Grammatiktheorie und Schulgrammatik - Regierungspräsidium ...
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Fortbildungsveranstaltung <br />
Veranstalter <br />
<strong>Regierungspräsidium</strong> Tübingen <br />
für Schule <strong>und</strong> Bildung <br />
& <br />
Fachscha? Deutsch: Studienseminar Tübingen <br />
23. Juli 2010 <br />
1
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
bjoern.rothstein@ruhr-‐uni-‐bochum.de & angelika.woellstein@uni-‐tuebingen.de <br />
23. Juli 2010 <br />
2
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
Übersicht <br />
1. Einführung – Impulse <br />
2. Szenen einer Ehe <br />
3. GrammaHktheorie(n) <br />
– Abriss zur jüngeren Geschichte der Sprachwissenscha? in <br />
Deutschland – die Wenden innerhalb der GrammaHktheorie(n) <br />
– Was bleibt? <br />
4. DeskripHve Modelle – Vorzüge <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
3
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
Übersicht <br />
5. DeskripHve Syntax für die SchulgrammaHk <br />
6. Topologisches Satzmodell <br />
7. Übungsphase <br />
– Analysieren <br />
– Rilke – eine topologische Analyse auch für die Schule <br />
8. Auswertung <strong>und</strong> Diskussion <br />
– Erfahrungen beim Arbeiten <strong>und</strong> Analysieren mit dem Modell <br />
– Wofür das topologische Satzmodell (noch) taugt <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
4
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
1. Einführung – Impulse <br />
Der größere Teil des Deutschunterrichts beschä?igt sich <br />
(un-‐)mibelbar mit Sprache zum Zwecke ihres Erwerbs <br />
<strong>und</strong> der Entwicklung ihres Gebrauchs. <br />
Die Anteile sind nach Schultyp <strong>und</strong> Altersstufe <br />
unterschiedlich aber immer bedeutend. <br />
[Dabei ist] die Frage nach der Menge von GrammaHk ist <br />
nicht zu trennen von der Frage, welche Art von <br />
GrammaHk die Schule braucht. <br />
(Eisenberg 2004) <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
5
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
1. Einführung – Impulse <br />
Der sprachliche SozialisaHonsprozess an Schulen <br />
ist im wesentlichen ein Prozess der Literalisierung im <br />
weiteren Sinn des Begriffs <strong>und</strong> <br />
dieser ist für große Sprechergruppen an <br />
eine erhebliche Restrukturierung des <br />
impliziten Sprachwissens geb<strong>und</strong>en. <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
6
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
2. Szenen einer Ehe <br />
Verhältnis zwischen <br />
GrammaHktheorien bzw. <br />
„Uni-‐“ -‐ vs. SchulgrammaHk <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
7
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
2. Szenen einer Ehe <br />
Verhältnis „UnigrammaHk“ vs. SchuldidakHk <br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Schwieriges Verhältnis zwischen MubersprachdidakHk <br />
<strong>und</strong> Sprachwissenscha? <br />
Sprachwissenscha? ist bemüht um die Analyse der <br />
Struktur <strong>und</strong> des Gebrauchs der Sprache <br />
SprachdidakHk verfolgt Aspekte der Vermiblung von <br />
Sprache <br />
Wo ist der Platz der Uni-‐/ SchulgrammaHk? <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
8
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
Jüngere Geschichte der LinguisHk in Deutschland <br />
1952 • Strukturalismus <br />
1965 • GeneraHve GrammaHk <br />
1970 • PragmaHk <br />
1985 • KogniHve LinguisHk <br />
1990 • KorpuslinguisHk <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
9
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
Beispiel Phrasenkomposita <br />
Unter einem Phrasenkompositum ist eine Wortbildung <br />
mit der Struktur YP + X zu verstehen, wobei das Erstglied <br />
YP das Zweitglied X semanHsch modifiziert. <br />
(Meibauer 2003: 155) <br />
(1) der [Muss-‐das-‐denn-‐sein CP ]-‐Blick <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
10
Strukturalismus I <br />
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
11
Strukturalismus II <br />
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
ausgehend von Saussures Cours de linguis3que générale <br />
Sprachsystem (= Langue) <strong>und</strong> Sprachgebrauch (= Parole) <br />
nicht TäHgkeit des Sprechens, sondern Sprache <br />
Sprachsystem besteht aus einer gewissen Anzahl <br />
sprachlicher Zeichen, die in syntagmaHschen <strong>und</strong> <br />
paradigmaHschen Beziehungen zueinander stehen <br />
sprachliche Phänomene werden einheitlich nach <br />
formalen Prinzipien klassifiziert <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
12
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
Strukturalismus III <br />
<br />
<br />
Trennung zwischen Synchronie <strong>und</strong> Diachronie, die <br />
der SprachdidakHk als wissenscha?liche <br />
LegiHmierung für die Abtrennung vom <br />
altsprachlichen Unterricht diente <br />
nicht länger das Regelsystem einer Sprache als <br />
Ausgangspunkt (z.B. Latein) für die Beschreibung <br />
anderer Sprachen <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
13
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
GeneraHve GrammaHk I <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
14
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
GeneraHve GrammaHk II <br />
Syntax is the study of the principles and processes by <br />
which sentences are constructed in parHcular languages. <br />
SyntacHc invesHgaHon of a given language has as its goal <br />
the construcHon of a grammar that can be viewed as a <br />
device of some sort for producing the sentences of the <br />
language <strong>und</strong>er analysis. <br />
(Chomsky 1972:11) <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
15
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
GeneraHve GrammaHk III <br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
der ideale Sprecher besitzt eine sprachliche <br />
Kompetenz (= das Kenntnissystem eines Sprechers) <br />
diese Kompetenz ermöglicht ihm die Generierung <br />
von Sätzen, die ihm zuvor nie begegnet sind <br />
Performanz ist nach Chomsky der tatsächliche <br />
sprachliche Gebrauch <br />
Modellierung der Kenntnisse, die den Sprecher dazu <br />
befähigen, sprachliche Strukturen zu generieren <br />
Nachbildung der Sprachkompetenz <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
16
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
17
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
Exemplarisch: Phrasenkomposita <br />
<br />
<br />
<br />
Government & Binding (GB) <br />
Distributed Morphology (DM) <br />
OpHmalitätstheorie (OT) <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
18
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
Government & Binding [ab 1981] I <br />
<br />
<br />
<br />
alle Sprachen haben die gleiche Tiefenstruktur (nicht <br />
seh-‐, nicht hörbare Anordnung der einzelnen <br />
Satzelemente) <br />
durch besHmmte einzelsprachlich festgelegte <br />
OperaHonen werden Unterschiede zwischen den <br />
Sprachen erzeugt (= Oberflächenstruktur) <br />
keine Aussage über den Zusammenhang zwischen <br />
Morphologie <strong>und</strong> Syntax <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
19
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
Government & Binding [ab 1981] II <br />
Hierarchisches <br />
Phrasenstruktur-‐ <br />
modell für das <br />
Phrasenkompositum <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
20
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
Government & Binding [ab 1981] II <br />
Hierarchisches <br />
Phrasenstruktur-‐ <br />
Modell für den <br />
Satz <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
21
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
Government & Binding [ab 1981] III <br />
Probleme (u.a.): <br />
GB gibt keine zufriedenstellende Antwort zu <br />
InterakHon von Morphologie <strong>und</strong> Syntax <br />
Problem für Phrasenkomposita <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
22
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
Distributed Morphology [ab 1993] I <br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
keine Morphologie mehr <br />
Syntax erledigt Aufgaben der Morphologie <br />
keine Wortartmarkierung, keine Lexeme <br />
Abstrakte Wurzeln anstelle von „Wörtern“ <br />
Erzeugung von Wörtern aus Wurzeln via Syntax <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
23
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
Distributed Morphology [ab 1993] II <br />
Probleme (u.a.): <br />
fehlende Wortartmarkierung <br />
Argumentvererbung <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
24
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
OpHmalitätstheorie I <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
25
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
OpHmalitätstheorie II <br />
Phrasenkomposita: Webbewerb zwischen Morphologie <br />
<strong>und</strong> Syntax <br />
Problem: zu unrestringiert <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
26
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
PragmaHsche Wende I <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
27
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
PragmaHsche Wende II <br />
<br />
<br />
<br />
Einfluss der amerikanischen LinguisHk durch AusHn <br />
(1962) How to do things with words <strong>und</strong> Searle <br />
(1969) Speech acts <br />
Abwendung von der (rein) systemaHschen <br />
generaHven Betrachtung der Chomsky-‐GrammaHk <br />
Zuwendung zum Gebrauch der Sprache <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
28
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
PragmaHsche Wende III <br />
<br />
generaHve Basiseinheiten Wort <strong>und</strong> Satz wurden <br />
nicht länger als die gr<strong>und</strong>legenden Elemente für die <br />
verbale KommunikaHon gesehen, sondern <br />
Sprechakte <strong>und</strong> andere Einheiten der linguisHschen <br />
PragmaHk <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
29
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
PragmaHsche Wende IV <br />
It is not, as has generally been supposed, the symbol or <br />
word or sentence, or even the token of the symbol or <br />
word or sentence, which is the unit of linguisHc <br />
communicaHon, but rather it is the producHon of the <br />
token in the performance of the speech act that <br />
consHtutes the basic unit of linguisHc communicaHon. <br />
(Searle 1967: 221-‐222) <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
30
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
PragmaHsche Wende V <br />
Meibauer (2008): <br />
Phrasenkomposita als Möglichkeit, Witzigkeit <strong>und</strong> <br />
Sprachwitze zu verbalisieren <br />
Hintergr<strong>und</strong>: Implikaturentheorie von Levinson <br />
(2000) <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
31
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
3. GrammaHktheorien <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
32
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
4. DeskripHve Modelle – Vorzüge <br />
relaHv theorie-‐ <br />
unabhängige, <br />
deskripHve <br />
Herangehens-‐ <br />
weise <br />
33
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
5. DeskripHve Syntax – SchulgrammaHk <br />
Sensibilisierung für Satzstrukturen: <br />
Kombinatorik <strong>und</strong> Abfolgemuster ... <br />
(1) Jetzt kennt Müller jeder<br />
(2) Müller kennt jeder jetzt<br />
(3) Müller kennt jetzt jeder<br />
(4) Jeder kennt Müller jetzt<br />
(5) Jetzt kennt jeder Müller<br />
das finite Verb <br />
steht hier immer <br />
an der <br />
zweiten PosiHon <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
34
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
5. DeskripHve Syntax – SchulgrammaHk <br />
Aber ... <br />
(6) Ist Müller Maradona denn nicht bekannt?<br />
(7) Wäre Müller Maradona bloß bekannt gewesen.<br />
Finites Verb an 1. Position<br />
(8) ... dass sie mit ihrem Spiel alle begeisterten<br />
(9) ... mit dem die Mannschaft gewonnen hätte<br />
Finites Verb an letzter Position<br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
35
Sätze werden im Deutschen nach ihrer <br />
VerbposiHon klassifiziert ... <br />
Verb-‐Erst (V1) <br />
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
5. DeskripHve Syntax – SchulgrammaHk <br />
Verb-‐Zweit (V2) <br />
Verb-‐Letzt (VL) <br />
Entscheidend ist dabei die PosiHon des flekHerten / <br />
finiten Verbs! <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
36
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
5. DeskripHve Syntax – SchulgrammaHk <br />
Problem 1 : Sätze mit zwei verbalen Teilen <br />
(10) Hast du schon die Blumen gegossen? <br />
(11) Mitmachen werde ich nicht. <br />
finites Verb <br />
(10) V1-‐Satz <br />
(11) V2-‐Satz <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
37
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
5. DeskripHve Syntax – SchulgrammaHk <br />
Problem 2 : mehrere Wörter stehen vor dem <br />
finiten Verb – KonsHtuentenbegriff <br />
(12) [Die Wahl des Kapitän der deutschen <br />
Fußballna3onalmannschaD] häEe in dieser WM nicht <br />
besser ausfallen können. <br />
<br />
In (12) liegt V2-‐Stellung vor, da […] eine <br />
syntakHsche Einheit bildet. Das finite Verb steht <br />
daher an zweiter PosiHon. <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
38
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
5. DeskripHve Syntax – SchulgrammaHk <br />
Eine syntakHsche Einheit (KonsHtuente) besteht <br />
aus einem Wort oder einer Wor}olge. <br />
Der Kapitän der englischen… <br />
Er <br />
Die MannschaD, die fair spielt, <br />
haEe in diesem Jahr… <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
39
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
5. DeskripHve Syntax – SchulgrammaHk <br />
Problem 3 : VerbletztposiHon <br />
(13) … der sich fürchterlich aufregt über die Klausur <br />
(14) … ob es wohl regnet morgen <br />
Verbletzt-‐PosiHon <br />
VerbletztposiHon bedeutet nicht letzte PosiHon im Satz! <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
40
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
6. Topologisches Satzmodell <br />
Topologische Gr<strong>und</strong>muster im Deutschen ... <br />
Satzklammer <br />
Durch die möglichen PosiHonen des Verb lassen sich <br />
Sätze des Deutschen in topologische PosiHonen/Felder <br />
unterteilen. <br />
Der finite <strong>und</strong> der/die infinite(n) Teil(e) des Prädikats <br />
bildet(n) eine verbale Klammer, die sogenannte <br />
Satzklammer. <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
41
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
6. Topologisches Satzmodell <br />
Topologische Gr<strong>und</strong>muster im Deutschen ... <br />
Klammerposi2onen <strong>und</strong> Felderposi2onen <br />
Der linke Teil der Satzklammer wird linke Satzklammer <br />
(LSK) <strong>und</strong> der rechte Teil rechte Satzklammer (RSK) / (VK) <br />
genannt. <br />
Der Bereich vor der LSK wird Vorfeld (VF) genannt, der <br />
Bereich zwischen den Satzklammern Mibelfeld (MF) <strong>und</strong> <br />
der Bereich nach der RSK Nachfeld (NF). <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
42
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
6. Topologisches Satzmodell <br />
Topologische Gr<strong>und</strong>muster im Deutschen ... <br />
Die Gr<strong>und</strong>abfolge der Satzglieder im Deutschen wird bei <br />
der VL-‐Stellung des/r Verbs/en sichtbar! Wir können <br />
(metaphorisch gesprochen) von einer bzw. zwei Sorten <br />
möglicher Bewegung für die Erzeugung von V1-‐ oder V2-‐<br />
Sätzen ausgehen. <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
43
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
6. Topologisches Satzmodell <br />
1. In V1-‐Sätzen wird das finite Verb von der RSK in die LSK bewegt <br />
– alle weiteren KonsHtuenten verbleiben in ihrer PosiHon. <br />
(15) Hat er dich doch gef<strong>und</strong>en hat <br />
2. In V2-‐Sätzen wird zusätzlich – neben dem Finitum nach LSK – <br />
eine x-‐beliebige KonsHtuente ins VF bewegt <br />
(16) Gef<strong>und</strong>en hat er dich doch gef<strong>und</strong>en hat <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
44
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
6. Topologisches Satzmodell <br />
V2-‐Sätze <br />
VF <br />
LSK <br />
MF <br />
RSK <br />
NF <br />
Ich <br />
habe <br />
mich sehr <br />
geärgert <br />
über das Spiel. <br />
Es <br />
regnet! <br />
Bei dem <br />
Weber <br />
gehe <br />
ich nicht vor die <br />
Türe. <br />
Nun <br />
hör <br />
endlich <br />
auf! <br />
Wer <br />
hat <br />
denn nun <br />
gewonnen? <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
45
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
6. Topologisches Satzmodell <br />
V1-‐Sätze <br />
LSK <br />
MF <br />
RSK <br />
NF <br />
Glauben <br />
die denn an den Sieg? <br />
Geht! <br />
Klopfst <br />
du denn auch <br />
an <br />
bei ihr? <br />
Hör <br />
endlich <br />
auf <br />
damit! <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
46
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
6. Topologisches Satzmodell <br />
VL-‐Sätze <br />
LSK <br />
MF <br />
RSK <br />
NF <br />
Ob <br />
sie wohl <br />
gewinnen wird <br />
morgen? <br />
Wenn <br />
das mal gut <br />
geht <br />
mit den beiden. <br />
um <br />
nach dem Ball <br />
zu schießen <br />
Sofort <br />
anhalten! <br />
es morgen <br />
zu versuchen <br />
deren Spiel <br />
ich nicht <br />
leiden kann <br />
(wen) <br />
du heute <br />
besucht hast <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
47
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
6. Topologisches Satzmodell <br />
Generalisierungen zu den topologischen <br />
PosiHonen/Feldern ... <br />
(*= modellabhängig) <br />
Mibelfeld <strong>und</strong> Nachfeld können leer sein. <br />
In allen V1-‐ <strong>und</strong> V2-‐Sätzen muss die LSK besetzt sein, die RSK kann <br />
leer bleiben <strong>und</strong> weil infinite Verben nicht in der LSK stehen <br />
können, sind alle V1-‐ <strong>und</strong> V2-‐ Sätze finit <strong>und</strong> alle infiniten Sätze VL-‐<br />
Sätze. <br />
In allen VL-‐Sätzen muss die RSK besetzt sein. <br />
In allen finiten VL-‐Sätzen muss neben der RSK auch die LSK bzw. das <br />
VF* besetzt sein. <br />
Nur V2-‐Sätze haben ein (besetztes*) VF. <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
48
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
6. Topologisches Satzmodell <br />
Weitere Generalisierungen <br />
VF <br />
LSK <br />
MF <br />
RSK <br />
NF <br />
Was kauDe der Max gestern? <br />
Wer kauDe das Buch gestern? <br />
*Der Max kauDe gestern was? <br />
Fragewörter<br />
stehen im VF<br />
Der Max <br />
Wer <br />
*Wer was<br />
kauDe gestern WAS? <br />
kauDe gestern was? <br />
kauDe gestern? <br />
KauDe der Max das Buch? <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
im VF steht genau<br />
eine Konstituente<br />
bei Ja/Nein-Fragen<br />
bleibt das VF leer<br />
49
Topologische Beschränkungen <br />
VF <br />
genau eine finites alle möglichen Konsti- infinite Verben Neben-<br />
Konstituente Verb tuenten (Ausnahme:<br />
sätze,<br />
Fragepronomen bestimmte Nebensätze) PPs,<br />
schwere<br />
NPs<br />
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
6. Topologisches Satzmodell <br />
LSK <br />
MF <br />
RSK <br />
NF <br />
Konj.<br />
Rel.-Pron<br />
LSK<br />
Frage-Pron leer<br />
infinite Verben<br />
finites Verb<br />
in Ja/Nein- finites Abfolgebeschränkungen Abfolgebeschr.<br />
Fragen VF leer Verb (z.B. Subj. > Obj., (z.B. bei zwei<br />
Dat. > Akk., ...) V: inf. > fin.)<br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
50
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
6. Topologisches Satzmodell <br />
Abbildung des hierarchischen <br />
Phrasenstrukturmodells auf das <br />
lineare <br />
topologische <br />
Satzmodell <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
51
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
6. Topologisches Satzmodell <br />
Erweiterungen des 5-‐gliedrigen <br />
Gr<strong>und</strong>modells Linksversetzung <br />
(LV) VF LSK MF RSK NF<br />
Meine<br />
Schwester,<br />
Meine<br />
Schwester,<br />
Meine<br />
Schwester<br />
hat mehr Klöße gegessen als ich<br />
essen kann<br />
die hat mehr Klöße gegessen als ich<br />
essen kann<br />
hat<br />
die mehr<br />
Klöße<br />
gegessen hat<br />
als ich Essen kann<br />
als ich<br />
essen kann<br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
52
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
6. Topologisches Satzmodell <br />
Erweiterungen des 5-‐gliedrigen Gr<strong>und</strong>modells <br />
Rechtsversetzung (RV) <br />
VF LSK MF RSK RV NF<br />
Sie hat mehr<br />
Klöße<br />
gegessen<br />
meine<br />
Schwester<br />
als ich<br />
essen kann<br />
Hat<br />
sie mehr<br />
Klöße<br />
gegessen<br />
meine<br />
Schwester<br />
als ich<br />
essen kann<br />
dass/<br />
weil/als<br />
ob/so<br />
dass<br />
sie mehr<br />
Klöße<br />
gegessen<br />
hat<br />
meine<br />
Schwester<br />
als ich<br />
essen kann<br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
53
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
6. Topologisches Satzmodell <br />
Eingebebete Sätze <strong>und</strong> topologische Felder <br />
Probleme bei der Analyse von eingebebeten (SubjunkHonal-‐)<br />
Sätzen, wenn RSK leer ist <br />
VF <br />
LSK <br />
MF <br />
RSK <br />
NF <br />
Ich <br />
weiß <br />
noch nicht, <br />
*ob ich nächste Woche mit <br />
an die Nordsee komme <br />
Ich <br />
weiß <br />
noch nicht, <br />
ob ich nächste Woche <br />
mit an die Nordsee <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
54
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
6. Topologisches Satzmodell <br />
Eingebebete Sätze <strong>und</strong> topologische Felder <br />
Trick: RSK durch Umformen <br />
besetzen <br />
VF <br />
LSK <br />
MF <br />
RSK <br />
NF <br />
Ich <br />
werde <br />
noch nicht <br />
wissen, <br />
ob ich nächste Woche mit <br />
an die See kommen kann <br />
Sie <br />
Sie <br />
weiß <br />
weiß <br />
*was in dem <br />
Umschlag ist <br />
was in dem Umschlag ist <br />
Trick <br />
Sie <br />
hat <br />
gewusst <br />
was in dem Umschlag ist <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
55
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
6. Topologisches Satzmodell <br />
Eingebebete Sätze bilden selbst auch wieder ein <br />
komplebes topologisches Feld <strong>und</strong> damit sind Sätze sich <br />
selbst enthaltende (= rekursive) Strukturen. <br />
VF 1 LSK 1 MF 1 RSK 1 NF 1<br />
Ich weiß noch nicht, ob ich mit an die See komme<br />
LSK 2 MF 2 RSK 2 NF 2<br />
ob ich mit an die See komme<br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
56
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
6. Topologisches Satzmodell <br />
1. Lesart <br />
VF 1 LSK 1 MF 1 RSK 1 NF 1<br />
Der<br />
Raubvogel<br />
sieht<br />
ob sich seine Beute<br />
bewegt, obwohl es neblig<br />
ist<br />
ob<br />
LSK MF 2 RSK 2 NF 2<br />
sich seine<br />
Beute<br />
bewegt<br />
LSK 3 MF 3 RSK 3 NF 3<br />
obwohl es neblig ist<br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
57
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
6. Topologisches Satzmodell <br />
2. Lesart <br />
VF 1 LSK 1 MF 1 RSK 1 NF 1<br />
Der<br />
Raubvogel<br />
sieht<br />
ob sich seine Beute<br />
bewegt, obwohl es neblig<br />
ist<br />
LSK 2 MF 2 RSK 2 NF 2<br />
ob sich seine Beute bewegt obwohl es neblig<br />
ist<br />
LSK 3 MF 3 RSK 3 NF 3<br />
obwohl es neblig ist<br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
58
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
6. Topologisches Satzmodell <br />
SatzkoordinaHon verknüp? zwei symmetrische <br />
Konjunkte miteinander <br />
Topologisches Feld I KOORD Topologisches Feld II<br />
dass ich schwimme<br />
Ich schwimme<br />
Du holst den Arzt<br />
<strong>und</strong>/aber/oder<br />
dass es neblig ist<br />
es ist neblig<br />
der Hase stirbt<br />
(Erstkonjunkte können auch<br />
im vorangehenden Diskurs<br />
gef<strong>und</strong>en werden)<br />
Und/Aber/Oder<br />
sie dreht sich doch<br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
59
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
7. Übungsphase <br />
(1) Ich weiß nicht, ob Ihr das Frisbvespiel kennt. Es gehört zu den Sportart-‐ <br />
En der Zukun?. (2) Wenn unsere alten europäischen Ballspiele ausgestor-‐ <br />
ben sind, wird das Frisbye die Welt regieren. (3) Erf<strong>und</strong>en wurde es vor <br />
dem ersten Weltkrieg in einer Kaffeefabrik im Mibelwesten, die Frisbyes <br />
hieß. (4) Diese Kaffeemarke wurde in r<strong>und</strong>en Dosen verpackt, deren Deckel <br />
herabgebogene Ränder haben. (5) Die Deckel lagen in großen Stapeln auf <br />
einem Hinterhof, wo die Arbeiter sich nach dem Mibagessen aufzuhalten <br />
pflegten, <strong>und</strong> sie begannen nach <strong>und</strong> nach ein bißchen mit diesen Deckeln herumzuspielen. Sie <br />
entdeckten bald, daß die herabgebogenen Ränder den Deckeln ganz phantasHsche Flugeigenscha?en <br />
verleihen. (6) Sie steigen, fallen, kurven in san?en Bögen, je nach Anfangsgeschwindigkeit, Winkel, <br />
posiHver oder negaHver Drehung in der Ausgangslage <strong>und</strong> noch sechs oder sieben anderen Variablen, <br />
über die ich nicht Bescheid weiß Ihr Verhalten ist fast ebenso merkwürdig wie das der <br />
ElementarparHkel. (7) Heute gibt es Frisbyes aller Sorten, die teuersten kosten wohl an die h<strong>und</strong>ert <br />
Kronen, <strong>und</strong> in der GeneraHon nach der HaschgeneraHon scheinen sie ganze Nachmibage füllen zu <br />
können. Es ist selbstverständlich kein Sport, bei dem man miteinander webeifert: Vielmehr gilt es, <br />
den Frisbye in einer langen <strong>und</strong> komplizierten Bahn zu werfen, die jedoch nicht so kompliziert ist, daß <br />
der Gegenspieler ihn nicht fangen kann. (8) Wenn er zu Boden fällt, ist das nicht der Fehler eines <br />
Spielers, sondern beider. Aus: Lars Gustafsson (1979): Die Tennisspieler, Hanser: <br />
München, S. 19f. <br />
60
Auflösen ... <br />
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
7. Übungsphase <br />
KOORD<br />
VF<br />
Vorfeld<br />
LSK<br />
Linke<br />
Satzklammer<br />
MF<br />
Mittelfeld<br />
RSK<br />
Rechte<br />
Satzklammer<br />
NF<br />
Nachfeld<br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
61
Auflösen ... <br />
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
7. Übungsphase <br />
KOORD<br />
VF<br />
Vorfeld<br />
LSK<br />
Linke<br />
Satzklammer<br />
MF<br />
Mittelfeld<br />
RSK<br />
Rechte<br />
Satzklammer<br />
NF<br />
Nachfeld<br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
62
Auflösen ... <br />
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
7. Übungsphase <br />
KOORD<br />
VF<br />
Vorfeld<br />
LSK<br />
Linke<br />
Satzklammer<br />
MF<br />
Mittelfeld<br />
RSK<br />
Rechte<br />
Satzklammer<br />
NF<br />
Nachfeld<br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
63
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
7. Übungsphase <br />
Rilke – eine <br />
topologische <br />
Analyse auch <br />
für die <br />
Schule ... <br />
Die Treppe der Orangerie!<br />
Rainer Maria Rilke -‐ Versailles <br />
Wie Könige die schließlich nur noch schreiten <br />
fast ohne Ziel, nur um von Zeit zu Zeit <br />
sich den Verneigenden auf beiden Seiten <br />
zu zeigen in des Mantels Einsamkeit -‐: <br />
So steigt, allein zwischen den Balustraden, <br />
die sich verneigen schon seit Anbeginn, <br />
die Treppe: langsam <strong>und</strong> von Gobes Gnaden <br />
<strong>und</strong> auf den Himmel zu <strong>und</strong> nirgends hin; <br />
als ob sie allen Folgenden befahl <br />
zurückzubleiben, -‐ so daß sie nicht wagen <br />
von ferne nachzugehen; nicht einmal <br />
die schwere Schleppe dur?e einer tragen. <br />
64
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
7. Übungsphase <br />
Auflösen der Versgliederung in Struktureinheiten <br />
Wie Könige,<br />
die schließlich nur noch schreiten fast ohne Ziel,<br />
nur um von Zeit zu Zeit sich den Verneigenden auf<br />
beiden Seiten zu zeigen in des Mantels Einsamkeit,<br />
so steigt allein zwischen den Balustraden, die sich<br />
verneigen schon seit Anbeginn,<br />
die Treppe langsam <strong>und</strong> von Gottes Gnaden <strong>und</strong><br />
auf den Himmel zu <strong>und</strong> nirgends hin,<br />
als ob sie allen Folgenden befahl zurückzubleiben,<br />
so dass sie nicht wagen von ferne nachzugehen.<br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
65
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
7. Übungsphase <br />
Formen Sie aus den Struktureinheiten syntak2sche <br />
Einheiten <br />
Suchen Sie zuerst den Hauptsatz <strong>und</strong> das dazugehörige<br />
Prädikat; anschließend suchen Sie die abhängigen<br />
Nebensätze.<br />
Beachten Sie, dass sowohl Adverbial- als auch<br />
Relativsätze Nebensätze bilden <strong>und</strong> von zu+Verb Sätzen<br />
abhängen können.<br />
Beachten Sie außerdem, dass so als wiederaufnehmendes<br />
Pronomen verwendet werden kann.<br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
66
Auflösung <br />
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
7. Übungsphase <br />
[S0 Wie Könige, S1<br />
[S1 die schließlich nur noch schreiten fast ohne Ziel, S2<br />
[S2 nur um von Zeit zu Zeit sich den Verneigenden auf<br />
beiden Seiten zu zeigen in des Mantels Einsamkeit,]]<br />
so steigt allein zwischen den Balustraden, S3<br />
[S3 die sich verneigen schon seit Anbeginn,]<br />
die Treppe langsam <strong>und</strong> von Gottes Gnaden <strong>und</strong> auf den<br />
Himmel zu <strong>und</strong> nirgends hin S4<br />
[S4 als ob sie allen Folgenden befahl S5<br />
[S5 zurückzubleiben S6<br />
[S6 so dass sie nicht wagen S7<br />
[S7 von ferne nachzugehen]]]]]<br />
67
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
7. Übungsphase <br />
Analysieren Sie die syntak2schen Einheiten im <br />
topologischen Satzmodell. <br />
Die lineare Struktur des deutschen Satzes lässt sich in 5<br />
Positionen gliedern. 6 Positionen finden wir bei<br />
Linksversetzung.<br />
Zur Erinnerung: Ist das Prädikat komplex, so treten im<br />
HS die Prädikatsteile in Distanzstellung auf <strong>und</strong> bilden<br />
eine „Klammer“ (Finitum in LSK, Infinitive in RSK).<br />
In der LSK kann alternativ zum Finitum die<br />
satzeinleitende Konjunktion auftreten. Die<br />
Klammerpositionen trennen die Felderpositionen (VF, MF,<br />
NF) voneinander ab.<br />
68
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
7. Übungsphase <br />
LV<br />
Linksversetzung<br />
VF<br />
Vorfeld<br />
LSK<br />
Linke<br />
Satzklammer<br />
MF<br />
Mittelfeld<br />
RSK<br />
Rechte<br />
Satzklammer<br />
NF<br />
Nachfeld<br />
S0<br />
S1<br />
S2<br />
S3<br />
S4<br />
S5<br />
S6<br />
S7<br />
69
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
7. Übungsphase <br />
LV VF LSK MF RSK NF<br />
S0<br />
Wie Könige<br />
S1<br />
so steigt allein zwischen<br />
den<br />
Balustraden S3<br />
die Treppe<br />
S1 die schließlich nur<br />
noch<br />
S2<br />
nur um von<br />
Zeit zu Zeit<br />
sich den<br />
Verneigenden<br />
auf beiden<br />
Seiten<br />
schreiten<br />
zu zeigen<br />
langsam <strong>und</strong><br />
von Gottes<br />
Gnaden <strong>und</strong> auf<br />
den Himmel zu<br />
<strong>und</strong> nirgends<br />
hin S4<br />
fast ohne Ziel S2<br />
in des Mantels<br />
Einsamkeit<br />
S3 die sich verneigen schon seit<br />
Anbeginn<br />
S4 als ob sie allen<br />
Folgenden<br />
befahl<br />
S5 zurückzubleiben S6<br />
S6 so dass sie nicht wagen S7<br />
S7 von Ferne nachzugehen<br />
S5
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
7. Übungsphase <br />
LV VF LSK MF RSK NF <br />
S0 S1 S2 S0 S3 S0 S4 S5 S6 S7 <br />
Die Treppe der Orangerie!<br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
71
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
8. Auswertung <strong>und</strong> Diskussion <br />
Wofür das Topologische Satzmodell (noch) taugt... <br />
Gewonnene Erkenntnisse über grammaHsche Aspekte im <br />
Deutschen z.B. seiner spezifischen syntakHschen Struktur führen zu <br />
flankierendem operaHvem Wissen in allgemeinen Bereichen: <br />
1. KorrelaHon zwischen Form <strong>und</strong> FunkHon/Inhalt <br />
2. Erfahrungen <strong>und</strong> Kenntnisse aus dem Deutschunterricht können in <br />
anderen Fächern genutzt werden: Aufgreifen <strong>und</strong> Klären von Sprach-‐ <br />
<strong>und</strong> Strukturfragen aus anderen (Sprach-‐)Fächern <br />
3. ThemaHsierung der Sprache im Gebrauch <strong>und</strong> als System (kanonische <br />
Formen) <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
72
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
8. Auswertung <strong>und</strong> Diskussion <br />
Wofür das Topologische Satzmodell (noch) taugt... <br />
Gewonnene Erkenntnisse über grammaHsche Aspekte im <br />
Deutschen z.B. seiner spezifischen syntakHschen Struktur führen zu <br />
flankierendem operaHvem Wissen in den spezifischen Bereichen: <br />
1. GrammaHsche Konzepte: Verbzweit, Satz-‐ bzw. Verbklammer, <br />
KonsHtuente, uniforme/differente Satzstruktur, Wortstellung <strong>und</strong> <br />
kanonische Satzmodi, Satzmodi vs. IllokuHon z.B. bei Fragesätzen vs. <br />
Fragen <br />
2. InterpunkHon: Komma bei Satzgrenzen/Herausstellungen <strong>und</strong> <br />
Satzendezeichen bei spez. Satzmodi <br />
3. InformaHonsstrukturierung in TextprodukHon <strong>und</strong> -‐analyse durch <br />
Topikalisierung (Inversion) vs. Herausstellung (= Satz-‐ vs. Diskurstopik) <br />
Björn Rothstein & Angelika Wöllstein <br />
73
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit <br />
bjoern.rothstein@ruhr-‐uni-‐mainz.de <br />
angelika.woellstein@uni-‐tuebingen.de <br />
74
GrammaHktheorie(n) <strong>und</strong> <br />
SchulgrammaHk <br />
Literatur (in Auswahl)<br />
<br />
Chomsky, N. 1981/1993. Lectures on Government and Binding: the Pisa Lectures. <br />
Berlin/New York, Mouton de Gruyter. <br />
Chomsky, N. 1957/1972. Syntac3c Structures. The Hague, Mouton. Reprint. Berlin/<br />
New York, Mouton de Gruyter. <br />
Eisenberg, P. 2004. Gr<strong>und</strong>riss der deutschen Gramma3k. 2. Aufl. Bd. 2: Der Satz. <br />
Stubgart. <br />
Halle, M. & A. Marantz 1993. Distributed Morphology and the Pieces of Inflec3on. <br />
The View from Building 20. Cambridge, MA: MIT Press. <br />
Meibauer, J. 2003. Phrasenkomposita zwischen Wortsyntax <strong>und</strong> Lexikon. In: <br />
ZeitschriD für SprachwissenschaD 22, 153-‐188. <br />
Prince, A. & P. Smolensky. 1993/2002/2004. Op3mality Theory: Constraint <br />
Interac3on in Genera3ve Grammar. Blackwell Publishers. <br />
Rothstein, B. 2010. Sprachintegra3ve Gramma3kvermiElung. Tübingen, <br />
Stauffenburg (Stauffenburg LinguisHk 51). <br />
Saussure, F. 1931/1967/2001 3 . Gr<strong>und</strong>fragen der allgemeinen SprachwissenschaD. <br />
Berlin, De Gruyter. (Übersetzung der frz. Originalausgabe v. 1916). <br />
Wöllstein, A. 2009. Das topologische Satzmodell. Heidelberg, Winter (Kurze <br />
Einführungen in die germanisHsche LinguisHk 8). <br />
75