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(Ost-)Deutschland - Rainer Land Online Texte

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Dysfunktionalitäten und Umbruch in Berufsbildung und Qualifizierung<br />

In der öffentlichen Diskussion wird fast nur der Mangel an Ausbildungsplätzen und die Frage<br />

der Finanzierung der Berufsausbildung diskutiert – für die Hochschulen stehen zudem noch<br />

die Probleme auf der Tagesordnung, die mit dem zu erwartenden Rückgang der Studentenzahlen<br />

in den kommenden Jahren verbunden sind. Die Kompatibilität oder Inkompatibilität des<br />

Berufsbildungssystems (einschließlich der Hochschulbildung) mit der Veränderungen der<br />

Forschung und Entwicklung, der Produktion und der Erwerbsarbeit wird dagegen meist nur<br />

abstrakt angesprochen: „Wissensgesellschaft“ und „lebenslanges Lernen“. Welche Folgerungen<br />

daraus für die Gestaltung des Bildungssystems abzuleiten sind, hat der Bericht „Berufsbildung<br />

im Umbruch. Signale eines überfälligen Aufbruchs“ (Baethge u.a. 2007) versucht<br />

aufzuzeigen.<br />

Es gibt verschiedene Anzeichen für Veränderungen in der Art betrieblicher Arbeit, den erforderlichen<br />

Fähigkeiten und Qualifikationen, die Folgen für Beruflichkeit und Berufsverläufe<br />

haben könnten. Das Grundmodell der beruflichen Facharbeit war eine Grundausbildung (das<br />

duale System kombinierte Ausbildung in den betrieblichen Arbeitsprozessen „von der Pike<br />

auf“ mit in Berufsschulen vermitteltem Wissen), der sich ein „lebenslanges Lernen durch Erfahrung“<br />

während des Erwerbslebens anschloss. Arbeitskräfte des mittleren Qualifikationsniveaus<br />

„lernten“ ihre Arbeit zu beherrschen und den sich verändernden technischen, technologischen<br />

und betriebswirtschaftlichen Anforderungen anzupassen, indem sie Erfahrungen im<br />

laufenden Betrieb sammelten, nur wenig ergänzt durch kurze Schulungen und Lehrgänge, z.B.<br />

bei Umstellung von Maschinen, Produktionslinien oder Produkten. Die Kumulation von Erfahrungswissen,<br />

deren Grundstein durch die duale Ausbildung im Betrieb gelegt wurde, war<br />

für die Mehrheit der Berufe der wichtigste Modus „lebenslangen Lernens“. Für diesen Modus<br />

der Qualifikation war es wichtig, einen möglichst großen Teil der nachwachsenden Arbeitskräfte<br />

im Betrieb selbst auszubilden und langfristig an den Betrieb zu binden, damit das gesammelte<br />

und zu großen Teilen betriebs- und prozessspezifische Erfahrungswissen erhalten<br />

und ggf. auf nachfolgende Generationen übertragen werden konnte.<br />

Beobachtungen und erste Analysen (systematische und umfassende Untersuchungen stehen<br />

noch aus!) des Rekrutierungs- und Ausbildungsverhaltens zeigen nun, dass zumindest für<br />

größere Teile der qualifizierten Belegschaften der Modus des „kumulierten Erfahrungswissens“<br />

in der herkömmlichen Weise nicht mehr zentral ist. Betriebe rekrutieren inzwischen<br />

zunehmend nicht mehr über eigene Ausbildung und lange betriebliche Erfahrung, sondern sie<br />

suchen „spezialisierungsfähige Generalisten“, also Personen, die mittels einer universellen<br />

Ausbildung und vielfältiger, nicht an jeweils betriebsspezifische Bedingungen gebundener<br />

differenzierter Anwendungserfahrungen in der Lage sind, Probleme „projektförmig“ zu lösen.<br />

Lange betriebsbezogene Erfahrungen sind hier weniger Wert als die Fähigkeit, Probleme aus<br />

unterschiedlichen Perspektiven analysieren zu können und Erfahrungen aus anderen Umständen<br />

mitzubringen. Solche Universalisten sind besonders gefragt in forschungsintensiven Tätigkeiten,<br />

in der EDV, in der Arbeit mit komplexen computergestützten Maschinen und Anlagen,<br />

der Kommunikations- und Medienwirtschaft, der Medizin und Medizintechnik. Hier aber<br />

zeigt sich bereits deutlich ein Mangel an solchen Fachkräften.<br />

Es ist leicht zu erkennen, dass das bisherige Berufsbildungssystem kaum in der Lage ist, diesen<br />

neuen Typ qualifizierter Facharbeit auszubilden. Die Schwierigkeiten, genügend Ausbil-

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