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Editorial - Psychotherapeutenkammer NRW

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M. Ochs<br />

• Gütekriterien in der qualitativen Forschung<br />

sind nicht weniger zuverlässig<br />

als in der quantitativen Forschung – sie<br />

sind einfach (teilweise) anders. Das<br />

qualitative Gütekriterium der Interrater-<br />

Reliabilität ähnelt noch Gütekriterien<br />

aus dem Bereich der quantitativen<br />

Forschung: Es wird, vereinfacht ausgedrückt,<br />

die Übereinstimmung verschiedener<br />

Rater (etwa bei dem Identifizieren<br />

von Themenblöcken und Codes<br />

in einem Text) numerisch angegeben<br />

(Lisch & Kriz, 1978). Das Gütekriterium<br />

der „Verisimilitude“ (zu deutsch ungefähr<br />

„Plausibilität“ oder „Wahrscheinlichkeit“)<br />

wird herangezogen, um zu<br />

beurteilen, ob ein Text, in dem sich<br />

Ergebnisse qualitativer Forschung darstellen,<br />

in sich stimmig, nachvollziehbar<br />

und emotional bedeutsam ist (Taylor<br />

& Wallace, 2007). Hill und Lambert<br />

(2004, S. 103-105) geben einen Überblick<br />

zu qualitativen Gütekriterien.<br />

• Was die methodologische Nachvollziehbarkeit<br />

betrifft, so zeichnen sich solide<br />

qualitative Forschungsmethoden durch<br />

konkrete Ablaufschritte und klare Auswertungsschemata<br />

aus, wie etwa die Auswertungsalgorithmen<br />

in der qualitativen<br />

Inhaltsanalyse bei Mayering (2000) oder<br />

die Darstellung von Rekonstruktionsschritten<br />

im Rahmen fallrekonstruktiver Familienforschung<br />

(Hildenbrandt, 1999).<br />

• Schiere hohe Stichprobengröße ist<br />

für qualitative Forschung kein Gütekriterium.<br />

Qualitative Einzelfallstudien,<br />

also Untersuchungen mit einem n=1,<br />

können zum Verständnis eines Gegenstandsbereichs<br />

inhaltlich oft sehr viel<br />

beitragen: Wissenschaftlich anerkannte<br />

psychotherapeutische Verfahren basieren<br />

häufig u. a. auf „berühmten Fallgeschichten“<br />

(bekannteste Beispiele sind<br />

etwa „Anna O.“ oder „little Albert“).<br />

(Kleine n-Zahlen scheinen durch die<br />

Verwendung dieser in Studien mit bildgebenden<br />

Verfahren seit einiger Zeit zudem<br />

wieder „salonfähig“ zu werden.)<br />

•Darüber hinaus existieren auch für<br />

qualitative wie für quantitative Studien<br />

Metaanalysetechniken (z. B. Timulak,<br />

2008) oder EDV-Unterstützung (z. B.<br />

Hahn, 2008).<br />

Diskussion<br />

Evidenzbasierte Medizin<br />

(EbM) und Qualitative<br />

Forschung<br />

Psychotherapeutische Evidenzbasierung<br />

und qualitative Forschung schließen sich<br />

keineswegs aus, das RCT- und EbM-<br />

Konzept sind nicht deckungsgleich: Nach<br />

David Sackett, einem der Väter des EbM-<br />

Konzeptes, bedeutet Evidenzbasierte Medizin<br />

(EbM) die Integration klinischer Expertise<br />

mit der best verfügbaren externen<br />

Evidenz aus systematischer Forschung<br />

(z. B. RCT-Studien) (Sackett et al., 1996).<br />

Klinische Expertise lässt sich beispielsweise<br />

über Fallstudien beschreiben, die ein<br />

bewährtes Instrument qualitativer Forschung<br />

darstellen (z. B. Yin, 2009). Trisha<br />

Greenhalgh, ebenfalls eine Protagonistin<br />

der evidenzbasierten Medizin, beschreibt<br />

klare Kriterien, um die Qualität qualitativer<br />

Forschung zu bewerten und schlussfolgert:<br />

„Doctors have traditionally placed<br />

high value on numerical data, which may<br />

in reality be misleading, reductionist, and<br />

irrelevant to the real issues. The increasing<br />

popularity of qualitative research in<br />

the bio-medical sciences has arisen largely<br />

because quantitative methods provided<br />

either no answers or the wrong answers to<br />

important questions in both clinical care<br />

and service delivery. If you still feel that<br />

qualitative research is necessarily second<br />

rate by virtue of being a ,soft’ science, you<br />

should be aware that you are out of step<br />

with the evidence“ (Greenhalgh & Taylor,<br />

1997, S. 740).<br />

Mixed Methods: Die Kombination<br />

von qualitativen und<br />

quantitativen Ansätzen<br />

Natürlich können qualitative und quantitative<br />

Forschungsmethoden auch gemeinsam<br />

verwendet werden. Oft werden<br />

etwa im Rahmen qualitativer Forschung<br />

inhaltlich relevante Fragestellungen, Hypothesen<br />

und Konzepte entwickelt, die<br />

dann quantitativ überprüft werden können.<br />

Gerade diese Kombination verspricht<br />

inhaltlich relevante Erkenntnisse auf breiter<br />

Datengrundlage. Onwuegbuzie und<br />

Leech (2005, S. 375) fordern deshalb<br />

Neues aus<br />

der Klinischen<br />

Praxis<br />

2009. Etwa 200 S.,<br />

Abb., Tab., Kt<br />

etwa 24.95 /<br />

CHF 42.00<br />

ISBN 978-3-456-<br />

84670-5<br />

Roger Schaller<br />

Stellen Sie sich vor,<br />

Sie sind ...<br />

Das Ein-Personen-Rollenspiel in<br />

Beratung, Coaching und Therapie<br />

Das Buch ist methodisch übergreifend<br />

und richtet sich an Praktiker<br />

verschiedener Richtungen, die in<br />

Psychotherapie, Coaching, Beratung,<br />

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Abb., Tab., Kt<br />

etwa 24.95 /<br />

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Hans-Jörgen Grabe /<br />

Michael Rufer (Hrsg.)<br />

Alexithymie:<br />

Eine Störung der<br />

Affektregulation<br />

Konzepte, Klinik und Therapie<br />

Wenn Menschen nicht zwischen<br />

körperlichen Empfindungen und Ge -<br />

fühlsregungen unterscheiden können,<br />

Gefühle häufig nur als diffuse<br />

Spannungs- oder Erregungszustände<br />

wahrgenommen werden und keine<br />

bewusste Verarbeitung von Gefühlen<br />

stattfindet, spricht man von Alexi -<br />

thymie.<br />

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www.verlag-hanshuber.com<br />

Psychotherapeutenjournal 2/2009<br />

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