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geht es zum Interview aus dem Passivhaus Kompendium 2010 im ...

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einführung<br />

Hatten Sie denn Probleme mit <strong>dem</strong> örtlichen Bebauungsplan?<br />

Ja. Die Straße verläuft süd-südw<strong>es</strong>tlich vom H<strong>aus</strong>, und vom Bebauungsplan<br />

wurde verlangt, dass die straßenseitige Front nicht weiter als vier<br />

oder fünf Meter von der Straße entfernt ist. Da haben wir das H<strong>aus</strong> mit<br />

Unterstützung d<strong>es</strong> Architekten, Meinhard Hansen, der di<strong>es</strong>bezüglich<br />

gute Ideen hatte, „künstlich“ in das Grundstück hereingezogen. Weil<br />

aber auch die Giebelhöhe f<strong>es</strong>tgelegt war, musste der Giebel unterbrochen<br />

werden, um so weiter nach hinten in das Grundstück zu kommen.<br />

Mit einem kleinen Quertrakt konnten wir dann für b<strong>es</strong>onnten und vor<br />

Nordwinden g<strong>es</strong>chützten Außenraum sorgen. Dafür die Genehmigung<br />

zu bekommen, war nicht einfach, hat letztlich aber funktioniert.<br />

Energie ist ja Ihr Thema. Erneuerbare Energien boomen und dank Subventionen<br />

boomen sie auch <strong>im</strong> Wohnungsbau. Ist das in Ihren Augen<br />

der geeignete Weg in Richtung Energiewende?<br />

Ich persönlich halte das Energieeinspeiseg<strong>es</strong>etz und die zinsgünstigen<br />

KfW-Kredite für eine zwar volkswirtschaftlich anfangs teure, aber<br />

auf die Dauer richtige, weil nachhaltige Politik. Es gibt <strong>im</strong>mer wieder<br />

Berechnungen, dass man CO 2<br />

viel b<strong>es</strong>ser anders einspart als etwa<br />

durch Solarenergie, insb<strong>es</strong>ondere durch Effizienz. Aber man kann ja<br />

beid<strong>es</strong> tun, und beid<strong>es</strong> hat Deutschland <strong>im</strong> Saldo technologisch und<br />

hinsichtlich der Arbeitsplätze <strong>aus</strong>drücklich g<strong>es</strong>tärkt.<br />

„Saldo“ ist ein Stichwort auch <strong>im</strong> Wohnungsbau. Es gibt eine Tendenz,<br />

f<strong>es</strong>tg<strong>es</strong>chrieben etwa auch in der Energieeinsparverordnung, dass<br />

weniger gute Effizienz durch den Einsatz erneuerbarer Energien <strong>aus</strong>geglichen<br />

werden kann. Was halten Sie von di<strong>es</strong>em Bilanzierungsansatz?<br />

Ich finde <strong>es</strong> legit<strong>im</strong> in einem Jahrzehnt, in <strong>dem</strong> man die Industrie der<br />

erneuerbaren Energien wirklich fördern will. Auf Dauer halte ich das<br />

nicht für gut. Ich vermute sogar, dass man in hundert Jahren über ein<br />

Zuviel an erneuerbaren Energien klagen wird. Bei Agrotreibstoffen sieht<br />

man <strong>es</strong> schon heute, bei Wasserkraft auch, bei Windenergie ist <strong>es</strong> <strong>im</strong><br />

Kommen, bei Geothermie ist <strong>es</strong> höchstwahrscheinlich und bei Photovoltaik<br />

wird die Diskussion in <strong>dem</strong> Moment anfangen, wo die ersten<br />

Anlagen Sondermüll werden. Erneuerbare Energien sind natürlich allemal<br />

b<strong>es</strong>ser als Kernenergie und Kohle, aber zu glauben, <strong>es</strong> sei ökologisch<br />

gut, so viel wie möglich davon zu produzieren, gilt nur so lange,<br />

wie sie CO 2<br />

und Uran verdrängen.<br />

Stattd<strong>es</strong>sen mehr Effizienz?<br />

Effizienz, ja! Da stehen wir überhaupt erst am Anfang d<strong>es</strong>sen, was möglich<br />

ist. Ich halte langfristig eine Verzwanzigfachung der Energieproduktivität<br />

für durch<strong>aus</strong> möglich. Ganz ähnlich wie bei der Arbeitsproduktivität,<br />

die sich <strong>im</strong> Laufe von 150 Jahren verzwanzigfacht hat. Das hätte<br />

zu Zeiten von Karl Marx oder David Ricardo kein Mensch für möglich<br />

gehalten.<br />

Zurück <strong>zum</strong> Passivh<strong>aus</strong>. Das Passivh<strong>aus</strong> ist volljährig geworden, vor<br />

knapp zwanzig Jahren hat Wolfgang Feist das erste Passivh<strong>aus</strong> realisiert.<br />

Viele fragen sich, wie man heute überhaupt noch anders bauen<br />

kann und doch ist das Passivh<strong>aus</strong> noch eher ein Nischenthema. Meine<br />

Frage an den Wissenschaftler und Politiker: Haben wir viel erreicht<br />

und müssen zufrieden sein mit der Entwicklung d<strong>es</strong> energieeffizienten<br />

Bauen in den letzten 18 bis 20 Jahren, oder st<strong>im</strong>mt <strong>es</strong>, wenn wir das<br />

Gefühl haben, dass <strong>es</strong> zu langsam vorwärts <strong>geht</strong>?<br />

Es ging auch nach meinem G<strong>es</strong>chmack zu langsam. Das hat <strong>im</strong> W<strong>es</strong>entlichen<br />

zwei Gründe: Erstens wurde bei der Geburt d<strong>es</strong> Passivh<strong>aus</strong>-Konzepts<br />

die Energieeffizienz-Diskussion <strong>im</strong> H<strong>aus</strong> beherrscht durch das<br />

Thema „Schlechte, muffige Luft“. Aus Großbritannien kam damals die<br />

Behauptung, dass die Raumluft wegen mangelnder Belüftung mit Radon<br />

radioaktiv belastet sei. So schien Energieeffizienz <strong>im</strong> H<strong>aus</strong> anfangs ökologisch<br />

hochproblematisch, weil viele Leute überzeugt waren, dass die<br />

Atemluft höchst ung<strong>es</strong>und sei. Erst durch die kontrollierte Wohnungslüftung<br />

ist di<strong>es</strong><strong>es</strong> Argument überwunden worden. Zum Zweiten war<br />

das zu einer Zeit unanständig niedriger Energiepreise. Das heißt, die<br />

ersten zwölf Jahre d<strong>es</strong> Passivh<strong>aus</strong><strong>es</strong> waren eine Zeit, in der sich das<br />

Einsparen von Energie <strong>aus</strong> Energiepreisgründen fast nicht lohnte. Jetzt<br />

ist das anders. Man wird aber vermutlich nicht nur über das Preissignal<br />

die Passivh<strong>aus</strong>-Entwicklung b<strong>es</strong>chleunigen können; so hat z.B. die<br />

Stadt Freiburg b<strong>es</strong>chlossen, dass Häuser auf städtischen Grundstücken<br />

und der soziale Wohnungsbau <strong>im</strong> Passivh<strong>aus</strong>standard gebaut werden<br />

müssen. Das könnte ich mir <strong>im</strong> Prinzip für alle deutschen Kommunen<br />

vorstellen, außer<strong>dem</strong> die entsprechenden G<strong>es</strong>etze auf Länder und Bund<strong>es</strong>ebene.<br />

Haben Sie vielen Dank für das G<strong>es</strong>präch, Herr von Weizsäcker.<br />

Fotos: Laible<br />

Ernst-Ulrich von Weizsäcker be<strong>im</strong> G<strong>es</strong>präch <strong>im</strong> Arbeitsz<strong>im</strong>mer sein<strong>es</strong> Passivh<strong>aus</strong><strong>es</strong><br />

passivh<strong>aus</strong> kompendium <strong>2010</strong> 19

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