folgenden<br />

Zustände |Ψ k 3 〉, k =0, 1, 2, 3, präpariert wird:<br />

Meßergebnis von Alice Zustand von Bobs System<br />

|Φ + 〉 |Ψ 0 3 〉 = a|0 3〉 + b|1 3 〉<br />

|Ψ + 〉 |Ψ 1 3〉 = b|0 3 〉 + a|1 3 〉<br />

|Ψ − 〉 |Ψ 2 3〉 = −b|0 3 〉 + a|1 3 〉<br />

|Φ − 〉 |Ψ 3 3〉 = a|0 3 〉−b|1 3 〉<br />

Teilt Alice Bob das Ergebnis ihrer Messung über einem üblichen (d.h.<br />

klassischen) Nachrichtenkanal mit, so weiß Bob mit Sicherheit, in welchem<br />

der vier Überlagerungszustände |Ψ k 3 〉 sein System 3 präpariert<br />

ist.<br />

Ist das Ergebnis der Messung von Alice der Zustand |Φ + 〉,dannist<br />

der Zustand, in dem sich das System 1 befand, bereits auf das System 3


242 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

übertragen (erste Zeile in der Tabelle), und Bob muß nichts mehr tun.<br />

In den übrigen drei Fällen muß Bob den Zustand noch einer unitären<br />

Transformation unterziehen, um den Ausgangszustand zu erhalten,<br />

|Ψ 3 〉 = |Ψ〉 T = Û k |Ψ k 3 〉. (7.107)<br />

Unitäre Transformationen von (und damit reversible Manipulationen<br />

an) Qubits (oder auch höher dimensionalen Quantenzuständen)<br />

werden (in der Sprache der Quanteninformationsverarbeitung) auch als<br />

logische Quantengatter (Quantum Logical Gates)bezeichnet.Beispielsweise<br />

stellt<br />

ˆP (ϕ) =|0〉〈0| + e iϕ |1〉〈1|. (7.108)<br />

eine Phasenverschiebung für ein einzelnes Qubit dar. Im Hinblick<br />

auf das Zusammenwirkung verschiedener unitärer Transformationen<br />

in komplizierten Netzwerkstrukturen hat es sich als nützlich erwiesen,<br />

bestimmte elementare Quantengatter auch graphisch zu veranschaulichen.<br />

Einfache Beispiele für Quantengatter für ein einzelnes Qubit<br />

sind 24<br />

Î = |0〉〈0| + |1〉〈1|<br />

I<br />

(Identität),<br />

ˆX = |0〉〈1| + |1〉〈0|<br />

X<br />

(Negation, NOT-Gatter),<br />

Ŷ = |0〉〈1| − |1〉〈0|<br />

Ẑ = |0〉〈0| − |1〉〈1|<br />

Y<br />

Z<br />

(7.109)<br />

[Ẑ = ˆP (π)=− ˆXŶ = Ŷ ˆX]. Eine weitere wichtige Transformation ist die<br />

Hadamard-Transformation<br />

Ĥ = 1 √<br />

2<br />

[ (|0〉<br />

+ |1〉)〈0| +<br />

(<br />

|0〉−|1〉)〈1|<br />

]. (7.110)<br />

Ferner seien ”<br />

bedingte“ Transformationen – sogenannte kontrollierte<br />

Quantengatter (Controlled Quantum Gates) –vomTyp<br />

Ĉ VU = |0 1 〉〈0 1 | ⊗ ˆV 2 + |1 1 〉〈1 1 | ⊗ Û2 (7.111)<br />

genannt, die auf ein Paar von Qubits wirken, wobei ˆV 2 und Û2 gewisse<br />

logische Quantengatter für ein einzelnes Qubit darstellen. Der Grad der<br />

24 Die Quantengatter Î, ˆX und Ŷ bilden eine Gruppe mit der Multiplikation als Verknüpfungsrelation.


7.6. QUANTENTELEPORTATION 243<br />

Wirkung von ˆV 2 und Û2 auf das zweite Qubit hängt offensichtlich vom<br />

Zustand des ersten Qubits ab. Mit ˆV 2 = Î2 und Û2 = ˆX 2 ergibt sich das<br />

kontrollierte NOT-Gatter (CNOT),<br />

Ĉ 12<br />

NOT = |0 1 〉〈0 1 | ⊗ Î2 + |1 1 〉〈1 1 | ⊗ ˆX 2 (7.112)<br />

(das Symbol • bezieht sich auf das erste und das Symbol ⊕ auf das<br />

zweite Qubit).<br />

Kehren wir zu unserem Ausgangsproblem zurück. Wie man sich<br />

leicht überzeugt, lauten die in diesem Fall für k =1, 2, 3in(7.107)<br />

benötigten unitären Transformationen Û k wie folgt:<br />

Û 1 = ˆX, Û 2 = Ŷ, Û 3 = Ẑ. (7.113)<br />

Wir wollen die einzelnen Schritte des Schemas im Hinblick auf die<br />

benötigten logischen Quantengatter in einem entsprechenden Netzwerk<br />

noch einmal zusammenfassen, und zwar unter Zugrundelegung einer festen<br />

Basis |0〉, |1〉 für jedes System.<br />

• Um den Zustand |Ψ〉 T [Gleichung (7.97)] eines Systems zu übertragen,<br />

werden zunächst zwei weitere Systeme in einem verschränkten<br />

Zustand präpariert. Befinden sich die beiden Systeme<br />

anfangs im Zustand |0 2 〉⊗|0 3 〉,sokannspeziellderZustand|Φ + 23 〉<br />

in (7.98) wie folgt erzeugt werden:<br />

|Φ + 23 〉 = Ĉ23 NOT(Ĥ2 ⊗ Î3)(<br />

|02 〉⊗|0 3 〉 ) . (7.114)<br />

• Alice erhält (zusammen mit dem System 1) das System 2 und Bob<br />

das System 3. Damit kann Alice die ersten beiden Bits und Bob<br />

das letzte Bit des Gesamtzustands |Ψ 123 〉 in (7.99) kontrollieren.<br />

Wendet Alice als nächstes auf |Ψ 123 〉 die unitären Transformationen<br />

( Ĥ 1 ⊗Î2 ⊗Î3)(Ĉ12<br />

⊗Î3)<br />

NOT an, so ergibt sich, wie eine einfache<br />

Rechnung zeigt,<br />

(Ĥ1 ⊗ Î2 ⊗ Î3)(Ĉ12<br />

NOT ⊗ Î3)<br />

|Ψ123 〉<br />

= 1 2(<br />

|01 , 0 2 〉⊗|Ψ 0 3 〉 + |0 1, 1 2 〉⊗|Ψ 1 3 〉<br />

+ |1 1 , 1 2 〉⊗|Ψ 2 3〉 + |1 1 , 0 2 〉⊗|Ψ 3 3〉 ) . (7.115)


244 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

• Nunmehr mißt Alice die ersten beiden Bits und erhält (mit jeweils<br />

gleicher Wahrscheinlichkeit) eines der folgenden Ergebnisse:<br />

|0 1 , 0 2 〉, |0 1 , 1 2 〉, |1 1 , 1 2 〉, |1 1 , 0 2 〉.Denmöglichen Meßergebnissen<br />

von Alice entsprechen (in der angegebenen Reihenfolge) die folgenden<br />

Zustände, auf die infolge der Messung der Zustand von<br />

Bobs System projiziert wird: |Ψ 0 3〉, |Ψ 1 3〉, |Ψ 2 3〉, |Ψ 3 3〉. Über diesen<br />

Quantenkanal wird Bobs System in einem Zustand präpariert,<br />

der einen Teil der Information über den zu übertragenden Quantenzustand<br />

enthält.<br />

• Wenn Bob schließlich das Meßergebnis von Alice in Form zweier<br />

klassischer Bits erfährt, weiß er, in welchem der Zustände |Ψ k 3 〉<br />

sein System präpariert ist. Er braucht nur noch eine der Transformationen<br />

Î, ˆX, Ŷ , Ẑ (in der angegebenen Reihenfolge) auf den<br />

Zustand seines Systems anzuwenden, um ihn in Alice’ Ausgangszustand<br />

zu überführen.<br />

Es ist klar, daß sich das System 1 nach der von Alice durchgeführten<br />

Messung nicht mehr im Zustand |Ψ〉 T befindet. Die Übertragung<br />

des Zustands auf das bei Bob befindliche System ist also mit einer<br />

Zerstörung des Zustands des bei Alice befindlichen Systems verbunden.<br />

Im allgeimen müssen die drei Systeme nicht von der gleichen Art<br />

sein, sondern es kommt nur darauf an, daß die Zustandsräume einander<br />

entsprechen und die Zustände der Systeme (über geeignete Wechselwirkungen)<br />

verschränkt werden können. Es ist unschwer zu sehen, daß sich<br />

die Systeme 1 und 2 nicht unbedingt in dem (maximal) verschränkten<br />

Zustand (7.98) befinden müssen. So kann insbesondere jeder (maximal<br />

verschränkte) Zustand der Bell-Basis verwendet werden.<br />

Die Informationsübermittlung bei Quantenteleportation geschieht<br />

also in zweifacher Hinsicht, zum einen auf dem üblichen klassischen Weg<br />

der Informationsübermittlung von Alice’ Meßwerten an Bob und zum<br />

anderen mittels quantenmechanischer Zustandsverschränkung. Man<br />

spricht in diesem Zusammenhang auch von klassischer Information und<br />

Quanteninformation und entsprechend von einem klassischen Informationskanal<br />

und einem Quanteninformationskanal (auch EPR-Kanal genannt).


7.6. QUANTENTELEPORTATION 245<br />

Kontinuierliche Variablen<br />

Wir wollen am Beispiel von Strahlungsfeldmoden kurz skizzieren, wie<br />

sich das besprochene Scheme (zumindest in der Tendenz) auf Zustände<br />

in unendlich dimensionalen Hilbert-Räumen verallgemeinern läßt, wobei<br />

wir die entsprechenden Zustände durch ihre Wigner-Funktionen<br />

darstellen wollen. Es sei W in (γ) dieWigner-Funktiondeszuübertragenden<br />

Zustands der Signalmode und W E out(α, β) dieWigner-Funktion<br />

des verschränkten Zustands zweier Moden, von denen eine (Variable α)<br />

Alice und die andere (Variable β)BobzurVerfügung steht. Die Wigner-<br />

Funktion des Zustands des insgesamt betrachteten aus drei Moden bestehenden<br />

Gesamtsystems lautet dann<br />

W (γ, α, β) =W in (γ) W E (α, β). (7.116)<br />

Mittels eines 50%:50%-Strahlteilers mischt Alice in einem ersten<br />

Schritt die Signalmode mit der ihr zur Verfügung stehenden Mode des<br />

verschränkten 2-Moden-Systems. Nehmen wir einen verlustlos arbeitenden<br />

Strahlteiler an, und wenden wir das Transformationgesetz (5.52)<br />

an, so geht die Wigner-Funktion (7.116) in<br />

( ) ( )<br />

µ − ν µ + ν<br />

W (µ, ν, β) =W in √ W E √ , β (7.117)<br />

2 2<br />

über.<br />

In einem zweiten Schritt führt Alice an ihren beiden Ausgangsmoden<br />

(Variablen µ und ν) jeweilseine(einzelne)4-Kanal-Homodyne-<br />

Messung durch, wobei ein gewisser Wert µ R des Realteils von µ und<br />

ein gewisser Wert ν I des Imaginärteils von ν registriert wird. Für den<br />

Zustand von Bob’s Mode bedeutet dies Reduktion auf einen Zustand,<br />

dessen Wigner-Funktion<br />

W (β|µ R , ν I )=<br />

1<br />

P (µ R , ν I )<br />

∫<br />

dν R<br />

∫<br />

dµ I W (µ, ν, β) (7.118)<br />

lautet, wobei<br />

P (µ R , ν I )=<br />

∫<br />

dν R<br />

∫<br />

dµ I<br />

∫<br />

d 2 β W (µ, ν, β) (7.119)


246 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

die Wahrscheinlichkeitsdichte ist, die Werte µ R und ν I zu messen (vgl.<br />

Abschnitt 6.2.2). Mit (7.117) folgt aus (7.118)<br />

W (β|µ R , ν I )=<br />

∫<br />

×<br />

dν R<br />

∫<br />

Mit der Variablensubstitution<br />

1<br />

P (µ R , ν I )<br />

( ) ( µ − ν µ + ν<br />

dµ I W in √ W E √ , β<br />

2 2<br />

)<br />

. (7.120)<br />

γ =(µ − ν) / √ 2, γ ′ = √ 2(µ R − iν I ) (7.121)<br />

wird daraus [P (µ R , ν I )/2 ↦→ P (γ ′ )]<br />

W (β|γ ′ )= 1 ∫<br />

d 2 γ W<br />

P (γ ′ in (γ) W E (γ ′∗ −γ ∗ , β). (7.122)<br />

)<br />

In Abhängigkeit der von Alice registrierten und an Bob (über einen<br />

klassischen Informationskanal) übermittelten Meßwerte führt Bob eine<br />

kohärente Verschiebung des Quantenzustands seiner Mode durch,<br />

in deren Ergebnis die Wigner-Funktion (7.122) in die Wigner-Funktion<br />

W (β − ∆(γ ′ )|γ ′ ) übergeht. Wir wollen uns nicht für ein spezielles Meßergebnis<br />

interessieren und mitteln deshalb über alle möglichen Meßergebnisse.<br />

Die Wigner-Funktion des (gemittelten) teleportierten Quantezustands<br />

lautet somit<br />

∫<br />

W out (β) = d 2 γ ′ P (γ ′ ) W (β − ∆(γ ′ )|γ ′ )<br />

∫<br />

∫<br />

= d 2 γ W in (γ) d 2 γ ′ W E( γ ′∗ −γ ∗ , β−∆(γ ′ ) ) . (7.123)<br />

Wir wollen als verschränkten 2-Moden-Zustand ein gequetschtes Vakuum<br />

Ŝ|0, 0〉 [Gleichung (2.199), ξ 12 ↦→ ξ] annehmen,dessenWigner-<br />

Funktion die Gestalt<br />

W E (α, β) = 4 π 2 exp[ −2 ( |α| 2 + |β| 2) cosh |2ξ|<br />

+2 ( e −iϕ ξ<br />

αβ + e iϕ ξ<br />

α ∗ β ∗) sinh |2ξ| ] (7.124)


7.6. QUANTENTELEPORTATION 247<br />

besitzt (ξ = |ξ|e iϕ ξ<br />

-Quetschungsparameter).Spezifizierenwirinder<br />

Gleichung (7.123) die kohärente Verschiebung gemäß<br />

∆(γ ′ )=e iϕ ξ<br />

γ ′ , (7.125)<br />

so erhalten wir unter Verwendung von (7.124) nach Ausführung der<br />

γ ′ -Integration in genannter Gleichung das Ergebnis<br />

W out (βe iϕ ξ<br />

)= 1 ∫<br />

2πσ<br />

)<br />

d 2 γ W in (γ)exp<br />

(− |γ−β|2<br />

2σ<br />

(7.126)<br />

mit<br />

σ = 1 2 e−2|ξ| . (7.127)<br />

Wir sehen, daß in der Grenze unendlich großer Verschränkung (hier<br />

mit unendlich großer Quetschung identisch) der teleportierte Quantenzustand<br />

in den Signalquantenzustand übergeht (ϕ ξ =0),<br />

lim σ =0 ❀ lim W out(βe iϕ ξ<br />

)=W in (β). (7.128)<br />

|ξ|→∞ |ξ|→∞<br />

Dense Coding<br />

Kehren wir zu unseren Qubit-Systemen zurück. Um in dem auf Seite<br />

240 skizzierten Teleportationsschema ein Qubit zu übertragen, wird<br />

ein Ebit erzeugt, und es wird eine klassische 2-Bit-Nachricht übermittelt.<br />

In abgewandelter Form gestattet das Schema, zwei klassische Bits<br />

zu übermitteln, indem ein Ebit erzeugt wird und nur ein Qubit übermittelt<br />

wird. 25 Nehmen wir wieder an, daß sich Alice und Bob einen<br />

verschränkten Zustand von der Art des Zustandes (7.98) teilen,<br />

|Ψ 12 〉 = |Φ + 12 〉≡|Φ+ 〉 = 1 √<br />

2<br />

(|0 1 , 0 2 〉 + |1 1 , 1 2 〉) . (7.129)<br />

Wir wollen den vier möglichen Bitfolgen die Zahlen k =0, 1, 2, 3zuordnen.<br />

Alice kann diese mit Hilfe ihres Qubits verschlüsseln, indem<br />

sie es gemäß der Tabelle transformiert und einen neuen verschränkten<br />

Zustand |Ψ k 12〉 der Systeme 1 und 2 erzeugt:<br />

25 C. Bennett, S. Wiesner, Phys. Rev. Lett. 69, 2881(1992).


248 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

Bitfolge Transformation Zustand |Ψ k 12 〉<br />

00 Î 1 ⊗ Î2|Ψ 12 〉 |Ψ 0 12〉 =2 − 1 2 (|01 , 0 2 〉 + |1 1 , 1 2 〉)<br />

01 ˆX1 ⊗ Î2|Ψ 12 〉 |Ψ 1 12〉 =2 − 1 2 (|11 , 0 2 〉 + |0 1 , 1 2 〉)<br />

11 Ŷ 1 ⊗ Î2|Ψ 12 〉 |Ψ 2 12〉 =2 − 1 2 (|01 , 1 2 〉−|1 1 , 0 2 〉)<br />

10 Ẑ 1 ⊗ Î2|Ψ 12 〉 |Ψ 3 12〉 =2 − 1 2 (|01 , 0 2 〉−|1 1 , 1 2 〉)<br />

Im Anschluß schickt Alice ihr so präpariertes System Bob. Die Aufgabe<br />

von Bob besteht nun darin, die in dem verschränkten Zustand |Ψ k 12〉,<br />

in dem ihm die beiden Systeme vorliegen, enthaltene 2-Bit-Nachricht<br />

von Alice zu entschlüsseln. Zu diesem Zweck wendet er zunächst ĈNOT<br />

auf |Ψ k 12 〉 an, um die Verschränkung aufzuheben. Anschließend kann er<br />

das zweite Qubit messen, ohne das erste zu stören (siehe die folgende<br />

Tabelle).<br />

Zustand CNOT Zweites Bit<br />

|Ψ 0 12 〉 Ĉ NOT |Ψ 0 12 〉 =2− 1 2(|0 1 〉 + |1 1 〉) ⊗ |0 2 〉 0<br />

|Ψ 1 12 〉 Ĉ NOT |Ψ 1 12 〉 =2− 1 2(|0 1 〉 + |1 1 〉) ⊗ |1 2 〉 1<br />

|Ψ 2 12 〉 Ĉ NOT |Ψ 2 12 〉 =2− 1 2(|0 1 〉−|1 1 〉) ⊗ |1 2 〉 1<br />

|Ψ 3 12 〉 Ĉ NOT |Ψ 2 12 〉 =2− 1 2 (|01 〉−|1 1 〉) ⊗ |0 2 〉 0<br />

Im letzten Schritt unterwirft er das erste Qubit einer Hadamard-<br />

Transformation und mißt es im Anschluß: Damit kann Bob auch das<br />

erste Bit festlegen und somit ist Alice’ Nachricht entschlüsselt (siehe<br />

die folgende Tabelle).<br />

Verschränkungsreinigung<br />

H-Transformation<br />

Erstes Bit<br />

2 − 1 2 Ĥ(|01 〉 + |1 1 〉)=|0 1 〉 0<br />

2 − 1 2Ĥ(|0 1 〉 + |1 1 〉)=|0 1 〉 0<br />

2 − 1 2Ĥ(|0 1 〉−|1 1 〉)=|1 1 〉 1<br />

2 − 1 2Ĥ(|0 1 〉−|1 1 〉)=|1 1 〉 1<br />

Ziel der Quantenkommunikation ist es, Quanteninformation möglichst<br />

unverfälscht zu übertragen. Im allgemeinen findet die Quantenkommunikation<br />

jedoch durch ein Medium statt, das mit den Informationsträgern<br />

wechselwirkt. So kommt es beispielsweise beim Durchgang von


7.6. QUANTENTELEPORTATION 249<br />

Photonen durch eine Glasfaser in der Praxis immer zu einer Reihe von<br />

Störungen. Ein solches System läßt sich daher als verrauschter und<br />

dissipativer Quantenkanal auffassen. Schickt Alice Bob Qubits durch<br />

einen derartigen Kanal, so erhält Bob anstelle eines (reinen) Ausgangszustands<br />

|Ψ〉 i. allg. einen durch einen Dichteoperator ˆϱ zu beschreibenden<br />

gemischten Zustand, der mit dem ursprünglichen Zustand nicht<br />

mehr genau übereinstimmt, ˆϱ≠ |Ψ〉〈Ψ|. DiequantenmechanischeÜberlappung<br />

F = 〈Ψ|ˆϱ|Ψ〉 (7.130)<br />

kann dabei als Maß für die Güte (Fidelity) derZustandsübertragung<br />

angesehen werden. Offensichtlich bedeutet F ≃ 1nahezuperfekteZustandsübertragung.<br />

Störungen erzeugen in der Regel aus reinen Zuständen Gemische<br />

von Zuständen und reduzieren den Grad der Verschränkung. Dem kann<br />

mit einer sogenannten Verschränkungsreinigung (Purification) begegnet<br />

werden, bei der aus einem Ensemble vieler Zustandspaare ˆϱ 12 ein<br />

hochverschränktes Paar destilliert wird (Distillation). 26 Die Methode<br />

ist anwendbar, falls Ausgangspaare der Güte F>1/2 zurVerfügung<br />

stehen (F =〈Ψ 12 |ˆϱ 12 |Ψ 12 〉). Nehmen wir also an, daß Alice und Bob ein<br />

Ensemble von EPR-Paaren mit Güte F>1/2 besitzen.Eintypischer<br />

Reinigungsschritt besteht darin, daß Alice und Bob an jeweils zwei Paaren<br />

eine Folge von lokalen unitären Operationen (z.B. CNOT-Gatter)<br />

durchführen und anschließend den Zustand der Teilchen eines Paares<br />

messen. Am Ende vergleichen Alice und Bob ihre Meßergebnisse. Aus<br />

der Übereinstimmung bzw. Nichtübereinstimmung der Meßergebnisse<br />

kann auf die Güte des verbleibenden Paars geschlossen und gegebenenfalls<br />

ein Paar höherer Güte selektiert werden. Die genaue Sequenz von<br />

Operationen und Messungen wird durch das sogenannte Reinigungsprotokoll<br />

festgelegt. Durch iterierte Anwendung des Protokolls kann so<br />

aus einem anfänglichen Ensemble von EPR-Paaren niedriger Güte ein<br />

Subensemble von Paaren hoher Güte destilliert werden. In der Literatur<br />

sind eine Reihe von Reinigungsprotokollen bekannt, die sich vor<br />

allem durch ihre Effizienz unterscheiden.<br />

26 C.H. Bennett et al., Phys. Rev. Lett. 76, 722(1996).


250 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

Quantenrepeater<br />

Für das Beispiel der Übertragung von photonischen Qubits mittels<br />

Glasfasern kann man auf Grund von Verlusten F ∼exp(−l/l 0 )erwarten<br />

(l - Übertragungslänge, l 0 - Kohärenzlänge), wobei in typischen Experimenten<br />

l 0 ∼ 10 − 20 km ist. 27 Damit bedeutet F ∼ exp(−l/l 0 ) > 1/2,<br />

daß eine Verschränkungsreinigung nur anwendbar ist für Übertragungslängen<br />

der Größenordnung l 0 .Quantenkommunikationüber große<br />

Entfernungen l ≫ l 0 erfordert den Einsatz von Quantenrepeatern. Ein<br />

naheliegender Ansatz für einen Quantenrepeater besteht darin, einen<br />

Kanal der Länge l zunächst in N kürzere Segmente der Länge l s = l/N<br />

zu unterteilen. Die Länge ist dabei so gewählt, daß es möglich wird,<br />

über diese Segmente EPR-Paare der Güte F>1/2 zuerzeugen,die<br />

anschließend auf einen hohen Wert F ∼ 1gereinigtwerden.Ineinem<br />

zweiten Schritt werden die so erzeugten Paare mittels Teleportation<br />

zu einem einzigen EPR-Paar über die Distanz l verbunden. Die Teleportation<br />

bewirkt dabei einen Verschränkungstransfer (Entanglement<br />

Swapping), bei dem die Verschränkung zwischen zwei Teilchen auf weiter<br />

entfernte Teilchen übertragen wird. 28<br />

Für perfekt gereinigte Paare und für eine ideale Implementierung<br />

der Teleportation wäre damit das Problem gelöst. Für jedes reale System<br />

ist dies aber nicht der Fall, denn ein perfektes EPR-Paar kann<br />

durch Verschränkungsreinigung nicht erzeugt werden, da die Operationen,<br />

aus denen das Reinigungsprotokoll besteht, selbst bis zu einem<br />

gewissen Grad verrauscht sind. Für viele Anwendungen ist dies kein wesentliches<br />

Hindernis, solange die maximal erreichbare Güte nahe bei 1<br />

liegt. Beim Quantenrepeater führt dies jedoch dazu, daß mit jedem Verschränkungstransfer<br />

die Güte der Verschränkung abnimmt. Die Güte<br />

F N des am Ende erhaltenen Paars skaliert dadurch wieder exponentiell,<br />

d.h. F N ∼ exp(−N). Man hat durch diese Methode also scheinbar<br />

nichts gewonnen.<br />

Die Lösung des Problems besteht nun darin, daß nach einer gewissen<br />

Anzahl von Schritten die erhaltenen Paare wieder auf einen hohen Wert<br />

27 In diesem Fall entspricht l 0 der üblichen (klassischen) Absorptionslänge. Handelt es sich um<br />

Zustände in höherdimensionalen Hilbert-Räumen, verkürzt sich l 0 drastisch.<br />

28 Durch die Teleportation des Zustands eines Systems, der bereits mit dem Zustand eines zweiten<br />

Systems verschränkt ist, auf ein drittes Systems wird diese Verschränkung offensichtlich mit<br />

übertragen.


7.6. QUANTENTELEPORTATION 251<br />

der Güte nachgereinigt werden. Die Übertragung von Verschränkung<br />

auf sehr weit entfernte Teilchen wird dann durch eine alternierende Sequenz<br />

von Transfer- und Reinigungsschritten erreicht. Dabei werden<br />

die Protokolle der Verschränkungsreinigung und des Verschränkungstransfers<br />

zu einem Protokoll (Nested Entanglement Purification) synthetisiert.<br />

Für einen aus vier Segmenten bestehenden Kanal sieht der<br />

1<br />

2<br />

3<br />

F 0 F 0 F 0 F 0<br />

Reinigung<br />

F 1 F 1 F 1 F 1<br />

Verschränkungstransfer<br />

F 0 F 0<br />

Reinigung<br />

F 1 F 1<br />

Verschränkungstransfer<br />

F 0<br />

Reinigung<br />

F 0<br />

Prozeß beispielsweise wie in der Abbildung skizziert aus:<br />

1. Über jedes der vier Segmente wird gleichzeitig ein Ensemble von<br />

EPR-Paaren der Güte F 0 > 1/2 erzeugt.DurchVerschränkungsreinigung<br />

wird aus jedem Ensemble ein Subensemble von Paaren<br />

hoher Güte F 1 destilliert. Anschließend werden diese gereinigten<br />

Paare mitttels Verschränkungstransfer paarweise verbunden. Am<br />

Ende der Prozedur erhält man zwei Subensembles von Paaren der<br />

Güte F 0 mit doppelter Länge.<br />

2. Die Prozedur wird mit den längeren Paaren wiederholt, wodurch<br />

man ein noch kleineres Subensemble von Paaren der Güte F 0 mit<br />

der vierfachen ursprünglichen Länge erhält.


252 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

3. Aus den erhaltenen Paaren werden Paare der Güte F 1 destilliert.<br />

Durch den beschriebenen Prozeß werden Quantenkorrelationen, die<br />

über kurze Distanzen bestehen, sukzessive zu Quantenkorrelationen<br />

verknüpft, die sich schließlich über den gesamten Kanal erstrecken.<br />

7.7 Quantencomputer<br />

Denkbar ist, das quantenmechanische Superpositionsprinzip auch in<br />

der Rechentechnik einzusetzen und entsprechende Computer – auch<br />

Quantencomputer genannt – zu bauen. Ihre Funktionsweise ist qualitativ<br />

verschieden von der herkömmlicher Computer. Ein Quantencomputer<br />

realisiert eine Menge von N Qubits mit folgenden Operationen: 29<br />

• Jedes Qubit kann in einem wohldefinierten Zustand |0〉 präpariert<br />

werden.<br />

• Jedes Qubit kann in der Basis |0〉, |1〉 gemessen werden.<br />

• Die (zeitliche) Entwicklung der Qubits ist unitär.<br />

• In jeder Untermenge von Qubits können beliebige unitäre Transformationen<br />

ausgeführt werden, d.h., es kann jeder Zustand in<br />

jeden anderen Zustand überführt werden.<br />

Dieses Computermodell entspricht einem Netzwerk, in welchem in einer<br />

gewissen zeitlichen Abfolge Sätze von Qubits unitären Transformationen<br />

unterzogen werden. Während in einem üblichen elektronischklassischen<br />

Computer die logischen Schaltkreise über Leiterplatten<br />

räumlich verteilt sind, stellen im obigen Modell eines Quantencomputers<br />

die logischen Quantengatter typischerweise zeitlich kontrollierte<br />

Wechselwirkungen von räumlich fixierten Qubits dar.<br />

Die Forderung, alle möglichen unitären Transformationen von n<br />

Qubits zu realisieren scheint auf den ersten Blick schwer erfüllbar zu<br />

sein. Es kann jedoch gezeigt werden, daß(bisaufirrelevantePhasenfaktoren)<br />

jede unitäre Transformation von n Qubits (N ≥ n ≥ 2) in<br />

29 D. Deutsch, Proc. Roy. Soc. Lond. A 400, 97 (1985).


7.7. QUANTENCOMPUTER 253<br />

2-Qubit-Transformationen vom Typ ĈNOT gemäß (7.112) und (verallgemeinerte)<br />

1-Qubit-Drehungen<br />

Û(θ, ϕ) =cosθ |0〉〈0| − e iϕ sin θ |0〉〈1| + e −iϕ sin θ |1〉〈0| +cosθ |1〉〈1|<br />

(7.131)<br />

zerlegt werden kann. Man bezeichnet dieses Paar von Transformationen<br />

deshalb auch als universelles logisches Quantengatter. Mittelsseiner<br />

wiederholten Anwendung auf verschiedene Kombinationen von Qubits<br />

kann die Wirkung eines beliebigen Quantengatters erzeugt werden.<br />

Betrachten wir 2n Qubits. Nach Obigem können ihnen 2 2n beliebige<br />

Zahlen zugeordnet werden. Insbesondere können jeweils n Qubits<br />

den 2 n Argumenten x (X-Register) und den 2 n Funktionswerten y (Y -<br />

Register) einer beliebigen Funktion y = f(x) zugeordnetwerden. 30 Betrachten<br />

wir beispielsweise das X-Register, das sich anfangs im Zustand<br />

|0〉 ≡|0 1 〉⊗|0 2 〉⊗...⊗ |0 n 〉 = |0 1 , 0 2 ,...,0 n 〉 (7.132)<br />

befinden möge. Anwenden der Hadamard-Transformation auf jedes<br />

Qubit erzeugt einen Überlagerungszustand bestehend aus 2 n<br />

Zuständen, die als Binärdarstellungen aller ganzen Zahlen von 0<br />

bis 2 n − 1angesehenwerdenkönnen und die x-Werte repräsentieren<br />

mögen,<br />

Ĥ 1 |0 1 〉⊗Ĥ2|0 2 〉⊗...⊗ Ĥn|0 n 〉<br />

= 1 √<br />

2<br />

n [(|0 1〉 + |1 1 〉) ⊗ (|0 2 〉 + |1 2 〉) ⊗ ...⊗ (|0 n 〉 + |1 n 〉)]<br />

= √ 1 (<br />

|01 , 0 2 ,...,0 n 〉 + |0 1 , 0 2 ,...,1 n 〉 + ···+ |1 1 , 1 2 ,...,1 n 〉 )<br />

2<br />

n<br />

= √ 1<br />

2∑<br />

n −1<br />

|x〉. (7.133)<br />

2<br />

n<br />

x=0<br />

Es sei Ûf die unitäre Transformation, die die Funktion f(x) erzeugt,<br />

Û f (|x〉⊗|0〉) ≡ Ûf|x, 0〉 = |x, f(x)〉. (7.134)<br />

Wird für jeden der Zustände |x〉 der n Qubits diese Operation ausgeführt,<br />

können der Reihe nach alle Funktionswerte realisiert werden.<br />

30 Unter einem Register (bzw. Registerzustand) wird das direkte Produkt von Qubits verstanden.


254 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

Insgesamt muß die Transformation also 2 n mal angewendet werden.<br />

Dies entspricht genau der Situation eines klassischen Computers. Wenn<br />

sich die n Qubits allerdings in einem Superpositionszustand befinden,<br />

dann bedeutet die Anwendung der Transformation auf diesen Zustand,<br />

daß sie (wegen der Linearität) simultan auf alle in dem Überlagerungszustand<br />

enthaltenen Zustände wirkt und gewissermaßen eine Überlagerung<br />

der einzelnen Ergebnisse erzeugt wird. Enthält der Überlagerungszustand<br />

alle x-Werte, liefert die einmalige Anwendung der Transformation<br />

auf diesen den neuen Überlagerungszustand<br />

(<br />

1<br />

Û f √<br />

2<br />

n<br />

2∑<br />

n −1<br />

x=0<br />

)<br />

|x, 0〉 = √ 1<br />

2∑<br />

n −1<br />

Û f |x, 0〉 = 1<br />

2∑<br />

n −1<br />

√ |x, f(x)〉,<br />

2<br />

n<br />

2<br />

n<br />

x=0<br />

(7.135)<br />

der simultan die Funktionswerte für alle 2 n Argumente enthält. Dieser<br />

Effekt, der es gestattet, eine exponentielle Anzahl von Funktionsberechnungen<br />

innerhalb einer Zeit durchzuführen, die klassisch für eine einzige<br />

Funktionsberechnung erforderlich ist, wird auch Quantenparallelismus<br />

(Quantum Parallelism) genannt.DasProblembestehtallerdingsdarin,<br />

daß von allen diesen in einem Schritt berechneten Funktionswerten<br />

nur einer wieder ausgelesen werden kann, da bei der entsprechendenden<br />

Messung der Zustand zerstört wird und damit sämtliche Information<br />

über die übrigen Funktionswerte verlorengeht. Im Ergebnis ist also im<br />

Vergleich mit einem klassischen Computer nichts gewonnen, und es<br />

liegt nahe zu fragen, ob es überhaupt sinnvolle Rechenprobleme gibt,<br />

die ein Quantencomputer (zumindest im Prinzip) besser lösen kann<br />

als ein klassischer Computer. Es gibt sie tatsächlich, wie das folgende<br />

Beispiel zeigt; doch sind sie nicht leicht zu finden.<br />

Der Algorithmus von Shor 31<br />

Zu den Problemen, die einQuantencomputergrundsätzlich besser lösen<br />

könnte als ein klassischer Computer zählt das Problem der Bestimmung<br />

der Periode einer Funktion. Es sei f(x) eineperiodischeFunktionmit<br />

der Periode r, d.h.,f(x + r)=f(x), Wenn angenommen werden kann,<br />

daß die Funktion für 2 n Werte von x berechnet werden muß, um die Periode<br />

zu bestimmen, wird zur Lösung des Problems ein Arbeitsspeicher<br />

31 P. Shor, in Proceedings 35th Annual Symposium on Foundations of Computer Science (Santa<br />

Fe, 1994), S. 124.<br />

x=0


7.7. QUANTENCOMPUTER 255<br />

für 2n Qubits benötigt.<br />

• Die 2n Qubits werden in zwei Register – das X- und das Y -<br />

Register – zu je n Qubits aufgeteilt. Beide Registerbefindensich<br />

anfangs im Zustand |0〉. NunmehrwirdĤ auf jedes Qubit des<br />

X-Registers angewendet und damit gemäß Gleichung (7.133) der<br />

(Gesamt-)Zustand<br />

|Φ XY 〉 = √ 1<br />

2∑<br />

n −1<br />

|x, 0〉 (7.136)<br />

2<br />

n<br />

erzeugt, wobei wir wieder annehmen wollen, daß x alle ganzen<br />

Zahlen im Intervall 0 ≤ x


256 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

Auf Grund der Periodizität der Funktion f(x) stelltderZustand<br />

des X-Register also eine kohärente Überlagerung von M ≃ 2 n /r<br />

Zuständen dar.<br />

• Um die Periodizität r zu bestimmen, kann eine (diskrete) Fourier-<br />

Transformation auf den Zustand (7.138) des X-Registers angewendet<br />

werden, und im Anschluß daran kann gemessen werden.<br />

Auf einen Zustand |x〉 angewendet, liefert sie den Zustand 32<br />

Û FT |x〉 = √ 1<br />

2∑<br />

n −1 (<br />

exp i 2π )<br />

2<br />

n 2 xq |q〉. (7.140)<br />

n<br />

q=0<br />

Bezüglich des Zustands (7.138) erhalten wir also [mit (7.139)]<br />

Û FT |Ψ X 〉 =<br />

√<br />

M<br />

2 n<br />

2∑<br />

n −1<br />

q=0<br />

(<br />

exp i 2π 1<br />

2 x n 0 q)<br />

M<br />

M−1<br />

∑<br />

j=0<br />

(<br />

exp i 2πqr )<br />

2 j |q〉.<br />

n<br />

(7.141)<br />

Wir wollen der Einfachheit halber hier annehmen, daß r ein Teiler<br />

von 2 n ist, d.h. M =2 n /r.IndiesemFallgilt(m =0, 1, 2,...,r− 1)<br />

1<br />

M<br />

M−1<br />

∑<br />

j=0<br />

und aus (7.141) wird<br />

(<br />

exp i 2πqr )<br />

2 j =<br />

n<br />

Û FT |Ψ X 〉 = 1 √ r<br />

∑<br />

q=m2 n /r<br />

⎧<br />

⎨<br />

⎩<br />

1 wenn qr<br />

2 n = m,<br />

0 sonst,<br />

(7.142)<br />

(<br />

exp i 2π )<br />

2 x n 0 q |q〉. (7.143)<br />

Eine Messung des X-Registers liefert dann einen der Zustände<br />

|q〉 – etwa den Zustand |q = k〉. Wirhabenalsok = m2 n /r (mit<br />

unbekanntem m), woraus das Verhältnis<br />

r<br />

m = 2n<br />

k<br />

(7.144)<br />

32 Der Zustand |x〉 kann ebenfalls als Ergebnis einer Fourier-Transformation aufgefaßt werden:<br />

|x〉 = ÛFT|0〉.


7.7. QUANTENCOMPUTER 257<br />

folgt. Falls m und r relative Primzahlen sind, so braucht der<br />

Bruch 2 n /k nur als Bruch relativer Primzahlen geschrieben werden,<br />

woraus dann sofort r (und auch m) abgelesenwerdenkann.<br />

Sind m und r keine relativen Primzahlen, was mit wachsendem<br />

r immer wahrscheinlicher wird, kann dieserSchlußnichtgezogen<br />

werden und der Algorithmus muß einige Male wiederholt werden,<br />

um ein sicheres Ergebnis zu erhalten.<br />

Die Bedeutung des Shor-Algorithmus wird klar, wenn er im Zusammenhang<br />

mit dem Problem der nichttrivialen Faktorisierung ganzer<br />

Zahlen gesehen wird, ein Problem, das für hinreichend große Zahlen<br />

mit einem klassischen Computers praktisch nicht lösbar ist und deshalb<br />

auch die Grundlage der RSA-Kryptographie bildet (siehe Abschnitt<br />

7.5). Inwieweit ein Problem lösbar ist, hängt von seiner Komplexität<br />

ab. Es sei L=logN die Information, die der Computer benötigt, um das<br />

Problem zu spezifizieren, d.h., die Anzahl der zu speichernden Bits. Die<br />

rechentechnische Komplexität des Problems ist definiert als die Anzahl<br />

K von Schritten, die der jeweilige Algorithmus erfordert, um das Problem<br />

zu lösen. Wenn ein Algorithmus existiert, für den K ein Polynom<br />

in L ist, dann wird das Problem i. allg. als praktisch lösbar angesehen.<br />

Schwierig wird es, wenn K exponentiell mit L ansteigt und damit auch<br />

die Rechenzeit exponentiell anwächst, so daß i. allg. das Problem als<br />

praktisch nicht lösbar angesehen werden muß.<br />

Ein typisches Beispiel für ein mit einem klassischen Computer praktisch<br />

nicht lösbares Problem ist das der (nichttrivialen) Faktorisierung<br />

ganzer Zahlen n, wenndiesehinreichendgroßsind.Istn gerade oder<br />

ein Vielfaches einer kleinen Zahl, so ist relativ schnell ein Faktor gefunden.<br />

Schwierig wird es, wenn die Faktoren p und q in n = pq große<br />

Primzahlen sind. Der beste bisher bekannte Algorithmus erfordert K ∼<br />

exp[2L 1/3 (log L) 3/2 ]mitL =logn. DanacherfordertdieFaktorisierung<br />

einer aus 130 Dezimalstellen bestehendenZahl(d.h.L ≃ 300) K ∼ 10 18<br />

Rechenschritte. Für 10 12 Operationen pro Sekunde bedeutet das eine<br />

Rechenzeit von etwa 42 Tagen, was unter Umständen noch verkraftbar<br />

wäre. Wird L verdoppelt (n → n 2 ), folgt K ∼ 10 25 ,wasbeiderangegebenen<br />

Rechengeschwindigkeit eine Rechenzeit von einer Million Jahren<br />

bedeutet und somit das Problem praktisch unlösbar macht.


258 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

Das Problem der Faktorisierung von n kann auf das Problem der<br />

Bestimmung der Periode einer Funktion zurückgeführt werden, d.h. ein<br />

Problem, das, wie wir gesehen haben, mit einem Quantencomputer (im<br />

Prinzip) lösbar ist. Die periodische Funktion ist<br />

f(x) =a x mod n (a


7.7. QUANTENCOMPUTER 259<br />

• Identifikation einzelner Qubits,<br />

• Adressierbarkeit und Auslesen der Bits,<br />

• Implementierung von Quantengattern,<br />

• hinreichend schwache Dekohärenz,<br />

• effiziente Fehlerkorrektur,<br />

• Skalierbarkeit von wenigen auf viele Qubits.<br />

In der Praxis gibt es bisher nur wenige Kandidaten, die die genannten<br />

Voraussetzungen und Bedingungen ansatzweise erfüllen. Das große<br />

Problem besteht insbesondere darin, Quantenkohärenzen zu speichern,<br />

was einen Grad von Isolation der Quantensysteme verlangt, der auf<br />

der Grundlage herkömmlicher Technologien (wie sie etwa in der Mikroelektronik<br />

zur Anwendung kommen), wohl kaum erreichbar sein wird.<br />

Die kohärenzzerstörenden Wechselwirkungen, denen Quantensysteme<br />

durch Umgebungseinflüsse ausgesetzt sind, müßten um Größenordnungen<br />

reduziert werden, damit dem Computer sein Wirkprinzip, das<br />

quantenmechanische Superpositionsprinzip, nicht abhanden kommt.<br />

Aus quantenoptischer Sicht kommen als Träger von Quanteninformation<br />

einzelne Atome und Photonen in Frage. Mit Methoden<br />

der <strong>Quantenoptik</strong> lassen sich beispielsweise einzelne Atome in Fallen<br />

speichern und mit Laserkühlen im Grundzustand (der Massenmittelpunktsbewegung)<br />

präparieren. Laserimpulse erlauben es dann, die<br />

internen Zustände dieser kalten Atome gezielt zu manipulieren. Außerdem<br />

können mit Methoden der Resonator-Quantenelektrodynamik<br />

(Cavity QED) dieWechselwirkungeinzelnerPhotonenmiteinzelnen<br />

Atomen kohärent gesteuert werden. Somit lassen sich 1-Bit-Gatter<br />

durch Wechselwirkung von Laserlicht mit Atomen realisieren. 2-Bit-<br />

Gatter lassen sich durch Ankopplung an Hilfsfreiheitsgrade wie zum<br />

Beispiel kollektive Schwingungsmoden von gespeicherten Atomen oder<br />

Ionen in einem Resonator realisieren.<br />

Aus heutiger Sicht kann man bestenfalls davon ausgehen, daß in den<br />

nächsten zehn Jahren Quantencomputer im Labor zur Verfügung stehen,<br />

die Operationen mit vielleicht 10 ...40 Qubits realisieren können.


260 KAPITEL 7. QUANTENKOHÄRENZ<br />

Damit werden mit Sicherheit eine Reihe von fundamentalen Experimenten<br />

zur Verschränkung, Dekohärenz und zum Meßprozeß in der<br />

Quantentheorie möglich werden. Für eine tatsächliche Anwendung als<br />

praktische Rechner sind solche Systeme natürlich viel zu klein.


Kapitel 8<br />

Fundamentale<br />

Quanteneffekte in der<br />

Licht-Materie-Wechselwirkung<br />

Viele infolge der Wechselwirkung von atomaren Systemen mit elektromagnetischen<br />

Feldern auftretende Effekte lassen sich im Rahmen einer<br />

klassischen Beschreibung der Felder erklären. Ist in diesem Zusammenhang<br />

eine quantenmechanische Beschreibung der atomaren Systeme<br />

notwendig (beispielsweise wenn die diskreteEnergieniveaustruktur<br />

der atomaren Systeme bei resonanter Anregung zu berücksichtigen ist),<br />

spricht man von einer halbklassischen Beschreibungsweise. Klassische<br />

Beschreibung des elektromagnetischen Feldes heißt dabei Beschreibung<br />

der Felder als c-Zahlen und des Feldzustands mittels positiv semidefiniten<br />

Verteilungsfunktionen (bzw. -funktionalen). In der halbklassischen<br />

Theorie ist also insbesondere der Vakuumzustand des elektromagnetischen<br />

Feldes als der Zustand anzusehen, in dem alle Korrelationsfunktionen<br />

des Feldes identisch verschwinden, das elektromagnetische<br />

Feld schlichtweg nicht existent ist.<br />

Aus quantenmechanischer Sicht ist das photonische Vakuum ein<br />

höchst lebhafter Zustand, der dadurch ausgezeichnet ist, daß alle normalgeordneten<br />

Feldkorrelationsfunktionen verschwinden, was natürlich<br />

nicht besagt, daß damit alle Feldkorrelationsfunktionen verschwinden.<br />

261


262 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

So können Photonen aus dem Vakuum heraus erzeugt und wieder vernichtet<br />

werden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von virtuellen<br />

Photonen. Bei Anwesenheit von angeregten Atomen können diese<br />

Photonen ganz real werden, wie die spontane Emission zeigt, bei der<br />

ein angeregter atomarer Zustand mit dem Vakuumfeld wechselwirkt.<br />

Die spontane Emission stellt einen derfundamendalstenProzesseder<br />

quantenhaften Licht-Materie-Wechselwirkung dar.<br />

Bekanntlich können sich elektromagnetische Felder bei Anwesenheit<br />

makroskopischer Körper 1 wesentlich von im (bis auf die Quelle) leeren<br />

Raum ausbreitenden Feldern unterscheiden. Der Unterschied ist naturgemäß<br />

in der Nähe der Körper besonders ausgeprägt. Als Folge kann<br />

sich die Wechselwirkung eines Atoms mit elektromagnetischen Feldern<br />

wesentlich ändern, wenn es in die Nähe eines makroskopischen Körpers<br />

gebracht wird. Da dies auch die Wechselwirkung des Atoms mit dem<br />

Photonenvakuum betrifft, wird beispielweise die spontane Emission positionsabhängig<br />

und kann auf diese Weise kontrolliert werden. Ein anderes<br />

Beispiel für die Wechselwirkung des Photonenvakuums mit atomaren<br />

Systemen ist der resonante Energieaustausch zwischen Atomen<br />

und Molekülen.<br />

Der Einfluß makroskopischer Körper auf das photonische Vakuum<br />

wird im weitesten Sinn des Wortes als Casimir-Effekt bezeichnet. Im<br />

engeren Sinne wird der Begriff auf die Beeinflussung von Kräften vom<br />

van der Waals-Typ durch makroskopische Körper angewandt. So verschieben<br />

sich die Spektrallinien eines Atoms bei Annäherung an einem<br />

makroskopischen Körper, so daß ein (neutrales) Atom im Grundzustand,<br />

das sich in der Nähe eines makroskopischen Körpers befindet, i.<br />

allg. einer anziehenden Kraft hin zum Körper unterliegt.<br />

8.1 Hamilton-Operator<br />

Bevor wir uns den einzelnen Effekten zuwenden, wollen wir uns<br />

zunächst Klarheit über den Hamilton-Operator verschaffen, der zugrunde<br />

zu legen ist, um den Einfluß makroskopischer Körper auf<br />

die Wechselwirkung von Atomen mit elektromagnetischen Feldern zu<br />

beschreiben. Für ein System nichtrelativisticher, geladener Teilchen,<br />

1 Wir denken dabei an lineare Materialien undhierspeziellanDielektrika.


8.1. HAMILTON-OPERATOR 263<br />

die im Sinne der minimalen Kopplung mit dem elektromagnetischen<br />

Feld im ansonsten leeren Raum wechselwirkungen, ist der Hamilton-<br />

Operator unter Zugrundelegung Coulomb-Eichung bekanntlich gemäß<br />

(1.213) gegeben, wobei die kanonischen c-Zahl-Variablen durch Operatoren<br />

zu ersetzen sind. Nehmen wir an, es handelt sich bei den makroskopischen<br />

Körpern um (dispersive und absorptive) Dielektrika. Wie im<br />

Abschnitt 1.3 ausgeführt, ist in diesem Fall der gemäß (1.216) definierte<br />

Hamilton-Operator des freien Strahlungsfeldes durch den Hamilton-<br />

Operator (1.200) zu ersetzen, wobei die dynamischen Grundvariablen<br />

nunmehr nicht mehr Â(r) und ˆΠ(r), sondern ˆf(r, ω) undˆf † (r, ω) sind.<br />

Da die (gleichzeitigen) Vertauschungsregeln für das elektromagnetische<br />

Feld und die Teilchen weiterhin gelten, ändert sich an der Struktur<br />

des Hamilton-Operators des freien Teilchensystems und des Wechselwirkungsterms<br />

grundsätzlich nichts, und wir können den Hamilton-<br />

Operator des wechselwirkenden GesamtsystemsinderForm<br />

∫ ∫ ∞<br />

Ĥ = d 3 r dω ω ˆf † (r, ω) · ˆf(r, ω)<br />

0<br />

+ ∑ 1<br />

[<br />

] 2<br />

ˆp α − Q α Â(ˆr α )<br />

2m<br />

α α<br />

∫<br />

∫<br />

d 3 rˆρ(r)ˆϕ(r)+ d 3 rˆρ(r) ˆφ(r)<br />

+ 1 2<br />

(8.1)<br />

ansetzen, wobei sich nunmehr das skalare Potential aus dem skalaren<br />

Potential ˆϕ(r), das von den betrachteten (das atomare System bildenden)<br />

Teilchen herrührt, und dem skalaren Potential ˆφ(r), zu dem die<br />

Mediumteilchen Anlaß geben, zusammensetzt. Um Â(ˆr)undˆφ(r)durch<br />

die Variablen ˆf(r, ω) undˆf † (r, ω) auszudrücken, stellen wir sie in der<br />

Form<br />

Â(r) =<br />

ˆφ(r) =<br />

∫ ∞<br />

0<br />

∫ ∞<br />

0<br />

dω Â(r, ω)+h.c., (8.2)<br />

dω ˆφ(r, ω)+h.c. (8.3)


264 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

dar, wobei in der zugrunde gelegten Coulomb-Eichung<br />

Â(r, ω) =(iω) −1 Ê ⊥ (r, ω) (8.4)<br />

und<br />

−∇ ˆφ(r, ω) =Ê‖ (r, ω) (8.5)<br />

mit Ê(r, ω) aus(1.195)gilt.DerEinflußmakroskopischer(dielektrischer)<br />

Körper auf die Wechselwirkung von Atomen mit dem elektromagnetischen<br />

Feld kann auf diese Weise voll über den Green-Tensor<br />

der (klassischen) Maxwell-Gleichungen [siehe (1.186)] erfaßt werden.<br />

8.2 Spontane Emission<br />

Wir betrachten ein Atom am (festen) Ort r A .DerHamilton-Operator<br />

(8.1) kann dann gemäß<br />

Ĥ = ĤA + ĤF + ĤAF (8.6)<br />

zerlegt werden, wobei Ĥ A der Hamilton-Operator des freien Atoms ist,<br />

Ĥ A = ∑ n<br />

ω n  nn , (8.7)<br />

Ĥ F der Feld-Hamilton-Operator (1.200) ist [d.h. der erste Term in (8.1)]<br />

und der Wechselwirkungsterm<br />

Ĥ AF = − ∑ Q α<br />

ˆp α ·<br />

m Â(ˆr α)+ ∑ Q 2 ∫<br />

α<br />

 2 (ˆr α )+ d 3 rˆρ(r)<br />

α α 2m ˆφ(r) (8.8)<br />

α α<br />

lautet.<br />

Unter Vernachlässigung des Â2 -Terms geht ĤAF in elektrischer Dipolnäherung<br />

und Resonanznäherung in<br />

Ĥ AF = − ∑ n,m<br />

d nm· Ê(+) (r A ) Ânm +h.c. (8.9)


8.2. SPONTANE EMISSION 265<br />

über [vgl. (1.236)], wobei<br />

Ê (+) (r) =<br />

∫ ∞<br />

0<br />

dω Ê(r, ω), Ê(−) (r) = [ Ê (+) (r) ] †<br />

(8.10)<br />

mit Ê(r, ω) aus(1.195)gilt.Für die spontane Emission eines Photons<br />

aus dem (ersten) angeregten Atomzustand in den Grundzustand genügt<br />

es, sich auf ein atomares 2-Niveau-System zu beschränken,<br />

Ĥ A = ( ω 1 Â 11 + ω 2 Â 22<br />

)<br />

= ω1 + ω 21 Â 22 ↦→ ĤA = ω 21 Â 22 , (8.11)<br />

so daß der Hamilton-Operator (8.6) zusammen mit (1.200), (8.11) und<br />

(8.9) [zusammen mit (8.10)] die Gestalt<br />

∫ ∫ ∞<br />

Ĥ = d 3 r dω ω ˆf † (r, ω) · ˆf(r, ω)<br />

0<br />

+ ω 21 Â 22 − Â21d 21 · Ê(+) (r A ) − Ê(−) (r A ) · d 12 Â 12 (8.12)<br />

annimmt.<br />

In dieser Näherung kann der Zustandsvektor als<br />

|ψ(t)〉 = C 2 (t)e −i˜ω 21t |{0}〉|2〉<br />

∫ ∫ ∞<br />

+ d 3 r dω e −iωt C 1 (r, ω,t)|1(r, ω)〉|1〉 (8.13)<br />

0<br />

angesetzt werden, wobei |{0}〉 den Vakuumzustand von Feld und Körpern<br />

bedeutet,<br />

f(r, ω)|{0}〉 =0, (8.14)<br />

und |1(r, ω)〉 den Zustand, in dem ein Quant angeregt ist,<br />

|1(r, ω)〉 = f † (r, ω)|{0}〉. (8.15)<br />

Die Größen C 2 (t) andC 1 (t) repräsentieren zeitlich langsam veränderliche<br />

Entwicklungskoeffizienten, wobei zugelassen ist, daß sich die ungestörte<br />

atomare Übergangsfrequenz von der die Atom-Feld-Wechselwirkung<br />

berücksichtigenden unterscheiden kann,<br />

˜ω 21 = ω 21 − δω. (8.16)


266 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

Wir setzen |ψ(t)〉 in die Schrödinger-Gleichung<br />

i d|ψ(t)〉<br />

dt<br />

= Ĥ|ψ(t)〉 (8.17)<br />

ein und erhalten unter Berücksichtigung von (1.195) sowie (8.14) und<br />

(8.15) das gekoppelte, lineare Differentialgleichungssystem<br />

Ċ 2 (t) =−iδωC 2 (t) − √ 1<br />

πε0 <br />

∫<br />

×<br />

∫ ∞<br />

0<br />

dω ω2<br />

c 2 e−i(ω−˜ω 21)t<br />

d 3 r √ Im ε(r, ω) d 21 · G(r A , r, ω) · C 1 (r, ω,t), (8.18)<br />

Ċ 1 (r, ω,t)<br />

= 1 √ πε0 <br />

ω 2<br />

c 2 √<br />

Im ε(r, ω) e<br />

i(ω−˜ω 21 )t d 12 · G ∗ (r A , r, ω) C 2 (t) (8.19)<br />

für die Entwicklungskoeffizienten C 2 (t) und C 1 (t), das unter den Anfangsbedingungen<br />

C 2 (t)| t=0 =1bzw.C 1 (r, ω,t)| t=0 =0zulösen ist. Formale<br />

Integration der Differentialgleichung (8.19) und Einsetzen der<br />

(formalen) Lösung in (8.19) liefert unter Berücksichtigung der Relation<br />

(1.189) eine Integrodifferentialgleichung für C 2 (t):<br />

Ċ 2 (t) =−iδωC 2 (t)+<br />

∫ t<br />

0<br />

dt ′ K(t − t ′ )C 2 (t ′ ) (8.20)<br />

K(t) =− 1 ∫ ∞<br />

dωω 2 e −i(ω−˜ω 21)t d<br />

πε 0 c 2 21 · Im G(r A , r A , ω) · d 12<br />

0<br />

(8.21)<br />

Die Gleichung (8.20) zusammen mit dem Integralkern (8.21) ist noch<br />

recht allgemein. 2 Analytisch läßt sie sich im wesentlichen in zwei<br />

2 Solange der Green-Tensor nicht spezifiziert wird, geltendieseundalleweiterenGleichungenfür<br />

beliebige lineare Medien.


8.2. SPONTANE EMISSION 267<br />

Grenzfällen auswerten, nämlich den Grenzfällen der schwachen und<br />

starken Kopplung. Die noch unbekannte verschobene atomare Übergangsfrequenz<br />

˜ω 21 muß natürlich auch aus den Gleichungen (8.20) und<br />

(8.21) bestimmt werden. Für eine numerische Lösung der Gleichung<br />

(8.20) kann es vorteilhafter sein, von der unverschobenen (im freien<br />

Raum beobachteten) Übergangsfrequenz ω 21 auszugehen. In diesem<br />

Fall ist in der Integrodifferentialgleichung (8.20) [und in der Gleichung<br />

(8.21) für den Integralkern] einfach δω =0 zu setzen. Die Integrodifferentialgleichung<br />

kann dann (durch zeitliche Integration beider Seiten)<br />

in die Integralgleichung<br />

C 2 (t) =<br />

∫ t<br />

0<br />

dt ′ K ′ (t − t ′ )C 2 (t ′ )+1 (8.22)<br />

überführt werden, wobei der Integralkern<br />

K ′ (t) = 1 ∫ ∞ [ ]<br />

dωω 2 e −i(ω−ω21)t d21 · Im G(r A , r A , ω) · d 12<br />

− 1<br />

πε 0 c 2 0<br />

i(ω − ω 21 )<br />

(8.23)<br />

lautet.<br />

Die Intensität des elektromagnetischen Feldes, die von einem Punktdetektor<br />

am Ort r zur Zeit t registriert wird, wird bekanntlich durch<br />

I(r,t) ≡〈ψ(t)|Ê(−) (r) · Ê(+) (r)|ψ(t)〉 (8.24)<br />

bestimmt. Mit |ψ(t)〉 aus (8.13) sowie unter Verwendung der Relation<br />

(1.189) erhalten wir nach einer kurzen Rechnung<br />

∫ I(r,t)=<br />

i t<br />

∣ dt ′[ C<br />

πε 0 c 2 2 (t ′ )<br />

×<br />

∫ ∞<br />

0<br />

0<br />

dωω 2 Im G(r, r A , ω) · d 12 e −i(ω−˜ω 21)(t−t ′ ) ]∣ ∣ ∣∣<br />

2. (8.25)<br />

8.2.1 Schwache Atom-Feld-Kopplung<br />

Beginnen wir mit dem Grenzfall der schwachen Kopplung. Hier wird<br />

angenommen, daß in dem Zeitintervall<br />

0 ≤ t − t ′ ≤ τ c (8.26)


268 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

(τ c - Korrelationszeit), in dem der Integralkern K(t−t ′ )wesentlichvon<br />

Null verschieden ist, die (zeitlich langsam veränderliche) Wahrscheinlichkeitsamplitude<br />

C 2 (t ′ )alsnahezukonstantangesehenwerdenkann,<br />

so daß in dem Zeitintegral in (8.20) C 2 (t ′ )anderoberenIntegrationsgrenze<br />

(d.h. bei t ′ =t) vordasIntegralgezogenundindemverbliebenen<br />

Integral die Zeit t ohne großen Fehler ins Unendliche geschoben werden<br />

kann (t →∞),<br />

∫ t<br />

Ċ 2 (t) =−iδωC 2 (t)+C 2 (t) lim dτ K(τ). (8.27)<br />

t→∞<br />

0<br />

In dieser auch als Markow-Näherung bezeichneten Näherung ist die<br />

zeitliche Änderung von C 2 (t) zujedemZeitpunktt allein durch C 2 (t)<br />

zu dem jeweiligen Zeitpunkt bestimmt. Wir machen von der Beziehung<br />

∫ t<br />

lim dτ e −i(ω−˜ω 21)τ = ζ(˜ω 21 − ω) =πδ(˜ω 21 − ω)+i<br />

t→∞<br />

0<br />

Gebrauch und finden mit (8.21)<br />

wobei<br />

δω =<br />

P ∫ ∞<br />

πε 0 c 2<br />

P<br />

˜ω 21 − ω (8.28)<br />

∫ t<br />

lim<br />

t→∞<br />

0<br />

dτ K(τ) =iδω − 1 2Γ, (8.29)<br />

0<br />

dωω 2 d 21 · Im G(r A , r A , ω) · d 12<br />

ω − ˜ω 21<br />

(8.30)<br />

die gesuchte Frequenzverschiebung bedeutet und<br />

Γ = 2˜ω2 21<br />

ε 0 c 2 d 21 · Im G(r A , r A , ˜ω 21 ) · d 12 (8.31)<br />

die Rate für den spontanen Zerfall des angeregten atomaren Zustands<br />

ist. Offensichtlich gilt<br />

C 2 (t) =e − 1 2 Γt ❀ |C 2 (t)| 2 = e −Γt . (8.32)


8.2. SPONTANE EMISSION 269<br />

Die obigen Gleichungen gelten natürlich auch für ein (2-Niveau-)Atom<br />

im ansonsten leeren Raum. In diesem Fall ist der Green-<br />

Tensor einfach der Vakuum-Green-Tensor. Betrachten wir den allgemeinen<br />

Fall eines Atoms, in dessen Umgebung sich irgendwelche makroskopische<br />

(dielektrische) Körper befinden. Der Green-Tensor G(r, r ′ , ω)<br />

als Lösung der partiellen Differentialgleichung (1.186) kann bekanntlich<br />

aus einer speziellen Lösung der inhomogenen Differentialgleichung<br />

(1.186) und der allgemeinen Lösung der zugeordneten homogenen Differentialgleichung<br />

aufgebaut werden. Letztere ist dann so zu spezifizieren,<br />

daß die bekannten Übergangsbedingungen auf den Körperoberflächen<br />

erfüllt sind.<br />

r ′ = r A<br />

G(r, r ′ , ω)<br />

r<br />

Wir wollen annehmen, daß der Raum zwischen dem Atom und<br />

den makroskopischen Körpern leer ist. Liegen die durch die Ortsvektoren<br />

r und r ′ = r A definierten Punkte in diesem Raumbereich und ist<br />

G V (r, r ′ , ω) derVakuum-Green-Tensor,d.h.,dieLösung der Differentialgleichung<br />

(1.186) für ε(r, ω) ≡ 1undderRandbedingungimUnendlichen,<br />

so läßt sich in dem betrachteten Raumbereich der gesuchte<br />

Green-Tensor G(r, r ′ , ω) inderForm<br />

G(r, r ′ , ω) =G V (r, r ′ , ω)+G S (r, r ′ , ω) (8.33)<br />

angeben, wobei G S (r, r ′ , ω) alsLösung der homogenen Differentialgleichung<br />

den sogenannten Streuanteil repräsentiert. Berücksichtigen wir,<br />

daß gemäß (1.196)<br />

[<br />

]<br />

G V (r, r ′ , ω) =<br />

c2<br />

∇∇ + I ω2 e<br />

iω|r−r ′ |/c<br />

(8.34)<br />

4πω 2 c 2 |r − r ′ |<br />

und folglich<br />

Im G V (r, r, ω) =<br />

ω<br />

6πc I (8.35)


270 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

gilt, so können wir mit der Zerlegung (8.33) die Zerfallsrate (8.31) in<br />

der Form<br />

Γ = Γ 0 + 2˜ω2 21<br />

ε 0 c 2 d 21 · Im G S (r A , r A , ˜ω 21 ) · d 21 (8.36)<br />

schreiben, wobei<br />

Γ 0 = ˜ω3 21d 2 21<br />

3πε 0 c 3 (8.37)<br />

offensichtlich die positionsunabhängige Rate der spontanen Emission<br />

des Atoms im freien Raum darstellt und der zweite, positionsabhängige<br />

Term den Einfluß der makroskopischen Körper widerspiegelt.<br />

Der durch Im G V (r A , r A , ˜ω 21 )bestimmteBeitragzurFrequenzverschiebung<br />

δω in (8.30) ist divergent, wie unschwer zu sehen ist. Die<br />

exakte Bestimmung der Linienverschiebung im freien Raum ist offensichtlich<br />

im Rahmen der betrachteten Näherungen (wie etwa 2-Niveau-<br />

System, elektrische Dipolnäherung) nicht möglich. Das Problem ist<br />

ausgiebig in der Literatur behandelt. Wir wollen annehmen, daß die<br />

” ungestörte“ Übergangsfrequenz ω 21 bereits die durch den Vakuumeffekt<br />

im freien Raum korrigierte Übergangsfrequenz ist, so daß in (8.30)<br />

Im G(r A , r A , ˜ω 21 ) durch Im G S (r A , r A , ˜ω 21 ) ersetzt werden kann. Die resultierente,<br />

positionsabhängige Frequenzverschiebung<br />

δω = µ 0<br />

π P ∫ ∞<br />

0<br />

dωω 2 d 21 · Im G S (r A , r A , ω) · d 12<br />

ω − ˜ω 21<br />

(8.38)<br />

beschreibt dann den Effekt, der durch die Anwesenheit der makroskopischen<br />

Körper beobachtbar ist. Die weitere Auswertung des Frequenzintegrals<br />

kann mit Hilfe des Cauchy-Theorems geschehen. Zu diesem<br />

Zweck schreiben wir Im G S =(G S − G ∗ S )/(2i), verwenden die Relation<br />

(1.187) und finden<br />

δω = − µ 0<br />

2πi<br />

+ P<br />

[ ∫ ∞<br />

P dωω 2 d 21 · G S (r A , r A , ω) · d 12<br />

0<br />

˜ω 21 − ω<br />

dωω 2 d ]<br />

21 · G S (r A , r A , ω) · d 12<br />

˜ω 21 + ω<br />

∫ −∞<br />

0<br />

(8.39)


8.2. SPONTANE EMISSION 271<br />

Betrachten wir zunächst das Hauptwertintegral entlang der positiven<br />

Frequenzachse. Auf Grund der analytischen Eigenschaften des Green-<br />

Tensors als Funktion der (komplexen) Frequenz verschwindet das Integral<br />

längs des in der Abbildung gezeigten geschlossenen Weges, wobei<br />

der Viertelkreis ins Unendliche geschoben werden kann und dann keinen<br />

Beitrag liefert. Folglich ist das gesuchte Hauptwertintegral gleich dem<br />

Im ω<br />

∞<br />

˜ω 21<br />

Re ω<br />

Integral längs der positiven imaginären Frequenzachse plus dem Integral<br />

längs eines infinitesimal kleinen Halbkreises um den Punkt ω =˜ω 21<br />

auf der reellen Achse. Völlig analog kann das Hauptwertintegral längs<br />

der negativen Frequenzachse behandelt werden. Im Ergebnis erhalten<br />

wir<br />

δω = µ 0<br />

˜ω2 21d 21 · Re G S (r A , r A , ˜ω 21 ) · d 12<br />

+ µ 0<br />

π<br />

∫ ∞<br />

0<br />

duu 2˜ω 21<br />

d 21 · G S (r A , r A ,iu) · d 12<br />

˜ω 2 21 + u2 (8.40)<br />

bzw. unter Vernachlässigung des nichtresonanten zweiten Terms: 3<br />

δω = µ 0<br />

˜ω2 21 d 21 · Re G S (r A , r A , ˜ω 21 ) · d 12 (8.41)<br />

3 Dieser Term ist von der gleichen Größenordnung wie die (in der betrachteten Resonanznäherung<br />

nicht enthaltene) Verschiebung der Grundzustandsenergie; siehe (8.235) zusammen mit (8.236) und<br />

(8.240).


272 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

Da die gesuchte Frequenzverschiebung δω auf der rechten Seite dieser<br />

Gleichung ebenfalls auftritt, kann die Gleichung als selbstkonsistente<br />

Bestimmungsgleichung für δω aufgefaßt werden. Setzt man auf der<br />

rechten Seite ˜ω 21 = ω 21 ,erhält man δω in störungstheoretisch niedrigster<br />

Ordnung. Die Abhängigkeit der Übergangsfrequenz ˜ω 21 =˜ω 21 (r A )<br />

von der Atomposition r A (und damit vom Abstand des Atoms von<br />

der Oberfläche eines benachbarten Körpers) läßt sich spektroskopisch<br />

nachgewiesen. Der Effekt wird in der Nahfeldspektroskopie zur Oberflächendiagnostik<br />

ausgenutzt.<br />

Kehren wir zu der Ratenformel (8.36) zurück. Der dort auftretende<br />

Imaginärteil des Streuanteils des Green-Tensors kann als Maß für<br />

die durch die Anwesenheit makroskopischer Körper bedingte Änderung<br />

der Modendichte des elektromagnetischen Feldes am Orte des Atoms<br />

angesehen werden. Im Ergebnis kann die Zerfallsrate Γ sowohl größer<br />

als auch kleiner als die im freien Raum beobachtete Zerfallsrate Γ 0 sein.<br />

Während im ersten Fall der spontane Zerfall (im Vergleich zum freien<br />

Raum) verstärkt wird, wird er im zweiten Fall reduziert, was bis zu<br />

einem fast vollständigen Unterdrücken des spontanen Zerfalls führen<br />

kann.<br />

Befindet sich das Atom in hinreichend großer Entfernung von jeglichen<br />

Körpern, ist die Modendichte im wesentlichen identisch mit der im<br />

freien Raum und folglich gilt Γ ≃ Γ 0 .BefindetsichumgekehrtdasAtom<br />

in extrem geringem Abstand von einem makroskopischen Körper, kann<br />

dessen Nahfeld zusammen mit Absorption den Zerfall dominieren, der<br />

in diesem Fall als strahlungslos angesehen werden kann. Betrachten wir<br />

ein Atom, das sich im Abstand ∆r von der Oberfläche eines dielektrischen<br />

Körpers befindet. Für die Zerfallsrate eines Atoms mit bezüglich<br />

der Oberfläche normal orientiertem Übergangsdipolmoment gilt in der<br />

Grenze ∆r → 0<br />

Γ ⊥<br />

Γ 0<br />

= 3c3<br />

4˜ω 3 21<br />

Im ε(˜ω 21 ) 1<br />

(8.42)<br />

|ε(˜ω 21 )+1| 2 (∆r) 3<br />

und für die Zerfallsrate Γ ‖ im Falle eines Atoms mit tangential orientiertem<br />

Übergangsdipolmoment<br />

Γ ‖ = 1 2 Γ⊥ . (8.43)<br />

Die im Nahfeldbereich beobachtete Proportionalität der Zerfallsrate


8.2. SPONTANE EMISSION 273<br />

zum Imaginärteil der Permittivität ist Ausdruck des effektiv strahlungslosen<br />

Zerfalls in diesem Bereich.<br />

Atom<br />

ε(ω)<br />

d<br />

ε(ω)<br />

Atom<br />

R<br />

R<br />

Im allgemeinen kann sich eine recht komplizierte Abhängigkeit der<br />

Zerfallsrate sowohl vom Abstand des Atoms von einem benachbarten<br />

Körper als auch von der Übergangsfrequenz ergeben, wie die in den<br />

folgenden drei Abbildungen illustrierten Beispiele eines von einer dielektrischen<br />

Kugelschale umgebenden Atoms und eines sich in der Nähe<br />

einer dielektrischen Kugel befindlichen Atoms zeigen. In der ersten Ab-<br />

20<br />

0.5<br />

Γ/Γ 0<br />

10<br />

0<br />

1.05 1.06<br />

0<br />

0.9 1 1.1<br />

˜ω 21 /ω T<br />

Spontane Emissionsrate als Funktion der Übergangsfrequenz für ein Atom<br />

umgeben von einer dielektrischen Kugelschale mit innerem Radius R =30λ T<br />

und Dicke d=λ T [ω P /ω T =0.5, γ/ω T =10 −2 (durchgezogen), γ/ω T =2×10 −2<br />

(gestrichelt), γ/ω T =5× 10 −2 (punktiert)].<br />

bildung 4 ist das Atom von einer dielektrischen Kugelschale umgeben,<br />

4 T.D. Ho, L. Knöll, D.-G. Welsch, Phys. Rev. A 62, 053804(2000).


274 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

während es sich in den anderen zwei Abbildungen 5 außerhalb einer<br />

dielektrischen Kugel befindet. Den Rechnungen wurde eine auf dem<br />

Drude-Lorentz-Modell basierende Permittivität mit einer (transversalen)<br />

Resonanzfrequenz zugrunde gelegt,<br />

ɛ(ω) =1+<br />

ω 2 P<br />

ω 2 T − ω2 − iωγ . (8.44)<br />

Wir sehen, daß die Zerfallsrate als Funktion der Übergangsfrequenz in<br />

100<br />

Γ/Γ 0<br />

100<br />

50<br />

0<br />

0<br />

0.9<br />

0.9403 0.9405<br />

1 1.1<br />

˜ω 21 /ω T<br />

Spontane Emissionsrate als Funktion der Übergangsfrequenz für ein<br />

Atom mit einem radial orientiertes Übergangsdipolmoment im Abstand<br />

∆r =0.02 λ T von der Oberfläche einer dielektrischen Mikrokugel vom Radius<br />

R =2λ T [ω P /ω T =0.5, γ/ω T =10 −4 (durchgezogen), γ/ω T =10 −5 (gestrichelt),<br />

γ/ω T =10 −6 (punktiert)].<br />

direkter Weise das durch die Anwesenheit der makroskopischen Körper<br />

bestimmte Anregungsspektrum des elektromagnetischen Feldes widerspiegelt.<br />

Betrachten wir den Fall eines Atoms nahe der Oberfläche einer<br />

dielektrischen Kugel etwas genauer. Die in den Abbildungen zu<br />

sehenden Maxima der Zerfallsrate im Frequenzbereich unterhalb ω T<br />

korrespondieren zu den Whispering-Gallery-Moden innerhalb der Kugel,<br />

während die Maxima oberhalb ω T in der Band-Gap-Zone Oberflächenwellen<br />

entsprechen. Offensichtlich kann an diesen Resonanzfre-<br />

5 T.D. Ho, L. Knöll, D.-G. Welsch, Phys. Rev. A 64, 013804(2001).


8.2. SPONTANE EMISSION 275<br />

quenzen der spontane Zerfall (im Vergleich zum freien Raum) beträchtlich<br />

verstärkt werden. Liegt dagegen die Übergangsfrequenz zwischen<br />

zwei Feldresonanzen, kann der spontane Zerfall fast völlig untedrückt<br />

werden.<br />

Γ/Γ 0<br />

100<br />

2<br />

1<br />

50<br />

0<br />

0.9<br />

1<br />

1.1<br />

0<br />

0.9<br />

1<br />

˜ω 21 /ω T<br />

Spontane Emissionsrate als Funktion der Übergangsfrequenz für ein Atom<br />

mit einem radial orientiertes Übergangsdipolmoment im Abstand ∆r=0.1 λ T<br />

von der Oberfläche einer dielektrischen Mikrokugel vom Radius R =2λ T<br />

[ω P /ω T =0.5, γ/ω T =10 −4 ].<br />

Um den Effekt der Absorption zu demonstrieren, wollen wir die<br />

insgesamt abgestrahlte Energie<br />

∫ ∞ ∫ 2π ∫ π<br />

W =2cɛ 0 lim dt dφ dθρ 2 sin θ I(r,t) (8.45)<br />

ρ→∞<br />

0 0 0<br />

(ρ = |r − r A |)mitI(r,t)gemäß (8.25) berechnen. In Markow-Näherung<br />

und bei Vernachlässigung von Laufzeiteffekten können wir in (8.25)<br />

C 2 (t ′ )=C 2 (t) setzenunddasverbleibendeZeitintegralinsUnendliche<br />

ausdehnen. Somit wird unter Berücksichtigung von (8.28) aus (8.25)<br />

1.1<br />

I(r,t)=|F(r, r A , ˜ω 21 )| 2 |C 2 (t)| 2 (8.46)<br />

und wegen (8.32)<br />

I(r,t)=|F(r, r A , ˜ω 21 )| 2 e −Γt (8.47)


276 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

mit<br />

F(r, r A , ˜ω 21 )=<br />

i ∫ ∞<br />

πε 0 c 2<br />

0<br />

dωω 2 ζ(˜ω 21 − ω)Im G(r, r A , ω) · d 12 (8.48)<br />

bzw. [nach Zerlegung der ζ-Funktion gemäß (8.28)]<br />

[<br />

F(r, r A , ˜ω 21 )=<br />

i ˜ω 2<br />

πε 0 c 2 21 πIm G(r, r A, ˜ω 21 ) · d 12<br />

∫ ]<br />

∞<br />

− iP dωω 2 Im G(r, r A, ω) · d 12<br />

. (8.49)<br />

0<br />

ω − ˜ω 21<br />

Das Hauptwertintegral in dieser Gleichung ist (bis auf den Vorfaktor)<br />

das gleiche wie in der Gleichung (8.30) für die Verschiebung der<br />

Übergangsfrequenz, so daß wir es gemäß (8.40) auswerten können. Vernachlässigen<br />

wir wieder den nichtresonanten Term und fassen den Imaginärteil<br />

und den Realteil des Green-Tensors zusammen, erhalten wir<br />

schließlich:<br />

F(r, r A , ˜ω 21 )= ˜ω2 21<br />

ε 0 c 2 G(r, r A, ˜ω 21 ) · d 12 (8.50)<br />

Die folgenden zwei Abbildungen 6 zeigen die beim spontanen Zerfall<br />

nahe einer dielektrischen Kugel von einem Atom insgesamt abgestrahlte<br />

Energie (verglichen mit der im freien Raum abgestrahlten<br />

Energie W 0 = ˜ω 21 . 7 Wir sehen zunächst, daß an den Whispering-<br />

Gallery-Resonanzen mit den erhöhten Zerfallsraten die abgestrahlte<br />

(mittlere) Energie typischerweise deutlich geringer als ˜ω 21 ist. Da in<br />

diesem Fall ein emittiertes Photon im Mittel über einen Zeitraum ∼ γ −1<br />

ν<br />

innerhalb der Kugel verweilt, wobei γ ν ein Maß für die Breite der betrachteten<br />

(ν-ten) Resonanzlinie ist, 8 besteht naturgemäß eine erhöhte<br />

Wahrscheinlichkeit, daß es absorbiert wird. Für Übergangsfrequenzen<br />

6 T.D. Ho, L. Knöll, D.-G. Welsch, Phys. Rev. A 64, 013804(2001).<br />

7 Das Verhältnis W/W 0 kann auf der Zeitskala ∼ Γ −1 als Quantenausbeute angesehen werden.<br />

8 Beachte, daß dieser Zeitraum immer noch kurz im Vergleich zu Γ −1 ist.


8.2. SPONTANE EMISSION 277<br />

W/W 0<br />

1<br />

0.5<br />

0<br />

0.9 1<br />

˜ω 21 /ω T<br />

Spontan emittierte Strahlungsenergie als Funktion der Übergangsfrequenz<br />

für ein Atom mit radial orientiertem Übergangsdipolmoment im Abstand<br />

∆r =0.02 λ T von der Oberfläche einer dielektrischen Mikrokugel vom Radius<br />

R =2λ T (ω P /ω T =0.5, γ/ω T =10 −4 ).<br />

1.1<br />

W/W 0<br />

1<br />

0.5<br />

0<br />

0.9 1<br />

˜ω 21 /ω T<br />

Spontan emittierte Strahlungsenergie als Funktion der Übergangsfrequenz<br />

für ein Atom mit radial orientiertem Übergangsdipolmoment im Abstand<br />

∆r =0.1 λ T von der Oberfläche einer dielektrischen Mikrokugel vom Radius<br />

R =2λ T (ω P /ω T =0.5, γ/ω T =10 −4 ).<br />

1.1<br />

in der Band-Gap-Zone sind zwei Bereiche zu unterscheiden. Im niederfrequenten<br />

Bereich wird ein emittiertes Photon mit hoher Wahrschein-


278 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

1<br />

W/W 0<br />

10 −10<br />

10 −20 ˜ω 21 /ω T<br />

0.9 1<br />

1.1<br />

Spontan emittierte Strahlungsenergie als Funktion der Übergangsfrequenz<br />

für ein Atom umgeben von einer dielektrischen Kugelschale mit innerem<br />

Radius R=30λ T und Dicke d=λ T [ω P /ω T =0.5, γ/ω T =10 −2 (durchgezogen),<br />

γ/ω T =2× 10 −2 (gestrichelt), γ/ω T =5× 10 −2 (punktiert)].<br />

lichkeit auch abgestrahlt. Insbesondere unterliegen die in diesem Bereich<br />

anregbaren Oberflächenwellen wegen ihrer geringen Eindringtiefe<br />

einer entsprechend geringen Absorption. In dem sich bis zur (longitudinalen)<br />

Frequenz ω L = √ ωT 2 + ω2 P<br />

anschließenden zweiten Bereich sind<br />

zwei ausgeprägte Minima der angestrahlten Energie möglich. Während<br />

das erste von den tiefer in die Kugel eindringenden (und sich überlappenden)<br />

Oberflächenwellen höher Ordnung herrührt, ist das (bei hinreichend<br />

kleinen Atom-Kugel-Abständen) an der Stelle ˜ω 21 = ω L auftretende<br />

zweite Minimum mit einer durch die Nahfeldwechselwirkung<br />

des Atoms mit dem Kugel bedingten Anregung des longitudinalen<br />

Feldanteils verknüpft, die rein strahlungslos ist. Sowohl mit abnehmendem<br />

Absorptionsparameter γ als auch mit zunehmendem Atom-Kugel-<br />

Abstand ∆r verschwindet dieses Minimum, d.h., die Übergangsenergie<br />

˜ω 21 wird abgestrahlt.<br />

Eine merklich ander Situation liegt für das in der Abbildung 9 auf<br />

Seite 273 betrachtete Beispiel eines Atoms, das von einer dielektrischen<br />

Kugelschale umgeben ist, vor. Wie aus obiger Abbildung zu ersehen<br />

ist, geben in diesem Fall die Feldresonanzen generell zu keinen Ab-<br />

9 T.D. Ho, L. Knöll, D.-G. Welsch, Phys. Rev. A 62, 053804(2000).


8.2. SPONTANE EMISSION 279<br />

sorptionsspitzen Anlaß. Insbesondere unterliegen die auf das Innere des<br />

(durch die Kugelschale begrenzten)Resonatorskonzentriertenresonanten<br />

Feldanregungen, deren Frequenzen innerhalb der Band-Gap-Zone<br />

liegen, keiner besonders ausgezeichneten Absorption. Das Ergebnis ist<br />

ein recht glatter Kurvenverlauf mit maximaler Absorption nahe der<br />

transversalen Resonanzfrequenz.<br />

8.2.2 Starke Atom-Feld-Kopplung<br />

Die Tatsache, daß die Zerfallsrate sehr große Werte annehmen kann,<br />

wenn durch die Anwesenheit makroskopischer Körper (wie z.B. im Fall<br />

der betrachteten dielektrischen Kugel) ausgeprägte Feldresonanzen –<br />

auch als (effektive) Moden bezeichnet – auftreten und die atomare<br />

Übergangsfrequenz mit einer solchen Resonanzfrequenz übereinstimmt,<br />

bringt zum Ausdruck, daß die Atom-Feld-Wechselwirkung dort sehr<br />

stark werden kann. Sie kann insbesondere so stark werden, daß die<br />

auf einen exponentiellen Zerfall des angeregten Atomzustands führende<br />

Markow-Näherung nicht länger anwendbar ist. Dies ist insbesondere<br />

dann der Fall, wenn die Linienbreite der entsprechenden Feldresonanz<br />

hinreichend klein ist, so daß ihre Lebensdauer vergleichbar mit oder<br />

größer als die charakteristische Zeitdauer wird, in der sich der Atomzustand<br />

ändert.<br />

Es sei ω ν die Frequenz einer solchen Feldresonanz und γ ν ihre Linienbreite.<br />

Wir wollen annehmen, daß ˜ω 21 ≈ ω ν mit |˜ω 21 − ω ν | ≪ ∆ω gilt,<br />

wobei ∆ω ein Maß für den Abstand zu den benachbarten Feldresonanzen<br />

ist. Wir zerlegen den Integralkern K(t)in(8.21)ineinenresonanten<br />

und einen nichtresonanten Anteil gemäß<br />

wobei<br />

K(t) =K res (t)+K offres (t), (8.51)<br />

K res (t) =− 1 ∫ ων +∆ω/2<br />

dωω 2 e −i(ω−˜ω 21)t d<br />

πε 0 c 2 21 · Im G(r A , r A , ω) · d 12<br />

ω ν −∆ω/2<br />

(8.52)<br />

gilt und das verbleibende (die Resonanzlinie aussparende) Frequenzintegral<br />

zu K offres (t) zusammengefaßtalsaufdie[gemäß (8.30) definierte]<br />

Frequenzverschiebung δω führend angesehen werden kann. Um die


280 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

Gleichung (8.52) weiter auszuwerten, wollen wir annehmen, daß die Linienform<br />

der Feldresonanz durch eine Lorentz-Kurve beschreibbar ist,<br />

so daß (näherungsweise)<br />

ω 2 ν<br />

K res (t) =−e −i(ω ν−˜ω 21 )t<br />

πε 0 c d 2 21 · Im G(r A , r A , ω ν ) · d 12<br />

× γ 2 ν<br />

∫ ∞<br />

= 1<br />

2π Γ νγ 2 ν<br />

−∞<br />

∫ ∞<br />

e −i(ω−ω ν)t<br />

dω<br />

(ω − ω ν ) 2 + γν<br />

2<br />

−∞<br />

e −i(ω−ω ν)t<br />

dω<br />

(ω − ω ν ) 2 + γν<br />

2<br />

(8.53)<br />

gesetzt werden kann, wobei Γ ν gemäß (8.31) (˜ω 21 ↦→ ω ν )definiertist:<br />

Γ ν = 2ω2 ν<br />

ε 0 c 2 d 21 · Im G(r A , r A , ω ν ) · d 12 . (8.54)<br />

Das Frequenzintegral in (8.53) läßt sich nunmehr einfach berechnen;<br />

wir erhalten:<br />

K res (t) =− 1 2 Γ νγ ν e −i(ω ν−˜ω 21 )t e −γ ν|t| (8.55)<br />

In der betrachteten Näherung nimmt die Integrodifferentialgleichung<br />

(8.20) die Form<br />

Ċ 2 (t) =<br />

∫ t<br />

0<br />

dt ′ K res (t − t ′ )C 2 (t ′ )<br />

∫ t<br />

= − 1 2 Γ νγ ν dt ′ e −[i(ω ν−˜ω 21 )+γ ν ](t−t ′) C 2 (t ′ ) (8.56)<br />

0<br />

an. Wir differenzieren beide Seiten dieser Gleichung nach der Zeit und<br />

finden<br />

¨C 2 (t)+[i(ω ν − ˜ω 21 )+γ ν ] Ċ2(t)+(Ω ν /2) 2 C 2 (t) =0 (8.57)


8.2. SPONTANE EMISSION 281<br />

wobei<br />

Ω ν = √ 2Γ ν γ ν<br />

(8.58)<br />

die (der betrachteten Feldresonanz entsprechende) Vakuum-Rabi-<br />

Frequenz bedeutet.<br />

Gehen wir mit dem Lösungsansatz C 2 (t) ∼ e λt in die Differentialgleichung<br />

(8.57) ein, so erhalten wir die Säkulargleichung<br />

λ 2 − (iδ ν − γ ν )λ +(Ω ν /2) 2 =0 (8.59)<br />

(δ ν =˜ω 21 −ω ν ). Wir wollen uns auf den Fall (nahezu) exakter Resonanz<br />

konzentrieren,<br />

|δ ν | ≪ Ω ν , (8.60)<br />

und annehmen, daß die spektrale Breite der betrachteten Feldresonanz<br />

klein im Vergleich zur Rabi-Frequenz ist,<br />

γ ν ≪ Ω ν . (8.61)<br />

Beschränken wir uns auf die Mitnahme der bis einschließlich in den<br />

Kleinheitsparametern linearen Terme, so erhalten wir die beiden Lösungen<br />

λ = 1 2 (±Ω ν + δ ν ) i − 1 2 γ ν, (8.62)<br />

und für die zeitliche Entwicklung der Wahrscheilichkeitsamplitude des<br />

angeregten Atomzustands folgt<br />

d.h., die Besetzungswahrscheinlichkeit<br />

C 2 (t) =e −(iδ ν+γ ν )t/2 cos(Ω ν t/2), (8.63)<br />

|C 2 (t)| 2 = e −γ νt cos 2 (Ω ν t/2) (8.64)<br />

zeigt für Zeiten t ≪ γ −1<br />

ν<br />

ein oszillierendes Verhalten:<br />

|C 2 (t)| 2 =cos 2 (Ω ν t/2) ❀ |C 1 (t)| 2 =1− cos 2 (Ω ν t/2) = sin 2 (Ω ν t/2)<br />

(8.65)<br />

Das emittierte Photon kann also wieder reabsorbiert werden. Die<br />

Anordnung wirkt als Resonator, dessen Güte hinreichend hoch ist, so


282 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

1<br />

|C 2 (t)| 2 0<br />

0.5<br />

0<br />

0.05<br />

γ ν t<br />

0.1<br />

Besetzungswahrscheinlichkeit des oberen Atomzustands als Funktion der Zeit<br />

für ein Atom umgeben von einer dielektrischen Kugelschale [ε(ω) gemäß<br />

(8.44)] mit innerem Radius R =30λ T und Dicke d = λ T [ω P /ω T =0.5, ω ν =<br />

ω 21 =1.046448 ω T , Γ 0 λ T /(2c)=10 −6 ; γ/ω T =10 −4 (durchgezogen), γ/ω T =<br />

5 × 10 −4 (gestrichelt), γ/ω T =10 −3 (punktiert)]. Die strichpunktierte Kurve<br />

zeigt das im freien Raum beobachtete exponentielle Zerfallsgestz.<br />

daß das emittierte Photon im Resonator gefangen“ wird. und somit<br />

”<br />

Somit steht das emittierte Photon für die Wechselwirkung mit dem<br />

Atom weiter zur Verfügung und kann das sich nunmehr im Grundzustand<br />

befindlichen Atom wieder anregen. Der periodische (und somit<br />

reversible Prozeß) des Austauschs der Anregungsenergie zwischen Atom<br />

und Feld setzt sich natürlich nicht beliebig lange fort, da ein emittiertes<br />

Photon den Resonator verlassen bzw. absorbiert werden kann. Die<br />

charakteristische Zeit dafür ist offensichtlich durch γν<br />

−1 bestimmt, d.h.<br />

durch die Lebensdauer der betrachten (effektiven) Mode, was gleichbedeutend<br />

mit der Verweildauer eines Photons im Resonator ist. In<br />

der Praxis wird die Güte eines Resonators (bezüglich der betrachteten<br />

Feldresonanz) gewöhnlich als das Verhältnis Q = ω ν /γ ν definiert.<br />

Beispiele für die (exakte) zeitliche Entwicklung des oberen Atomzustands<br />

sind in der Abbildung auf Seite 282 dargestellt. Die Abbildung<br />

auf Seite 283 zeigt einen Vergleich zwischen der exakten Lösung [numerische<br />

Lösung der Integralgleichung (8.22) zusammen mit dem Integralkern<br />

(8.23)] und der auf der Differentialgleichung (8.57) basierenden<br />

Näherungslösung für C 2 (t). Die Übereinstimmung ist hinreichend gut.


8.2. SPONTANE EMISSION 283<br />

|C 2 (t)| 2<br />

1<br />

0.5<br />

0<br />

0<br />

0.1<br />

˜ω<br />

0.2<br />

21 /ω T<br />

Besetzungswahrscheinlichkeit des oberen Atomzustands als Funktion der Zeit<br />

für ein Atom umgeben von einer dielektrischen Kugelschale [ε(ω) gemäß<br />

(8.44)] mit innerem Radius R =30λ T und Dicke d = λ T [ω P /ω T =3,ω ν<br />

=ω 21 =0.9999 ω T , Γ 0 λ T /(2c)=10 −5 , γ/ω T =10 −4 ]. Die durchgezogene Kurve<br />

zeigt die exakte Lösung der Integralgleichung (8.22), die punktierte Kurve die<br />

exakte Lösung der Differentialgleichung (8.57), die strich-punktierte Kurve<br />

die Näherungslösung dieser Differentialgleichung ohne Berücksichtigung der<br />

Frequenzverschiebung δω = −2.4 × 10 −5 ω T und die lang-gestrichelte Kurve<br />

die Näherungslösung (8.64). Die kurz-gestrichelte Kurve zeigt das im freien<br />

Raum beobachtete exponentielle Zerfallsgesetz.<br />

Je schärfer die Feldresonanz, desto geringer sind die Unterschiede.<br />

Betrachten wir abschließend den Grenzfall einer extrem breiten<br />

Feldresonanz, d.h.<br />

γ ν ≫ Ω ν , |δ ν |. (8.66)<br />

Beschränken wir und wieder auf die Mitnahme der bis einschließlich in<br />

den Kleinheitsparametern linearen Terme, erhalten wir als Lösungen<br />

der Säkulargleichung (8.59)<br />

λ = − γ ( ) (<br />

ν<br />

2 ± γν<br />

2 − Ω2 ν δν<br />

+ i<br />

4γ ν 2 ∓ δ )<br />

ν<br />

. (8.67)<br />

2<br />

Wir erinnern uns an die Definition (8.58) von Ω ν und sehen, daß<br />

Ω 2 ν<br />

= Γ ν<br />

4γ ν 2<br />

(8.68)


284 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

gilt. Da γ ν ≫ Γ ν ist, setzt sich C 2 (t) offenbar aus einer schnell und<br />

einer langsam abklingenden Komponente zusammen, so daß für Zeiten<br />

t ≫ γν<br />

−1<br />

|C 2 (t)| 2 = e −Γνt = e −Γt (8.69)<br />

gesetzt werden kann. Erwartungsgemäß entspricht dies genau dem<br />

in Markow-Näherung gefundenen Verhalten für schwache Atom-Feld-<br />

Kopplung.<br />

8.3 Das Jaynes-Cummings-Modell<br />

Wie wir im Abschnitt 8.2.2 gesehen haben, führt die (quasi-)resonante<br />

Wechselwirkung eines angeregten 2-Niveau-Atoms mit dem elektromagnetischen<br />

Feld im Falle der starken Atom-Feld-Kopplung für Zeiten,<br />

die klein sind im Vergleich zur Lebensdauer der jeweiligen (effektiven)<br />

Mode zu einem periodischen Energieaustausch zwischen Atom<br />

und Feld. Dieses Regime kann durch das Jaynes-Cummings-Modell<br />

beschrieben werden, ein in der <strong>Quantenoptik</strong> vielfach angewendetes<br />

Grundmodell. Formal entspricht es dem (in der Praxis natürlich nicht<br />

realisierbaren) Grenzfall eines idealen Resonators, d.h. eines Resonators<br />

unendlich hoher Güte.<br />

In diesem Fall kann die (quasi-)resonante Wechselwirkung eines 2-<br />

Niveau-Atoms mit einer quantisierten Strahlungsfeldmode auf der Basis<br />

des Hamilton-Operators<br />

beschrieben werden, wobei 10<br />

Ĥ = Ĥ0 + Ĥint (8.70)<br />

Ĥ 0 = ω 1 Â 11 + ω 2 Â 22 + ω â † â (8.71)<br />

der Hamilton-Operator des aus ungestörtem Atom und ungestörter<br />

10 Die Modenfrequenz ω entspricht der Frequenz ω ν im Abschnitt 8.2.2. Ferner wollen wir verabreden,<br />

unter den atomaren Frequenzen immer die verschobenen Frequenzen zu verstehen, so daß<br />

wir die Tilde zu ihrer Kennzeichnung ebenfalls weglassen können. Gäbe es im Sinne des Jaynes-<br />

Cummings-Modells tatsächlich nur eine einzige Mode, mit derdasAtomwechselwirkt,wäre die<br />

Frage der Verschiebung gegenstandslos.


8.3. DAS JAYNES-CUMMINGS-MODELL 285<br />

Strahlungsfeldmode bestehenden Systems ist und<br />

Ĥ int = −λ ( â † Â 12 + Â21 â ) (8.72)<br />

den Wechselwirkungsoperator darstellt. Der Kopplungsparameter λ ist<br />

durch das elektrische Übergangsdipolmoment und die Modenfunktion<br />

des elektrischen Feldes im betrachteten (idealen) Resonator bestimmt.<br />

11 Es sei<br />

Ĥ 0 |i, n〉 = (ω i + nω) |i, n〉 (8.73)<br />

die Energieeigenwertgleichung des ungestörten Systems, wobei i die<br />

zwei atomaren Zustände durchnumeriert (i =1, 2) und n die Photonenanzahl<br />

ist. Um das Energieeigenwertproblem des wechselwirkenden<br />

Systems zu lösen, stellen wir die Eigenzustände von Ĥ als Überlagerungen<br />

der (quasi-)entarteten Eigenzustände von Ĥ0 dar:<br />

|n, ±〉 = c ±<br />

(<br />

|1,n+1〉 + α± |2,n〉 ) (8.74)<br />

Setzen wir in die Eigenwertgleichung<br />

Ĥ |n, ±〉 = E n,± |n, ±〉 ≡ω n,± |n, ±〉 (8.75)<br />

den Hamilton-Operator Ĥ, wieerdurchdieGleichungen(8.70)–(8.72)<br />

gegeben ist, ein, so erhalten wir ein aus zwei Gleichungen bestehendes<br />

homogenes, lineares Gleichungssystem zur Bestimmung von ω n,± und<br />

α ± .DieKoefficienten c ± ergeben sich dann aus der Normierungsbedingung<br />

〈n, ±|n, ±〉=1. Die Rechnung liefert<br />

ω n,± = 1 2 [ω 2 + ω 1 +(2n+1)ω ± ∆ n ] (8.76)<br />

α ± = − 1 Ω n<br />

[ω 21 − ω ± ∆ n ] , (8.77)<br />

11 Beachte, daß ohne Einschränkung der Allgemeinheit λ > 0angenommenwerdenkann.


286 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

wobei die Bezeichnungen<br />

c ± =<br />

1<br />

√<br />

1+α<br />

2<br />

±<br />

, (8.78)<br />

∆ n = √ δ 2 + Ω 2 n , (8.79)<br />

Ω n =2λ √ n +1 (8.80)<br />

δ = ω 21 − ω (8.81)<br />

benutzt wurden. Setzen wir die Koeffizienten aus (8.77) und (8.78)<br />

[zusammen mit (8.79) – (8.81)] in (8.74) ein, so können wir die Energieeigenzustände<br />

|n, ±〉 in der Form<br />

mit<br />

|n, +〉 =cosΘ n |1,n+1〉−sin Θ n |2,n〉, (8.82)<br />

|n, −〉 =sinΘ n |1,n+1〉 +cosΘ n |2,n〉 (8.83)<br />

sin Θ n =<br />

Ω<br />

√ n<br />

, (8.84)<br />

(∆n − δ) 2 + Ω 2 n<br />

cos Θ n =<br />

∆ n − δ<br />

√<br />

(∆n − δ) 2 + Ω 2 n<br />

(8.85)<br />

darstellen. Da die Zustände |n, ±〉 offensichtlich nur die angeregten<br />

Eigenzustände von Ĥ umfassen, müssen sie durch den Grundzustand<br />

|1, 0〉, dersowohlEigenzustandvonĤ0 als auch von Ĥ ist,<br />

Ĥ|1, 0〉 = Ĥ0|1, 0〉 = ω 1 |1, 0〉, (8.86)<br />

ergänzt werden, so daß die Vollständigkeitsrelation<br />

|1, 0〉〈1, 0| + ∑ σ=±<br />

lautet.<br />

∞∑<br />

|n, σ〉〈n, σ| = Î (8.87)<br />

n=0


8.3. DAS JAYNES-CUMMINGS-MODELL 287<br />

Die Zustände |n, ±〉 werden üblicherweise als Dressed(-Atom) States<br />

bezeichnet. Speziell im Fall exakter Resonanz (δ =0) nehmen sie die<br />

einfache Form<br />

|n, ±〉 = 1 √<br />

2<br />

(|1,n+1〉∓|2,n〉) (8.88)<br />

an, und die dazugehörigen Eigenfrequenzen ω n,± lauten<br />

ω n,± =(ω 2 + nω) ± 1 2 Ω n. (8.89)<br />

Die durch die (quasi-)resonante Atom-Feld-Wechselwirkung bedingte<br />

Effekt der Niveauaufspaltungen Ω n wird als dynamischer Stark-<br />

Effekt bezeichnet; Ω n heißt n-Photonen-Rabi-Frequenz. 12<br />

Der Zeitentwicklungsoperator Û(t) =exp(−iĤt/) inderĤ-Darstellung<br />

ist diagonal,<br />

Û(t) =e −iω1t |1, 0〉〈1, 0| + ∑ ∞∑<br />

e −iωn,σt |n, σ〉〈n, σ|. (8.90)<br />

σ=±<br />

Gemäß (8.82) – (8.85) drücken wir hier die Zustände |n, ±〉 durch die<br />

ungestörten Zustände |i, n〉 aus, und erhalten [unter Berücksichtigung<br />

von (8.76)] nach einer kurzen Rechnung Û(t) inderĤ0-Darstellung,<br />

∞∑<br />

Û(t) =e −iω1t |1, 0〉〈1, 0| + exp { − 1 2 i[ω 1 + ω 2 + ω(2n +1)]t }<br />

n=0<br />

n=0<br />

×<br />

{ [<br />

cos ( 1<br />

2 ∆ nt ) + i δ ∆ n<br />

sin ( 1<br />

2 ∆ nt ) ] |1,n+1〉〈1,n+1|<br />

+<br />

[<br />

cos ( 1<br />

2 ∆ nt ) − i δ ∆ n<br />

sin ( 1<br />

2 ∆ nt ) ] |2,n〉〈2,n|<br />

+ i Ω n<br />

∆ n<br />

sin ( 1<br />

2 ∆ nt )( |1,n+1〉〈2,n| + |2,n〉〈1,n+1| )} , (8.91)<br />

woraus die Matrixelemente<br />

U in,jm (t) =〈i, n| Û(t) |j, m〉 (8.92)<br />

12 Im Falle der Wechselwirkung eines angeregten AtomsmitdemPhotonenvakuumsprichtman<br />

auch von der Vakuum-Rabi-Aufspaltung. Die Vakuum-Rabi-Frequenz Ω 0 entspricht der in (8.58)<br />

definierten Rabi-Frequenz Ω.


288 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

(i, j =1, 2, n,m=0, 1, 2,...), unschwer abgelesen werden können. Sind<br />

ˆϱ(t) undˆϱ(t ′ )dieDichteoperatorenzuzweiZeitenimSchrödinger-Bild,<br />

ˆϱ(t) =Û(t − t′ )ˆϱ(t ′ ) Û † (t − t ′ ), (8.93)<br />

so gilt für ihre Matrixelemente in der Ĥ0-Darstellung<br />

ϱ in,jm (t) = ∑ ∑<br />

U in,i′ n ′(t − t′ )[U jm,j′ m ′(t − t′ )] ∗ ϱ i′ n ′ ,j ′ m ′(t′ ). (8.94)<br />

i ′ n ′ j ′ m ′<br />

Das Jaynes-Cummings-Modell ist in unterschiedlicher Weise verallgemeinert<br />

worden. Nehmen wir beispielsweise an, daß der betrachtete<br />

atomare Übergang (quasi-)resonant mit einem beliebigen k-Photonen-<br />

Übergang wechselwirkt (k =1, 2,...), so daß der Ĥint in (8.70) durch<br />

Ĥ (k)<br />

int = −λ(k) ( â †k  12 + Â21 â k) (8.95)<br />

zu ersetzen ist. Die Berechnung der Eigenzustände des k-Photonen-<br />

Jaynes-Cummings-Hamilton-Operators Ĥ0 + Ĥ(k) int und die Berechnung<br />

der Matrixelemente des Zeitentwicklungsoperators können in völliger<br />

Analogie zu Obigem geschehen. In Verallgemeinerung von (8.82) und<br />

(8.83) lauten die Dressed States nunmehr<br />

|n, +〉 (k) = cos Θ (k)<br />

n<br />

|n, −〉 (k) =sinΘ (k)<br />

n<br />

|1,n+k〉−sin Θ(k) n |2,n〉, (8.96)<br />

|1,n+k〉 +cosΘ (k)<br />

n |2,n〉, (8.97)<br />

wobei sin Θ (k)<br />

n und cos Θ (k)<br />

n gemäß (8.84) and (8.85) [zusammen<br />

mit(8.79)] berechnet werden können, wenn dort die 1-Photon-Größen<br />

δ und Ω n durch die entsprechenden k-Photonen-Größen<br />

δ (k) = ω 21 − kω, (8.98)<br />

Ω (k)<br />

n<br />

=2λ (k) √<br />

(n + k)!<br />

n!<br />

(8.99)<br />

ersetzt werden (∆ n ↦→ ∆ (k)<br />

n ). Die Verallgemeinerung der Gleichungen<br />

(8.90), (8.91) und (8.94) liegt dann auf der Hand.


8.3. DAS JAYNES-CUMMINGS-MODELL 289<br />

8.3.1 Collapse und Revival<br />

Wenden wir uns zunächst der atomaren Dynamik zu und berechnen die<br />

reduzierte Dichtematrix 13 σ ij (t) = ∑ ϱ in,jn (t). (8.100)<br />

n<br />

Wir identifizieren die Zeit t ′ in (8.94) mit dem Anfangszeitpunkt und<br />

setzen den Anfangszustand in der Form<br />

ϱ in,jm (t ′ )=ρ nm (t ′ )σ ij (t ′ ) (8.101)<br />

an [ˆρ - (reduzierter) Dichteoperator der Strahlungsfeldmode]. Betrachten<br />

wir als erstes die zeitliche Entwicklung der Besetzungswahrscheinlichkeiten.<br />

Anwenden der Gleichungen (8.91) – (8.94) sowie (8.100) und<br />

(8.101) liefert (t ′ =0)<br />

wobei<br />

σ 22 (t) =σ inc<br />

22 (t)+σ coh<br />

22 (t), (8.102)<br />

σ inc<br />

22 (t) = ∑ n<br />

{ 2δ 2 + Ω 2 n [1 + cos(∆ nt)]<br />

σ 22 (0) ρ nn (0)<br />

2∆ 2 n<br />

+ Ω2 n<br />

[1 − cos(∆<br />

2∆ 2 n t)] σ 11 (0) ρ n+1 n+1 (0)<br />

n<br />

}<br />

(8.103)<br />

von den anfangs angeregten Diagonaldichtematrixelementen (inkohärente<br />

Präparation) und<br />

{ ∑<br />

{<br />

σ22 coh (t) =Re i Ω n<br />

sin(∆ n t)<br />

∆<br />

n n<br />

− δ Ω }<br />

}<br />

n<br />

[1 − cos(∆<br />

∆ 2 n t)] σ 12 (0) ρ n+1 n (0) (8.104)<br />

n<br />

13 Da σ 22 + σ 11 =1 und σ 21 = σ12 ∗ gilt, genügt es, die Rechnungen für zwei atomare Dichtematrixelemente<br />

durchzuführen.


290 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

von den anfangs angeregten Nichtdiagonaldichtematrixelementen (kohärente<br />

Präparation) herrührt. Im Falle exakter Resonanz (δ =0) vereinfachen<br />

sich die Gleichungen (8.103) und (8.104) zu<br />

σ inc<br />

22 (t) =1 2<br />

∑{ [1 + cos(Ωn t)] σ 22 (0) ρ nn (0)<br />

n<br />

+[1− cos(Ω n t)] σ 11 (0) ρ n+1 n+1 (0) } , (8.105)<br />

[ ∑<br />

]<br />

σ22 coh i sin(Ω n t) σ 12 (0) ρ n+1 n (0) .<br />

n<br />

(8.106)<br />

Nehmen wir an, das Atom befinde sich anfangs im angeregten Zustand<br />

[σ ij (0) = δ ij δ i2 ]. In diesem Fall führen die Gleichungen (8.102),<br />

(8.105) und (8.106) auf:<br />

[<br />

σ 22 (t) =σ22 inc (t) = 1 2<br />

1+ ∑ n<br />

]<br />

ρ nn (0) cos(Ω n t)<br />

(8.107)<br />

Die zeitliche Entwicklung der Besetzungswahrscheinlichkeit des angeregten<br />

Atomzustands hängt ganz wesentlich von der anfangs vorliegenden<br />

Photonenstatistik ab. Falls die Strahlungsfeldmode anfangs in<br />

einem k-Photonen-Fock-Zustand angeregt ist [ρ nn (0) = δ nk ], oszilliert<br />

die Besetzungswahrscheinlichkeit einfach mit der entsprechenden Rabi-<br />

Frequenz,<br />

σ 22 (t) = 1 2 [1 + cos(Ω kt)] = cos 2 (Ω k t/2). (8.108)<br />

Liegt anfangs das Photonenvakuum vor, erfolgt – in Übereinstimmung<br />

mit (8.65) – die Oszillation mit der Vakuum-Rabi-Frequenz. Ist die<br />

Resonatormode anfangs in einem kohärenten Zustand |α〉 angeregt, so<br />

stellt ρ nn (0) eine Poisson-Verteilung dar [siehe (2.76)] und aus (8.107)<br />

folgt<br />

σ 22 (t) = 1 2<br />

[<br />

1+ ∑ n<br />

〈ˆn(0)〉 n<br />

n!<br />

]<br />

e −〈ˆn(0)〉 cos(Ω n t)<br />

(8.109)<br />

[〈ˆn(0)〉 = |α| 2 ]. Die n-Abhängigkeit der Rabi-Frequenz macht es i. allg.<br />

unmöglich, die Summe über n in geschlossener Form auszuführen.


8.3. DAS JAYNES-CUMMINGS-MODELL 291<br />

Zeitliche Entwicklung der Besetzungswahrscheinlichkeit des angeregten Zustands<br />

eines 2-Niveau-Atoms, das sich zumAnfangszeitpunktindiesemZustand<br />

befindet und resonant mit einer Resonatormode wechselwirkt, die zum<br />

Anfangszeitpunkt in einem kohärenten Zustand |α〉 mit mittlerer Photonenanzahl<br />

〈ˆn(0)〉 = |α| 2 =5 angeregt ist.<br />

Die obige Abbildung zeigt ein typisches Beispiel für die zeitliche<br />

Entwicklung der Besetzungswahrscheinlichkeit des angeregten Atomzustands<br />

bei anfänglicher Präparation der Resonatormode in einem<br />

kohärenten Zustand. Das Verhalten wird üblicherweise recht anschaulich<br />

mit den Begriffen Collapse und Revival beschrieben Wie zu sehen<br />

ist, ”<br />

kollabiert“ der zunächst zu beobachtende Prozeß des oszillationsartigen<br />

An- und Abregung des Atoms nach einer gewissen Zeit,<br />

und es stellt sich eine Halbe-Halbe-Besetzungswahrscheinlichkeit zwischen<br />

dem angeregte Zustand und dem Grundzustandein.DieserKollaps<br />

ist offensichtlich ein Ergebnis destruktiver Interferenz der Rabi-<br />

Oszillationen unterschiedlicher Frequenzen. So wie der oszillationsartige<br />

Prozeß kollabiert, kann er zu einem späteren Zeitpunkt wiederbelebt<br />

werden und das Ganze beginnt von neuem.<br />

Für hinreichend große Werte der mittleren Photonenanzahl 〈ˆn(0)〉<br />

und hinreichend schmale Photonenanzahlverteilung folgt aus (8.80)<br />

durch Entwicklung von Ω n [an der Stelle 〈ˆn(0)〉]<br />

Ω n ≈ 2λ √ [<br />

〈ˆn(0)〉 1+ n −〈ˆn(0)〉 ]<br />

. (8.110)<br />

2〈ˆn(0)〉


292 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

Unter den gemachten Annahmen wird also das Oszillationsverhalten<br />

näherungsweise durch die effektive Rabi-Frequenz<br />

Ω eff ≈ 2λ √ 〈ˆn(0)〉 (8.111)<br />

bestimmt. Um das Auftreten der Revivals zu verstehen, betrachten wir<br />

die Differenz zweier Rabi-Frequenzen (im relevanten n-Bereich). Aus<br />

(8.110) folgt<br />

λ<br />

Ω n − Ω n−j ≈ j √ . (8.112)<br />

〈ˆn(0)〉<br />

Die relative Phase zweier benachbarter Rabi-Oszillationen zum Zeitpunkt<br />

t + τ (k)<br />

rev mit<br />

τ rev (k) = 2πk √<br />

〈ˆn(0)〉 (8.113)<br />

λ<br />

unterscheidet sich also gerade um 2πk von der relativen Phase zum<br />

Zeitpunkt t, d.h.<br />

und weiter<br />

(Ω n − Ω n−1 ) τ (k)<br />

rev ≈ 2πk (8.114)<br />

(Ω n − Ω n−j ) τ (k)<br />

rev ≈ 2πkj. (8.115)<br />

Folglich kann davon ausgegangen werden, daß eine Überlagerung der<br />

Rabi-Oszillationen im relevanten n-Bereich zum Zeitpunkt t + τ rev (k) ein<br />

Interferenzbild liefert, das zumindest näherungsweise dem zum Zeitpunkt<br />

t gleicht.<br />

Die Revivals stellen einen reinen Quanteneffekt dar, der auftritt, solange<br />

sich die Diskretheit der Fock-Zustände bemerkbar macht. Kann<br />

für 〈ˆn(0)〉→∞ die Diskretheit unberücksichtigt bleiben, so daß der Abstand<br />

zwischen benachbarten Rabi-Frequenzen effektiv verschwindet,<br />

können gemäß (8.114) keine Revivals zu endlichen Zeiten auftreten. Um<br />

dies explizit zu demonstrieren, ersetzen wir in (8.109) für 〈ˆn(0)〉≫1die


8.3. DAS JAYNES-CUMMINGS-MODELL 293<br />

Poisson-Verteilung näherungsweise durch eine Gauß-Verteilung,<br />

ρ nn (0) = 〈ˆn(0)〉n<br />

n!<br />

e −〈ˆn(0)〉 ≈<br />

]<br />

1<br />

(n −〈ˆn(0)〉)2<br />

√ exp<br />

[− ,<br />

2π〈ˆn(0)〉 2〈ˆn(0)〉<br />

(8.116)<br />

so daß mit der Näherung<br />

[ √n √ ][ √n √ ]<br />

n −〈ˆn(0)〉 = − 〈ˆn(0)〉 + 〈ˆn(0)〉<br />

≈ 2 √ [ √n √ ]<br />

〈ˆn(0)〉 − 〈ˆn(0)〉<br />

sowie Ω n ≈ 2λ √ n<br />

σ 22 (t) ≈ 1 2<br />

{<br />

1+<br />

1<br />

√<br />

2π〈ˆn(0)〉<br />

(8.117)<br />

× ∑ n<br />

[ ( √n− √ ) ] 2<br />

exp −2 〈ˆn(0)〉 cos ( 2λ √ nt )}<br />

≈ 1 2<br />

{ √<br />

〈ˆn(0)〉<br />

1+<br />

2π<br />

× ∑ [<br />

∆x exp −2〈ˆn(0)〉 ( √ x n −1) 2] (<br />

cos 2λ √ ) }<br />

x n 〈ˆn(0)〉 t<br />

n<br />

(8.118)<br />

folgt, wobei die Bezeichnungen<br />

x n =<br />

n<br />

〈ˆn(0)〉 , ∆x = x n+1 − x n = 1<br />

〈ˆn(0)〉<br />

(8.119)<br />

eingeführt wurden. Gehen wir von der Summation zur Integration über<br />

(x n → x, ∆x → dx), so erhalten wir (bei Ausdehnung des x-Integrals<br />

nach −∞) dasasymptotischeVerhalten<br />

σ 22 (t) ≈ 1 2<br />

{<br />

1+cos(Ω eff t)exp<br />

[<br />

−<br />

( t<br />

τ col<br />

) 2<br />

]}<br />

(8.120)


294 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

mit der effektiven Rabi-Frequenz gemäß (8.111) und<br />

τ col ≈<br />

√<br />

2<br />

λ<br />

(8.121)<br />

als Kollapszeit. Wie vorausgesagt, treten keine Revivals auf.<br />

Es sei hervorgehoben, daß sich die Quantenkorrelationen zwischen<br />

Atom und Feld während eines Collapse-Revival-Zyklus wesentlich<br />

ändern können. Wenn der Anfangszustand des Gesamtsystems ein reiner<br />

Zustand |Ψ(0)〉 ist, dann bleibt das System in einem reinen Zustand<br />

|Ψ(t)〉 = Û(t)|Ψ(0)〉. DieserkanninderForm<br />

|Ψ(t)〉 = c (1) (t) |Ψ (1)<br />

F (t)〉|Ψ(1) A (t)〉 + c(2) (t) |Ψ (2)<br />

F (t)〉|Ψ(2) A<br />

(t)〉 (8.122)<br />

geschrieben werden, wobei die Indizierung A und F Atom- bzw. Feldzustand<br />

bedeutet. Mittels der Darstellung (8.91) des Zeitentwicklungsoperators<br />

können die Koeffizienten c (i) (t) (i =1, 2) unschwer berechnet<br />

werden. Es zeigt sich, daß der Zustand |Ψ(t)〉 i. allg. nicht als (direktes)<br />

Produkt aus einem Atomzustand und einem Feldzustand geschrieben<br />

werden kann. Somit wird aus einem anfänglichen Produktzustand unter<br />

dem Einfluß der Atom-Feld-Wechsewirkung ein verschränkter Zustand.<br />

Nur wenn einer der Koeffizienten c (i) (t) verschwindet,sinddiebeiden<br />

Untersysteme unkorreliert und jedes derbeidenUntersystemebefindet<br />

sich in einem reinen Zustand. 14 Die Rechnungen zeigen, daß dies näherungsweise<br />

zu den Zeiten t =(2k +1)τ rev /2(k =0, 1, 2,...)derFallist,<br />

wobei mit wachsendem k die Näherung immer schlechter wird. Die Zeiten<br />

entsprechen jeweils der Mitte zwischen zwei aufeinanderfolgender<br />

Revivals, wennderZustandkollabiertist.<br />

Um den Effekt einer kohärenten Anfangspräparation des 2-Niveau-<br />

Atoms zu untersuchen, wollen wir annehmen, daß der Anfangszustand<br />

14 Es sei daran erinnert, daß dies genau dann der Fall ist, wenn die Entropien der Untersysteme<br />

verschwinden, S A = S F =0 (siehe Abschnitt 7.1).


8.3. DAS JAYNES-CUMMINGS-MODELL 295<br />

des Atoms eine Überlagerung der beiden Zustände |1〉 und |2〉 ist, 15<br />

σ 22 (0) = sin 2 χ, σ 11 (0) = cos 2 χ,<br />

σ 12 (0) = 1 2 e−iϕ sin(2χ), σ 21 (0) = σ ∗ 12 (0). (8.123)<br />

Ferner wollen wir wieder annehmen, daß sich das Feld anfangs in einem<br />

kohärenten Zustand |α〉 befindet und folglich<br />

√<br />

ρ nm (0) = αn (α ∗ ) m 〈ˆn(0)〉<br />

n+m<br />

√ e −|α|2 = √ e i(n−m)ϕ α<br />

e −〈ˆn(0)〉 (8.124)<br />

n! m! n! m!<br />

gilt (α = |α|e iϕ α ).<br />

Am deutlichsten lassen sich die Kohärenzeffekte für χ = π/4 demonstrieren,<br />

da in diesem Fall (bei Gleichbesetzung des Grundzustands<br />

und des angeregten Zustands) |σ 12 (0)| maximal wird. Die Gleichungen<br />

(8.102), (8.105) und (8.106) führen dann zusammen mit den Anfangsbedingen<br />

(8.123) and (8.124) auf<br />

σ 22 (t) =σ22 inc (t)+σcoh 22 (t), (8.125)<br />

{<br />

σ22 inc (t) =1 4<br />

2−e −〈ˆn(0)〉 + ∑ 〈ˆn(0)〉 n }<br />

[n+1−〈ˆn(0)〉]<br />

e −〈ˆn(0)〉 cos(Ω n t) ,<br />

(n +1)!<br />

n<br />

(8.126)<br />

σ coh<br />

22 (t) =1 2 sin (ϕ − ϕ α) ∑ n<br />

〈ˆn(0)〉 n<br />

n!<br />

e −〈ˆn(0)〉 √<br />

〈ˆn(0)〉<br />

n +1 sin(Ω nt) . (8.127)<br />

Die Gleichung (8.127) und insbesondere auch die folgende Abbildung<br />

zeigen, daß der Beitrag von σ22 coh(t)<br />

zuσ 22(t) empfindlichvonderPhasendifferenz<br />

ϕ − ϕ α abhängt. Der Beitrag ist maximal für Phasenwinkel<br />

ϕ − ϕ α =(k +1/2)π (k =0, 1, 2,...)underverschwindetfür Phasenwinkel<br />

ϕ − ϕ α = kπ. Dasheißt,kohärent präparierte Atome unterscheiden“<br />

empfindlich zwischen einem anfänglich (teilweise) kohärenten ”<br />

Resonatorfeld [ρ nm (0)≠0 for n≠m] und einem anfänglich inkohärenten<br />

Resonatorfeld [ρ nm (0) = 0 for n ≠ m], die die gleiche Photonenanzahlverteilung<br />

ρ nn (0) besitzen.<br />

15 Ein solcher Zustand kann durch Pumpen mit einem klassischen Feld angeregt werden. Der Parameter<br />

χ kann dabei durch den Betrag der komplexen Feldamplitude und die Wechselwirkungszeit<br />

kontrolliert werden und der Parameter ϕ durch die Phase der Feldamplitude.


296 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

Zeitliche Entwicklung der Besetzungswahrscheinlichkeit des angeregten Zustands<br />

eines 2-Niveau-Atoms, das sich zum Anfangszeitpunkt in einem Überlagerungszustand<br />

aus Grundzustand und angeregtem Zustand befindet (χ =<br />

π/4) und resonant mit einer Resonatormode wechselwirkt, die zum Anfangszeitpunkt<br />

in einem kohärenten Zustand |α〉 mit mittlerer Photonenanzahl<br />

〈ˆn(0)〉 = |α| 2 =5 angeregt ist.<br />

8.3.2 Photonenstatistik<br />

Wie die reduzierte Dichtematrix des Atomskannauchdiereduzierte<br />

Dichtematrix der Resonatormode,<br />

ρ nm (t) =<br />

2∑<br />

ϱ in,im (t), (8.128)<br />

i=1<br />

mit Hilfe der Formeln (8.91), (8.92) und (8.94) unschwer berechnet<br />

werden. Wir geben sie hier für den Fall eines anfänglich angeregten<br />

Atoms an [σ ij (0) = δ i2 δ j2 ]:<br />

{[<br />

ρ nm (t) =exp[−iω(n − m)t] cos ( 1<br />

2 ∆ nt ) −i δ sin ( 1<br />

∆<br />

2 ∆ nt )]<br />

n<br />

×<br />

[<br />

cos ( 1<br />

2 ∆ mt ) +i δ<br />

∆ m<br />

sin ( 1<br />

2 ∆ mt )] ρ nm (0)<br />

+ Ω n−1<br />

∆ n−1<br />

sin ( 1<br />

2 ∆ n−1t ) Ω m−1<br />

∆ m−1<br />

sin ( 1<br />

2 ∆ m−1t ) ρ n−1 m−1 (0)<br />

}<br />

. (8.129)


8.3. DAS JAYNES-CUMMINGS-MODELL 297<br />

Zeitliche Entwicklung der Photonenanzahlverteilung während des (ersten)<br />

Kollapses der Besetzungswahrscheinlichkeit des angeregten Atomzustands.<br />

Das Atom ist anfangs im angeregten ZustandunddieResonatormodein<br />

einem kohärenten Zustand |α〉 mit mittlerer Photonenanzahl 〈ˆn(0)〉 = |α| 2 =<br />

5. Die Werte von 〈[∆ˆn(t)] 2 〉/〈ˆn(t)〉 sind 1 (λt =0), 0.717 (1), 0.887 (2) und<br />

0.9715 (3).<br />

Somit lautet die Photonenanzahlverteilung im Falle exakter Resonanz<br />

(δ =0)<br />

ρ nn (t) =cos 2( 1<br />

2 Ω nt ) ρ nn (0) + sin 2( 1<br />

2 Ω n−1t ) ρ n−1 n−1 (0). (8.130)<br />

Die Beispiele in den Abbildungen auf den Seiten 297 und 298 illustrieren<br />

diesen Fall. Wir sehen, daß mit Beginn des (ersten) Kollapses<br />

die anfangs vorliegende Poisson-Verteilung der Photonenanzahl in eine<br />

sub-Poisson-Verteilung übergeht. Mit wachsender Zeit und insbesondere<br />

gegen Ende des Kollapses nimmt dieStrukturierungderVerteilung<br />

zu, wobei der sub-Poisson-Effekt insgesamt jedoch geringer wird.<br />

Obwohl nach dem Kollaps bis zurerstenWiederkehrσ 22 (t) nahezu<br />

konstant 1 2<br />

ist, kann sich ρ nn(t) während dieses Zeitraums beträchtlich<br />

ändern. Dabei handelt es sich im wesentlichen um Umverteilun-


298 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

Zeitliche Entwicklung der Photonenanzahlverteilung nach dem (ersten) Kollaps<br />

und vor der ersten Wiederkehr der Besetzungswahrscheinlichkeit des angeregten<br />

Atomzustands. Das Atom ist anfangs im angeregten Zustand und<br />

die Resonatormode in einem kohärenten Zustand |α〉 mit mittlerer Photonenanzahl<br />

〈ˆn(0)〉 = |α| 2 = 5. Die Werte von 〈[∆ˆn(t)] 2 〉/〈ˆn(t)〉 sind 0.959 (λt =4),<br />

0.953 (5), 0.949 (6) und 0.975 (7).<br />

gen, die nicht nur (wie zu erwarten) die mittlere Anzahl der Photonen<br />

konstant lassen, sondern auch näherungsweise die Varianz. Der<br />

sub-Poisson-Charakter der Verteilung bleibt erhalten, jedoch in abgeschwächter<br />

Form.<br />

8.4 Der Mikromaser<br />

Das Jaynes-Cummings-Modell bildet die Grundlage für eine Vielzahl<br />

von quantenoptischen Untersuchungen. Besonderer Bedeutung kommt<br />

in diesem Zusammenhang dem Mikromaser 16 bzw. -laser zu. Bei dem<br />

Mikromaser wird ein Strahl von Atomen in lang lebenden Rydberg-<br />

16 D. Meschede, H. Walther, G. Müller, Phys. Rev. Lett. 54, 551(1985).


8.4. DER MIKROMASER 299<br />

Zuständen durch einen Resonator geschickt, wo sie mit einer Resonatormode<br />

extrem hoher Güte (quasi-)resonant wechselwirken. Dabei<br />

müssen zwei wichtige Bedingungen erfüllt sein. Die Atomdichte in dem<br />

Strahl muß so gering sein, daß praktisch immer nur ein Atom mit<br />

der Resonatormode wechselwirkt, und der Resonator muß hinreichend<br />

gekühlt sein, damit thermische Photonen praktisch keine Rolle spielen.<br />

Bevor ein Atom in den Resonator gelangt, wird es in einen hochangeregten<br />

Rydberg-Zustand gepumpt. Der Übergang in den darunter<br />

liegenden Zustand erfolgt mit einer Frequenz, auf die der Resonator<br />

abgestimmt ist. Da die Lebensdauer der Rydberg-Zustände lang ist im<br />

Vergleich mit der Flugzeit des Atoms durch den Resonantor, hat man<br />

es effektiv mit einem 2-Niveau-Atom im Sinne des Jaynes-Cummings-<br />

Modells zu tun. Die Wechselwirkungszeit wird durch Geschwindigkeitsselektion<br />

kontrolliert. Nach Verlassen des Resonators kann der Atomzustand<br />

mittels Ionisation gemessen und es können Rückschlüsse auf<br />

den Feldzustand gezogen werden.<br />

Schema eines Mikromasers. 17<br />

Bei der theoretischen Behandlung 18 ist zwischen drei Zeitbereichen<br />

zu unterscheiden. Der erste ist durch die Wechselwirkungszeit τ int ,d.h.,<br />

die Flugzeit des jeweils betrachteten Atoms durch den Resonator, bestimmt.<br />

Sobald das Atom den Resonator verläßt bis zu dem Zeitpunkt<br />

17 C. Wagner, R.J. Brecha, A. Schenzle, H. Walther, Phys. Rev. A 46, R5350(1992).<br />

18 P. Filipowicz, J. Javanainnen, P. Meystre, Phys. Rev. A 34, 3077(1986).


300 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

wenn das nächste Atom in den Resonator eintritt, entwickelt sich das<br />

Resonatorfeld frei (Zeitintervall τ free ). Damit (in der überwiegenden<br />

Anzahl der Fälle) nur ein Atom mit dem Resonatorfeld wechselwirkt,<br />

muß offensichtlich τ int ≪ τ free gelten. Der dritte Zeitbereich ist die Lebensdauer<br />

τ cav der Resonatormode. Die Wechselwirkung eines Atoms<br />

mit der (ungedämpften) Resonatormode setzt demnach auch τ int ≪τ cav<br />

voraus. Damit mehrere Atome hintereinander in den Zyklus einbezogen<br />

werden können, (d.h. der Feldzustand, den ein Atom hinterläß, für das<br />

nachfolgende nutzbar ist) muß natürlich auch τ free hinreichend klein im<br />

Vergleich zu τ cav sein.<br />

Wir wollen annehmen, daß zum Zeitpunkt t k das k-te Atom im angeregten<br />

Zustand [σ ij (t k )=δ ij δ i2 ]indenResonatoreintritt.Diezeitliche<br />

Entwicklung der Dichtematrix ρ nm (t) derResonatormodewährend des<br />

Zeitintervalls t k , t k + τ int ist gemäß Eq. (8.129) (δ =0) gegeben:<br />

ρ nm (t k +τ int ) = exp[−iω(n − m)τ int ] [ cos ( 1<br />

2 Ω nτ int<br />

)<br />

cos<br />

( 1<br />

2 Ω mτ int<br />

)<br />

ρnm (t k )<br />

+sin ( 1<br />

2 Ω n−1τ int<br />

)<br />

sin<br />

( 1<br />

2 Ω m−1τ int<br />

)<br />

ρn−1 m−1 (t k ) ] . (8.131)<br />

Ist die photonische Dichtematrix zum Zeitpunkt t k diagonal, so ist zum<br />

t k + τ int ebenfalls diagonal,<br />

ρ nn (t k +τ int )=cos 2( 1<br />

2 Ω nτ int<br />

)<br />

ρnn (t k )+sin 2( 1<br />

2 Ω n−1τ int<br />

)<br />

ρn−1 n−1 (t k ).<br />

(8.132)<br />

Ist also die photonische Dichtematrix zum Anfangszeitpunkt t 1 diagonal,<br />

ρ nm (t 1 )=ρ nn (t 1 ) δ nm , (8.133)<br />

ist die Betrachtung der Diagonalelemente ausreichend. Dies ist aber gerade<br />

der Fall, wenn das Feld anfangs im Vakuumzustand (bzw. thermischen<br />

Zustand) vorliegt. Ist ferner τ free ≪τ cav ,dannkannρ nn (t)während<br />

des Zeitintervalls t k +τ int , t k +τ int +τ free als konstant angesehen werden.<br />

Das heißt, das (k+1)-te Atom findet beim Eintritt in den Resonator das<br />

Feld in dem Zustand mit den Dichtematrixelementen ρ nn (t k+1 )=ρ nn (t k<br />

+τ int )vor.IndiesemFallstelltdieGleichung(8.132)eineRekurrenzbeziehung<br />

für die Bestimmung der Dichtematrixelemente in Abhängigkeit<br />

der Anzahl der Atome dar, die den Resonator durchlaufen haben.<br />

Nehmen wir an, daß für eine gegebene Photonenanzahl n = p die


8.4. DER MIKROMASER 301<br />

Quantenzustand der Resonatormode eines idealen Mikromasers für<br />

Ω 15 τ int =2π und unterschiedliche Anzahl von Atomen, die den Resonator<br />

durchlaufen haben. Es ist angenommen,daßdieResonatormodeanfangsim<br />

Vakuumzustand ist.<br />

Wechselwirkungszeit der Bedingung<br />

τ int = m 2π<br />

Ω p<br />

(8.134)<br />

(m>0, ganz) genügt. Wenn das Resonatorfeld anfangs in einem thermischen<br />

Zustand hinreichend niedriger Temperatur ist, so daß für n>p<br />

ρ nn (t 1 ) ≈ 0gilt,sogiltdiesauchfür spätere Zeiten. Für n =p+1 liefert<br />

nämlich (8.132)<br />

ρ p+1 p+1 (t k + τ int )=cos 2( 1<br />

2 Ω p+1τ int<br />

)<br />

ρp+1 p+1 (t k ), (8.135)<br />

woraus unter der Anfangsbedingung ρ p+1 p+1 (t 1 )=0<br />

ρ p+1 p+1 (t) =0 (8.136)<br />

und somit gemäß (8.132) für n = p + l, l =1, 2, 3,...<br />

ρ p+lp+l (t) =0 (8.137)


302 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

folgt. Für n = p lautet die Gleichung (8.132)<br />

ρ pp (t k + τ int )=ρ pp (t k )+sin 2( 1<br />

2 Ω p−1τ int<br />

)<br />

ρp−1 p−1 (t k ). (8.138)<br />

Die Gleichung (8.138) sowie die Gleichung (8.132) für n


8.5. RESONANZFLUORESZENZ 303<br />

in diesem Fall auf<br />

˙Â 22 = i Â21d 21 · Ê(+) (r A ) − i Ê(−) (r A ) · d 12 Â 12 , (8.140)<br />

˙Â 11 = − ˙Â 22 , (8.141)<br />

˙Â 21 = iω 21 Â 21 − i )<br />

Ê(−) (r A ) · d 12<br />

(Â11 − Â22 , (8.142)<br />

˙Â 12 = ˙Â † 21 , (8.143)<br />

wobei Ê(+) (r A )undÊ(−) (r A )=[Ê(+) (r A )] † wieder gemäß (8.10) zusammen<br />

mit (1.195) definiert sind. Wir wollen im weiteren das gekoppelte<br />

Gleichungssystem in Markow-Näherung auswerten. Dazu ist es<br />

zweckmäßig, von der quellenmäßigen Darstellung von Ê(r A)auszugehen.<br />

8.5.1 Quellenmäßige Darstellung von Ê(r)<br />

Um die quellenmäßige Darstellung der elektrischen Feldstärke zu erhalten,<br />

beginnen wir mit der Heisenbergschen Bewegungsgleichung für<br />

ˆf(r, ω). Der größeren Allgemeinheit wegen wollen wir die Wechselwirkung<br />

eines atomaren Vielniveausystems mit dem elektromagnetischen<br />

Feld (in elektrischer Dipolnäherung) betrachten und dementsprechend<br />

nicht von dem sehr speziellen Hamilton-Operator (8.12) ausgehen, sondern<br />

von dem bei multipolarer Kopplung (in elekrischer Dipolnäherung)<br />

exakten Hamilton-Operator 19<br />

∫<br />

Ĥ =<br />

d 3 r<br />

∫ ∞<br />

0<br />

dω ω ˆf † (r, ω) · ˆf(r, ω)+ ∑ l<br />

ω l  ll − ˆd · Ê(r A)(8.144)<br />

mit<br />

 lk d lk (8.145)<br />

ˆd = ∑ lk<br />

19 Beachte, daß hier Ê(r) (inderimAbschnitt1.4verwendetenSchreibweise)dastransformierte<br />

Feld Ê′ (r) bedeutet,dasnichtnotwendigerweisedieBedeutungdeselektrischenFeldesbesitzenmuß<br />

[siehe (1.262) und (1.263)].


304 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

als dem elektrischen Dipoloperator und Ê(r A)gemäß (1.193) zusammen<br />

mit (1.195). Die Felder ˆf(r, ω) genügen der Bewegungsgleichung<br />

˙ˆf(r, ω) = 1 [ˆf(r, ω), Ĥ ] = −iωˆf(r, ω)<br />

i<br />

+ µ 0<br />

√<br />

ε0<br />

π ω2√ Im ε(r, ω) ˆd · G ∗ (r A , r, ω), (8.146)<br />

deren formale Lösung in der folgenden Form angegeben werden kann:<br />

ˆf(r, ω,t)=ˆffree (r, ω,t)+ˆf s (r, ω,t), (8.147)<br />

ˆffree (r, ω,t)=e −iωtˆffree (r, ω), (8.148)<br />

√<br />

ε0<br />

ˆfs (r, ω,t)=µ 0<br />

π ω2√ Im ε(r, ω) dt ′ e<br />

)ˆd(t −iω(t−t′ ′ ) · G ∗ (r A , r, ω).<br />

0<br />

(8.149)<br />

Wir setzen (8.147) zusammen mit (8.148) und (8.149) in (1.195) ein<br />

und schreiben<br />

∫ t<br />

Ê(r, ω,t)=Êfree(r, ω,t)+Ês(r, ω,t). (8.150)<br />

Der Freifeldanteil Êfree(r, ω,t)istdabeieinfachdurch<br />

mit<br />

Ê free (r, ω,t)=Êfree(r, ω, 0)e −iωt (8.151)<br />

√ ∫ ε0<br />

Ê free (r, ω, 0) = iµ 0<br />

π ω2 d 3 r √ ′ Im ε(r ′ , ω) G(r, r ′ , ω) · ˆf(r ′ , ω, 0)<br />

(8.152)<br />

gegeben. Integration über ω liefert dann den kompletten Freifeldanteil:<br />

Ê (+)<br />

free (r,t)= ∫ ∞<br />

0<br />

Ê free (r,t)=Ê(+) (r,t)+h.c., (8.153)<br />

dω Êfree(r, ω,t)=<br />

free<br />

∫ ∞<br />

0<br />

dω e −iωt Ê free (r, ω, 0). (8.154)<br />

Unter Verwendung der Relation (1.189) läßt sich der Quellfeldanteil<br />

Ê s (r, ω,t)als<br />

Ê s (r, ω,t)=<br />

i ∫ t<br />

πε 0 c 2 ω2 dt ′ e −iω(t−t′) Im G(r, r A , ω) · ˆd(t ′ ) (8.155)<br />

0


8.5. RESONANZFLUORESZENZ 305<br />

schreiben, und somit lautet der komplette Quellfeldanteil<br />

Ê s (r,t)=<br />

∫ ∞<br />

0<br />

dω Ês(r, ω,t)+H.c.<br />

= i ∫ ∞ ∫ t<br />

dωω 2 dt ′ e −iω(t−t′) Im G(r, r<br />

πε 0 c 2 A , ω) · ˆd(t ′ )+h.c.. (8.156)<br />

0<br />

Speziell für ein 2-Niveau-System,<br />

und Resonanznäherung geht (8.156) in<br />

mit<br />

0<br />

ˆd = Â21d 21 +h.c., (8.157)<br />

Ê s (r,t)=Ê(+) s (r,t)+h.c. (8.158)<br />

Ê (+)<br />

s (r,t)= i ∫ ∞ ∫ t<br />

dωω 2 dt ′ e −iω(t−t′) Im G(r, r<br />

πε 0 c 2 A , ω)·d 12 Â 12 (t ′ )<br />

0<br />

0<br />

(8.159)<br />

über. Die gemäß (8.25) definierte Intensität der spontan emittierten<br />

Strahlung eines 2-Niveau-Systems resultiert offensichtlich aus dem<br />

Quellfeldanteil (8.159).<br />

Lichtstreuung setzt üblicherweise schwache Atom-Feld-Kopplung<br />

bezüglich des Streulichts voraus. In (8.159) können wir deshalb<br />

 12 (t ′ )e i˜ω 21t ′ als langsam veränderliche Größe auffassen und sie im Sinne<br />

der Markow-Näherung und bei Vernachlässigung von Laufzeiteffekten<br />

an der Stelle t ′ =t vor das Zeitintegral ziehen. Dehnen wir dieses wieder<br />

ins Unendliche aus, gelangen wir unter Berücksichtigung von (8.28) zu<br />

∫ ∞<br />

Ê (+)<br />

s (r,t)= i<br />

πε 0 c Â12(t) dωω 2 Im G(r, r 2<br />

A , ω) · d 12 ζ(˜ω 21 − ω).<br />

0<br />

(8.160)<br />

Analog zu dem Übergang von der Gleichung (8.48) zu der Gleichung<br />

(8.50) erhalten wir schließlich:<br />

Ê (+)<br />

s (r,t)= ˜ω2 21<br />

ε 0 c 2 G(r, r A, ˜ω 21 ) · d 12 Â 12 (t) (8.161)


306 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

Es ist unschwer zu sehen, daß Einsetzen der Gleichung (8.150) zusammen<br />

mit (8.154) und (8.161) in die Gleichung (8.24) für die Intensität<br />

der spontan emittierten Strahlung erwartungsgemäß die Gleichung<br />

(8.46) liefert. Das tatsächlich abgestrahlte Feld ist bekanntlich<br />

das Fernfeld, so daß für seine Untersuchung nur der für r →∞wie r −1<br />

verschwindende Anteil des Green-Tensor von Bedeutung ist.<br />

Wie bereits gesagt, sind in (8.161) Laufzeiteffekte weggelassen. Ihre<br />

Berücksichtigung erfordert die Kenntnis der explizten Form des jeweiligen<br />

Green-Tensors. Speziell für den freien Raum führt die Auswertung<br />

der Gleichung (8.159) zusammen mit dem Vakuum-Green-Tensor (8.34)<br />

in Fernfeldnäherung auf das bekannte Ergebnis<br />

[<br />

Ê (+)<br />

s (r,t)= ω4 21 d12<br />

4πε 0 c |r−r A | − (r−r ] (<br />

A)(r−r A ) · d 12<br />

Â<br />

|r−r A | 3 12 t − |r−r )<br />

A|<br />

.<br />

c<br />

(8.162)<br />

8.5.2 Bloch-Gleichungen<br />

Machen wir von der quellenmäßigen Darstellung des elektrischen Felds<br />

Gebrauch, behandeln den Quellfeldanteil in Markov-Näherung und erinnern<br />

uns an die Definitionen (8.31) und (8.16) zusammen mit (8.41),<br />

so wird aus den Gleichungen (8.140) – (8.143)<br />

˙Â 22 = −γ 1 Â 22 + i <br />

Â21d 21·Ê(+)<br />

free (r A,t) − i Ê(−) free (r A,t)·d 12 Â 12 , (8.163)<br />

˙Â 11 = − ˙Â 22 , (8.164)<br />

˙Â 21 =(i˜ω 21 − γ 2 )Â21 − i Ê(−) free (r A,t) · d 12<br />

(Â11 − Â22)<br />

, (8.165)<br />

˙Â 12 = ˙Â † 21 , (8.166)<br />

wobei die Bezeichungen<br />

und<br />

γ 1 =2Γ (8.167)<br />

γ 2 = Γ (8.168)


8.5. RESONANZFLUORESZENZ 307<br />

verwendet wurden 20 und Γ gemäß (8.31) definiert ist.<br />

Gehen wir in (8.163) – (8.166) zu den Erwartungswerten über, so<br />

erhalten wir gemäß der Regel<br />

〈Âmn(t)〉 = σ nm (t) (8.169)<br />

die Bewegungsgleichungen (im Schrödinger-Bild) für die atomaren<br />

Dichtematrixelemente, im vorliegendenFalleines2-Niveau-Atomsauch<br />

als (optische) Bloch-Gleichungen bezeichnet. Wir betrachten den<br />

Fall, daß das Atom mit einem (quasi-)monochromatischen Laser der<br />

Frequenz ω L (ω L ≈ ω 21 )gepumptwird,wobeiwirannehmenwollen,<br />

daß das Laserlicht klassisch beschrieben werden kann, so daß (in dieser<br />

halbklassischen Beschreibungsweise) die Ersetzung<br />

d 21 · Ê(+) free (r A,t) ↦→ |d 21·E L | e −i(ω Lt+ϕ L )<br />

(8.170)<br />

gemacht werden kann. Führen wir desweiteren die langsam veränderlichen<br />

Nichtdiagonaldichtematrixelemente<br />

˜σ 12 (t) =σ 12 (t)e −i(ω Lt+ϕ L )<br />

(8.171)<br />

ein, so lauten die Bloch-Gleichungen wie folgt:<br />

˙σ 22 = −γ 1 σ 22 − 1 2 iΩ L ˜σ 21 + 1 2 iΩ L ˜σ 12<br />

˙σ 11 = γ 1 σ 22 + 1 2 i Ω L ˜σ 21 − 1 2 iΩ L ˜σ 12<br />

˙˜σ 21 =(−iδ − γ 2 )˜σ 21 + 1 2 iΩ L (σ 11 − σ 22 )<br />

˙˜σ 12 =(iδ − γ 2 )˜σ 12 − 1 2 iΩ L (σ 11 − σ 22 )<br />

(8.172)<br />

(8.173)<br />

(8.174)<br />

(8.175)<br />

Hier bedeuten Ω L und δ die Rabi-Frequenz und die Verstimmung,<br />

Ω L =2 −1 |d 21·E L | , (8.176)<br />

δ =˜ω 21 − ω L . (8.177)<br />

20 γ 1 und γ 2 werden auch als transversale und longitudinale Zerfallsrate bezeichnet. Nur im Fall<br />

der Strahlungsdämpfung gilt γ 1 =2γ 2 .


308 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

Die Bloch-Gleichungen in der Form von (8.172) – (8.175) können<br />

auch verwendet werden, um Korrelationsfunktionen 〈Âmn(t)Âm ′ n ′(t′ )〉<br />

zu berechnen. So genügen die 〈Âmn(t)Âm ′ n ′(t′ )〉 für t>t ′ den Bloch-<br />

Gleichungen für die σ nm (t) mitdenAnfangsbedingungen<br />

σ nm (t)| t=t<br />

′ = δ nm ′σ n′ m(t ′ ), (8.178)<br />

wobei die σ n′ m(t ′ ) wieder übliche Dichtematrixelemente sind, 21 nämlich<br />

Lösungen der Bloch-Gleichungen mit den für eigentliche Dichtemtrixelemente<br />

erlaubten (physikalischen) Anfangsbedingungen.Esistklar,<br />

daß nur für die eigentlichen Dichtematrixelemente σ nm = σmn ∗ gilt und<br />

nur für diese aus<br />

d<br />

dt (σ 11 + σ 22 )=0 (8.179)<br />

auf σ 11 + σ 22 =1 geschlossen werden darf.<br />

8.5.3 Intensität<br />

Die mit einem (punktförmigen Breitband-)Photodetektor meßbare Intensität<br />

der Streustrahlung in Raumbereichen außerhalb der Pumpstrahlung<br />

kann bekanntlich gemäß<br />

I(t) ≡ G (1,1)<br />

kk<br />

(r,t,r,t)=〈 Ê (−)<br />

k<br />

(r,t)Ê(+) k<br />

(r,t) 〉 = 〈 Ê (−)<br />

k s (r,t)Ê(+) k s (r,t)〉 .<br />

(8.180)<br />

berechnet werden, so daß (bei Vernachlässigung von Laufzeiteffekten)<br />

mit Hilfe von (8.161) 22<br />

I(t) =|F| 2〈 Â 22 (t) 〉 = |F| 2 σ 22 (t) (8.181)<br />

mit F aus (8.50) folgt. Die Intensität der Streustrahlung ist also proportional<br />

zur Besetzungswahrscheinlichkeit des angeregten Atomzustands.<br />

Wie wir bereits wissen, ist obige Gleichung auch auf die spontane Emission<br />

(im Falle schwacher Atom-Feld-Kopplung) anwendbar, d.h., wenn<br />

21 Dieser Sachverhalt ist Ausdruck des Quantenregressionstheorems.<br />

22 Unter Verwendung der quellenmäßigen Darstellung ist sofort zu sehen, daß der Freifeldanteil in<br />

Bereichen außerhalb des Pumpfeldes keinen Beitrag liefert.


8.5. RESONANZFLUORESZENZ 309<br />

das Atom nicht gepumpt wird und somit nur mit dem Photonenvakuum<br />

wechselwirkt. In diesem Fall beschreibt sie einfach die Intensität<br />

der spontan emittierten Strahlung.<br />

Die weitere Auswertung der Gleichung (8.181) erfordert (neben der<br />

Berechnung der Green-Funktion) die Lösung der Bloch-Gleichungen<br />

(8.172) – (8.175). Unter stationären Bedingungen [ ˙σ 22 =˙σ 11 = ˙˜σ 21 = ˙˜σ 12<br />

=0] folgt aus (8.174) und (8.175) zunächst<br />

˜σ 21 (∞) =<br />

Ω L<br />

2(δ − iγ 2 ) [σ 11(∞) − σ 22 (∞)] , (8.182)<br />

˜σ 12 (∞)=˜σ 21 ∗ (∞). Einsetzen in (8.172) liefert dann<br />

σ 22 (∞) = 1 Ω 2 L γ 2<br />

2 Ω 2 L γ 2 + γ 1 (δ 2 + γ2 2) (8.183)<br />

[σ 11 (∞)=1−σ 22 (∞)]. Die stationäre Besetzungswahrscheinlichkeit des<br />

oberen Atomzustands und damit die stationäre Streuintensität hängen<br />

also i. allg. in nichtlinearer Weise von der Intensität des Pumpfeldes<br />

ab. Nur im Falle eines hinreichend schwachen Pumpfeldes ergibt sich<br />

ein linearer Zusammenhang,<br />

σ 22 (∞) = 1 Ω 2 L γ ( )<br />

2<br />

2 γ 1 (δ 2 + γ2 2) , Ω2 L ≪ γ 1 γ 2 1+ δ2<br />

, (8.184)<br />

während für hinreichend starkes Pumpen Sättigung eintritt,<br />

( )<br />

σ 22 (∞) = 1 2 , Ω2 L ≫ γ 1 γ 2 1+ δ2<br />

γ2<br />

2 . (8.185)<br />

Mit σ 22 (∞) undσ 11 (∞) folgtdanngemäß (8.182)<br />

˜σ 21 (∞) = 1 Ω L γ 1 (δ + iγ 2 )<br />

2 Ω 2 L γ 2 + γ 1 (δ 2 + γ2 2) . (8.186)<br />

Im Grenzfall schwachen Pumpens gilt unter Berücksichtigung von<br />

(8.167) und (8.168) |˜σ 21 | 2 = σ 22 ,d.h.kohärente Streuung. Im Grenzfall<br />

starken Pumpens verschwindet ˜σ 21 ,unddieStreuungistinkohärent.<br />

Die zeitliche Entwicklung der σ nm kann über den Standardansatz<br />

σ nn (t) ∼ e λt , ˜σ nm (t) ∼ e λt (8.187)<br />

γ 2 2


310 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

(n ≠ m) gefundenwerden,deraufeinecharakteristischeGleichung4.<br />

Grades zur Bestimmung von λ führt. Die Wurzeln λ i (i=1, 2, 3, 4) dieser<br />

Gleichung implizieren die folgende Struktur der allgemeinen Lösung<br />

σ nn (t) =<br />

4∑<br />

i=1<br />

c (i)<br />

nne λ it , ˜σ nm (t) =<br />

4∑<br />

i=1<br />

c (i)<br />

nme λ it<br />

(8.188)<br />

(n ≠ m). Wegen (8.179) ist klar, daß wir λ 4 =0 setzen können und sich<br />

die charakteristische Gleichung somit auf eine kubische Gleichung reduziert.<br />

Schließlich sind die Konstanten c nm (i) aus den Anfangsbedingungen<br />

zu bestimmen.<br />

σ 22<br />

(3)<br />

(2)<br />

(1)<br />

Γt<br />

Zeitliche Entwicklung der Besetzungswahrscheinlichkeit des oberen Zustands<br />

eines (sich anfangs im unteren Zustand befindlichen) 2-Niveau-Atoms, das<br />

mit einem (quasi-)monochromatischen Laser resonant gepumpt wird [(1)<br />

Ω L /Γ =0.6, (2) Ω L /Γ =2, (3) Ω L /Γ=5 (Γ = γ 2 = γ 1 /2)].<br />

Wir wollen der Einfachheit halber exakte Resonanz mit dem Pumpfeld<br />

voraussetzen, d.h. δ =0, und annehmen, daß sich das Atom im<br />

Grundzustand befindet, wenn die Wechselwirkung mit dem Pumpfeld<br />

beginnt, d.h. σ nm (0) = δ n1 δ m1 .IndiesemFallführt die Rechnung auf<br />

σ 22 (t) =<br />

Ω 2 L<br />

2(Ω 2 L + γ 1γ 2 )<br />

(<br />

1+ λ 2<br />

λ 1 − λ 2<br />

e λ 1t + λ 1<br />

λ 2 − λ 1<br />

e λ 2t<br />

)<br />

, (8.189)


8.5. RESONANZFLUORESZENZ 311<br />

wobei<br />

λ 1,2 = − 1 2 (γ 1 + γ 2 ) ±<br />

√<br />

1<br />

4 (γ 1 − γ 2 ) 2 − Ω 2 L<br />

(8.190)<br />

gilt. Typische Beispiele sind in obiger Abbildung darsgestellt. Während<br />

im Grenzfall schwachen Pumpens,<br />

λ 1,2 = −γ 2,1 , (8.191)<br />

(<br />

σ 22 (t) = Ω2 L<br />

1 − γ 1<br />

e −γ2t + γ )<br />

2<br />

e −γ 1t<br />

, (8.192)<br />

γ 1 γ 2 γ 1 − γ 2 γ 1 − γ 2<br />

die Intensität der Streustrahlung monoton den stationären Wert erreicht<br />

(Zeitskala Γ −1 ), treten im Grenzfall starken Pumpens,<br />

λ 1,2 = − 1 2 (γ 1 + γ 2 ) ± iΩ L , (8.193)<br />

σ 22 (t) = 1 2<br />

{<br />

1 − exp<br />

[<br />

−<br />

1<br />

2 (γ 1+γ 2 ) t ] cos(Ω L t) } , (8.194)<br />

vor Erreichen des stationären Wertes Rabi-Oszillationen (Zeitskala<br />

Ω −1<br />

L )auf.<br />

8.5.4 Intensitätskorrelation<br />

Untersuchen wir als nächstes die normal- und zeitgeordnete Intensitätskorrelationsfunktion<br />

G (2,2) (t+τ,t)= 〈 Ê (−)<br />

k 1<br />

(r,t)Ê(−)(r,t+τ)Ê(+)(r,t+τ)Ê(+)<br />

k 1<br />

(r,t) 〉 . (8.195)<br />

k 2<br />

Wir verwenden wieder die quellenmäßige Darstellung des elektrischen<br />

Feldes, machen von den • • • • Ordnungsregeln (Seite 135) Gebrauch und<br />

sehen, daß<br />

k 2<br />

G (2,2) (t + τ,t)=|F| 4 G (II)<br />

22 (t + τ,t) (8.196)<br />

gilt, wobei G (II)<br />

lk<br />

(t + τ,t) die atomare Korrelationsfunktion<br />

G (II)<br />

lk (t + τ,t)=〈 Â 21 (t)Âkl(t + τ)Â12(t) 〉 (8.197)


312 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

bedeutet. 23 Somit gilt insbesondere für gleiche Zeiten<br />

G (2,2) (t, t) =|F| 4〈 Â 21 (t)Â22(t)Â12(t) 〉 =0, (8.198)<br />

d.h. perfektes Photon Antibunching, denn<br />

G (2) (τ) ≡ lim<br />

t→∞<br />

G (2,2) (t + τ,t) >G (2) (0) = 0 (8.199)<br />

[siehe (4.52)].<br />

Die Emission eines Photons ist mit einem Quantensprung des Atoms<br />

aus dem oberen Zustand in den unteren Zustand verbunden. Da es sich<br />

nunmehr im unteren Zustand befindet, kann es kein zweites Photon<br />

emittieren. Ein zweites Photon kann es erst dann emittieren, wenn es<br />

unter dem Einfluß des Pumplasers wieder einen induzierten Übergang<br />

in den oberen Zustand vollzogen hat. Die Wahrscheinlichkeit, daß das<br />

Atom zum Zeitpunkt t ein Photon emittiert, ist proportional zu σ 22 (t).<br />

Hat das Atom zum Zeitpunkt t ein Photon emittiert, ist die bedingte<br />

Wahrscheinlichkeit, daß es zum Zeitpunkt t + τ ein zweites Photon<br />

emittiert, proportional zu σ 22 (t + τ)| σnm (t)=δ n1 δ m1<br />

.FolglichistdieVerbundwahrscheinlichkeit,<br />

daß das Atom zum Zeitpunkt t und zum Zeitpunkt<br />

t + τ ein Photon emittiert<br />

G (II)<br />

22 (t + τ,t)=σ 22(t) σ 22 (t + τ)| σlk (t)=δ l1 δ k1<br />

. (8.200)<br />

Somit muß G (II)<br />

22 (t + τ,t) als Funktion von τ (τ ≥ 0+ ) den Bloch-<br />

Gleichungen<br />

d<br />

dτ G(II)<br />

d<br />

dτ G(II)<br />

d<br />

dτ<br />

d<br />

dτ<br />

22 = −γ 1G (II)<br />

22 − 1 2 iΩ L<br />

11 = γ 1G (II)<br />

22 + 1 2 iΩ L<br />

˜G<br />

(II)<br />

21 =(−iδω − γ 2)<br />

˜G<br />

(II)<br />

12 =(iδω − γ 2)<br />

˜G<br />

(II)<br />

21 + 1 2 iΩ L<br />

˜G<br />

(II)<br />

21 − 1 2 iΩ L<br />

˜G<br />

(II)<br />

21 + 1 2 iΩ L<br />

˜G<br />

(II)<br />

12 , (8.201)<br />

˜G<br />

(II)<br />

12 , (8.202)<br />

(<br />

(II) G<br />

)<br />

, (8.203)<br />

11 − G(II) 22<br />

(II) ˜G 21 − 1 2 iΩ (<br />

(II)<br />

L G 11 − )<br />

G(II) 22<br />

(8.204)<br />

23 Die Gültigkeit der Gleichung (8.196) zusammen mit (8.197) setzt natürlich voraus, daß für das<br />

Korrelationsverhalten Laufzeiteffekte (zumindest auf der betrachteten Zeitskala) keine Rolle spielen.


8.5. RESONANZFLUORESZENZ 313<br />

mit<br />

˜G (II)<br />

12 (t + τ,t)=G(II) 12 (t + τ,t)exp{−i [ω L(t + τ)+ϕ L ]} (8.205)<br />

genügen, wobei die Anfangsbedingung<br />

G (II)<br />

nm(t + τ,t) ∣ ∣<br />

τ=0<br />

= 〈 Â 21 (t)Âmn(t)Â12(t) 〉 = δ n1 δ m1 σ 22 (t) (8.206)<br />

lautet. Damit gilt aber auch ganz allgemein: 24<br />

G (II)<br />

nm (t + τ,t)=σ 22(t) σ nm (t + τ)| σn ′ m ′(t)=δ n ′ 1 δ m ′ 1<br />

(8.207)<br />

Machen wir von (8.181) und (8.200) Gebrauch, so sehen wir, daß<br />

die Intensitätskorrelationsfunktion (8.196) wie folgt faktorisiert:<br />

G (2,2) (t + τ,t)=I(t + τ)| σnm (t)=δ n1 δ m1<br />

I(t) (8.208)<br />

Hier ist I(t + τ)| σnm (t)=δ n1 δ m1<br />

die am Ort r zum Zeitpunkt t + τ beobachtete<br />

Intensität der Streustrahlung unter der Bedingung, daß zum<br />

Zeitpunkt t das Atom im unteren Zustand war. Wenn das Atom zu Beginn<br />

der Wechselwirkung mit dem Laserfeld im unteren Zustand war<br />

(und sich die Rabi-Frequenz nicht ändert), dann lautet die Gleichung<br />

(8.200) einfach<br />

G (II)<br />

22 (t + τ,t)=σ 22(τ) σ 22 (t) (8.209)<br />

und entsprechend lautet die Gleichung (8.208)<br />

G (2,2) (t + τ,t)=I(τ) I(t) =|F| 4 σ 22 (τ) σ 22 (t). (8.210)<br />

Als normierte Intensitätskorrelationsfunktion wird das Verhältnis<br />

γ (22) (t + τ,t)= G(2,2) (t + τ,t)<br />

I(t + τ) I(t)<br />

(8.211)<br />

24 Die exakte Begründung kann mit Hilfe des Quantenregressionstheorems gegeben werden (siehe<br />

die Anmerkung dazu auf Seite 308.


314 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

bezeichnet, das sich bei Gültigkeit von (8.210) auf<br />

γ (22) (t + τ,t)=<br />

I(τ)<br />

I(t + τ)<br />

(8.212)<br />

reduziert. Speziell bei stationären Verhältnissen gilt<br />

γ (22) (τ) = lim<br />

t→∞<br />

γ 22 (t + τ,t)= I(τ)<br />

I(∞) = σ 22(τ)<br />

σ 22 (∞) , (8.213)<br />

woraus ersichtlich ist, daß wegen γ 22 (0) = 0 die Bedinging (4.65) für<br />

sub-Poisson-Statistik erfüllt ist,<br />

γ 22 (0) < 1. (8.214)<br />

Bekanntlich wird für stationäre Felder die Bedingung für sub-Poisson-<br />

Statistik identisch mit der Antibunching-Bedingung.<br />

8.5.5 Squeezing<br />

Neben Antibunchung und sub-Poisson-Statistik kann die Resonanzfluoreszenzstrahlung<br />

auch Squeezing zeigen. Dazu betrachten wir die normalgeordnete<br />

Feldstärkevarianz<br />

〈<br />

:[∆ Ê(r,t)] 2 : 〉 =2 〈 Ê (−) (r,t) · Ê(+) (r,t) 〉<br />

{ 〈[<br />

+ Ê (+) (r,t)] 2〉 } { 〈Ê(+)<br />

+c.c. − (r,t) 〉 } 2<br />

+c.c.<br />

=2G (1,1)<br />

kk<br />

[<br />

+<br />

G (0,2)<br />

kk<br />

(r,t,r,t,) ]<br />

(r,t,r,t,)+c.c. −<br />

[<br />

G (0,1)<br />

kk (r,t,r,t,)+c.c. ] 2.<br />

(8.215)<br />

Bekanntlich liegt Squeezing vor, wenn (für bestimmte Phasenlagen) die<br />

Ungleichung<br />

〈<br />

:[∆ Ê(r,t)] 2 : 〉 < 0 (8.216)<br />

erfüllt ist [siehe (2.194)]. Unter Verwendung der quellenmäßigen Darstellung<br />

des elektrischen Feldes sowie den • • • • Ordnungsregeln (Seite


8.5. RESONANZFLUORESZENZ 315<br />

135) erhalten wir (wieder bei Vernachlässigung von Laufzeiteffekten)<br />

für die normalgeordnete Varianz der Streustrahlung 25<br />

〈<br />

:[∆ Ê(r,t)] 2 : 〉 =2|F| 2 σ 22 (t) − [F σ 21 (t)+c.c.] 2 . (8.217)<br />

Mit (8.171) sowie<br />

F ˜σ 21 (t) =|F||˜σ 21 (t)|e −i ˜ϕ 21(t)<br />

(8.218)<br />

und<br />

wird daraus:<br />

φ(t) = ˜ϕ 21 (t)+ϕ L (8.219)<br />

〈<br />

:[∆ Ê(r,t)] 2 : 〉 |F| −2 =2σ 22 (t) − 4 |˜σ 21 (t)| 2 cos 2 [ω L t+φ(t)]<br />

(8.220)<br />

Stationäre Verhltnisse vorausgesetzt, geht (8.220) mit den stationären<br />

Werten σ 22 (∞) und˜σ 21 (∞) aus(8.183) und(8.186)in<br />

〈<br />

:[∆ Ê(r,t)] 2 : 〉 |F| −2 = −<br />

γ 2 Ω 2 L<br />

γ 1 [γ2 2+(δ2 +(γ 2 /γ 1 )Ω<br />

{ 2 L ]2<br />

[γ<br />

2<br />

× 2 +(δ 2] [ γ 1<br />

cos[2ω L t+2φ(∞)]−1+ γ ]<br />

1<br />

− γ }<br />

2<br />

Ω 2 L<br />

2γ 2 2γ 2 γ 1<br />

(8.221)<br />

über, woraus im Falle exakter Resonanz unter Berücksichtigung von<br />

(8.167) und (8.168)<br />

〈<br />

:[∆ Ê(r,t)] 2 : 〉 |F| −2 = − 1 2 Ω2 L<br />

Γ 2 cos[2ω L t +2φ(∞)] − 1 2 Ω2 L<br />

(<br />

Γ2 + 1 2 Ω2 L) 2<br />

. (8.222)<br />

wird. Aus dieser Gleichung zusammen mit der Ungleichung (8.216) ist<br />

zu ersehen, daß die Streustrahlung (für bestimmte Phasenwerte) gequetscht<br />

ist, falls die Bedingung<br />

25 Beachte, daß 〈[Ê(+) (r,t)] 2 〉 = |F| 2 〈Â12(t)Â12(t)〉 =0 ist.<br />

Ω L < √ 2 Γ (8.223)


316 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

〈: (∆E) 2 :〉<br />

|F| 2 Ω L /Γ<br />

(3)<br />

(2)<br />

(1)<br />

Normalgeordnete Varianz 〈: (∆Ê)2 :〉 der stationären Resonanzfluoreszenzstrahlung<br />

eines 2-Niveau-Atoms, das mit einem (quasi-)monochromatischen<br />

Laser resonant gepumpt wird, für verschiedene Werte der Phase ω L t + φ(∞)<br />

[(1) nπ, (2)(2n +1)π/4, (3) (2n +1)π/2; n =1, 2, 3,...].<br />

erfüllt ist. Für gegebenes Verhältnis Ω L /Γ wird maximales Squeezing<br />

(d.h. minimales Feldstärkerauschen) offensichtlich für die Phasenlagen<br />

ω L t + φ(∞)=nπ (n =0, 1, 2,...)erreicht.WenndiePumpstrahlungzu<br />

intensiv wird, so daß die kohärente Rayleigh-Komponente (∼ σ 21 )in<br />

der Streustrahlung zu schwach wird, verschwindet der Squeezing-Effekt,<br />

wie auch aus der Abbildung zu ersehen ist. 26 Für Ω L = √ 2/3Γ (δ =0)<br />

ergibt sich maximales Squeezing: 〈:(∆Ê)2 :〉/|F| 2 = −1/8.<br />

8.6 Casimir-Polder-Kräfte<br />

Wie wir gesehen haben, gibt die Wechselwirkung eines angeregten<br />

Atoms mit dem elektromagnetischen Vakuum (über die Vakuumfluktuationen)<br />

zur spontanen Emission – einem reinen Quanteneffekt – Anlaß.<br />

Während im freien Raum die spontane Emission (in sehr guter<br />

Näherung) mit einem exponentiellen Zerfall des angeregten Atomzustands<br />

verbunden ist, kann die Anwesenheit makroskopischer Körper<br />

26 〈:[∆Ê(r,t)]2 :〉/|F| 2 → 1für Γ/Ω L → 0.


8.6. CASIMIR-POLDER-KRÄFTE 317<br />

den Prozeß der spontanen Emission bekanntlich wesentlich beeinflussen,<br />

da die Struktur des elektromagnetischen Feldes und damit auch<br />

die Vakuumfluktuationen des Feldes durch die Körper geänder werden.<br />

Diese Modifikation führt zu weiteren beobachtbaren Quanteneffekten.<br />

Makroskopischer Körper<br />

Atom im Grundzustand<br />

F<br />

Da elektromagnetische Felder auf geladene Teilchen Kräfte ausüben,<br />

unterliegen auch (neutrale) Atome in elektromagnetischen Feldern<br />

Kräften, wobei es im konkreten Fall meistens ausreichend ist, die Kraft<br />

auf das durch das Feld induzierte elektrische Dipolmoment zu betrachten.<br />

Der genannte Sachverhalt trifft natürlich auch auf das elektromagnetische<br />

Vakuum zu, wobei jedoch aus Symmetriegründen (Homogenität<br />

und Isotropie des leeren Raums) klar ist, daß auf ein Atom im<br />

ansonsten leeren Raum keine Kraft wirkt. Ganz anders ist die Situation,<br />

wenn sich das Atom in der Nähe eines (neutralen, unpolarisierten)<br />

makroskopischen Körpers befindet und den Vakuumfluktuationen<br />

des im Vergleich zum freien Raum ”<br />

deformierten“ elektromagnetischen<br />

Feldes unterliegt. In diesem Fall kann das elektromagnetische Vakuum<br />

tatsächlich zu einer Kraft auf das Atom Anlaß geben, und zwar zu einer<br />

zum Körper hin anziehenden Kraft, wenn es sich bei dem Körper um dielektrische<br />

Materie (elektrische Leiter eingeschlossen) handelt und sich<br />

das Atom im Grundzustand befindet. 27<br />

Die Situation ändert sich grundsätzlich nicht, wenn das Atom durch<br />

einen zweiten (neutralen, unpolarisierten) makroskopischen Körper ersetzt<br />

wird. Das Ergebnis ist der im Abschnitt 1.2 bereits erwähnte<br />

Casimir-Effekt. Die durch die beiden (dielektrischen) Körper (im Vergleich<br />

zum freien Raum) modifizierten elektromagnetischenVakuum-<br />

27 Die grundlegende theoretische Arbeit dazu ist die von H.B.G. Casimir und D. Polder, Phys.<br />

Rev. 73, 360(1948).


318 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

fluktuationen bewirken eine anziehende Kraft zwischen den Körpern.<br />

Makroskopischer Körper<br />

F<br />

Makroskopischer Körper<br />

−F<br />

8.6.1 Kraft auf ein Atom<br />

Bevor wir die Kraft auf ein sich in der Nähe eines makroskopischen<br />

Körpers befindliches Atom näher bestimmen, wollen wir zunächst die<br />

Gleichungen (8.163) – (8.166) für den Fall eines atomaren Vielniveausystems,<br />

das in elektrischer Dipolnäherung mit dem elektromagnetischen<br />

Feld bei Anwesenheit makroskopischer Körper wechselwirkt, verallgemeinern.<br />

Wir verwenden den Hamilton-Operator (8.144) [zusammen<br />

mit (8.145) sowie Ê(r A)gemäß (1.193) mit (1.195)] und erhalten in<br />

Verallgemeinerung von (8.140) – (8.143) die folgenden Heisenbergschen<br />

Bewegungsgleichungen für die atomaren Operatoren Âmn:<br />

˙Â mn = i [Ĥ, ]<br />

 mn = −iωnm  mn<br />

<br />

+ i ∑<br />

[ ∫ (dnk ) ∞<br />

 mk − d km  kn · dω<br />

<br />

Ê(ˆr A, ω)<br />

+<br />

k<br />

∫ ∞<br />

0<br />

0<br />

dω ʆ (ˆr A , ω) · (d<br />

nk  mk − d km  kn<br />

) ] . (8.224)


8.6. CASIMIR-POLDER-KRÄFTE 319<br />

Gemäß (8.156) gilt für die Quellfeldanteile in obiger Gleichung<br />

∫ ∞<br />

0<br />

dω Ês(r, ω,t)<br />

= i ∫ ∞ ∫ t<br />

dωω 2 dt ′ e −iω(t−t′) Im G(r, r<br />

πε 0 c 2 A , ω) · ˆd(t ′ ), (8.225)<br />

0<br />

wobei der Dipoloperator [im Gegensatz zu (8.157)]<br />

0<br />

ˆd A = ∑ lk<br />

 lk d lk (8.226)<br />

(l ≠ k) lautet.Wirwollenannehmen,daßdieMarkow-Näherung anwendbar<br />

ist. In diesem Fall wird nach dem bekannten Schema 28 aus<br />

(8.225) [zusammen mit (8.226)]<br />

∫ ∞<br />

0<br />

dω Ês(r A , ω,t)= ∑ l,k<br />

g lk (r A )Âlk(t) (8.227)<br />

mit<br />

g lk (r A )=<br />

i ∫ ∞<br />

dωω 2 Im G(r<br />

πε 0 c 2 A , r A , ω) · d lk ζ(˜ω kl − ω). (8.228)<br />

0<br />

Aus (8.228) folgt insbesondere<br />

wobei die δω lk und Γ lk durch<br />

i<br />

d lk · g kl (r A )=−iδω lk − 1 2 Γ lk , (8.229)<br />

δω kl =<br />

P ∫ ∞<br />

πε 0 c 2<br />

0<br />

dωω 2 d kl · Im G(r A , r A , ω) · d lk<br />

˜ω kl − ω<br />

(8.230)<br />

28 Einführen von langsam veränderlichen Operatoren ˆÃ lk (t) gemäß Âlk(t)= ˆÃ lk (t)e −˜ω klt ,Herausziehen<br />

von ˆÃ lk (t ′ )anderoberenIntegrationsgrenzet aus dem t ′ -Integral in (8.225) und Ausdehnen<br />

dieses Integrals nach Unendlich.


320 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

und<br />

Γ lk = 2<br />

ε 0 c 2 Θ(˜ω lk)˜ω 2 lkd lk · ImG (r A , r A , ˜ω lk ) · d kl (8.231)<br />

definiert sind.<br />

Wir setzen in (8.224) für Ê(r A, ω)[undʆ (r A , ω)] die quellenmäßige<br />

Darstellung mit (8.228) ein und erhalten<br />

[<br />

˙Â mn = −iω nm + i ∑( ) ]<br />

dnk · g kn − d km · gkm<br />

∗ Â mn + B mn<br />

<br />

mit<br />

k<br />

+ i ∑<br />

[ ∫ (dnk ) ∞<br />

 mk − d km  kn · dω<br />

<br />

Êfree(r A , ω,t)<br />

k<br />

∫ ∞<br />

+ dω ʆ free · (r A, ω,t) ( ) ]<br />

d nk  mk − d km  kn (8.232)<br />

0<br />

ˆB mn = − i <br />

+ i <br />

∑( dkm · g nl − d nl · gmk<br />

∗<br />

k,l<br />

∑<br />

k,l≠n<br />

d nk · g kl  ml − i <br />

∑<br />

k,l≠m<br />

0<br />

)Âkl<br />

d km · g ∗ klÂln. (8.233)<br />

Das Gleichungssystem (8.232) kann als Verallgemeinerung des für ein<br />

2-Niveau-System und Resonanznäherung gültigen Gleichungssystems<br />

(8.140) – (8.143) angesehen werden. Aus (8.232) zusammen mit (8.229)<br />

ist zu ersehen, daß (für m ≠ n)<br />

−iω nm + i <br />

gilt, wobei die<br />

∑( )<br />

dnk · g kn − d km · gkm<br />

∗ = −i˜ωnm − 1 2 (Γ m + Γ n ) , (8.234)<br />

k<br />

˜ω nm = ω nm + δω n − δω m<br />

(8.235)


8.6. CASIMIR-POLDER-KRÄFTE 321<br />

mit<br />

δω n = ∑ k<br />

δω nk (8.236)<br />

und δω nk gemäß (8.230) die verschobenen Übergangsfrequenzen bedeuten.<br />

Die Verbreiterungen sind durch 1 2 (Γ m + Γ n )gegeben,wobei<br />

Γ n = ∑ k<br />

Γ nk (8.237)<br />

mit Γ nk gemäß (8.231) gilt. Wie aus der Gleichung für ˙Â nn ,<br />

˙ nn = −Γ n  nn + ∑ k<br />

Γ kn  kk + ..., (8.238)<br />

zu ersehen ist, stellt Γ n die totale Zerfallsrate des Zustands |n〉 dar,<br />

die sich summarisch aus den Zerfallsraten Γ nk für die (erlaubten)<br />

Übergänge |n〉→|k〉 zusammensetzt.<br />

Die Niveauverschiebungen und -verbreiterungen sind reine Quanteneffekte,<br />

die durch die Vakuumfluktuationen des elektromagnetischen<br />

Feldes bedingt sind. Betrachten wir die verschobenen Energieniveaus<br />

etwas näher, wobei wir annehmen wollen, daß die ungestörten“ atomaren<br />

Energien E n die für den freien Raum typischen (durch G V be-<br />

”<br />

stimmten ortsunabhängigen) Verschiebungen bereits enthalten, so daß<br />

die durch die Anwesenheit von makroskopischen Körpern verschobenen<br />

Energien durch<br />

Ẽ n (r A )=E n + δω n (r A )=E n + ∑ k<br />

δω nk (r A ) (8.239)<br />

mit<br />

δω nk (r A )=<br />

P ∫ ∞<br />

πε 0 c 2<br />

0<br />

dωω 2 d nk · Im G S (r A , r A , ω) · d kn<br />

˜ω nk (r A ) − ω<br />

(8.240)


322 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

gegeben sind, wobei letztere Gleichung völlig analog zu in (8.40)<br />

in einen resonanten und einen nichtresonanten Term zerlegt werden<br />

kann. 29 Wie bereits erwähnt, läßt sich die Ortsabhängigkeit der atomaren<br />

Übergangsfrequenzen spektroskopisch nachweisen und ausnutzen.<br />

Die atomaren Anregungsenergien Ẽn(r A )selbstkönnen in gewissem<br />

Sinne als Potentiale U n (r A ) der Kräfte F n (r A )angesehenwerden,die<br />

auf ein Atom in den jeweiligen (quasi-)stationären Zuständen wirken.<br />

Beschränken wir uns bei der Bestimmung der δω nk (r A )aus(8.240)<br />

auf die störungstheoretisch niedrigste Ordnung, so erhalten wir für die<br />

Potentiale<br />

U n (r A )=U nr<br />

n (r A )+U r n(r A ) (8.241)<br />

wobei der nichtresonante Term durch das Integral<br />

U nr<br />

n (r A)=− 1<br />

πε 0 c 2 ∑<br />

k<br />

∫ ∞<br />

0<br />

du ω nku 2<br />

ω 2 nk + u2 d nk · G S (r A r A ,iu) · d kn<br />

gegeben ist und der resonante Term<br />

(8.242)<br />

Un r (r A)=− 1 ∑<br />

ε 0 c 2<br />

k<br />

Θ(ω nk )ω 2 nk d nk · Re G S (r A , r A , ω nk ) · d kn<br />

(8.243)<br />

lautet [vgl. (8.40)]. 30<br />

Die Kräfte können dann gemäß<br />

F n (r A )=−∇ A U n (r A ) (8.244)<br />

29 Der Vergleich mit der gemäß (8.38) definierten Frequenzverschiebung δω liefert δω = − δω 21 .<br />

Offenbar verlangt der Ansatz (8.13), daß die nichtresonante Verschiebung der Grundzustandsenergie<br />

vernachlässigt wird. Konsequenterweise muß dann aber auch im Rahmen dieses Ansatzes der nichtresonante<br />

Verschiebungsterm bezüglich des angeregten Zustands [d.h. der nichtresonante Beitrag zu<br />

δω 21 ]vernachlässigt werden, so daß effektiv (8.16) zusammen mit (8.41) gilt.<br />

30 Solange der Green-Tensor nicht spezifiziert wird, gelten diese Gleichungen für beliebige lineare<br />

Medien.


8.6. CASIMIR-POLDER-KRÄFTE 323<br />

berechnet werden.<br />

Die Rechnungen sind unter Zugrundelegung der elektrischen Dipolnäherung<br />

durchgeführt worden. Bekanntlich ist die Lorentz-Kraft<br />

auf einen elektrischen Dipol durch<br />

[<br />

F(r A )= ∇ 〈ˆd · Ê(r) 〉 +<br />

dt〈ˆd d 〉 ]<br />

× ˆB(r) (8.245)<br />

r=r A<br />

gegeben, so daß insbesondere für einen (quasi)stationären Zustand<br />

F(r A )=∇ 〈ˆd · Ê(r) 〉∣ ∣<br />

∣r=rA (8.246)<br />

gilt. Man kann zeigen, daß die Auswertung dieser Gleichung in niedrigster<br />

störungstheoretischer Ordnung genau auf (8.244) [zusammen mit<br />

(8.241) – (8.243)] führt.<br />

Betrachten wir speziell die auf ein Atom im Grundzustand wirkende<br />

Kraft, dessen Potential<br />

U(r A )=U nr<br />

1 (r A)= 1<br />

πε 0 c 2 ∑<br />

k<br />

∫ ∞<br />

0<br />

du ω k1u 2<br />

ω 2 k1 + u2 d 1k · G S (r A , r A ,iu) · d k1<br />

lautet. Mit Hilfe der atomaren Polarisierbarkeit<br />

α(ω) = 1 ∑<br />

[<br />

]<br />

d 1k d k1<br />

˜ω k1 − ω − iΓ k /2 + d k1 d 1k<br />

˜ω k1 + ω + iΓ k /2<br />

k<br />

läßt sich die Gleichung (8.247) in der kompakteren Form<br />

(8.247)<br />

(8.248)<br />

U(r A )=<br />

∫ ∞<br />

2πε 0 c 2<br />

0<br />

duu 2 Tr [ α (0) (iu) · G S (r A , r A ,iu) ] (8.249)<br />

schreiben, wobei<br />

α (0) 2 ∑ ω k1<br />

(ω) =lim<br />

ɛ→0 ω 2 k k1 − ω2 − iωɛ d 1kd k1 (8.250)


324 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

die atomare Polarisierbarkeit in störungstheoretisch niedrigster Ordnung<br />

bedeutet. Man kann zeigen, daß α (0) (ω) in(8.249)durchdie<br />

exakte Polarisierbarkeit α(ω) desbetrachtetenAtomimfreienRaum,<br />

d.h. bei Abwesenheit irgendwelcher makroskopischer Körper, ersetzt<br />

werden darf. Potentiale der Art (8.249) können als van der Waals<br />

Potentiale auf makroskopischem Niveau angesehen werden.<br />

Die konkrete Abhängigkeit der Kraft von der Atomposition hängt<br />

über den Green-Tensor von der Geometrie der jeweiligen Anordnung<br />

ab. Ist nur ein Körper vorhanden und befindet sich das Atom hinreichend<br />

nahe seiner Oberfläche, so spielt mit abnehmenden Abstand z A<br />

des Atoms von der (noch makroskopisch beschreibbaren) Oberfläche<br />

die Form dieser offenbar eine immer geringere Rolle. Man kann zeigen,<br />

daß sich für z A → 0dasPotentialasymptotischwie<br />

verhält. 31<br />

U(r A ) ∼ z −3<br />

A (8.251)<br />

8.6.2 Kraft auf einen makroskopischen Körper<br />

Im Zusammenhang mit der Vakuumenergie des Strahlungsfeldes wurde<br />

bereits im Abschnitt 1.2 kurz auf die Casimir-Kraft zwischen zwei<br />

perfekt leitenden Platten eingegangen. Abgesehen davon, daß die dort<br />

angesprochene Herleitung der Casimir-Kraft recht mühselig und wenig<br />

elegant ist, ist sie für reale Körper i. allg. ungeeignet, da die zugrunde<br />

liegende Modenentwicklung nicht uneingeschränkt sinnvoll ist. Wir<br />

wollen deshalb hier einen systematischen Zugang zur Berechnung der<br />

Casimir-Kraft auf beliebige Körper aufzeigen.<br />

Betrachten wir zunächst das klassische Problem der Bestimmung<br />

der auf einen Körper in einem elektromagnetischen Feld wirkenden<br />

Kraft. Bekanntlich ist die auf eine Ladungsdichte ρ(r) undeineStromdichte<br />

j(r) wirkendeKraftdichtedurchdieLorentz-Kraftdichte<br />

⃗f(r) =ρ(r)E(r)+j(r) × B(r) (8.252)<br />

31 Man beachte, daß die makroskopische Betrachtungsweise nicht mehr anwendbar ist, wenn z A<br />

vergleichbar mit den Atomabständen im Körper wird.


8.6. CASIMIR-POLDER-KRÄFTE 325<br />

gegeben, woraus die Gesamtkraft<br />

∫<br />

F =<br />

V<br />

d 3 r ⃗ f(r), (8.253)<br />

die auf die im Volumen V eingeschlossenen Ladungen und Ströme<br />

wirkt, folgt. Diese Gleichungen sind universell gültig in dem Sinne, daß<br />

sie auf die konkrete Art der Ladungs- und Stromdichten keinen Bezug<br />

nehmen. Im Falle eines dielektrischen Mediums sind die relevanten<br />

Ladungs- und Stromdichten durch die Polarisation gemäß<br />

ρ(r) =−∇ · P(r) (8.254)<br />

j(r) = ∂P(r)<br />

∂t<br />

(8.255)<br />

gegeben. Damit folgt unter Verwendung der Maxwell-Gleichungen für<br />

die Kraft, die auf das (Teil-)Medium vom Volumen V wirkt, 32<br />

∫<br />

∫<br />

F = − d 3 r E(r)∇ · P(r)+ d 3 r ∂P(r) × B(r)<br />

V<br />

V ∂t<br />

∫<br />

∫<br />

= d 3 r P(r) · ∇E(r)+ d 3 r ∂P(r) ∫<br />

× B(r) − da · P(r)E(r)<br />

V<br />

V ∂t<br />

(V )<br />

∫<br />

= d 3 r ∇P(r) · E ↓ (r)+ d ∫<br />

∫<br />

d 3 r P(r) × B(r) − da · P(r)E(r).<br />

V<br />

dt V<br />

(V )<br />

(8.256)<br />

Verschwindet der Zeitableitungsterm, reduziert sich die Kraft auf<br />

∫<br />

∫<br />

F = d 3 r ∇P(r) · E ↓ (r)+ da · P(r)E(r). (8.257)<br />

V<br />

Handelt es sich um einen Körper vom Volumen V ,dernichtinein<br />

Medium eingebettet ist (also nicht Teilmedium ist), verschwindet auch<br />

das Oberflächenintegral.<br />

Andererseits erlauben es die Maxwell-Gleichungen ganz allgemein,<br />

die Gleichung (8.253) [zusammen mit (8.252)] so umzuschreiben, daß<br />

(V )<br />

32 Der ↓ über E(r) weistdaraufhin,daß∇ nur auf E(r) wirkt.


326 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

die Ladungs- und Stromdichten nicht mehr explizit in Erscheinung treten,<br />

nämlich<br />

∫<br />

∫<br />

d<br />

F = da · T (r) − ε 0 d 3 r E(r) × B(r) (8.258)<br />

(V )<br />

dt V<br />

mit<br />

T (r) =ε 0 E(r)E(r)+µ −1<br />

0 B(r)B(r) − [ 1<br />

2 ε0 E 2 (r)+µ −1<br />

0 B2 (r) ] I (8.259)<br />

als dem Maxwellschen Spannungstensor. Verschwindet der Zeitableitungsterm,<br />

kann die Kraft über ein Oberflächenintegral allein durch<br />

den Spannungstensor ausgedrückt werden,<br />

∫<br />

F = dF, (8.260)<br />

(V )<br />

dF =da · T (r). (8.261)<br />

Speziell im Falle eines mit Medium gefüllten Bereichs vom Volumen<br />

V kann dF als die Kraft auf das Oberflächenelement da des Bereichs<br />

angesehen werden.<br />

An den obigen Überlegungen ändert sich beim Übergang zur Quantentheorie<br />

zunächst nichts. Befindet sich das System in einem stationären<br />

Zustand, liefern die totalen Zeitableitungen keinen Beitrag zur<br />

Kraft. Dies ist insbesondere für den Grundzustand der Fall. Gemäß<br />

(8.260) und (8.261) können wir dann<br />

∫<br />

F =<br />

(V )<br />

da · T (r) (8.262)<br />

setzen, wobei T (r) alsGrenzwert<br />

T (r) =lim<br />

r′ →r T (r, r′ ), (8.263)<br />

〈Ê(r)<br />

T (r, r ′ )=ε 0 Ê(r ′ ) 〉 〈<br />

+ µ −1<br />

0 ˆB(r) ˆB(r ′ ) 〉<br />

[ 〈Ê(r)<br />

ε0 · Ê(r ′ ) 〉 〈<br />

+ µ −1<br />

0 ˆB(r) · ˆB(r ′ ) 〉] I, (8.264)<br />

− 1 2


8.6. CASIMIR-POLDER-KRÄFTE 327<br />

so zu verstehen ist, daß divergente Terme, die für r = r ′ auftreten<br />

können, jedoch nicht zur Kraft beitragen, wegzulassen sind. Um die<br />

Korrelationsfunktionen in (8.264) zu berechnen, setzen wir die Feldoperatoren<br />

Ê(r) und ˆB(r) inderForm(1.193)–(1.195)ein,berücksichtigen,<br />

daß (im Grundzustand)<br />

〈ˆf(r, ω)ˆf † (r ′ , ω ′ ) 〉 = δ(ω − ω ′ )δ(r − r ′ ), (8.265)<br />

〈ˆf † (r, ω)ˆf(r ′ , ω ′ ) 〉 =0= 〈ˆf(r, ω)ˆf(r ′ , ω ′ ) 〉 (8.266)<br />

gilt und machen von der Integralrelation (1.189) Gebrauch. Die Rechnung<br />

liefert<br />

T (r, r ′ )=θ(r, r ′ ) − 1 2 I Tr θ(r, r′ ) (8.267)<br />

mit<br />

θ(r, r ′ )= ∫ ∞<br />

[ ]<br />

ω<br />

2<br />

dω<br />

π 0 c Im G(r, 2 r′ , ω) −∇×G(r, r ′ ′<br />

, ω) ×∇ ←−<br />

.<br />

(8.268)<br />

Gegeben seien zwei (oder auch mehrere) räumlich getrennte Körper<br />

im ansonsten leeren Raum, so daß der Green-Tensor in der Zerlegung(8.33)<br />

angegeben werden kann. Da ein Körper im leeren Raum<br />

keine Kraft erfahren kann, kann in dieser Zerlegung der Vakuum-Green-<br />

Tensor G V (r, r ′ , ω), der für r ′ → rsingulär wird, weggelassen werden, 33<br />

so daß der Spannugstensor T (r) allein durch den Streuanteil G S (r, r, ω)<br />

bestimmt wird, d.h. aus (8.263) zusammen mit (8.267) und (8.268) wird<br />

T (r) =θ(r) − 1 2 I Tr θ(r) (8.269)<br />

mit<br />

θ(r) = π<br />

∫ ∞<br />

0<br />

dω<br />

[ ]<br />

ω<br />

2<br />

c Im G S(r, r, ω) −∇×G 2 S (r, r ′ ′<br />

, ω) ×∇ ←−<br />

r ′ =r<br />

(8.270)<br />

33 Sind die Körper in einem homogenen Medium eingebettet, so stellt G V (r, r ′ , ω)denGreen-Tensor<br />

dieses Mediums dar und kann weggelassen werden.


328 KAPITEL 8. FUNDAMENTALE QUANTENEFFEKTE<br />

bzw.<br />

θ(r) =− π<br />

∫ ∞<br />

0<br />

du<br />

[ ]<br />

u<br />

2<br />

c G S(r, r,iu)+∇×G 2 S (r, r ′ ′<br />

,iu) ×∇ ←−<br />

r ′ =r<br />

(8.271)<br />

nach Verschieben der Integration längs der positiven imaginären Frequenzachse.<br />

34 Die auf einen Körper vom Volumen V wirkende Casimir-<br />

Kraft ist dann gemäß (8.262) bestimmt. Die Berechnung des Streuanteils<br />

des Green-Tensors ist wieder ein rein klassisches Problem. Speziell<br />

für zwei perfekt reflektierende Platten im Abstand d im ansonsten leeren<br />

Raum ergibt sich für d →∞ asymptotisch die Kraftformel (1.135).<br />

34 Solange der Green-Tensor nicht spezifiziert wird, gelten diese Gleichungen für beliebige lineare<br />

Medien.

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