Eulenspiegel WM - der Laden brummt (Vorschau)

gar nichts oder ein achtzehnmonatiges Sabbatical
(Reise nach Indien). Später war sie drei Tage
lang Empfangskraft in einem zertifizierten Fachlabor
für elektronische Bissmessung und hatte
diverse öffentliche Auftritte als Klappmaulpuppe.
Unterbrochen wurde das Ganze immer wieder
durch kreative Pausen und Phasen der Selbstfindung.
»Manchmal habe ich aber auch einfach
nur gelebt!«, lächelt sie leise. »Oder mich ausgeruht.«
Jetzt will sie Lehrerin werden und
bewirbt sich beim Berliner Senat. »Die Fächer
Ayurveda-Sport und Trommeln mit pflanzlichen
Farben interessieren mich am meisten!«, lacht
die sympathische Wolfgang-Thierse-Ähnlichkeitswettbewerb-Gewinnerin.
»Aber ich kann mir
auch vorstellen, mit jungen Menschen zu arbeiten!«
Einer Klassenstärke von zwei bis drei Schülern
fühlt sie sich auch ohne pädagogische Ausbildung
gewachsen. »Wenn die Klasse undiszipliniert
ist, dann schrecke ich auch nicht davor
zurück, ihnen zu sagen, wie enttäuscht ich bin!«,
lässt sie schon mal die Muskeln spielen. Auch
Drohungen mit negativen Karmapunkten stünden
bei ihr auf der Tagesordnung. »Wenn sie sich dann
entschuldigen, werde ich aber nicht nachtragend
sein!« Vielleicht werde man die gemeinsame Erfahrung
auch nutzen, um ein spannendes Theaterstück
über Toleranz einzustudieren.
Siebzehn Kerben
im Kolben seines
Präzisionsgewehres
Mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, das
kann sich auch Pit Broich gut vorstellen. Der bis
unter die Vorhaut tätowierte Zwei-Meter-Mann
glaubt, dass die Schülerinnen und Schüler von
seiner Lebenserfahrung profitieren werden.
Schließlich kann er auf ein außergewöhnlich breites
Spektrum zurückgreifen. Nicht alles war von
Erfolg gekrönt. So bewarb er sich nach einer abgebrochenen
Berufsausbildung als Pferde -
schläch ter vergebens mit einem Hundegespann
für die Durchführung von Castor-Transporten. Die
Eintragung seiner »Pit Broich Kommanditgesellschaft
auf Aktien« mit den Geschäftsfeldern
»Menschenhandel, Auftragsmorde und leckere
kalte Platten« lehnte die Frau vom Gewerbeamt
ab: Ohne nachgewiesene Qualifikation (sog. Bulettenschein)
könne er keine kalten Platten anbieten.
Mehr Glück hatte er als Bassist der Death-
Metal-Band »Flötenschlumpf«. Drei Mal verfehlte
er nur knapp die Top Einhunderttausend. Leider
löste sich die Band auf, bevor sie einen zweiten
Akkord einstudieren konnte. Nur wenige Worte
verliert er über seine Zeit bei den Hells Angels
(»Das war ein kleiner Job in der Exekutive.«) und
als Polizist (»Gut, nicht direkt Polizist … aber wir
haben die Läden im Kiez geschützt«), doch auch
diese Erfahrungen möchte er nicht missen. Genauso
wenig wie die aus dem Bosnien-Krieg.
»Das war schon was Spezielles«, sagt er und
streichelt mit dem Stumpf des rechten Oberarms
schmunzelnd über die siebzehn Kerben im Kolben
seines Präzisionsgewehres.
»Das sind genau die Menschen, die wir suchen!«,
freut sich die Berliner Schulsenatorin Sandra
Scheeres (SPD). »Und wenn es als Grundschullehrer
nichts wird«, macht sie Pit Broich bei
dieser Gelegenheit gleich Mut, »dann kann er
sich ja immer noch als Erzieher in einer Integrations-Kita
bewerben!« Da gibt es nämlich auch
Hunderte Fehlstellen.
Auch andere Bundesländer werben um Lehrer.
In Sachsen wird man Namenspatron eines Tagebaurestloches,
Brandenburg lockt mit einer lebenslangen
Jagdpacht und Bayern mit späterer
Heiligsprechung. Ganz schlimm ist es in Niedersachsen.
Dort fehlt es am Wichtigsten überhaupt,
an muslimischen Religionslehrern. Angeblich finden
sich zu wenige Bewerberinnen, weil sie ihr
Kopftuch zwar im Klassenraum, nicht aber außerhalb
desselben im Schulgebäude tragen dürfen.
Man beraubt diese Lehrkräfte damit
praktisch ihrer Schlüsselqualifikation. Das ist so,
als würde man den Sportlehrern in der Oberstufe
untersagen, den Schülerinnen beim Pferdsprung
Hilfestellung zu geben. In Hannover hat man das
Problem erkannt. Es wird sogar überlegt, Christian
Wulff zu gewinnen, auch wenn er bei den
muslimischen Verbänden mit seiner Aussage, das
Christentum gehöre inzwischen zu Deutschland,
einst für leichte Irritationen sorgte. Doch als Queraussteiger
aus dem Amt des Bundespräsidenten
verfügt er über unschätzbare Erfahrungen im Belehren,
zumindest von China. Und die wichtigste
Voraussetzung – keine Vorstrafen – erfüllt er ja
ohnehin locker.
Robert Niemann
Zeichnungen: Barbara Henniger
EULENSPIEGEL 6/14 41