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Kohlestrom: katastrophal - Robin Wood

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energie<br />

<strong>Kohlestrom</strong>: <strong>katastrophal</strong><br />

Nicht nur schlecht für Umwelt und Gesundheit: Beim Kohletagebau in Kolumbien werden<br />

auch Menschenrechte ignoriert.<br />

Der Anteil der Kohle an der Stromerzeugung<br />

nimmt zu – Energiewende kurios.<br />

Während die Kohlekraftwerke möglichst<br />

intensiv genutzt werden, droht den klimafreundlicheren<br />

Gas-Kraftwerken das Aus.<br />

In Hamburg wird im nächsten Jahr sogar<br />

noch ein weiteres 1.600 MW großes<br />

Steinkohlekraftwerk in Betrieb gehen:<br />

Betreiber ist Vattenfall. Mit einem Anteil<br />

von über 80 Prozent Braunkohleverstromung<br />

zeigt der Konzern in besonders<br />

krasser Form, dass er mit Energiewende<br />

absolut nichts am Hut hat. Das Bündnis<br />

Gegenstrom13, bei dem auch ROBIN<br />

WOOD Mitglied ist, hat sich vorgenommen<br />

Vattenfall und seiner Kohlepolitik<br />

die rote Karte zu zeigen. Nicht nur weil<br />

der Konzern das Klima killt und Gesundheitsrisiken<br />

in die Umwelt pustet. Erst<br />

kürzlich hat eine Studie gezeigt, dass die<br />

Schadstoffemissionen auch zu Todesfällen<br />

führen. Am Beispiel Kolumbien,<br />

von wo Vattenfall die Kohle bezieht,<br />

wird deutlich, wie massiv die Eingriffe in<br />

die Umwelt sind und wie wenig dabei<br />

Menschenrechte zählen. Zum Hamburger<br />

Hafengeburtstag am 10. Mai 2013 organisierte<br />

das Bündnis eine symbolische<br />

Elbblockade, um gegen Vattenfall zu<br />

protestieren.<br />

Vattenfalls Strom aus Moorburg<br />

soll Holland versorgen<br />

Nach sieben Jahren Bauzeit und drei<br />

Milliarden Euro Investition will Vattenfall<br />

Anfang 2014 das umstrittene Kohlekraftwerk<br />

in Hamburg Moorburg ans<br />

Netz bringen. 12.000 Tonnen Steinkohle<br />

sollen dann pro Tag verbrannt werden.<br />

Die Folge sind neun Mio. Tonnen CO 2<br />

jährlich – so viel klimaschädliches Gas,<br />

wie ganz Bolivien erzeugt. Die Menschen<br />

in den angrenzenden Stadtteilen<br />

bekämen obendrein große Mengen von<br />

Schadstoffen, wie Feinstäube, Stickoxide<br />

und Schwermetalle ab. 64.000 Liter<br />

Kühlwasser pro Sekunde, das entspricht<br />

450 Badewannen je Sekunde, soll um<br />

bis zu 10 °C wärmer zurück in die Elbe<br />

geleitet werden. Diesen Wahnsinn hat<br />

das Oberverwaltungsgericht nun vorerst<br />

gestoppt und Vattenfall zum Einsatz<br />

eines Kühlturms verpflichtet. Vattenfall<br />

hat jedoch Klage eingereicht und beharrt<br />

auf sein „gutes Recht“, die Elbe bis zum<br />

Umkippen aufzuheizen. Doch ob Vattenfall<br />

das neue Kraftwerk überhaupt auslasten<br />

kann, ist fraglich. Vattenfall wollte mit<br />

dem Kraftwerk auch die Fernwärme für<br />

Hamburg erzeugen. Das aber ist am Widerstand<br />

von Umweltgruppen – darunter<br />

auch ROBIN WOOD – gescheitert, die die<br />

geplante Fernwärmetrasse mit Aktionen<br />

und vor Gericht stoppten. Durch den<br />

Wegfall der Kraftwärmekopplung entfällt<br />

für Moorburg auch die im Erneuerbare<br />

Energien Gesetz bestehende Möglichkeit,<br />

den Strom „vorrangig“ einspeisen zu<br />

können.<br />

Angesichts ohnehin schon zu großer<br />

Strommengen auf dem deutschen Markt<br />

und dem nun fehlenden Einspeise-Vorrang<br />

für das neue Kraftwerk steht Vattenfall<br />

erheblich unter Druck. Deshalb muss<br />

der Energieriese den Strom exportieren.<br />

Holland, wo Vattenfall durch die Übernahme<br />

von Nuon inzwischen Marktführer<br />

ist, soll den Moorburgstrom künftig aufnehmen.<br />

Ausreichend Hochspannungs-<br />

Vattenfall setzt auf Kohle aus Kolumbien: Die Ausmaße der weltweit größten Tagebau-Mine Cerrejón dort sind gigantisch<br />

Fotos: Gegenstrom13<br />

38<br />

Nr. 117/2.13


energie<br />

trassen stehen bereit. Gelingt es dem<br />

Konzern nicht, für eine Auslastung zu<br />

sorgen, dürfte es wirtschaftlich, aber auch<br />

technisch problematisch werden. Denn<br />

Moorburg ist für einen „Lastfolgebetrieb“<br />

– also das Rauf- und Runterregeln<br />

– schlecht gerüstet, weil der eingesetzte<br />

Kesselstahl erhebliche Schwachstellen hat.<br />

Beim Einbau erwies sich der so genannte<br />

T34-Stahl als mangelhaft: 2011 wurden<br />

flächendeckend Risse festgestellt, die<br />

aufwändig geflickt und teilweise ausgetauscht<br />

werden mussten.<br />

Kolumbien: Kohletagebau<br />

zerstört und verseucht ganze<br />

Landstriche<br />

Schon heute bezieht Vattenfall für seine<br />

Kohlekraftwerke in Holland, Dänemark<br />

und in Hamburg-Wedel die Kohle hauptsächlich<br />

aus Kolumbien – vorwiegend<br />

aus Cerrejón, der größten Steinkohle-Tagebaumine<br />

weltweit. Dies belegen u.a.<br />

aktuelle Lieferstatistiken. Bei Besichtigungen<br />

auf der Moorburg Baustelle gibt<br />

der Konzern zu: „Ein Großteil der Kohle<br />

wird aus Kolumbien kommen“ – die ist<br />

„gut und günstig … genau das richtige<br />

für Moorburg.“<br />

AktivistInnen von Gegenstrom13 waren<br />

Anfang des Jahres in Kolumbien und haben<br />

sich ein Bild gemacht. Sie haben mit<br />

Betroffenen und mit VertreterInnen der<br />

Protestbewegung zahlreiche Gespräche<br />

geführt. Die Mine von Cerrejón erstreckt<br />

sich über 40 x 15 km – sie ist um ein 8-<br />

faches größer als der gesamte Rheinische<br />

Tagebau bei Garzweiler. Hinzu kommen<br />

die angrenzenden Erweiterungs-Flächen.<br />

Die Folgen des Tagebaus sind für die<br />

Menschen und die Umwelt <strong>katastrophal</strong>:<br />

Die Wayuu-Indigenen und afrokolumbianische<br />

Gemeinden werden zwangsumgesiedelt,<br />

ganze Dörfer vernichtet.<br />

Die Staatsgewalt geht bei Widerstand<br />

massiv gegen die Bevölkerung vor. Dabei<br />

ist die Situation für die Menschen durch<br />

die Kohlenstaubemissionen extrem: Eine<br />

Ärztin berichtet, dass in dem Wayuudorf<br />

„El Provincial“ ca. 60 Prozent der BewohnerInnen<br />

chronisch krank seien. Dennoch<br />

widersetzen sich die BewohnerInnen<br />

einer Umsiedelung. Anderenorts führt die<br />

hohe Umweltverschmutzung durch den<br />

Minenbetrieb aber dazu, dass die Menschen<br />

zum Schutz ihrer Gesundheit aus<br />

Wer gegen den Tagebau protestiert, wie hier Wayuu-Indigene, muss mit brutalen<br />

Übergriffen von Polizei-Spezialeinheiten rechnen<br />

dem Gebiet fliehen. Als „Entschädigung“<br />

für Haus und Grundstück bietet Cerrejón<br />

ca. 4.000 Euro (ca. 8,6 Mio. Peso). Für<br />

eine sofortige Unterschrift inkl. Abtretung<br />

sämtlicher etwaiger weiterer Ansprüche<br />

gibt es noch mal 350 Euro (=750t. Peso)<br />

obendrauf.<br />

Nach Gewerkschaftsangaben sind über<br />

700 der 5.500 festangestellten Minenarbeiter<br />

von Cerrejón chronisch erkrankt.<br />

Lungen- und Atemwege sind betroffen,<br />

ebenso gibt es Magen- und Darmerkrankungen.<br />

Auch extrem hohe Bleikonzentrationen<br />

im Blut werden festgestellt,<br />

teilweise um das Hundertfache der<br />

zugelassenen Grenzwerte. Cerrejón hat<br />

jedoch lediglich 20 Arbeiter als berufsbedingt<br />

krank anerkannt – unabhängige<br />

Untersuchungen werden verweigert.<br />

Flüsse und Trinkwasser sind weiträumig<br />

verdreckt. Durch die enorme Wasserentnahme<br />

von Cerrejón sinkt auch der<br />

Grundwasserspiegel. Mit fatalen Folgen in<br />

der Region: Wo vor einigen Jahren noch<br />

alles grün war, wächst heute fast nichts<br />

mehr. Und wenn es mal regnet, ist das<br />

Wasser eingefärbt vom Kohlestaub – je<br />

näher an der Mine, desto dunkler.<br />

Die Sprengungen des Tagebaus mit ihren<br />

riesigen Staubwolken betreffen die gesamte<br />

Region und belasten die Atemluft<br />

extrem. Wie stark zeigt der Bericht der<br />

EinwohnerInnen von einer durch einen<br />

Streik erzwungenen Abbaupause: „Nach<br />

10 Tagen konnten wir erstmals wieder<br />

eine Bergkette auf der anderen Seite der<br />

Mine sehen. Viele Kinder sahen sie sogar<br />

zum ersten Mal.“ In den Dörfern wurde<br />

deswegen auch vom “verano limpio”–<br />

sauberer Sommer gesprochen.<br />

Gewalt und Konflikte<br />

nehmen zu<br />

Die ganze Region wird von dem Kohlemulti<br />

kontrolliert. Nichts geht ohne<br />

ihn. Den Menschen werden sowohl<br />

grundlegende Selbstbestimmungsrechte<br />

verwehrt, als auch Tradition, Identität<br />

und Würde genommen. Der Kohleabbau<br />

ist auch Grund für die selbst für Kolumbien<br />

extrem hohe Militärpräsens – und<br />

damit für weitere Konflikte und Gewalt.<br />

Aktuell hatte die FARC-Guerilla binnen<br />

20 Tagen alleine drei Bombenanschläge<br />

auf die Minenstruktur von Cerrejón<br />

verübt – mit verheerenden Sachschäden.<br />

Daraufhin wurden weitere Militäreinheiten<br />

dorthin verlegt. „Wir werden die<br />

Mine mit allen Mitteln verteidigen“, so<br />

ein Militärsprecher.<br />

Kolumbien ist dabei das Land mit den<br />

meisten ermordeten Gewerkschaftern<br />

weltweit. In den letzten Jahren waren<br />

es über 3.000. In der Vergangenheit<br />

sind mehrfach Verbindungen von Rohstoffkonzernen<br />

und den diese Morde<br />

ausführenden paramilitärischen Gruppen<br />

bekannt geworden. Die Konzerne sind<br />

die Nutznießer der Gewalt gegen unbequeme,<br />

widerständige Organisationen,<br />

seien es Gewerkschaften, Indigene oder<br />

linke AktivistInnen.<br />

Volker Gajewski, Hamburg<br />

www.gegenstrom13.de<br />

Nr. 117/2.13<br />

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