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Geiseltal - post-mining.de

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Mittel<strong>de</strong>utsches Braunkohlenrevier<br />

Wandlungen<br />

und Perspektiven<br />

<strong>Geiseltal</strong>


Mittel<strong>de</strong>utsches Revier


<strong>Geiseltal</strong><br />

Landschaften und Industriestandorte im Wan<strong>de</strong>l<br />

Rund 300 Jahre Braunkohlenbergbau haben im <strong>Geiseltal</strong><br />

ihre Spuren hinterlassen. Das Gebiet, wo sich einst das<br />

kleine Flüsschen Geisel durch die Landschaft wand, wur<strong>de</strong><br />

über die Jahrhun<strong>de</strong>rte zum größten Tagebauareal Mittel<strong>de</strong>utschlands.<br />

Insgesamt über eine Milliar<strong>de</strong> Tonnen Kohle<br />

wur<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>n im Abbaugebiet bis zu 120 Meter mächtigen<br />

Flözen geför<strong>de</strong>rt.<br />

Der Braunkohlenbergbau, <strong>de</strong>r hier seit Beginn <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />

in industriellem Maßstab betrieben wur<strong>de</strong>, gab<br />

<strong>de</strong>n Menschen Arbeit und damit eine sichere Lebensgrundlage.<br />

Die Kumpel arbeiteten unter teilweise schwierigsten<br />

Bedingungen. Es galt gravieren<strong>de</strong> Sicherheitsprobleme zu<br />

lösen, die aus <strong>de</strong>n geologischen Verhältnissen im <strong>Geiseltal</strong><br />

resultierten.<br />

Schon um 1928 machte sich <strong>de</strong>r damalige Lan<strong>de</strong>splanungsverband<br />

Gedanken über die noch in ferner Zukunft liegen<strong>de</strong><br />

Nutzung <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>s nach Beendigung <strong>de</strong>s Bergbaus.<br />

Später wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r aus vielen kleineren und wesentlich<br />

älteren Gruben gebil<strong>de</strong>te Braunkohletagebau Mücheln –<br />

<strong>de</strong>r größte <strong>de</strong>r DDR – zu einem <strong>de</strong>r wichtigsten Sanierungsgebiete<br />

<strong>de</strong>r LMBV. Der Bergbau im <strong>Geiseltal</strong> hinterließ<br />

riesige Restlöcher mit steilen abrutschgefähr<strong>de</strong>ten<br />

Böschungen und umweltgefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Altlasten aus <strong>de</strong>r<br />

chemischen Industrie. Aufgrund <strong>de</strong>s großen Massen<strong>de</strong>fizits<br />

war es nicht möglich, alle Tagebaurestlöcher mit Abraum<br />

zu verfüllen. Der weitaus größere Teil wur<strong>de</strong> geflutet<br />

und bil<strong>de</strong>t heute die Seen im <strong>Geiseltal</strong>.<br />

Durch die Beseitigung <strong>de</strong>r Hinterlassenschaften <strong>de</strong>s<br />

Braunkohlenbergbaus, mit <strong>de</strong>r schon vor vielen Jahren<br />

begonnen wur<strong>de</strong>, wird sich das <strong>Geiseltal</strong> zu einer neuen<br />

lebenswerten Landschaft wan<strong>de</strong>ln. Seit 1995 führt die<br />

LMBV als bergrechtlich verantwortliches Unternehmen<br />

die Sanierung im <strong>Geiseltal</strong> durch. Viel ist seit<strong>de</strong>m passiert,<br />

so dass die Spuren <strong>de</strong>s Bergbaus heute kaum noch zu<br />

erkennen sind. Mit dieser Broschüre möchte ich Ihnen ein<br />

Stück <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>s Bergbaus und <strong>de</strong>r Braunkohlesanierung<br />

im <strong>Geiseltal</strong> näherbringen. Viel Vergnügen bei<br />

<strong>de</strong>r Lektüre.<br />

Ein herzliches Glückauf!<br />

Dr. Ing. Mahmut Kuyumcu<br />

Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Geschäftsführung <strong>de</strong>r LMBV<br />

<strong>Geiseltal</strong> 1


2<br />

<strong>Geiseltal</strong>


G E S T E R N<br />

Auftakt zum Bergbau<br />

Arbeiter in <strong>de</strong>r<br />

Grube Pauline, 1926<br />

Entlang <strong>de</strong>s Flüsschens Geisel, das <strong>de</strong>m Tal zwischen Mücheln und Merseburg<br />

seinen Namen gab, erstreckte sich vor Beginn <strong>de</strong>s Bergbaus ein Band aus vielen<br />

kleinen Siedlungen, <strong>de</strong>ren Bewohner bis dahin vor allem von <strong>de</strong>r Landwirtschaft<br />

lebten. Im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt nutzten hier rund 16 Wassermühlen die Kraft <strong>de</strong>r Geisel.<br />

Durch <strong>de</strong>n entstehen<strong>de</strong>n Bergbau setzte allmählich ein Strukturwan<strong>de</strong>l ein,<br />

<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r ländlichen Region ein Bergbaurevier entstehen ließ. Die erste Kohle<br />

wur<strong>de</strong> bereits 1698 in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s Zöbigker Wäldchens gefun<strong>de</strong>n.<br />

Der mechanisierte Abbau begann mit steigen<strong>de</strong>m Brennstoffbedarf Mitte <strong>de</strong>s<br />

19. Jahrhun<strong>de</strong>rts durch <strong>de</strong>n Zusammenschluss kleinerer Gruben zu großen<br />

Tagebauen. Ab En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts vollzog sich die <strong>de</strong>taillierte Erkundung<br />

<strong>de</strong>r Braunkohlenlagerstätte <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>s und <strong>de</strong>s Rossbacher Beckens. Über<br />

10.000 Bohrungen wur<strong>de</strong>n über die Jahre nie<strong>de</strong>rgebracht, um ein<strong>de</strong>utige Erkenntnisse<br />

über Lage und Mächtigkeit <strong>de</strong>s Flözes aber auch über die Qualität <strong>de</strong>r Kohle<br />

zu gewinnen. Wie man feststellte, erstreckte sich die Lagerstätte über eine Länge<br />

von rund 15 und eine Breite von fünf Kilometern zwischen <strong>de</strong>n Ortslagen Mücheln<br />

im Westen und Großkayna und Beuna im Osten. Durch die Auffaltung <strong>de</strong>r Alpen<br />

war im Gebiet <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>s ein tiefes abflussloses Becken entstan<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>m<br />

Tagebau Elise II bei Stöbnitz, 1927<br />

sich über Jahrmillionen ein mächtiges Braunkohlenflöz gebil<strong>de</strong>t hatte.<br />

<strong>Geiseltal</strong> 3


Das <strong>Geiseltal</strong> – Energielieferant für die Industrie<br />

Die Lagerstätte <strong>Geiseltal</strong> ist eines <strong>de</strong>r bekanntesten und<br />

größten Braunkohlevorkommen Deutschlands. Flöze<br />

mit bis zu 120 Metern Mächtigkeit und rund 1,5 Milliar<strong>de</strong>n<br />

Tonnen Kohlevorrat sowie viele Fun<strong>de</strong> gut erhaltener<br />

Fossilien machten das <strong>Geiseltal</strong> über die Region<br />

hinaus berühmt.<br />

Tagebaue im <strong>Geiseltal</strong><br />

und im Raum Roßbach<br />

Wan<strong>de</strong>l zur Industrieregion<br />

Mitte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts begann mit <strong>de</strong>r Industrialisierung<br />

die eigentliche Entwicklung <strong>de</strong>r Braunkohleindustrie.<br />

Der steigen<strong>de</strong> Brennstoffbedarf bewirkte die Abkehr vom<br />

Brennstoff Holz, da ein weitaus effizienterer Rohstoff<br />

immer populärer wur<strong>de</strong>: die Braunkohle. Hauptabnehmer<br />

zu dieser Zeit waren neben <strong>de</strong>n Privathaushalten die Zuckerfabriken,<br />

Ziegel-, Kalk- und Spiritusbrennereien sowie<br />

Brauereien <strong>de</strong>r Region. Mit <strong>de</strong>r Umstellung <strong>de</strong>r Feuerungsanlagen<br />

von Holz auf Kohle, <strong>de</strong>m zunehmen<strong>de</strong>n Einsatz<br />

von Dampfmaschinen‚ <strong>de</strong>m Ausbau <strong>de</strong>r Eisenbahnstrecken<br />

und <strong>de</strong>m Beginn <strong>de</strong>r Braunkohlenvere<strong>de</strong>lung wuchs in <strong>de</strong>r<br />

zweiten Hälfte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts <strong>de</strong>r Kohlebedarf zusehends<br />

und stieg zu Beginn <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts rasant an.<br />

Die technische Entwicklung, insbeson<strong>de</strong>re die Möglichkeiten<br />

<strong>de</strong>r systematischen Mechanisierung <strong>de</strong>r Prozesse<br />

im Tagebau führten zu großen Umwälzungen und somit zur<br />

immer stärkeren Durchsetzung dieses Abbauverfahrens.<br />

Schon 1902/03 übertraf die Gewinnung <strong>de</strong>r Braunkohle im<br />

Tagebau die För<strong>de</strong>rzahlen <strong>de</strong>s Tiefbaus, <strong>de</strong>ssen hauptsächliche<br />

Abbaumetho<strong>de</strong> zu dieser Zeit <strong>de</strong>r Pfeilerbruchbau war.<br />

Bis circa 1885 dominierte in <strong>de</strong>n Tagebauen <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>s<br />

<strong>de</strong>r reine Handbetrieb. Ab etwa 1886 wur<strong>de</strong>n die Abläufe<br />

zunehmend mechanisiert.<br />

Da die Mächtigkeit <strong>de</strong>s Deckgebirges im <strong>Geiseltal</strong> gering<br />

war, konnte das „schwarze Gold“ bei einem Abraum-Kohle-<br />

Verhältnis von 1:1 gewinnbringend abgebaut wer<strong>de</strong>n. Die<br />

anfänglich geringen För<strong>de</strong>rmengen waren durch <strong>de</strong>n begrenzten<br />

Absatz <strong>de</strong>r Kohle bedingt. Viele Gruben <strong>de</strong>ckten<br />

ursprünglich nur <strong>de</strong>n Eigenbedarf <strong>de</strong>r Besitzer. Auch die<br />

Voraussetzungen für <strong>de</strong>n Transport <strong>de</strong>r Kohle waren äußerst<br />

ungünstig. Eine wesentliche Erhöhung <strong>de</strong>s Absatzes<br />

ergab sich 1886 mit <strong>de</strong>r Eröffnung <strong>de</strong>r Eisenbahnlinie<br />

Querfurt-Mücheln-Merseburg. Ein Großteil <strong>de</strong>r Kohle aus<br />

<strong>de</strong>n Tagebauen gelangte in die Mitte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />

erbauten Zuckerfabriken in Stöbnitz und Körbisdorf. Etliche<br />

<strong>de</strong>r kleinen Gruben gingen sehr schnell wie<strong>de</strong>r bankrott, so<br />

dass <strong>de</strong>r Abbaubetrieb zum Erliegen kam. Der hohe Kapitalbedarf<br />

konnte erst nach 1900 mit <strong>de</strong>m Markteintritt großer<br />

Gesellschaften ge<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n. Ab 1906 entstand in schneller<br />

Folge eine Reihe von Großbetrieben, die das Vorkommen<br />

in kürzester Zeit in seiner ganzen Aus<strong>de</strong>hnung erschlossen:<br />

die Gruben Elisabeth, Cecilie, Rheinland, Beuna, Leonhardt,<br />

Pfännerhall, Elise II zwischen Mücheln und Merseburg und<br />

die Grube Gute Hoffnung bei Roßbach entstan<strong>de</strong>n.<br />

4 <strong>Geiseltal</strong>


Tagebaue im <strong>Geiseltal</strong> und im Raum Roßbach<br />

Nr. Grube/Baufeld Betriebszeit<br />

Mücheln<br />

01 Hal<strong>de</strong> Klobikau 1920-1964<br />

02 Westfeld I 1949-1987<br />

03 Elise 1913-1949<br />

04 Elisabeth 1906-1949<br />

05 Schmirmaer Flügel 1968-1971<br />

06 Pauline 1834-1937<br />

07 Mücheln-Südfeld 1959-1981<br />

08 Mücheln-Westfeld II 1974-1991<br />

09 Mücheln-Ostfeld 1949-1967<br />

10 Leonhardt-Nord 1941-1955<br />

11 Emma 1884-1938<br />

12 Cecilie 1907-1944<br />

13 Weiterführung Mücheln-Südfeld 1978-1993<br />

14 Hal<strong>de</strong> Blösien 1919-1935<br />

15 Neumark-Nord 1969-1993<br />

16 Leonhardt-Ost 1910-1944<br />

17 Geiselröhlitz 1965-1970<br />

18 Otto 1863-1943<br />

19 Neumark-Süd 1949-1966<br />

20 Tannenberg 1926-1954<br />

21 Pfännerhall 1911-1968<br />

22 Hal<strong>de</strong> Pfännerhall n. b.<br />

Großkayna<br />

23 Rheinland (Michel) 1906-1965<br />

24 Rheinland (Vesta) 1913-1965<br />

25 Hal<strong>de</strong> Kleinkayna (Vesta) 1914-n. b.<br />

26 Hal<strong>de</strong> Großkayna (Michel) 1948-1971<br />

Beuna<br />

27 Beuna 1907-1951<br />

28 Hal<strong>de</strong> Beuna 1907-n. b.<br />

Kayna-Süd<br />

29 Kayna-Nord 1948-1958<br />

30 Kayna-Süd 1958-1971<br />

Roßbach<br />

31 Tobias 1845-1925<br />

32 208 1858-1877<br />

33 Gottessegen 1861-1878<br />

34 Gottessegen 1861-1878<br />

35 Gute Hoffnung Nordfeld 1911-1936<br />

36 Hal<strong>de</strong> Roßbach n. b.<br />

37 Gute Hoffnung Südfeld 1934-1979<br />

38 Ostfeld 1949-1979<br />

39 Hal<strong>de</strong> Gustav n. b.<br />

40 Gustav 1910-1926<br />

41 Hasse 1976-1977<br />

Brikettfabrik Beuna, um 1965<br />

5


Tagebau Mücheln<br />

Im Tagebau Mücheln wur<strong>de</strong> bis zur Einstellung <strong>de</strong>r Kohleför<strong>de</strong>rung<br />

im Jahr 1993 insgesamt rund eine Milliar<strong>de</strong><br />

Tonnen Kohle geför<strong>de</strong>rt. Dazu war etwa die gleiche<br />

Menge Abraum abzutragen. Im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r<br />

Fel<strong>de</strong>sentwicklung mussten 16 Ortschaften aufgegeben,<br />

die Bewohner umgesie<strong>de</strong>lt sowie die Geisel verlegt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Lagerstätte wur<strong>de</strong> fast vollständig ausgekohlt.<br />

Tagebau Mücheln (1949-1993)<br />

Landinanspruchnahme: 3.302,1 ha<br />

Rohkohlenför<strong>de</strong>rung: 1.028,5 Mio. t<br />

Abraumbewegung: 941,5 Mio. m³<br />

Bei <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>s Tagebaus Mücheln spielten<br />

mehrere Faktoren eine wichtige Rolle: Erst zu Beginn <strong>de</strong>s<br />

20. Jahrhun<strong>de</strong>rts bestan<strong>de</strong>n ausreichen<strong>de</strong> Erfahrungen<br />

und technische Möglichkeiten, um einen industriellen<br />

Großtagebau zu entwässern. Außer<strong>de</strong>m eignete sich die<br />

<strong>Geiseltal</strong>kohle zur Brikettierung. Die Nachfrage nach Briketts<br />

und <strong>de</strong>r Brenn- und Rohstoffbedarf <strong>de</strong>r chemischen<br />

Industrie lösten die beschleunigte Entwicklung <strong>de</strong>r Kohleför<strong>de</strong>rung<br />

im <strong>Geiseltal</strong> aus.<br />

Der westliche Teil <strong>de</strong>r Lagerstätte mit einer Vorratsmenge<br />

von rund einer Milliar<strong>de</strong> Tonnen wur<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n Tagebau<br />

Mücheln abgebaut. Den östlichen Teil haben die Tagebaue<br />

Großkayna, Beuna und Kayna-Süd ausgekohlt. Der 1. Januar<br />

1949 war die Geburtsstun<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Tagebaus Mücheln,<br />

in<strong>de</strong>m die Tagebaue Elisabeth und Elise II vereinigt wur<strong>de</strong>n.<br />

Die zum damaligen Zeitpunkt bereits stillgelegten Tagebaue<br />

Cecilie, Emma und Pauline wur<strong>de</strong>n diesem gleichfalls<br />

zugeordnet. Zum selben Zeitpunkt vereinigte man die Tagebaue<br />

Leonhardt, Otto und Tannenberg zum Tagebau Neumark<br />

mit seinen drei Baufel<strong>de</strong>rn West, Süd und Ost. 1960<br />

entstand aus diesem – unter Einglie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Tagebaue<br />

Pfännerhall und Geiselröhlitz – <strong>de</strong>r Tagebau Braunsbedra<br />

unter Leitung <strong>de</strong>s Braunkohlenwerkes <strong>Geiseltal</strong> Mitte. Am<br />

1. Januar 1966 schließlich kam es zur Zusammenlegung<br />

<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Tagebaue, Mücheln im Westen und Braunsbedra<br />

im Osten, zum Großtagebau Mücheln – nun unter Führung<br />

<strong>de</strong>s Braunkohlenwerkes <strong>Geiseltal</strong>. Die hier gewonnene<br />

Braunkohle diente <strong>de</strong>r Versorgung <strong>de</strong>r Brikettfabriken in <strong>de</strong>r<br />

Region, aber vor allem war sie Energie- und Rohstofflieferant<br />

für die Chemiestandorte in Leuna und Buna.<br />

Abraumbewegung per Zug, Band und Spültisch<br />

Traditionell kam im <strong>Geiseltal</strong> nach Ablösung <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung<br />

durch Kettenbahnen die Zugför<strong>de</strong>rung sowohl für <strong>de</strong>n Kohleabbau<br />

als auch die Abraumbewegung zur Anwendung.<br />

In <strong>de</strong>n 60er Jahren schrieb <strong>de</strong>r Tagebau Mücheln Technikgeschichte.<br />

Das Problem <strong>de</strong>r Abraumbewegung wur<strong>de</strong><br />

hier auf geschickte Weise gelöst. Eine För<strong>de</strong>rbandanlage<br />

verbrachte <strong>de</strong>n Abraum direkt in die bereits ausgekohlten<br />

Gruben, für die eine Verfüllung sowieso vorgesehen war.<br />

Diese in <strong>de</strong>r Welt bisher einmalige Einrichtung solcher<br />

Größe entlastete die elektrischen Züge, die nun verstärkt<br />

für <strong>de</strong>n Kohletransport genutzt wer<strong>de</strong>n konnten. Arbeitskräfte<br />

wur<strong>de</strong>n eingespart und eine beachtliche Leistungssteigerung<br />

erzielt. Ab 1966 ging man dazu über, <strong>de</strong>n Abraum<br />

mittels so genannter Spültische zu verkippen. Züge<br />

brachten <strong>de</strong>n Abraum auf eine Art Bühne direkt an <strong>de</strong>r<br />

Tagebauoberkante. Während sich die Waggons entleerten,<br />

wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r herausstürzen<strong>de</strong> Abraum mit Wasser verflüssigt<br />

und bis zum Grund <strong>de</strong>s Tagebaurestloches hinuntergespült.<br />

6 <strong>Geiseltal</strong>


Tagebau Mücheln,<br />

Baufeld Neumark-Nord, 1993<br />

Kohleabbau unter schwierigen Bedingungen<br />

Die Ablagerung <strong>de</strong>r Braunkohle in einem tiefen Becken<br />

verursachte beim Abbau große geotechnische Standsicherheitsprobleme.<br />

Insbeson<strong>de</strong>re an <strong>de</strong>r Nordflanke <strong>de</strong>s Tagebaus<br />

Mücheln waren steil einfallen<strong>de</strong> Erdschichten und<br />

Böschungshöhen von über 200 Metern zu beherrschen.<br />

Es durfte nur dann abgebaut wer<strong>de</strong>n, wenn die Gewinnung<br />

auf Basis von entsprechen<strong>de</strong>n Standsicherheitsgutachten<br />

genehmigt wor<strong>de</strong>n war. Im Westfeld wur<strong>de</strong> die nicht<br />

ganz ungefährliche „Beobachtungs- und Bruchfahrweise“<br />

angewen<strong>de</strong>t. Unter Beobachtung erfolgte eine maximale<br />

Kohlegewinnung trotz Unterschreitung <strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>ststandsicherheit.<br />

Die 240 Meter hohe Nordböschung wur<strong>de</strong> dabei<br />

so versteilt, dass sie bereits während <strong>de</strong>r Baggerung kontrolliert<br />

zu Bruch ging. Nach mehr als fünf Jahrzehnten<br />

en<strong>de</strong>te 1993 mit <strong>de</strong>r Einstellung <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung in <strong>de</strong>n<br />

Baufel<strong>de</strong>rn Westfeld II, Neumark Nord und Weiterführung<br />

Südfeld die Kohlegewinnung.<br />

MIG-Düsenaggregat zum Ausblasen <strong>de</strong>r angefrorenen Rohkohle aus <strong>de</strong>n Kohlewagen, 1987<br />

Bagger 126 SRs 630/800 bei <strong>de</strong>r Überquerung <strong>de</strong>r Saale bei Großkorbetha auf <strong>de</strong>m Weg vom<br />

Tagebau Roßbach zum Neuaufschluss <strong>de</strong>s Tagebaus Merseburg-Ost, 1972<br />

7


Tagebaue Großkayna und Beuna<br />

Der östliche Bereich <strong>de</strong>r Lagerstätte <strong>Geiseltal</strong> umfasste<br />

die Tagebaue Großkayna und Beuna im Nordosten<br />

sowie Kayna-Süd im Südosten. Bereits vor <strong>de</strong>ren<br />

Auskohlung wur<strong>de</strong> durch die Aufschüttung eines<br />

gigantischen Kippendammes in <strong>de</strong>n Jahren 1955 bis<br />

1967, <strong>de</strong>r die Straße, die Eisenbahnverbindung und<br />

<strong>de</strong>n Lauf <strong>de</strong>r Geisel aufnahm, die historische Verbindung<br />

nach Merseburg ersatzweise wie<strong>de</strong>rhergestellt.<br />

Tagebau Großkayna (1907-1965)<br />

Landinanspruchnahme: 441,4 ha<br />

Rohkohlenför<strong>de</strong>rung: 163,82 Mio. t<br />

Abraumbewegung: 119,76 Mio. m³<br />

Tagebau Beuna (1907-1951)<br />

Landinanspruchnahme: 256,1 ha<br />

(einschl. 19,9 ha Hal<strong>de</strong> Beuna)<br />

Rohkohlenför<strong>de</strong>rung: 37,05 Mio. t<br />

Abraumbewegung: 47,84 Mio. m³<br />

Tagebau Großkayna<br />

Im Dezember 1906 begann mit <strong>de</strong>m Aufschluss <strong>de</strong>r Grube<br />

Rheinland durch die Gewerkschaft Michel die bergbauliche<br />

Tätigkeit bei Groß- und Kleinkayna, während gleichzeitig mit<br />

<strong>de</strong>m Bau einer Brikettfabrik begonnen wur<strong>de</strong>. Die Gewerkschaft<br />

Michel war Stammgesellschaft <strong>de</strong>r unter <strong>de</strong>m Namen<br />

„Michelwerke“ zusammengefassten Gewerkschaften<br />

Michel, Vesta, Leonhardt und Gute Hoffnung. Den Abraum<br />

verkippte man auf <strong>de</strong>r Hal<strong>de</strong> Michel bei Großkayna. Die<br />

Kohleför<strong>de</strong>rung wur<strong>de</strong> im Februar 1908 nördlich <strong>de</strong>r Ortslage<br />

aufgenommen und kurz danach ging auch die Brikettfabrik<br />

Michel – später Großkayna I – in Betrieb. 1912 wur<strong>de</strong><br />

durch die Gewerkschaften Michel und Vesta ein Vertrag<br />

geschlossen, <strong>de</strong>r die gemeinsame Kohlegewinnung aus<br />

einem Tagebau vorsah. 1913 – also ein Jahr vor <strong>de</strong>r Inbetriebnahme<br />

<strong>de</strong>r neuen Brikettfabrik Vesta – schloss man<br />

das Tagebaufeld Vesta zur Versorgung <strong>de</strong>r Fabrik auf. Aus<br />

<strong>de</strong>m Abraum dieses Fel<strong>de</strong>s entstand ab 1914 die Hal<strong>de</strong><br />

Vesta bei Kleinkayna. Seit 1919 verstürzte man die Massen<br />

zusätzlich zur Verkippung auf Hal<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n ausgekohlten<br />

Bereichen <strong>de</strong>s Tagebaus. Die Abraumför<strong>de</strong>rung im Abbaufeld<br />

Vesta en<strong>de</strong>te 1938, 1944 war das Feld ausgekohlt. Im<br />

Jahr 1949 erfolgte die Umbenennung in Tagebau Großkayna.<br />

1958/59 war die Endstellung <strong>de</strong>s Tagebaus erreicht.<br />

In <strong>de</strong>n Jahren 1962-65 verlegte man die Reichsbahnstrecke,<br />

eine Straße und die Geisel über die fertiggestellte<br />

Dammkippe. Eine neue direkte Verbindung zwischen nördlicher<br />

und südlicher Abbaukante <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>s war geschaffen,<br />

so dass die Kohle unter <strong>de</strong>n historischen Trassen<br />

gewonnen wer<strong>de</strong>n konnte. Auf Grundlage eines zentralen<br />

Beschlusses verspülte man im Tagebaurestloch ab 1969<br />

Industrierückstän<strong>de</strong> – vorwiegend Kraftwerksasche aus<br />

<strong>de</strong>n Leuna-Werken. Über 24 Millionen Kubikmeter flossen<br />

in die Grube, dazu gedacht, das Restloch zu verfüllen.<br />

Tagebau Beuna<br />

Der Aufschluss <strong>de</strong>s Tagebaus Beuna vollzog sich 1907<br />

etwa zeitgleich mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>s benachbarten Tagebaus<br />

Rheinland durch die Beunaer Kohlenwerke AG. Den hier<br />

anfallen<strong>de</strong>n Abraum verkippte man auf <strong>de</strong>r Hal<strong>de</strong> Beuna<br />

südlich <strong>de</strong>s Tagebaus. Im Jahr 1908 konnte die erste Kohle<br />

geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, und die Brikettfabrik Beuna wur<strong>de</strong><br />

mit zuerst nur vier Pressen in Betrieb genommen. 1937<br />

ersetzte <strong>de</strong>r Zugbetrieb die Kohleför<strong>de</strong>rung per Seilbahn.<br />

Bis zu seiner Stilllegung im Jahr 1951 wur<strong>de</strong>n hier rund<br />

48 Millionen Kubikmeter Abraum bewegt und mehr als 37<br />

Millionen Tonnen Kohle geför<strong>de</strong>rt. Nach <strong>de</strong>r Stillsetzung<br />

versorgten an<strong>de</strong>re Gruben die Brikettfabrik Beuna.<br />

8 <strong>Geiseltal</strong>


Brikettpyrami<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Gewerkschaft Michel, 1914<br />

Tagebau Rheinland mit <strong>de</strong>n Brikettfabriken<br />

Michel und Vesta (Großkayna I und II)<br />

9


Tagebaue Kayna-Süd und Roßbach<br />

Während <strong>de</strong>r Tagebau Kayna-Süd 1948 als Nachfolger<br />

<strong>de</strong>s Tagebaus Großkayna aufgeschlossen wur<strong>de</strong>, begann<br />

<strong>de</strong>r Kohleabbau südlich <strong>de</strong>s Ortes Roßbach schon 1845.<br />

Tief- und Tagebaue gruben sich hier in die Lagerstätte<br />

<strong>de</strong>s Roßbacher Beckens. Heute sind nur noch die Restlöcher<br />

<strong>de</strong>s Tagebaus Roßbach und <strong>de</strong>s vollständig mit<br />

Wasser gefüllten Baufel<strong>de</strong>s Hasse zu sehen.<br />

Tagebau Kayna-Süd (1948-1972)<br />

Landinanspruchnahme: 571,4 ha<br />

Rohkohlenför<strong>de</strong>rung: 126,96 Mio. t<br />

Abraumbewegung: 194,73 Mio. m³<br />

Tagebau Roßbach (1949-1979)<br />

Landinanspruchnahme: 524,3 ha<br />

Rohkohlenför<strong>de</strong>rung*: 51,8 Mio. t<br />

Abraumbewegung*: 110 Mio. m³<br />

* 1911-1979, einschl. <strong>de</strong>s Tagebaus Gute Hoffnung<br />

Tagebau Kayna-Süd<br />

Der Tagebau Kayna-Süd wur<strong>de</strong> 1948 als Nachfolger für<br />

<strong>de</strong>n Tagebau Großkayna in Betrieb genommen. Der Aufschluss<br />

erfolgte im Nordfeld von Großkayna aus. Zwischen<br />

1950 und 1972 wur<strong>de</strong>n hier insgesamt rund 127 Millionen<br />

Tonnen Kohle geför<strong>de</strong>rt. 1950 hatte <strong>de</strong>r Abbau im Nordfeld<br />

begonnen, sieben Jahre später war das Feld ausgekohlt<br />

und wur<strong>de</strong> mit Abraum verkippt.<br />

Ab 1960 schloss man das Südfeld auf. Der Tagebau<br />

bewegte sich dabei südostwärts. In das Jahr 1966 folgte<br />

das so genannte Randfeld, das südlich an <strong>de</strong>n Bereich<br />

<strong>de</strong>r Brikettfabriken angrenzte. Ein Jahr darauf wur<strong>de</strong>n die<br />

Verkippungsarbeiten im Nord- und Südfeld eingestellt. Die<br />

Verkippung von Abraum im Randfeld vollzog sich zwischen<br />

1969 und 1971. 1970 wur<strong>de</strong> im Südfeld erstmalig Abraum<br />

aus <strong>de</strong>m südlich gelegenen Tagebau Roßbach verspült.<br />

Nach <strong>de</strong>r Stilllegung <strong>de</strong>s Tagebaus Kayna-Süd im Jahr 1972<br />

lag die offene Grube einige Jahre brach. Zwischen 1975<br />

und 1977 verspülte man erneut Abraummassen aus <strong>de</strong>m<br />

Tagebau Roßbach. Die mittlerweile ausgereifte Technik<br />

<strong>de</strong>r Spültische bewährte sich auch hier.<br />

Tagebau Roßbach<br />

Ähnliche Lagerungsverhältnisse wie im Becken <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>s<br />

lagen im Roßbacher Becken etwas weiter südlich<br />

vor. Insgesamt sieben Gruben existierten hier, die erste<br />

mit <strong>de</strong>m Namen Tobias. Während die „Alte Anlage“ <strong>de</strong>r<br />

Grube Tobias zwischen 1845 und 1925 die Kohle im Tagebauverfahren<br />

för<strong>de</strong>rte, gewannen an<strong>de</strong>re <strong>de</strong>n Rohstoff in<br />

Tiefbaugruben. Die meisten dieser alten Tiefbaue wur<strong>de</strong>n<br />

durch <strong>de</strong>n Tagebau Roßbach ab 1962 größtenteils überbaggert.<br />

Die älteren Tagebaue, wie die Gruben Gottessegen,<br />

Tobias und Gute Hoffnung sind vollständig mit<br />

Abraum verkippt wor<strong>de</strong>n. 1911 hatte man die Grube<br />

Gute Hoffnung aufgeschlossen, welche 1949 zum Tagebau<br />

Roßbach wur<strong>de</strong>. Doch schon 1951 kam es zunächst<br />

zur Stilllegung. Die Brikettfabrik wur<strong>de</strong> nun mit Kohle aus<br />

<strong>de</strong>m Tagebau Kayna-Süd beliefert. Nach fast 12-jähriger<br />

Pause begann 1963 <strong>de</strong>r Abraumbetrieb und 1965 die<br />

Kohleför<strong>de</strong>rung im Tagebau Roßbach erneut. 1967/68 wur<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Betrieb aufgrund von geotechnischen und hydrologischen<br />

Problemen wie<strong>de</strong>rum ausgesetzt, um 1970/71<br />

abermals angefahren zu wer<strong>de</strong>n. 1975, nach einer Analyse<br />

<strong>de</strong>s Restkohleabbaus für das Baufeld Hasse, fiel auf <strong>de</strong>r<br />

Basis <strong>de</strong>r Untersuchungsergebnisse die Entscheidung,<br />

sofort mit <strong>de</strong>r Gewinnung dieser Kohlepartien zu beginnen.<br />

Der Tagebaubetrieb lief bis zur planmäßigen Auskohlung<br />

und endgültigen Stilllegung im Jahr 1979 weiter. Im<br />

ehemaligen Tagebau Roßbach lagern direkt unterhalb <strong>de</strong>r<br />

Braunkohle auch umfangreiche Vorkommen so genannter<br />

weißbrennen<strong>de</strong>r Tone – die größte <strong>de</strong>rartige Grube in Mitteleuropa.<br />

Dieser Abbau wird bis heute weiterbetrieben.<br />

10 <strong>Geiseltal</strong>


Tagebau Gute Hoffnung (Roßbach), 1925<br />

Bergleute, 1925<br />

11


Veredlungsanlagen im <strong>Geiseltal</strong><br />

Die im <strong>Geiseltal</strong> geför<strong>de</strong>rte Braunkohle wur<strong>de</strong> in<br />

<strong>de</strong>n umliegen<strong>de</strong>n neun Brikettfabriken verarbeitet,<br />

die hier in kürzester Zeit entstan<strong>de</strong>n.<br />

Doch auch an <strong>de</strong>n nahen Industriestandorten<br />

von Leuna und Buna und im Mineralölwerk<br />

Lützkendorf (Addinol) wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Rohstoff dringend<br />

zur Energieerzeugung und zur karbochemischen<br />

Weiterverarbeitung benötigt.<br />

Brikettfabriken im <strong>Geiseltal</strong> und bei Roßbach<br />

Nr. Baujahr Bezeichnung (Ort) Stilllegung<br />

1 1909 Beuna (Beuna) 1991<br />

2 1913 Pfännerhall (Braunsbedra) 1992<br />

3 1912 Vesta (Großkayna) 1972<br />

4 1908 MicheI (Großkayna) 1972<br />

5 1912 Leonhardt (Neumark) 1975<br />

6 1897 Emma (Krumpa) 1938<br />

7 1908 Cecilie (Krumpa) 1962<br />

8 1908 Elisabeth (Mücheln) 1967<br />

9 1912 Gute Hoffnung (Roßbach) 1968<br />

Die in <strong>de</strong>n oberen Schichten vorkommen<strong>de</strong> Kohle im<br />

<strong>Geiseltal</strong> war relativ feucht. Um sie trotz<strong>de</strong>m verbrennen zu<br />

können, nahm man bereits Mitte <strong>de</strong>s 18. Jahrhun<strong>de</strong>rts eine<br />

Veredlung vor. In Nasspressanlagen wur<strong>de</strong> die feinkörnige<br />

Kohle mit Wasser zu einem zähen Brei verrührt, in Pressen<br />

in eine ziegelsteinartige Form gebracht und schließlich an<br />

<strong>de</strong>r Luft getrocknet. Presssteine fan<strong>de</strong>n vorwiegend bei<br />

<strong>de</strong>r häuslichen Feuerung Verwendung.<br />

1856 entwickelte Carl Exter die erste Brikettpresse. Wegen<br />

anfänglicher Schwierigkeiten bei <strong>de</strong>r Brikettierung von<br />

<strong>Geiseltal</strong>kohle wur<strong>de</strong> dort die erste Brikettfabrik erst 1897<br />

errichtet: „Emma“ in Lützkendorf. Die Brikettierungsanlage<br />

besaß zwei Exterpressen und erhielt die Braunkohlelieferungen<br />

mittels einer Kettenbahn aus <strong>de</strong>m gleichnamigen<br />

Tagebau. Mit <strong>de</strong>r Überwindung <strong>de</strong>r Schwierigkeiten bei<br />

<strong>de</strong>r Veredlung <strong>de</strong>r <strong>Geiseltal</strong>kohle entstan<strong>de</strong>n nach erfolgreichem<br />

Betrieb <strong>de</strong>r Fabrik Emma in einem Zeitraum<br />

von nur knapp zehn Jahren sämtliche Brikettfabriken <strong>de</strong>s<br />

<strong>Geiseltal</strong>s. Die enormen Kohlevorkommen hatten auch<br />

auf die Entwicklung <strong>de</strong>r chemischen Industrie <strong>de</strong>r Region<br />

einen großen Einfluss. Als preisgünstiger Energieträger<br />

und Grundstoff für die chemische Industrie, im Überfluss<br />

vorhan<strong>de</strong>n und mit geringem Aufwand zu transportieren,<br />

trug die <strong>Geiseltal</strong>kohle mit dazu bei, dass sich „energiehungrige“<br />

Chemiebetriebe in <strong>de</strong>r Region ansie<strong>de</strong>lten. So<br />

entstan<strong>de</strong>n aus Braunkohle Benzin, „Plaste und Elaste“,<br />

Mineralöle o<strong>de</strong>r Düngemittel. In <strong>de</strong>n Jahren 1916/17 wur<strong>de</strong><br />

das „Ammoniakwerk Merseburg“ <strong>de</strong>r BASF – auch als<br />

Leuna-Werke bekannt – errichtet. 1936 folgte <strong>de</strong>r Bau <strong>de</strong>s<br />

Mineralölwerkes Lützkendorf in Krumpa in Regie <strong>de</strong>r Wintershall<br />

AG. Zwischen 1936 und 1939 baute die BASF das<br />

Buna-Werk Schkopau. Die Werksareale in Leuna und Buna<br />

wuchsen in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Jahrzehnten zu großen industriellen<br />

Chemiestandorten heran, die durch beträchtliche<br />

Umweltverschmutzungen traurigen Ruhm erlangten.<br />

Brikett an Brikett<br />

Neun Brikettfabriken gab es im <strong>Geiseltal</strong>. Eine <strong>de</strong>r größten<br />

war die seit 1913 betriebene Fabrik Pfännerhall, später<br />

umbenannt in Braunsbedra. Ihre höchste Jahresleistung<br />

betrug über eine Million Tonnen. Neun Pressen arbeiteten<br />

hier zu Beginn; schließlich waren es bis zu 19. Nur zwei<br />

Jahre nach Inbetriebnahme einer Anlage zur Herstellung<br />

von Bün<strong>de</strong>lbriketts, stellte man die Produktion in Braunsbedra<br />

im Jahr 1992 ein. Infolge <strong>de</strong>r neuen politischen und<br />

wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sank einerseits<br />

<strong>de</strong>r Bedarf an Briketts rapi<strong>de</strong>, und an<strong>de</strong>rerseits waren die<br />

Tagebaue vor <strong>de</strong>r Haustür ohnehin so gut wie ausgekohlt.<br />

Darüber hinaus entsprachen die alten Anlagen nicht mehr<br />

<strong>de</strong>n neuen Umweltanfor<strong>de</strong>rungen. Nun stand <strong>de</strong>r Abriss<br />

auf <strong>de</strong>m Plan.<br />

12 <strong>Geiseltal</strong>


Brikettfabrik Leonhardt<br />

(später Neumark), 1911<br />

Kettenbahn zur Brikettfabrik Pfännerhall<br />

(später Braunsbedra), 1912<br />

Mineralölwerk Lützkendorf (Altwerk), 1967<br />

13


Die Fossillagerstätte <strong>Geiseltal</strong><br />

Die tertiäre Pflanzen- und Tierwelt <strong>de</strong>r Braunkohle <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>s ist für die Naturwissenschaft <strong>de</strong>r ganzen Welt<br />

wegen ihrer Einmaligkeit von großer Be<strong>de</strong>utung. Die Vielzahl <strong>de</strong>r dort gefun<strong>de</strong>nen und geborgenen Fossilien<br />

vermittelt einen Einblick in eine Tropenwelt von vor rund 40 Millionen Jahren. Ausgrabungen fan<strong>de</strong>n oft im<br />

Wettlauf mit <strong>de</strong>r Arbeit <strong>de</strong>r Kohlebagger statt.<br />

Ein „Urzeitzoo” wird konserviert<br />

Durch Millionen von Jahren andauern<strong>de</strong> Absenkungs- und<br />

Ablagerungsmechanismen verlief die Entstehung von Kohle<br />

im <strong>Geiseltal</strong> in fünf großen Zyklen. Infolge <strong>de</strong>r langsamen<br />

Senkung <strong>de</strong>s Untergrun<strong>de</strong>s über einen Zeitraum von fünf<br />

bis sieben Millionen Jahren und <strong>de</strong>r damals herrschen<strong>de</strong>n<br />

klimatischen Bedingungen konnte sich ein riesiges Braunkohlenmoor<br />

bil<strong>de</strong>n. Die Lagerstätte <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>s mit ihrer<br />

typischen Mul<strong>de</strong>nstruktur entstand. Bei <strong>de</strong>r Absenkung<br />

wechselte mehrfach die Zuflussrichtung <strong>de</strong>s Oberflächenwassers.<br />

Kam das Wasser aus <strong>de</strong>m nördlichen Vorland, wo<br />

die Ablagerungen <strong>de</strong>s Buntsandsteines überwogen, wur<strong>de</strong>n<br />

die Strukturen <strong>de</strong>r im Moor vorhan<strong>de</strong>nen Pflanzen- und<br />

Tierreste durch die Huminsäure zerstört. Bei Zufluss von<br />

kalkhaltigem Wasser aus <strong>de</strong>m Muschelkalk im südlichen<br />

Vorfeld blieben dagegen die Fossilien erhalten.<br />

Das <strong>Geiseltal</strong>pferdchen<br />

Durch jahrzehntelange, intensive Zusammenarbeit <strong>de</strong>r<br />

Mitarbeiter <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>museums <strong>de</strong>r Martin-Luther-<br />

Universität Halle-Wittenberg und <strong>de</strong>r Beschäftigten in <strong>de</strong>n<br />

Tagebauen <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>s konnte bei <strong>de</strong>n Ausgrabungen<br />

das Fossilmaterial geborgen, präpariert und <strong>de</strong>r Öffentlichkeit<br />

im <strong>Geiseltal</strong>museum Halle zugängig gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />

Bereits in <strong>de</strong>n 20er Jahren hatte <strong>de</strong>r Paläontologe Johannes<br />

Weigelt zusammen mit <strong>de</strong>n damaligen Bergleuten<br />

sensationelle Fun<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Tagebauen <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>s zu<br />

verzeichnen. 1933 fan<strong>de</strong>n die Bergleute hier das vollständige<br />

Skelett eines Urpfer<strong>de</strong>s, das vor rund 45 Millionen<br />

Jahren im <strong>Geiseltal</strong> gelebt hat. Das <strong>Geiseltal</strong>pferdchen ist<br />

seit<strong>de</strong>m das Wappentier <strong>de</strong>s Museums und mittlerweile<br />

auch zum Wappentier <strong>de</strong>s gesamten <strong>Geiseltal</strong>s avanciert.<br />

Europas wichtigste Fun<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>r Steinzeit<br />

Nachfolger <strong>de</strong>r damaligen Forscher waren <strong>de</strong>r Archäologe<br />

Professor Dietrich Mania aus Jena und die Bergleute<br />

<strong>de</strong>r Bergbausanierung. Solange die Bagger noch die<br />

Erdschichten freilegten, hatten Archäologen die Chance<br />

weitere Fun<strong>de</strong> zu machen – nicht mehr in <strong>de</strong>r Kohle, aber<br />

im gleichermaßen interessanten Deckgebirge. Seit 2003<br />

war das Lan<strong>de</strong>samt für Denkmalpflege und Archäologie<br />

im <strong>Geiseltal</strong> <strong>de</strong>r ältesten Besiedlung Sachsen-Anhalts auf<br />

<strong>de</strong>r Spur. Während <strong>de</strong>r fünfjährigen Ausgrabungen kamen<br />

erstaunliche, weltweit beachtete Fun<strong>de</strong> zu Tage. Hier konnten<br />

menschliche Siedlungsbereiche aus drei verschie<strong>de</strong>nen<br />

Zeitepochen in mehreren übereinan<strong>de</strong>r liegen<strong>de</strong>n Schichten<br />

nachgewiesen wer<strong>de</strong>n. Denn neben einem bis dato<br />

einmaligen komplexen Einblick in ein Biotop <strong>de</strong>s mittleren<br />

Eiszeitalters, fan<strong>de</strong>n sich auch Spuren <strong>de</strong>r hier leben<strong>de</strong>n<br />

frühen Menschen, wie beispielsweise bearbeitete Feuersteine,<br />

die <strong>de</strong>n Bewohnern <strong>de</strong>r Gegend als Werkzeuge<br />

gedient hatten.<br />

Die Vielfalt <strong>de</strong>r Fun<strong>de</strong> ließ bei <strong>de</strong>n Forschern ein Bild <strong>de</strong>r<br />

Tier- und Pflanzenwelt <strong>de</strong>s Tertiärs entstehen. Neben<br />

Pflanzenblättern, Früchten und Schilf, wur<strong>de</strong>n auch Käfer,<br />

Schlangen, Schnecken sowie Fische, Frösche, Ei<strong>de</strong>chsen,<br />

Schildkröten und sogar Krokodile ent<strong>de</strong>ckt. Die größte<br />

Attraktion überhaupt bil<strong>de</strong>te <strong>de</strong>r Fund eines Urpferdchens.<br />

Die große Häufung und Vielfalt aber auch <strong>de</strong>r gute Erhaltungszustand<br />

<strong>de</strong>r Objekte führten dazu, dass man in <strong>de</strong>r<br />

Wissenschaft von <strong>de</strong>r „Fossillagerstätte <strong>Geiseltal</strong>“ spricht.<br />

Archäologische Ausgrabungen im Tagebau Mücheln, 1996<br />

Grabungsarbeiten im <strong>Geiseltal</strong> bei Blösien, 2004<br />

Grabungsmannschaft in <strong>de</strong>r Grube Cecilie, 1933<br />

14 <strong>Geiseltal</strong>


Grabungsmannschaft bei <strong>de</strong>r Arbeit<br />

im Tagebau Cecilie, 1933<br />

15


Verlorene Orte, überbaggerte Landschaften<br />

Der Abbau <strong>de</strong>r gewaltigen Braunkohlenlagerstätte im <strong>Geiseltal</strong> hatte nicht nur landschaftliche Verän<strong>de</strong>rungen<br />

zur Folge. Viele Ortschaften, <strong>de</strong>ren Bewohner sich über Jahrhun<strong>de</strong>rte an <strong>de</strong>n Ufern <strong>de</strong>r Geisel angesie<strong>de</strong>lt hatten,<br />

mussten <strong>de</strong>m Tagebau teilweise o<strong>de</strong>r gänzlich weichen. In <strong>de</strong>n Jahren von 1929 bis 1931 und 1953 bis 1975<br />

wur<strong>de</strong>n fast 12.000 Menschen umgesie<strong>de</strong>lt.<br />

Zerstörung und Neubeginn<br />

Entlang <strong>de</strong>s Flüsschens Geisel konzentrierte sich vor Beginn<br />

<strong>de</strong>s Bergbaus eine ganze Reihe von Dörfern, da hier<br />

die Wasserversorgung günstig war. Rund um Merseburg<br />

bil<strong>de</strong>te sich so ein frühmittelalterlicher Verdichtungsraum.<br />

Bis zu Beginn <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts lagen hier etwa 26 Dörfer<br />

auf einer Strecke von rund 12 Kilometern dicht aneinan<strong>de</strong>rgedrängt<br />

an <strong>de</strong>r Geisel. Zu jener Zeit lebten in diesem<br />

Gebiet insgesamt fast 12.000 Menschen. Bis zum Jahre<br />

1953 erhöhte sich die Einwohnerzahl durch <strong>de</strong>n Bergbau<br />

auf über 40.000.<br />

Doch während einerseits die lohnen<strong>de</strong> Arbeit im Bergbau<br />

viele ins <strong>Geiseltal</strong> lockte, mussten an<strong>de</strong>rerseits tausen<strong>de</strong><br />

alteingesessene Bewohner von insgesamt 20 Orten<br />

und Ortsteilen, die im Abbaugebiet lagen, ihre Heimat<br />

verlassen. 11.616 Einwohner waren gezwungen, ihre<br />

Dörfer aufzugeben. Sie wur<strong>de</strong>n vorwiegend in Merseburg,<br />

Braunsbedra, Mücheln und Weißenfels neu angesie<strong>de</strong>lt.<br />

Neben Wohnhäusern riss man auch Scheunen und Ställe,<br />

kleingewerbliche und landwirtschaftliche Betriebe, Schulen<br />

und Sportanlagen nie<strong>de</strong>r. Auch die Dorfkirchen wur<strong>de</strong>n<br />

abgerissen und Friedhöfe entwidmet.<br />

Verdrängt und verlegt<br />

Zur Freimachung <strong>de</strong>r Oberfläche im Vorfeld <strong>de</strong>r Tagebaue<br />

waren neben <strong>de</strong>n Ortsverlegungen auch zahlreiche an<strong>de</strong>re<br />

Baumaßnahmen erfor<strong>de</strong>rlich. Insgesamt viermal – 1935,<br />

1953, 1958 und 1964 – wur<strong>de</strong> die Strecke <strong>de</strong>r Reichsbahn<br />

verlegt, bis <strong>de</strong>ren endgültiger Verlauf über <strong>de</strong>n Kippendamm<br />

zwischen Frankleben und Braunsbedra und das<br />

Viadukt bei Mücheln feststand. Auch <strong>de</strong>r Flusslauf <strong>de</strong>r Geisel<br />

musste mehrfach, und zwar in <strong>de</strong>n Jahren 1938, 1949,<br />

1954 und 1959, auf längeren Abschnitten verän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Verlegung <strong>de</strong>r Leiha geschah erstmals schon 1913<br />

auf einer Länge von rund zwei Kilometern und 1923 erneut.<br />

Zahlreiche Ortsverbindungen sowie die Linienführung<br />

<strong>de</strong>r Straßenbahn von Merseburg nach Mücheln mussten<br />

<strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Bergbaus angepasst wer<strong>de</strong>n. Die<br />

Dimensionen <strong>de</strong>r Maßnahmen zur Baufeldberäumung wer<strong>de</strong>n<br />

am Südfeld Mücheln beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>utlich. Dort wur<strong>de</strong>n<br />

zwischen 1959 und 1974 rund 210 Millionen DDR-Mark in<br />

Überbaggerte Ortschaften im Tagebauraum<br />

Überbaggerte natürliche Wasserflächen im Tagebauraum<br />

Überbaggerte Ortsverbindungsstraßen im Tagebauraum<br />

16 <strong>Geiseltal</strong>


Rittergutskirche in Geiselröhlitz<br />

kurz vor <strong>de</strong>m Abriss, 1963<br />

Ortsinanspruchnahmen<br />

Ort Jahr betroffene<br />

Einwohner<br />

Runstädt 1929-31 400<br />

Benndorf/Petzkendorf 1953-57 1.078<br />

Körbisdorf 1957/58 454<br />

Gräfendorf/Neumark (teilw.) 1957-60 1.250<br />

Geiselröhlitz/Neum.-Siedl. (teilw.) 1967 300<br />

Großkayna (teilw.) 1963-67 1.600<br />

Naundorf 1954-57 520<br />

Wernsdorf 1956/57 210<br />

Zützschdorf 1956/57 130<br />

Lützkendorf/Krumpa-Gut (teilw.) 1961-63 1.100<br />

Neubiendorf (teilw.) 1964-68 1.050<br />

Möckerling 1961-64 1.050<br />

Cämmeritz 1966/67 25<br />

Zorbau/Zöbigker/Eptingen 1964 2.300<br />

Kolonie Neumark 1968-75 60<br />

„DSF-Lager“ 1968-75 10<br />

Neumark-Ost 1968-75 55<br />

LPG Mücheln 1969-70 24<br />

Summe 11.616<br />

Gebäu<strong>de</strong>abbrüche, Ersatzbauten, unter an<strong>de</strong>rem für Wohnungen<br />

und Landwirtschaftsbetriebe, sowie die Verlegung<br />

<strong>de</strong>r Geisel, <strong>de</strong>r Bahnstrecke und von Straßen investiert.<br />

Voraussetzung zur letztmaligen Verlegung <strong>de</strong>r Verkehrsund<br />

Wasserbauwerke war die Schüttung <strong>de</strong>s sogenannten<br />

Geiseldammes zwischen Frankleben und Braunsbedra. Mit<br />

einer maximalen Höhe von 145 Metern und einer Länge<br />

von 2,2 Kilometern ist er eines <strong>de</strong>r größten Erdbauvorhaben<br />

im Verkehrswege- und Wasserbau.<br />

17


18<br />

<strong>Geiseltal</strong>


H E U T E<br />

Sanierung einer Landschaft<br />

Flutung <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>sees, 2003<br />

Aufgrund <strong>de</strong>r geringen Abraumüberlagerung und <strong>de</strong>s weit in die Tiefe reichen<strong>de</strong>n<br />

Kohleflözes verblieb nach Beendigung <strong>de</strong>s Braunkohlenbergbaus im <strong>Geiseltal</strong><br />

ein Restloch von immenser Größe. Mit <strong>de</strong>n vorhan<strong>de</strong>nen Abraummassen war<br />

es nicht möglich, die ausgekohlten Bereiche restlos zu verfüllen. Das riesige<br />

Volumen <strong>de</strong>r entstan<strong>de</strong>nen Restlöcher gab die einzig mögliche Grundrichtung<br />

<strong>de</strong>r Nachnutzung vor: die Flutung. Hierzu wur<strong>de</strong>n bereits Jahrzehnte vor <strong>de</strong>r<br />

Auskohlung – seit En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 60er Jahre – grundsätzliche Beschlüsse gefasst, die<br />

im Prinzip bis heute Gültigkeit behalten haben. Die Wasserfüllung war die einzige<br />

ökologisch und wirtschaftlich sinnvolle Nachnutzung mit all <strong>de</strong>n sich daraus ergeben<strong>de</strong>n<br />

Nachnutzungsmöglichkeiten. Aus <strong>de</strong>m Restloch <strong>de</strong>s ehemaligen Tagebaus<br />

Mücheln entsteht nun durch Flutung <strong>de</strong>r <strong>Geiseltal</strong>see.<br />

Mit <strong>de</strong>r beginnen<strong>de</strong>n Sanierung wuchs in <strong>de</strong>r Bevölkerung die vage Hoffnung auf<br />

einen Neuanfang am Standort. Ein positives Beispiel aus DDR-Zeiten machte <strong>de</strong>n<br />

Menschen Mut: <strong>de</strong>r Hassesee. Der kleine Tagebau aus <strong>de</strong>n 20er Jahren, in <strong>de</strong>n<br />

70er Jahren kurz reaktiviert, aber dann bald wie<strong>de</strong>r stillgelegt, wur<strong>de</strong> durch das<br />

damalige Braunkohlekombinat in ein Naherholungszentrum verwan<strong>de</strong>lt. Seit gut<br />

Böschungssanierung imTagebaurestloch<br />

Mücheln, Blick auf das Westfeld<br />

mit <strong>de</strong>r Hal<strong>de</strong> Klobikau, 2000<br />

30 Jahren ist <strong>de</strong>r See die „Ba<strong>de</strong>wanne“ <strong>de</strong>r Region – ein Vorbild für die an<strong>de</strong>ren<br />

Tagebaurestlöcher <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>s.<br />

<strong>Geiseltal</strong> 19


Vorausschauend planen<br />

Seit 1991 wer<strong>de</strong>n die Restlöcher <strong>de</strong>s Tagebaus Mücheln in Verantwortung <strong>de</strong>r LMBV saniert – eine jahrzehntelange<br />

Arbeit. Großgeräte und Transporttechnik aus <strong>de</strong>r aktiven Bergbauzeit halfen nun bei <strong>de</strong>r Gestaltung einer naturund<br />

menschenfreundlichen Umwelt. Doch schon viele Jahre zuvor hatte die Sanierung <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>s konkrete<br />

Formen angenommen.<br />

Ein Präsidiumsbeschluss <strong>de</strong>s Ministerrates <strong>de</strong>r DDR vom<br />

16. April 1987 legte letztlich fest, dass das Tagebaurestloch<br />

Mücheln für eine künstliche Flutung aus <strong>de</strong>r Saale<br />

vorzubereiten und die 1972 beschlossene Folgenutzung<br />

zu realisieren sei. Dieser Beschluss blieb im Grundsatz<br />

bis heute erhalten. Schon zu DDR-Zeiten wur<strong>de</strong>n die<br />

Südböschung bei Braunsbedra und die Nordböschung <strong>de</strong>s<br />

Südfel<strong>de</strong>s im Tagebau Mücheln beispielgebend saniert.<br />

Die Ziele für die Bergbaufolgelandschaft <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>s<br />

mussten jedoch nach 1990 weiter präzisiert wer<strong>de</strong>n. Dies<br />

geschah im Abschlussbetriebsplan Tagebau Mücheln aus<br />

<strong>de</strong>m Jahr 1993 und <strong>de</strong>m Regionalen Teilgebietsentwicklungsprogramm<br />

für <strong>de</strong>n Planungsraum <strong>Geiseltal</strong> von 1997.<br />

Das Nutzungskonzept für <strong>de</strong>n Standortraum <strong>Geiseltal</strong>seenlandschaft<br />

aus <strong>de</strong>m Jahr 2003 führte die vorhan<strong>de</strong>nen<br />

Planungen <strong>de</strong>r LMBV und <strong>de</strong>r Kommunen auf informeller<br />

Ebene zusammen.<br />

„Oase im mittel<strong>de</strong>utschen Industriebezirk“<br />

Bereits um 1928 wur<strong>de</strong> die landschaftliche Zukunft <strong>de</strong>s<br />

<strong>Geiseltal</strong>s als „Oase im mittel<strong>de</strong>utschen Industriebezirk“<br />

skizziert. Ein halbes Jahrhun<strong>de</strong>rt später schlossen die<br />

Wasserwirtschaftsdirektion Saale-Weiße Elster und das<br />

Braunkohlenkombinat <strong>Geiseltal</strong> einen Vertrag, <strong>de</strong>r unter<br />

an<strong>de</strong>rem die Grundlage für die kontinuierlichen Beratungen<br />

in <strong>de</strong>r Arbeitsgruppe „Wasserspeicher <strong>Geiseltal</strong>“ bil<strong>de</strong>te.<br />

Zahlreiche Gutachten zu Böschungssicherung, Flutung,<br />

Wind- und Wellenwirkungen und Nutzungsmöglichkeiten<br />

wur<strong>de</strong>n durch dieses Gremium beauftragt und beraten.<br />

Schwerpunkte <strong>de</strong>r Sanierung<br />

Das Tagebaurestloch Mücheln war das größte aller Restlöcher<br />

im <strong>Geiseltal</strong>. Einschließlich <strong>de</strong>r Innenkippenbereiche<br />

mussten hier rund 40 Kilometer Endböschungen mit unterschiedlichem,<br />

insgesamt aber großem Aufwand gesichert<br />

und gestaltet wer<strong>de</strong>n.<br />

Über 65 Millionen Kubikmeter Sanierungsabraum wur<strong>de</strong>n<br />

in Summe bewegt. Neben <strong>de</strong>n Erdbauarbeiten galt es,<br />

die Flutung <strong>de</strong>r Restlöcher vorzubereiten und schließlich<br />

kontrolliert durchzuführen. Ein weiterer Schwerpunkt war<br />

Regionales Teilgebietsentwicklungsprogramm (TEP) für <strong>de</strong>n Planungsraum <strong>Geiseltal</strong>, 1997 Flutungskonzeption für das <strong>Geiseltal</strong>, 2000<br />

Rahmenplan zum Nutzungskonzept für <strong>de</strong>n Standortraum <strong>Geiseltal</strong>seenlandschaft, 2003<br />

20 <strong>Geiseltal</strong>


Geiseleinlauf bei Mücheln,<br />

links im Bild: die Marina Mücheln, 2009<br />

Sanierungsleistungen im <strong>Geiseltal</strong><br />

1991-2008<br />

Massenbewegungen (mit Groß- und Hilfsgeräten) 67,3 Mio. m³<br />

Begrünung/Aufforstung<br />

700 ha<br />

Demontage/Verschrottung<br />

25.000 t<br />

Gebäu<strong>de</strong>abbruch 110.000 m³<br />

Rückbau Gleisanlagen<br />

100 km<br />

Deponieberäumung 120.000 m³<br />

Wasserhebung aus <strong>de</strong>m Restloch bis Flutungsbeginn 130 Mio. m³<br />

<strong>de</strong>r Rückbau <strong>de</strong>r einstigen Tagebauinfrastruktur. Dazu gehörten<br />

beispielsweise nicht mehr benötigte Gleisanlagen,<br />

Tagesanlagen und an<strong>de</strong>re Gebäu<strong>de</strong>. Auch die Beräumung<br />

und Sicherung von Altlasten sowie die Begrünung und<br />

Aufforstung <strong>de</strong>s Gebietes waren über viele Jahre wichtige<br />

Bestandteile <strong>de</strong>r Sanierung im <strong>Geiseltal</strong>.<br />

21


Im Dienste <strong>de</strong>r Sicherheit<br />

Seit Beginn <strong>de</strong>r Sanierungsarbeiten sind im <strong>Geiseltal</strong> gewaltige Erdmassen bewegt wor<strong>de</strong>n, um die Böschungen<br />

<strong>de</strong>r über 100 Meter tiefen Gruben auf 40 Kilometern Länge zu stabilisieren. Allein für <strong>de</strong>n Tagebau Mücheln<br />

wur<strong>de</strong>n 65 Millionen Kubikmeter Abraum mit Großgeräten, einem Schreitbagger, Lkw und Planierraupen<br />

bewegt – alles im Dienste <strong>de</strong>r Sicherheit.<br />

Die Aufgabe <strong>de</strong>r bergtechnischen Sanierung nach Einstellung<br />

<strong>de</strong>r Kohleför<strong>de</strong>rung 1993 bestand darin, das Endböschungssystem<br />

für die Nachnutzung unter Berücksichtigung<br />

<strong>de</strong>r komplizierten geologischen Verhältnisse dauerhaft<br />

standsicher zu gestalten. Der Umfang dieser erdbautechnischen<br />

Maßnahmen war ganz entschei<strong>de</strong>nd von <strong>de</strong>r Nachnutzung<br />

<strong>de</strong>s Tagebaurestloches abhängig. Mit <strong>de</strong>r Festlegung,<br />

dass die Restlöcher <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>s geflutet wer<strong>de</strong>n<br />

sollen, waren die Grundprämissen für die Gestaltung <strong>de</strong>r<br />

Endböschungen vorgegeben. Von <strong>de</strong>n erarbeiteten Standsicherheitsnachweisen,<br />

Wind- und Wellengutachten und<br />

hydrologischen Berechnungen leiteten sich die notwendigen<br />

bergtechnischen Maßnahmen ab. Die Böschungen<br />

mussten so gestaltet wer<strong>de</strong>n, dass bei <strong>de</strong>r Herstellung <strong>de</strong>s<br />

Sees keine Gefährdungen auftreten können. Eine Abflachung<br />

<strong>de</strong>r Böschungen war unbedingt erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

Sicherheit hat oberste Priorität<br />

Seit <strong>de</strong>n 60er Jahren wur<strong>de</strong> Abraum vorwiegend zur Stabilisierung<br />

rutschungsgefähr<strong>de</strong>ter Böschungen in <strong>de</strong>n Restlöchern<br />

<strong>de</strong>r Tagebaue Mücheln, Kayna-Süd und Großkayna<br />

verwen<strong>de</strong>t. Dabei kam ab 1966 die Abraumverspülung im<br />

Revier zum Einsatz. Noch zu aktiven Zeiten <strong>de</strong>s Tagebaus<br />

Mücheln lief die gezielte Restlochsanierung an. Die Spülkippen<br />

erwiesen sich neben <strong>de</strong>m Versturz mit Absetzern als<br />

eine äußerst effektive Verkippungstechnologie für die tiefen<br />

Restlöcher. Der ehemalige Tagebau Braunsbedra wur<strong>de</strong><br />

dabei mit rund 135 Millionen Kubikmetern Abraummassen<br />

teilweise aufgefüllt und gesichert. Die früheren Tagebaue<br />

Tannenberg (später Neumark-Ost), Schmirmaer Flügel<br />

und Pauline im Bereich <strong>de</strong>s Tagebaus Mücheln sowie <strong>de</strong>r<br />

einstige Tagebau Beuna wur<strong>de</strong>n fast vollständig mit Abraum<br />

verfüllt. Die Gewährleistung <strong>de</strong>r öffentlichen Sicherheit<br />

erhielt im Revier gegenüber <strong>de</strong>r Rückgewinnung von<br />

nutzbaren Bo<strong>de</strong>nflächen Priorität.<br />

Die Sanierung <strong>de</strong>r Südböschung im Südfeld war beson<strong>de</strong>rs<br />

problematisch, da sie unmittelbar an die Ortslagen Krumpa<br />

und Neubiendorf angrenzte. Die Wohnhäuser stan<strong>de</strong>n hier<br />

direkt an <strong>de</strong>r Böschungsoberkante. Die unter <strong>de</strong>n Bedingungen<br />

eines weitgehend trockenen Restloches während<br />

<strong>de</strong>r Auskohlung <strong>de</strong>s Südfel<strong>de</strong>s gelten<strong>de</strong>n Sicherheitsvorgaben<br />

verloren mit Beginn <strong>de</strong>r Flutung ihre Gültigkeit. Der<br />

zügige Anstieg <strong>de</strong>s Wassers brachte eine erhebliche Gefahr<br />

mit sich: das Abrutschen ganzer Böschungsabschnitte. Da<br />

<strong>de</strong>ren Abflachung aufgrund <strong>de</strong>r unmittelbar angrenzen<strong>de</strong>n<br />

Wohnbebauung nicht möglich war, mussten umfangreiche<br />

Massenanstützungen im Restloch selbst realisiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Als Mitte 1993 <strong>de</strong>r Tagebaubetrieb eingestellt wur<strong>de</strong>,<br />

konnte ein Teil <strong>de</strong>r Großgeräte im Baufeld Neumark-Nord<br />

für die Gewinnung und Verkippung <strong>de</strong>s bei <strong>de</strong>r Böschungssicherung<br />

im Südfeld notwendigen Abraums umfunktioniert<br />

wer<strong>de</strong>n. Das Verkippen übernahm <strong>de</strong>r Absetzer 966-A<br />

900, <strong>de</strong>r schon seit Jahrzehnten in <strong>de</strong>r Müchelner Grube<br />

tätig war. Der Absetzer mit seinem nicht schwenkbaren<br />

aber 100 Meter langen Ausleger verkippte hier nahezu<br />

zehn Millionen Kubikmeter Abraum. Unterstützt wur<strong>de</strong>n<br />

die Großgeräte bei <strong>de</strong>r Böschungsgestaltung von Planierraupen.<br />

Mit diesen Massen wur<strong>de</strong> die rund 1,5 Kilometer<br />

lange Südböschung zwischen 1993 und 1997 angestützt<br />

und damit für die Zukunft dauerhaft stabilisiert.<br />

Der Esch – Wahrzeichen <strong>de</strong>r <strong>Geiseltal</strong>sanierung<br />

Ab 1993 war <strong>de</strong>r Schreitbagger Esch 10/70 an <strong>de</strong>r Oberkante<br />

<strong>de</strong>r Nordböschung <strong>de</strong>s Westfel<strong>de</strong>s im Restloch Mücheln<br />

bei seiner tagtäglichen Sanierungsarbeit im Einsatz. Sieben<br />

Millionen Kubikmeter bewegte das imposante Großgerät.<br />

Der Esch galt gewissermaßen als inoffizielles Wahrzeichen<br />

<strong>de</strong>r <strong>Geiseltal</strong>sanierung und wur<strong>de</strong> zur Stabilisierung <strong>de</strong>r<br />

Nordböschung <strong>de</strong>s Westfel<strong>de</strong>s II eingesetzt, in<strong>de</strong>m er<br />

Massen aus <strong>de</strong>m Südteil <strong>de</strong>r Hal<strong>de</strong> Klobikau grub und sie<br />

in Spülrinnen absetzte, um so die Tieflagen <strong>de</strong>s Restloches<br />

aufzufüllen. Nach Beendigung <strong>de</strong>r Arbeiten war eine dauerhafte<br />

und nachhaltig stabile Böschung hergestellt.<br />

22 <strong>Geiseltal</strong>


Schreitbagger Esch bei <strong>de</strong>r Abflachung<br />

<strong>de</strong>r Nordböschung, 1998<br />

Restloch Mücheln während<br />

<strong>de</strong>r Sanierung, 1998<br />

Sanierungsarbeiten<br />

im Tagebau Mücheln, 2002<br />

23


Altlastensanierung im <strong>Geiseltal</strong><br />

Zu <strong>de</strong>n Hinterlassenschaften <strong>de</strong>r chemischen Industrie im Umfeld <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>s zählten die Ablagerungen <strong>de</strong>s<br />

Addinol-Werkes auf <strong>de</strong>r Innenkippe Leonhardt <strong>de</strong>s ehemaligen Tagebaus Mücheln und jene <strong>de</strong>r Spül<strong>de</strong>ponie<br />

im Tagebaurestloch Großkayna. Bevor diese Gefahrenquellen nicht analysiert und beseitigt waren, konnte die<br />

Flutung nicht beginnen.<br />

Sanierung <strong>de</strong>r Spül<strong>de</strong>ponie Großkayna<br />

Zwischen 1969 und 1995 wur<strong>de</strong>n Industrierückstän<strong>de</strong><br />

– vorwiegend Kraftwerksasche aus <strong>de</strong>n nahen Leuna-<br />

Werken – im Restloch Großkayna verspült. Insgesamt 24,5<br />

Millionen Kubikmeter flossen in die Grube. Ursprünglich<br />

sollte das gesamte Restloch einmal auf diese Weise verfüllt<br />

wer<strong>de</strong>n. Doch es kam an<strong>de</strong>rs: 1995 wur<strong>de</strong> die Verspülung<br />

eingestellt. Umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen<br />

bereiteten eine völlig neue Alternative <strong>de</strong>r Verfüllung<br />

vor. Spezielle Technologien waren nun im Restloch<br />

Großkayna gefragt. Um eine Flutung <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>sees zu<br />

ermöglichen, musste die Kippe zwischen <strong>de</strong>n Restlöchern<br />

Großkayna und Braunsbedra gesichert wer<strong>de</strong>n. Da nicht<br />

genügend Erdmassen zur Verfügung stan<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong> die<br />

Flutung <strong>de</strong>s Restloches Großkayna eingeleitet. Das Wasser<br />

diente nun als Gegengewicht für <strong>de</strong>n Damm. Hieraus<br />

ergaben sich jedoch neue Probleme. Es musste sichergestellt<br />

wer<strong>de</strong>n, dass die im Restloch befindlichen Schadstoffe<br />

– in diesem Fall Ammonium – die Wasserqualität<br />

<strong>de</strong>s Sees nicht gefähr<strong>de</strong>n könnten. Die Lösung dafür war<br />

die Durchlüftung <strong>de</strong>r Tiefenwasserschichten <strong>de</strong>s mittlerweile<br />

beträchtlich gestiegenen Wassers. Dazu wur<strong>de</strong>n im<br />

Auftrag <strong>de</strong>r LMBV drei Belüftungsanlagen auf <strong>de</strong>m Restsee<br />

installiert. Wegen <strong>de</strong>r technischen Komplexität erfor<strong>de</strong>rte<br />

das Vorhaben äußerste Sorgfalt. Die jeweils 33 Meter<br />

langen und knapp sieben Tonnen schweren Anlagen aus<br />

Polyethylen wur<strong>de</strong>n auf Schwerlasttransportern zum See<br />

beför<strong>de</strong>rt und an vorher berechneten Stellen abgesenkt<br />

und verankert – aufgrund <strong>de</strong>s komplizierten Flutungsablaufs<br />

<strong>de</strong>r Tanks war dies ein risikoreiches Unternehmen.<br />

Seit<strong>de</strong>m versorgen sie die Tiefenwasserschichten <strong>de</strong>s Sees<br />

mit Luftsauerstoff, um mittelfristig <strong>de</strong>n Ammoniumgehalt<br />

umzuwan<strong>de</strong>ln, ohne die jahreszeitlich bedingte Temperaturschichtung<br />

im See zu zerstören. Die durch <strong>de</strong>n Abbau<br />

<strong>de</strong>s Ammoniums entstehen<strong>de</strong>n Nährstoffe wer<strong>de</strong>n durch<br />

spezielle großflächig angepflanzte Schilfgürtel reduziert.<br />

Sanierung von Altlasten im Restloch Mücheln<br />

Noch gravieren<strong>de</strong>r waren die Gefährdungen an <strong>de</strong>r<br />

Südböschung <strong>de</strong>s ehemaligen Tagebaus Mücheln. Hier<br />

befand sich <strong>de</strong>r langjährig industriell genutzte Standort <strong>de</strong>s<br />

Mineralölwerkes Lützkendorf (Addinol). Knapp 70 Jahre<br />

Kohlevergasung, Schmierölproduktion und Rohöl<strong>de</strong>stillation<br />

hatten ihre Spuren hinterlassen, Teerrückstän<strong>de</strong> aus jahrzehntelangem<br />

Betrieb <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n erheblich verunreinigt.<br />

Vor allem die Bombenangriffe im letzten Jahr <strong>de</strong>s Zweiten<br />

Weltkrieges waren die Ursache dafür, dass das Gelän<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s Altwerkes hochgradig kontaminiert wur<strong>de</strong>, beson<strong>de</strong>rs<br />

im Bereich <strong>de</strong>s Europatanks, <strong>de</strong>s damals größten Tanks in<br />

Europa. Das verseuchte Grundwasser strömte in Richtung<br />

<strong>de</strong>s offenen Tagebaurestloches Mücheln. Daher wur<strong>de</strong> als<br />

zentrales Element <strong>de</strong>r Gefahrenabwehr eine Dichtwand<br />

im Bo<strong>de</strong>n errichtet. Sie sorgt dafür, dass kein kontaminiertes<br />

Wasser in <strong>de</strong>n <strong>Geiseltal</strong>see abströmen kann. Die<br />

Dichtwand reicht bis zu 40 Meter tief und erstreckt sich<br />

über eine Länge von 675 Metern. Das davor aufgestaute<br />

Grundwasser wird über eine Horizontaldrainage zu einer<br />

Grundwasserreinigungsanlage geführt und schließlich in<br />

<strong>de</strong>n Leihagraben abgeleitet.<br />

Und noch eine weitere Altlast galt es im Restloch Mücheln<br />

zu beseitigen. Auf <strong>de</strong>r Innenkippe Leonhardt, <strong>de</strong>r künftigen<br />

Insel im entstehen<strong>de</strong>n <strong>Geiseltal</strong>see, lagerten rund 110.000<br />

Tonnen Säureharze. Sie wur<strong>de</strong>n ausgebaggert und anschließend<br />

in einer speziell entwickelten Konditionierungsanlage<br />

behan<strong>de</strong>lt. Es entstand ein aufbereitetes Material,<br />

das gefahrlos im Straßenbau verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Zwischentanklager <strong>de</strong>s Addinol-Werkes, 1995<br />

Säureharzbecken vor <strong>de</strong>r Sanierung, 2000<br />

Säureharzbecken auf <strong>de</strong>r Innenkippe Leonhardt, 2002<br />

24 <strong>Geiseltal</strong>


Sanierung <strong>de</strong>r Säureharzbecken<br />

auf <strong>de</strong>r Innenkippe Leonhardt<br />

im Restloch Mücheln, 2002<br />

<strong>Geiseltal</strong> 25


Überlaufbauwerk vom Restloch Braunsbedra<br />

zum Südfeld, 2006<br />

26


Wasser für das <strong>Geiseltal</strong><br />

Die Flutung <strong>de</strong>r Restlöcher <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>s ist ein Großprojekt. Knapp 18 Kilometer Flutungsleitungen mussten<br />

verlegt, Pumpstationen sowie Ein- und Auslaufbauwerke errichtet wer<strong>de</strong>n. Seit 2003 wird Saalewasser in das<br />

Restloch Mücheln geleitet. Mit einer Fläche von 1.842 Hektar wird <strong>de</strong>r See nach Abschluss <strong>de</strong>r Flutung im<br />

Jahr 2010 <strong>de</strong>r größte Sachsen-Anhalts und das größte künstliche Standgewässer Deutschlands sein.<br />

Kippendamm nach Frankleben und entlang <strong>de</strong>r Nordböschung<br />

<strong>de</strong>s Tagebaus Mücheln bis in das Westfeld. Über<br />

Abzweige erreicht das Wasser auch die Restlöcher Großkayna<br />

und Kayna-Süd. Weitere drei Abzweige führen zu <strong>de</strong>n<br />

Einleitstellen im Restloch Mücheln.<br />

Kostbares Nass aus <strong>de</strong>r Saale<br />

Die Flutung <strong>de</strong>r Tagebaurestlöcher stellt eine große Herausfor<strong>de</strong>rung<br />

dar. Im ehemaligen Tagebaugebiet soll ein<br />

ausgeglichener, sich selbst regulieren<strong>de</strong>r Wasserhaushalt<br />

wie<strong>de</strong>rhergestellt wer<strong>de</strong>n – ohne aufwändige Einflussnahme<br />

<strong>de</strong>s Menschen. Die Füllung <strong>de</strong>r Restlöcher im <strong>Geiseltal</strong><br />

erfolgt nur zu einem Teil durch <strong>de</strong>n Wie<strong>de</strong>ranstieg <strong>de</strong>s<br />

Grundwassers, ein Vorgang <strong>de</strong>r ohne weiteres Zutun mehr<br />

als 100 Jahre dauern wür<strong>de</strong>. Der be<strong>de</strong>utend größere Anteil<br />

<strong>de</strong>s Flutungswassers wird <strong>de</strong>r Saale entnommen. Erfor<strong>de</strong>rlich<br />

war dies, weil die öffentliche Sicherheit gewährleistet<br />

und die geplanten Nachnutzungen an <strong>de</strong>n Ufern <strong>de</strong>r Seen<br />

frühzeitig ermöglicht wer<strong>de</strong>n sollten. Eine wichtige Voraussetzung<br />

für <strong>de</strong>n Beginn <strong>de</strong>r Flutung war <strong>de</strong>r dazu erfor<strong>de</strong>rliche<br />

Planfeststellungsbeschluss, <strong>de</strong>r vom Regierungspräsidium<br />

2003 erteilt wur<strong>de</strong>.<br />

Das von <strong>de</strong>r InfraLeuna GmbH bei Leuna/Daspig an <strong>de</strong>r<br />

Saale betriebene Wasserwerk wur<strong>de</strong> erweitert. Hier<br />

installierte man auch die Schaltzentrale zur Steuerung <strong>de</strong>r<br />

Flutungsströme für das <strong>Geiseltal</strong>. Der Bau einer knapp 18<br />

Kilometer langen Rohrleitung wur<strong>de</strong> notwendig. Bis zur<br />

Bun<strong>de</strong>sstraße 91 konnten die vorhan<strong>de</strong>nen Leitungen im<br />

Chemiewerk genutzt wer<strong>de</strong>n. Ab diesem Punkt führte man<br />

die Rohrleitung zur Ortslage Großkayna, weiter über <strong>de</strong>n<br />

Einweihung <strong>de</strong>s neuen Einlaufbauwerkes Geisel, 2009<br />

Bau <strong>de</strong>r Flutungsstelle für das Restloch<br />

Braunsbedra bei Frankleben, 2002<br />

Bau <strong>de</strong>r Flutungsleitung, 2002<br />

Weit verzweigt – das Leitungsnetz<br />

Als erstes wur<strong>de</strong> ab 2001 das Restloch Großkayna geflutet,<br />

aus <strong>de</strong>m innerhalb nur eines Jahres <strong>de</strong>r Runstedter See<br />

entstand. Einige Kilometer davon entfernt zweigt eine Leitung<br />

Wasser für das Restloch Kayna-Süd ab. Die Einleitung<br />

von Saalewasser wur<strong>de</strong> von 2002 bis 2006 durchgeführt.<br />

Die noch fehlen<strong>de</strong>n zwei Meter bis zum geplanten Endwasserstand<br />

wer<strong>de</strong>n durch Zufluss von Grund- und Oberflächenwasser<br />

erreicht. Am Verteilerbauwerk Frankleben<br />

verzweigt sich <strong>de</strong>r Flutungsstrom abermals. Das Wasser<br />

wird an dieser Stelle zum Einlaufbauwerk Braunsbedra, in<br />

die Geisel sowie in die Rohrleitung zum Westfeld geleitet.<br />

Die Flutung <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>sees erfolgt über drei Einleitstellen;<br />

Start war im Jahr 2003 im Westfeld. Eine weitere wur<strong>de</strong><br />

später im Teilbecken Neumark-Nord in Betrieb genommen.<br />

Nach <strong>de</strong>m Zusammenfluss <strong>de</strong>r Teilbecken Westfeld,<br />

Neumark-Nord und Braunsbedra im Februar 2007 wird die<br />

Flutung bis zum Erreichen <strong>de</strong>s Endwasserstan<strong>de</strong>s über die<br />

Einleitstelle an <strong>de</strong>r Ortslage Frankleben durchgeführt.<br />

Auch die umliegen<strong>de</strong>n Fließgewässer Geisel, Stöbnitz,<br />

Petschbach und Leiha sind an <strong>de</strong>n <strong>Geiseltal</strong>see angebun<strong>de</strong>n<br />

wor<strong>de</strong>n. Sobald <strong>de</strong>r Endwasserstand erreicht ist, wird das<br />

überschüssige Seewasser über ein Auslaufbauwerk bei<br />

Frankleben in die Geisel abgeleitet, die schließlich wie<strong>de</strong>r in<br />

die Saale mün<strong>de</strong>t. So erhält die Saale einen Teil <strong>de</strong>s Wassers<br />

zurück, mit <strong>de</strong>m sie zuvor <strong>de</strong>n <strong>Geiseltal</strong>see gespeist hat.<br />

<strong>Geiseltal</strong> 27


Zeitschiene<br />

TAGEBAUE IM GEISELTAL UND BEI ROßBACH<br />

1698 Erste Kohlefun<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s<br />

Zöbigker Wäldchens<br />

1834-1937 Tagebau Pauline<br />

1845-1925 Tagebau Tobias (Roßbach)<br />

1906-1949 Tagebau Elisabeth<br />

1907-1965 Tagebau Großkayna<br />

1907-1951 Tagebau Beuna<br />

1907-1944 Tagebau Cecilie<br />

1858-1877 Grube 208 (Roßbach)<br />

1861-1879 Grube Gottessegen (Roßbach)<br />

1884-1938 Tagebau Emma<br />

1908-1965 Tagebau Rheinland<br />

1910-1926 Grube Gustav (Roßbach)<br />

1910-1944 Tagebau Leonhardt-Ostfeld<br />

1698<br />

>> 1834 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 1900 02 04 06 08 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32<br />

1883-1943 Tief- und Tagebau Otto<br />

1911-1936 Tagebau Gute Hoffnung Nordfeld (Roßbach)<br />

1911-1968 Tagebau Pfännerhall<br />

1913-1949 Tagebau Elise II<br />

1914-1965 Tagebau Vesta<br />

1926 Erste Fossilienfun<strong>de</strong><br />

im Tagebau Cecilie<br />

1926-1954 Tagebau Tannenberg<br />

1928 Erste Planungen<br />

für die Nachnutzung <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>s<br />

durch <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>splanungsverband<br />

VEREDLUNGS- UND CHEMISCHE ANLAGEN<br />

1886 Eröffnung <strong>de</strong>r Eisenbahnlinie Querfurt-Mücheln-Merseburg 1897 Inbetriebnahme <strong>de</strong>r<br />

Brikettfabrik Emma<br />

(Krumpa),<br />

Erste Brikettfabrik<br />

im <strong>Geiseltal</strong><br />

1908 Inbetriebnahme <strong>de</strong>r Brikettfabrik Michel (Großkayna), Brikettfabrik<br />

Cecilie (Krumpa) und <strong>de</strong>r Brikettfabrik Elisabeth (Mücheln)<br />

1909 Inbetriebnahme <strong>de</strong>r Brikettfabrik Beuna (Beuna)<br />

1912 Inbetriebnahme <strong>de</strong>r Brikettfabrik Gute Hoffnung (Roßbach),<br />

und <strong>de</strong>r Brikettfabrik Leonhardt (Neumark)<br />

1913 Inbetriebnahme <strong>de</strong>r Brikettfabrik Pfännerhall (Braunsbedra)<br />

1914 Inbetriebnahme <strong>de</strong>r Brikettfabrik Vesta (Großkayna)<br />

1916/17 Errichtung <strong>de</strong>s Ammoniakwerkes Merseburg<br />

<strong>de</strong>r BASF in Leuna („Leuna-Werke“)<br />

1698<br />

>> 1834 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 1900 02 04 06 08 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32<br />

28 <strong>Geiseltal</strong>


1933 Bergleute fin<strong>de</strong>n im <strong>Geiseltal</strong> das<br />

vollständige Skelett eines Urpfer<strong>de</strong>s<br />

1934-1979 Tagebau Gute Hoffnung Südfeld (Roßbach)<br />

1935-1957 Aufschüttung <strong>de</strong>s Kippendammes<br />

mit Abraummassen<br />

1941-1955 Tagebau Leonhardt-Nordfeld<br />

1948-1958 Tagebau<br />

Kayna-Nord<br />

1958-1971 Tagebau Kayna-Süd<br />

1959-1981 Baufeld Mücheln Südfeld<br />

1960 Bildung <strong>de</strong>s Braunkohlenwerkes <strong>Geiseltal</strong> Mitte,<br />

Bildung <strong>de</strong>s Tagebaus Braunsbedra aus <strong>de</strong>n<br />

Baufel<strong>de</strong>rn Neumark-West, -Süd und -Ost<br />

1965-1970 Baufeld Geiselröhlitz<br />

1966 Gründung <strong>de</strong>s Braunkohlenwerkes<br />

<strong>Geiseltal</strong>, Bildung <strong>de</strong>s<br />

Großtagebaus Mücheln<br />

1991 Zuordnung zur Mittel<strong>de</strong>utschen Braunkohlenwerke AG (MIBRAG)<br />

1993 Stilllegung <strong>de</strong>s Tagebaus Mücheln, Einsatz <strong>de</strong>s Schreitbaggers Esch<br />

1994 Zuordnung zur Mittel<strong>de</strong>utschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (MBV)<br />

1996 Zuordnung zur Lausitzer und Mittel<strong>de</strong>utschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV)<br />

1996 Flutungsbeginn für <strong>de</strong>n Großkaynaer See (RL Kayna-Süd)<br />

2001 Flutungsbeginn für <strong>de</strong>n Runstedter See (RL Großkayna)<br />

2002 Beendigung <strong>de</strong>r Flutung <strong>de</strong>s Runstedter Sees<br />

2003 Flutungsbeginn für <strong>de</strong>n <strong>Geiseltal</strong>see (RL Mücheln)<br />

mit Saale-Wasser<br />

34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 2000 01 02 03 04 05 06 07 08 09 2010 12 13 14 15 16 17 18 2019<br />

1949 Bildung <strong>de</strong>s Tagebaus Mücheln<br />

aus <strong>de</strong>n Tagebauen Pauline, Elisabeth,<br />

Elise II, Emma und Cecilie<br />

1949 Bildung <strong>de</strong>r Tagebaue Neumark-West,<br />

-Süd und -Ost<br />

1949-1966 Baufeld Neumark-Süd<br />

1949-1967 Baufeld Mücheln-Ostfeld<br />

1949-1979 Grube Ostfeld (Roßbach)<br />

1949-1987 Baufeld Westfeld I<br />

1976-1977 Baufeld Hasse (Roßbach)<br />

1974-1991 Baufeld Mücheln Westfeld II<br />

1969-1993 Baufeld Neumark-Nord<br />

1968 Zuordnung <strong>de</strong>s Tagebaus Mücheln<br />

zum Braunkohlenkombinat <strong>Geiseltal</strong><br />

1968-1971 Baufeld Schmirmaer Flügel (Tagebau Mücheln)<br />

1966 Erstmalige Abraumverspülung im Revier<br />

2008 Zusammenfluss von zwei Seeteilen zum<br />

<strong>Geiseltal</strong>see, Eröffnung <strong>de</strong>r Marina Mücheln<br />

2009 Beendigung <strong>de</strong>r Flutung<br />

<strong>de</strong>s Großkaynaer Sees<br />

2010 Beendigung <strong>de</strong>r Flutung <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>sees<br />

1936 Bau <strong>de</strong>s Mineralölwerkes Lützkendorf<br />

in Krumpa durch die Wintershall AG<br />

1936-1939 Bau <strong>de</strong>s Buna-Werkes Schkopau<br />

durch die BASF<br />

1938 Erste Fischer-Tropsch-Synthese in Lützkendorf<br />

1945 80% <strong>de</strong>s Mineralölwerkes Lützkendorf<br />

sind nach Bombenangriffen zerstört<br />

1949 Mineralölwerk Lützkendorf wird<br />

Volkseigener Betrieb <strong>de</strong>r DDR<br />

1956 Baubeginn für eine Schmierölfabrik<br />

einschließlich Industriekraftwerk<br />

1962 Stilllegung <strong>de</strong>r Brikettfabrik Cecilie (Krumpa)<br />

1967 Stilllegung <strong>de</strong>r Brikettfabrik Elisabeth (Mücheln)<br />

1968 Stilllegung <strong>de</strong>r Brikettfabrik Gute Hoffnung (Roßbach)<br />

1972 Stilllegung <strong>de</strong>r Brikettfabrik Michel (Großkayna<br />

und Brikettfabrik Vesta (Großkayna)<br />

1975 Stilllegung <strong>de</strong>r Brikettfabrik<br />

Leonhardt (Neumark)<br />

1990 Gründung <strong>de</strong>r ADDINOL Mineralöl GmbH in Lützkendorf<br />

1991 Stilllegung <strong>de</strong>r Brikettfabrik Beuna (Beuna)<br />

1992 Stilllegung <strong>de</strong>r Brikettfabrik Pfännerhall (Braunsbedra)<br />

1994 Beginn <strong>de</strong>r Sanierung <strong>de</strong>r Veredlungsstandorte durch die LMBV<br />

1999-2000 Sanierung <strong>de</strong>r Maschinenhalle Braunsbedra<br />

2005 Städtebaulicher Rahmenvertrag zwischen <strong>de</strong>r LMBV und <strong>de</strong>r<br />

Stadt Braunsbedra zur Entwicklung <strong>de</strong>s Industrie- und<br />

Gewerbeparks Großkayna<br />

34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 2000 01 02 03 04 05 06 07 08 09 2010 12 13 14 15 16 17 18 2019<br />

<strong>Geiseltal</strong> 29


30<br />

<strong>Geiseltal</strong>


M O R G E N<br />

Neuer Lebensraum<br />

Neue Bewohner <strong>de</strong>s<br />

einstigen Tagebaus Mücheln, 2008<br />

Nach 300 Jahren Bergbau wird im <strong>Geiseltal</strong> nun ein neues Kapitel <strong>de</strong>r<br />

Geschichte geschrieben. Die Entwicklung zu einer Region, in <strong>de</strong>r eine einzigartige<br />

Verbindung von Arbeiten, Wohnen und Erholen entstehen kann, ist im<br />

Gange. Durch die Flutung <strong>de</strong>s Tagebaurestlochs Mücheln entsteht bis 2010<br />

<strong>de</strong>r größte künstliche See Deutschlands.<br />

Schon vor Beendigung <strong>de</strong>r Flutung wer<strong>de</strong>n die ehemaligen Tagebauflächen<br />

zur Erholung genutzt. Begrünte Böschungen, aufgeforstete Kippen und<br />

Wasser so weit das Auge reicht – das <strong>Geiseltal</strong> hat ein völlig neues Gesicht bekommen.<br />

Ein kilometerlanges Rad- und Wan<strong>de</strong>rwegenetz rund um die Seen,<br />

<strong>de</strong>ssen Route Rastplätze und Aussichtstürme säumen, ist zu einem Ziel für<br />

Wan<strong>de</strong>rer und Radfahrer, für Frem<strong>de</strong> wie für Einheimische gewor<strong>de</strong>n. Einer<br />

<strong>de</strong>r attraktivsten Anziehungspunkte ist <strong>de</strong>r Aussichtsturm auf <strong>de</strong>r Hal<strong>de</strong> Klobikau,<br />

gleich neben <strong>de</strong>r einstigen russischen Raketenstellung, <strong>de</strong>ren Gebäu<strong>de</strong><br />

noch immer existieren. Auf <strong>de</strong>n sonnigen Hängen <strong>de</strong>r Hal<strong>de</strong> wird seit einigen<br />

Jahren erfolgreich Wein angebaut. Flachwasserzonen und Feuchtgebiete in<br />

<strong>de</strong>n Uferbereichen schaffen günstige Bedingungen für die Entwicklung von<br />

Erste Begegnung mit <strong>de</strong>m Wasser<br />

bei <strong>de</strong>r erstmaligen Bildung einer durchgängigen<br />

Seefläche am 29. August 2008<br />

(Wasserstand bei 93,5 m NHN)<br />

Flora und Fauna. Viel ist in <strong>de</strong>n letzten Jahren passiert, doch an <strong>de</strong>r Zukunft<br />

<strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>s wird sicherlich noch weiter geschrieben wer<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Geiseltal</strong> 31


Maritimes Flair im <strong>Geiseltal</strong><br />

Mücheln und Braunsbedra bekommen langsam maritimes Flair. Neben <strong>de</strong>r bereits fertiggestellten Marina Mücheln<br />

wer<strong>de</strong>n weitere Yachthäfen, Ferienhaussiedlungen, Campingplätze und Strandbereiche in <strong>de</strong>n nächsten Jahren<br />

entstehen. Der <strong>Geiseltal</strong>see wird nicht nur zum Naherholungsgebiet für viele Menschen <strong>de</strong>r Region wer<strong>de</strong>n,<br />

son<strong>de</strong>rn darüber hinaus Anziehungskraft entwickeln. Insbeson<strong>de</strong>re am gut erschlossenen Südufer wer<strong>de</strong>n sich<br />

zahlreiche Möglichkeiten <strong>de</strong>r aktiven Erholung bieten – vom Wassersport, über Reitsport, Radsport bis zum<br />

gemütlichen Wan<strong>de</strong>rn.<br />

Der Flutungsstand und damit die Form <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>sees<br />

haben im Sommer 2008 eine neue Qualität erreicht. Aus<br />

zwei bis dahin noch getrennten Wasserflächen ist durch<br />

<strong>de</strong>n Zusammenfluss <strong>de</strong>r größte See <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Sachsen-<br />

Anhalt gewor<strong>de</strong>n. Das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Flutung soll planmäßig<br />

2010 erreicht wer<strong>de</strong>n. Das ist auch wichtig, <strong>de</strong>nn an<br />

<strong>de</strong>n Ufern warten die Nutzer schon sehnsüchtig auf das<br />

Wasser.<br />

Marina Mücheln<br />

Mit Mitteln aus <strong>de</strong>m Verwaltungsabkommen zur Braunkohlesanierung<br />

wur<strong>de</strong> am südwestlichen Ufer <strong>de</strong>s<br />

<strong>Geiseltal</strong>sees zu Füßen <strong>de</strong>r Stadt die Marina Mücheln<br />

errichtet. Hafenplatz und -becken, Schiffsanleger, eine Touristeninformation,<br />

das Piergebäu<strong>de</strong> mit Hafenturm sowie<br />

die erfor<strong>de</strong>rlichen Straßen, Wege und Plätze sind bereits<br />

fertig. Seit <strong>de</strong>r Eröffnung <strong>de</strong>r Marina am 29. Mai 2008 ist<br />

<strong>de</strong>r Hafen für die Öffentlichkeit freigegeben. Der 1. Yachtclub<br />

<strong>Geiseltal</strong> hat sich hier bereits nie<strong>de</strong>rgelassen. Beim<br />

Bau wur<strong>de</strong> auch darauf geachtet, <strong>de</strong>n Hafenbereich an<br />

<strong>de</strong>n rund 30 Kilometer um <strong>de</strong>n gesamten See führen<strong>de</strong>n<br />

asphaltierten Wirtschaftsweg anzubin<strong>de</strong>n. Als nächstes<br />

folgen <strong>de</strong>r Bau von Ferien- und Bootshäusern sowie einer<br />

weiteren gewerblichen Versorgungseinrichtung. In Zukunft<br />

sollen hier auch ein Strand, Beachvolleyballplätze, ein Campingplatz<br />

sowie externe Schiffsanleger entstehen.<br />

Hafen Braunsbedra<br />

Während es in Mücheln bereits einen Hafen gibt, ist <strong>de</strong>r<br />

Hafen Braunsbedra noch Zukunftsmusik. Am Südufer bei<br />

Neumark soll ein Yachthafen mit einer Kapazität von 165<br />

Bootsliegeplätzen in Verbindung mit einer Seebrücke, einer<br />

Uferpromena<strong>de</strong> mit Seeterrassen, einem Strandbereich<br />

und einer Ferienhaussiedlung entstehen. Mit finanzieller<br />

Unterstützung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Sachsen-Anhalt, <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<br />

und <strong>de</strong>r Europäischen Union will die Stadt Braunsbedra in<br />

<strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Jahren <strong>de</strong>n Bereich entwickeln.<br />

Pilgerpfad im <strong>Geiseltal</strong><br />

Entlang <strong>de</strong>r Ufer <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>sees verläuft ein Abschnitt<br />

<strong>de</strong>s Jakobsweges. Der Heilige Jakob gab <strong>de</strong>r Kirche<br />

St. Jakobi in Mücheln ihren Namen und ist auch heute noch<br />

im Stadtwappen zu fin<strong>de</strong>n. Für Pilger auf ihrem Weg ins<br />

spanische Santiago <strong>de</strong> Com<strong>post</strong>ela soll hier entsprechen<strong>de</strong><br />

Infrastruktur geschaffen wer<strong>de</strong>n. „Spiritueller Tourismus“<br />

bietet <strong>de</strong>r entstehen<strong>de</strong>n Seenregion ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal<br />

im touristischen Wettbewerb. Muschelförmige,<br />

in regelmäßigen Abstän<strong>de</strong>n am Uferweg platzierte<br />

Unterstän<strong>de</strong> im Colani-Design sollen Pilgern, Wan<strong>de</strong>rern,<br />

Radfahrern und Touristen am Ufer <strong>de</strong>s Sees Rastmöglichkeiten<br />

und Wetterschutz bieten. Die Muschelform leitet<br />

sich aus <strong>de</strong>m Symbol <strong>de</strong>s Pilgerpfa<strong>de</strong>s ab. Am Nordufer<br />

<strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>s ist eine ökumenische Pilgerklause geplant.<br />

Visualisierung <strong>de</strong>s Hafens von Braunsbedra, 2008<br />

Hafenplatz und -turm <strong>de</strong>r Marina Mücheln, 2008<br />

Visualisierung <strong>de</strong>r Marina Mücheln, 2015<br />

32 <strong>Geiseltal</strong>


Rast am Rundweg<br />

um <strong>de</strong>n <strong>Geiseltal</strong>see, 2008<br />

33


Kultivierte Natur<br />

Im Umfeld <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>sees haben umfangreiche Aufforstungen und Anpflanzungen dazu geführt, dass sich<br />

Ruhezonen für Mensch und Natur bil<strong>de</strong>n konnten. Insbeson<strong>de</strong>re am Nordufer und auf <strong>de</strong>n entstehen<strong>de</strong>n<br />

Inseln bzw. <strong>de</strong>r Halbinsel hat sich zum einen wil<strong>de</strong>, zum an<strong>de</strong>ren von Menschenhand kultivierte Landschaft<br />

entwickelt.<br />

Bei einem Gebiet dieser Größe steigt man am besten nach<br />

oben, um sich einen Überblick zu verschaffen. Drei gleichartige<br />

Holzkonstruktionen reihen sich entlang <strong>de</strong>s entstehen<strong>de</strong>n<br />

Rundweges am Ufer <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>sees. Zimmerleute<br />

haben an verschie<strong>de</strong>nen Orten Aussichtstürme errichtet,<br />

in <strong>de</strong>r Form erinnernd an die För<strong>de</strong>rtürme aus <strong>de</strong>r Zeit, als<br />

noch unter Tage nach Kohle gegraben wur<strong>de</strong>. Der wohl<br />

prominenteste: <strong>de</strong>r Aussichtsturm auf <strong>de</strong>r Hal<strong>de</strong> Klobikau<br />

im Nordwesten <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>s.<br />

Weinbau im <strong>Geiseltal</strong><br />

Vom Aussichtspunkt auf <strong>de</strong>r Hal<strong>de</strong> Klobikau ist die „Sensation“<br />

<strong>de</strong>r <strong>Geiseltal</strong>er Sanierungsgeschichte gut zu sehen:<br />

ein Weinberg am Südhang <strong>de</strong>r Hal<strong>de</strong>. Angelegt wur<strong>de</strong> er<br />

von einem Winzer aus <strong>de</strong>r Region, <strong>de</strong>r einen guten Blick für<br />

die exotische Hanglage besaß. Mit Ausdauer und viel Phantasie<br />

ist aus <strong>de</strong>r von riesigen Erosionsrinnen durchzogenen<br />

Hal<strong>de</strong> ein Weinberg gewor<strong>de</strong>n. Die Geotechniker <strong>de</strong>r LMBV<br />

mo<strong>de</strong>llierten die Hal<strong>de</strong> so, dass hier Weinbau überhaupt<br />

erst möglich wur<strong>de</strong>. Der ansässige Winzer pflanzte Müller-<br />

Thurgau-Reben. Wenn alles gut geht, soll aus <strong>de</strong>r bisher einen<br />

Hektar großen Anbaufläche mehr wer<strong>de</strong>n. Die Trauben<br />

aus <strong>de</strong>m <strong>Geiseltal</strong> sind sogar schon gekeltert wor<strong>de</strong>n – <strong>de</strong>r<br />

„Gol<strong>de</strong>ne Steiger“ war geboren. Die Hal<strong>de</strong> bot im Rahmen<br />

<strong>de</strong>r geplanten Rekultivierungsmaßnahmen gute Voraussetzungen<br />

für die Realisierung dieses europaweit einmaligen<br />

Vorhabens. Die Nordseite ist durch einen Wald vor Kaltluft<br />

geschützt. Die Wasseroberfläche <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>sees schafft<br />

beste Voraussetzungen für <strong>de</strong>n Weinanbau, da das Wasser<br />

die Sonne reflektiert, tagsüber die Wärme speichert und<br />

nachts wie<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n Hang abgibt.<br />

Inselreich im <strong>Geiseltal</strong><br />

Im zentralen Teil <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>sees sind im Bereich <strong>de</strong>r<br />

ehemaligen Innenkippe Leonhardt Inseln, Halbinseln und<br />

Naturschutzbereiche entstan<strong>de</strong>n. Der Interessen- und För<strong>de</strong>rverein<br />

<strong>Geiseltal</strong>see hat sich hier ein Refugium gesichert<br />

und eine Schutzhütte für Besucher eingerichtet – mitten<br />

im künftigen See. Die Halbinselkette mit Wetterschutzhütte<br />

offenbart Einblicke in die Tier- und Pflanzenwelt <strong>de</strong>r<br />

Bergbaufolgelandschaft. Zu<strong>de</strong>m hat sich eine afrikanische<br />

Vogelart, <strong>de</strong>r Bienenfresser, angesie<strong>de</strong>lt. Die Inselkette ist<br />

Bestandteil <strong>de</strong>s Naturschutzgebietes „Bergbaufolgelandschaft<br />

<strong>Geiseltal</strong>“. Unbeeinflusst vom Menschen wird hier<br />

die Entwicklung <strong>de</strong>r Natur sich selbst überlassen.<br />

Eine geschützte Kernzone soll diese Vorgaben sichern.<br />

Der Verein bietet öffentliche Rundfahrten zur Schutzhütte<br />

an. Für Schulklassen, die in lebendiger Art und Weise Naturschutz<br />

erleben können, ist die Hütte ebenso Anlaufstelle<br />

wie für Touristen und Bewohner <strong>de</strong>r umliegen<strong>de</strong>n Orte.<br />

In <strong>de</strong>n nächsten Jahren soll etwas weiter östlich, bei Frankleben,<br />

ein überregional ausgerichteter Tourismusstandort<br />

mit Ba<strong>de</strong>- und Surfstrand entstehen. Von hier wird man <strong>de</strong>n<br />

direkten Blick über das Inselreich schweifen lassen können.<br />

Auch das Nordufer <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>sees soll künftig touristisch<br />

erschlossen wer<strong>de</strong>n. Das Ufer Klobikau erhält voraussichtlich<br />

außer einem Strand eine Anlegestelle für Boote und<br />

Fahrgastschiffe.<br />

Weinlese auf <strong>de</strong>r Hal<strong>de</strong> Klobikau, 2008<br />

Bienenfresser am <strong>Geiseltal</strong>see, 2009<br />

34 <strong>Geiseltal</strong>


„Inselreich“ im <strong>Geiseltal</strong>see mit <strong>de</strong>r<br />

Hal<strong>de</strong> Klobikau (oben rechts), 2009<br />

35


Runstedter See (vorn)<br />

und Großkaynaer See, 2009<br />

36<br />

<strong>Geiseltal</strong>


Runstedter See und Großkaynaer See<br />

Östlich bzw. südöstlich <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>sees befin<strong>de</strong>n sich zwei kleinere Seen. Der Runstedter See, <strong>de</strong>r nördlich von<br />

Großkayna aus <strong>de</strong>m Restloch Großkayna entstan<strong>de</strong>n ist, und <strong>de</strong>r Großkaynaer See unterhalb <strong>de</strong>r gleichnamigen<br />

Ortslage. Auf <strong>de</strong>m Kippendamm, <strong>de</strong>r die bei<strong>de</strong>n vom <strong>Geiseltal</strong>see trennt, verkehrt auch die Burgenlandbahn,<br />

die das <strong>Geiseltal</strong> touristisch erschließt.<br />

Der Großkaynaer See<br />

Das Restloch Kayna-Süd enstand durch <strong>de</strong>n Wie<strong>de</strong>ranstieg<br />

<strong>de</strong>s Grundwassers und seit 1996 auch durch Grundwasser<br />

aus <strong>de</strong>n Brauchwasserbrunnen <strong>de</strong>r ehemaligen Brikettfabrik<br />

Beuna, ergänzt durch geringe Mengen aus <strong>de</strong>r Saale.<br />

Wenn die Flutung in einigen Jahren abgeschlossen sein<br />

wird, besitzt <strong>de</strong>r See eine Wasserfläche von rund 253<br />

Hektar.<br />

Seit einigen Jahren wird er bereits von Kanuten, Seglern<br />

und Windsurfern genutzt. Auch Taucher gehen hier von Zeit<br />

zu Zeit in die Tiefe. Die notwendige Infrastruktur dafür gibt<br />

es im Bereich <strong>de</strong>r Ortslage Großkayna am Nordufer <strong>de</strong>s<br />

Sees. Der Ba<strong>de</strong>strand im nördlichen Bereich <strong>de</strong>s Gewässers<br />

ist seit Jahren ein beliebtes Ausflugsziel. An das<br />

Freizeit- und Erholungszentrum grenzt im südlichen Bereich<br />

<strong>de</strong>s Sees ein Naturschutzgebiet. Dieser flache Abschnitt<br />

<strong>de</strong>s Sees und das Westufer sind <strong>de</strong>r Entwicklung von Natur<br />

und Landschaft vorbehalten. Einen guten Überblick über<br />

das Gewässer und die Bergbaufolgelandschaft hat man<br />

vom Aussichtspunkt „Michel-Vesta“ am Nordufer.<br />

Auf einem elf Kilometer langen Radwan<strong>de</strong>rweg und diversen<br />

Reitwegen kann man die Ufer erkun<strong>de</strong>n. Seit vielen<br />

Jahren fin<strong>de</strong>t hier das „Südfeldseefest“ statt – ein buntes<br />

Treiben mit Drachenbootrennen, Volleyballturnieren und<br />

Surfkursen für die ganze Familie.<br />

Radtour rund um <strong>de</strong>n Runstedter See, 2008<br />

Drachenbootrennen auf <strong>de</strong>m Großkaynaer See, 2009<br />

Der Runstedter See<br />

Seinen Namen erhielt <strong>de</strong>r See von <strong>de</strong>m Ort, <strong>de</strong>r hier <strong>de</strong>m<br />

Bergbau weichen musste: Runstedt. Der Flutungsbeginn<br />

im Mai 2001 war spektakulär inszeniert wor<strong>de</strong>n und stieß<br />

auf großes Interesse <strong>de</strong>r Medien. Schon nach Abschluss<br />

<strong>de</strong>r Flutung im Jahr 2002 hatte sich das Landschaftsbild<br />

grundlegend gewan<strong>de</strong>lt. Heute sieht man <strong>de</strong>m Gewässer<br />

seine Tagebauvergangenheit kaum noch an. Durch die geohydraulischen<br />

Verhältnisse besitzt <strong>de</strong>r See eine beson<strong>de</strong>re<br />

Be<strong>de</strong>utung für das <strong>Geiseltal</strong>. Seine Wassermassen bil<strong>de</strong>n<br />

das Gegengewicht zum Wasser <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>sees auf <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren Seite <strong>de</strong>s gekippten Dammes und stützen ihn<br />

auf diese Weise. Auch wenn <strong>de</strong>r Runstedter See aufgrund<br />

seiner Vorgeschichte kein Ba<strong>de</strong>see sein wird, existieren<br />

hier seit einiger Zeit touristische Angebote. Er ist <strong>de</strong>r erste<br />

<strong>de</strong>r <strong>Geiseltal</strong>seen, auf <strong>de</strong>m sich die Fahrgastschifffahrt etablierte.<br />

Seit 2006 liegt das Schiff „Felix“ hier vor Anker und<br />

wird ab 2010 öffentliche Fahrten unternehmen.<br />

Der See fungiert jedoch in erster Linie als Landschaftssee.<br />

Oberste Priorität hat in diesem Bereich die Naturraumentwicklung.<br />

Rund um <strong>de</strong>n Runstedter See verläuft ein etwa<br />

sieben Kilometer langer Radwan<strong>de</strong>rweg. Seit <strong>de</strong>m Frühjahr<br />

2008 steht am Uferweg auch eine von zehn großen Informationstafeln,<br />

die entlang <strong>de</strong>r Uferpromena<strong>de</strong> zwischen<br />

Mücheln und Braunsbedra und am Großkaynaer See<br />

aufgestellt wur<strong>de</strong>n. Sie erinnern an die zahlreichen Orte,<br />

die sich hier befan<strong>de</strong>n, bevor sie vom Braunkohlenbergbau<br />

überbaggert wur<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Geiseltal</strong> 37


Mittel<strong>de</strong>utscher Industriepark<br />

Großkayna-Frankleben, 2009<br />

38<br />

<strong>Geiseltal</strong>


Industriestandorte im Wan<strong>de</strong>l<br />

Einige <strong>de</strong>r früheren Standorte <strong>de</strong>r Braunkohleveredlung und <strong>de</strong>r Tagesanlagen im <strong>Geiseltal</strong> wur<strong>de</strong>n saniert<br />

und für neue industrielle und gewerbliche Nutzungen vorbereitet. Das Gelän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r ehemaligen Hauptwerkstatt<br />

Großkayna ist in Verantwortung <strong>de</strong>r LMBV zu einem mo<strong>de</strong>rnen Industrie- und Gewerbestandort<br />

umgestaltet wor<strong>de</strong>n.<br />

Der Industriepark Großkayna-Frankleben<br />

Ein Industriestandort im Wan<strong>de</strong>l: Der einstige Veredlungs-<br />

und spätere Werkstattstandort, auf <strong>de</strong>m sich die<br />

Brikettfabriken Großkayna I und II befan<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong> mit<br />

Gel<strong>de</strong>rn aus <strong>de</strong>r Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung<br />

<strong>de</strong>r regionalen Wirtschaftsstruktur zum Mittel<strong>de</strong>utschen Industriepark<br />

Großkayna-Frankleben entwickelt. Der zweigeteilte<br />

Standort liegt direkt am Runstedter See, östlich von<br />

Großkayna. Mit seiner unmittelbaren Nähe zu etablierten<br />

Wirtschaftsstandorten <strong>de</strong>r Region, wie beispielsweise <strong>de</strong>r<br />

chemischen Industrie im Raum Leuna-Schkopau-Buna o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Automobilindustrie in Leipzig und Halle, bietet <strong>de</strong>r Industriepark<br />

beson<strong>de</strong>re Chancen für die Neuansiedlung von<br />

Betrieben. Durch die hohe Konzentration von Unternehmen<br />

verschie<strong>de</strong>ner Wirtschaftszweige und von Bildungs- und<br />

Wissenschaftseinrichtungen an <strong>de</strong>n Universitätsstandorten<br />

Halle und Leipzig sowie im nahen Merseburg verfügt die<br />

Region über zahlreiche Vernetzungspotenziale.<br />

Zentralwerkstatt Pfännerhall –<br />

Forum für die Zukunft<br />

Schlanke, spitzgiebelige Fenster und eine Mittelrosette<br />

verleihen <strong>de</strong>r Ziegelfassa<strong>de</strong> <strong>de</strong>r ehemaligen Zentralwerkstatt<br />

Pfännerhall auf <strong>de</strong>m Gelän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r einstigen Brikettfabrik<br />

Braunsbedra das Aussehen eines Kirchenportals.<br />

Solarkraftwerk <strong>de</strong>r BP Solar auf <strong>de</strong>m ehemaligen<br />

Addinol-Gelän<strong>de</strong> am <strong>Geiseltal</strong>see, 2008<br />

Sanierte Zentralwerkstatt Pfännerhall auf <strong>de</strong>m Gelän<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r ehemaligen Brikettfabrik Braunsbedra, 2001<br />

Hinter <strong>de</strong>n Mauern <strong>de</strong>r Maschinenhalle in Braunsbedra,<br />

in <strong>de</strong>r einst Brikettpressen und Lokomotiven repariert<br />

wur<strong>de</strong>n, hat sich die Szenerie gründlich geän<strong>de</strong>rt. Als <strong>de</strong>r<br />

Bergbau im <strong>Geiseltal</strong> 1993 en<strong>de</strong>te, drohte <strong>de</strong>r Abriss <strong>de</strong>r<br />

Zentralwerkstatt. Dass sie erhalten blieb, ist insbeson<strong>de</strong>re<br />

<strong>de</strong>r Verdienst eines Kreises engagierter Akteure <strong>de</strong>r Hochschule<br />

für Kunst und Design Burg Giebichenstein in Halle.<br />

Sie grün<strong>de</strong>ten einen För<strong>de</strong>rverein und sorgten 1999/2000<br />

für eine <strong>de</strong>nkmalgerechte Sanierung <strong>de</strong>s Gebäu<strong>de</strong>s samt<br />

nutzungsorientiertem Umbau. Heute bietet <strong>de</strong>r historische<br />

Industriebau Raum für Kulturevents, Seminare, Workshops<br />

und Tagungen, darunter das renommierte „Zukunftsforum<br />

<strong>Geiseltal</strong>“. Ziel ist es, die Geschichte und Neuorientierung<br />

<strong>de</strong>r Bergbaufolgelandschaft gestalterisch, kulturell und wissenschaftlich<br />

zu begleiten und auch über die Region hinaus<br />

bekannt zu machen.<br />

Unter<strong>de</strong>ssen hat sich die Zukunft im <strong>Geiseltal</strong> an<strong>de</strong>rnorts<br />

schon manifestiert. Auf <strong>de</strong>m ehemaligen Addinol-Gelän<strong>de</strong><br />

wur<strong>de</strong> ein riesiges Solarkraftwerk errichtet. Sonne statt<br />

Kohle heißt nun das Motto. Eines <strong>de</strong>r zu seiner Bauzeit<br />

weltgrößten Solarkraftwerke ist 2004 hier in Betrieb genommen<br />

wor<strong>de</strong>n. Das Sonnenkraftwerk <strong>de</strong>r BP Solar liefert<br />

jährlich 3,4 Millionen Kilowattstun<strong>de</strong>n. Damit kann <strong>de</strong>r mittlere<br />

Strombedarf von 1.000 Haushalten ge<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Anlage besteht aus 25.000 Solarmodulen und erstreckt<br />

sich über eine Fläche von 160 Hektar. Eine Erweiterung <strong>de</strong>r<br />

Anlage um weitere 75 Hektar ist bereits in Planung.<br />

Auf <strong>de</strong>m Gelän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r einstigen Brikettfabrik Beuna befin<strong>de</strong>t<br />

sich heute ein neuer Gewerbestandort. Unmittelbar<br />

südlich von Merseburg gelegen, bietet das Industrie- und<br />

Gewerbegebiet Unternehmen eine gute Anbindung an das<br />

Verkehrsnetz – über die Autobahn A 38 – und im Umfeld<br />

zugleich eine historisch gewachsene Branchenstruktur in<br />

<strong>de</strong>n Bereichen Mineralölverarbeitung und Chemie.<br />

<strong>Geiseltal</strong> 39


40<br />

<strong>Geiseltal</strong>


M E TA M O R P H O S E<br />

Landschaftswan<strong>de</strong>l<br />

Hafenturm <strong>de</strong>r Marina Mücheln, 2008<br />

Das <strong>Geiseltal</strong> befin<strong>de</strong>t sich inmitten eines tiefgreifen<strong>de</strong>n Umbruchs.<br />

Die Folgen <strong>de</strong>s Braunkohleabbaus und das im Zuge <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Wie<strong>de</strong>rvereinigung<br />

abrupt verän<strong>de</strong>rte wirtschaftliche Umfeld haben die Region vor einzigartige<br />

Herausfor<strong>de</strong>rungen gestellt. Das <strong>Geiseltal</strong> ist auf <strong>de</strong>m Weg, eine neue I<strong>de</strong>ntität<br />

und für seine Menschen eine nachhaltige Perspektive für die Zukunft zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Die Ergebnisse <strong>de</strong>r Sanierung und die touristischen Entwicklungen in <strong>de</strong>n letzten<br />

Jahren machen <strong>de</strong>utlich, dass die Region ihre Chance für eine lebenswerte Zukunft<br />

genutzt hat.<br />

Aus <strong>de</strong>r vom Braunkohleabbau gezeichneten Landschaft entsteht eine Seenlandschaft<br />

von überregionaler Anziehungskraft. Noch sind die Sanierungs- und<br />

Rekultivierungsarbeiten in vollem Gange. Mit <strong>de</strong>r Revitalisierung <strong>de</strong>r alten<br />

Veredlungsstandorte wer<strong>de</strong>n hier zugleich attraktive Standortvoraussetzungen<br />

für Investitionen und neue Arbeitsplätze auch über <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>s Frem<strong>de</strong>nverkehrs<br />

hinaus geschaffen.<br />

Gestaltete Nordböschung <strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>sees,<br />

Blick über die Innenkippe zur<br />

Marina Mücheln, 2009<br />

<strong>Geiseltal</strong> 41


Orte im Strom <strong>de</strong>r Zeit<br />

Runstedt Klein- und Großkayna Neumark<br />

Vor <strong>de</strong>m Bergbau um 1850 Vor <strong>de</strong>m Bergbau um 1850<br />

Der Ort Runstädt befand sich an<br />

<strong>de</strong>r zwischen Frankleben und Kayna<br />

verlaufen<strong>de</strong>n Landstraße. Die am<br />

Flüsschen Leihe liegen<strong>de</strong> Siedlung<br />

wur<strong>de</strong> 1085 erstmals urkundlich<br />

erwähnt. Bei Erkundungsbohrungen<br />

nach Kalisalz wur<strong>de</strong> 1900 ein<br />

100 Meter mächtiges Braunkohleflöz<br />

ent<strong>de</strong>ckt.<br />

Der ursprüngliche Ort Kayna<br />

bestand Mitte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />

aus <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Ortsteilen Kleinund<br />

Großkayna. Die an einem Bach<br />

liegen<strong>de</strong>n Siedlungen waren von<br />

Ackerflächen umgeben. Obwohl es<br />

bereits zu dieser Zeit erste Anfänge<br />

<strong>de</strong>s Bergbaus gab, lebten die<br />

Bewohner von <strong>de</strong>r Landwirtschaft.<br />

Vor <strong>de</strong>m Bergbau um 1850<br />

Neumark lag etwa in <strong>de</strong>r Mitte<br />

<strong>de</strong>s Siedlungsban<strong>de</strong>s entlang <strong>de</strong>r<br />

Geisel. Unmittelbare Nachbarn<br />

waren die Orte Geiselrölitz und<br />

Gräfendorf. 1962 wur<strong>de</strong> Neumark<br />

nach Braunsbedra eingemein<strong>de</strong>t.<br />

Der ab 1910 aufgeschlossene<br />

und danach bis 1954 betriebene<br />

Tagebau Leonhardt verschonte<br />

die Geiseldörfer noch.<br />

Zeit <strong>de</strong>s Bergbaus, 1908 - 1965 Zeit <strong>de</strong>s Bergbaus, 1908 - 1972 Zeit <strong>de</strong>s Bergbaus, 1907 - 1993<br />

Das führte Anfang 1908 zum Aufschluss<br />

<strong>de</strong>s Tagebaus Rheinland.<br />

Die Entwicklung <strong>de</strong>s Tagebaus<br />

hatte die Inanspruchnahme von<br />

Runstedt zur Folge, das zwischen<br />

1929 und 1931 abgerissen und<br />

überbaggert wur<strong>de</strong>. Die Einwohner<br />

zogen nach Frankleben. Damit war<br />

<strong>de</strong>r Ort <strong>de</strong>r erste im <strong>Geiseltal</strong>, <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>m Bergbau geopfert wur<strong>de</strong>.<br />

Ab 1908 wur<strong>de</strong> nördlich <strong>de</strong>r Orte <strong>de</strong>r<br />

Tagebau Rheinland aufgeschlossen.<br />

Dem Bau <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Brikettfabriken<br />

Michel (1908) und Vesta (1913)<br />

folgte ab 1913 <strong>de</strong>r Tagebau Rheinland<br />

(BF Vesta). Die Abraummassen<br />

<strong>de</strong>s neuen Tagebaus bil<strong>de</strong>ten die<br />

Hal<strong>de</strong> Kleinkayna. Ab 1948 begannen<br />

die Arbeiten zum Aufschluss<br />

<strong>de</strong>s Tagebaus Kayna-Süd.<br />

Das än<strong>de</strong>rte sich mit <strong>de</strong>m Aufschluss<br />

<strong>de</strong>r Tagebaue Pfännerhall,<br />

Neumark-Süd und Geiselröhlitz.<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 1950er Jahre wur<strong>de</strong>n<br />

zunächst Zützschdorf, Wernsdorf<br />

und Körbisdorf, etwas später dann<br />

Benndorf und Gräfendorf sowie<br />

in <strong>de</strong>n 1960er Jahren schließlich<br />

Neumark, Geiselröhlitz und<br />

Petzkendorf abgerissen.<br />

Nach <strong>de</strong>m Bergbau, ca. 2010 Nach <strong>de</strong>m Bergbau, ca. 2010 Nach <strong>de</strong>m Bergbau, ca. 2010<br />

Aus <strong>de</strong>m nach En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Bergbaus<br />

verbliebenen Restloch ist<br />

mittlerweile <strong>de</strong>r Runstedter See<br />

entstan<strong>de</strong>n. Er ist <strong>de</strong>r kleinste <strong>de</strong>r<br />

drei Seen im <strong>Geiseltal</strong> und fungiert<br />

als reiner Landschaftssee. Auf<br />

<strong>de</strong>m geschütteten Kippendamm<br />

verlaufen die Lan<strong>de</strong>sstraße, die<br />

Eisenbahnstrecke und das neue<br />

Bett <strong>de</strong>r Geisel.<br />

Die Flächen <strong>de</strong>r früheren Ortslagen<br />

von Klein- und Großkayna befin<strong>de</strong>n<br />

sich heute im nördlichen Bereich<br />

<strong>de</strong>s aus <strong>de</strong>m Tagebaurestloch<br />

Kayna-Süd entstan<strong>de</strong>nen Sees.<br />

Aus <strong>de</strong>m ehemaligen Standort<br />

<strong>de</strong>r Hauptwerkstatt und <strong>de</strong>r<br />

Brikettfabriken Großkayna ist <strong>de</strong>r<br />

Industriepark Großkayna-Frankleben<br />

entstan<strong>de</strong>n.<br />

Aus Braunsbedras einstiger Randlage<br />

ist eine Vorzugslage am Südufer<br />

<strong>de</strong>s <strong>Geiseltal</strong>sees gewor<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>n<br />

nächsten Jahren entsteht hier <strong>de</strong>r<br />

Stadthafen, <strong>de</strong>r sich zu einem zentralen<br />

touristischen Bereich entwickeln<br />

wird. Östlich <strong>de</strong>r Ortslage grenzt die<br />

Hal<strong>de</strong> Pfännerhall die Siedlung vom<br />

Gewerbestandort Braunsbedra ab.<br />

42 <strong>Geiseltal</strong>


Frankleben<br />

Mücheln<br />

Stöbnitz<br />

Vor <strong>de</strong>m Bergbau um 1850<br />

Frankleben wur<strong>de</strong> gegen En<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s 9. Jahrhun<strong>de</strong>rts erstmalig<br />

urkundlich genannt. Ober- und<br />

Unterfrankleben waren durch die<br />

Gösel (Geisel) getrennt. Während<br />

die Einwohner früher vor allem<br />

von <strong>de</strong>r Landwirtschaft lebten,<br />

entwickelte sich <strong>de</strong>r Ort durch das<br />

Stahlwerk und <strong>de</strong>n Bergbau später<br />

zu einer Industriegemein<strong>de</strong>.<br />

Vor <strong>de</strong>m Bergbau um 1850<br />

Die Stadt Mücheln lag Mitte <strong>de</strong>s<br />

19. Jahrhun<strong>de</strong>rts am En<strong>de</strong> eines<br />

Ban<strong>de</strong>s von kleineren Siedlungen<br />

entlang <strong>de</strong>r Geisel.<br />

Ihre erstmalige urkundliche<br />

Erwähnung stammt etwa aus <strong>de</strong>m<br />

Jahr 890. 1845 wur<strong>de</strong> bei Mücheln<br />

die erste Kohlegrube – Pauline –<br />

eröffnet, <strong>de</strong>r 1872 die Grube Emma<br />

bei Lützkendorf folgte.<br />

Vor <strong>de</strong>m Bergbau um 1850<br />

Der kleine Ort Stöbnitz, Mitte <strong>de</strong>s<br />

19. Jahrhun<strong>de</strong>rts am Dreselbach,<br />

<strong>de</strong>r heutigen Stöbnitz, gelegen,<br />

war zunächst eine unbe<strong>de</strong>uten<strong>de</strong><br />

Siedlung etwa einen Kilometer<br />

nördlich von Mücheln. Seine<br />

wirtschaftliche Be<strong>de</strong>utung nahm<br />

mit <strong>de</strong>m Bau <strong>de</strong>r Zuckerfabrik im<br />

Jahr 1864 <strong>de</strong>utlich zu.<br />

Zeit <strong>de</strong>s Bergbaus, 1915 - 1960 Zeit <strong>de</strong>s Bergbaus, 1834 - 1993 Zeit <strong>de</strong>s Bergbaus, 1834 - 1993<br />

Bereits En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 1930er Jahre<br />

kratzte das Baufeld Tannenberg an<br />

<strong>de</strong>r Ortskante. Wenig später näherte<br />

sich <strong>de</strong>r Tagebau Rheinland von<br />

Sü<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>n 1950er Jahren stieß<br />

<strong>de</strong>r Tagebau Pfännerhall nochmals<br />

von Westen an <strong>de</strong>n Ort. Während<br />

Naundorf Mitte <strong>de</strong>r 1950er Jahre<br />

überbaggert wur<strong>de</strong>, blieb Frankleben<br />

selbst verschont.<br />

In das Jahr 1906 fiel <strong>de</strong>r Aufschluss<br />

<strong>de</strong>s Tagebaus Elisabeth,<br />

<strong>de</strong>r 1949 mit an<strong>de</strong>ren zum Tagebau<br />

Mücheln vereinigt wur<strong>de</strong>.<br />

Die angrenzen<strong>de</strong>n Orte Zorbau,<br />

Zöbigker und Möckerling wur<strong>de</strong>n<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 1960er Jahre durch das<br />

Baufeld Süd überbaggert.<br />

Von Sü<strong>de</strong>n stießen die Baufel<strong>de</strong>r<br />

Pauline und Schmirmaer Flügel<br />

auf <strong>de</strong>n Ort. Im Osten grenzten<br />

<strong>de</strong>r Tagebau Elisabeth und das<br />

Baufeld Elise an, im Nor<strong>de</strong>n<br />

später das Westfeld I <strong>de</strong>s Tagebaus<br />

Mücheln. Zuletzt war das<br />

ursprüngliche Dorf von drei Seiten<br />

von Tagebauen umgeben.<br />

Nach <strong>de</strong>m Bergbau, ca. 2010 Nach <strong>de</strong>m Bergbau, ca. 2010 Nach <strong>de</strong>m Bergbau, ca. 2015<br />

Zwei Jahrzehnte nach <strong>de</strong>m<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Bergbaus im <strong>Geiseltal</strong><br />

eröffnen sich auch für Frankleben<br />

völlig neue Perspektiven. Der Ort<br />

liegt nunmehr am Ostufer <strong>de</strong>s<br />

<strong>Geiseltal</strong>sees. Auf <strong>de</strong>m Gelän<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r ehemaligen Tagesanlagen<br />

sollen Freizeit- und Erholungseinrichtungen<br />

entstehen.<br />

Die einstige Lage am Südwestrand<br />

<strong>de</strong>s Tagebaus Mücheln<br />

beschert <strong>de</strong>r Stadt heute eine<br />

attraktive Lage am <strong>Geiseltal</strong>see.<br />

Mit <strong>de</strong>r Marina hat Mücheln ein<br />

neues städtebauliches Highlight<br />

hinzugewonnen. Unterhalb <strong>de</strong>s<br />

Hafens fließt das Wasser <strong>de</strong>r<br />

Geisel in <strong>de</strong>n See.<br />

Heute befin<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r<br />

Müchelner Ortsteil Stöbnitz in<br />

einer attraktiven Lage unweit <strong>de</strong>s<br />

<strong>Geiseltal</strong>sees. Von hier hat man<br />

eine gute Sicht über <strong>de</strong>n See und<br />

gelangt auch auf die Halbinsel,<br />

die weit in <strong>de</strong>n See hineinragt,<br />

aber vor allem <strong>de</strong>r ungestörten<br />

Entwicklung von Flora und Fauna<br />

vorbehalten bleibt.<br />

<strong>Geiseltal</strong> 43


Glossar<br />

Abraum Zwischen Erdoberfläche und<br />

Lagerstätte liegen<strong>de</strong> Erdschichten (auch<br />

Deckgebirge o<strong>de</strong>r Hangen<strong>de</strong>s)<br />

Absetzer Großgerät, das im Braunkohlentagebau<br />

zum Verkippen von Abraum in <strong>de</strong>n<br />

ausgekohlten Teil <strong>de</strong>s Tagebaus eingesetzt<br />

wird<br />

Außenkippe Kippe außerhalb <strong>de</strong>s jetzigen<br />

Tagebaus, in <strong>de</strong>m Abraum verbracht wird<br />

Drehpunkt Punkt, um <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Tagebau<br />

schwenkt<br />

Eimerkettenbagger Gewinnungsgerät im<br />

Tagebau mit Eimern, die an einer umlaufen<strong>de</strong>n<br />

Kette über einen Ausleger laufen<br />

und das Erdreich (Abraum o<strong>de</strong>r Braunkohle)<br />

abkratzen<br />

Filterbrunnen Bohrloch mit Pumpe zum<br />

Heben von Grundwasser<br />

Flöz Bo<strong>de</strong>nschicht, die einen nutzbaren<br />

Rohstoff enthält, z. B. Braunkohle, Kali,<br />

Kupferschiefer<br />

Tagesanlagen Zentraler Bereich am Tagebaurand<br />

mit Umklei<strong>de</strong>- und Waschräumen,<br />

Büros, Parkplätzen, Betriebsfeuerwehr,<br />

Sanitätsstation, Werkstätten und Magazin<br />

Tiefschnitt Gewinnung von Abraum o<strong>de</strong>r<br />

Kohle unterhalb <strong>de</strong>r Arbeitsebene eines<br />

Schaufelradbaggers/Eimerkettenbaggers<br />

Verkippung Ablagerung von Abraum auf<br />

<strong>de</strong>r ausgekohlten Seite <strong>de</strong>s Tagebaus<br />

Vorfeld Bereich innerhalb <strong>de</strong>r genehmigten<br />

Tagebaugrenzen, wo <strong>de</strong>r Abbau unmittelbar<br />

bevorsteht und vorbereiten<strong>de</strong> Maßnahmen<br />

zur Freimachung <strong>de</strong>r Erdoberfläche, wie Rodung<br />

und Beseitigung von Straßen, laufen<br />

Vorflut Wasserlauf (Fluss, Bach, Kanal),<br />

über <strong>de</strong>n das in <strong>de</strong>n Tagebauen gehobene<br />

und gereinigte Grubenwasser abgeleitet<br />

wird<br />

Vorschnitt Der Abraumför<strong>de</strong>rung vorausgehen<strong>de</strong>r<br />

Abbaubetrieb; för<strong>de</strong>rt die oberen<br />

Bo<strong>de</strong>nschichten bis <strong>de</strong>r Arbeitsbereich <strong>de</strong>r<br />

Abraumför<strong>de</strong>rbrücke beginnt<br />

Innenkippe Kippe für Abraum innerhalb<br />

<strong>de</strong>s ausgekohlten Tagebauraumes<br />

Liegen<strong>de</strong>s Bo<strong>de</strong>nschicht unterhalb <strong>de</strong>s<br />

Kohlenflözes<br />

Sohle Arbeitsebene in einem Tagebau<br />

Sümpfung Heben und Ableiten von<br />

Grundwasser zur Trockenhaltung <strong>de</strong>r<br />

Tagebaue durch Tauchmotorpumpen in<br />

Entwässerungsbrunnen<br />

44 <strong>Geiseltal</strong>


Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Lausitzer und Mittel<strong>de</strong>utsche<br />

Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH<br />

Unternehmenskommunikation<br />

(verantw. Dr. Uwe Steinhuber)<br />

Knappenstr. 1, 01968 Senftenberg<br />

Telefon: +49 35 73 - 84 43 02<br />

Telefax: +49 35 73 - 84 46 10<br />

www.lmbv.<strong>de</strong><br />

Konzept, Text, Realisierung:<br />

LMBV – Abteilung Planung Mittel<strong>de</strong>utschland<br />

(Bernd-Stephan Tienz, Dietmar Onnasch)<br />

andreas kadler • <strong>post</strong>-<strong>mining</strong> & brownfields consulting<br />

agreement werbeagentur (Marcus Blanke)<br />

Gestaltung und Satz: agreement werbeagentur<br />

Grundgestaltung: wallat & knauth<br />

Mit freundlicher Unterstützung:<br />

Reinhard Hirsch (Interessen- und För<strong>de</strong>rverein “<strong>Geiseltal</strong>see”<br />

e.V.), Steffen Keller (Bauamt Stadt Mücheln), Hubert<br />

Storch (Kultur- und Heimatverein Mücheln e. V.), Holger<br />

Geithner (Stadt Braunsbedra)<br />

Fotografien/Entwürfe:<br />

Christian Be<strong>de</strong>schinski, Bildarchiv <strong>de</strong>s Museums<br />

<strong>de</strong>r Stadt Mücheln, Bildarchiv <strong>de</strong>r Stadt Braunsbedra,<br />

Andreas E<strong>de</strong>lmann (www.fotolia.<strong>de</strong>), Gregor Fuchsghuber<br />

& Partner (Visualisierung Marina Mücheln, S. 33), LMBV-<br />

Archiv, Peter Radke (LMBV), Archiv Sönke Simonsen<br />

(www.steinkern.<strong>de</strong>), DÄRR LANDSCHAFTSARCHI-<br />

TEKTEN (Visualisierung Hafen Braunsbedra, S. 32),<br />

Archiv Uwe Wersig (SV Großkayna 1922 e.V.)<br />

November 2009<br />

Wandlungen und Perspektiven<br />

In dieser Reihe sind bereits erschienen:<br />

Lausitzer Braunkohlenrevier<br />

01 Schlabendorf/Seese<br />

02 Greifenhain/Gräbendorf<br />

03 Sedlitz/Skado/Koschen<br />

04 Kleinleipisch/Klettwitz/Klettwitz-Nord<br />

05 Plessa/Lauchhammer/Schwarzhei<strong>de</strong><br />

06 Tröbitz/Domsdorf<br />

07 Spreetal/Bluno<br />

08 Scheibe/Burghammer<br />

09 Lohsa/Dreiweibern<br />

10 Meuro<br />

11 Erika/Laubusch<br />

12 Bärwal<strong>de</strong>*<br />

13 Berzdorf*<br />

Mittel<strong>de</strong>utsches Braunkohlenrevier<br />

01 Holzweißig/Goitsche/Rösa<br />

02 Espenhain<br />

03 <strong>Geiseltal</strong><br />

04 Böhlen/Zwenkau/Cospu<strong>de</strong>n<br />

* Veröffentlichung voraussichtlich Anfang 2010<br />

Titelbild: Steiger mit Baggereimer eines Ds 625 im <strong>Geiseltal</strong>, 1931 (links),<br />

Weinberg auf <strong>de</strong>r Hal<strong>de</strong> Klobikau am <strong>Geiseltal</strong>see, an <strong>de</strong>ssen Hängen <strong>de</strong>r „Gol<strong>de</strong>ne<br />

Steiger“ angebaut wird, 2007 (rechts)<br />

Hintere Umschlagseite: Entstehen<strong>de</strong>r <strong>Geiseltal</strong>see, 2009<br />

Die unterschiedliche Schreibweise von Ortsbezeichnungen in Karten und Texten<br />

resultiert aus <strong>de</strong>r Nutzung unterschiedlicher Quellen, die hier jeweils korrekt<br />

wie<strong>de</strong>rgegeben wer<strong>de</strong>n.<br />

Die vorliegen<strong>de</strong> Dokumentation wur<strong>de</strong> nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert<br />

und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.


Lausitzer und Mittel<strong>de</strong>utsche<br />

Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH<br />

Knappenstraße 1<br />

01968 Senftenberg<br />

www.lmbv.<strong>de</strong>

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