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Kaninchen - Qualinova AG

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<strong>Kaninchen</strong>


Inhaltsverzeichnis<br />

<strong>Kaninchen</strong> richtig halten 3<br />

Bedürfnisse 4<br />

Bewegen 4<br />

Ruhen 5<br />

Fressen, trinken, beschäftigen 5<br />

Jungenaufzucht 6<br />

Sozialkontakte 7<br />

Gesundheit 8<br />

Nutzung 9<br />

Das <strong>Kaninchen</strong> als Heimtier 9<br />

Das <strong>Kaninchen</strong> als Versuchstier 9<br />

Das <strong>Kaninchen</strong> als landwirtschaftliches Nutztier 10<br />

Transport 10<br />

Eingriffe 11<br />

Zucht 11<br />

Anhang 12<br />

Bleiben Sie auf dem Laufenden und abonnieren Sie unseren Newsletter.<br />

Aktualisierte Informationen finden Sie auf www.tiererichtighalten.ch


<strong>Kaninchen</strong> richtig halten<br />

Hauskaninchen verhalten sich wie Wildkaninchen.<br />

<strong>Kaninchen</strong> dienen dem Menschen in so mancher<br />

Hinsicht. Sie werden als Heimtiere gehalten, zur Fleischproduktion,<br />

zur Rassenzucht und als Labortiere. Doch<br />

alle stammen sie von den Wildkaninchen ab und obwohl<br />

sie seit Jahrhunderten domestiziert sind, zeigen sie<br />

unter natürlichen Bedingungen im Wesentlichen noch<br />

immer dasselbe Verhalten wie ihre Vorfahren.<br />

<strong>Kaninchen</strong> sind soziale Tiere und leben in Gruppen<br />

mit klarer Rangordnung. Sie sind dämmerungsaktiv<br />

und verfügen über ein vielfältiges Fortbewegungsrepertoire.<br />

Sie sind sehr aufmerksam und überwachen<br />

ihre Umgebung mit all ihren Sinnen. <strong>Kaninchen</strong> sind<br />

scheu – bei Störungen warnen die Tiere einander und<br />

fliehen in den Gruppenbau. Diesen graben sie als<br />

weitverzweigtes Röhrensystem in die Erde und nutzen<br />

ihn als Zufluchtsort.<br />

Welche Bedürfnisse <strong>Kaninchen</strong> haben und wie diese<br />

in menschlicher Obhut befriedigt werden können,<br />

lesen sie hier, im Portal «Tiere richtig halten».<br />

> Tierschutz-Kontrollhandbuch <strong>Kaninchen</strong><br />

> 455 Tierschutzgesetz vom 16. Dezember 2005 (TSchG)<br />

http://www.admin.ch/ch/d/sr/c455.html<br />

> 455.1 Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 (TSchV)<br />

http://www.admin.ch/ch/d/sr/c455_1.html<br />

> 455.110.1 Verordnung des BVET vom 27. August 2008 über die<br />

Haltung von Nutztieren und Haustieren<br />

http://www.admin.ch/ch/d/sr/c455_110_1.html<br />

> RAUS-Verordnung<br />

http://www.admin.ch/ch/d/sr/c910_132_5.html<br />

> BTS-Verordnung<br />

http://www.admin.ch/ch/d/sr/910_132_4/index.html<br />

> 812.212.27 Verordnung vom 18. August 2004 über die Tierarzneimittel<br />

(Tierarzneimittelverordnung, TAMV)<br />

http://www.admin.ch/ch/d/sr/c812_212_27.html<br />

> Zentrum für tiergerechte Haltung – Geflügel / <strong>Kaninchen</strong><br />

http://www.bvet.admin.ch/themen/tierschutz/00744/00746/index.<br />

html?lang=de<br />

> kagfreiland: Freilandprojekt, Infoblätter <strong>Kaninchen</strong>haltung<br />

http://www.kagfreiland.ch/c_tierhaltung/PRO_kaninchen.shtml<br />

> Rassekaninchen Schweiz<br />

http://www.kleintiere-schweiz.ch/index.cfm?Nav=201&js=1<br />

> Schweizer Tierschutz STS<br />

http://www.tierschutz.com/<br />

> Infoblätter STVV<br />

http://www.stvv.ch/InfosTA.htm<br />

März 2011<br />

3


Bedürfnisse<br />

<strong>Kaninchen</strong> brauchen Platz, Beschäftigung und Artgenossen.<br />

<strong>Kaninchen</strong> haben eine Vielzahl von Bedürfnissen.<br />

Diese müssen sie alle in gewissem Masse ausleben,<br />

um sich ihrem Naturell entsprechend verhalten<br />

zu können und gesund zu bleiben.<br />

> Schweizer Tierschutz STS<br />

http://www.tierschutz.com/<br />

> Gehege für Kleinkaninchen, vom STS empfohlen<br />

http://www.kleintierstaelle.ch/<br />

Über die einzelnen Bedürfnisse von <strong>Kaninchen</strong> wird<br />

im Folgenden im Detail informiert.<br />

<strong>Kaninchen</strong> \ Bedürfnisse \ Bewegen<br />

Bewegen<br />

<strong>Kaninchen</strong> bewegen sich auf vielfältige Art und Weise.<br />

<strong>Kaninchen</strong> brauchen viel Platz zum Hoppeln, Rennen,<br />

Springen, Kapriolen machen und Haken schlagen.<br />

Diese Bewegungen brauchen <strong>Kaninchen</strong>, um ihre<br />

Muskeln zu trainieren und damit das Skelett (vor allem<br />

auch die Wirbelsäule) normal aufgebaut wird.<br />

Die Raumhöhe im <strong>Kaninchen</strong>stall muss deshalb Sprünge,<br />

Kapriolen und «Männchen machen» ermöglichen.<br />

Die Fläche muss gross genug für die arttypischen Streckund<br />

Fortbewegungsweisen und der Grösse der Tiere<br />

angepasst sein.<br />

Mehrere Etagen im <strong>Kaninchen</strong>stall bringen den Tieren<br />

Abwechslung und zusätzliche Bewegungsmöglichkeiten.<br />

Zudem können die <strong>Kaninchen</strong> auf den verschiedenen<br />

Ebenen unterschiedliche Temperatur- und<br />

Lichtzonen aufsuchen. Entsprechende Flächen müssen<br />

mindestens 20 cm erhöht und so gross sein, dass<br />

die Tiere ausgestreckt darauf liegen können. Die erhöhten<br />

Flächen müssen leicht zugänglich, ohne scharfe<br />

Kanten, rutschfest und einfach zu reinigen sein.<br />

Ein mindestens tagsüber zugängiger Auslauf kommt<br />

dem Bewegungsbedürfnis von <strong>Kaninchen</strong> entgegen.<br />

Deshalb wird ein Stall mit Auslauf empfohlen.<br />

Die ausschliessliche Freilandhaltung ist hingegen sehr<br />

anspruchsvoll und vor allem in der gewerblichen<br />

<strong>Kaninchen</strong>produktion wenig erprobt.<br />

> 455.1 Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 (TSchV)<br />

http://www.admin.ch/ch/d/sr/c455_1.html<br />

Art. 7<br />

Art. 65 Abs. 1<br />

> kagfreiland: Freilandprojekt, Infoblätter <strong>Kaninchen</strong>haltung<br />

http://www.kagfreiland.ch/c_tierhaltung/PRO_kaninchen.shtml<br />

Auch die Böden einer <strong>Kaninchen</strong>anlage müssen so<br />

beschaffen sein, dass die Tiere nicht ausgleiten.<br />

Als nicht eingestreute Böden eignen sich am besten<br />

Spalten- oder Lochroste (Metall oder Kunststoff<br />

ohne scharfe Kanten) deren Spaltenabstände bzw.<br />

Lochdurchmesser der Grösse der Tiere angepasst<br />

sind. Dabei ist besonders den Jungtieren Rechnung<br />

zu tragen. Es muss vermieden werden, dass diese<br />

mit den Beinen durch die Spalten oder Löcher fallen.<br />

Drahtgitterroste sind nicht zu empfehlen, weil sie<br />

wegen der geringen Auflagefläche Pfotenschäden<br />

verursachen können.<br />

März 2011<br />

4


<strong>Kaninchen</strong> \ Bedürfnisse \ Ruhen<br />

Ruhen<br />

<strong>Kaninchen</strong> müssen sich zum Ruhen zurückziehen können.<br />

Da <strong>Kaninchen</strong> von Natur aus Fluchttiere sind und<br />

empfindlich auf Stress reagieren, müssen sie sich bei<br />

Störungen verstecken und zur Ruhe zurückziehen<br />

können. Damit ruhende Tiere nicht von aktiven gestört<br />

werden und säugende Zibben (= Häsinnen) sich vor<br />

ihren Jungen zurückziehen können, muss der <strong>Kaninchen</strong>stall<br />

gut strukturiert sein.<br />

<strong>Kaninchen</strong>anlagen müssen mit einem abgedunkelten<br />

Rückzugsbereich ausgestattet sein. Unter einer<br />

erhöhten Fläche gibt es Raum, der dazu dienen kann.<br />

Werden <strong>Kaninchen</strong> in einem Käfig gehalten, kann<br />

mit einem Tuch, das diesen teilweise abdeckt,<br />

ein dunklerer Bereich geschaffen werden, in den<br />

sich die Tiere ebenfalls zurückziehen können.<br />

Der Rückzugsbereich darf eng sein. Damit es aber keine<br />

Sackgassen und Engpässe gibt, muss er für grössere<br />

Tiergruppen mehrere Zugänge aufweisen und unterteilt<br />

sein. In grösseren Gehegen sollte der Rückzugsbereich<br />

etwa einen Viertel der Gesamtfläche ausmachen.<br />

> 455.1 Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 (TSchV)<br />

http://www.admin.ch/ch/d/sr/c455_1.html<br />

Art.65 Abs. 2<br />

<strong>Kaninchen</strong> \ Bedürfnisse \ Fressen, trinken, beschäftigen<br />

Fressen, trinken, beschäftigen<br />

<strong>Kaninchen</strong> brauchen abwechslungsreiche Nahrung, Wasser in Trinkwasserqualität<br />

und geeignete Beschäftigungsobjekte, die sie bearbeiten – insbesondere<br />

benagen – können.<br />

Während ihrer Aktivitätsphasen suchen <strong>Kaninchen</strong><br />

regelmässig Futter. Kräuter und Gräser, Wurzeln und<br />

Rinde gehören zu ihrer bevorzugten Nahrung.<br />

Das Verdauungssystem von <strong>Kaninchen</strong> reagiert empfindlich<br />

auf nicht artgerechte Fütterung. <strong>Kaninchen</strong>futter<br />

muss deshalb frisch und unverdorben sein. Es reicht<br />

nicht aus, die Tiere nur mit den notwendigen Nährstoffen<br />

(z.B. Würfel) zu versorgen. Täglich müssen sie<br />

auch grob strukturiertes Futter (z.B. Heu) zur Verfügung<br />

haben. In allen Haltungen muss zudem immer<br />

frisches Wasser in Trinkwasserqualität verfügbar<br />

sein.<br />

Um haltungsbedingte Langeweile und die daraus entstehenden<br />

Verhaltensstörungen (z.B. Gitternagen)<br />

zu vermeiden, müssen den <strong>Kaninchen</strong> geeignete Objekte<br />

zur Beschäftigung und zum Nagen angeboten werden.<br />

Dies können frische äste und Weichholzstücke von<br />

ungiftigen und ungespritzten Bäumen und Sträuchern<br />

sein, getrocknete Maiskolben, äpfel, Rüben, Heuoder<br />

Strohpresslinge etc. Eingestreute Böden erlauben<br />

es den <strong>Kaninchen</strong> zudem zu scharren und ansatzweise<br />

zu graben. Ausserdem kommen diese dem Wärmebedürfnis<br />

der Tiere bei tieferen Temperaturen entgegen.<br />

Käfige ohne Einstreu dürfen nur in Räumen, in denen<br />

die Temperatur nicht unter 10°C fällt und in denen keine<br />

Zugluft auftritt, verwendet werden. Damit <strong>Kaninchen</strong><br />

ihre Umgebung je nach temporärem Bedürfnis wählen<br />

können, ist es grundsätzlich vorzuziehen, die Böden<br />

in allen <strong>Kaninchen</strong>anlagen mindestens teilweise einzustreuen.<br />

Neben den Pellet- bzw. Körnerfutterbehältern und<br />

Tränken müssen in einer <strong>Kaninchen</strong>anlage Einrichtungen<br />

für grob strukturiertes Futter vorhanden sein, damit<br />

dieses nicht mit Kot und Urin verschmutzt wird. Diese<br />

Einrichtungen (z.B. Heubehälter) müssen so montiert<br />

werden, dass der herabrieselnde Staub die Gesundheit<br />

der Tiere (z.B. durch Augenentzündungen) nicht<br />

gefährdet.<br />

> 455.1 Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 (TSchV)<br />

http://www.admin.ch/ch/d/sr/c455_1.html<br />

Art. 4 Abs. 1 und 2<br />

Art. 64 Abs. 1<br />

März 2011<br />

5


<strong>Kaninchen</strong> \ Bedürfnisse \ Jungenaufzucht<br />

Jungenaufzucht<br />

Zibben brauchen einen Ort, wo sie ein Nest bauen, ihre Jungen werfen<br />

und diese einmal täglich säugen können.<br />

Unter natürlichen Bedingungen haben Zibben (= Häsinnen)<br />

in Jahren mit geeignetem Klima und guter<br />

Nahrungsgrundlage mehrere Würfe. Die Tragzeit dauert<br />

dabei 31 Tage. Etwa 3–5 Tage vor dem Werfen beginnen<br />

die Zibben mit dem Nestbau. Sie ziehen ihre Jungen<br />

in einem mit trockenen Pflanzen und Haaren ausgepolsterten<br />

Nest in einer Setzröhre auf und säugen sie<br />

einmal pro Tag. Nach dem Säugen schliesst die Zibbe<br />

die Setzröhre und verlässt die Nestumgebung.<br />

Damit die Zibben ihre Jungen auch in menschlicher Obhut<br />

ungestört aufziehen können, muss man ihnen Nestkammern<br />

zur Verfügung stellen. Diese müssen sie selber<br />

mit Stroh oder anderem geeignetem Nestmaterial und<br />

mit ihrem Bauchhaar auspolstern können. Eingestreute<br />

Böden geben den Zibben zusätzliche Möglichkeiten,<br />

Material für den Nestbau zu sammeln. Das Nest muss<br />

so belüftet werden, dass die entstehende Feuchtigkeit<br />

entweicht. Von Vorteil ist, wenn die Zibbe ihr Nest<br />

selber verschliessen kann. Kann sie dies nicht, hat sie<br />

ständig den Geruch ihrer Jungen in der Nase und<br />

glaubt, dass das Nest nicht richtig verschlossen ist.<br />

Folglich muss sie ihr Nest andauernd kontrollieren<br />

und kommt nie zur Ruhe.<br />

aussen am Käfig befestigt. Auch ein Nachbarabteil kann<br />

als Nestkammer dienen. In diesem Fall sollte der Nestbereich<br />

abgegrenzt und das Abteil abgedunkelt werden.<br />

Ein Durchschlupf oder eine Schwelle zum Nest dient<br />

dazu, dass die Zibbe ihre Jungen nach dem Säugen abstreifen<br />

kann. Eine Schwelle kann die Jungtiere zudem<br />

davon abhalten, das Nest allzu früh zu verlassen.<br />

Die Jungen werden etwa einen Monat nach der Geburt<br />

abgesetzt.<br />

Um Nester zu kontrollieren ist für Tierhaltende<br />

ein Schieber beim Nesteingang praktisch.<br />

Damit das Nest ungestört ist und sich die Zibbe aus<br />

der Nestumgebung entfernen kann, müssen Nestkammern<br />

so weit als möglich vom Futterplatz und vom<br />

übrigen Aufenthaltsbereich der <strong>Kaninchen</strong> entfernt sein.<br />

Bei Käfighaltung werden die Nestkästen am besten<br />

März 2011<br />

6


<strong>Kaninchen</strong> \ Bedürfnisse \ Sozialkontakte<br />

Sozialkontakte<br />

<strong>Kaninchen</strong> sollten in Gruppen oder Paaren leben können.<br />

Dazu brauchen sie Artgenossen.<br />

<strong>Kaninchen</strong> sind gesellige Tiere und sollten wenn immer<br />

möglich in Gruppen gehalten werden. Das Leben mit<br />

Artgenossen bietet Abwechslung und Anregung (z.B. zu<br />

Laufspielen bei Jungtieren) und ermöglicht die Bildung<br />

sozial strukturierter Verbände. Das sich ständige<br />

Anpassen an die Gruppe hilft mit, die haltungsbedingte<br />

Langeweile zu überwinden.<br />

Jungtiere und als Jungtiere aneinander gewöhnte<br />

Zibben (= Häsinnen) – mit oder ohne Bock – und ihr<br />

Nachwuchs können in vielfältigen und gut strukturierten<br />

Anlagen unter angemessener überwachung<br />

meist problemlos zusammen gehalten werden.<br />

> 455.1 Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 (TSchV)<br />

http://www.admin.ch/ch/d/sr/c455_1.html<br />

Art. 64 Abs. 1<br />

> RAUS-Verordnung<br />

http://www.admin.ch/ch/d/sr/c910_132_5.html<br />

> BTS-Verordnung<br />

http://www.admin.ch/ch/d/sr/910_132_4/index.html<br />

> kagfreiland: Freilandprojekt, Infoblätter <strong>Kaninchen</strong>haltung<br />

http://www.kagfreiland.ch/c_tierhaltung/PRO_kaninchen.shtml<br />

Bei <strong>Kaninchen</strong> bestehen jedoch grosse individuelle<br />

Unterschiede in der Verträglichkeit mit Artgenossen.<br />

So können zum Beispiel ein Bock und eine Zibbe ohne<br />

Probleme als Paar gehalten werden, während in<br />

einem anderen Fall Bock und Zibbe einander ständig<br />

belästigen. Deshalb sind die Gruppierungen immer<br />

wieder zu kontrollieren.<br />

Jungtiere dürfen in den ersten acht Wochen nie einzeln<br />

gehalten werden. Einzelhaltung ist erst dann angebracht,<br />

wenn zu befürchten ist, dass es im Zusammenhang<br />

mit der sich entwickelnden Geschlechtsreife<br />

zu Aggressionen und groben Verletzungen kommen<br />

könnte. Dies kann vor allem bei männlichen Tieren<br />

auftreten. Allfällige «Störenfriede» müssen in diesem Fall<br />

aus den Gruppen genommen werden. Um diese zu<br />

erkennen braucht es aber eine gute Tierbeobachtung.<br />

Dennoch lassen sich Bisse und Kratzer in <strong>Kaninchen</strong>gruppen<br />

nie ganz vermeiden – Reibereien gehören<br />

genauso zu einem <strong>Kaninchen</strong>leben wie das Nagen an<br />

einem Rüebli.<br />

Gruppen werden vorzugsweise mit jungen Tieren<br />

gebildet. Bei bestehenden Gruppen mit Tieren, die älter<br />

als 4 Monate sind, kann es wegen der oft heftigen<br />

Rangauseinandersetzungen schwierig sein, neue Tiere<br />

einzuführen. Bei allen Eingriffen in die Gruppenstruktur,<br />

müssen die Tiere deshalb genau beobachtet<br />

werden.<br />

Gut strukturierte Anlagen mit Unterschlüpfen und<br />

Sichtblenden helfen, dass rangniedere Tiere<br />

bei Bedarf den ranghöheren Tieren aus den Augen<br />

hoppeln können.<br />

März 2011<br />

7


<strong>Kaninchen</strong> \ Bedürfnisse \ Gesundheit<br />

Gesundheit<br />

Unsachgemässe Haltung und Fütterung, sowie Stress und mangelnde Hygiene<br />

können <strong>Kaninchen</strong> krankheitsanfällig machen. Um ihre Gesundheit nicht<br />

zu gefährden, muss die Anlage sauber und trocken sein.<br />

<strong>Kaninchen</strong> haben empfindliche Nasenschleimhäute,<br />

die durch ammoniakhaltige Ausdünstungen leicht gereizt<br />

werden können. Deshalb leiden sie, wenn ihr Gehege<br />

nicht regelmässig gesäubert wird. Schmutzige Anlagen<br />

erhöhen zudem die Gefahr von Infektionskrankheiten,<br />

wie die, der oft tödlich verlaufenden Kokzidieninfektion.<br />

<strong>Kaninchen</strong>anlagen müssen deshalb regelmässig<br />

gereinigt und desinfiziert werden, insbesondere auch<br />

bei der Ein- und Ausstallung von Tieren. Kotplätze<br />

sollten so oft als möglich ausgemistet oder mit frischem<br />

Stroh überdeckt werden.<br />

> 455.1 Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 (TSchV)<br />

http://www.admin.ch/ch/d/sr/c455_1.html<br />

Art. 7 Abs. 1<br />

Da Nässe sehr oft zu Erkrankungen der Pfoten führt,<br />

müssen eingestreute und nicht eingestreute Böden<br />

trocken und sauber bleiben. Einstreu sollte möglichst<br />

wenig Staub bilden, damit es nicht zu Augenentzündungen<br />

und anderen gesundheitlichen Problemen<br />

kommt.<br />

<strong>Kaninchen</strong> müssen täglich beobachtet und kontrolliert<br />

werden. Kranke und verletzte Tiere müssen ihrem<br />

Zustand entsprechend untergebracht, gepflegt, behandelt<br />

oder allenfalls getötet werden. Speziell beachtet<br />

werden müssen Verletzungen an den Gliedmassen und<br />

in der Genitalregion, sowie das Vorhandensein von<br />

Hautparasiten.<br />

März 2011<br />

8


Nutzung<br />

Nebst der Heimtierhaltung und der Rassenzucht, werden <strong>Kaninchen</strong> bei uns hauptsächlich<br />

für die Fleischproduktion und als Labortiere gehalten.<br />

<strong>Kaninchen</strong> \ Nutzung \ Das <strong>Kaninchen</strong> als Heimtier<br />

Das <strong>Kaninchen</strong> als Heimtier<br />

<strong>Kaninchen</strong> sind gesellige Tiere und sollten wenn immer möglich in Gruppen<br />

gehalten werden. Menschen und Meerschweinchen können ihnen die Artgenossen<br />

aber nicht ersetzen.<br />

<strong>Kaninchen</strong>, insbesondere Jungtiere und Zwergkaninchen,<br />

sehen niedlich aus und sind vor allem<br />

für Kinder sehr attraktiv.<br />

Aber Achtung: <strong>Kaninchen</strong> sind keine Kuscheltiere und<br />

mögen es nicht, herumgetragen und geknuddelt<br />

zu werden. Bleiben die Tiere bei solchen Zuwendungen<br />

unbeweglich sitzen, heisst das nicht, dass sie diese<br />

geniessen. Ganz im Gegenteil: Vor Schreck sind sie erstarrt.<br />

Oft kommt es aber auch vor, dass sich die <strong>Kaninchen</strong><br />

wehren und die Kinder kratzen oder beissen. Wenn aber<br />

<strong>Kaninchen</strong> in artgerechter Haltung unter Ihresgleichen<br />

leben, können sich Erwachsene wie Kinder an<br />

ihrem natürlichen Verhalten freuen, ohne dass die Tiere<br />

festgehalten oder aus dem Gehege herausgenommen<br />

werden müssen.<br />

<strong>Kaninchen</strong> sind ausgesprochen gesellige Tiere und<br />

sollten niemals einzeln gehalten werden. Die Haltung<br />

eines <strong>Kaninchen</strong>s mit einem Meerschweinchen entspricht<br />

aber nicht den Bedürfnissen der Tiere, obwohl<br />

dies bei Zwergkaninchen manchmal praktiziert wird.<br />

Weder ein Meerschweinchen noch ein Mensch sind<br />

ein Ersatz für einen Sozialpartner der gleichen Art!<br />

Für jede Tierhaltung gilt: Kinder können nie die alleinige<br />

Verantwortung für ein Tier übernehmen. Sie müssen<br />

unbedingt von Erwachsenen angeleitet und beaufsichtigt<br />

werden. Sie müssen lernen, mit den ihnen an vertrauten<br />

Tieren rücksichtsvoll umzugehen und deren<br />

Bedürfnisse zu respektieren.<br />

> Schweizer Tierschutz STS<br />

http://www.tierschutz.com/<br />

> Rassekaninchen Schweiz<br />

http://www.kleintiere-schweiz.ch/index.cfm?Nav=201<br />

> Gehege für Kleinkaninchen, vom STS empfohlen<br />

http://www.kleintierstaelle.ch/<br />

> Nagerstation: Beratung, Tiervermittlung, Gehege<br />

http://www.nagerstation.ch/<br />

<strong>Kaninchen</strong> \ Nutzung \ Das <strong>Kaninchen</strong> als Versuchstier<br />

Das <strong>Kaninchen</strong> als Versuchstier<br />

Im Jahr 2006 wurden in der Schweiz fast 6000 <strong>Kaninchen</strong><br />

in Tierversuchen eingesetzt.<br />

Da <strong>Kaninchen</strong>haut der menschlichen Haut sehr ähnlich<br />

ist, werden <strong>Kaninchen</strong> als Testobjekte für Produkte im<br />

Bereich der Dermatologie gehalten. Auch toxikologische<br />

Untersuchungen über die Auswirkungen neuer Substanzen<br />

während der Schwangerschaft werden vor allem<br />

an <strong>Kaninchen</strong> durchgeführt. Ausserdem dienen sie<br />

dem Nachweis der Unbedenklichkeit von Blutkonserven<br />

und der Herstellung von Antikörpern in der Forschung.<br />

> Haltung von <strong>Kaninchen</strong> zu Versuchszwecken<br />

> Blutentnahme bei Labornagetieren und <strong>Kaninchen</strong> zu<br />

Versuchszwecken<br />

>Tierschutzkonforme Anästhesie und Analgesie bei Labornagetieren<br />

und <strong>Kaninchen</strong><br />

März 2011<br />

9


<strong>Kaninchen</strong> \ Nutzung \ Das <strong>Kaninchen</strong> als landwirtschaftliches Nutztier<br />

Das <strong>Kaninchen</strong> als landwirtschaftliches Nutztier<br />

<strong>Kaninchen</strong> werden in der Landwirtschaft zur Fleischproduktion gehalten.<br />

Ihr Fell hat keine wirtschaftliche Bedeutung, geniesst aber im Hobbybereich<br />

Liebhaberwert.<br />

<strong>Kaninchen</strong>fleisch ist in der Schweiz ein Nischenprodukt.<br />

Für die vorhandene Produktion muss ein artgerechter<br />

Umgang mit den Schlachttieren und deren hygienisch<br />

einwandfreie Verarbeitung gewährleistet sein. Übermässiger<br />

Stress vor der Schlachtung wirkt sich negativ<br />

auf die Fleischqualität aus. Deshalb ist auch in<br />

der letzten Lebensphase von Mastkaninchen eine tiergerechte<br />

Behandlung durch ausgebildetes Personal<br />

von besonderer Bedeutung.<br />

Als Nebenprodukt der Fleischproduktion werden<br />

<strong>Kaninchen</strong>felle bevorzugt als Besatz von Kragen, ärmeln<br />

und Schuhen verwendet. Da die Felle warm geben<br />

und besonders weich und glatt sind, werden sie auch<br />

gerne zu Hüten, Gilets oder anderen Accessoires<br />

verarbeitet. Von wirtschaftlicher Bedeutung sind <strong>Kaninchen</strong>felle<br />

bei uns jedoch nicht.<br />

<strong>Kaninchen</strong> müssen vor dem Schlachten betäubt<br />

werden. Dies kann durch Elektrizität oder durch<br />

eine stumpfe Schussschlagbetäubung geschehen.<br />

Die Betäubung kann auch durch einen Bolzen- oder<br />

Kugelschuss ins Gehirn herbeigeführt werden.<br />

Betäubung oder Tötung durch Kopf- bzw. Genickschlag<br />

ist verboten.<br />

> 455 Tierschutzgesetz vom 16. Dezember 2005 (TSchG)<br />

http://www.admin.ch/ch/d/sr/c455.html<br />

Art. 20–22<br />

> 455.1 Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 (TSchV)<br />

http://www.admin.ch/ch/d/sr/c455_1.html<br />

Art.184 Abs. 1e<br />

> Europäisches Übereinkommen vom 10. Mai 1979<br />

über den Schutz von Schlachttieren<br />

http://www.admin.ch/ch/d/sr/c0_458.html<br />

> kagfreiland: Freilandprojekt, Infoblätter <strong>Kaninchen</strong>haltung<br />

http://www.kagfreiland.ch/c_tierhaltung/PRO_kaninchen.shtml<br />

> Vereinigung Fleischverwerter Kleintiere Schweiz VF<br />

http://www.sgk.org/index.cfm?Nav=201&js=1<br />

> Verband Schweizerischer Fellnähgruppen<br />

http://www.fellnaehen.ch/<br />

> Fibl: Forschung und Beratung biologischer Landbau. Merkblatt<br />

Kaninchehaltung auf BIO SUISSE-Betrieben<br />

https://www.fibl.org/shop/pdf/mb-1337-kaninchen.pdf<br />

> WRSA: World Rabbit Science Association, Forschung, Kongresse,<br />

Leitlinien zu <strong>Kaninchen</strong>zucht und -haltung<br />

http://world-rabbit-science.org/<br />

<strong>Kaninchen</strong> \ Nutzung \ Transport<br />

Transport<br />

Zu einem neuen Besitzer, zum Tierarzt oder zum Metzger – auch <strong>Kaninchen</strong><br />

müssen immer wieder transportiert werden. Da Transporte für die Tiere<br />

aber auch immer wieder eine Belastung darstellen, sollten sie auf das notwendige<br />

Minimum reduziert werden.<br />

Tiere dürfen nur transportiert werden, wenn zu erwarten<br />

ist, dass sie den Transport ohne Schaden überstehen.<br />

Die Tiere sind in geeigneter Weise für den Transport<br />

vorzubereiten und während des Transports schonend<br />

zu behandeln.<br />

> 455.1 Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 (TSchV)<br />

http://www.admin.ch/ch/d/sr/c455_1.html<br />

Art. 159<br />

Art. 164<br />

März 2011<br />

10


<strong>Kaninchen</strong> \ Nutzung \ Eingriffe<br />

Eingriffe<br />

Schmerzverursachende Eingriffe dürfen grundsätzlich nur unter Schmerzausschaltung<br />

vorgenommen werden.<br />

<strong>Kaninchen</strong> können bereits mit drei Monaten geschlechtsreif<br />

werden. Will man bei der Heimtierhaltung verhindern,<br />

dass es Junge gibt, müssen geschlechtsreife Männchen<br />

rechtzeitig kastriert werden. Dasselbe gilt, wenn<br />

Kämpfe zwischen geschlechtsreifen Männchen vermieden<br />

werden sollen. Eine Kastration darf nur unter<br />

Narkose und von einem Tierarzt oder einer Tier ärztin<br />

vorgenommen werden.<br />

Werden die Krallen nicht auf natürliche Weise abgewetzt,<br />

müssen sie von Zeit zu Zeit fachgerecht geschnitten<br />

werden.<br />

Katzen \ Katze und Mensch \ Zucht<br />

Zucht<br />

<strong>Kaninchen</strong>zucht erfolgt nach bestimmten Zuchtzielen, wobei rassetypische<br />

äussere Merkmale, als auch Leistungsmerkmale, wie Fleischqualität,<br />

angestrebt werden.<br />

Das Züchten von Tieren ist grundsätzlich darauf auszurichten,<br />

gesunde Tiere zu erhalten, deren Wohlergehen<br />

und Würde nicht durch bestimmte Zuchtmerkmale<br />

beeinträchtigt werden.<br />

Verboten ist insbesondere das Züchten von Tieren,<br />

bei denen erblich bedingt Körperteile oder Organe<br />

für den arttypischen Gebrauch fehlen oder so umgestaltet<br />

sind, dass die Tiere darunter leiden, wie zum Beispiel<br />

überlang gezüchtete hängende Ohren, auf welche<br />

die <strong>Kaninchen</strong> treten.<br />

> 455.1 Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 (TSchV)<br />

http://www.admin.ch/ch/d/sr/c455_1.html<br />

Art. 65 Abs. 4<br />

Anhang 1, Tabelle 8<br />

Hauskaninchen<br />

> Wann ist eine Zucht gewerbsmässig?<br />

> Rassekaninchen Schweiz<br />

http://www.kleintiere-schweiz.ch/index.cfm?Nav=201<br />

Eingriffe am Tier im Rahmen künstlicher Reproduktionsmethoden<br />

dürfen nur von ausgebildeten Fachpersonen<br />

durchgeführt werden.<br />

März 2011<br />

11


Anhang<br />

Anhang 1 Mindestmasse für die Haltung von <strong>Kaninchen</strong><br />

Anhang 2 Rückzug bei <strong>Kaninchen</strong><br />

Anhang 3 Gruppenhaltung von <strong>Kaninchen</strong><br />

Anhang 4 Nageobjekte für <strong>Kaninchen</strong><br />

Anhang 5 Nester für <strong>Kaninchen</strong><br />

Anhang 6 Wasserbedarf bei <strong>Kaninchen</strong><br />

Anhang 7 Sozialkontakte bei <strong>Kaninchen</strong><br />

Anhang 8 Schlachtung von <strong>Kaninchen</strong><br />

März 2011<br />

12


Fachinformation Tierschutz<br />

Nr. 5.1_(1) | 15. Oktober 2009<br />

Mindestmasse für die Haltung von <strong>Kaninchen</strong><br />

Die Distanzmasse sind immer lichte Weiten.<br />

lichte Weite<br />

In der Gesetzgebung sind nur Minimalflächen angegeben: Wenn immer möglich sollten Halter und<br />

Halterinnen ihren Tieren mehr bieten (z.B. Einbau einer erhöhten Fläche, horizontales oder vertikales<br />

Verbinden zweier Käfige bzw. Abteile, regelmässiger Auslauf).<br />

Die in Artikel 65 Absatz 1 Buchstabe a genannten Tabellen enthalten die folgenden Mindestanforderungen:<br />

1) 2)<br />

Tierkategorie Adulte <strong>Kaninchen</strong><br />

kg bis 2,3 2,3 - 3,5 3,5 - 5,5 >5,5<br />

1 Gehege ohne erhöhte Flächen:<br />

11 Bodenfläche 3) cm 2 3400 4800 7200 9300<br />

12 Höhe 4) cm 40 50 60 60<br />

2 Gehege mit erhöhten Flächen:<br />

21 Gesamtfläche 3) (Bodenfläche und erhöhte Fläche) cm 2 2800 4000 6000 7800<br />

22 davon Bodenfläche minimal cm 2 2000 2800 4200 5400<br />

23 Höhe 4) cm 40 50 60 60<br />

3 zusätzliche Fläche für Nestkammer cm 2 800 1000 1000 1200<br />

Tierkategorie<br />

Jungtiere ab Absetzen bis<br />

Geschlechtsreife<br />

4 Gehegeflächen und -höhen wie Adulte<br />

41 Maximale Anzahl (n) Jungtiere auf dieser Fläche n 3 3 4 5<br />

42<br />

421<br />

422<br />

43<br />

431<br />

432<br />

Für jedes weitere Jungtier bis 1,5 kg Körpergewicht 5)<br />

in Gruppen bis 40 Tiere<br />

in Gruppen über 40 Tiere<br />

Für jedes weitere Jungtier ab 1,5 kg Körpergewicht 5)<br />

in Gruppen bis 40 Tiere<br />

in Gruppen über 40 Tiere<br />

cm 2<br />

1000<br />

cm 2 800<br />

cm 2<br />

1500<br />

cm 2 1200<br />

1/3


Fachinformation Tierschutz Nr. 5.1_(1) | 15. Oktober 2009<br />

1) Zibben mit Jungen bis etwa zum 35. Alterstag, Rammler, Zibben ohne Junge. Auf der doppelten Mindestfläche<br />

(Doppelbox) kann die Zibbe mit ihren Jungen bis zu deren 56. Alterstag gehalten werden.<br />

2) Nicht angepasst werden müssen <strong>Kaninchen</strong>käfige, die vor dem 1. Dezember 1991 gebaut wurden, wenn sie mehr<br />

als 85 Prozent der Bodenfläche nach Tabelle 8 Ziffer 11 aufweisen.<br />

3) Auf dieser Fläche dürfen ein oder zwei verträgliche, ausgewachsene Tiere ohne Junge gehalten werden.<br />

4) Diese Höhe muss auf mindestens 35 Prozent der Gesamtfläche vorhanden sein.<br />

5) Für die mit der Zibbe vom 36. bzw. vom 57. Alterstag (siehe Anmerkung 1) bis zur Geschlechtsreife gehaltenen<br />

Jungtiere gelten die unter Ziffer 42 und 43 aufgeführten Mindestflächen.<br />

Hinweise<br />

• Die Gesamtfläche ist die für die <strong>Kaninchen</strong> begehbare Fläche ohne Nest.<br />

• Flächen für Zibbe mit Wurf über 35 Tage: Wenn die Jungen mit einem Gewicht bis 1,5 kg bei<br />

der Zibbe bleiben, braucht es zusätzlich zur Fläche für die Zibbe pro Jungtier 1000 cm 2 . Für<br />

Jungtiere über 1,5 kg sind 1500 cm 2 pro Jungtier zu berechnen.<br />

• Wenn das zweite Abteil, in dem sich das Nest befindet, abgeschlossen wird, muss das erste<br />

2<br />

Abteil die volle Fläche von mindestens 7200 cm haben.<br />

• Berechnung der Bodenfläche bei Kotschalen mit schrägen Wänden: Es wird die Distanz von<br />

Wand zu Wand gemessen und nicht die Fläche des Schalenbodens.<br />

• Bestimmung der notwendigen Fläche mit der geforderten lichten Höhe: Die Fläche mit der<br />

geforderten lichten Höhe über 35% der Gesamtfläche bezieht sich auf die<br />

Mindestanforderungen bezüglich Gesamtfläche und nicht auf die gemessene,<br />

gegebenenfalls grössere Fläche in einem bestimmten Gehege. Dieser Hinweis ist vor allem<br />

zu beachten, wenn das Gehege grösser ist, als von den Mindestanforderungen verlangt. Das<br />

Nest gehört nicht zur Gesamtfläche bei der Berechnung der notwendigen Fläche für die lichte<br />

Höhe.<br />

• Die 35%-Fläche, welche die Mindesthöhe erfüllt, muss zusammenhängend sein.<br />

Erhöhte Fläche<br />

• Die erhöhte Fläche dient der Strukturierung des Haltungssystems und fördert die Beweglichkeit<br />

der Tiere. Sie erlaubt das Aufsuchen mikroklimatisch unterschiedlicher Bereiche und<br />

ermöglicht es den Zibben, sich zeitweise von den Jungen zurückzuziehen.<br />

• Sie sollte mindestens mit einer Längsseite an eine Wand anstossen.<br />

• Sie sollte nicht direkt über dem Nest angebracht sein.<br />

• Richtwerte für die Grösse der erhöhten Ebene pro Zibbe:<br />

- für kleine Rassen: B mind. 25 cm, L mind. 50 cm<br />

- für mittlere Rassen: B mind. 30 cm, L mind. 60 cm<br />

- für grosse Rassen: B mind. 35 cm, L mind. 70 cm<br />

• Die Höhe ab Boden muss mindestens 20 cm betragen (TSchV Artikel 65 Absatz 1<br />

Buchstabe a), zu empfehlen sind jedoch 22-25 cm.<br />

2/3


Fachinformation Tierschutz Nr. 5.1_(1) | 15. Oktober 2009<br />

Gesetzliche Grundlagen<br />

Tierschutzverordnung (TSchV)<br />

Art. 3 TSchV<br />

Tiergerechte Haltung<br />

1 Tiere sind so zu halten, dass ihre Körperfunktionen und ihr Verhalten nicht gestört werden und ihre<br />

Anpassungsfähigkeit nicht überfordert wird.<br />

2 Unterkünfte und Gehege müssen mit geeigneten Futter-, Tränke-, Kot- und Harnplätzen, Ruhe- und<br />

Rückzugsorten mit Deckung, Beschäftigungsmöglichkeiten, Körperpflegeeinrichtungen und Klimabereichen<br />

versehen sein.<br />

3 Fütterung und Pflege sind angemessen, wenn sie nach dem Stand der Erfahrung und den Erkenntnissen der<br />

Physiologie, Verhaltenskunde und Hygiene den Bedürfnissen der Tiere entsprechen.<br />

4 Tiere dürfen nicht dauernd angebunden gehalten werden.<br />

Art. 10 TSchV<br />

Mindestanforderungen<br />

1 Unterkünfte und Gehege müssen den Mindestanforderungen nach den Anhängen 1–3 entsprechen.<br />

2 Werden an Haltungssystemen Instandhaltungsmassnahmen vorgenommen, die über den Ersatz einzelner<br />

Elemente der Stalleinrichtung hinausgehen, so ist zu prüfen, ob sich der Raum so aufteilen lässt, dass für<br />

Standplätze, Liegeboxen, Liegebereiche, Laufgänge, Fressplätze und Fressplatzbereiche die in Anhang 1<br />

genannten Mindestanforderungen für neu eingerichtete Ställe eingehalten werden.<br />

3 Die kantonale Fachstelle kann in den in Absatz 2 genannten Fällen Abweichungen von den<br />

Mindestanforderungen bewilligen. Sie berücksichtigt dabei den der Tierhalterin oder dem Tierhalter entstehenden<br />

Aufwand und das Wohlergehen der Tiere.<br />

Art. 65 TSchV<br />

Gehege<br />

1 Gehege müssen:<br />

a. eine Bodenfläche nach Anhang 1 Tabelle 8 Ziffer 1 aufweisen oder, wenn die Bodenfläche kleiner ist, mit einer<br />

um mindestens 20 cm erhöhten Fläche ausgestattet sein, auf der die Tiere ausgestreckt liegen können;<br />

b. mindestens in einem Teilbereich so hoch sein, dass die Tiere aufrecht sitzen können.<br />

3/3


Fachinformation Tierschutz<br />

Nr. 5.2_(1) | Oktober 2009<br />

Rückzug bei <strong>Kaninchen</strong><br />

Gehege müssen mit einem abgedunkelten Bereich ausgestattet sein, in den sich die Tiere<br />

zurückziehen können (Art. 65 Abs. 2 TSchV). Bei Gruppen von mehr als 5 Tieren muss der Bereich<br />

für den Rückzug der Tiere von mehreren Seiten her zugänglich sein, und bei Gruppen von mehr als<br />

zehn Tieren muss dieser unterteilt sein (Tabelle 8 Hauskaninchen Anmerkung 5 TSchV).<br />

Hintergrund<br />

Wildkaninchen fliehen bei Störungen in ihren Gruppenbau, wohin sie sich auch zum Ruhen zurückziehen.<br />

Das Schutzverhalten ist zwar bei Hauskaninchen schwächer ausgeprägt als bei ihren<br />

Vorfahren, aber bei Lärm oder Auftauchen einer Fremdperson ziehen sie sich an einen geschützten<br />

Ort zurück. Wird ihnen diese Möglichkeit geboten, ist die ständige Fluchtbereitschaft vermindert und<br />

Panikreaktionen bleiben aus. Ein Rückzugbereich zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus:<br />

Dunkler als die restliche Umgebung, feste Wände zum Anschmiegen, Deckung gegen oben. Die<br />

Funktion des Rückzugbereiches ist erfüllt, wenn die Tiere nach einer Störung schnell zur Ruhe<br />

kommen und nicht dauernd Zeichen von Fluchtbereitschaft zeigen ("gespanntes Sitzen", bei dem<br />

das <strong>Kaninchen</strong> jederzeit zum Sprung bereit ist. Der Kopf ist dabei an den Körper angezogen und die<br />

Ohren angelegt).<br />

Minimale Gestaltung des Rückzugbereiches<br />

In der Boxenhaltung können abgedunkelte Bereiche durch eine erhöhte Fläche oder eine andere<br />

nach oben abgeschlossene Struktur oder eine teilweise Abdeckung der Gitterfrontseite geschaffen<br />

werden. Bei Gruppenhaltung dienen Rückzugsmöglichkeiten auch zum Ausweichen vor Artgenossen<br />

während Auseinandersetzungen.<br />

Die minimale Grösse eines Rückzuges ist in der TSchV nicht geregelt. Wir schlagen vor, dass der<br />

Unterschlupf in grösseren Gehegen mindestens ca. ¼ der Gesamtfläche ausmacht. Dies ermöglicht,<br />

allen <strong>Kaninchen</strong> gleichzeitig in den Unterschlupf zu fliehen und dass mindestens die Hälfte der<br />

<strong>Kaninchen</strong> gemeinsam darin ruhen können.<br />

Geeignete Rückzüge<br />

In Käfigen kann ein unter der erhöhten Fläche leicht abgedunkelter Raum als Rückzugsbereich<br />

dienen. Eine Verbesserung wäre zum Beispiel ein an der Schmalseite der erhöhten Fläche<br />

angebrachtes Brett mit einem Schlupfloch oder ein an der Längsseite angebrachtes Brett.<br />

1/3


Fachinformation Tierschutz Nr. 5.2_(1) | Oktober 2009<br />

Abb. 1: Abgedunkelter Bereich<br />

unter erhöhter Fläche<br />

Abb. 2: Schlupfloch an der Schmalseite<br />

Abb. 3: Brett an der Längsseite<br />

Auch das teilweise Abdecken der Frontseite des Käfigs ist möglich, dabei muss aber darauf geachtet<br />

werden, dass der Käfig über genügend Tageslicht verfügt. Die Beleuchtungsstärke muss im Bereich<br />

der Fütterungs- und Tränkeeinrichtungen und im Zentrum des übrigen Aktivitätsbereiches<br />

mindestens 15 Lux betragen.<br />

Es können auch Häuschen oder Röhren in den Käfig gestellt werden. Die Decke des Rückzugs kann<br />

entweder fest sein (auf Sauberkeit achten) oder aus einem Rost bestehen.<br />

In der Regel müssen Rückzüge in Gruppen mit mehr als 5 Tieren von mehreren Seiten her<br />

zugänglich sein, damit keine Sackgassen und Engpässe entstehen. Bei nicht allzu grossen Gruppen<br />

(bis zu ca. 10 Tiere) ist ein grösserer Bereich, der nach oben und auf drei Seiten geschlossen und<br />

über die ganze Frontseite offen bleibt, akzeptabel, obwohl dieser nicht "von mehreren Seiten<br />

zugänglich" ist. In Gruppen mit mehr als 10 Tieren muss der Rückzugsbereich entweder unterteilt<br />

sein oder es müssen mindestens zwei Rückzüge vorhanden sein.<br />

Bei der Anordnung der Rückzüge, z.B. in einer Bucht, soll darauf geachtet werden, dass die Einsicht<br />

zu den Tieren für die Tierhaltenden immer noch vorhanden ist.<br />

Weniger geeignet<br />

In Zuchtboxen ist es nicht günstig, wenn der Nestbereich gleichzeitig auch als Rückzugsbereich<br />

genutzt wird (ausser der Nestbereich ist so gross oder mit zwei Kammern ausgestattet, dass die<br />

Jungen durch die Zibbe nicht gestört werden).<br />

Nicht geeignet<br />

sind nach oben offene oder zu kleine Rückzüge.<br />

Abb. 4: zu kleiner Rückzug<br />

2/3


Fachinformation Tierschutz Nr. 5.2_(1) | Oktober 2009<br />

Gesetzliche Grundlagen<br />

Tierschutzverordnung (TSchV) und Haustierverordnung (HaustierV)<br />

Art. 65 TSchV<br />

1 Gehege müssen:<br />

Gehege<br />

a. eine Bodenfläche nach Anhang 1 Tabelle 8 Ziffer 1 aufweisen oder, wenn die Bodenfläche kleiner ist, mit einer<br />

um mindestens 20 cm erhöhten Fläche ausgestattet sein, auf der die Tiere ausgestreckt liegen können;<br />

b. mindestens in einem Teilbereich so hoch sein, dass die Tiere aufrecht sitzen können.<br />

2 Gehege müssen mit einem abgedunkelten Bereich ausgestattet sein, in den sich die Tiere zurückziehen können.<br />

3 Gehege ohne Einstreu dürfen nur in klimatisierten Räumen verwendet werden.<br />

4 Gehege für hochträchtige Zibben müssen mit Nestkammern ausgestattet sein. Die Tiere müssen die<br />

Nestkammern mit Stroh oder anderem geeignetem Nestmaterial auspolstern können. Zibben müssen sich von<br />

ihren Jungen in ein anderes Abteil oder auf eine erhöhte Fläche zurückziehen können.<br />

Art. 33 HaustierV<br />

Abgedunkelte Bereiche<br />

Abgedunkelte Bereiche können mit unterschiedlichen Mitteln, wie durch eine erhöhte Fläche oder eine andere oben<br />

abgeschlossene Struktur oder eine teilweise Abdeckung der Gitterfrontseite, erreicht werden. Die Beleuchtungsstärke<br />

muss im Bereich der Fütterungs- und Tränkeeinrichtungen und im Zentrum des übrigen Aktivitätsbereiches<br />

mindestens 15 Lux betragen.<br />

3/3


Fachinformation Tierschutz<br />

Nr. 5.3_(1) | Oktober 2009<br />

Gruppenhaltung von <strong>Kaninchen</strong><br />

Die Tierschutzgesetzgebung verlangt ‒ ausser für die Jungtiere bis zu acht Wochen ‒ keine<br />

Gruppenhaltung. Jungtiere müssen in den ersten acht Wochen in Gruppen gehalten werden (Art. 64<br />

Abs. 2 TSchV).<br />

Auf der Fläche von einem Tier dürfen zwei verträgliche, ausgewachsene Tiere ohne Jungen gehalten<br />

werden (Paarhaltung) (Anhang 1 Tabelle 8 Hauskaninchen TSchV).<br />

Auch wenn die Gruppenhaltung bei ausgewachsenen <strong>Kaninchen</strong> nicht zwingend ist, werden hier zu<br />

beachtende Randbedingungen bzw. Empfehlungen abgegeben.<br />

Hintergrund<br />

Wildkaninchen sind gesellige Tiere und leben in Kolonien. Mehrere Weibchen, ihre Jungen und ein<br />

bis zwei dominante Männchen leben in einer Gruppe zusammen in einem Wohnbau. Die jungen<br />

Männchen und ein Teil der jungen Weibchen müssen die Stammgruppe mit Beginn der Geschlechtsreife<br />

in der Regel verlassen. Innerhalb der Gruppe kommt es zu Rangordnungskämpfen. Das<br />

aggressive Verhalten der Weibchen steht vor allem in Verbindung zum Sexualverhalten und der<br />

Jungenaufzucht. Eindringlinge werden aus dem Gruppenterritorium vertrieben. Positives Sozialverhalten<br />

umfasst die Verhaltensweisen Soziales Putzen, Kontaktliegen, Anschmiegen etc.<br />

Viele Studien über weibliche und männliche Haus- und Wildkaninchengruppen, welche unter<br />

natürlichen und semi-natürlichen Bedingungen sowie unter Haltungsbedingungen im Labor und in<br />

der Landwirtschaft beobachtet wurden, zeigen, dass <strong>Kaninchen</strong> ein ausgeprägtes Sozialleben in der<br />

Gruppe führen. Für Tiere, die ein derartiges Sozialsystem entwickelt haben, ist das Vorhandensein<br />

von Sozialpartnern einer der wichtigste Faktoren in der Haltung. Während Einrichtungsobjekte<br />

statisch sind, entstehen durch Sozialpartner immer neue und unvorhersehbare Situationen, auf die<br />

das Tier reagieren muss. Dadurch kommt es zu einer erhöhten Aufmerksamkeit und zu vermehrtem<br />

explorativem Verhalten, welches dem <strong>Kaninchen</strong> wiederum Zerstreuung, Beschäftigung und<br />

vermutlich auch ein „Gefühl von Sicherheit“ in einer stabilen harmonischen Gruppe gibt.<br />

Weitere Vorteile der Gruppenhaltung sind: Grössere Flächen, bessere Strukturierungsmöglichkeiten,<br />

Auswahl an Ruheplätzen, mehr Bewegung. Insgesamt bietet die Gruppenhaltung eine grössere<br />

Bandbreite bezüglich natürlichem Verhalten.<br />

Kritische Punkte<br />

Die Gruppenhaltung von <strong>Kaninchen</strong> ist aus verschiedenen Gründen nicht einfach. Sie stellt hohe Ansprüche<br />

an das Management, an die bauliche Gestaltung sowie an die Hygiene. Alternative<br />

Haltungssysteme, d.h. insbesondere Gruppen- und Freilandhaltung, verlangen von den Tierbetreuenden<br />

mehr Wissen, eine sorgfältigere Arbeitsweise und eine gute Beobachtungsgabe. Sie<br />

müssen viel über die Biologie und das Verhalten ihrer Tiere wissen.<br />

Für eine erfolgreiche Gruppenhaltung sind generell die folgenden Punkte bezüglich Haltungssysteme<br />

und Management zu beachten:<br />

1/3


Fachinformation Tierschutz Nr. 5.3_(1) | Oktober 2009<br />

• Aufteilung des Geheges in Funktionsbereiche: Futter-, Ruhe-, Rückzugs- und Aktivitätsbereich;<br />

in der Zucht zusätzlich Nestbereich und Jungenschlupf.<br />

• Strukturierung: Möglichst viele Ausweichmöglichkeiten. Dies kann mit erhöhten Flächen,<br />

"geeigneten" Rückzügen und Sichtblenden erreicht werden. Dabei dürfen aber keine Sackgassen<br />

entstehen.<br />

• Beschäftigungsmöglichkeiten: möglichst viele und abwechslungsreiche Beschäftigungsmöglichkeiten<br />

zur Ablenkung der Tiere (Raufutter ad libitum, eine Einstreu, die zur Futtersuche<br />

anregt, Äste, Nageobjekte, die regelmässig ausgewechselt werden).<br />

• Gruppenzusammensetzung: Jungtiere, nichtzüchtende Zibben oder Gruppen, bestehend<br />

aus einem Bock und Zibben, die als Jungtiere aneinander gewöhnt wurden, Zibbe und<br />

Jungtiere bis zur Geschlechtsreife (ca. 2,5–3 Monate) können in entsprechenden Anlagen<br />

unter guter Überwachung in der Regel ohne grössere Probleme zusammen gehalten werden.<br />

Bei <strong>Kaninchen</strong> bestehen grosse individuelle Unterschiede in der Verträglichkeit mit Artgenossen.<br />

Wenn möglich sollten Tiere nicht einzeln neu eingesetzt werden. Es ist von Vorteil,<br />

neue Tiere in einem für die Gruppe fremden Gehege einzuführen. Selbst dann darf dies<br />

jedoch nur bei guter Beobachtung und unter ständiger Kontrolle gemacht werden. Auch<br />

später sind die Gruppierungen immer wieder zu kontrollieren. Jungtiere sollen erst dann<br />

einzeln gehalten werden, wenn im Zusammenhang mit der sich entwickelnden<br />

Geschlechtsreife zu befürchten ist, dass intolerante Verhaltensweisen, welche vor allem<br />

männliche Tiere zeigen, zu gegenseitig zugeführten Verletzungen führen.<br />

• Gruppengrösse: Bei nichtzüchtenden Tieren sind Gruppengrössen von 3-15 Tieren, in der<br />

Zucht von 4-6 Tieren und in der Mast von 16-20 Tieren am besten geeignet. Unter<br />

Umständen sind auch grössere Gruppen erfolgreich.<br />

• Hygiene: Die gemeinsame Haltung von vielen Tieren erhöht das Krankheitsrisiko. Deshalb<br />

muss hier besonders auf die Hygiene geachtet werden. Kotplätze sollten so oft als möglich<br />

ausgemistet oder mit frischem Stroh überdeckt werden. Die Materialien sollen leicht zu<br />

reinigen sein. Bezüglich Hygiene ist es von Vorteil, im Futter- und Tränkebereich einen Rost<br />

als Unterlage zu verwenden.<br />

Neben diesen Empfehlungen gelten für die Gruppenhaltung die gleichen gesetzlichen Anforderungen<br />

wie für die Einzelhaltung (Nageobjekte, für die Zibbe Rückzug vor den Jungen, abgedunkelter<br />

Bereich etc.).<br />

Flächen<br />

Mindestflächen für die Gruppenhaltung von erwachsenen <strong>Kaninchen</strong> sind in der TSchV nicht<br />

festgelegt (Ausnahme: Paarhaltung). Die folgenden empfohlenen Mindestmasse entsprechen ungefähr<br />

denen der Labortierhaltung (European Convention for the Protection of Vertebrate Animals used<br />

for Experimental and other Scientific Purposes ETS 123).<br />

Tiere der mittleren Gewichtsklassen, ohne Wurf, ohne/mit erhöhten Ebenen:<br />

1 Tier 7200 cm 2 / 2 Tiere 7200 cm 2 / 3. Tier zusätzlich 5000 cm 2 = 12'200 cm 2<br />

4. Tier zusätzlich 5000 cm 2 = 17'200 cm 2 / 5. Tier zusätzlich 4000 cm 2 = 21'200 cm 2<br />

und für jedes weitere Tier 4000 cm 2 .<br />

Zibben mit Wurf:<br />

Für jede Zibbe ist die geforderte Mindestfläche von 7200 cm 2 plus die geforderte Nestfläche<br />

entsprechend TSchV vorgeschrieben.<br />

Für Tiere der kleineren Gewichtsklassen können die Mindestmasse um einen Drittel reduziert<br />

werden, d.h. es ist ein Faktor von 0.67 anzuwenden (d.h. 3. Tier zusätzlich ca. 3300 cm 2 ) und bei<br />

Tieren der grössten Gewichtsklasse müssen die Mindestmasse um einen Faktor von 1.2 vergrössert<br />

werden.<br />

2/3


Fachinformation Tierschutz Nr. 5.3_(1) | Oktober 2009<br />

Es fehlen weitgehend Untersuchungen zum Flächenangebot bei der Gruppenhaltung von adulten<br />

<strong>Kaninchen</strong> und Erfahrungen mit der Gruppenhaltung von Zuchtzibben in miteinander verbundenen<br />

Boxen. Es ist deshalb denkbar, dass in Zukunft strengere Mindestanforderungen formuliert werden.<br />

Für die Mast- bzw. Jungtiere gelten die Mindestflächen nach der Tabelle 8 Hauskaninchen des<br />

Anhangs 1 der TSchV.<br />

Mastgruppen<br />

Mögliche Massnahmen bei Verletzungen: Bei jüngeren Tieren Strukturierung und Beschäftigungsmöglichkeiten<br />

verbessern, bei älteren Tieren sollen die Männchen so früh wie möglich und nötig<br />

geschlachtet werden. Rein/Raus-Verfahren in der Mast sind von der Hygiene her von Vorteil. Das<br />

Gehege sollte so gebaut sein, dass es leicht demontiert und gereinigt werden kann.<br />

Zuchtgruppen<br />

Bei der Haltung von <strong>Kaninchen</strong> in Zuchtgruppen ist neben der sorgfältigen Strukturierung des<br />

Geheges für jede Zibbe mindestens eine Nestbox anzubieten. Die Nesteingänge sollen möglichst<br />

weit auseinander liegen oder visuell getrennt sein, um Auseinandersetzungen zu vermeiden. Damit<br />

ältere Jungtiere nicht in Nester mit jüngeren Würfen gehen und nicht von fremden Zibben belästigt<br />

werden können, soll ihnen ein nur für sie zugänglicher "Jungenschlupf" zur Verfügung stehen.<br />

Gesetzliche Grundlagen<br />

Tierschutzverordnung (TSchV)<br />

Art. 64 TSchV<br />

Beschäftigung sowie Gruppenhaltung von Jungtieren<br />

1<br />

<strong>Kaninchen</strong> müssen täglich mit grob strukturiertem Futter wie Heu oder Stroh versorgt werden sowie ständig<br />

Objekte zum Benagen zur Verfügung haben.<br />

2 Jungtiere dürfen in den ersten acht Wochen nicht einzeln gehalten werden.<br />

3/3


Fachinformation Tierschutz<br />

Nr. 5.4_(1) | Oktober 2009<br />

Nageobjekte für <strong>Kaninchen</strong><br />

<strong>Kaninchen</strong> müssen täglich mit grob strukturiertem Futter wie Heu oder Stroh versorgt werden sowie<br />

ständig Objekte zum Benagen zur Verfügung haben (Art. 64 Abs. 1 TSchV).<br />

Hintergrund<br />

Raufutter ist wichtig für die Verdauung und für das Verhalten in Zusammenhang mit Futtersuche,<br />

Erkunden und Nestverhalten. Nageobjekte lösen vielfältiges Verhalten aus, wie selbstverständlich<br />

Nagen, aber auch Markierverhalten (Chinning = mit Kinndrüsen markieren) und Erkunden<br />

(Beschnuppern). Reizarmut und Mangel an Beschäftigung führen zu Verhaltensstörungen wie<br />

Gitternagen. Mit zum Nagen geeigneten Objekten können sich die <strong>Kaninchen</strong> beschäftigen, d.h. die<br />

Gesamtaktivität wird erhöht bzw. "Langeweile" vermieden.<br />

Geeignete Nageobjekte<br />

Geeignete Nageobjekte sind generell frische ungiftige Äste. In der Praxis hat man gute Erfahrungen<br />

mit Haselnuss-, Weiden- und Tannenästen gemacht. Weitere geeignete Äste sind Kernobst, Eiche,<br />

Esche, Linde, Birke, Pappel etc.<br />

Geeignet als Nagematerial sind auch Holzstücke und Holzstrukturen in den Anlagen aus naturbelassenem<br />

Weichholz. Es können speziell Holzstücke zum Benagen an den Wänden oder an den<br />

Kanten von Einrichtungen montiert werden. Tannenholz eignet sich hierfür besonders.<br />

Bei "Fressobjekten" wie trockenes Brot, Rüben, Maiskolben etc. muss darauf geachtet werden, dass<br />

diese, wenn sie aufgebraucht wurden, auch sofort ersetzt werden, v.a. wenn sie einziges Nageobjekt<br />

sind. Zudem sollten die Fressobjekte sauber bleiben.<br />

Um die Reizqualität zu verbessern ist es günstig, mehrere Arten von Nagematerial oder verschiedene<br />

Objekte abwechselnd anzubieten.<br />

Ungeeignete Nageobjekte<br />

Nicht geeignete Nageobjekte sind Holzstücke und Stalleinrichtungen aus Hartholz (z.B. Buche,<br />

Eiche, tropische Hölzer etc.) sowie beschichtetes, verleimtes oder bemaltes Holz. Es dürfen nur<br />

ungespritzte Obstzweige angeboten werden.<br />

Ungeeignet als Nageobjekte sind auch Heupellets, die kaum viel grösser als Futterkörner sind.<br />

Pellets als Nageobjekte müssen mindestens so gross sein, dass sie nicht direkt ins Maul<br />

aufgenommen werden können. Die <strong>Kaninchen</strong> sollen Nagebewegungen daran ausführen können,<br />

wie dies zum Beispiel an hartem Brot zu beobachten ist.<br />

1/2


Fachinformation Tierschutz Nr. 5.4_(1) | Oktober 2009<br />

Gesetzliche Grundlagen<br />

Tierschutzverordnung (TSchV)<br />

Art. 64 TSchV<br />

Beschäftigung sowie Gruppenhaltung von Jungtieren<br />

1 <strong>Kaninchen</strong> müssen täglich mit grob strukturiertem Futter wie Heu oder Stroh versorgt werden sowie ständig<br />

Objekte zum Benagen zur Verfügung haben.<br />

2 Jungtiere dürfen in den ersten acht Wochen nicht einzeln gehalten werden.<br />

2/2


Fachinformation Tierschutz<br />

Nr. 5.5_(1) | Oktober 2009<br />

Nester für <strong>Kaninchen</strong><br />

Gehege oder Käfige für hochträchtige Zibben müssen mit Nestkammern ausgestattet sein. Die Tiere<br />

müssen die Nestkammern mit Stroh oder anderem geeignetem Nestmaterial auspolstern können<br />

(Art. 65 Abs. 4 TSchV).<br />

Die Minimalflächen der Nestkammern betragen je nach Gewicht der Zibben 800-1200 cm 2 (Anhang 1<br />

Tabelle 8 Hauskaninchen TSchV).<br />

Hintergrund<br />

Unter natürlichen oder naturnahen Bedingungen graben die Zibben einige Tage vor dem Werfen<br />

eine Setzröhre mit einer Kammer für das Nest. Sie tragen Nestmaterial ein und reissen sich<br />

unmittelbar vor dem Werfen an Brust, Bauch und Flanken Haare aus und polstern damit zusätzlich<br />

das Nest aus. Die Jungen werden etwa alle 24 Stunden für nur 2-3 Minuten gesäugt. Nach dem<br />

Säugen verschliesst die Zibbe die Setzröhre und verlässt die Nestumgebung.<br />

Geeignetes Nestmaterial<br />

ist Stroh, Heu, Strohhäcksel, Papierschnitzel etc. Die Bedingung ist, dass die Zibben es selber eintragen<br />

können.<br />

Minimale Gestaltung der Nestkammer<br />

Eine Minimallösung ist zum Beispiel ein durch eine feste Wand und eine Schwelle abgegrenzter<br />

Bereich innerhalb des Käfigs. Die Schwelle (mind. 8 cm) dient dazu, dass Junge, die nach dem<br />

Säugen an den Zitzen hängen bleiben, abgestreift werden und dass die Jungen das Nest nicht allzu<br />

früh verlassen. Der Nestbereich kann nach oben auch offen sein.<br />

Geeignete Nestkammern<br />

Nestkammern sollen möglichst weit weg vom Aufenthaltsort der Zibben (Futterbereich, Liegeplätze)<br />

sein. In Käfigen ist es am besten, wenn eigentliche Nestkästen ausserhalb am Käfig befestigt<br />

werden. Das Nachbarabteil als Nestkammer einzusetzen ist möglich. In diesem Falle soll dieses<br />

abgedunkelt werden. Wird das Nachbarabteil als Nestkammer angeboten braucht es keine<br />

1/2


Fachinformation Tierschutz Nr. 5.5_(1) | Oktober 2009<br />

zusätzliche Abgrenzung zum Nest und ein Teil des zweiten Abteils kann von den Tieren als<br />

zusätzliche Fläche genutzt werden.<br />

Günstig ist, wenn die Zibbe den Nesteingang selber verschliessen kann. Als Nesteingänge eignen<br />

sich spezielle Nestöffnungen oder tunnelartige Neströhren. Wichtig ist, dass die Nestkästen gut<br />

belüftet werden, damit entstehende Feuchtigkeit entweichen kann.<br />

Weniger geeignet<br />

Nestkästen, die in den Käfig gestellt werden, sind weniger geeignet. Wegen der Erschütterungen und<br />

weil die unmittelbare Nähe von Nest und Aufenthaltsort der Zibbe vermieden werden soll, ist es ungünstig,<br />

wenn Zibben auf die Decke des Nestkastens springen können. Das heisst, die erhöhte<br />

Ebene soll nicht gleichzeitig die Nestabdeckung sein. Dies gilt vor allem für Ställe, in denen keine<br />

weiteren erhöhten Flächen vorhanden sind.<br />

Gesetzliche Grundlagen<br />

Tierschutzverordnung (TSchV)<br />

Art. 65 TSchV<br />

1<br />

Gehege müssen:<br />

Gehege<br />

a. eine Bodenfläche nach Anhang 1 Tabelle 8 Ziffer 1 aufweisen oder, wenn die Bodenfläche kleiner ist, mit einer<br />

um mindestens 20 cm erhöhten Fläche ausgestattet sein, auf der die Tiere ausgestreckt liegen können;<br />

b. mindestens in einem Teilbereich so hoch sein, dass die Tiere aufrecht sitzen können.<br />

2 Gehege müssen mit einem abgedunkelten Bereich ausgestattet sein, in den sich die Tiere zurückziehen können.<br />

3 Gehege ohne Einstreu dürfen nur in klimatisierten Räumen verwendet werden.<br />

4 Gehege für hochträchtige Zibben müssen mit Nestkammern ausgestattet sein. Die Tiere müssen die<br />

Nestkammern mit Stroh oder anderem geeignetem Nestmaterial auspolstern können. Zibben müssen sich von<br />

ihren Jungen in ein anderes Abteil oder auf eine erhöhte Fläche zurückziehen können.<br />

2/2


Fachinformation Tierschutz<br />

Nr. 5.6_(1) | Oktober 2009<br />

Wasserbedarf bei <strong>Kaninchen</strong><br />

Tiere sind regelmässig und ausreichend mit geeignetem Futter und mit Wasser zu versorgen.<br />

Werden Tiere in Gruppen gehalten, muss die Tierhalterin oder der Tierhalter dafür sorgen, dass<br />

jedes Tier genügend Futter und Wasser erhält (Art. 4 Abs. 1 TSchV).<br />

Hintergrund<br />

Es heisst zwar oft, dass <strong>Kaninchen</strong> 90% des Wasserbedarfs über Saftfutter decken können, aber in<br />

vielen neueren Publikationen und Haltungsanforderungen steht, dass den <strong>Kaninchen</strong> ständig Wasser<br />

zur Verfügung stehen muss. Eine unzureichende Tränkung der <strong>Kaninchen</strong> kann zu Harn- und<br />

Blasensteinen sowie zu Reproduktionsstörungen führen. Ein Mangel an Wasser begrenzt die Futteraufnahme.<br />

Entscheidend für die Menge der Wasseraufnahme ist der Feuchtigkeitsgehalt des Futters, das Alter<br />

der Tiere, die Leistung und das Körpergewicht aber auch das Stallklima, die Luftfeuchtigkeit, die<br />

Temperatur etc. <strong>Kaninchen</strong> trinken sehr viel, besonders, wenn ihre Hauptnahrung aus Trockenfutter<br />

besteht. Der Wasserbedarf steigt in den warmen Sommermonaten stark an. Bei den Richtwerten für<br />

den täglichen Wasserverbrauch findet man in der Literatur verschiedene Angaben: Im Durchschnitt<br />

dürften ausgewachsene Tiere ca. 0.25 Liter Wasser pro Tag benötigen. Zibben vor dem Werfen<br />

hingegen nehmen ca. einen Liter Wasser pro Tag auf, säugende Zibben bei Trockenfütterung sogar<br />

bis zu etwa 2 Liter.<br />

Problem<br />

Unter besonderen Umständen mag es sein, dass die <strong>Kaninchen</strong> den Wasserbedarf über Grünfutter<br />

und Wurzelfrüchte decken können. Es besteht in der Praxis jedoch häufig keine Garantie, dass<br />

genügend Grünfutter in geeigneter Form angeboten wird. Da viele Faktoren den Wasserbedarf<br />

beeinflussen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Tiere trotz Saftfuttergabe Durst haben.<br />

Vor allem bei erhöhten Temperaturen und bei säugenden Zibben steigt der Wasserbedarf stark an.<br />

Forderung<br />

In jeder Haltungsform muss täglich frisches Wasser vorhanden sein. Das heisst, es muss ersichtlich<br />

sein, dass die <strong>Kaninchen</strong> mindestens 1x täglich ihren Bedürfnissen entsprechend ausreichend<br />

Wasser erhalten. Besser ist sicher, Wasser möglichst mehrmals täglich oder permanent anzubieten.<br />

Ständig zur Verfügung stehen muss Wasser, wenn die <strong>Kaninchen</strong> ausschliesslich Trockenfutter<br />

erhalten. Wasser von guter Qualität heisst: Das Wasser darf nicht mit Kot, Futterresten etc.<br />

verschmutzt sein und sollte Trinkwasseranforderungen genügen.<br />

Tränkesysteme<br />

Für kleinere Bestände eignen sich Tonschalen oder Wasserflaschen (Achtung Veralgung!). Für<br />

grössere <strong>Kaninchen</strong>zuchten empfiehlt sich ein Tränkesystem mit Nippeltränke.<br />

1/2


Fachinformation Tierschutz Nr. 5.6_(1) | Oktober 2009<br />

Literatur: Drescher, B., Hanisch, A., 1995: Prüfung verschiedener Wassertränken unter Berücksichtigung des physiologischen<br />

Trinkverhaltens von <strong>Kaninchen</strong>. Dtsch. tierärztl. Wschr. 102: 365 - 369 Schein, F., 1993: Richtige Ernährung von<br />

<strong>Kaninchen</strong> (II): Mastkaninchen. DGS 24, 16-18 Schlolaut, W. 2003: Das grosse Buch vom <strong>Kaninchen</strong>. DLG-Verlag.<br />

Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. TVT; <strong>Kaninchen</strong>haltung - Merkblatt 78. 2000. Winkelmann, J.; Lammers, H.-<br />

J., 1996: <strong>Kaninchen</strong>krankheiten. Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart.<br />

Gesetzliche Grundlagen<br />

Tierschutzverordnung (TSchV)<br />

Art. 4 TSchV<br />

Fütterung<br />

1 Tiere sind regelmässig und ausreichend mit geeignetem Futter und mit Wasser zu versorgen. Werden Tiere in<br />

Gruppen gehalten, so muss die Tierhalterin oder der Tierhalter dafür sorgen, dass jedes Tier genügend Futter und<br />

Wasser erhält.<br />

2 Den Tieren ist die mit der Nahrungsaufnahme verbundene arttypische Beschäftigung zu ermöglichen.<br />

3 Lebende Tiere dürfen nur für Wildtiere als Futter verwendet werden. Voraussetzung dafür ist, dass das Wildtier<br />

normales Fang- und Tötungsverhalten zeigt und:<br />

a. die Ernährung nicht mit toten Tieren oder anderem Futter sichergestellt werden kann;<br />

b. eine Auswilderung vorgesehen ist; oder<br />

c. Wildtier und Beutetier in einem gemeinsamen Gehege gehalten werden, wobei das Gehege auch für<br />

das Beutetier tiergerecht eingerichtet sein muss.<br />

2/2


Fachinformation Tierschutz<br />

Nr. 5.7_(1) | Oktober 2009<br />

Sozialkontakte bei <strong>Kaninchen</strong><br />

Nach Artikel 13 der Tierschutzverordnung sind Tieren soziallebender Arten angemessene<br />

Sozialkontakte mit Artgenossen zu ermöglichen. Dieser Artikel enthält die Einschränkung<br />

"angemessene" und ist für <strong>Kaninchen</strong> folgendermassen umzusetzen:<br />

Es soll im Mindesten ein geruchlicher und akustischer Kontakt zu den anderen im Stall anwesenden<br />

<strong>Kaninchen</strong> bestehen. Auch für die Heimkaninchen-Haltung gilt, dass ein <strong>Kaninchen</strong> nicht gehalten<br />

werden darf, wenn keine anderen <strong>Kaninchen</strong> im gleichen Raum sind. "Soziale" Fenster, z.B. Gitter in<br />

den Wänden, können empfohlen, sollen aber nicht gefordert werden.<br />

In Artikel 64 Absatz 2 TSchV wird der Grundsatz des Sozialkontaktes konkretisiert, indem Jungtiere<br />

in den ersten 8 Wochen nicht einzeln gehalten werden dürfen.<br />

Zusätzlich wird in der Tabelle 8 Anhang 1 der Tierschutzverordnung die Paarhaltung von adulten<br />

nicht reproduzierenden <strong>Kaninchen</strong> geregelt.<br />

Weshalb ist die Gruppenhaltung adulter <strong>Kaninchen</strong> nicht obligatorisch?<br />

Das BVET ist der Meinung, dass Gruppenhaltung das anzustrebende Ziel für die tiergerechte<br />

Haltung von <strong>Kaninchen</strong> darstellt, diese ist aber nicht immer mit ausreichender Sicherheit zu<br />

realisieren. Jungtiere werden in verschiedenen Haltungen bis zur Geschlechtsreife zusammen<br />

gehalten und reproduzierende Zibben haben Kontakt zu ihren Jungen bis zu deren Absetzen. Bei der<br />

Gruppenhaltung von adulten Tieren sind noch viele Fragen offen, z.B. bezüglich Hygiene, Gesundheit<br />

und vor allem im Hinblick auf die Vermeidung von Aggressionen zwischen den Tieren, die zu<br />

schweren Verletzungen führen können. Tiere, die angegriffen werden, können im Haltungssystem<br />

nicht aus der Gruppe fliehen.<br />

Mit züchtenden Tieren ist die Gruppenhaltung generell noch schwieriger. Es gibt grosse individuelle<br />

Unterschiede in der Verträglichkeit. Erwachsene Rammler können kaum zusammengehalten werden<br />

und es ist schwierig, Gruppen von adulten Tieren neu zusammenzusetzen, weil ein grosses<br />

Verletzungsrisiko besteht. Überdies treten oft Probleme mit der Reproduktion auf. In einer<br />

Untersuchung in Holland wurde in der Gruppenhaltung gegenüber der Einzelhaltung zum Beispiel<br />

eine geringere Fruchtbarkeit und ein geringeres Absetzgewicht festgestellt.<br />

Was wird gemacht, um dem Ziel "Gruppenhaltung von adulten <strong>Kaninchen</strong>" näher zu<br />

kommen?<br />

Um dem Ziel Gruppenhaltung von <strong>Kaninchen</strong> näher zu kommen, sind Informationen, Beratungen,<br />

wissenschaftliche Untersuchungen und das Sammeln von Erfahrungen etc. wichtig.<br />

Das BVET sucht selber im Rahmen von wissenschaftlichen Untersuchen nach Möglichkeiten um<br />

durch die Ausgestaltung des Haltungssystems und die Anpassung des Managements die<br />

Gruppenhaltung "handhabbarer" zu machen. In einer weiteren Fachinformation des BVET sind<br />

Ratschläge für die Gruppenhaltung soweit erkannt formuliert<br />

(http://www.bvet.admin.ch/tsp/02262/02661/index.html?lang=de).<br />

1/2


Fachinformation Tierschutz Nr. 5.7_(1) | Oktober 2009<br />

Bei den <strong>Kaninchen</strong>halterinnen und -halter im Heimtierbereich verstärkt sich das Bewusstsein, dass<br />

<strong>Kaninchen</strong> nicht einzeln gehalten werden sollen. Das zeigt sich unter anderem in dem in diesem<br />

Sommer durchgeführten Wettbewerb von BVET-Coop.<br />

Auch bei den Rassezüchterinnen und -züchter gibt es heute Versuche zu Gruppenhaltungen: Die<br />

Jungzibben z.B. werden möglichst lange zusammen gehalten. Vereinzelt versuchen Züchter und<br />

Züchterinnen, die Zuchtkaninchen in Gruppen zu halten, oder diese zumindest nach der Zuchtsaison<br />

zusammen zu lassen. Doch auch in diesem Bereich sind noch viele Fragen offen (Rassenvergleich<br />

bezüglich Verträglichkeit, geeignete Haltungssysteme, etc.).<br />

Art. 13 TSchV<br />

Soziallebende Arten<br />

Tieren soziallebender Arten sind angemessene Sozialkontakte mit Artgenossen zu ermöglichen.<br />

Art. 64 TSchV<br />

Beschäftigung sowie Gruppenhaltung von Jungtieren<br />

1 <strong>Kaninchen</strong> müssen täglich mit grob strukturiertem Futter wie Heu oder Stroh versorgt werden sowie ständig<br />

Objekte zum Benagen zur Verfügung haben.<br />

2 Jungtiere dürfen in den ersten acht Wochen nicht einzeln gehalten werden.<br />

2/2


Fachinformation Tierschutz<br />

Nr. 5.8_(1) | 23. November 2009<br />

Schlachtung von <strong>Kaninchen</strong><br />

I. Umgang mit Schlachtkaninchen<br />

a. Einfangen: Für die Beförderung zum Schlachtbetrieb oder – bei Schlachtungen zum<br />

Eigengebrauch – aus den Stallungen zum Schlachtort werden <strong>Kaninchen</strong> in Behältern<br />

transportiert. Das <strong>Kaninchen</strong> wird durch Fassen an reichlich Nackenfell mit einer Hand<br />

hochgehoben und mit der anderen Hand unter dem Hinterteil (Becken) gestützt. Für ein kurzes<br />

Umsetzen vom Stall in das Transportgebinde kann das <strong>Kaninchen</strong> auch mit beiden Händen um<br />

den Bauch gefasst werden. Der Nachteil dieser Methode ist, dass das <strong>Kaninchen</strong> seine Krallen<br />

zur Abwehr einsetzen kann, der Vorteil jedoch ist, dass auf dem Schlachtkörper im<br />

Nackenbereich keine Blutungen und Fingerabdrücke manifest werden. <strong>Kaninchen</strong> soll man nicht<br />

an den Ohren hochheben!<br />

b. Transport: Beim Transport in Behältern müssen geeignete Massnahmen getroffen werden, damit<br />

die <strong>Kaninchen</strong> nicht überhitzen und bei kalter Witterung und Wind geschützt sind. Das<br />

Zusammenbringen von <strong>Kaninchen</strong> aus verschiedenen Ställen und Haltungsgruppen in demselben<br />

Transportbehälter ist zu vermeiden, da sich rasch Rangkämpfe entwickeln können, welche zu<br />

Stress und somit zur Verminderung der Fleischqualität führen.<br />

II. Betäubung<br />

Die Schlachtung von <strong>Kaninchen</strong> untersteht der Betäubungs- und Entblutepflicht.<br />

Drei Betäubungsmethoden sind zugelassen:<br />

1. Bolzen- oder Kugelschuss ins Gehirn<br />

Abb. 1: Korrekter Schussansatz und korrekte Schussrichtung: Zwischen den Ohren in Richtung Unterkiefer<br />

1/3


Fachinformation Tierschutz Nr. 5.8_(1) | 23. November 2009<br />

Abb. 2: Beispiel eines Federbolzen-Schussapparates<br />

Abb. 3: Beispiel eines Bolzen-Schussapparates mit Patronen<br />

2. Stumpfe Schuss-Schlagbetäubung<br />

Abb. 4: Beispiel für ein Schuss-Schlag-Betäubungsgerät (stumpfer Bolzen, Druckluft getrieben).<br />

2/3


Fachinformation Tierschutz Nr. 5.8_(1) | 23. November 2009<br />

3. Elektrizität<br />

Abb. 5: Beispiel für eine V-Elektrozange zur Elektrobetäubung<br />

Die Elektroden sind so am Kopf anzusetzen, dass der Strom durch das Gehirn fliessen kann.<br />

Anforderungen an die Elektrobetäubungsgeräte bei der <strong>Kaninchen</strong>betäubung:<br />

Mindestens 0,4 Ampère in der ersten Sekunde, während 8 Sekunden, 220 Volt, 50 Hz, bei<br />

konstanter Stromstärke A (Konstantstrom)<br />

Reaktionen der <strong>Kaninchen</strong> nach der Betäubung:<br />

a. Verkrampfung der Muskulatur während ca. 10 Sekunden mit anschliessenden rythmischen<br />

Krämpfen (sofortiges Erschlaffen ohne Krämpfe kann auf eine ungenügende Betäubung<br />

hinweisen)<br />

b. Verstärkter Speichelfluss<br />

c. Keine Reaktion beim Berühren der Hornhaut<br />

d. Keine Anzeichen einer regelmässigen Atmung<br />

Anzeichen einer Fehlbetäubung sind:<br />

a. Wiedereinsetzen der Atmung<br />

b. Aufrichten des Körpers oder des Kopfes<br />

c. Reaktion auf Schmerzreiz (Entblutestich)<br />

d. Reaktion auf Berührung der Hornhaut mit Lidschluss oder Wegziehen des Kopfes<br />

III. Entblutung<br />

Die Entblutung hat immer unmittelbar nach der Betäubung zu erfolgen, d.h. nach dem Federbolzenoder<br />

Kugelschuss innerhalb von 20 Sekunden und nach der Elektrobetäubung und Schuss-<br />

Schlagbetäubung innerhalb von 10 Sekunden. Die Entblutung erfolgt mit einem Schnitt durch den<br />

Hals, damit mindestens ein Hauptversorgungs-Blutgefäss eröffnet wird. Mit der eigentlichen<br />

Schlachttätigkeit soll erst begonnen werden, wenn sich das entblutete <strong>Kaninchen</strong> nicht mehr bewegt.<br />

3/3


Fachinformation Tierschutz Nr. 5.8_(1) | 23. November 2009<br />

Abb. 6: Korrekter Schnitt (rot) durch den Hals, um mindestens ein Hauptversorgungs-Blutgefässe (Arterie) zu<br />

eröffnen.<br />

Alternativ kann auch ein Schnitt von der Kehle bis zur Wirbelsäule durchgeführt werden, wobei beide<br />

Hauptversorgungs-Blutgefässe durchtrennt werden.<br />

Gesetzliche Grundlagen<br />

Tierschutzverordnung SR 455.1<br />

Amtsverordnung über den Tierschutz beim Schlachten inkl. Anhänge<br />

(Inkrafttreten ca. Februar 2010)<br />

VSFK SR 817.190<br />

VHyS SR 817.190.1<br />

4/3


Tierschutz-Kontrollhandbuch<br />

Baulicher und qualitativer Tierschutz<br />

<strong>Kaninchen</strong><br />

Version 1.0<br />

1. November 2008


TIERSCHUTZ-KONTROLLHANDBUCH<br />

KANINCHEN<br />

Version 1.0<br />

Grundlagen: Tierschutzgesetz vom 16. Dezember 2005<br />

Tierschutzverordnung vom 23. April 2008<br />

Verordnung des BVET über die Haltung von Nutztieren und Haustieren<br />

vom 27. August 2008<br />

Herausgeber:<br />

Technische Weisung des Bundesamts für Veterinärwesen (BVET)<br />

Das Ergebnis der Tierschutzkontrolle ist auf dem tierartspezifischen Kontrollbericht zu erfassen.<br />

Wichtige Adressen:<br />

Zentrum für tiergerechte Haltung: Geflügel und <strong>Kaninchen</strong>, BVET,<br />

CH-3052 Zollikofen (Tel. 031 915 35 17)<br />

KIP Koordinationsgruppe ÖLN-Richtlinien Tessin und Deutschschweiz, c/o<br />

<strong>AG</strong>RIDEA, Eschikon 28, CH-8315 Lindau (Tel. 052 354 97 43)<br />

- 1 -


Tierschutz-Kontrollhandbuch <strong>Kaninchen</strong> Version 1.0<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Baulicher Tierschutz 3<br />

Bewilligungsverfahren ..............................................................................................................................3<br />

Hinweis zu den Massen ...........................................................................................................................3<br />

Hinweis zu Übergangsfristen ...................................................................................................................3<br />

Definition "Nutzungsänderung" ................................................................................................................3<br />

Definition von "neu eingerichtet" ..............................................................................................................3<br />

1. MINDESTABMESSUNGEN DER GEHEGE ...........................................................................................4<br />

2. ERHÖHTE FLÄCHE ................................................................................................................................4<br />

3. FÜTTERUNGEN UND TRÄNKEN...........................................................................................................5<br />

4. NESTER...................................................................................................................................................5<br />

5. BÖDEN ....................................................................................................................................................5<br />

6. SICHERSTELLUNG DER FRISCHLUFTZUFUHR .................................................................................5<br />

Qualitativer Tierschutz 6<br />

7. BELEGUNG DER GEHEGE....................................................................................................................6<br />

8. EINZELHALTUNG...................................................................................................................................6<br />

9. FÜTTERUNG UND BESCHÄFTIGUNG..................................................................................................6<br />

10. RÜCKZUGSMÖGLICHKEITEN...............................................................................................................6<br />

11. EINSTREU ...............................................................................................................................................6<br />

12. BELEUCHTUNG......................................................................................................................................7<br />

13. LUFTQUALITÄT IM STALL ....................................................................................................................7<br />

14. LÄRM .......................................................................................................................................................7<br />

15. ELEKTRISIERENDE STEUERVORRICHTUNGEN IM STALL ..............................................................7<br />

16. VERSORGUNG MIT WASSER ...............................................................................................................7<br />

17. VERLETZUNGEN....................................................................................................................................7<br />

18. TIERPFLEGE...........................................................................................................................................8<br />

19. AUSBILDUNG .........................................................................................................................................8<br />

- 2 -


Tierschutz-Kontrollhandbuch <strong>Kaninchen</strong> Version 1.0<br />

BAULICHER TIERSCHUTZ<br />

Bewilligungsverfahren<br />

Im Rahmen des Bewilligungsverfahrens des Bundesamtes für Veterinärwesen für serienmässig hergestellte<br />

Aufstallungssysteme und Stalleinrichtungen wird für die Dauer der praktischen Prüfung auf Tiergerechtheit eine<br />

befristete Bewilligung erteilt. Diese, wie auch definitive Bewilligungen, können mit Auflagen und Abweichungen<br />

von den Mindestanforderungen versehen sein.<br />

Hinweis zu den Massen<br />

Die Distanzmasse sind immer lichte Weiten.<br />

lichte Weite<br />

Hinweis zu Übergangsfristen<br />

Je nach Vorschrift bestehen Übergangsfristen für am 1. September 2008 bestehende Stallungen. Weiter können<br />

bestimmte Vorschriften auch nur für neu eingerichtete Ställe, Buchten, Boxen etc. gelten.<br />

Die sich hieraus jeweils ergebenden unterschiedlichen Anforderungen sind im Kontrollhandbuch durch graue<br />

Balken gekennzeichnet.<br />

Definition "Nutzungsänderung"<br />

Einrichtung eines Haltungssystems in bestehenden Gebäuden, Einrichtung eines Haltungssystems für Tiere<br />

einer anderen Tierart oder einer anderen Kategorie derselben Tierart oder Einrichtung eines neuen Haltungssystems<br />

für Tiere derselben Kategorie.<br />

Definition von "neu eingerichtet"<br />

Neubauten oder Gebäude, die eine Nutzungsänderung erfahren haben, sowie Anbauten, die neu gebaut oder<br />

erweitert werden, gelten als neu eingerichtet.<br />

Werden an Haltungssystemen Instandhaltungsmassnahmen vorgenommen, die über den Ersatz einzelner Elemente<br />

der Stalleinrichtung hinausgehen, so ist zu prüfen, ob sich der Raum so aufteilen lässt, dass für Standplätze,<br />

Liegeboxen, Liegebereiche, Laufgänge, Fressplätze und Fressplatzbereiche die genannten Mindestanforderungen<br />

für neu eingerichtete Ställe eingehalten werden.<br />

Die kantonale Fachstelle kann in den oben genannten Fällen Abweichungen von den Mindestanforderungen<br />

bewilligen. Sie berücksichtigt dabei den der Tierhalterin oder dem Tierhalter entstehenden Aufwand und das<br />

Wohlergehen der Tiere.<br />

- 3 -


Tierschutz-Kontrollhandbuch <strong>Kaninchen</strong> Version 1.0<br />

1. MINDESTABMESSUNGEN DER GEHEGE<br />

Erfüllt wenn:<br />

- folgende Mindestmasse eingehalten werden:<br />

Tierkategorie<br />

1) 2)<br />

Adulte <strong>Kaninchen</strong><br />

kg bis 2,3 2,3 - 3,5 3,5 - 5,5 >5,5<br />

1 Gehege ohne erhöhte Flächen:<br />

11 Bodenfläche 3) cm 2 3400 4800 7200 9300<br />

12 Gehegehöhe 4) cm 40 50 60 60<br />

2 Gehege mit erhöhten Flächen:<br />

21 Gesamtfläche 3) (Bodenfläche und erhöhte Fläche) cm 2 2800 4000 6000 7800<br />

22 davon Bodenfläche minimal cm 2 2000 2800 4200 5400<br />

23 Gehegehöhe 4) cm 40 50 60 60<br />

3 zusätzliche Fläche für Nestkammer cm 2 800 1000 1000 1200<br />

Tierkategorie<br />

Jungtiere ab Absetzen bis Geschlechtsreife<br />

4 Gehegeflächen und -höhen wie Adulte<br />

41 Maximale Anzahl (n) Jungtiere auf dieser Fläche n 3 3 4 5<br />

42<br />

421<br />

422<br />

43<br />

431<br />

432<br />

Für jedes weitere Jungtier bis 1,5 kg Körpergewicht 5)<br />

in Gruppen bis 40 Tiere<br />

in Gruppen über 40 Tiere<br />

Für jedes weitere Jungtier ab 1,5 kg Körpergewicht 5)<br />

in Gruppen bis 40 Tiere<br />

in Gruppen über 40 Tiere<br />

cm 2<br />

1000<br />

cm 2 800<br />

cm 2<br />

1500<br />

cm 2 1200<br />

Anmerkungen<br />

1) Zibben mit Jungen bis etwa zum 35. Alterstag, Rammler, Zibben ohne Junge. Auf der doppelten Mindestfläche<br />

(Doppelbox) kann die Zibbe mit ihren Jungen bis zu deren 56. Alterstag gehalten werden.<br />

2) Nicht angepasst werden müssen <strong>Kaninchen</strong>käfige, die vor dem 1. Dezember 1991 gebaut wurden, wenn sie<br />

mehr als 85 Prozent der Bodenfläche nach Ziffer 11 aufweisen.<br />

3) Auf dieser Fläche dürfen ein oder zwei verträgliche, ausgewachsene Tiere ohne Junge gehalten werden.<br />

4) Diese Höhe muss auf mindestens 35 Prozent der Gesamtfläche vorhanden sein (siehe Hinweise).<br />

5) Für die mit der Zibbe vom 36. bzw. vom 57. Alterstag (siehe Anmerkung 1) bis zur Geschlechtsreife gehaltenen<br />

Jungtiere gelten die unter Ziffer 42 und 43 aufgeführten Mindestflächen.<br />

Hinweise<br />

- Die Gesamtfläche ist die für die <strong>Kaninchen</strong> begehbare Fläche ohne Nest.<br />

- Bestimmung der notwendigen Fläche mit der geforderten lichten Höhe: Die Fläche mit der geforderten lichten<br />

Höhe über 35 % der Gesamtfläche bezieht sich auf die Mindestanforderungen bezüglich Gesamtfläche<br />

und nicht auf die gemessene, gegebenenfalls grössere Fläche in einem bestimmten Gehege. Dieser Hinweis<br />

ist vor allem zu beachten, wenn das Gehege grösser ist, als von den Mindestanforderungen verlangt. Das<br />

Nest gehört nicht zur Gesamtfläche bei der Berechnung der notwendigen Fläche für die lichte Höhe.<br />

- Die 35 %-Fläche, welche die Mindesthöhe erfüllt, muss zusammenhängend sein.<br />

2. ERHÖHTE FLÄCHE<br />

Erfüllt wenn:<br />

- die erhöhte Fläche mindestens 20 cm über der Bodenfläche eingerichtet und so gross ist, dass<br />

die Tiere darauf ausgestreckt liegen können.<br />

- 4 -


Tierschutz-Kontrollhandbuch <strong>Kaninchen</strong> Version 1.0<br />

3. FÜTTERUNGEN UND TRÄNKEN<br />

Hinweis<br />

Bei den <strong>Kaninchen</strong> wurde die Bemessung des Futtertrog- und Tränkeangebotes in die Verantwortung der Tierhalter<br />

gegeben.<br />

4. NESTER<br />

Erfüllt wenn:<br />

- die Nestkammern die unter Ziffer 3 Mindestabmessungen der Gehege aufgeführten Mindestflächen<br />

aufweisen;<br />

- im Minimum ein durch eine feste Wand und durch eine Schwelle (mind. 8 cm) abgetrennter Bereich<br />

im Gehege vorhanden ist, in den die Zibbe Nestmaterial (Stroh, Heu etc.) eintragen und den<br />

sie mit Haaren auspolstern kann.<br />

5. BÖDEN<br />

Erfüllt wenn:<br />

- bei perforierten Böden die Spaltenabstände bzw. Lochdurchmesser der Grösse der Tiere angepasst<br />

sind. Dabei ist besonders den Jungtieren Rechnung zu tragen;<br />

- die Böden gleitsicher sind.<br />

6. SICHERSTELLUNG DER FRISCHLUFTZUFUHR<br />

Erfüllt wenn:<br />

bei Räumen mit ausschliesslich künstlicher Lüftung vorhanden sind:<br />

- funktionstüchtige Alarmanlage oder<br />

- selbstöffnende Fenster (z. B. mit Magnetschaltern) oder<br />

- Notstromaggregat.<br />

- 5 -


Tierschutz-Kontrollhandbuch <strong>Kaninchen</strong> Version 1.0<br />

QUALITATIVER TIERSCHUTZ<br />

7. BELEGUNG DER GEHEGE<br />

Erfüllt wenn:<br />

- nicht mehr Tiere eingestallt sind als gemäss Ziffer 1 Baulicher Tierschutz erlaubt ist.<br />

8. EINZELHALTUNG<br />

Erfüllt wenn:<br />

- die junge <strong>Kaninchen</strong> bis zum Alter von acht Wochen nicht einzeln gehalten werden.<br />

9. FÜTTERUNG UND BESCHÄFTIGUNG<br />

Erfüllt wenn:<br />

- die <strong>Kaninchen</strong> täglich mit grob strukturiertem Futter wie Heu oder Stroh versorgt werden;<br />

- die <strong>Kaninchen</strong> ständig Objekte zum Benagen als Beschäftigung zur Verfügung haben.<br />

10. RÜCKZUGSMÖGLICHKEITEN<br />

Erfüllt wenn:<br />

- die Gehege mit einem abgedunkelter Bereich 1) ausgestattet sind, in den sich die Tiere zurückziehen<br />

können;<br />

- der Bereich für den Rückzug der Tiere bei Gruppen von mehr als fünf Tieren von mehreren Seiten<br />

zugänglich und bei Gruppen von mehr als zehn Tieren unterteilt 2) ist;<br />

- die säugenden Zibben sich von ihren Jungen in ein anderes Abteil oder auf eine erhöhte Fläche<br />

zurückziehen können.<br />

Hinweise<br />

1) Abgedunkelte Bereiche können mit unterschiedlichen Mitteln, wie durch eine erhöhte Fläche oder eine andere<br />

oben abgeschlossene Struktur oder eine teilweise Abdeckung der Gitterfrontseite, erreicht werden. Die<br />

Beleuchtungsstärke muss im Bereich der Fütterungs- und Tränkeeinrichtungen und im Zentrum des übrigen<br />

Aktivitätsbereiches mindestens 15 Lux betragen. Ein Nest mit Nestlingen kann nicht als Rückzugsbereich<br />

angerechnet werden. Bei Gruppenhaltung dienen Rückzugsmöglichkeiten auch zum Ausweichen vor Artgenossen<br />

während Auseinandersetzungen.<br />

2) Als Alternative zu einer solchen Unterteilung kann das Haltungssystem so strukturiert sein, dass mindestens<br />

zwei Rückzugsbereiche vorhanden sind.<br />

11. EINSTREU<br />

Erfüllt wenn:<br />

- Gehege ohne Einstreu nur in klimatisierten 1) Räumen verwendet werden;<br />

- die Einstreu trocken ist und nicht übermässig Kotansammlungen aufweist 2) .<br />

Hinweise<br />

1) Klimatisiert ist ein Raum, wenn im Tierbereich die Lufttemperatur nicht unter 10° C fällt und keine Zugluft<br />

auftritt.<br />

2) Infolge von nasser oder verschmutzter Einstreu sind vermehrt Pfotenprobleme zu beobachten.<br />

- 6 -


Tierschutz-Kontrollhandbuch <strong>Kaninchen</strong> Version 1.0<br />

12. BELEUCHTUNG<br />

Erfüllt wenn:<br />

- die Beleuchtungsstärke im Bereich der Fütterungs- und Tränkeeinrichtungen und im Zentrum des<br />

übrigen Aktivitätsbereiches tagsüber mindestens 15 Lux 1) erreicht;<br />

- die Beleuchtungsstärke durch Tageslicht erreicht wird 2) ;<br />

In am 1. September 2008 bestehenden Stallungen sind vorhandene oder mit verhältnismässigem<br />

Aufwand zu schaffende Möglichkeiten für eine ausreichende natürliche Beleuchtung zu nutzen.<br />

- bei unzureichender natürlicher Beleuchtung diese während mindestens 8 Stunden und höchstens<br />

16 Stunden pro Tag mit Kunstlicht ergänzt wird;<br />

UV-Lampen bieten keinen Ersatz für Tageslicht.<br />

- beim Einsatz von Beleuchtungsprogrammen nicht mehr als eine Dunkelphase pro 24 h erfolgt.<br />

Hinweise<br />

1) Faustregel: Bei 15 Lux ist das Ausfüllen des Kontrollberichtes an einem durchschnittlich hellen Tag auf Tierhöhe<br />

möglich.<br />

2) Als Faustregel gilt eine für Tageslicht durchlässige Gesamtfläche in Wänden oder Decken von mindestens<br />

einem Zwanzigstel der Bodenfläche.<br />

13. LUFTQUALITÄT IM STALL<br />

Erfüllt wenn:<br />

- keine Zugluft vorhanden ist;<br />

- keine stickige Luft (Beissen in den Augen, Brennen der Atemwege) vorhanden ist;<br />

- gutes Atmen möglich ist.<br />

14. LÄRM<br />

Erfüllt wenn:<br />

- <strong>Kaninchen</strong> nicht über längere Zeit übermässigem Lärm ausgesetzt sind.<br />

15. ELEKTRISIERENDE STEUERVORRICHTUNGEN IM STALL<br />

Erfüllt wenn:<br />

- keine elektrisierenden Drähte oder Vorrichtungen im Bereich der Tiere vorhanden sind.<br />

16. VERSORGUNG MIT WASSER<br />

Erfüllt wenn:<br />

- die Tiere mindestens einmal täglich Zugang zu Wasser haben.<br />

17. VERLETZUNGEN<br />

Erfüllt wenn:<br />

- keine Tiere mit durch Stalleinrichtungen bedingten Verletzungen vorhanden sind.<br />

- 7 -


Tierschutz-Kontrollhandbuch <strong>Kaninchen</strong> Version 1.0<br />

18. TIERPFLEGE<br />

Erfüllt wenn:<br />

- kranke und verletzte Tiere angemessen untergebracht sind;<br />

- kranke und verletzte Tiere angemessen behandelt und betreut werden;<br />

- die Tiere nicht übermässig verschmutzt sind;<br />

- der Nährzustand der Tiere gut ist;<br />

- die Krallen nicht übermässig lang sind.<br />

19. AUSBILDUNG<br />

Für am 1. September 2008 nicht als Bewirtschafterinnen oder Bewirtschafter eines Landwirtschaftsbetriebs<br />

bzw. als Halterin oder Halter von Tieren erfasste Personen gilt:<br />

der Nachweis muss spätestens bis zum 1. September 2013 erbracht werden.<br />

Erfüllt wenn folgende Ausbildung durch die für die Haltung und Betreuung der Tiere verantwortliche<br />

Person nachgewiesen werden kann:<br />

- bei der Haltung von mehr als 10 Grossvieheinheiten Nutztiere: landwirtschaftliche Ausbildung;<br />

- im Berggebiet, falls für die Betreuung ihrer Tiere weniger als 0,5 Standardarbeitskräfte benötigt<br />

wird: Sachkundenachweis 1) ;<br />

- auf dem Sömmerungsbetrieb: landwirtschaftliche Ausbildung 2) ;<br />

- bei der Produktion von mehr als 500 Jungtieren pro Jahr und der Haltung von weniger als 10<br />

Grossvieheinheiten: Sachkundenachweis 1) .<br />

Anmerkungen<br />

1) Der Sachkundenachweis kann durch einen Kurs, ein Praktikum oder eine amtliche Bestätigung einer mindestens<br />

dreijährigen Erfahrung im Umgang mit der betreffenden Tierart erbracht werden.<br />

2) Die Bewirtschafterin oder der Bewirtschafter eines Sömmerungsbetriebes muss über eine landwirtschaftliche<br />

Ausbildung verfügen, falls die Person, welche die Tiere auf einem Sömmerungsbetrieb betreut, keine landwirtschaftliche<br />

Ausbildung hat.<br />

Am 1. September 2008 als Bewirtschafterinnen oder Bewirtschafter eines Landwirtschaftsbetriebs<br />

bzw. als Halterin oder Halter von Tieren erfasste Personen<br />

Es gilt:<br />

- die erforderliche Ausbildung (Landwirtschaftsberuf, Sachkundenachweis für das Halten von<br />

Haustieren in einer bestimmten Anzahl) muss nicht nachgeholt werden.<br />

- 8 -


Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement EVD<br />

Bundesamt für Veterinärwesen BVET<br />

Kommunikation (KOM)<br />

Wann ist eine Zucht gewerbsmässig?<br />

Die gewerbsmässige Zucht ist meldepflichtig. Gewerbsmässige Züchter und Züchterinnen<br />

müssen entsprechend ausgebildet sein. Nach der am 1.9.2008 in Kraft getretenen Tierschutzverordnung<br />

bedeutet Gewerbsmässigkeit „Handeln mit und Halten, Betreuen oder<br />

Züchten von Tieren in der Absicht, für sich, oder für Dritte ein Einkommen oder einen Gewinn<br />

zu erzielen oder die eigenen Unkosten oder die Unkosten Dritter zu decken.“<br />

Bei Züchtern kann man eine solche Absicht nur dann unterstellen, wenn aufgrund der abgesetzten<br />

Welpen davon ausgegangen werden kann, dass es sich um ein „Geschäft handelt“.<br />

Kriterien hierfür sind:<br />

- planmässige Zucht, Werbung, Bereitschaft einer unbegrenzten Zahl von Interessenten<br />

Jungtiere abzugeben,<br />

- regelmässiger Verkauf von Jungtieren, nicht nur gelegentlich (Richtwerte: siehe Tabelle),<br />

- hohe Anzahl an Tieren, die umgesetzt und/oder zur Zucht gehalten werden.<br />

Die einzelnen Kriterien sind Hinweise für eine Gewerbsmässigkeit. Für eine konkrete Entscheidung<br />

sind alle Umstände des Einzelfalles heranzuziehen.<br />

Tabelle: Richtwerte für die Gewerbsmässigkeit bei Heimtierzuchten<br />

Zucht von Hunden:<br />

Zucht von Katzen 1 :<br />

Zucht von <strong>Kaninchen</strong> oder Zwergkaninchen:<br />

Zucht von Meerschweinchen:<br />

Zucht von Mäusen, Hamstern, Ratten, Gerbils:<br />

Zucht von Vögeln:<br />

Absatz von mehr als 3 Würfen pro Jahr<br />

Absatz von mehr als 5 Würfen pro Jahr<br />

Absatz von mehr als 100 Jungtieren als<br />

Heimtiere pro Jahr (nicht Fleischproduktion)<br />

Absatz von mehr als 100 Jungtieren pro Jahr<br />

Absatz von mehr als 300 Jungtieren pro Jahr<br />

Mehr als 25 züchtende Paare von Vogelarten<br />

bis und mit Nymphensittichgrösse und regelmässiger<br />

Absatz von Jungtieren<br />

Mehr als 10 züchtende Paare von Vogelarten<br />

grösser als Nymphensittiche (Ausnahme: Kakadu<br />

und Ara: 5 züchtende Paare) und regelmässiger<br />

Absatz von Jungtieren<br />

Zucht von Zierfischen:<br />

Zucht von Reptilien:<br />

Absatz von mehr als 1000 Jungtieren pro Jahr<br />

Absatz von mehr als 100 Jungtieren pro Jahr<br />

(Ausnahme: Schildkröten: mehr als 50 Jungtiere)<br />

1 Der Richtwert für Katzen liegt aufgrund der durchschnittlich kleineren Wurfgrösse und des in der Regel kleineren<br />

Preises höher als derjenige für Hunde<br />

1/1


Bundesamt für Veterinärwesen<br />

Office vétérinaire fédéral<br />

Ufficio federale di veterinario<br />

Uffizi federal veterinar<br />

Richtlinie<br />

Tierschutz<br />

3.03<br />

Tierschutzkonforme Anästhesie und Analgesie bei Labornagetieren<br />

und <strong>Kaninchen</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Seite<br />

A Zielsetzung 2<br />

B Rechtsgrundlagen und Bewilligungsgrundsätze 2<br />

C Analgesie 3<br />

D Anästhesie 3<br />

E Unzulässige und bedingt zulässige Anästhesiemethoden 4<br />

1 Für alle Tierarten 4<br />

2 Für einzelne Tierarten 5<br />

3 Übersichtstabelle 6<br />

F Empfohlene Literatur 7<br />

ANHANG: Analgetika: Richtwerte für die Dosierung<br />

3003 Bern, 1. Oktober 1996 (2) d<br />

Ho/re-800.116-3.03


- 2 -<br />

A<br />

Zielsetzung<br />

Die Richtlinie weist darauf hin, dass Anästhesien ausschliesslich von Fachleuten mit praktischer Erfahrung<br />

und gemäss den Regeln der aktuellen Lehrmeinung durchgeführt werden dürfen. Die Richtlinie hat<br />

zum Zweck, vermeidbare Schmerzen bei Versuchstieren zu verhindern und den Gebrauch bestimmter,<br />

belastender Anästhetika einzuschränken oder zu verbieten.<br />

Die Richtlinie richtet sich an die kantonalen Behörden, die mit dem Vollzug der<br />

Tierschutzgesetzgebung im Bereich Tierversuche betraut sind, ihre beratenden Kommissionen und an<br />

alle Personen, die sich mit der Durchführung von Tierversuchen befassen (Versuchsleiterinnen<br />

und -leiter, Tierschutzbeauftragte, Laborpersonal).<br />

B<br />

Rechtsgrundlagen und Bewilligungsgrundsätze<br />

Niemand darf ungerechtfertigt einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen oder es in<br />

Angst versetzen (Art. 2 Abs. 3 des Tierschutzgesetzes vom 9. März 1978, TSchG, SR 455).<br />

Durchführung bewilligungspflichtiger Tierversuche: Schmerzen, Leiden oder Schäden dürfen einem Tier<br />

nur zugefügt werden, soweit dies für den verfolgten Zweck unvermeidlich ist (Art. 16 Abs. 1 TSchG).<br />

Hat ein Versuch offensichtlich mehr als nur geringfügige Schmerzen zur Folge, so darf er nur unter<br />

lokaler oder allgemeiner Betäubung vorgenommen werden, wenn der Zweck des Versuchs diese nicht<br />

ausschliesst. In diesem Fall darf der Versuch nur im Beisein des erfahrenen Fachmannes nach Artikel 15<br />

Absatz 2 durchgeführt werden (Art. 16 Abs. 2 TSchG).<br />

Für Tierversuche, in deren Rahmen mit betäubten Tieren gearbeitet wird, ist eine Bewilligung erforderlich,<br />

auch wenn die Tiere in betäubtem Zustand getötet werden (vgl. Art. 60 Abs. 2 Bst. f der Tierschutzverordnung<br />

vom 27. Mai 1981, TSchV, SR 455.1).<br />

Ein Tierversuch nach Artikel 13 Absatz 1 des Gesetzes darf bewilligt werden, wenn die Methode<br />

geeignet ist, um das Versuchsziel zu erreichen, wobei der neuste Stand der Kenntnisse zu<br />

berücksichtigen ist (Art. 61 Abs. 1 Bst. c TSchV).<br />

Bewilligungspflichtige Tierversuche dürfen nur unter der Leitung eines erfahrenen Fachmannes von Personen<br />

durchgeführt werden, die über die hiefür notwendigen Fachkenntnisse und die erforderliche<br />

praktische Ausbildung verfügen (vgl. Art. 15 Abs. 2 TSchG).<br />

Erforderlich sind namentlich genaue Kenntnisse<br />

- der einzelnen Narkosestadien und der Symptome beim Tier,<br />

- der physiologischen, biochemischen und metabolischen Eigenschaften der verwendeten Tierart bzw.<br />

des verwendeten Tierstammes,


- 3 -<br />

- des Wirkungsspektrums und der pharmakokinetischen Eigenschaften des verwendeten Anästhetikums<br />

(Aufnahme-, Verteilungs-, Umwandlungs- und Ausscheidungszeit und -ort),<br />

- der je nach Tierart bzw. Tierstamm unterschiedlichen Empfindlichkeiten gegenüber dem verwendeten<br />

Anästhetikum (Wirkungsintensität und -dauer). Dieses Phänomen ist bei der Dosierung unbedingt zu<br />

beachten.<br />

Durch Studium der Fachliteratur ist das Wissen zu erweitern und auf dem neuesten Stand zu halten.<br />

Des weiteren wird praktische Erfahrung mit der gewählten Anästhesiemethode bei der verwendeten<br />

Tierart vorausgesetzt. Andernfalls ist die Methode im Beisein einer erfahrenen Person zu üben. Dies gilt<br />

bei heiklen Anästhesien auch, wenn sie seit längerer Zeit nicht durchgeführt worden sind.<br />

Die verantwortlichen Leiterinnen und Leiter von Instituten sowie die Versuchsleitenden sind<br />

gehalten, bei der Planung von Tierversuchen das für die vorgesehene Tierart schonendste Anästhesieverfahren<br />

vorzusehen und seine korrekte Durchführung zu gewährleisten.<br />

In der Praxis sollen die Behörden die Qualität der Anästhesie sowie deren Durchführung kontrollieren.<br />

Wenn nötig, ist in der Bewilligung mittels Auflage sicherzustellen, dass nur tierschutzkonforme Verfahren<br />

zur Anwendung kommen und dass diese von Fachleuten durchgeführt werden (vgl. Art. 61a Abs. 3<br />

Bst. c TSchV).<br />

C<br />

Analgesie<br />

Im Sinne eines Refinements sind Tieren nach schmerzhaften Eingriffen (akute Schmerzen postoperativ)<br />

oder bei erheblichen, chronischen Schmerzzuständen (z.B. Tumorwachstum) Analgetika zu verabreichen,<br />

sofern dies nicht versuchsbedingt verunmöglicht ist. Ein Verzicht auf Schmerzmittelgabe ist im<br />

Bewilligungsgesuch zu begründen (vgl. Formular A, Ziffer 66). Fehlt diese Angabe, soll die<br />

Bewilligungsbehörde mittels einer Auflage die Schmerzmittelgabe anordnen. Im Anhang sind die<br />

üblichen Dosierungen für verschiedene Analgetika aufgelistet.<br />

Eine fachgerechte Durchführung der Operation sowie die gezielte Betreuung und Pflege nach<br />

dem Eingriff (Schutz und Pflege der Wunden, Vermeiden von Stress, schonendes Anfassen des Tieres)<br />

verhindern unnötige Schmerzen und störende Interaktionen mit dem Versuchsresultat.<br />

D<br />

Anästhesie<br />

Unter einer tierschutzkonformen, für chirurgische Eingriffe geeigneten Anästhesie wird ein reversibler,<br />

kontrollierbarer Zustand verstanden, in dem die Wahrnehmung schmerzhafter und anderer Stimuli vom<br />

Zentralnervensystem vollständig ausgeschaltet wird (Bewusst- und Empfindungslosigkeit, meist mit


- 4 -<br />

Muskelrelaxation kombiniert). Der Begriff Anästhesie wird in dieser Richtlinie stellvertretend für Allgemeinanästhesie<br />

verwendet.<br />

Von mehreren möglichen Anästhetika ist dasjenige mit der geringsten Belastung hinsichtlich Nebenwirkungen<br />

(Einleitungs- und Aufwachphase, Reizwirkung, Kanzerogenität, Toxizität) und Applikationsart<br />

zu wählen.<br />

Die Qualität und besonders die Tiefe der Anästhesie müssen während des Eingriffs laufend überwacht<br />

werden (Monitoring). Eine ungenügende Tiefe der Anästhesie darf nie durch Fixation der Tiere kompensiert<br />

werden.<br />

Jeder Narkosezwischenfall mit tödlichen Folgen für das Tier soll Anlass sein, das gesamte Narkoseverfahren<br />

neu zu überdenken.<br />

Zu beachten<br />

- Eine Lokalanästhesie ist für Labornagetiere und -kaninchen selten indiziert, da die Tiere meist fixiert<br />

und/oder sediert werden müssen, was wegen der damit verbundenen Nebenwirkungen und des Stresses<br />

die Vorteile der geringen Belastung aufhebt.<br />

- Labornagetieren und -kaninchen ist vor einer Allgemeinanästhesie das Futter nicht zu entziehen. Ist<br />

dies versuchsbedingt notwendig, ist die Fastendauer möglichst kurz zu halten.<br />

- Wegen der relativ grossen Körperoberfläche kleiner Labortiere und als Nebenwirkung der Anästhetika<br />

besteht bei länger dauernden Anästhesien und während der Nachschlafphase die Gefahr einer Hypothermie.<br />

E<br />

Unzulässige und bedingt zulässige Anästhesiemethoden<br />

Anästhetika, von denen aufgrund wissenschaftlicher Abklärungen bekannt ist, dass sie eindeutig belastende<br />

Nebenwirkungen aufweisen, beispielsweise starke Reizwirkung am Applikationsort, eine belastende<br />

Einleitungs- oder Aufwachphase oder Karzinogenität, sind nicht tierschutzkonform. Auf ihren<br />

Gebrauch ist daher zugunsten weniger belastender Anästhetika zu verzichten. Die nachfolgende Liste ist<br />

nicht abschliessend.<br />

1 Für alle Tierarten<br />

Tribromäthanol (Avertin)


- 5 -<br />

Nach intraperitonealer Applikation (übliche Injektionsroute) verursacht Avertin infolge Reizwirkung<br />

Verklebungen und Nekrosen in der Bauchhöhle (Serositis der Eingeweide, Peritonitis). Deshalb ist der<br />

Gebrauch von Avertin unzulässig.<br />

Anästhesie von Neonaten<br />

Neugeborene Labornagetiere werden mittels Neuroleptanalgesie oder Inhalationsanästhetika (Halothan,<br />

Methoxyfluran, Enfluran etc.) anästhesiert. Daneben wird auch die Unterkühlung auf 27° C praktiziert<br />

(Hypothermie). Da bisher nicht geklärt werden konnte, ob diese eine Anästhesie oder lediglich eine<br />

Immobilisation bewirkt und ob bei der Erholung Schmerzen auftreten, ist ihr Gebrauch zu vermeiden<br />

und nur in begründeten Einzelfällen zuzulassen.<br />

Äthylcarbamat (Urethan)<br />

Urethan bewirkt eine für chirurgische Eingriffe geeignete Langzeitnarkose von 8-10 Stunden Dauer, ist<br />

jedoch stark karzinogen. Urethan ist daher prinzipiell nur präterminal zu verwenden, d.h. für Versuche,<br />

an deren Ende die Tiere in Anästhesie getötet werden.<br />

Chloralhydrat, Hexobarbital (Evipan)<br />

Chloralhydrat und Evipan sind Hypnotika mit geringer analgetischer Wirkung und kleiner therapeutischer<br />

Breite, weshalb sie sich nicht für chirurgische Eingriffe, jedoch zur Immobilisation von Tieren eignen.<br />

In Kombination mit einer analgetischen Substanz oder einem lang wirkenden<br />

Lokalanästhetikum ist ihre Verwendung für chirurgische Anästhesien vertretbar.<br />

2 Für einzelne Tierarten<br />

Die gebräuchlichen Inhalationsanästhetika lösen bei den verschiedenen Tierarten unterschiedliche Reaktionen<br />

aus, wobei auch die Methode der Begasung eine Rolle spielt. Ein kalibrierter Verdampfer ermöglicht,<br />

die Zusammensetzung des Gasgemischs zu kontrollieren, weshalb er dem unkontrollierten Verdampfen<br />

in einer Kammer („Topf“) grundsätzlich vorzuziehen ist.<br />

Äther zur Narkose (Diaethylaether)<br />

Äther wirkt bei Mäusen und Meerschweinchen sowohl im „Topf“ als auch über einen Verdampfer verabreicht<br />

schleimhautreizend, weshalb auf seinen Gebrauch zugunsten weniger belastender Anästhetika zu<br />

verzichten ist.<br />

Äther ist bei Meerschweinchen unzulässig.<br />

Äther ist bei Mäusen abzulehnen. Seine Anwendung ist nur in gut begründeten Einzelfällen (einzelne<br />

Tiere) zuzulassen (z.B. wenn die Anschaffung eines Isofluran- oder Halothanverdampfers unverhältnismässig<br />

ist und als Alternative nur ein Injektionsanästhetikum in Frage kommt).


- 6 -<br />

Halothan (unkontrolliertes Verdampfen im „Topf“)<br />

Die Verabreichung von Halothan im „Topf“ ist unzulässig, weil Halothan in hoher Konzentration für<br />

Mäuse, Ratten und Meerschweinchen während der Einleitungsphase belastend ist (Abwehrreaktionen,<br />

Stressphysiologie). Dagegen löst Halothan kaum Abwehrreaktionen aus, wenn es über einen Verdampfer<br />

verabreicht wird.<br />

Isofluran (unkontrolliertes Verdampfen im „Topf“)<br />

Die Verabreichung von Isofluran im „Topf“ ist unzulässig, weil Isofluran in hoher Konzentration bei<br />

Mäusen und Meerschweinchen während der Einleitungsphase belastend ist (Abwehrreaktionen,<br />

Stressphysiologie). Über einen Verdampfer verabreicht, wird Isofluran gut vertragen.<br />

CO 2 -Anästhesie (Kohlensäure/Sauerstoff-Gemisch)<br />

CO 2 hat einen kurzen Wirkungseintritt, wirkt jedoch nur für kurze Zeit anästhesierend, weshalb es sich<br />

nur als Ultrakurznarkotikum eignet (z.B. für eine Blutentnahme). Durch höhere CO 2 -Konzentrationen<br />

lässt sich die Anästhesiedauer verlängern, doch verhalten sich die Tiere während der Einleitungsphase<br />

unruhiger, und es treten vermehrt Todesfälle auf. Deshalb sind Konzentrationen von mehr als 80 % CO 2<br />

für alle Tierarten unzulässig.<br />

Für Mäuse ist die CO 2 -Anästhesie wegen der bei dieser Tierart zu kurzen Wirkungsdauer ungeeignet<br />

und daher grundsätzlich unzulässig.<br />

3 Übersichtstabelle<br />

generell gültig Maus Ratte Meerschweinchen<br />

Aether -- ---<br />

Avertin --- --- --- ---<br />

CO 2 ---<br />

CO 2 > 80% --- --- --- ---<br />

Evipan, Chloralhydrat (-) (-) (-) (-)<br />

Halothan („Topf“) --- --- ---<br />

Hypothermie -- -- -- --<br />

Isofluran („Topf“) --- ---<br />

Urethan (-) (-) (-) (-)<br />

Legende: (-) bedingt zulässig, -- abzulehnen, --- unzulässig


- 7 -<br />

Die Angaben in der Tabelle sind nicht abschliessend. Sie beschränken sich nur auf die Tierarten, bei<br />

denen die Reaktion auf die erwähnten Anästhetika wissenschaftlich gesichert ist. Aus fehlenden<br />

Angaben über andere Anästhesiemethoden kann nicht zwangsläufig geschlossen werden, sie seien nicht<br />

belastend. Ebensowenig kann die Reaktion einer nicht erwähnten Tierart auf ein oben erwähntes<br />

Anästhetikum abgeleitet werden.<br />

F<br />

Empfohlene Literatur<br />

Analgesie<br />

− Benson GJ, Thurmon JC, Davis LE, 1990: Laboratory animal analgesia. In: The experimental animal<br />

in biomedical research, Vol. I, A survey of scientific and ethical issues for investigators, Rollin BE,<br />

Kesel ML, CRC Press Boca Raton, Florida 33431.<br />

− Flecknell PA, 1991: Prevention and relief of pain and distress. In: Animals in Biomedical Research.<br />

Replacement, Reduction and Refinement: Present Possibilities and Future Prospects, Hendriksen<br />

CFM, Koeter HBWM (Hrsg.) Elsevier, Amsterdam. 213-234<br />

− Liles JH, Flecknell PA, 1991: The effects of buprenorphine, nalbuphine and butorphanol alone or<br />

following halothane anaesthesia on food and water consumption and locomotor movement in rats.<br />

Laboratory Animals 26, 180-189<br />

− Liles JH, Flecknell PA, 1992: The use of non-steroidal anti-inflammatory drugs for relief of pain in<br />

laboratory rodents and rabbits. Laboratory Animals 26, 241-255.<br />

Anästhesie<br />

− Bertens APMG, Booij LHDJ, Flecknell PA, Lagerweij E, 1993: Anaesthesia, analgesia and<br />

euthanasia. In: Principles of laboratory animal science; van Zutphen LFM, Baumans V, Beynen AC<br />

(Hrsg.), Elsevier, Amsterdam, 267-298.<br />

− Brammer A, West CD, Allen SL, 1992: A comparison of propofol with other injectable anaesthetics in<br />

a rat model for measuring cardiovascular parameters. Laboratory Animals 27, 250-257<br />

− Degryse A-D, 1993: Anesthésie et analgésie en expérimentation animale. Sci Tech Anim Lab 18, 91-<br />

101<br />

− Eisele PH, 1990: Anesthesia for laboratory animals: Practical considerations and techniques. In: The<br />

experimental animal in biomedical research, Vol. I, A survey of scientific and ethical issues for<br />

investigators, Rollin BE, Kesel ML, CRC Press Boca Raton, Florida 33431.<br />

− Field KJ, Lang CM, 1988: Hazards of urethane (ethyl carbamate): a review of the literature.<br />

Laboratory Animals 22, 255-262<br />

− Flecknell PA, 1993: Anaesthesia of animals for biomedical research. British Journal of Anaesthesia<br />

71, 885-894


- 8 -<br />

− Flecknell PA, 1996: Laboratory Animal Anaesthesia. A Practical Introduction for Research Workers<br />

and Technicians, Academic Press, London (2., vollständig überarbeitete Auflage).<br />

− Green CJ, 1979: Animal Anaesthesia, Laboratory Animal Handbooks 8. Laboratory Animals LTD,<br />

London (vergriffen).<br />

− Gwynne BJ, Wallace J, 1992: A modified anaesthetic induction chamber for rats. Laboratory Animals<br />

26, 163-166<br />

− Hu C, Flecknell PA, Liles JH, 1992: Fentanyl and medetomidine anaesthesia in the rat and its<br />

reversal using atipamazole and either nalbuphine or butorphanol. Laboratory Animals 26, 15-22<br />

− Krüger J, Zeller W, Schottmann E, 1993: A simplified procedure for endotracheal intubation in rabbits.<br />

Laboratory Animals 28, 176-177<br />

− Meyer B, Weilenmann R, 1994: Kurznarkose bei Ratten: Eine Injektions- bzw. Inhalationsnarkose.<br />

Schweizer Archiv für Tierheilkunde 136, 150-153<br />

− Park CM, Clegg KE et al., 1992: Improved Techniques for Successful Neonatal Rat Surgery. Laboratory<br />

Animal Science 42, 5, 508-513<br />

− Schatzmann U, Meier R, Neiger-Aeschbacher G, Kohler I: Carbon dioxide (CO 2 ) as a short acting<br />

anaesthetic for laboratory animals. Persönliche Mitteilungen, Publikation in Vorbereitung.<br />

− Schlingmann F, Vermeulen JK, de Vries A, Tolboom J, Remie R, 1996: Food deprivation how and<br />

how long? Solvay Duphar, Department of Laboratory Animal Science, P.O.Box 900, 1380 DA Weesp,<br />

The Netherlands. Poster FELASA 1996.<br />

− Whelan G, Flecknell PA, 1992: The assessment of depth of anaesthesia in animals and man. Laboratory<br />

Animals 26, 153-162<br />

− Wixson SK, 1994: Rabbits and Rodents: Anesthesia and Analgesia. In: Research Animal Anesthesia,<br />

analgesia and surgery, Smith AC & Swindle MM (Eds.), Scientists Center for Animal Welfare Publications,<br />

7833 Walker Drive, Suite 340, Greenbelt, Maryland 20770. 59-92<br />

− Wolfensohn S, Lloyd M, 1994: Handbook of laboratory animal Management and Welfare. Oxford University<br />

Press.<br />

− Zeller W, Meier G, Panoussis B, 1995: Narkose von Mäusen: Nebenwirkungen von Tribromoäthanol<br />

(Avertin ® ). Poster GV-SOLAS 1995 in Aachen.<br />

− Zeller W, Schatzmann U, Schweizer A et al.: Use of inhalation anesthetics: advantages and<br />

disadvantages in different species. Persönliche Mitteilungen über Reaktionen und Stressphysiologie,<br />

Publikation in Vorbereitung.<br />

BUNDESAMT FÜR VETERINÄRWESEN


SONDERDRUCK<br />

Fachinformationen<br />

Refinement bei der Haltung von<br />

Laborkaninchen<br />

Ein Beitrag zur Umsetzung von<br />

Tierschutzforderungen in die<br />

Praxis<br />

M. Stauffacher<br />

Schlüsselwörter<br />

<strong>Kaninchen</strong>, Refinement, Verhalten, Haltung, Tiergerechtheit,<br />

Paarhaltung, Bodenhaltimg, Käfighaltung, Käflgstrukturierung<br />

Prolog<br />

Beim 'Refinement' von Tierhaltung und Betreuung sind<br />

Erfolge oft weniger offensichtlich als beim 'Replacement'<br />

von spezifischen Tierversuchen oder bei der 'Réduction'<br />

von Tierverbrauchszahlen. In Bezug auf den Tierschutz<br />

kommt dem 'Refinement' jedoch größte Bedeutung zu. Die<br />

Zeit vor (und nach) dem Experiment kann dem Tier bei<br />

wenig belastenden Untersuchungen größere und längerfristigere<br />

Einschränkungen bringen als der Versuch selbst.<br />

'Refinement' ist, vordergründig und kurzfristig betrachtet,<br />

nicht kosten- und zeitsparend. Es setzt darum eine hohe<br />

Bereitschaft der mit Versuchstieren arbeitenden Personen zu<br />

tierschutzrelevanten Verbesserungen voraus. Ein vertieftes<br />

Verständnis der spezifischen Ansprüche des Tierorganismus<br />

ist Grundlage für einen tiergerechten Umgang des Menschen<br />

mit dem Tier. Tierschutz ist als Anliegen ethisch-moralisch,<br />

d. h. vom Menschen her, begründet. Was das Tier zu seinem<br />

Schutz bzw. für eine Reduktion der Belastung durch die<br />

Tiernutzung braucht, ist dagegen biologisch, d. h. vom Tier<br />

her, zu begründen ( l ).<br />

Der Begriff "Tiergerechtheit" impliziert eine Bewertung<br />

der Umgebungsbedingungen bezogen auf die ethisch motivierten<br />

Tierhaltungsgrundsätze. Praktische Tierschutzmaßnahmen<br />

beruhen hingegen immer auf einem Kompromiß;<br />

ihre Akzeptanz ist abhängig von der Plausibilität<br />

der tierbezogenen Argumentationsführung und von den<br />

"Zwängen" der menschbezogenen wirtschaftlichen und<br />

politischen Realität. Zur Versachlichung der Tierschutzdiskussion<br />

und im Hinblick auf die Vollzugsarbeit ist der<br />

Bedarf an überprüf- und nachvollziehbaren Aussagen zur<br />

Wechselbeziehung Tier-Haltungsumgebung-Mensch sehr<br />

groß. Unter dem Aspekt eines vom Gesetzgeber bzw. in<br />

Richtlinien und Empfehlungen regelbaren Tierschutzes läßt<br />

sich der Begriff "Tiergerechtheit "wie folgt Operationalisieren:<br />

Eine Haltung ist dann tiergerecht, wenn sie die<br />

Anpassungsfähigkeit der Individuen nicht überfordert;<br />

überforderte Anpassungsfähigkeit äußert sich in Störungen<br />

des Verhaltens, in chronischem Streß, in morphologischen<br />

Schäden und in chronischen somalischen Dysfunktionen<br />

(2).<br />

Einleitung, Haltungsvorschriften und Zielsetzung<br />

Die Haltung von Laborkaninchen orientiert sich in Deutschland<br />

an den LEITLINIEN VON EUROPARAT (3) und EG<br />

(4) sowie an den EMPFEHLUNGEN DER GV-SOLAS (5),<br />

die ihrerseits alle weitgehend auf einem GUTACHTEN<br />

VON MERKENSCHL<strong>AG</strong>ER und WILK (6) beruhen. Vor<br />

15 Jahren lagen kaum tierschutzrelevante Untersuchungen<br />

zur Haltung von <strong>Kaninchen</strong> vor. Die festgelegten minimalen<br />

Abmessungen für Käfigeinheiten ergaben sich damals aus<br />

dem Erfahrungsstand der Haltungspraxis sowie aus wirtschaftlich-politischen<br />

Überlegungen. In der Schweiz bestehen<br />

zwar seit 1981 gesetzliche Vorschriften mit Mindestabmessungen,<br />

die über diesen Haltungsnormen liegen<br />

(SCHWEIZ. TIERSCHUTZVERORDNUNG, 7). Wegen<br />

der langen Übergangsfristen wurden bis Ende 1991 auch die<br />

meisten Schweizer Laborkaninchen in EG-konformen Käfigen<br />

gehalten.<br />

Wegen des geringen wissenschaftlich abgesicherten Kenntnisstandes<br />

über die Ansprüche von <strong>Kaninchen</strong> an ihre<br />

räumliche und soziale Umgebung veranlaßte 1980 das<br />

Schweizer Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) ein<br />

breit angelegtes vorwiegend ethologisches Forschungsprogramm.<br />

Dieses wurde 1980 - 87 an der Ethologischen<br />

Station Hasli des Zoologischen Instituts der Universität<br />

Bern durchgeführt und vom BVET und dem Zürcher<br />

Tierschutz finanziert (z. B. 8, 9, 10, 11, 12, 13. 14, 15, 16,<br />

17). Zustimmung, aber auch Widerspruch und Kritik,<br />

lösten ab Mitte der Achtziger Jahre eine Vielfalt von<br />

überprüfenden (und bestätigenden), ergänzenden und<br />

weiterführenden Forschungsarbeiten in der Schweiz, in<br />

Deutschland, Holland. England und Canada aus, wobei<br />

vorerst die Zucht und Mast von Fleischkaninchen im<br />

Zentrum standen. Seil der Veröffentlichung einer Pilotstudie<br />

zur Zucht von SPF-Laborkaninchen in Gruppen im<br />

Jahr 1989 (18) wird auch die Tiergerechtheit der Haltung<br />

und Zucht von <strong>Kaninchen</strong> zu Versuchszwecken intensiv<br />

diskutiert (l9, 20).<br />

Aufgrund der inzwischen stark erweiterten Kenntnisse wurden<br />

in der Schweiz die Anforderungen an die Haltung von<br />

<strong>Kaninchen</strong> bei der Revision der Tierschutzverordnung vom<br />

23. Oktober 1991 neu festgelegt (7). Insbesondere geregelt<br />

wurden jene Aspekte, die für eine tiergerechte Haltung von<br />

<strong>Kaninchen</strong> wesentlich sind (Tab. l, Tab. 2).<br />

Refinement bei der HaJtung von Laborkaninchen


Fachinformationen<br />

SONDERDRUCK<br />

Tierschutzverordnung (TSchV)<br />

Änderung vom 23. Oktober 1991<br />

Der Schweizerische Bundesrat verordnet:<br />

I<br />

Die Tierschutzverordnung vom 27. Mai 1998l 1 ) wird wie folgt<br />

geändert:<br />

Ingres s<br />

gestützt auf Artikel 33 des Tierschutzgesetzes vom 9. März 1978 2 )<br />

(Gesetz),<br />

Neuer Gliederungstitel nach Artikel 24<br />

3a. Abschnitt: Hauskaninchen<br />

Art. 24a Beschäftigung und Gruppenhaltung (neu)<br />

') <strong>Kaninchen</strong> müssen täglich mit grob strukturiertem Futter wie<br />

Heu oder Stroh versorgt werden sowie ständig Objekte zum<br />

Benagen zur Verfügung haben.<br />

2 ) Jungtiere dürfen in den ersten acht Wochen in der Regel nicht<br />

einzeln gehalten werden.<br />

Art. 24h Gehege, Käfige und Einrichtungen (neu)<br />

') Käfige müssen:<br />

a. eine Bodenfläche gemäß Anhang l, Tabellen 141 und 142,<br />

Ziffern 11 aufweisen oder, wenn die Bodenfläche kleiner ist,<br />

mit einer um mindestens 20 cm erhöhten Fläche ausgestattet<br />

sein, auf welcher die Tiere ausgestreckt liegen können;<br />

b. mindestens in einem Teilbereich so hoch sein, daß die Tiere<br />

aufrecht sitzen können;<br />

c. mit einem abgedunkelten Bereich ausgestattet sein, in den<br />

sich die Tiere zurückziehen können.<br />

2 ) Käfige ohne Einstreu dürfen nur in klimatisierten Räumen verwendet<br />

werden.<br />

3 ) Gehege oder Käfige für hochträchtige Zibben müssen mit Nestkammern<br />

ausgestattet sein. Die Tiere müssen die Nestkammern<br />

mit Stroh oder anderem geeigneten Nestmaterial auspolstern<br />

können. Zibben müssen sich von ihren Jungen in ein anderes<br />

Abteil oder auf eine erhöhte Fläche zurückziehen können.<br />

Tab. 1: Vorschriften zur Haltung von Hauskaninchen<br />

(Schweiz. Tierschutzverordnung, Revision vom 23.<br />

Oktober 1991, in Kraft seit 1. Dezember 1991)<br />

14 Hauskaninchen<br />

14.1 Ausgewachsene <strong>Kaninchen</strong> 1 )<br />

1 Käfige ohne erhöhte Rächen:<br />

1.1 Bodenfläche')<br />

1.2 Höhe 4 )<br />

2 Käfige mit erhöhten Rächen:<br />

2.1 Gesamtfläche')<br />

(Bodenfläche und erhöhte Fläche)<br />

2.2 davon Bodenfläche minimal<br />

2.3 Höhe<br />

3 zusätzliche Fläche für Nestkammer<br />

Zwergrassen<br />

bis 2 kg<br />

3400cm 2<br />

40cm<br />

2800cm 2<br />

2000cm 2<br />

40cm<br />

800cm 2<br />

Kleine<br />

Rassen<br />

2-3,5 kg<br />

4800cm 2<br />

50cm<br />

4000cm 2<br />

2800cm 2<br />

50cm<br />

1000cm 2<br />

Mittlere<br />

Rassen<br />

3,5-5 kg<br />

7200cm 2<br />

60cm<br />

6000cm'<br />

4200 cm 2<br />

60cm<br />

1000cm 2<br />

') Zibbe mit Jungen bis etwa zum 30. Alterstag, Rammler, Zibben ohne Junge.<br />

l ) Für schwere Tiere sind die Masse angemessen zu vergrößern.<br />

3 ) Auf dieser Fläche dürfen ein oder zwei verträgliche, ausgewachsene Tiere ohne Junge gehalten<br />

werden.<br />

") Diese Höhe muß auf mindestens 35 Prozent der Gesamtfläche vorhanden sein.<br />

Körpergewicht bis 1,5 kg über 1,5 kg<br />

1 Käfige ohne erhöhte Rächen :<br />

1.1 Bodenfläche<br />

6000 cm*<br />

- mehr als 40 Tieren<br />

800cm 2 1200cm 2<br />

1.2 Höhe?)<br />

50cm 50cm<br />

2 Käfige mit erhöhten Flächen:<br />

2.1 Gesamtfläche<br />

(Bodenfläche und erhöhter Fläche)<br />

2.2 davon Bodenfläche minimal<br />

2.3 Höhe?)<br />

5000 cm 2<br />

3500 cm 2<br />

50cm<br />

5000cm:<br />

3500 cm:<br />

50cm<br />

3 Fläche pro Tier bei - bis zu 40 Tieren<br />

1000cm 2 1500cm 2<br />

1 ) Tiere bis zur Geschlechtsreife.<br />

2) Diese Höhe muß auf mindestens 35 Prozent der Gesamtfläche vorhanden sein.<br />

3) Bei Gruppen von mehr als fünf Tieren muß der Bereich für den Rückzug der Tiere von mehreren<br />

Seiten zugänglich sein und bei Gruppen von mehr als zehn Tieren muß dieser unterteilt<br />

werden.<br />

Tab. 2: Mindestanforderungen für das Halten von Hauskaninchen<br />

(Schweiz. Tierschutzverordnung, Revision vom<br />

23. Oktober 1991, in Kraft seit L Dezember 1991)<br />

Geleitet von ökonomischen Interessen und unter Mißachtung<br />

der bekannten ethologischen und morphologischen<br />

Befunde erließ dagegen die deutsche Gruppe der World Rabbit<br />

Science Association (WRSA) 1992 "Empfehlungen zur<br />

tiergerechten und tierschutzkonformen Haltung von Hauskaninchen"<br />

(21, 22), deren Richtwerte für Mindestgrößen von<br />

Zuchtkaninchenkäfigen diejenigen in ANHANG II DER<br />

EG-RICHTLINIE (4) bzw. in APPENDIX A DER KON-<br />

VENTION DES EUROPARATES (3) zum Teil noch unterschreiten<br />

(Tab. 3).<br />

Gewicht<br />

in kg LG<br />

2<br />

CH TSchV<br />

1981/1991 a<br />

4800 / 50 c<br />

Europarat /<br />

EG, 1986<br />

2000 / 30 e<br />

WRSA<br />

1992<br />

2000 / 35 c<br />

4000 [2800] b,c<br />

3<br />

- 2500 / 35 f<br />

-<br />

_<br />

3,5 7200 / 60 c<br />

_<br />

6000 [4200] b,c<br />

4<br />

>5<br />

-<br />

9300 / 60 d<br />

3000 / 40 f<br />

3600 / 40 g<br />

3000 / 40 c<br />

_<br />

>5,5<br />

-<br />

7800 [5400] b.d<br />

- 4000 / 40 c<br />

Große<br />

Rassen<br />

5-7 kg 2 )<br />

9300cm 2<br />

60cm<br />

7800cm 2<br />

5400cm 2<br />

60cm<br />

a: Wird nicht gezüchtet, dürfen auf dieser Räche auch zwei verträgliche<br />

ausgewachsene Tiere gehalten werden.<br />

b: Bei Käfigen mit erhöhten Rächen ist die minimale Gesamtfläche<br />

geringer; in eckigen Klammern die minimale Bodenfläche.<br />

c, d: Zusätzlich Nestbox mit minimaler Grundfläche von:<br />

c=1000cm 2 ,d = 1200cm2.<br />

e - g: Für die Zucht gelten Mindestgrundflächen von 3500 (2 kg),<br />

4000 (3 kg). 4500 (4 kg) bzw. 5000 cm? (>5 kg), einschließlich<br />

Nestbox mit minimaler Grundfläche von: e = 1000 cm 2 , f<br />

= 1200 cm 2 , g = 1400 cm 2 ; die minimale Höhe ist unverändert.<br />

Tab. 3: Vergleich der Mindestabmessungen von <strong>Kaninchen</strong>käfigen<br />

in der Schweiz. Tierschutzverordnung,<br />

in den Richtlinien der EG und in der Konvention des j<br />

Europarates sowie in den Empfehlungen der World<br />

Rabbit Association (Deutsche Gruppe)<br />

Refinemenl bei der Haltung von Laborkaninchen


SONDERDRUCK<br />

Fachinformationen<br />

Im Mai 1993 wurde an einem Experten-Meeting in Berlin<br />

diskutiert, ob und wie weit die beiden letztgenannten supranationalen<br />

Übereinkommen noch dem aktuellen Kenntnisstand<br />

entsprechen. Bei den Laborkaninchen bestand breiter<br />

Konsens darüber, daß die Minimalanforderungen an die<br />

Käfigabmessungen aufgrund der wissenschaftlich erarbeiteten<br />

Befunde überarbeitet und angehoben sowie durch zusätzliche<br />

Vorschriften ergänzt werden sollten. Die wenigen<br />

grundsätzlichen Vorbehalte gegenüber fälligen Neuerungen<br />

waren wirtschaftlich motiviert. Es ließen sich keine Untersuchungen<br />

beibringen, die wissenschaftlich belegen, daß die<br />

derzeitigen Haltungsnormen tiergerecht sind, d. h. weder zu<br />

Verhaltensstörungen noch zu Schäden führen.<br />

Die neuen gesetzlichen Vorschriften in der Schweiz (7),<br />

Empfehlungen zur Gruppenhaltung von <strong>Kaninchen</strong> im britischen<br />

'CODE OF PRACTICE' (23), eine Vielzahl von Veröffentlichungen<br />

sowie das in Fachkreisen intensiv diskutierte<br />

Berliner-Meeting haben im deutschsprachigen Raum<br />

großes Interesse an Verbesserungen der Haltung von Laborkaninchen<br />

geweckt. Während einerseits zur Zeit in der<br />

Schweiz und in Deutschland viele Millionen in neue tiergerechte<br />

<strong>Kaninchen</strong>käfige investiert werden, hat andererseits<br />

die Diskrepanz von Empfehlungen und Aussagen, die<br />

dadurch zustande kommt, daß unter dem Aspekt des Tierschutzes<br />

wissenschaftliche Befunde und wirtschaftliche<br />

Interessen immer wieder vermischt werden, zu einer gewissen<br />

Verunsicherung geführt. Dazu trägt auch die offensive<br />

Werbung verschiedener Käfighersteller für "nach dem neuesten<br />

Stand der Forschung tierschutzkonforme <strong>Kaninchen</strong>käfige"<br />

bei, die sich dann bei genauer Prüfung als in ihrer technischen<br />

Ausführung problematisch erweisen können.<br />

Ziel des vorliegenden Beitrages ist es, basierend auf wissenschaftlichen<br />

Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen<br />

Anregungen für die Planung, den Bau und die Betreuung<br />

von neuen Haltungsformen für Laborkaninchen zu vermitteln.<br />

Dieses Ziel soll wie folgt erreicht werden: Eine Zusammenstellung<br />

des aktuellen Kenntnisstandes der tierschutzrelevanten<br />

Forschung über Haltung und Verhalten von<br />

<strong>Kaninchen</strong> soll subjektive Eindrücke und Erfahrungen relativieren<br />

und so zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen.<br />

Danach werden zwei neue tiergerechte Haltungskonzepte<br />

für Laborkaninchen: die Paarhaltung im strukturierten<br />

Käfig sowie die Vorrats- bzw. Versuchshaltung in Gruppen<br />

vorgestellt und bezüglich ihrer Vor- und Nachteile diskutiert.<br />

Für den Tierhaltungsalltag sollen insbesondere auch<br />

Erfahrungen aus der Haltungspraxis weitergegeben werden,<br />

die von Institutionen der Industrie und der Hochschulen bei<br />

der Umsetzung der Haltungskonzepte in eine tier- und menschengerechte<br />

<strong>Kaninchen</strong>haltung gemacht worden sind.<br />

Haltung und Zucht von Laborkaninchen: Status quo<br />

<strong>Kaninchen</strong> werden vorwiegend einzeln in unstrukturierten<br />

Käfigen gehalten. Im Laborbereich laßen sich die verschiedenen<br />

Käfige in drei Gruppen einteilen: Vollgitterkäfige,<br />

Metallkäfige und Kunststoffkäßge. Die Käfige sind in Batterien<br />

mit Schwemmentmistung (3-4 Etagen) oder in Fahrgestellen<br />

mit Kotwannen installiert.<br />

Die Vollgitterkäßge sind auf alle Seiten hin offen und verfügen<br />

meist über einen Gitterrostboden. Bei den Metallkäfigen<br />

sind außer der Frontseite alle Seiten geschlossen; als Böden<br />

werden Spaltenroste und Lochroste aus Chromstahl oder<br />

Kunststoff eingesetzt. Bei den Kunststoffkäfigen ist der<br />

Lochrost Teil der Käfighülle. Diese besteht entweder aus<br />

einem Guß mit geschlossenen Seitenwänden, Rückwand und<br />

Decke oder aus einer 15 - 25 cm tiefen Kunststoffschale mit<br />

aufgesetzten Gitterteilen. Außen am Käfig angebracht sind<br />

bei allen Käfigtypen Behälter für pelletiertes Kraftfutter<br />

sowie Wasserflaschen bzw. Zuleitungen für Nippeltränken.<br />

Im Laborbereich wird nur selten grob strukturiertes Futter in<br />

Form von Heu oder Stroh angeboten (Probleme bei der Entmistung).<br />

Zunehmende Verbreitung finden hingegen das<br />

Nageholz sowie etwas verzögert auch Heupreßlinge.<br />

Für die Zucht wird häufig eine mit Ausnahme der Frontseite<br />

rundum geschlossene Nestbox außen an einer Käfigwand<br />

befestigt oder in den Käfig gestellt (z. B. bei Angebot des<br />

zweiten Abteils in einem Doppelkäfig). Teilweise wird der<br />

Zibbe zum Bau eines Wurfnestes Stroh, Heu oder Zellstoff<br />

zur Verfügung gestellt. Die Zibbe kann die Nestbox nicht<br />

durch eigene Aktivität verschließen.<br />

Tierschutzrelevante Probleme der Standardhaltung<br />

Die Haltung von <strong>Kaninchen</strong> in unstrukturierten Vollgitter-,<br />

Kunststoff- oder Metallkäfigen mit einer Grundfläche von<br />

2500 - 3500 cm 2 und einer Höhe von 30 - 40 cm führt m<br />

einer Vielfalt von tierschittzrelevanten Problemen, die in<br />

Tabelle 4 zusammengestellt sind.<br />

• Stark eingeschränkte Bewegungsfreiheit:<br />

-» Veränderte Fortbewegung —> Verlust der Hoppelfähigkeit<br />

—> Veränderungen am Bewegungsapparat (Femur<br />

proximalis, Wirbelsäule) (8, 9, 10, 19, 24. 25, 26, 27)<br />

• Reizarmut und Mangel an Beschäftigung:<br />

—> Stereotypien (z.B. 'Gitternagen', 'Exzessives Scharren',<br />

'Belecken von Käfigteilen') und Unruhe<br />

('afunktionale Aktivitätsschübe' mit zusammenhanglosen<br />

Elementen aus den Funktionskreisen Nahrungsaufnahme,<br />

Komfortverhalten, Ruheverhalten,<br />

Aufmerksamkeits-, Erkundungs- und Fluchtverhalten<br />

sowie Lokomotion) —> gestörte Verhaltensorganisation<br />

in Raum und Zeit ( 11, 12, 19, 24, 28)<br />

Refinemem bei der Hallung von Laborkaninchen


Fachinformationen<br />

SONDERDRUCK<br />

• Fehlende Strukturierung des Käfigs (keine Wahlmöglichkeiten,<br />

kein Rückzugsbereich):<br />

—> Hohe Störungsanfälligkeit und Panikreaktionen<br />

(U, 19,24)<br />

Zusätzlich bei Zucht:<br />

• Verpaarung im Bockkäfig:<br />

—» Gestörtes Sexualverhalten —> verringerte Konzeptionsraten<br />

(Praxis: 30 - 70 %) (13)<br />

• Fehlendes Material zum Nestbau sowie<br />

unstrukturierte Nestbox:<br />

offene,<br />

-» Gestörtes Nestbau- und Nestverschließverhalten,<br />

veränderter Säugerhythmus und zu frühes Verlassen<br />

der Nestbox (ab 12. Lebenstag) —» Aufzuchtverluste<br />

durch Auskühlen und Verhungern sowie<br />

durch Verletzungen und Kannibalismus (Praxis: 20 -<br />

30 %): (12, 15, 16, 17, 24, 28, 29, 30)<br />

• Unstrukturierter Käfig:<br />

-» Keine Rückzugsmöglichkeit für Zibbe —» sehr<br />

häufige Saugversuche mit erfolglosen Versuchen<br />

der Zibbe, sich den Jungen zu entziehen —> 'Unruhe'<br />

—» gestörte Mutter-Jungtier-Beziehung —» Aufzuchtverluste<br />

(15, 17, 29, 30)<br />

Tab. 4: Tierschutzrelevante Probleme bei der Haltung von<br />

Laborkaninchen (Status quo)<br />

Abb. 1: Hoppelsprung eines<br />

Weißen Neuseeländer<br />

<strong>Kaninchen</strong>s aus Freilandhaltung<br />

(Lehmann,<br />

1987: gezeichnet ab 16-<br />

mm Film, darüber Montage<br />

der Abmessungen<br />

eines praxisüblichen 45<br />

cm breiten Käfigs).<br />

Bevor das <strong>Kaninchen</strong><br />

mit seinen Hinterläufen<br />

vom Boden abhebt,<br />

würde es mit der<br />

Schnauze schon die<br />

Wand des Käfigs rammen<br />

Reizarmut, Mangel an Beschäftigung<br />

und eine fehlende Strukturierung<br />

des Käfigs führen zur<br />

Ausbildung von stereotypen<br />

Verhaltensmustern (Abb. 2), zu<br />

Unruhe und Panikreaktionen<br />

sowie zu einer gestörten Verhaltensorganisation<br />

in Raum<br />

und Zeit. Besonders ausgeprägt<br />

sind die negativen Auswirkungen<br />

bei der Zucht, wo haltungsbedingte<br />

Verluste von 20 bis 30 % der lebend geborenen<br />

Jungtiere auftreten können (35).<br />

Die Lokomotion ist wegen der räumlichen Enge weilgehend<br />

auf langsame und rasche Formen des Drehens um die eigene<br />

Achse reduziert. Hoppeln, die charakteristische Fortbewegungsweise<br />

von <strong>Kaninchen</strong> ist nicht möglich (Abb. 1).<br />

Dies führt zu Störungen des Verhaltens (Verlust der Hoppelfähigkeit<br />

(8, 19, 24), afunktionale Aktivitätsschübe, verhindertes<br />

Lokomotionsspiel (31)). Unphysiologische Belastungen<br />

während der Ontogenese sowie mangelndes<br />

Training führen über Zeit auch zu teilweise irreversiblen<br />

Schäden am Skelett (z. B. Verkrümmungen der Wirbelsäule,<br />

dünnerwandige Röhrenknochen), was inzwischen in vergleichenden<br />

Untersuchungen für mehrere Rassen nachgewiesen<br />

worden ist (Weiße Neuseeländer, Chinchilla, ZIKA)<br />

(31, 33). Ungeeignete Böden (z. B. Vollgitterböden, scharfe<br />

Kanten bei Rostböden, zu große Spaltenbreiten) führen<br />

zudem zu Verletzungen und Schwielenbildung (34).<br />

Obschon gerne hinterfragt wird, wie weit sich solche radiologischen<br />

und histologischen Untersuchungen verallgemeinern<br />

lassen, ist der Nachweis, daß auch nur eine Rasse in<br />

solchen Käfigen zu arttypischer Lokomotion befähigt wäre,<br />

bisher nicht erbracht worden.<br />

Abb. 2: Gitternagen, die am häufigsten ausgeprägte Stereotypie<br />

in reizarmer Käfighaltung<br />

Im Hinblick auf eine tiergerechte Käfighaltung von Laborkaninchen<br />

lassen sich die Konzepte Metall- und Kunststoffkäfig<br />

ausdifferenzieren und verbessern. Auf den Einsatz und<br />

die Weiterbearbeitung des Konzepts Vollgitterkäfig sollte<br />

Retlnemenl bei der Haltung von Laborkaninchen


SONDERDRUCK<br />

Fachinformationen<br />

hingegen verzichtet werden: Neben den für alle Käfigtypen<br />

geltenden tierschutzrelevanten Problemen (Tab. 4) sind<br />

<strong>Kaninchen</strong> in Vollgitterkäfigen zusätzlich allseitig exponiert<br />

und, wegen der schadensträchtigen extrem geringen Auftrittfläche<br />

bei Drahtböden (34), weiter eingeschränkt.<br />

Grundanforderungen an eine tiergerechte Haltung von<br />

Laborkaninchen<br />

Störungen des Verhaltens lassen sich selten auf einen Umgebungsfaktor<br />

zurückführen; sie ergeben sich aus dem ungünstigen<br />

Zusammenwirken mehrerer Faktoren wie z. B.<br />

Raumangebot (—> räumliche Enge), Qualität und Quantität<br />

von Reizen (—» inadäquate Reize bzw. Reizarmut), Qualität<br />

und Quantität von Objekten (—» inadäquate Objekte bzw.<br />

Mangel) und Sozialpartner (-» Isolation). Eine Haltungsumgebung<br />

setzt sich somit zwar aus einzelnen, vom Menschen<br />

variierbaren Faktoren zusammen; auf das Tier wirkt sie<br />

jedoch immer in ihrer Komplexität, als Zusammenspiel von<br />

Reizen und in der räumlichen Anordnung von Objekten.<br />

Reize und Objekte müssen vom Tier erkannt \sna funktionsspezifisch<br />

genutzt werden können. Nur so kann in sehr<br />

restriktiver Haltung (jede, auch die beste Labortierhaltung ist<br />

sehr restriktiv) eine schadensfreie Entwicklung. Erhaltung<br />

und Fortpflanzung gesichert werden (36).<br />

Der Nutzungszweck, der experimentelle Einsatz von Tieren,<br />

verlangt im Laborbereich eine Normierung der Haltungsumgebung<br />

und eine Standardisierung der Betreuung. Dies gilt,<br />

bedingt durch die großen Tierzahlen und die Art der Versuche,<br />

in besonderem Ausmaß für kleine Nagetiere und <strong>Kaninchen</strong><br />

(37). Die starke Reduktion der Komplexität der Umgebung<br />

macht Haltungssysteme bezogen auf Tierschutzaspekte<br />

überaus anfällig. Ein unstimmiges Detail, z. B. zu<br />

glatter Boden, wirkt sich nicht nur auf die Fortbewegung, z.<br />

B. häufiges Ausrutschen, aus, sondern kann darüber hinaus<br />

zu einem veränderten Aktivitätsverlauf und zu einer veränderten<br />

Raumnutzung führen. Grundlage aller Haltungssysteme<br />

sind Haltungskonzepte. Neue Haltungskonzepte, die<br />

unter dem Aspekt des Tierschutzes Bestand haben sollen,<br />

müssen wissenschaftlich und vom Tier ausgehend erarbeitet<br />

werden. Erst die Umsetzung von Haltungskonzepten in praxistaugliche<br />

Haltungssysteme verlangt den Einbezug der<br />

Ansprüche der Menschen, vom Tierpflegepersonal bis zur<br />

Forschungsleitung und dem Management. Wie das Beispiel<br />

des glatten Bodens zeigt, dürfen bei der aus ökonomischen<br />

Gründen geforderten Bildung von Kompromissen gewisse<br />

Limits nicht unterschritten werden.<br />

Beim 'Environmental Enrichment' der Standardhaltung<br />

werden Störungen des Verhaltens und morphologische<br />

Schäden symptomatisch bekämpft. Die ethologische Entwicklung<br />

tiergerechter Haltungsformen beruht hingegen auf<br />

der ursächlichen Verhinderung von Störungen und Schäden.<br />

Dies kann nur mit der Kenntnis der für die Ausbildung normalen<br />

Verhaltens notwendigen Umgebungsreize und Umgebungsmerkmale<br />

erreicht werden (1).<br />

An <strong>Kaninchen</strong> wurden mehrere vergleichend-ethologische<br />

Untersuchungen in reich strukturierter, Wahlmöglichkeiten<br />

bietender Umgebung durchgeführt (12, 16, 17, 38, 39). Das<br />

Wissen um die Variabilität von Verhaltensmustern in reichhaltiger<br />

Umgebung ermöglichte es, die Ansprüche der Tiere<br />

an ihre räumliche und soziale Umgebung abzuleiten und das<br />

Verhalten so zu steuern, daß den <strong>Kaninchen</strong> auch unter den<br />

sehr restriktiven Bedingungen einer Laborhaltung erfolgreiche<br />

Bedarfsdeckung möglich ist. Reize und Stoffe konnten<br />

erfolgreich auf die für die Ausbildung normaler Verhaltensabläufe<br />

wesentlichen Merkmale reduziert und durch für das<br />

Betreuungspersonal handhabbare Elemente substituiert werden.<br />

Dies soll an zwei Beispielen illustriert werden:<br />

Erhöhte Liegefläche und Rückzugsbereich<br />

Der einzeln stehende Busch, unter dem sich <strong>Kaninchen</strong> in<br />

naturnaher Umgebung zum Ruhen sammeln (Abb. 3), zeichnet<br />

sich gegenüber dem umliegenden offenen Gebiet durch<br />

folgende Eigenschaften aus; Lichtgradient (hell - dunkel),<br />

Deckung gegen oben (Schatten und Schutz vor Luftraubfeinden),<br />

Sicht über das Gebiet (Schutz vor Bodenraubfeinden<br />

und Kontrolle des sozialen Geschehens) sowie geringere<br />

Bodenfeuchtigkeit und Strukturen, an die sich die <strong>Kaninchen</strong><br />

anschmiegen können. Alle weiteren Eigenschaften des<br />

Busches und der unmittelbaren Buschumgebung sind bzw.<br />

scheinen für die <strong>Kaninchen</strong> unwesentlich.<br />

Abb. 3: Ruhegruppe unter einem Busch in einem Freilandgehege<br />

(Foto: M. Lehmann)<br />

Lichtgradient, Deckung gegen oben, Übersicht und<br />

Anschmiegbarkeit lassen sich durch die in Abbildung 4 dargestellte<br />

Struktur substituieren; die Bodenqualität wird<br />

durch Trockenheit und gute Isolation erreicht. Der tunnelportalartige<br />

Durchschlupf auf der linken Seite nimmt noch<br />

Refinement bei der Hallung von Laborkaninchen


Fachinformationen<br />

SONDERDRUCK<br />

einen anderen Aspekt auf. Unter naturnahen Bedingungen<br />

fliehen <strong>Kaninchen</strong> bei Störungen häufig in selbst gegrabene<br />

Erdröhren. Die Schutz bietende Erdröhre wird an deren Öffnung<br />

erkannt. Beim Substitut ist der "Erdröhreneingang" nur<br />

stilisiert angedeutet. Obschon das Substitut gegen vorne<br />

offen ist, wird der Unterschlupf bei Störungen oft durch das<br />

"Portal" aufgesucht.<br />

Abb. 4: Erhöhte Ebene und Rückzugsbereich mit seitlichem<br />

Einschlupf<br />

Bezogen auf eine normale Ausprägung des Verhaltens<br />

bringt der Einbau einer erhöhten Ebene (Abb. 5) folgende<br />

Vorteile: Der Käfig ist strukturiert und erlaubt eine aktivitätsspezifische<br />

Raumnutzung. Die erhöhte Ebene fördert<br />

das Training des Bewegungsapparates und bietet den Tieren<br />

die Möglichkeit, einen Liegeort auszuwählen. Im Zuchtkäfig<br />

können Zibben bei Saugversuchen von Jungtieren, die die<br />

Nestkammer verlassen haben, auf die erhöhte Ebene ausweichen.<br />

Wird mehr als ein <strong>Kaninchen</strong> im Käfig gehalten, kann<br />

ein Tier sich auf die erhöhte Ebene zurückziehen (Sichtschutz);<br />

im strukturierten Käfig können sich die Partner<br />

wahlweise aufsuchen oder vermeiden. Wird die erhöhte<br />

Ebene an einer festen Wand angebracht, entsteht darunter<br />

ein relativ dunkler Bereich; ein Unterschlupf, wohin sich die<br />

Tiere bei Störungen zurückziehen können (Abb. 6).<br />

Abb. S.-<br />

Umriß des<br />

strukturierten Kä-<br />

Typ Röche 1993"<br />

mit erhöhter Ebene (a: 60 x 30<br />

cm - 1800 cm 2 ) und Rückzugsbereich (b) mit seitl. Einschlupf<br />

(c). Bodengrundfläche 88 x 56 cm - 4928 cm 2 ; lichte<br />

Höhe (H,) 60 cm; Höhe der erhöhten Fläche (H 2 ) 25 cm,<br />

darüber (H 3 ) 35 cm; Bodengrundfläche mit voller Höhe (d)<br />

3128 cm 2 (63 %)<br />

Abb. 6: Sprung auf erhöhte Ebene; das zweite <strong>Kaninchen</strong><br />

hält sich im Unterschlupf auf (Käfig "Typ Röche<br />

1993")<br />

Sozialpartner<br />

In reichhaltiger räumlicher und sozialer Umgebung interagieren<br />

<strong>Kaninchen</strong> häufig, aber nicht zufällig, mit Artgenossen.<br />

Ausgewachsene Zibben bevorzugen generell andere<br />

Weibchen als Kontaktpartner. Zum Ruhen suchen sie sich<br />

auf, schmiegen sich aneinander an und lecken sich, als Zeichen<br />

der "Vertrautheit", gegenseitig immer wieder das Fell.<br />

Ihr Zusammenleben ist durch eine lineare Rangordnung<br />

geregelt. Aggressive Interaktionen sind selten und verlaufen<br />

fast immer schadensfrei. Dagegen beschränken sich die<br />

Beziehungen unter Böcken auf distanzschaffende intolerante<br />

Kontakte. Jungtiere sind untereinander sehr sozial. Sie<br />

suchen auch den Kontakt zu Adulten, die diesen jedoch häufig<br />

durch Weggehen abbrechen oder meiden (15, 37).<br />

Was heißt dies für die Laborkaninchenhaltung? <strong>Kaninchen</strong><br />

sollten grundsätzlich nicht einzeln gehalten werden. Dies ist<br />

insbesondere wichtig für junge <strong>Kaninchen</strong> und ausgewachsene<br />

Zibben sowie bei monate- bis jahrelanger Haltungsdauer.<br />

Das Zusammenhalten von geschlechtsreifen Böcken ist<br />

risikoreich. Kastrierte Böcke (bedeckte Kastration!) sind<br />

hingegen untereinander und gegenüber Zibben tolerant. Voraussetzung<br />

für eine erfolgreiche Gruppenhaltung ist, daß die<br />

Gruppen langfristig stabil bleiben können (siehe hinten) und<br />

daß die Haltungsumgebung so strukturiert ist (z. B. durch<br />

erhöhte Ebene, Sichtblenden), daß sich die <strong>Kaninchen</strong> bei<br />

Refinemenl bei der Hallung von Laborkaninchen


SONDERDRUCK<br />

Fachinformationen<br />

Bedarf vermeiden und Kontakte immer wieder neu initiieren<br />

können.<br />

Der Sozialpartner entspricht nicht nur der Biologie von<br />

<strong>Kaninchen</strong>; gerade in restriktiver Haltungsumgebung bringt<br />

er Abwechslung, Beschäftigung und vermutlich auch etwas<br />

wie "Sicherheit" oder "Geborgenheit". Im Gegensatz zu<br />

unbelebten Objekten schafft ein Sozialpartner immer wieder<br />

neue, unvorhersehbare Situationen, auf die ein Tier sich einstellen<br />

und reagieren muß.<br />

In Tabelle 5 ist ein Katalog von Grundforderungen zusammengestellt,<br />

dem mit Bezug auf Tiergerechtheit jede <strong>Kaninchen</strong>haltung<br />

(Käfighaltung und Gruppenhaltung) Rechnung<br />

tragen sollte. Dieser Anforderungskatalog ist aus der Kenntnis<br />

des Normalverhaltens von <strong>Kaninchen</strong> abgeleitet, das<br />

unter reichhaltigen räumlichen und sozialen Bedingungen<br />

erfaßt worden ist (12, 16, 17, 38, 39). Als "normal" bzw.<br />

"Normalverhalten" gelten Verhaltensabläufe, die aufgrund<br />

der evolutionären Verhaltenssteuerung und erlernter Mechanismen<br />

zu erfolgreicher Bedarfsdeckung und Schadensvermeidung<br />

führen.<br />

• Bewegungsfreiheit:<br />

-» Ausprägung normaler Fortbewegung (hoppeln) und<br />

normaler Stellungen (ausgestrecktes Liegen in<br />

Bauch- oder Bauch-Seitenlage, aufrechtes Sitzen und<br />

"Männchenmachen")<br />

• Gliederung des Raumes in funktionale Bereiche:<br />

—» Wahlmöglichkeiten, z. B. für Ruhe und Rückzug<br />

• Beschäftigungsobjekte:<br />

-» Normale Ausprägung von Nahrungsaufnahmeverhalten<br />

und Erkundungsverhalten<br />

Einzel- oder Paarhaltung im strukturierten Käfig<br />

Die SCHWEIZ. TIERSCHUTZVERORDNUNG (7) nennt<br />

verschiedene Formen der Käfighaltung von <strong>Kaninchen</strong>: die<br />

Haltung im unstrukturierten Käfig, die Haltung im strukturierten<br />

Käfig bei ca. 40 % weniger Minimalbodenfläche<br />

sowie als Alternativen zur Einzelhaltung die Zweierhaltung<br />

von verträglichen ausgewachsenen Tieren bzw. die Kleingruppenhaltung<br />

von abgesetzten Jungtieren. Die in den<br />

Tabellen 2 und 3 zusammengestellten Mindestabmessungen<br />

von Grundfläche, Höhe und erhöhter Fläche ergeben sich<br />

aus der Forderung nach schadenfreier arttypischer Bewegung<br />

und, bei Einbau einer erhöhten Ebene, aus dem funktionalen<br />

Gebrauch des Käfigs. In einen Käfig mit kleineren<br />

Abmessungen läßt sich die erhöhte Ebene nicht so einbauen,<br />

daß <strong>Kaninchen</strong> das Liegebrett, den Unterschlupf und den<br />

umliegenden Raum erfolgreich und schadenfrei nutzen können.<br />

Für die Haltung von einem oder zwei <strong>Kaninchen</strong> gelten<br />

somit die gleichen minimalen Abmessungen.<br />

In den Tabellen 6 und 7 ist das ethologische Konzept zur Einzel-<br />

oder Paarhaltung von Laborkaninchen im strukturierten<br />

Käfig zusammengefaßt. Dieses Haltungskonzept beruht auf<br />

Erkenntnissen aus der Forschung in reichhaltiger Umgebung<br />

(z. B. 12, 14, 15, 16, 17) sowie auf spezifischen Untersuchungen<br />

zur Entwicklung des strukturierten Käfigs (19, 24,<br />

29, 40, 41, 42). Seit 1991 werden die Laborkaninchen in der<br />

Schweiz zunehmend paarweise und in strukturierten Käfigen<br />

(oder in Gruppenhaltung am Boden) gehalten (alle im Laborbereich<br />

verbreitet eingesetzten Stämme bzw. Rassen); dies<br />

gilt für die Privatwirtschaft ebenso wie für Universitätsinstitute.<br />

Das Konzept ist in der Praxis erfolgreich, Schwierigkeiten<br />

ergeben sich allenfalls dann, wenn die Haltungsanforderungen<br />

unsachgemäß umgesetzt werden.<br />

Da bei Paarhaltung ein Käfig von zwei Individuen genutzt<br />

werden kann, ist diese Haltungsform auch von ökonomischem<br />

Interesse. Bei einer den Richtwerten von EUROPA-<br />

RAT und EG (3, 4) vergleichbaren Grundfläche pro Tier<br />

bringt die Zweierhaltung im strukturierten Käfig ganz erhebliche<br />

tierschutzrelevante Verbesserungen.<br />

• Sozialpartner:<br />

—» Herausforderung, Abwechslung, Beschäftigung<br />

• Bei Zucht: Material zum Nestbau:<br />

—> Normale Ausprägung des Nestbauverhaltens<br />

• Bei Zucht: Möglichkeit zum Verschließen des Nestes:<br />

—» Normale Ausprägung des Aufzuchtverhaltens der<br />

Zibbe<br />

• Bei Zucht: Rückzugsmöglichkeit für Zibbe:<br />

—> Normale Entwicklung der Mutter-Jungtier-Beziehung<br />

Tab. 5: Grundanforderungen an eine tiergerechte Haltung<br />

von Laborkaninchen<br />

• Tiere:<br />

Einzelhaltung: Zibbe, Bock<br />

Paarhaltung: adulte Zibben, kastrierte Böcke in langfristigen<br />

Zweierbeziehungen (Austausch bzw. Ersatz eines<br />

Tieres sehr schwierig)<br />

• Minimales Raumangebot:<br />

Fläche: 6000 cm 2 , davon 1800 cm 2 erhöhte Ebene und<br />

4200 cm 2 Bodenfläche; bei <strong>Kaninchen</strong> > 5 kg (schwere<br />

Rassen/Stämme) minimal 30 % größer<br />

• Höhe: 60 cm; diese Höhe bei > 50 % der Bodenfläche;<br />

bei <strong>Kaninchen</strong> < 3 kg minimal 50 cm<br />

Refinement bei der Hallung von Laborkaninchen


Fachinformationen<br />

SONDERDRUCK<br />

• Käfighülle:<br />

• Metall, Kunststoff oder Mischkonstruktion<br />

Front vergittert, Seitenwände/Rückwand fest, obere<br />

Hälfte der Seitenwände vergittert (-> wahlweise Sichtkontakt<br />

mit Nachbartieren; —» besserer Überblick über<br />

Tierraum)<br />

• Käfigboden:<br />

• Boden: Spalten- oder Lochrost (Metall oder Kunststoff);<br />

Spaltenabstände bzw. Lochdurchmesser der Größe der<br />

Tiere angepaßt (Vorsicht bei Zucht); allenfalls eingestreut<br />

• Erhöhte Ebene:<br />

• 30 x 60 cm (1800 cm2), 25 cm ab Bodenrost, an Käfigrückwand<br />

oder Seitenwand; für schwere Rassen/Stämme<br />

(> 5 kg) 30 x 80 cm (2400 cm?), 30 cm ab Boden<br />

Kunststoff gleitsicher (—» Wahlmöglichkeit Liegeort; —»<br />

Ausweichmöglichkeit bei Paarhaltung; —» guter<br />

Überblick über Tierraum; -» physiologische Belastung<br />

des Bewegungsapparates)<br />

• Unterschlupf:<br />

• Unterhalb erhöhter Ebene (—» zusätzlicher Lichtgradient<br />

im Käfig; -» Unterschlupf bei Störungen)<br />

• Futterbereich (Käfigfront):<br />

Kraftfutterbehälter und Nippel- bzw. Flaschentränke<br />

Beschäftigungsobjekte (Nagehölzer sowie Heupreßlinge<br />

oder loses Heu bzw. Stroh)<br />

Tab. 6: Ethologisches Konzept zur Einzel- oder Paarhaltung<br />

von Laborkaninchen im strukturierten Käfig<br />

Tiere:<br />

Zibbe mit Jungtieren vor Absetzen (28.- 30. Lebenstag)<br />

Anforderungen wie bei Käfig für Einzel- und Paarhaltung<br />

(Tab. 6) sowie zusätzlich:<br />

Material für Nestbau:<br />

Heu, Stroh oder Zellstoff in Raufe (—» Möglichkeit,<br />

durch eigene Aktivität ein Nest zu bauen und mit ausgerupften<br />

Haaren auszupolstern)<br />

• Nestbox (außen bzw. im Käfig bei entsprechend vergrößerter<br />

Käfiggrundfläche):<br />

Ca. 1000 cm 2 Grundfläche, 25 cm Höhe. Bei schweren<br />

Rassen/Stämmen (> 5 kg) 20 % größer<br />

Verschließbare Öffnung zum Käfig (z. B. Schieber)<br />

• Rückzugsbereich für Zibbe:<br />

Erhöhte Ebene (—» Rückzugsmöglichkeit für laktierende<br />

Zibbe, weil für Jungtiere nach dem Verlassen der Nestbox<br />

nicht erreichbar)<br />

Tab. 7: Ethologisches Konzept zur Zucht von Laborkaninchen<br />

im strukturierten Käfig<br />

Zusammensetzen der Tiere bei Paarhaltung<br />

Bei Paarhaltung werden die Paare vorzugsweise mit jungen<br />

Zibben (4-5 Monate alt) gebildet, die soziale Erfahrung<br />

haben, d. h. in Gruppen aufgewachsen sind. Das Zusammensetzen<br />

sozial deprivierter Zibben wird mit zunehmendem<br />

Alter risikoreicher und sollte bei ausgewachsenen Tieren nur<br />

unter sorgfältiger Überwachung durchgeführt werden. Dies,<br />

obschon bei den mittelschweren und schweren Laborstämmen<br />

(drei bis fünf kg KG und mehr) nur selten Schwierigkeiten<br />

auftreten, die eine spätere Trennung der Partner notwendig<br />

machen (Chinchilla-<strong>Kaninchen</strong>: eines von 50<br />

Paaren) (40). Weil <strong>Kaninchen</strong> feste Beziehungen zu<br />

bestimmten Partnern eingehen (39), lassen sich ausgewachsene<br />

<strong>Kaninchen</strong> mit langfristiger Beziehungserfahrung nicht<br />

beliebig austauschen.<br />

In den ersten Stunden nach dem ersten Zusammensetzen<br />

bestimmen die Zibben die Dominanzverhältnisse. Dabei<br />

können sie sich einzelne Haarbüschel ausreißen oder kleinere,<br />

innerhalb von Tagen abheilende Bißverletzungen zufügen.<br />

Einmal gebildete Dominanzbeziehungen sind langfristig<br />

stabil. Die Tiere verbringen viel Zeit in Körperkontakt<br />

(20 - 60 % von 24 Std., Individuen- und rassenabhängig);<br />

aggressive Auseinandersetzungen und sexuell motiviertes<br />

Aufreiten treten selten auf (40, 41, 42). Bei heftigen Auseinandersetzungen<br />

über Stunden bis Tage müssen die Partner<br />

getrennt werden (< 2 % aller zusammengesetzten Paare)<br />

(40). Stunden bis wenige Tage nach der Bildung von Paaren<br />

ist ein Austauschen von Individuen noch möglich. Sehr selten<br />

treten Individuen auf, die absolut unverträglich sind und<br />

einzeln gesetzt werden müssen.<br />

Kä'fighiille<br />

Der Grundriß des Käfigs sollte rechteckig sein, mit größerer<br />

Breite als Tiefe (ca. l, 5 : l ). Er müßte handhabbar sein (Armlänge<br />

des Betreuungspersonals), einen Lichtgradienten<br />

besitzen und eine optimale Strukturierung aufweisen. Die<br />

lichte Käfighöhe müßte 60 cm betragen (50 cm für kleine<br />

Refinemenl bei der Haltung von Lahorkaninchen


SONDERDRUCK<br />

Fachinformationen<br />

Rassen bzw. Stämme), damit sich die Tiere aufrichten bzw.<br />

aufrecht sitzen können und damit eine Strukturierung des<br />

Käfigs mittels einer erhöhten Ebene möglich ist. Der strukturierte<br />

Käfig ist nur schadenfrei nutzbar, wenn die Grundfläche<br />

mit der vollen lichten Höhe mindestens 2200 cm 2<br />

beträgt und keine "toten Winkel" entstehen.<br />

Der Käfig sollte aus festen Wänden so gebaut sein, daß die<br />

<strong>Kaninchen</strong> das Geschehen im Tierraum kontrollieren können<br />

(z. B. durch das Anbringen von vergitterten "Fenstern "<br />

bzw. durch vergittertes oberes Drittel der Käfigseiten). Insbesondere<br />

bei Einzelhaltung sollten Käfignachbarn einander<br />

sowohl sehen als auch durch Aufsuchen von Sichtschutz vermeiden<br />

können.<br />

In klimatisierten Räumen ist Einstreu nicht zwingend. Wird<br />

eingestreut, muß unbedingt auf gute Qualität der Streue und<br />

auf die Hygiene (keine Staunässe!) geachtet werden. Ein<br />

guter Rostboden ist meistens besser als eine durchschnittliche<br />

Einstreu.<br />

Werden Rostböden verwendet, ist auf deren kaninchengerechte<br />

Verarbeitung große Sorgfalt zu verwenden. Sie müssen<br />

gleitsicher und trotzdem hygienisch sein. Die Auftrittfläche<br />

(Verhältnis Festboden zu Löchern oder Spalten) ist<br />

dem Gewicht der Tiere anzupassen (bei 3 kg schweren Tieren<br />

z. B. 6 mm breite, abgeflachte Stäbe im Abstand von 12<br />

mm; Lochweiten < 14 mm bei fester Fläche von > 50 %).<br />

Wird im Käfig gezüchtet, muß sich die Perforation nach den<br />

Läufen der Jungtiere richten, oder es muß ein abtrennbarer<br />

Jungenbereich vorhanden sein (Gefahr von eingeklemmten<br />

Läufen und Knochenbrüchen). Zur Vermeidung von Pfotenverletzungen<br />

sind alle Kanten zu brechen.<br />

Alle begehbaren Flächen sind so zu befestigen, daß sie nicht<br />

scheppern (Metall) und die Tiere sich nicht verletzen können.<br />

Abb. 7:<br />

Skizze eines strukturierten<br />

Käfigs mit seitl. angebrachter<br />

erhöhter Ebene (a: 60 x 30 cm = 1800<br />

cm 2 ) und Rückzugsbereich (b) mit Sichtblende (c). Bodengrundfläche<br />

90 x 60 cm = 5400 cm 2 : lichte Höhe (H;) 60 cm;<br />

Höhe der erhöhten Fläche (H 2 ) 25 cm, darüber (H^) 35 cm;<br />

Bodengrundfläche mit voller Höhe (d) 3600 cm 2 (67%)<br />

Beschäftigungsobjekte<br />

Das Nageholz sollte wenig Harze enthalten und rückstandsfrei<br />

sein. Als beschäftigungsintensives grob strukturiertes<br />

Futter eignen sich im Laborbereich gepreßte "Heusticks"<br />

oder "Heuwürste", die zur Vermeidung von Verschmutzung<br />

mit einer Drahtschlinge neben dem Kraftfutterbehälter befestigt<br />

werden (Abb. 8). Zur Beschäftigung besonders geeignet<br />

ist loses Stroh oder Heu, das in einer Raufe oder allenfalls<br />

auf der vergitterten Käfigabdeckung angeboten wird (Vorsicht<br />

bei Schwemmentmistung). Zusätzlich zum Fressen von<br />

pelletiertem Kraftfutter beschäftigen sich <strong>Kaninchen</strong> in 24<br />

Stunden etwa 2 Stunden lang mit den Halmen (43). Der<br />

Nährwert des grob strukturierten Futters ist bei der Rezeptur<br />

des Kraftfutters zu berücksichtigen.<br />

Erhöhte Ebene / Unterschlupf<br />

Die erhöhte Ebene sollte an einer festen Wand so montiert<br />

sein, daß sich die Tiere nicht verletzen können. Ihre Abmessungen<br />

sollten einem Tier Bauch-Seitenlage bzw. zwei Tieren<br />

Liegen in Körperkontakt erlauben (60 x 30 cm; für<br />

schwere Stämme entsprechend größer). Die Oberfläche muß<br />

gleitsicher sein (kein Metall!), scharfe Kanten sind zu vermeiden<br />

(Verletzungsgefahr).<br />

Der Unterschlupf wird von <strong>Kaninchen</strong> nur als solcher<br />

erkannt, wenn er verhältnismässig dunkel (Lichtgradient)<br />

und eng ist. Die erhöhte Ebene als Dach des Unterschlupfes<br />

sollte darum 22 - 25 cm ab Boden (mittelschwere Stämme)<br />

angebracht sein. Eine Blende an der offenen Frontseite des<br />

Unterschlupfes (Abb. 7) gewährt zusätzlichen Sichtschutz.<br />

Da die Tiere bei Störungen den Unterschlupf aufsuchen, ist<br />

bei der Montage dieser Blende auf einfaches 'Handling' zu<br />

achten.<br />

Abb. 8:<br />

Kontaktaufnahme<br />

im<br />

strukturierten<br />

Käfig ("Typ<br />

Röche 1993").<br />

Nageholz (ca.<br />

10x5x5 cm)<br />

und Heupreßling,<br />

der mit<br />

einer Drahtschlinge<br />

an<br />

der Käfigfront<br />

befestigt ist<br />

Refinemenl bei der Hallung von Laborkaninchen


Fachinformationen<br />

SONDERDRUCK<br />

Zucht<br />

Wird der Käfig zur Zucht verwendet, dient die erhöhte Ebene<br />

zusätzlich als Rückzugsbereich für die Zibbe. Der Boden<br />

sowie allenfalls Futterbehälter und Wassertränke sind der<br />

Größe von 15- bis 20-tägigen Jungtieren anzupassen.<br />

Die Nestbox (ca. 30 x 35 x 25 - 30 cm) ist vorzugsweise aus<br />

leicht zu reinigendem Kunststoff zu fertigen und außen am<br />

Käfig (oder in einem gesonderten Käfigabteil) und möglichst<br />

weit von den Fütterungseinrichtungen entfernt anzubringen.<br />

Sie sollte für das Betreuungspersonal einsehbar sein<br />

(beweglicher Deckel). Um Kondenswasserbildung zu vermeiden,<br />

sollte die Durchlüftung durch Luftschlitze gewährleistet<br />

werden (kein Durchzug im Bereich des Nestes).<br />

Die Zibben sollen die Möglichkeit haben, selbst Heu, Stroh<br />

oder ähnliches Material in die Nestbox einzutragen. Nach<br />

dem Werfen sollen die Zibben das Nest entweder durch eigene<br />

Aktivität verschließen oder sich von diesem mehr als<br />

einen Meter entfernen können (12, 16, 17). Da dies bei<br />

Käfighaltung kaum möglich ist, wird empfohlen, das Nest<br />

während der ersten 12 Tage nach dem Wurf mit einem<br />

Schieber zu verschließen und täglich zur selben Zeit zum<br />

Säugen zu öffnen (15, 17, 37). Dieses Verfahren hat sich in<br />

der Praxis bewährt (24).<br />

Gruppenhaltung<br />

Gruppenhaltung ist eine Alternative zur traditionellen Käfighaltung,<br />

die bezogen auf die ethologischen Bedürfnisse von<br />

Laborkaninchen entscheidende Vorteile bringt: Die größere<br />

Nutzfläche, die differenziertere Strukturierung und insbesondere<br />

die Möglichkeit zur Wahl von Interaktionspartnern<br />

stellen für das Individuum eine enorme Bereicherung dar<br />

(20, 44, 45). Störungen des Verhaltens sowie morphologische<br />

Schäden am Bewegungsapparat treten in dieser Haltungsform<br />

nicht auf (9, 19, 25, 43, 52). Befürchtungen, daß<br />

Gruppenhaltung zu mehr Streß und reduzierten Immunantworten<br />

sowie zu erhöhtem Infektionsrisiko führen könnten,<br />

ließen sich nicht bestätigen (20, 46, 47, 48, 53). Voraussetzung<br />

ist jedoch, daß Gruppengröße, Besatzdichte und Strukturierung<br />

des Geheges den Ansprüchen der Tiere entsprechen<br />

(39, 45).<br />

Aus der Sicht des Tierschutzes ist bei Laborkaninchen Gruppenhaltung<br />

grundsätzlich für die Aufzucht in den Zuchtbetrieben<br />

(vom Absetzen aus dem Zuchtkäfig bis zum Verkauf<br />

im Alter von mindestens 4 - 5 Monaten) sowie für die Vorratshaltung<br />

und zum Teil für die experimentelle Haltung zu<br />

empfehlen. Letzteres gilt insbesondere für über Monate bis<br />

Jahre dauernde bzw. répétitive Versuche (z. B. Produktion<br />

polyklonaler Antikörper oder Pyrogentest) sowie für Experimente,<br />

die an Tieren mit guter Kondition durchgeführt werden<br />

sollten (z. B. orthopädische Studien).<br />

Seit einigen Jahren nimmt im EG-Raum, in den USA, in<br />

Canada und in der Schweiz die Zahl der in Gruppen gehaltenen<br />

Laborkaninchen stetig zu. Die Erfahrungen in der Praxis<br />

zeigen, daß Gruppenhaltung bezogen auf die Grundinvestitionen<br />

sehr kostengünstig ist. Andererseits ist sie für das<br />

Betreuungspersonal viel anspruchsvoller als die Einzelhaltung<br />

im Käfig. Die Überwachung der Tiere ist schwieriger<br />

und das Einfangen von trainierten <strong>Kaninchen</strong> braucht mehr<br />

Erfahrung und Geduld als das Erfassen von Tieren, die in<br />

einer Käfigecke kauern. Mißlingen erste Versuche zur Gruppenhaltung,<br />

kehren darum manche Institutionen rasch wieder<br />

zur konventionellen Käfighaltung zurück. In Tabelle 8<br />

sind Vor- und Nachteile der Gruppenhaltung von Laborkaninchen<br />

zusammengestellt, die sich aufgrund langfristiger<br />

Untersuchungen sowie Erhebungen in der Praxis ergeben<br />

haben (20, 43, 45, 46, 48, 49, 50, 51, 52, 54).<br />

Vorteile<br />

• Reizreichtum, Strukturierung und vielfältige Sozialkontakte:<br />

—» Verbesserung der physischen und psychischen Kondition<br />

der <strong>Kaninchen</strong><br />

• Bodenhaltung (z. B. in ungenutzten Räumen):<br />

—> Einfache Bauweise (z. B. "Baukastensystem" oder<br />

Einbau in Hundezwinger), sehr geringe Investitionskosten<br />

(Eigenbau möglich)<br />

• Reinigung von Gehegen:<br />

—> Verhältnismäßig geringe Unterhaltskosten (keine<br />

Käfig Waschmaschine notwendig; Reinigung wie<br />

Tierraum mit Hochdruckreiniger und anschließender<br />

Desinfektion)<br />

• Vergleichbare Arbeitsbelastung bei mehr Zeit für<br />

Tiere und weniger Aufwand für Unterhalt der Haltungsanlage:<br />

—> Größere Befriedigung für Tierpflegepersonal<br />

• Haltungsform, die den Ansprüchen von <strong>Kaninchen</strong><br />

an ihre räumliche und soziale Umgebung mehr entspricht<br />

als Käfighaltung:<br />

—» Größere Befriedigung für alle, die mit den <strong>Kaninchen</strong><br />

zu tun haben (Tierpflege- und Laborpersonal, wissenschaftliches<br />

Personal) bzw. an Tierschutz interessiert<br />

sind (Öffentlichkeit)<br />

Nachteile<br />

• Möglichkeit zu aggressiven Auseinandersetzungen<br />

unter den <strong>Kaninchen</strong>:<br />

—» Verletzungsgefahr<br />

10 Refinemem bei der Haltung von Laborkaninchen


SONDERDRUCK<br />

Fachinformationen<br />

• Individualisierte Beziehungen und stabile Rangordnung<br />

in der Gruppe:<br />

—» Austausch bzw. Ersatz von <strong>Kaninchen</strong> in etablierten<br />

Gruppen schwierig bis unmöglich<br />

• Erkennen von einzelnen Individuen und Überprüfen<br />

des Gesundheitszustandes anspruchsvoll:<br />

-» Hohe Anforderungen an das Tierpflege- und Laborpersonal<br />

• Möglichkeit zum Eigenbau:<br />

—» Hohe Anforderungen an Tierkenntnis bei der Planung<br />

und Konstruktion der Gehegeeinrichtungen; Gefahr,<br />

daß am falschen Ort gespart wird (z. B. Recycling<br />

von vorhandenen Objekten); Vielfalt von schlecht<br />

vergleichbaren Systemen<br />

• Grössere Variabilität der Umgebung:<br />

—> Mehr Variablen im Experiment, deren Relevanz für<br />

den Ausgang des Experimentes jedoch von Fall zu<br />

Fall geprüft werden sollte<br />

Tab. 8: Vorteile und Nachteile der Gruppenhaltung von<br />

Laborkaninchen<br />

Die Nachteile der Gruppenhaltung können bei guter Ausbildung<br />

des Tierpflegepersonals, bei konsequent sachgemäßer<br />

Betreuung der Tiere und bei regelmäßigen Kontrollen des<br />

Tierbestandes durch den Veterinärdienst stark verringert<br />

werden. Entscheidend ist aber, daß Gruppengröße und Gruppenzusammensetzung,<br />

Besatzdichte sowie Strukturierung<br />

des Geheges kaninchengerecht sind. In Tabelle 9 ist das<br />

ethologische Konzept zur tiergerechten Haltung von Laborkaninchen<br />

in Gruppen zusammengestellt. Einzelne Aspekte<br />

dieses Haltungskonzeptes werden im folgenden erläutert.<br />

• Tiere:<br />

- Jungtiere vor Erreichen der Geschlechtsreife<br />

Adulte Zibben (und kastrierte Böcke) in langfristig stabilen<br />

Gruppen (Remontierung von Jungtieren möglich,<br />

Austausch oder Ersatz mit adulten Tieren schwierig)<br />

Gruppengröße: 3-15 <strong>Kaninchen</strong><br />

• Minimales Raumangebot:<br />

- 200 x 100 cm (20000 cm?) für 4 - 5 <strong>Kaninchen</strong><br />

Zusätzliche Tiere: 2500 cm 2 pro Tier<br />

Gliederung des Raumes in funktioneile Bereiche<br />

• Futterbereich:<br />

- Mehrere Kraftfutterbehälter (evtl. mit Sichtblenden)<br />

Nippel-, Flaschen- oder Manteltränken<br />

- Heu-/Strohraufe<br />

Beschäftigungsobjekte (z. B. Nagehölzer, Weichholzäste<br />

mit Laub, Heupreßlinge)<br />

Unattraktiver Boden (z. B. Kunststoff- oder Metallrost)<br />

- Ruhe- & Aufenthaltsbereich:<br />

- Gute Übersicht (z. B. auf erhöhten Ebenen —» Nutzung<br />

der dritten Dimension)<br />

- Strukturen zum Anschmiegen (z. B. an Gehegebegrenzung,<br />

an Blenden, an Zentralstruktur)<br />

Strukturen zum Verstecken (—> Rückzugsbereiche, z. B.<br />

unter erhöhten Ebenen, hinter Sichtblenden, unter Zentralstruktur)<br />

Trockener, gleitsicherer und wärmeisolierter Boden (z.<br />

B. Einstreu)<br />

Tab. 9: Ethologisches Konzept zur Haltung von Laborkaninchen<br />

in Gruppen (Vorratslialtung. z. T. experimentelle<br />

Haltung)<br />

Gruppengröße,<br />

Gruppenzusammensetzung<br />

Zur Gruppenhaltung eignen sich Jungtiere vor Erreichen der<br />

Geschlechtsreife im Alter von 80 - 140 Tagen (abhängig von<br />

Rasse bzw. Stamm und Zusammensetzung des Kraftfutters),<br />

ausgewachsene Zibben und kastrierte Böcke.<br />

Die Gruppen von drei bis ca. 15 Tieren sollten möglichst<br />

früh mit ungefähr gleichaltrigen Tieren gebildet werden,<br />

wobei kleinere Gruppen stabiler sind als größere (9, 48, 49).<br />

Soziale Erfahrung (Gruppenhaltung im Zuchtbetrieb) ist von<br />

Vorteil (9, 20). Sind die <strong>Kaninchen</strong> bei der Gruppenbildung<br />

bereits ausgewachsen und sozial erfahrungslos, können insbesondere<br />

bei größeren Gruppen länger andauernde aggressive<br />

Auseinandersetzungen auftreten. Solche Gruppen sollten<br />

nur von erfahrenen Personen und unter Aufsicht gebildet<br />

werden (20).<br />

In den ersten Stunden bis Tagen nach dem Zusammenstellen<br />

der Gruppen werden die Dominanzverhältnisse bestimmt.<br />

Kurze Kämpfe können auftreten, wobei tiefe Bißwunden<br />

äußerst selten sind, falls das Gehege den unterlegenen Tieren<br />

ein erfolgreiches Ausweichen erlaubt (37, 39). Aggressive<br />

Interaktionen sind spätestens dann beendet, wenn der<br />

Aggressor den Adressat nicht mehr sieht; die Strukturierung<br />

des Geheges mit Sichtblenden reduziert die Häufigkeit und<br />

Heftigkeit von Aggressionen (14). Nachdem die Rangordnung<br />

einmal festgelegt ist, werden Konkurrenzsituationen<br />

fast ausschließlich über die Verhaltensweisen drohen bzw.<br />

weichen geregelt, schadensträchtige Auseinandersetzungen<br />

treten kaum mehr auf (39, 55).<br />

Individuen, die tagsüber und für wenige Stunden aus der<br />

Gruppe entfernt werden, integrieren sich problemlos wieder<br />

in die Gruppe. Bei längerer Isolation (z. B. Rekonvaleszenz<br />

nach operativen Eingriffen bei Abszeßbildung) sollte Sicht-<br />

Rellnemeni hei der Hallung von Laborkaninchen<br />

II


Fachinformationen<br />

SONDERDRUCK<br />

und Geruchskontakt mit der Gruppe gewährleistet sein (37).<br />

Das Einsetzen von neuen Tieren in eine bestehende Gruppe<br />

(Ersatz bzw. Austauschen von Individuen) ist sehr schwierig;<br />

<strong>Kaninchen</strong> gehen stabile und individualisierte Beziehungen<br />

ein (39). Umgruppierungen sollen hingegen möglich<br />

sein, falls die <strong>Kaninchen</strong> zuerst mit Fentanyl/Droperidol<br />

sediert (0,08 ml/kg) und in eine allen unbekannte Umgebung<br />

gesetzt werden (48). Einfacher und sicherer ist eine flexible<br />

Gestaltung der Gehege: Durch verschiebbare Wände kann<br />

das Gehege der Gruppengröße angepaßt werden.<br />

Minimales Raumangebot und Besatzdichte<br />

Damit sich das Gehege adäquat strukturieren läßt, muß für<br />

zwei bis fünf <strong>Kaninchen</strong> eine Nutzfläche von minimal 2 m 2<br />

und für zusätzliche Individuen 2500 cm 2 /Tier angeboten<br />

werden (20). Sind bei den allgemein rückläufigen Tierzahlen<br />

Raumkapazitäten vorhanden, sollte bei den Gehegeabmessungen<br />

nicht gespart werden.<br />

Gehege<br />

Neben der teilweise oder voll eingestreuten Bodenhaltung<br />

eignet sich in klimatisierten Räumen auch eine einstreulose<br />

Haltung mit Rostböden und festen Böden (9).<br />

Die Umrandung des Geheges sollte minimal 80 cm hoch<br />

sein, damit sie nicht übersprungen werden kann. Das Gehege<br />

ist so zu strukturieren, daß ein möglichst großer Teil vom<br />

Betreuungspersonal einfach einsehbar ist (Abb. 9).<br />

Abb. 9:<br />

Gruppenhaltung<br />

(Vorratshaltung).<br />

Der Boden<br />

ist mit einer<br />

gleitsicheren<br />

Matte abgedeckt<br />

und<br />

teilweise eingestreut.<br />

Die<br />

Unterschlupfe<br />

sind für<br />

das Beireuungspersonal<br />

einsehbar<br />

Alle begehbaren Flächen müssen gleitsicher sein; die in<br />

Tierräumen üblichen Plattenböden sind allenfalls mit einer<br />

Gummimatte zu überziehen. Staubfreies Stroh oder zerkleinertes<br />

rückstandfreies Altpapier ist als Einstreu Sägemehl<br />

oder Holzspänen vorzuziehen (54).<br />

Zur Vermeidung von Konkurrenzsituationen muß das Gehege<br />

in zwei verschieden nutzbare, d. h. funktionale Bereiche<br />

gegliedert sein: in einen Futterbereich, wo sich die <strong>Kaninchen</strong><br />

nur zur Nahrungsaufnahme aufhalten, und in einen<br />

Ruhe- und Aufenthaltsbereich. Die unterschiedliche Attraktivität<br />

zum Verweilen wird durch die Strukturierung der<br />

Bereiche erreicht.<br />

Im Futterbereich sind mehrere Kraftfutterbehälter, eine oder<br />

mehrere Raufen für grob strukturiertes Futter sowie mehrere<br />

Wassertränken anzubieten. Die Kraftfutterbehälter sollten<br />

im Abstand von 60 cm angebracht oder durch Sichtblenden<br />

(ca. 20 x 30 cm) getrennt werden. Da mehr als 50 % des<br />

Kotes während der Nahrungsaufnahme anfällt und <strong>Kaninchen</strong><br />

zum Harnen oft feuchte Stellen aufsuchen, empfiehlt<br />

es sich, den Futterbereich mit einem Rostboden zu<br />

versehen.<br />

Für die Attraktivität und eine möglichst konkurrenzfreie<br />

Nutzung des Ruhe- und Aufenthaltsbereiches ist entscheidend,<br />

daß ausreichend Strukturen zum Anschmiegen (übersichtliche<br />

Liegeplätze) und zum Verstecken (Unterschlüpfe)<br />

angeboten werden. Der Boden muß gleitsicher sein, damit<br />

die <strong>Kaninchen</strong> bei rascher Lokomotion (soziale Interaktionen,<br />

Lokomotionsspiel) nicht ausrutschen. Die Nutzung der<br />

dritten Dimension durch das Angebot von gegenseitig versetzten<br />

Liegeplätzen erhöht die Komplexität dieses Bereiches<br />

ohne Verlust der guten Übersicht und der einfachen<br />

Handhabbarkeit.<br />

Intolerante Interaktionen zwischen <strong>Kaninchen</strong> verlaufen<br />

dann schadenfrei, wenn sich subdominante Tiere erfolgreich<br />

zurückziehen können. Als Rückzugsorte eignen sich zentral<br />

gelegene Unterschlüpfe (Abb. 10) und geschlossene "Hütten".<br />

Letztere müssen über mindestens zwei Ein- bzw. Au5-<br />

gänge im Abstand von mehr als 50 cm verfügen, damit sie<br />

von dominanten Tieren nicht blockiert werden können.<br />

"Hütten" sind für das Betreuungspersonal schlecht einsehbar,<br />

eignen sich jedoch zum Einfangen von Tieren, da diese<br />

bei Störungen dorthin flüchten.<br />

Abb. 10: Zentraler Unterschlupf mit Sichtblende (50 x 50 x 25 cm)<br />

und erhöhte Liegefläche an Gehegewand<br />

12 Refinemeni bei der Hallung von Laborkaninchen


SONDERDRUCK<br />

Fachinformationen<br />

Ein in diesem Jahr veröffentlichter Bericht einer Expertengruppe<br />

zu "Refinements in rabbit husbandry" (20) gibt eine<br />

Vielzahl von zusätzlichen praktischen Hinweisen zur Gestaltung<br />

und Betreuung von Bodenhaltungen für <strong>Kaninchen</strong>gruppen.<br />

Zuchtgruppenhaltung<br />

Die Zucht in Gruppen wird den Ansprüchen von jungen und<br />

ausgewachsenen <strong>Kaninchen</strong> an ihre soziale Umgebung<br />

zweifellos am ehesten gerecht und ist aus der Sicht der Verhaltensforschung<br />

und des Tierschutzes sehr zu befürworten.<br />

Aus der Kenntnis des Fortpflanzungsverhaltens von <strong>Kaninchen</strong><br />

unter reichhaltigen räumlichen und sozialen Bedingungen<br />

wurde mit wissenschaftlichen Methoden ein Konzept<br />

zur Haltung von Zuchtgruppen entwickelt (37), das seit fünf<br />

Jahren in der landwirtschaftlichen <strong>Kaninchen</strong>haltung auf seine<br />

Praxistauglidikeit geprüft wird (45). Die Zucht von<br />

<strong>Kaninchen</strong> in Gruppen, die aus drei bis fünf Zibben, einem<br />

Bock und deren Jungen bis zum Erreichen des Absetzalters<br />

bestehen, ist dann eine tiergerechte Alternative zur konventionellen<br />

Zucht im Käfig, wenn das Gehege in funktionale<br />

Bereiche gegliedert wird und für die <strong>Kaninchen</strong> erkenn- und<br />

nutzbare Substitute angeboten werden (45). Andererseits<br />

stellt die Zuchtgruppenhaltung sehr hohe Anforderungen an<br />

das Betreuungspersonal. Erste Versuche der Haltung von<br />

Zuchtgruppen unter Laborbedingungen (SPF-Zucht) (18)<br />

haben gezeigt, daß dieses Konzept noch nicht praxisreif ist.<br />

Weitere Entwicklungsarbeit muß vor allem in den Bereichen<br />

Hygiene und Tiergesundheit sowie bei der Ausbildung und<br />

bei der stets neuen Motivierung des Tierpflegepersonals<br />

geleistet werden.<br />

Den tierexperimentell tätigen Institutionen der Privatwirtschaft<br />

und des Staates wird hingegen empfohlen, ihre Laborkaninchen<br />

nur noch aus autorisierten Zuchten zu beziehen,<br />

wie dies in den nationalen Gesetzgebungen und supranationalen<br />

Richtlinien vorgesehen ist. Bei gesteigerter Nachfrage<br />

sollte es, ohne längerfristig bedeutend höhere Kosten, möglich<br />

sein, von den wenigen mitteleuropäischen Versuchskaninchenzuchten<br />

zu verlangen, daß die Haltung bezogen auf<br />

den Tierschutz dem heutigen Kenntnisstand angepaßt wird<br />

und alle <strong>Kaninchen</strong> nach dem Absetzen individuell markiert<br />

und grundsätzlich in Gruppen gehalten werden.<br />

Schlußbemerkungen<br />

Je komplexer eine Haltungsform ist, desto anspruchsvoller<br />

wird ihre Konstruktion und Betreuung. Mit der Entscheidung,<br />

den <strong>Kaninchen</strong> im eigenen Betrieb mehr Raum, mehr<br />

Beschäftigung und, wenn möglich, Sozialpartner zur Verfügung<br />

zu stellen, sowie mit verbesserten nationalen und<br />

supranationalen Tierhaltungsvorschriften werden die Grundlagen<br />

zum 'Refinement' bei der Haltung von Laborkaninchen<br />

geschaffen. Damit dieses 'Refinement' dann aber auch<br />

für die Tiere voll zum Tragen kommt, ist eine kompetente<br />

Aus- und Weiterbildung aller, die mit den <strong>Kaninchen</strong> irgendwie<br />

zu tun haben, dringend notwendig. Die Bemühungen um<br />

die Standardisierung der Haltung von Laborkaninchen haben<br />

im Verlaufe der letzten drei Jahrzehnte zu einer erheblichen<br />

Reduktion von Verlusten und Ausfällen geführt. Im<br />

Bemühen, in den Laborkaninchen mehr als eichbare Meßinstrumente<br />

und im Tierpflegerstand mehr als technisches<br />

Wartungspersonal zu sehen, kann die <strong>Kaninchen</strong>haltung<br />

zukünftig noch tier- und menschengerechter gemacht werden.<br />

Dazu soll diese Arbeit einen Beitrag leisten.<br />

Literatur<br />

(1) SlauffacherM.(l993)<br />

Tierschutzorienlierte Labortierethologie in der Tiermedizin und in<br />

der Versuchslierkunde - ein Beitrag zum Refinement bei der Haltung<br />

von und im Umgang mit Versuchstieren<br />

in: Schoffl H. el al. (Hrsg.)<br />

Alternativen zu Tierversuchen in Ausbildung, Qualitätskontrolle und<br />

Herz-Kreislaufforschung<br />

Springer-Verlag, Wien, New York. 6-21<br />

(2) Stauffacher M. (1993)<br />

Angst bei Tieren - ein zoologisches und ein forensisches Problem<br />

Dtsch lierarztl Wschr 100: 322 - 327<br />

(3) Council of Europe (l986)<br />

European convention for thé protection of vertébrale animais used for<br />

expérimental and olher scicnlific purposes<br />

Strasbourg<br />

(4) Europäische Gemeinschaft (1986)<br />

Richtlinie des Rates vom 24. November 1986 zur Annäherung der<br />

Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zum Schulz<br />

der für Versuche und andere wissenschaftlichen Zwecke verwendeten<br />

Tiere<br />

Amtsblatt EG 1.358/1<br />

(5) GV-SOLAS(I988)<br />

Planung und Struktur von Versuchstierbereichen tierexperimentell<br />

täliger Institutionen<br />

4. überarb Aufl. Biberach/Riss<br />

(6) MerkenschlagerM.. Wilk W. (1979)<br />

Gutachten über lierschutzgerechte Hallung von Versuchstieren<br />

Schriftenreihe Vcrsuchslicrkde 6, Parey Verlag, Berlin, Hamburg<br />

(7) Tierschulzverordnung Schweiz ( 1981/911<br />

Revision vom 23. Oktober 1991<br />

Bern: EDMZ, AS 1981 572. AS 1991 2349<br />

(8) LehmamiM. (1987)<br />

Interférence of a restricted environment - äs found in ballery cages -<br />

with normal behaviour of young fallening rabbils<br />

in: Auxilia T. (ed.)<br />

Rabbit production sysiems including welfare<br />

ECSC-EED-EAEC. Luxemburg<br />

(9) Lehmann M. (1989)<br />

Das Verhalten junger Hauskaninchen unier verschiedenen<br />

Umgebungsbedingungen<br />

Dissertation Univ Bern<br />

(10) Wieser R. (1984)<br />

Zur Tiergerechtheit handelsüblicher Batteriekafige für<br />

Hauskaninchen-Zibben<br />

Bericht z.Hd. Bundesamt für Veterinärwesen Bern<br />

Refinement bei der Haltung von Laborkaninchen 13


Fachinformationen<br />

SONDERDRUCK<br />

(11) Lehmann M., Wieser R. ( 1985)<br />

Indikatoren für mangelnde Tiergerechtheit sowie<br />

Verhallensstörungen bei Hauskaninchen<br />

in: Zeeb K. (Hrsg.)<br />

Aktuelle Arbeiten zur artgemäßen Tierhaltung 1984<br />

KTBL-Schrift 307, Darmstadt, 96 - 107<br />

(12) Wieser R. (1986)<br />

Funktionale Analyse des Verhaltens als Grundlage zur Beurteilung<br />

der Tiergerechtheit. Eine Untersuchung zu Normalverhalten und<br />

Verhaltensstörungen bei Hauskaninchen-Zibben<br />

Dissertation Univ Bern<br />

(13) Stauffacher M. (1988)<br />

Sexual behaviour in domestic rabbits and advanlages of post partum<br />

maling<br />

Teil III, Dissertation Univ Bern<br />

(14) Stauffacher M. (1985)<br />

Steuerung des agonistischen Verhallens bei der Entwicklung einer<br />

tiergerechten Bodenhaltung für Hauskaninchen-Zuchtgruppen<br />

in: Zeeb K. (Hrsg.)<br />

Aktuelle Arbeiten zur artgemäßen Tierhaltung 1985<br />

KTBL-Schrift 311, Darmsiadl, 153 - 167<br />

(15) Stauffacher M. (1988)<br />

Maternai behaviour in domestic rabbils and advanlages of rearing<br />

young rabbits in breeding groups<br />

Teil IV, Dissertation Univ Bern<br />

(16) Wullschleger M. (1987)<br />

Nestbeschäfligung bei säugenden Hauskaninchenzibben<br />

Rev Suisse Zoo] 94: 553 - 562<br />

(17) Bigler L. (1986)<br />

Mutter-Kind-Beziehung beim Hauskaninchen<br />

Lizentiatsarbeit Univ Bern<br />

(18) Scharmann W. (1989)<br />

Verbesserungen der Versuchstierhallung - ein Beitrag zum Tierschutz<br />

Bundesgesundheitsbl 32: 367-374<br />

(19) Stauffacher M. (1992)<br />

Tiergerechlheil und Nulzungszweck bei der Haltung von<br />

Versuchskaninchen - ein Dilemma?<br />

in: Loeffler K. (Hrsg.)<br />

Tiergerechte Haltung von Versuchstieren<br />

DVG, Giessen, 35 - 59<br />

(20) 2nd Report of ihe BVAAWF/FRAME/RSPCA/UFAW joint Working<br />

Group (l993)<br />

Refinements in rabbit husbandry<br />

Lab Anim 27: 301 - 329<br />

(21) World Rabbit Science Association, Deutsche Gruppe (1992)<br />

Empfehlungen zur liergerechten und lierschutzkonformen Haltung<br />

von Hauskaninchen<br />

Typoskr, Sland Februar 1992<br />

(22) Schlolaut W. (1992)<br />

<strong>Kaninchen</strong>hallung: Richliges Managemenl<br />

Dlsch Geflügelwinsch & Schweineprod 44: 1287 - 1289<br />

(23) Home Office (l989)<br />

Code of practice for thé housing and care of animais used in scienlific<br />

procédures<br />

HMSO, London<br />

(24) Bigler L., Lehmann M. (1991)<br />

Schlußberichl über die Prüfung der Tiergerechlheil eines<br />

Festwandkäfigs für Hauskaninchen-Zibben<br />

Bericht z.Hd. Bundesamt für Veterinärwesen Bern<br />

(25) Drescher B., Loeffler K. (1991)<br />

Einfluß unterschiedlicher Hallungsverfahren und<br />

Bewegungsmöglichkeiten auf die Kompakta der Röhrenknochen von<br />

Versuchs- und Fleischkaninchen<br />

Tierärzll Umschau 46: 736 - 741<br />

(26) Drescher B., Loeffler K. (1992)<br />

Einfluß unterschiedlicher Haltungsverfahren und<br />

Bewegungsmöglichkeiten auf die Kompakta der Röhrenknochen von<br />

Mastkaninchen<br />

Tierärztl Umschau 47: 175 - 179<br />

(27) RothfrilzP. elal.(!992)<br />

Einfluß unterschiedlicher Hallungsverfahren und<br />

Bewegungsmöglichkeiten auf die Spongiosastruklur der Rippen<br />

sowie Brusl- und Lendenwirbel von Versuchs- und Fleischkaninchen<br />

Tierärzll Umschau 47: 758 - 768<br />

(28) Loeffler K. el al. (I99I)<br />

Einfluß unterschiedlicher Haltungsverfahren auf das Verhalten von<br />

Versuchs- und Fleischkaninchen<br />

Tierärztl Umschau 46: 471 - 478<br />

(29) Bigler L. et al. (1989)<br />

Bericht über die Prüfung der Tiergerechtheit dreier<br />

Aufstallungssysteme für Hauskaninchen-Zibben und Masttiere<br />

Bericht z.Hd. Bundesami für Velerinärwesen Bern<br />

(30) Brummer H. (1986)<br />

Symptome des Wohlbefindens und Unwohlseins beim <strong>Kaninchen</strong><br />

unter besonderer Berücksichtigung der Elhopalhien<br />

in: Mililzer K. (Hrsg.)<br />

Wege zur Beurteilung tiergerechier Hallung bei Labor-, Zoo- und<br />

Haustieren<br />

Schriftenreihe Versuchslierkde 12,<br />

Parey Verlag. Berlin, Hamburg, 44 - 53<br />

(31) Drescher B. (1992)<br />

Housing of rabbils wilh respeci lo animal welfare<br />

J Appl Rabbit Res 15: 678 - 683<br />

(32) Lehmann M. (1984)<br />

Beurteilung der Tiergerechtheit handelsüblicher Balleriekäfige für<br />

Mustkaninchen<br />

Bericht z.Hd. Bundesamt für Veterinärwesen Bern<br />

(33) Oester H. .Lehmann M. (1993)<br />

Die Minimalanforderungen der Schweiz. Tierschulzgesetzgebung zur<br />

Haltung von <strong>Kaninchen</strong> im Vergleich zu den Haltungsempfehlungen<br />

der Deutschen WRSA<br />

Proceedings 8. Arbeilslagung Hallung & Krankheilen von <strong>Kaninchen</strong><br />

und Pelztieren, Celle<br />

(34) Drescher B. (1993)<br />

Zusammenfassende Betrachtung über den Einfluß unterschiedlicher<br />

Hallungsverfahren auf die Fitness von Versuchs- und<br />

Fleischkaninchen<br />

Tierärztl Umschau 48: 72 - 78<br />

(35) MilitzerK. (1992)<br />

Aktuelle Haltungsempfehlungen für Labornagetiere zwischen<br />

Normierung und individueller Gestaltung<br />

in: Loeffler K. (Hrsg.)<br />

Tiergerechte Haltung von Versuchstieren<br />

DVG. Giessen, 60 - 83<br />

(36) Stauffacher M. (1992)<br />

Grundlagen der Verhallensomogenese - ein Beilrag zur Genese von<br />

Verhaltensstörungen<br />

Schweiz Archiv Tierheilkde 134: 13-25<br />

(37) Slauffacher M. (1988)<br />

Bodenhaltung von Hauskaninchen-Zuchtgruppen - eine tiergerechte<br />

Altemalive zur Einzelhallung von Zuchlzibben<br />

Schlussbericht und Gutachten z.Hd. Bundesami für Velerinärwesen<br />

Bern<br />

14 Refinemenl bei der Hallung von Laborkaninchen


SONDERDRUCK<br />

Fachinformationen<br />

(38) LehmannM. (1992)<br />

Social behaviour in young domeslic rabbits under semi-natural<br />

conditions<br />

Appl Anim Behav Sei 32: 269 - 292<br />

(39) Stau ff acher M. (1986)<br />

Social contacts and relationships in domestic rabbits kept in a<br />

restrictive artificial environment<br />

in: Nichelmann M. (Hrsg.)<br />

Elhology of domestic animais<br />

Proc XIX Int EUiol Congr, Vol IX, Toulouse, 100-106<br />

(40) Stauffacher M. (1993)<br />

Schlußgulacnten zur wissenschaftlichen Beurteilung der<br />

Tiergerechtheit des strukturierten <strong>Kaninchen</strong>käfigs 'Typ Röche<br />

1993" zur paarweisen Haltung von adulten Zibben<br />

Gutachten z.Hd. Hoffmann-La Roche <strong>AG</strong> Basel<br />

(41) Bigler L. (1994)<br />

Paarhaltung nichi-reproduzierender Zibben im Käfig<br />

Berl Münchn tierärzll Wschr (im Druck)<br />

(42) Hüls W.L. et al. (1991)<br />

Response of adult New Zealand White Rabbits lo enrichment objects<br />

and paired housing<br />

Lab Anim Sei 41: 609-612<br />

(43) LehmannM. (1990)<br />

Beschäftigungsbedürfnisjunger Hauskaninchen: Rohfaseraufnahme<br />

und Tiergerechtheil<br />

Schweiz Archiv Tierheilkde 132: 375 - 381<br />

(44) Bell D. (1984)<br />

The behaviour of rabbits: implications for their laboratory<br />

management<br />

in: Standards in Laboratory Animal Management<br />

UFAW, Potters Bar, Herts. 151 - 162<br />

(45) Stauffacher M. (1992)<br />

Tiergerechte Hallung von Hauskaninchen. Neue Konzepte für die<br />

Zucht und Haltung von Versuchs- und Fleischmastkaninchen<br />

Dtsch lierärztl Wschr 99: 9-15<br />

(46) Whary M. etal. (1993)<br />

The effect of group housing on thé research use of ihe laboratory<br />

rabbil<br />

Lab Anim 27: 330-341<br />

(47) Held S. etal. (1993)<br />

Social behaviour and immunological correlates in group-housed<br />

female laboratory rabbits<br />

Proc 27th Int Congr Appl Ethol, Berlin<br />

(48) Love J. A., Hammond K. (1991)<br />

Group housing rabbits<br />

Lab Animal 20: 37 - 43<br />

(49) Bigler L. (1993)<br />

Prüfung eines Aufstallungssystems für größere Mastkaninchen-<br />

Gruppen<br />

Bericht z.Hd. Bundesamt für Veterinärwesen Bern<br />

(50) HealhM., Stott E. (1990)<br />

Housing rabbits the unconventional way<br />

Anim. Technology 41: 13-25<br />

(51) BatchelorG. R. (1991)<br />

Group housing on floor pens and environmental enrichment in sandy<br />

lop rabbits<br />

Anim Technology 42: 109- 120<br />

(52) Podberscek A. L. etal. (1991)<br />

The behaviour of group penned and individually caged laboratory<br />

rabbits<br />

Appl Anim Behav Sei 28: 353 - 363<br />

(53) Kusche T. (1993)<br />

Krankheiisprobleme bei <strong>Kaninchen</strong> in neuen Haltungssystemen<br />

Dissertation Univ Zürich<br />

(54) Turner R.J. ei al. (1992)<br />

Preferred substrates for penned laboratory rabbits<br />

Anim Technology 43: 185- 192<br />

(55) Albonetti M. E. el al. (1990)<br />

Interfemale agonistic interactions in the domestic rabbit<br />

Aggressive Behav 16: 77 - 86<br />

Anschrift des Autors<br />

Dr. Markus Stauffacher<br />

Leiter Arbeitsgruppe Ethologie<br />

Institut für Labortierkunde<br />

Universität Zürich-Irchel<br />

Winterthurerstr. 190<br />

CH-8057 Zürich (Schweiz)<br />

Refinemeni bei der Haltung von Laborkaninchen 15


Bundesamt für Veterinärwesen<br />

Office vétérinaire fédéral<br />

Ufficio federale di veterinario<br />

Uffizi federal veterinar<br />

Information<br />

Tierschutz<br />

3.02<br />

Blutentnahme bei Labornagetieren und <strong>Kaninchen</strong><br />

zu Versuchszwecken<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

A<br />

B<br />

C<br />

Zielsetzung und Anwendungsbereich<br />

Rechtsgrundlagen und Bewilligungsgrundsätze<br />

Grundsätze des fachgerechten Blutentzugs (Rahmenbedingungen)<br />

1 Pathophysiologische Auswirkungen des Blutentzugs<br />

2 Personelle Voraussetzungen<br />

3 Auswahl der Tierart<br />

4 Entnahmevolumen<br />

5 Häufigkeit der Blutentnahmen<br />

6 Wahl der Technik<br />

D<br />

Entnahmevolumina<br />

1 Hämatologische Werte<br />

2 Entnahmevolumina, die die Tiere nicht belasten<br />

3 Zulässige Entnahmevolumina<br />

E<br />

F<br />

G<br />

Empfohlene, vertretbare und abzulehnende Techniken der Blutentnahme<br />

Literatur<br />

Übersicht über die empfohlenen, vertretbaren und abzulehnenden Techniken<br />

der Blutentnahme bei Labornagetieren und <strong>Kaninchen</strong>


- 2 -<br />

A<br />

Zielsetzung und Anwendungsbereich<br />

Blutproben werden im Rahmen vieler Versuchsanordnungen benötigt, weshalb Blutentnahmen zu den<br />

sehr häufigen Eingriffen zählen. Während Blutentnahmen bei grossen Haustieren infolge ihrer gut<br />

zugänglichen Gefässe und ihres grossen Blutvolumens unproblematisch sind, stellen sie für kleine<br />

Labortiere oft einen erheblichen Teil der während eines Tierversuchs erfahrenen Belastung dar.<br />

Diese Informationsschrift weist auf belastende Faktoren bei der Blutentnahme bei kleinen Labortieren hin<br />

und hat zum Ziel, zu erreichen, dass keine aus der Sicht des Tierschutzes ungeeigneten Entnahmemethoden<br />

angewandt oder zu grosse Blutvolumina entnommen werden.<br />

Die Grundsätze und Empfehlungen in den Kapiteln C, D und E gelten nicht für das Entnehmen von Blut<br />

in präterminaler tiefer Allgemeinanästhesie .<br />

Die Informationsschrift richtet sich an alle Personen, die Tierversuche durchführen, begleiten<br />

und/oder beaufsichtigen (Laborpersonal/Versuchsleitende). Im weiteren richtet sie sich auch an die für<br />

Tierversuche zuständigen kantonalen Behördenund ihre beratenden Kommissionen.<br />

B<br />

Rechtsgrundlagen und Bewilligungsgrundsätze<br />

Bei der Durchführung bewilligungspflichtiger Tierversuche dürfen einem Tier Schmerzen, Leiden oder<br />

Schäden nur zugefügt werden, soweit dies für den verfolgten Zweck unvermeidlich ist (vgl.<br />

Art. 16 Abs. 1 Tierschutzgesetz vom 9. März 1978, TSchG; SR 455).<br />

Tierversuche, die dem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen, es in schwere Angst versetzen<br />

oder sein Allgemeinbefinden erheblich beeinträchtigen können, sind auf das unerlässliche Mass zu<br />

beschränken (Art. 13 Abs. 1 TSchG). Solche belastenden Tierversuche dürfen nur mit einer Bewilligung<br />

durchgeführt werden (vgl. Art. 13a Abs. 2 TSchG). Eine Bewilligung ist insbesondere erforderlich für<br />

Tierversuche, in deren Rahmen chirurgische Eingriffe am Tier vorgenommen werden oder mit betäubten<br />

Tieren gearbeitet wird (vgl. Art. 60 Abs. 2 Bst. a und f Tierschutzverordnung vom 27. Mai 1981,<br />

TSchV; SR 455.1).<br />

Als bewilligungspflichtig eingestuft werden insbesondere Blutentnahmen, wenn Techniken angewandt<br />

werden, die unter Allgemeinanästhesie durchgeführt werden müssen und die Tiere wieder aus der Allgemeinanästhesie<br />

erwachen (z.B. retrobulbäre Blutentnahme, Zungenvenenpunktion) oder die einen<br />

chirurgischen Eingriffnötig machen (z.B. Implantieren eines Verweilkatheters).<br />

Als nichtbewilligungspflichtiger Versuch einzustufen ist das Ausbluten unbehandelter Tiere in<br />

tiefer Allgemeinanästhesie zu Versuchszwecken, unabhängig von der angewandten Technik, wenn der<br />

Tod des Tieres innerhalb von höchstens zehn Minuten nach Beginn des Blutentzugs eintritt oder durch<br />

eine geeignete, andere Massnahme sichergestellt wird (vgl. "Richtlinien über das fachgerechte und tierschutzkonforme<br />

Töten von Versuchstieren", BVET Nr. 800.116-3.01).


- 3 -<br />

Ebenfalls als nicht bewilligungspflichtig eingestuft werden Blutentnahmen an unbehandelten Labornagetieren<br />

oder <strong>Kaninchen</strong> (keine Prüfsubstanz verabreicht) im Rahmen von Tierversuchen, wenn:<br />

- eine in Kapitel E empfohlene oder als vertretbar eingestufte Technik angewandt wird, die ohne Allgemeinanästhesie<br />

durchgeführt werden darf;<br />

- die Tiere durch die Entnahmehäufigkeit (Anzahl der Blutentnahmen und Abstand zwischen den einzelnen<br />

Entnahmen) nicht belastet werden (vgl. auch Kap. C Ziff. 5);<br />

- die unter Berücksichtigung des Entnahmevolumens und der Entnahmefrequenz in Kapitel D Ziffer 2<br />

angegebenen Werte nicht überschritten werden;<br />

- keine längere Vorbereitung oder Fixation für die Entnahmen erforderlich ist und<br />

- an den Tieren keine weiteren Eingriffe und/oder Handlungen vorgenommen werden.<br />

Werden in einem Bewilligungsgesuch bezüglich Technik, Menge oder Häufigkeit einer Blutentnahme<br />

abzulehnende Methoden beantragt, so stellen die kantonalen Behörden durch Auflagen in der<br />

Bewilligung sicher, dass die Blutentnahme tierschutzkonform erfolgt (vgl. nachfolgendes Kap. E).<br />

Ausnahmen davon können im Einzelfall zulässig sein, wenn sie durch das Versuchsziel begründet sind.<br />

C<br />

Grundsätze des fachgerechten Blutentzugs<br />

Einem Tier darf nicht mehr und nicht häufiger Blut zu Versuchszwecken entnommen werden, als dies<br />

zum Erreichen des Versuchsziels nötig ist.<br />

1 Pathophysiologische Auswirkungen des Blutentzugs<br />

Nach der Entnahme einer grösseren Menge Blut ist das Herzminutenvolumen vermindert. Der Organismus<br />

versucht, dieses und den daraus resultierten Blutdruckabfall durch Erhöhung der Herzfrequenz,<br />

des venösen Rückstroms und des peripheren Widerstandes zu kompensieren. Durch Flüssigkeitsverschiebung<br />

vom Extrazellulär- in den Intravasalraum sowie durch verminderte Harnausscheidung bzw.<br />

vermehrte Wasseraufnahme wird der Volumenverlust innerhalb von Stunden ausgeglichen. Wird ein<br />

gewisser Schwellenwert überschritten, kann der Körper trotz Kompensationsmechanismen den Blutverlust<br />

nicht mehr ausgleichen. Wegen der ungenügenden Sauerstoffversorgung der Zellen und Gewebe<br />

werden diese irreversibel geschädigt und setzen Toxine frei, die weiteren Schaden anrichten.<br />

Während die Kontraktionskraft des Herzmuskels deshalb immer schwächer wird, wird das<br />

Herzauswurfvolumen zusätzlich durch den Austritt des Blutes durch die vermehrt durchlässigen<br />

Gefässwände immer kleiner, bis beim Tier der Tod eintritt.<br />

Ein Blutentzug von 10 Prozent des Blutvolumens hat keine bedeutsame Wirkung auf das Herzauswurfvolumen<br />

oder den Blutdruck. Ein akuter Blutverlust von 20-27 Prozent des Blutvolumens kann durch<br />

die obgenannten Kompensationsmechanismen ohne Blutdruckabfall kompensiert werden. Durch einmaligen<br />

Entzug von 30 Prozent des Blutvolumens wird eine Hypovolämie erzeugt, die auch als Standard-


- 4 -<br />

modell zu Forschungszwecken eingesetzt wird. Werden einem Tier zwischen 30 und 40 Prozent des<br />

Blutes entzogen, reichen die Kompensationsmechanismen des Organismus nicht mehr aus, um den<br />

Blutverlust zu regulieren.<br />

2 Personelle Voraussetzungen<br />

Die einem Tier durch die Blutentnahme entstehende Belastung hängt nicht allein von der Technik und<br />

vom entnommenen Blutvolumen, sondern wesentlich auch vom Geschick der ausführenden Person ab.<br />

Daher ist es unumgänglich, dass Personen, welche Blutentnahmen durchführen, mit der bei der gewählten<br />

Tierart zur Anwendung kommenden Technik vertraut sind. Andernfalls müssen sie die gewählte<br />

Technik unter Aufsicht einer erfahrenen Person erlernen und üben. Auf den schonenden und ruhigen<br />

Umgang mit dem Tier ist besonders zu achten.<br />

3 Auswahl der Tierart<br />

Die Eignung einer bestimmten Tierart zur Blutentnahme ist abhängig von der benötigten Menge Blut<br />

sowie von der Zugänglichkeit ihrer Gefässe. Geeignet sind Tierarten mit peripher leicht zugänglichen<br />

Venen und einem ausreichend grossen, zirkulierenden Blutvolumen. Bei der Wahl der Tierart ist unter<br />

anderem ihre Stressanfälligkeit zu berücksichtigen.<br />

4 Entnahmevolumen<br />

Je nach Methode, mit welcher das Blutvolumen bestimmt wurde, variieren die in der Literatur angegebenen<br />

Werte für das Gesamtblutvolumen der einzelnen Tierarten beträchtlich. Meistens wird dieses als<br />

Prozentsatz des Körpergewichts geschätzt. Verschiedene Rassen oder Stämme einer Art können unterschiedliche<br />

Werte aufweisen. Der Anteil des Blutes am Körpergewicht ist bei fettleibigen Tieren geringer<br />

als bei normalgewichtigen Tieren. Jüngere Ratten besitzen einen höheren Prozentsatz an Blut als ältere<br />

Tiere. Wegen dieser individuellen Unterschiede und der Schätzungsungenauigkeit sollen einem<br />

Tier auf einmal oder innert 14 Tagen insgesamt nicht mehr als 20 Prozent seines<br />

Gesamtblutvolumens 1) entzogen werden. Grössere Entnahmevolumina sind nur zulässig, wenn sie<br />

ausreichend begründet werden können. Nur im Ausnahmefall, wenn es das Versuchsziel erfordert (z.B.<br />

Hypovolämie-Modell), können einem Tier 30 Prozent seines Blutes entzogen werden. Genauere<br />

Angaben zu den Entnahmevolumina sind in Kapitel D festgehalten.<br />

Befindet sich ein Tier nach einem grösseren akuten Blutverlust in einem kritischen Allgemeinzustand,<br />

und wird auf seine Tötung verzichtet, soll ihm subkutan, intraperitoneal oder gegebenenfalls über den<br />

Katheter ein körperwarmes Volumenersatzpräparat verabreicht werden. Das Tier muss so lange überwacht<br />

werden, bis sein Zustand aus klinischer Sicht unbedenklich ist.<br />

Wird einem Tier innert kurzer Zeit wiederholt Blut in grösseren Mengen entnommen, ist der Hämatokritwert<br />

ein guter Indikator für den Zustand des Tieres bezüglich Blutverlust, sofern der Hämatokrit mit dem<br />

1)<br />

Kleinerer Wert des geschätzten Gesamtblutvolumens (vgl. Kap. D Ziff. 2)


- 5 -<br />

Ausgangswert verglichen werden kann. Bei Tieren im Wachstum ist das Körpergewicht ein anderer guter<br />

Indikator.<br />

Für einzelne Kinetikstudien werden einige kurz aufeinanderfolgende Blutproben benötigt, so dass das<br />

Volumen, das einem einzelnen Tier maximal entnommen werden kann, für die Studie nicht ausreicht<br />

(z.B. bei der Maus). Die Anzahl Entnahmen muss auf verschiedene Individuen verteilt werden, wenn aus<br />

der Sicht des Tierschutzes die Belastung für ein Tier zu gross ist oder wenn durch die Flüssigkeitsverschiebung<br />

bedingte Veränderungen der Blutwerte zu erheblichen Messungenauigkeiten führen.<br />

5 Häufigkeit der Blutentnahmen<br />

Die Frequenz der Blutentnahmen ergibt sich durch den Versuch (Plasmaspiegel einer bestimmten<br />

Substanz oder eines bestimmten Metaboliten, Antikörpertiter) und durch die Fähigkeit des<br />

Organismus, das entnommene Blutvolumen zu ersetzen. Für Versuche mit grosser<br />

Entnahmefrequenz ist ein Verweilkatheter zu verwenden, damit auf wiederholte, belastende<br />

Kurznarkosen verzichtet werden kann. Zudem besteht dadurch die Möglichkeit, grössere<br />

Entnahmevolumina durch Reinfusion von Erythro zyten und durch Volumenersatzpräparate zu ersetzen.<br />

6 Wahl der Technik<br />

Die Wahl der Technik ist entsprechend der verwendeten Tierart bzw. der Zugänglichkeit ihrer<br />

Gefässe, der benötigten Menge Blut, der Anzahl der Entnahmen, der Entnahmeintervalle sowie der<br />

praktischen Erfahrung der ausführenden Person mit der Technik zu treffen. Bei mehreren möglichen<br />

Entnahmetechniken ist die für das Tier schonendste Technik anzuwenden. Die Kanülengrösse ist dem<br />

Gefäss sowie der benötigten Blutmenge und Blutqualität entsprechend zu wählen. Bei der Implantation<br />

von Kathetern muss antiseptisch gearbeitet werden.<br />

Da jede Allgemeinanästhesie, besonders bei wiederholter Anwendung, für ein Tier immer auch eine<br />

gewisse Belastung darstellt, muss stets abgewogen werden, ob Entnahmetechniken eingesetzt werden<br />

können, bei denen eine Allgemeinanästhesie nicht nötig ist. Kann auf eine Entnahmetechnik, die eine<br />

Allgemeinanästhesie nötig macht, nicht verzichtet werden, ist das schonendste Narkoseverfahren zu<br />

wählen. Nähere Angaben hierzu sind der Information BVET "Fachgerechte und tierschutzkonforme<br />

Anästhesie und Analgesie bei Labornagetieren und <strong>Kaninchen</strong>", Nr. 800.116-3.03, oder der Fachliteratur<br />

zu entnehmen.<br />

Empfehlungen bezüglich der verschiedenen Techniken sind in Kapitel E festgehalten.


- 6 -<br />

D<br />

Entnahmevolumina<br />

1 Hämatologische Werte<br />

Tierart Gesamtblutvolumen Hämatokritbereiche<br />

[ml/kg Körpergewicht]<br />

Ratte 50 - 70 0,3 - 0,6<br />

Maus 70 - 80 0,33 - 0,5<br />

Gerbil 60 - 85 0,4 - 0,52<br />

Meerschweinchen 67 - 92 0,37 - 0,5<br />

Hamster 65 - 80 0,39 - 0,59<br />

<strong>Kaninchen</strong> 44 - 70 0,3 - 0,5<br />

2 Entnahmevolumina, die die Tiere nicht belasten<br />

Die Grösse der Entnahmevolumina muss unter Berücksichtigung der Entnahmefrequenz den Grenzen<br />

der pathophysiologischen Kompensationsmechanismen und der Regenerationsgeschwindigkeit der<br />

Blutbildung entsprechend gewählt werden. Ein Individuum wird durch einen Blutvolumenverlust nur dann<br />

nicht erheblich (d.h. nicht tierschutzrelevant) belastet, wenn es diesen ohne Blutdruckabfall kompensieren<br />

kann. Dies trifft bei den Labornagetieren und den <strong>Kaninchen</strong> erfahrungsgemäss zu, wenn<br />

innert zwei Wochen nicht mehr als 20 % des kleineren Wertes des geschätzten<br />

Gesamtblutvolumens entnommen werden. Die nachfolgende Tabelle enthält solche Beispiele von<br />

Entnahmevolumina für ver schieden schwere Tiere.<br />

Tierart Körpergewicht Gesamtblutvolumen Entnahmevolumen 1)<br />

Ratte 100 g 5 - 7 ml 1 ml<br />

200 g 10 - 14 ml 2 ml<br />

300 g 15 - 21 ml 3 ml<br />

Maus 20 g 1,4 - 1,6 ml 0,28 ml<br />

30 g 2,1 - 2,4 ml 0,42 ml<br />

Gerbil 80 g 4,8 - 6,8 ml 1 ml<br />

Meer- 400 g 26,8 - 36,8 ml 5,4 ml<br />

schweinchen 600 g 40,2 - 55,2 ml 8 ml<br />

Hamster 150 g 9,75 - 12 ml 2 ml<br />

<strong>Kaninchen</strong> 3,5 kg 154 - 245 ml 31 ml<br />

1) 20 % des kleineren Wertes des geschätzten Gesamtblutvolumens auf einmal oder innert zwei Wochen insgesamt zu entnehmen


- 7 -<br />

3 Zulässige Entnahmevolumina<br />

Die unter Kapitel D Ziffer 2 aufgeführten oder analog dazu berechneten Entnahmevolumina dürfen<br />

Labornagetieren oder <strong>Kaninchen</strong> entnommen werden, da ein Tier durch den Verlust dieser Blutmenge<br />

nicht erheblich belastet wird.<br />

Werden von einem Tier aus Versuchsgründen ausnahmsweise innert zwei Wochen mehr als 20 % seines<br />

Gesamtblutvolumens entnommen, ist dies nur zulässig, wenn es ausreichend begründet<br />

werden kann. Eine Ausnahme bilden Fälle, in denen dem Tier nach der Blutentnahme zusammen mit<br />

einem geeigneten Volumenersatz Erythrozyten verabreicht werden.<br />

E<br />

Empfohlene, vertretbare und abzulehnende Techniken der<br />

Blutentnahme<br />

Entsprechend dem benötigten Blutvolumen und der Entnahmehäufigkeit ist die adäquate Technik zu<br />

wählen. Abzulehnen sind Techniken, die für die Individuen der betroffenen Tierart stark belastend<br />

sind oder die durch weniger belastende Methoden ersetzt werden können. Die nachfolgenden Ausführungen<br />

zu den Entnahmetechniken sind nicht abschliessend. Die gebräuchlichsten Entnahmetechniken<br />

werden kommentiert.<br />

1 Die Punktion der lateralen Schwanzvene ist bei Ratten für Entnahmemengen bis zu 0,15 ml die<br />

Methode der Wahl, da sie bei ausreichender Übung technisch einfach auszuführen ist und die<br />

Tiere wenig belastet. Auf eine Allgemeinanästhesie ist zu verzichten, da eine Fixation des Tieres<br />

ausreicht. Vor der Blutentnahme ist der Schwanz zur Vasodilatation in Wasser von maximal 45· C<br />

einzutauchen. Auch bei Mäusen kann die Schwanzvenenpunktion vorgenommen werden, sie ist<br />

aber mit dem Nachteil behaftet, dass die erhaltene maximale Blutmenge sehr inkonstant ist.<br />

2 Bei Mäusen wird für Entnahmemengen bis zu 0,1 ml Blut die Inzision der Schwanzgefässe mit<br />

einer scharfen Klinge empfohlen. Diese Methode ist auch für Mehrfachentnahmen gut geeignet.<br />

Eine Fixation der Tiere ist nicht notwendig, da sich diese selbst vorwärtsstrebend am Gitterdeckel<br />

des Käfigs festhalten. Für geübtes Personal wird auch die Schwanzveneninzision bei der Ratte<br />

empfohlen. Dazu ist jedoch wie bei der Schwanzvenenpunktion eine Vasodilatation nötig.<br />

3 Die einmalige Amputation der Schwanzspitze ist bei der Maus, beim Gerbil, für Volumina von<br />

> 0,15 ml bei der Ratte und allenfalls beim Hamster vertretbar. Durch Entfernen des Wundschorfs<br />

kann wiederholt Blut in geringen Mengen gewonnen werden, nämlich bei der Ratte ca. 0,2 ml und<br />

bei den anderen Tierarten ca. 0,1 ml.<br />

4 Das Anstechen der Zungenvene ist bei Ratten vertretbar, wenn mehr als 0,15 ml Blut benötigt<br />

werden. Der Eingriff ist technisch wenig anspruchsvoll, verlangt aber eine Hilfsperson, die die<br />

Venen staut. Die Entnahme von Blut aus den Zungenvenen muss stets unter Allgemeinanästhesie<br />

durchgeführt werden. Zur Blutentnahme wird die Zunge mit den Fingern ergriffen und mit einer<br />

dünnen Nadel kurz angestochen. Anschliessend kann die Blutung mit blutstillenden Mitteln (z.B.


- 8 -<br />

10-20prozentige Eisenchloridlösung) gestoppt werden. Die Blutentnahme kann innert kurzer Zeit<br />

häufig wiederholt werden. Bei Futterverweigerung von mehr als einem Tag als Folge der Punktionen<br />

ist in Erwägung zu ziehen, das Tier zu töten.<br />

5 Die retrobulbäre Blutentnahme ist beim Gerbil und beim Hamster vertretbar. Bei Ratte, Maus<br />

und Meerschweinchen ist sie vertretbar, wenn mehr als 0,15 ml Blut bei der Ratte und beim Meerschweinchen<br />

respektive 0,1 ml bei der Maus entnommen werden müssen. Beim <strong>Kaninchen</strong> ist sie<br />

in jedem Fall abzulehnen, da weniger belastende Alternativen zur Verfügung stehen. Die retrobulbäre<br />

Blutentnahme ist technisch anspruchsvoll. Daher darf dieser Eingriff nur von geübtem Personal<br />

an anästhesierten Tieren durchgeführt werden. Bei Fehlmanipulationen können<br />

Hämatome oder gar Blindheit auftreten. Da die Abheilung der Läsionen im retrobulbären<br />

Venenplexus in der Regel zwei Wochen dauert, soll erst nach dieser Zeit erneut am gleichen Auge<br />

punktiert werden. Häufigeres Punktieren am gleichen Auge darf nur durchgeführt werden, wenn es<br />

durch das Versuchsziel begründet ist. Wird bei einem Tier innert 2 Wochen mehr als einmal am<br />

selben Auge retrobulbär Blut entnommen, entspricht dies einer mittleren Belastung (vgl.<br />

Information BVET "Ein-teilung von Tierversuchen nach Schweregraden vor Versuchsbeginn",<br />

Nr. 800.116.-1.04).<br />

6 Die Punktion der marginalen Ohrvene ist die Methode der Wahl beim <strong>Kaninchen</strong>. Soll dafür<br />

eine Vasodilatation erreicht werden, kann diese durch einen zehn- bis fünfzehnminütigen<br />

Aufenthalt in einer Wärmebox mit einer Temperatur von 30· C (Überwachung!) oder durch<br />

Auftragen eines milden Reizmittels, das nach der Blutentnahme vom Ohr weggewischt werden<br />

muss, herbeigeführt werden.<br />

7 Das Anstechen der peripheren Ohrgefässe mit einer Kanüle wird beim Meerschweinchen<br />

empfohlen. Mit einer heparinisierten Kapillare können so von einem adulten Tier zwischen 0,1 und<br />

0,35 ml Blut gewonnen werden. Diese Technik eignet sich auch für Mehrfachentnahmen.<br />

8 Wird von einem <strong>Kaninchen</strong> eine grössere Blutmenge benötigt, ist die Inzision der marginalen<br />

Ohrvene vertretbar. Der Schnitt muss quer zum Gefässverlauf geführt werden, und nach der Entnahme<br />

ist die Vene zwecks Blutstillung zu komprimieren. Unter Berücksichtigung der zulässigen<br />

Entnahmemenge kann dieser Eingriff an jeder Vene einmal vorgenommen werden. Diese Technik<br />

ist auch bei Meerschweinchen vertretbar.<br />

9 Die Punktion der zentralen Ohrarterie ist beim <strong>Kaninchen</strong> zur Gewinnung grösserer Blutmengen<br />

vertretbar. Das Tier muss sehr gut fixiert werden, damit die Arterie beim Einführen der Nadel nicht<br />

aufgeschlitzt wird. Nach der Blutentnahme muss das Gefäss zur Vermeidung von länger dauernden<br />

Blutungen mindestens zwei Minuten komprimiert werden. Wegen der Gefahr von<br />

andauern-den Blutungen ist die Inzision der zentralen Ohrarterieabzulehnen.<br />

10 Die Herzpunktion ist vertretbar bei Meerschweinchen, Hamstern und Gerbils, wenn die Blutentnahme<br />

unter Allgemeinanästhesie von geübtem Personal vorgenommen wird. Bei <strong>Kaninchen</strong>,<br />

Ratten und Mäusen ist die Herzpunktion abzulehnen, da weniger belastende Techniken zur Verfügung<br />

stehen. Die Herzpunktion ist für das Spendertier mit dem Risiko eines Herzstillstandes<br />

oder einer Herzbeuteltamponade verbunden. Daher soll diese Technik nur gewählt werden, wenn<br />

das benötigte Volumen nicht durch eine weniger belastende Methode gewonnen werden kann und


- 9 -<br />

wenn ein Ausbluten unter Allgemeinanästhesie nicht in Frage kommt. Bei wiederholter Punktion<br />

treten vermehrt Komplikationen auf. Daher darf diese Technik höchstens zweimal angewendet<br />

werden (2. Mal in terminaler Allgemeinanästhesie). Häufigeres Punktieren ist nur zulässig, wenn<br />

die Beschränkung der Anzahl Herzpunktionen beispielsweise in einem hochbelastenden Versuch<br />

zu einer Verdoppelung der Tierzahl führen würde.<br />

11 Das Anbringen eines Verweilkatheters ist gegenüber anderen Techniken zu bevorzugen, wenn in<br />

kurzen Abständen mehrfach grössere Mengen Blut entnommen werden müssen. Der Katheter<br />

bietet den Vorteil, dass für die Blutentnahmen auf wiederholte Kurznarkosen verzichtet werden<br />

kann und dass Zellen und Volumenersatzpräparate verabreicht werden können. Verschiedene<br />

Blutgefässe können katheterisiert werden. Bei Ratten, Gerbils, Meerschweinchen, Hamstern und<br />

<strong>Kaninchen</strong> werden meist Jugulariskatheter oder Femoraliskatheter verwendet. Die Implantation<br />

eines Verweilkatheters muss unter Allgemeinanästhesie erfolgen. Damit der Katheter bei grösseren<br />

Entnahmeintervallen nicht verstopft wird, muss er mit einer Heparinlösung gefüllt werden.<br />

Tiere mit Kathetern müssen sich in jedem Fall frei bewegen können. Wird ein Katheter über längere<br />

Zeit belassen, wird empfohlen, einen subkutanen Venenport zu verwenden, damit die Tiere<br />

weiterhin in der Gruppe gehalten werden können.<br />

F<br />

Literatur<br />

- Van Herck H, Baumans V, van der Craats N R, Hesp A P, Meijer G W, van Tintelen G, Walvoort H C,<br />

Beynen A C 1992: Histological changes in the orbital region of rats after orbital puncture. Laboratory<br />

Animals 26: 53-58<br />

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Bleeding Rats: the Venous Plexus of the Eye versus the Vena Sublingualis. Journal Applied Toxicology<br />

4 (5): 158-60<br />

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- Timmerman A 1992: Puncture of the tail vein as possible alternative for orbital puncture in the rat.<br />

Animal Technology 43(3): 167-172<br />

- Canadian Council on Animal Care 1980: Guide to the care and use of experimental animals. Vol 1,<br />

appendix IV, p. 85ff<br />

- Guyton A C 1976: Textbook of medical physiology 5 th edition; W.B. Saunders Compan y Philadelphia<br />

- Wick G, Schwarz S, Förster O, Peterlik M (Hrsg.) 1989: Funktionelle Pathologie. Molekularezelluläre-systernische<br />

Grundlagen. Gustav Fischer Verlag<br />

- Joint Working Group of Refinement of the BVA/FRAME/RSPCA/UFAW 1993: Removal of Blood from<br />

Laboratory Mammals and Birds. Laboratory Animals 27: 1-22


- 10 -<br />

- McGuill M W, Rowan A N 1989: Biological Effects of Blood Loss: Implications for Sampling Volumes<br />

and Techniques. ILAR NEWS 31 (4): 5-20<br />

- Sachser N, Pröve E 1984: Short term effects of residence on the testosterone responses to fighting in<br />

alpha male guinea-pigs. Aggressive Behaviour 10 (4) 185-292<br />

- Perry-Clark L M, Meunier L D 1991: Vascular Access Ports for Chronic Serial Infusion and Blood<br />

Sampling in New Zealand White Rabbits. Laboratory Animals Science 41(5): 495-97<br />

- Smith P A, Prieskorn D M, Knutsen C A, Ensminger W D 1988: A Method for Frequent Blood<br />

Sampling in Rabbits. Laboratory Animal Science 38(5): 623-625<br />

- Flecknell P A, Liles J H, Williamson H A 1990: The use of lignocaine-prilocaine local anaesthetic<br />

cream for pain-free venepuncture in laboratory animals. Laboratory Animals 24: 142-146


- 11 -<br />

G<br />

Übersicht über die empfohlenen, vertretbaren und abzulehnenden<br />

Techniken der Blutentnahme bei Labornagetieren und <strong>Kaninchen</strong> 1<br />

(nicht abschliessende Liste)<br />

Meer-<br />

Kanin-<br />

Ratte Maus Gerbil schwein- Hamster chen<br />

chen<br />

Schwanzvenenpunktion ++ 2 + - - - -<br />

Schwanzveneninzision + ++ 3 - - - -<br />

Zungenvenenpunktion 4 + 5 - - - - -<br />

retrobulbäre Punktion 4; 6; 7 + 5 + 8 + + + -<br />

Punktion oder Anstechen<br />

der Ohrvene - - - ++ 6 - ++<br />

Ohrveneninzision - - - + 6 - + 9<br />

Ohrarterienpunktion - - - - - + 9<br />

Schwanzspitzenamputation 10 + + + - + -<br />

Herzpunktion 4; 6; 10 - - + + + -<br />

Jugulariskatheter 11, 12 ++ - ++ ++ ++ ++<br />

Femoraliskatheter 11, 12 ++ - ++ - - ++<br />

Legende: ++ empfohlen<br />

+ vertretbar<br />

- abzulehnen oder Technik bei dieser Tierart nicht anwendbar<br />

1 Diese Tabelle findet keine Anwendung für das Entnehmen 7 erneute Punktion im gleichen Auge frühestens<br />

von Blut in tiefer, präterminaler Allgemeinanästhesie<br />

nach 2 Wochen<br />

2 für Mengen bis 0,15 ml geeignet 8 für Mengen grösser als 0,1 ml<br />

3 für Mengen bis 0,1 ml geeignet 9 für grössere Mengen (10-30 ml)<br />

4 nur unter Allgemeinanästhesie durchzuführen 10 nur einmal durchzuführen<br />

5 für Mengen grösser als 0,15 ml 11 Einsetzen des Katheters nur unter Allgemeinanästhesie<br />

6 geübtes Personal vorausgesetzt 12 Empfohlen für hohe Entnahmefrequenzen<br />

BUNDESAMT FÜR VETERINÄRWESEN


Bundesamt für Veterinärwesen<br />

Office vétérinaire fédéral<br />

Ufficio federale di veterinario<br />

Uffizi federal veterinar<br />

Richtlinie<br />

Tierschutz<br />

3.03<br />

Tierschutzkonforme Anästhesie und Analgesie bei Labornagetieren<br />

und <strong>Kaninchen</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Seite<br />

A Zielsetzung 2<br />

B Rechtsgrundlagen und Bewilligungsgrundsätze 2<br />

C Analgesie 3<br />

D Anästhesie 3<br />

E Unzulässige und bedingt zulässige Anästhesiemethoden 4<br />

1 Für alle Tierarten 4<br />

2 Für einzelne Tierarten 5<br />

3 Übersichtstabelle 6<br />

F Empfohlene Literatur 7<br />

ANHANG: Analgetika: Richtwerte für die Dosierung<br />

3003 Bern, 1. Oktober 1996 (2) d<br />

Ho/re-800.116-3.03


- 2 -<br />

A<br />

Zielsetzung<br />

Die Richtlinie weist darauf hin, dass Anästhesien ausschliesslich von Fachleuten mit praktischer Erfahrung<br />

und gemäss den Regeln der aktuellen Lehrmeinung durchgeführt werden dürfen. Die Richtlinie hat<br />

zum Zweck, vermeidbare Schmerzen bei Versuchstieren zu verhindern und den Gebrauch bestimmter,<br />

belastender Anästhetika einzuschränken oder zu verbieten.<br />

Die Richtlinie richtet sich an die kantonalen Behörden, die mit dem Vollzug der<br />

Tierschutzgesetzgebung im Bereich Tierversuche betraut sind, ihre beratenden Kommissionen und an<br />

alle Personen, die sich mit der Durchführung von Tierversuchen befassen (Versuchsleiterinnen<br />

und -leiter, Tierschutzbeauftragte, Laborpersonal).<br />

B<br />

Rechtsgrundlagen und Bewilligungsgrundsätze<br />

Niemand darf ungerechtfertigt einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen oder es in<br />

Angst versetzen (Art. 2 Abs. 3 des Tierschutzgesetzes vom 9. März 1978, TSchG, SR 455).<br />

Durchführung bewilligungspflichtiger Tierversuche: Schmerzen, Leiden oder Schäden dürfen einem Tier<br />

nur zugefügt werden, soweit dies für den verfolgten Zweck unvermeidlich ist (Art. 16 Abs. 1 TSchG).<br />

Hat ein Versuch offensichtlich mehr als nur geringfügige Schmerzen zur Folge, so darf er nur unter<br />

lokaler oder allgemeiner Betäubung vorgenommen werden, wenn der Zweck des Versuchs diese nicht<br />

ausschliesst. In diesem Fall darf der Versuch nur im Beisein des erfahrenen Fachmannes nach Artikel 15<br />

Absatz 2 durchgeführt werden (Art. 16 Abs. 2 TSchG).<br />

Für Tierversuche, in deren Rahmen mit betäubten Tieren gearbeitet wird, ist eine Bewilligung erforderlich,<br />

auch wenn die Tiere in betäubtem Zustand getötet werden (vgl. Art. 60 Abs. 2 Bst. f der Tierschutzverordnung<br />

vom 27. Mai 1981, TSchV, SR 455.1).<br />

Ein Tierversuch nach Artikel 13 Absatz 1 des Gesetzes darf bewilligt werden, wenn die Methode<br />

geeignet ist, um das Versuchsziel zu erreichen, wobei der neuste Stand der Kenntnisse zu<br />

berücksichtigen ist (Art. 61 Abs. 1 Bst. c TSchV).<br />

Bewilligungspflichtige Tierversuche dürfen nur unter der Leitung eines erfahrenen Fachmannes von Personen<br />

durchgeführt werden, die über die hiefür notwendigen Fachkenntnisse und die erforderliche<br />

praktische Ausbildung verfügen (vgl. Art. 15 Abs. 2 TSchG).<br />

Erforderlich sind namentlich genaue Kenntnisse<br />

- der einzelnen Narkosestadien und der Symptome beim Tier,<br />

- der physiologischen, biochemischen und metabolischen Eigenschaften der verwendeten Tierart bzw.<br />

des verwendeten Tierstammes,


- 3 -<br />

- des Wirkungsspektrums und der pharmakokinetischen Eigenschaften des verwendeten Anästhetikums<br />

(Aufnahme-, Verteilungs-, Umwandlungs- und Ausscheidungszeit und -ort),<br />

- der je nach Tierart bzw. Tierstamm unterschiedlichen Empfindlichkeiten gegenüber dem verwendeten<br />

Anästhetikum (Wirkungsintensität und -dauer). Dieses Phänomen ist bei der Dosierung unbedingt zu<br />

beachten.<br />

Durch Studium der Fachliteratur ist das Wissen zu erweitern und auf dem neuesten Stand zu halten.<br />

Des weiteren wird praktische Erfahrung mit der gewählten Anästhesiemethode bei der verwendeten<br />

Tierart vorausgesetzt. Andernfalls ist die Methode im Beisein einer erfahrenen Person zu üben. Dies gilt<br />

bei heiklen Anästhesien auch, wenn sie seit längerer Zeit nicht durchgeführt worden sind.<br />

Die verantwortlichen Leiterinnen und Leiter von Instituten sowie die Versuchsleitenden sind<br />

gehalten, bei der Planung von Tierversuchen das für die vorgesehene Tierart schonendste Anästhesieverfahren<br />

vorzusehen und seine korrekte Durchführung zu gewährleisten.<br />

In der Praxis sollen die Behörden die Qualität der Anästhesie sowie deren Durchführung kontrollieren.<br />

Wenn nötig, ist in der Bewilligung mittels Auflage sicherzustellen, dass nur tierschutzkonforme Verfahren<br />

zur Anwendung kommen und dass diese von Fachleuten durchgeführt werden (vgl. Art. 61a Abs. 3<br />

Bst. c TSchV).<br />

C<br />

Analgesie<br />

Im Sinne eines Refinements sind Tieren nach schmerzhaften Eingriffen (akute Schmerzen postoperativ)<br />

oder bei erheblichen, chronischen Schmerzzuständen (z.B. Tumorwachstum) Analgetika zu verabreichen,<br />

sofern dies nicht versuchsbedingt verunmöglicht ist. Ein Verzicht auf Schmerzmittelgabe ist im<br />

Bewilligungsgesuch zu begründen (vgl. Formular A, Ziffer 66). Fehlt diese Angabe, soll die<br />

Bewilligungsbehörde mittels einer Auflage die Schmerzmittelgabe anordnen. Im Anhang sind die<br />

üblichen Dosierungen für verschiedene Analgetika aufgelistet.<br />

Eine fachgerechte Durchführung der Operation sowie die gezielte Betreuung und Pflege nach<br />

dem Eingriff (Schutz und Pflege der Wunden, Vermeiden von Stress, schonendes Anfassen des Tieres)<br />

verhindern unnötige Schmerzen und störende Interaktionen mit dem Versuchsresultat.<br />

D<br />

Anästhesie<br />

Unter einer tierschutzkonformen, für chirurgische Eingriffe geeigneten Anästhesie wird ein reversibler,<br />

kontrollierbarer Zustand verstanden, in dem die Wahrnehmung schmerzhafter und anderer Stimuli vom<br />

Zentralnervensystem vollständig ausgeschaltet wird (Bewusst- und Empfindungslosigkeit, meist mit


- 4 -<br />

Muskelrelaxation kombiniert). Der Begriff Anästhesie wird in dieser Richtlinie stellvertretend für Allgemeinanästhesie<br />

verwendet.<br />

Von mehreren möglichen Anästhetika ist dasjenige mit der geringsten Belastung hinsichtlich Nebenwirkungen<br />

(Einleitungs- und Aufwachphase, Reizwirkung, Kanzerogenität, Toxizität) und Applikationsart<br />

zu wählen.<br />

Die Qualität und besonders die Tiefe der Anästhesie müssen während des Eingriffs laufend überwacht<br />

werden (Monitoring). Eine ungenügende Tiefe der Anästhesie darf nie durch Fixation der Tiere kompensiert<br />

werden.<br />

Jeder Narkosezwischenfall mit tödlichen Folgen für das Tier soll Anlass sein, das gesamte Narkoseverfahren<br />

neu zu überdenken.<br />

Zu beachten<br />

- Eine Lokalanästhesie ist für Labornagetiere und -kaninchen selten indiziert, da die Tiere meist fixiert<br />

und/oder sediert werden müssen, was wegen der damit verbundenen Nebenwirkungen und des Stresses<br />

die Vorteile der geringen Belastung aufhebt.<br />

- Labornagetieren und -kaninchen ist vor einer Allgemeinanästhesie das Futter nicht zu entziehen. Ist<br />

dies versuchsbedingt notwendig, ist die Fastendauer möglichst kurz zu halten.<br />

- Wegen der relativ grossen Körperoberfläche kleiner Labortiere und als Nebenwirkung der Anästhetika<br />

besteht bei länger dauernden Anästhesien und während der Nachschlafphase die Gefahr einer Hypothermie.<br />

E<br />

Unzulässige und bedingt zulässige Anästhesiemethoden<br />

Anästhetika, von denen aufgrund wissenschaftlicher Abklärungen bekannt ist, dass sie eindeutig belastende<br />

Nebenwirkungen aufweisen, beispielsweise starke Reizwirkung am Applikationsort, eine belastende<br />

Einleitungs- oder Aufwachphase oder Karzinogenität, sind nicht tierschutzkonform. Auf ihren<br />

Gebrauch ist daher zugunsten weniger belastender Anästhetika zu verzichten. Die nachfolgende Liste ist<br />

nicht abschliessend.<br />

1 Für alle Tierarten<br />

Tribromäthanol (Avertin)


- 5 -<br />

Nach intraperitonealer Applikation (übliche Injektionsroute) verursacht Avertin infolge Reizwirkung<br />

Verklebungen und Nekrosen in der Bauchhöhle (Serositis der Eingeweide, Peritonitis). Deshalb ist der<br />

Gebrauch von Avertin unzulässig.<br />

Anästhesie von Neonaten<br />

Neugeborene Labornagetiere werden mittels Neuroleptanalgesie oder Inhalationsanästhetika (Halothan,<br />

Methoxyfluran, Enfluran etc.) anästhesiert. Daneben wird auch die Unterkühlung auf 27° C praktiziert<br />

(Hypothermie). Da bisher nicht geklärt werden konnte, ob diese eine Anästhesie oder lediglich eine<br />

Immobilisation bewirkt und ob bei der Erholung Schmerzen auftreten, ist ihr Gebrauch zu vermeiden<br />

und nur in begründeten Einzelfällen zuzulassen.<br />

Äthylcarbamat (Urethan)<br />

Urethan bewirkt eine für chirurgische Eingriffe geeignete Langzeitnarkose von 8-10 Stunden Dauer, ist<br />

jedoch stark karzinogen. Urethan ist daher prinzipiell nur präterminal zu verwenden, d.h. für Versuche,<br />

an deren Ende die Tiere in Anästhesie getötet werden.<br />

Chloralhydrat, Hexobarbital (Evipan)<br />

Chloralhydrat und Evipan sind Hypnotika mit geringer analgetischer Wirkung und kleiner therapeutischer<br />

Breite, weshalb sie sich nicht für chirurgische Eingriffe, jedoch zur Immobilisation von Tieren eignen.<br />

In Kombination mit einer analgetischen Substanz oder einem lang wirkenden<br />

Lokalanästhetikum ist ihre Verwendung für chirurgische Anästhesien vertretbar.<br />

2 Für einzelne Tierarten<br />

Die gebräuchlichen Inhalationsanästhetika lösen bei den verschiedenen Tierarten unterschiedliche Reaktionen<br />

aus, wobei auch die Methode der Begasung eine Rolle spielt. Ein kalibrierter Verdampfer ermöglicht,<br />

die Zusammensetzung des Gasgemischs zu kontrollieren, weshalb er dem unkontrollierten Verdampfen<br />

in einer Kammer („Topf“) grundsätzlich vorzuziehen ist.<br />

Äther zur Narkose (Diaethylaether)<br />

Äther wirkt bei Mäusen und Meerschweinchen sowohl im „Topf“ als auch über einen Verdampfer verabreicht<br />

schleimhautreizend, weshalb auf seinen Gebrauch zugunsten weniger belastender Anästhetika zu<br />

verzichten ist.<br />

Äther ist bei Meerschweinchen unzulässig.<br />

Äther ist bei Mäusen abzulehnen. Seine Anwendung ist nur in gut begründeten Einzelfällen (einzelne<br />

Tiere) zuzulassen (z.B. wenn die Anschaffung eines Isofluran- oder Halothanverdampfers unverhältnismässig<br />

ist und als Alternative nur ein Injektionsanästhetikum in Frage kommt).


- 6 -<br />

Halothan (unkontrolliertes Verdampfen im „Topf“)<br />

Die Verabreichung von Halothan im „Topf“ ist unzulässig, weil Halothan in hoher Konzentration für<br />

Mäuse, Ratten und Meerschweinchen während der Einleitungsphase belastend ist (Abwehrreaktionen,<br />

Stressphysiologie). Dagegen löst Halothan kaum Abwehrreaktionen aus, wenn es über einen Verdampfer<br />

verabreicht wird.<br />

Isofluran (unkontrolliertes Verdampfen im „Topf“)<br />

Die Verabreichung von Isofluran im „Topf“ ist unzulässig, weil Isofluran in hoher Konzentration bei<br />

Mäusen und Meerschweinchen während der Einleitungsphase belastend ist (Abwehrreaktionen,<br />

Stressphysiologie). Über einen Verdampfer verabreicht, wird Isofluran gut vertragen.<br />

CO 2 -Anästhesie (Kohlensäure/Sauerstoff-Gemisch)<br />

CO 2 hat einen kurzen Wirkungseintritt, wirkt jedoch nur für kurze Zeit anästhesierend, weshalb es sich<br />

nur als Ultrakurznarkotikum eignet (z.B. für eine Blutentnahme). Durch höhere CO 2 -Konzentrationen<br />

lässt sich die Anästhesiedauer verlängern, doch verhalten sich die Tiere während der Einleitungsphase<br />

unruhiger, und es treten vermehrt Todesfälle auf. Deshalb sind Konzentrationen von mehr als 80 % CO 2<br />

für alle Tierarten unzulässig.<br />

Für Mäuse ist die CO 2 -Anästhesie wegen der bei dieser Tierart zu kurzen Wirkungsdauer ungeeignet<br />

und daher grundsätzlich unzulässig.<br />

3 Übersichtstabelle<br />

generell gültig Maus Ratte Meerschweinchen<br />

Aether -- ---<br />

Avertin --- --- --- ---<br />

CO 2 ---<br />

CO 2 > 80% --- --- --- ---<br />

Evipan, Chloralhydrat (-) (-) (-) (-)<br />

Halothan („Topf“) --- --- ---<br />

Hypothermie -- -- -- --<br />

Isofluran („Topf“) --- ---<br />

Urethan (-) (-) (-) (-)<br />

Legende: (-) bedingt zulässig, -- abzulehnen, --- unzulässig


- 7 -<br />

Die Angaben in der Tabelle sind nicht abschliessend. Sie beschränken sich nur auf die Tierarten, bei<br />

denen die Reaktion auf die erwähnten Anästhetika wissenschaftlich gesichert ist. Aus fehlenden<br />

Angaben über andere Anästhesiemethoden kann nicht zwangsläufig geschlossen werden, sie seien nicht<br />

belastend. Ebensowenig kann die Reaktion einer nicht erwähnten Tierart auf ein oben erwähntes<br />

Anästhetikum abgeleitet werden.<br />

F<br />

Empfohlene Literatur<br />

Analgesie<br />

− Benson GJ, Thurmon JC, Davis LE, 1990: Laboratory animal analgesia. In: The experimental animal<br />

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Publikation in Vorbereitung.<br />

BUNDESAMT FÜR VETERINÄRWESEN

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