TiKiDi-Timmendorfer Kinder Diagnostik - Rudolf-Ballin-Stiftung eV
TiKiDi-Timmendorfer Kinder Diagnostik - Rudolf-Ballin-Stiftung eV
TiKiDi-Timmendorfer Kinder Diagnostik - Rudolf-Ballin-Stiftung eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>TiKiDi</strong><br />
<strong>Timmendorfer</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>Diagnostik</strong><br />
Mit der <strong>Timmendorfer</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>Diagnostik</strong> (<strong>TiKiDi</strong>) hat die <strong>Rudolf</strong>-<strong>Ballin</strong>-<br />
<strong>Stiftung</strong> e. V. seit 2007 ihr Engagement für Familien und <strong>Kinder</strong> um<br />
ein diagnostisches Angebot erweitert. Die zehn wöchige stationäre<br />
<strong>Diagnostik</strong>maßnahme im <strong>Kinder</strong>Haus <strong>Timmendorfer</strong> Strand richtet<br />
sich an <strong>Kinder</strong> i. d. R. im Alter bis zu sieben Jahren (in begründeten<br />
Ausnahmen auch etwas älter). <strong>TiKiDi</strong> ist speziell auf die Fragestellungen<br />
der Jugendhilfe ausgerichtet und kann direkt und unbürokratisch<br />
von allen Hamburger Jugend ämtern belegt werden.<br />
Ziel von <strong>TiKiDi</strong> ist die Klärung des Hilfebedarfs<br />
von <strong>Kinder</strong>n, deren Kindeswohl gefährdet<br />
oder von einer Gefährdung bedroht ist. Die<br />
sozialpädagogische Diagnose der fallzuständigen<br />
Fachkräfte der Jugendämter kann<br />
so durch eine genaue und umfassende Abklärung<br />
der kindlichen Bedarfe ergänzt<br />
werden und die Hilfeplanung damit weiter<br />
qualifiziert werden.<br />
Die <strong>Diagnostik</strong> in <strong>TiKiDi</strong> ist multiprofessionell<br />
ausgerichtet, auch das<br />
Lebensumfeld der <strong>Kinder</strong> wird in die<br />
<strong>Diagnostik</strong> einbezogen.<br />
Im Rahmen der Maßnahme findet ein Hausbesuch<br />
beim Lebensmittelpunkt des Kindes<br />
statt, die Eltern und Fachkräfte werden im<br />
Hinblick auf spezielle Fragestellungen beraten.<br />
Bereits seit der Eröffnung von <strong>TiKiDi</strong><br />
übersteigt die Nachfrage die zur Verfügung<br />
stehenden Plätze. Dies belegt den Bedarf<br />
eines solchen Dienstes in der Angebotspalette<br />
der Jugendhilfe und spiegelt das<br />
Alleinstellungs merkmal der <strong>Timmendorfer</strong><br />
Einrichtung.<br />
Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass<br />
<strong>TiKiDi</strong> von den Jugendämtern seltener am<br />
Hilfebeginn genutzt wird, sondern häufig bei<br />
nicht zufrieden stellenden Hilfeverläufen mit<br />
eskalierenden Situationen in Anspruch genommen<br />
wird. Zum Teil bestehen diffuse<br />
Verdachtsfälle bezüglich Misshandlung oder<br />
sexuellen Missbrauchs, die durch das Hilfesystem<br />
bisher jedoch nicht weiter geklärt<br />
werden konnten.<br />
Die <strong>Kinder</strong>, die in <strong>TiKiDi</strong> aufgenommen<br />
werden, zeigen extrem auffälliges<br />
Verhalten in sehr jungem Alter.<br />
Sie weisen massive Entwicklungs- und Verhaltensstörungen<br />
auf, sind zum Teil als<br />
Ein- und Grundschüler nicht mehr beschulbar<br />
oder haben bereits mehrere Institutionswechsel<br />
erlebt. Kennzeichnend in allen Fällen<br />
ist, dass die Eltern und professionellen<br />
Helfer den Auffälligkeiten der <strong>Kinder</strong> ratlos<br />
gegenüberstehen.<br />
Deutlich wird in der <strong>Diagnostik</strong>, dass hinter<br />
den massiven Auffälligkeiten der <strong>Kinder</strong> in<br />
der Regel sehr gravierende Problematiken<br />
in der Familie stehen. Diese sind in bisherigen<br />
ambulanten Hilfen oft nicht erkennbar<br />
gewesen.<br />
Wir erleben, dass die <strong>Kinder</strong> unter großem<br />
Druck stehen, Familiengeheimnisse nicht zu<br />
verraten, ängstlich sind und wenig Vertrauen<br />
in Erwachsene haben. Sie sind oft in ihrer<br />
Kontakt- und Beziehungsfähigkeit beeinträchtigt.<br />
Sehr viele der <strong>Kinder</strong> sind traumatisiert.<br />
Es bestehen große Loyalitätskonflikte<br />
gegenüber ihren Eltern oder Redeverbote.<br />
Gerade für diese <strong>Kinder</strong> hat sich der zehn-<br />
24
<strong>TiKiDi</strong><br />
wöchige stationäre Rahmen sehr bewährt:<br />
Unsere Erfahrung zeigt, dass es einen<br />
schützenden Rahmen und Zeit braucht, bis<br />
die <strong>Kinder</strong> Vertrauen fassen und sich mitteilen<br />
können. Immer wieder überprüfen sie, ob<br />
die Beziehungen zu den Erwachsenen in<br />
<strong>TiKiDi</strong> stabil und tragfähig sind und wem sie<br />
was erzählen können. Ein großer Vorteil<br />
dabei ist, dass den <strong>Kinder</strong>n verschiedene<br />
Bezugspersonen zur Verfügung stehen, so<br />
dass sie wählen können, wem sie sich in<br />
welcher Form anvertrauen wollen.<br />
Die Arbeit in <strong>TiKiDi</strong> ist auch immer wieder<br />
davon geprägt, die <strong>Kinder</strong> zu ermutigen,<br />
sich zu äußern, ohne sie zugleich zu beeinflussen.<br />
Innerhalb der zehnwöchigen <strong>Diagnostik</strong><br />
gelingt es dadurch, eine weit differenziertere<br />
Einschätzung des Kindes zu erlangen. In<br />
zunehmender Zahl an Fällen handelt es sich<br />
bei den dahinter liegenden Problematiken<br />
um solche, die das Kindeswohl eindeutig<br />
gefährden. Im Rahmen der <strong>Diagnostik</strong> wird<br />
häufig offensichtlich, dass die <strong>Kinder</strong> Misshandlungen,<br />
Gewalt, extremer Vernachlässigung,<br />
inadäquatem Erziehungsverhalten<br />
oder sexuellem Missbrauch ausgesetzt<br />
sind. Zum Teil sind Eltern so hochgradig<br />
psychisch erkrankt, dass ihre <strong>Kinder</strong> dadurch<br />
psychisch völlig destabilisiert werden.<br />
Bewährt hat sich, für die <strong>Diagnostik</strong> die<br />
Kompetenzen aus verschiedenen Fachgebieten<br />
hinzuzuziehen. Manchmal wurden<br />
die Auffälligkeiten der <strong>Kinder</strong> durch bisher<br />
nicht erkannte medizinische Erkrankungen<br />
mitverursacht. Bei speziellen Fragestellungen<br />
werden <strong>Kinder</strong>- und Jugendpsychiater<br />
oder bestimmte Facheinrichtungen hinzugezogen.<br />
Als Mittel der Wahl für Hilfen im<br />
Anschluss versucht <strong>TiKiDi</strong> möglichst auf<br />
die Problematik zugeschnittene ambulante<br />
Hilfen zu empfehlen.<br />
Es gibt jedoch auch Fälle, in denen <strong>TiKiDi</strong><br />
aufgrund der Gefährdung des Kindes im<br />
elterlichen Haushalt zu der Empfehlung einer<br />
Fremdunterbringung führt. Die diagnostischen<br />
Ergebnisse waren in diesen Fällen<br />
zum Teil so stichhaltig und fundiert, dass sie<br />
für familien- und strafrechtliche Verfahren<br />
leitend verwendet wurden.<br />
Unsere Erfahrung ist, dass notwendige<br />
Überleitungen der <strong>Kinder</strong> in Pflegestellen<br />
im Anschluss an <strong>TiKiDi</strong> gut<br />
gelingen.<br />
Es zeigt sich, dass es für die <strong>Kinder</strong> sehr<br />
hilfreich ist, einen stationären Rahmen wie<br />
<strong>TiKiDi</strong> bereits kennen gelernt zu haben.<br />
Sie stehen einer neuen Lebensperspektive<br />
deutlich angstfreier gegenüber, haben mehr<br />
Distanz zu familiären Belastungen und<br />
werden in der Überleitung in die Pflegestelle<br />
durch die Mitarbeiter behutsam begleitet.<br />
Die Arbeit in <strong>TiKiDi</strong> stellt an die Mitarbeiter/-<br />
innen sowohl fachlich als auch emotional<br />
hohe Anforderungen. Eine stichhaltige <strong>Diagnostik</strong><br />
und Einschätzung erfordert viel<br />
fachliche Kompetenz und ist ein ständiges<br />
Ringen um Objektivität.<br />
Der intensive Kontakt mit verstörten und<br />
traumatisierten <strong>Kinder</strong>n erfordert eine hohe<br />
emotionale Stabilität und Belastbarkeit.<br />
Wesentliche Hilfe hierfür ist sowohl die regelmäßige<br />
Supervision und Reflexion der<br />
eigenen Arbeit als auch in einigen Fällen die<br />
Beratung und der Austausch bei speziellen<br />
Fachberatungsstellen. <strong>TiKiDi</strong> reflektiert eigene<br />
Arbeitsprozesse und überprüft regelmäßig,<br />
ob Veränderungen nötig sind.<br />
Autorin:<br />
Johanna Walkenhorst<br />
<strong>Timmendorfer</strong>-<br />
<strong>Kinder</strong>-<strong>Diagnostik</strong><br />
25