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Nicht jeden Tag erschien eine Zeitung

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Mitteilungsblatt der Männer vom Morgenstern<br />

Heimatbund an Elb- und Wesermündung e. V.<br />

Postvertriebsstück<br />

Gebühr bezahlt<br />

H 1914 E September 2010<br />

Nr. 729<br />

Kl<strong>eine</strong> <strong>Zeitung</strong>en mit <strong>eine</strong>r täglichen<br />

Auflage von 700 bis 1000 Exemplaren<br />

sind in der heutigen modernen<br />

<strong>Zeitung</strong>slandschaft ganz selten noch<br />

zu finden. Vor rund hundert Jahren<br />

gab es noch viele kl<strong>eine</strong> Lokalzeitungen,<br />

deren <strong>Tag</strong>esauflagen wurden<br />

beim Verband deutscher <strong>Zeitung</strong>sverleger<br />

zumeist mit 1000 Exemplaren je<br />

<strong>Zeitung</strong> angegeben.<br />

Im Gebiet des Altlandkreises Wesermünde<br />

zählte man vor 100 Jahren Dorum,<br />

Beverstedt und Bederkesa zu den<br />

so genannten kl<strong>eine</strong>n <strong>Zeitung</strong>sorten.<br />

Im Jahre 1859 <strong>erschien</strong>en in Dorum<br />

mit dem „Wurster Wochenblatt“ „zum<br />

ersten Mal gedruckte Informationen<br />

für die Bevölkerung des Landes Wursten<br />

und der weiteren Umgebung“,<br />

schreibt der Wremer Ortschronist Pastor<br />

Johann Möller. Im Jahre 1899 stellte<br />

das „Wurster Wochenblatt“ sein<br />

Ersch<strong>eine</strong>n ein, schon 1895 erhielt das<br />

Aus der Anzeigenseite der Wurster <strong>Zeitung</strong><br />

Burchard Holtzes Meisterbrief<br />

<strong>Nicht</strong> <strong>jeden</strong> <strong>Tag</strong> <strong>erschien</strong> <strong>eine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />

Geschichte der kl<strong>eine</strong>n Blätter im Altlandkreis Wesermünde<br />

Blatt mit den „Wurster Nachrichten“<br />

Konkurrenz. Diese <strong>Zeitung</strong> gab es bis<br />

1913. 1910 wurde das alte Wurster Wochenblatt<br />

wieder aufgelegt, es existierte<br />

dann nur noch bis 1913.<br />

Peter Stein schreibt in s<strong>eine</strong>m Buch<br />

„Die nordostniedersächsische <strong>Tag</strong>espresse“<br />

(Herausgeber Landschaftsverband<br />

Stade, Herstellung: Ditzen<br />

Druck und Verlags-GmbH, Bremerhaven):<br />

„Die ’Wurster <strong>Zeitung</strong>’ <strong>erschien</strong><br />

erstmalig 1914. Ihr Ersch<strong>eine</strong>n wurde<br />

im Kriegsjahr 1941 eingestellt. Von<br />

den oben genannten <strong>Zeitung</strong>en hatte<br />

sie die höchste Auflage, im Schnitt<br />

wurden täglich 1000 Exemplare produziert.“<br />

Herausgeber war die „Wurster<br />

Druckerei-Genossenschaft“, die<br />

die <strong>Zeitung</strong> 1935 an Werner Timmering<br />

verkaufte, der dann als Verleger<br />

und Schriftleiter fungierte.<br />

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges<br />

<strong>erschien</strong> sie zweimal wöchentlich, im<br />

Herbst 1925 wurde sie dann dreimal in<br />

der Woche ausgeliefert.<br />

Stellten die kl<strong>eine</strong>n <strong>Zeitung</strong>en ihren<br />

lokalen Teil, vor allem mit Hilfe freier<br />

Mitarbeiter, selber her, so bezogen<br />

ab 1925 fast alle kl<strong>eine</strong>n <strong>Zeitung</strong>en<br />

in Nordniedersachsen Politik, Wirtschaft<br />

und Unterhaltung als Matern<br />

aus <strong>eine</strong>m Berliner Verlag. Sie waren<br />

also technisch fix und fertig aufbereitet<br />

und brauchten nur noch gedruckt<br />

zu werden.<br />

Vor etwa zwei Jahrzehnten gab es<br />

in Bederkesa noch das Verlaghaus<br />

Holtze mit kompletter Druckerei<br />

zur Herstellung <strong>eine</strong>r kl<strong>eine</strong>n <strong>Tag</strong>eszeitung.<br />

Bis 1940 sind dort, in <strong>eine</strong>r<br />

täglichen Auflagenhöhe von etwa 700<br />

Exemplaren, die „Bederkesaer Nachrichten“<br />

hergestellt worden.<br />

Auf Anordnung der nationalsozialistischen<br />

Machthaber musste der<br />

Verlag Holtze bei Kriegsbeginn, wie<br />

auch hunderte von kl<strong>eine</strong>n <strong>Zeitung</strong>sverlagen<br />

im damaligen Dritten Reich,<br />

s<strong>eine</strong> <strong>Zeitung</strong>s-Produktion einstellen.<br />

Als Grund wurde die Freistellung<br />

der dort beschäftigten Arbeitskräfte<br />

für den Wehrdienst angegeben sowie<br />

die Rationalisierung von Druckpapier.<br />

Die Verlagsrechte verkaufte Holtze<br />

später an den Nordwestdeutschen<br />

Verlag in Bremerhaven.<br />

Die technischen Einrichtungen zur<br />

Herstellung <strong>eine</strong>r kl<strong>eine</strong>n <strong>Zeitung</strong><br />

waren im Hause der Verleger-Familie<br />

Holtze an der Mattenburger Straße<br />

47 bis 1995 (als der Verlag endgültig<br />

s<strong>eine</strong> Pforten schloss) so gut erhalten,<br />

dass man von der Druckerei bis zur<br />

Ladeneinrichtung das Ganze zum Museum<br />

hätte erklären können. Das war<br />

einmalig in Norddeutschland.<br />

Zwischen den Maschinen, darunter<br />

<strong>eine</strong> Schnellpresse aus dem Jahre<br />

1912, den über hundert Jahre alten<br />

Kopf der Wurster <strong>Zeitung</strong><br />

Setzkästen, in denen die aus Blei gegossenen<br />

Buchstaben lagen, arbeitete<br />

Schriftsetzermeister Jürgen Holtze<br />

(1934–1995) im Prinzip noch so, wie<br />

einst sein Großvater Friedrich Holtze<br />

vor dem Ersten Weltkrieg.<br />

Nur produzierte er k<strong>eine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />

mehr, sondern ausschließlich Druckerzeugnisse<br />

von Visiten- bis zu Speisenkarten.<br />

Wollte er setzen, griff er zum Winkelhaken.<br />

Das ist ein kl<strong>eine</strong>r Metallrahmen,<br />

der auf <strong>eine</strong> bestimmte Breite<br />

(der Schriftsetzer nennt das Satzbreite)<br />

eingestellt werden kann, um die<br />

kl<strong>eine</strong>n Bleibuchstaben aufzunehmen.<br />

Schnell und mit traumhafter<br />

Sicherheit geschah das, so wie es sein<br />

Großvater und Vater und die zumeist<br />

vier Gehilfen einst taten. Denn bis<br />

1940 wurde die „Bederkesaer Nachrichten“<br />

ausschließlich mit Handsatz<br />

produziert.<br />

Auch die Druckherstellung des in<br />

der <strong>Tag</strong>esausgabe sechs Seiten umfassenden<br />

Blattes geschah mit Maschinen<br />

aus Urgroßvaters Zeiten. Die „Rotationsmaschine“<br />

wurde zunächst noch<br />

mit der Hand betrieben. Diese Arbeit<br />

besorgten anfangs<br />

die Zusteller,<br />

die fleißig drehen<br />

mussten, und zwar<br />

solange bis sie genügend<br />

Exemplare<br />

für ihre Zustellung<br />

hergestellt hatten.<br />

Eine nach damaligen<br />

Zeiten moderne<br />

Druckmaschine<br />

wurde 1912<br />

angeschafft . In<br />

zwei Stunden lagen<br />

900 Exemplare fix<br />

und fertig auf dem<br />

Versandtisch. Zum<br />

Vergleich: Die moderne<br />

Druckmaschine<br />

im „Druckzentrum<br />

Nordsee“<br />

in Bremerhaven,<br />

dort wird auch die NORDSEE-ZEI-<br />

TUNG gedruckt, stellt in <strong>eine</strong>r Stunde<br />

40000 <strong>Zeitung</strong>en mit je 48 Seiten her.<br />

Vor dem Zweiten Weltkrieg holten<br />

die Zusteller in Bederkesa, und das<br />

galt auch für Dorum, ihre Exemplare<br />

um die Mittagszeit von der Druckerei<br />

ab. Fuhren dann mit dem Fahrrad in<br />

ihre Dörfer rings um Bederkesa und<br />

Dorum und verteilten sofort ihre Exemplare.<br />

Im Sommer gab es weniger Abonnenten<br />

als im Winter. „In ’n Sommer<br />

hebbt de Lüüd, jüß de Buurn, kene<br />

Tied to ’n Lesen“, erklärte mir einmal<br />

der Wremer Austräger der Wurster-<br />

<strong>Zeitung</strong>, Jürgen Hinsch. Der Verleger<br />

war bei den kl<strong>eine</strong>n <strong>Zeitung</strong>en zumeist<br />

auch Redakteur.<br />

Leider konnte der Plan, das Verlagshaus<br />

in Bederkesa als Museum zu erhalten<br />

aus finanziellen Gründen nicht<br />

durchgeführt werden. Zum Glück aber<br />

blieben die Maschinen-Veteranen der<br />

schwarzen Kunst erhalten. Im Bederkesaer<br />

Handwerker-Museum kann man<br />

sie bewundern. Detlef Holtze, jüngster<br />

Sohn des letzten Verlegers, erklärt den<br />

Besuchern dort recht anschaulich die<br />

Funktion der alten Setz– und Drucktechnik,<br />

erzählt lebendig und anschaulich<br />

aus <strong>eine</strong>r Zeit, als noch <strong>Zeitung</strong>en<br />

in Bederkesa gedruckt wurden.<br />

Beverstedt hatte von 1881 bis 1901<br />

<strong>eine</strong> eigene <strong>Zeitung</strong>. Sie nannte sich<br />

„Beverstedter <strong>Tag</strong>eblatt“ mit dem Untertitel:<br />

„<strong>Zeitung</strong> für den Bezirk des<br />

Alten Amtes Beverstedt und Umgebung“.<br />

Dazu Peter Stein: „In der einzig<br />

erhaltenen Probenummer wurde<br />

Detlef Holtze erklärt im Bederkesaer Handwerkermuseum die<br />

Druckmaschine s<strong>eine</strong>s Vaters<br />

ausdrücklich versprochen‚ den „localen<br />

und communalen Interessen dieses<br />

Bezirks mehr Rechnung zu tragen, als<br />

dieses von den sonst hier gelesenen<br />

Blättern geschieht’“.<br />

Von 1928 bis 1932 <strong>erschien</strong> in Beverstedt<br />

lediglich noch ein Anzeigenblatt<br />

mit <strong>eine</strong>m kl<strong>eine</strong>n lokalen Teil. Herausgegeben<br />

wurde diese <strong>Zeitung</strong> vom<br />

„Kaufmännischen Verein Beverstedt“.<br />

Hein Carstens


NIEDERDEUTSCHES HEIMATBLATT<br />

Nr. 729 September 2010<br />

„Bei den Vorstudien<br />

zur Beantwortung<br />

Ihres Fragebogens<br />

stosse ich hier in<br />

Bremerhaven auf allerhand<br />

Schwierigkeiten.<br />

Erstens gibt<br />

es hier, so weit ich<br />

weiss, k<strong>eine</strong> gebildeten<br />

Leute, die Kenner<br />

des alten Holzschiffbaues<br />

sind.<br />

Die Seeleute und<br />

S c h i ff s z i m m e r e r<br />

bringen immer alles<br />

durcheinander, ein<br />

Ausfragen derselben<br />

ist deswegen <strong>eine</strong><br />

Ge duldsaufgabe.“<br />

Mit diesen Worten<br />

beginnt Jan Bohls<br />

am 8. Februar 1901<br />

ein Schreiben an<br />

den Ethnologen Dr.<br />

Albert Voß, den Direktor<br />

des Berliner<br />

Museums für Völkerkunde,<br />

das heute<br />

in den „Acta betreffend<br />

die Untersuchung<br />

alter Schiffstypen.<br />

Vol.1 vom Mai<br />

1896 bis Ende März<br />

1901“ im Archiv des<br />

Berliner Museums<br />

liegt (<strong>eine</strong> Kopie ist<br />

in der Bibliothek des<br />

Deutschen Schiffahrtsmuseums<br />

in<br />

Bremerhaven vorhanden).<br />

Anlass zur Klage<br />

von Jan Bohls waren<br />

s<strong>eine</strong> Bemühungen,<br />

zur Erforschung<br />

tra ditioneller, holzgebauter<br />

Boote in<br />

Deutschland beizu tragen. Im Jahr<br />

1900 hatte die Deutsche Gesellschaft<br />

für An thropologie, Ethno logie und<br />

Urgeschichte in Berlin zusammen mit<br />

dem dortigen Museum für Völkerkunde<br />

im ganzen deutschsprachigen<br />

Raum <strong>eine</strong> „Fragebogenaktion zur<br />

Ermittelung und Beschreibung der<br />

noch im Gebrauch befindlichen oder<br />

ehe mals gebräuchlichen Schiffsfahrzeuge<br />

einfachster Bau art und Entwicklung“<br />

ge startet.<br />

Den Anstoß für das Forschungsunternehmen<br />

hatten drei Wrackfunde<br />

in den Jahren 1894, 1895 und 1897<br />

in Bagart (früher Baumgarth), Frombork<br />

(früher Frauenburg) – beide in<br />

der Nähe des Frischen Haffs gelegen<br />

– sowie in Charbrow am Ufer des<br />

Lebasees in Ostpommern gegeben.<br />

In deren Folge hatte das Ministerium<br />

der geistlichen, Unterrichts- und<br />

Erforschung traditioneller Boote<br />

Großes Interesse an <strong>eine</strong>m Angebot von Jahn Bohls<br />

Originalseite des Anschreibens von Johann Bohls an das<br />

Museum für Völkerkunde in Berlin vom 8. Februar 1901<br />

Seite 2 des von dem Schiffsbaumeister Lühring ausgefüllten<br />

und am 2. November 1902 von dem Gemeindevorsteher<br />

von Hammelwarden im Amt Brake nach Berlin<br />

gesendeten Fragebogens. Die beiden Skizzen zeigen das<br />

Dielenschiff in Seitenansicht und Draufsicht<br />

Medicinal-Angelegenheiten in Berlin<br />

im Mai 1896 die Generalverwaltung<br />

der Königlichen Museen aufgefordert<br />

<strong>eine</strong> Stellungnahme zu diesen<br />

Funden abzugeben.<br />

In s<strong>eine</strong>r Beurteilung schrieb der<br />

Direktor des Museums, Professor Dr.<br />

Albert Voß: „Die bei Frauenburg gefundenen<br />

Schiffstrümmer sind von hohem<br />

Interesse ... Allerdings läßt sich<br />

wegen Mangels von Beifunden . . ., das<br />

Alter nicht mit absoluter Sicherheit<br />

bestimmen.“ Außerdem äußerte er den<br />

Wunsch, angesichts <strong>eine</strong>s schnellen<br />

Verschwindens „alterthümlicher Einrichtungen<br />

und Gebrauchsgegenstände<br />

in äußerst rasch vorwärts eilender<br />

Zeit“ diese zum Gegenstand der Forschung<br />

zu machen.<br />

Zwar verneinte der Vorstand der<br />

Gesellschaft für pommersche Geschichte<br />

und Alterthumskunde solche<br />

verwandtschaftlichen<br />

Beziehungen<br />

im Bootsbau mit der<br />

Bemerkung, dass die<br />

„angestellten Ermittlungen<br />

k<strong>eine</strong>n<br />

An halt dafür ergeben<br />

haben, dass zwischen<br />

den ehemaligen<br />

Wikingerschiffen<br />

und den jetzigen<br />

Fischerfahrzeugen<br />

des Stettiner Haffes<br />

<strong>eine</strong> solche Verwandschaft<br />

besteht, die<br />

auf <strong>eine</strong>n ursprünglichen<br />

Zusammenhang<br />

der beiden Arten<br />

schließen lässt“.<br />

Er berief sich auf<br />

die Schiffbauer, die<br />

auf ihren Werften die<br />

Fischereifahrzeuge<br />

des Stettiner Haffs<br />

bauten. Dennoch forderte<br />

Voß 1899 in <strong>eine</strong>m<br />

Aufsatz „Zu den<br />

Schiffsfunden“ <strong>eine</strong><br />

Erfassung und Dokumentation traditioneller<br />

Boots- und Schiffstypen. „Es<br />

ist m<strong>eine</strong>r Meinung nach von höchster<br />

Wichtigkeit, Fundmaterial von alten<br />

Schiffsfahrzeugen aus unseren Küstenstrichen<br />

zu besitzen, und durch<br />

wissenschaftliche Sachverständige<br />

daran festzustellen, ob Ähnlichkeit<br />

mit den Wikingerfahrzeugen vorhanden<br />

ist, oder ob davon verschiedene,<br />

eigenständige Typen vorliegen, und<br />

welchen Grad von Vollkommenheit<br />

sie in ihrer Konstruktion zeigen. Da<br />

Schiffsfunde aber so außerordentlich<br />

selten sind, und die Schiffskörper<br />

so große Schwierigkeiten für die<br />

Bergung und Aufbewahrung bieten,<br />

so halte ich es für dringlichst wünschenswert,<br />

die jetzt noch vorhandenen,<br />

in den verschiedenen Gegenden<br />

gebräuchlichen Fischer- und Schiffsfahrzeuge<br />

zur Lösung dieser Frage<br />

mit heranzuziehen, da sich bis in die<br />

neueste Zeit hinein noch offenbar<br />

sehr alte Typen erhalten haben....<br />

Es dürfte zu erwarten sein, wenn<br />

die jetzt noch gebräuchlichen alten<br />

Schiffstypen an der ganzen Ost- und<br />

Nordseeküste von technisch und wissenschaftlich<br />

gebildeten sachverständigen<br />

durch Zeichnungen und<br />

Modelle festgelegt würden, dass sich<br />

die Ähnlichkeiten und Unterschiede<br />

der in den verschiedenen Gegenden<br />

gebräuchlichen Formen noch<br />

klar erweisen und für ethnologische<br />

Bestimmungen benutzbar erzeigen<br />

werden. Diese Untersuchungen sind<br />

<strong>jeden</strong>falls von gleicher Wichtigkeit<br />

und ebenso dringlich wie jene<br />

der alten Häusertypen, welche jetzt<br />

endlich in Fluß gekommen und von<br />

größtem Interesse geworden ist. Der<br />

Geschichte des Schiffbaues wird dadurch<br />

<strong>jeden</strong>falls ein reiches Material<br />

zugeführt und unsere Kenntnis der<br />

älteren Zeiten erheblich vermehrt<br />

werden.“<br />

S<strong>eine</strong> Anregung fiel auf fruchtbaren<br />

Boden und schon im Jahr 1900 wurde<br />

an Heimatforscher und Heimatver<strong>eine</strong><br />

die Aufforderung zur Teilnahme an<br />

<strong>eine</strong>r solchen Erhebung verschickt.<br />

Jan Bohls als Vorstandsmitglied des<br />

Heimatbunds der Männer vom Morgenstern<br />

erhielt auch <strong>eine</strong>n Fragebogen.<br />

Dies belegt der von ihm ausgefüllte<br />

Fragebogen in den „Acta<br />

betreffend die Untersuchung alter<br />

Schiffstypen“.<br />

In s<strong>eine</strong>m ersten Antwortschreiben<br />

an die Projektverantwortlichen<br />

in Berlin bot Bohls dem ihm durch<br />

die Dingener Grabung persönlich<br />

bekannten Dr. Alfred Götze an, „die<br />

Formen der alterthümlichen, jetzt nur<br />

noch wenig erhaltenen und bekannten<br />

Schiffe und Boote zu studiren.“<br />

Allerdings war s<strong>eine</strong>r Meinung nach<br />

„auf den großen modernen Werften<br />

..... nichts in Erfahrung zu bringen“.<br />

Er bot aber an, „durch <strong>eine</strong>n bejahrten<br />

Schiffszimmermann, welcher früher<br />

solche in Frage stehenden Boote<br />

selbst gebaut hat“, ein Modell der<br />

früher an der Unterweser üblich gewesenen<br />

Boote etwa im Maßstab 1:20<br />

bauen zu lassen.<br />

Offensichtlich hatte Voß großes Interesse<br />

an dem Angebot von Bohls,<br />

denn er notierte als Antwort <strong>eine</strong>n<br />

<strong>Tag</strong> später am 1. August, dass die<br />

Schiffsmodelle zwar nicht mehr in<br />

den Bereich der prähistorischen Abteilung<br />

gehörten, ihre Herstellung<br />

aber „sehr wünschenswerth“ sei und<br />

es würde „das hiesige deutsche Trachtenmuseum<br />

höchstwahrscheinlich<br />

gern solche erwerben.“ Er fuhr fort:<br />

„Geschnitzte Modelle gewähren <strong>eine</strong><br />

nur mangelhafte Belehrung, deshalb<br />

sind zusammengebaute Modelle bei<br />

Weitem vorzuziehen. Es fragt sich<br />

aber dabei, wie hoch sich die Costen<br />

für solche Modelle stellen.“<br />

Aus dem Schriftwechsel ist nicht<br />

ersichtlich, ob man versucht hat den<br />

Bau der Modelle zu realisieren. Dies<br />

ist allerdings eher unwahrscheinlich,<br />

da ansonsten wohl Rechnungen und<br />

Bezahlungen dokumentiert wären.<br />

In <strong>eine</strong>m weiteren Schreiben wies<br />

Bohls Voß am 8. Februar 1901 hinsichtlich<br />

der Angaben zu Bootstypen<br />

im Unterweserraum auf zwischen<br />

Brake und Warfleth noch zahlreich<br />

tätige Schiffszimmerleute hin. Diese<br />

könnten nach s<strong>eine</strong>r Meinung sicherlich<br />

wesentlich besser Auskunft<br />

geben als diejenigen in Bremerhaven,<br />

denn sie „bringen immer alles durcheinander,<br />

ein Ausfragen derselben ist<br />

deswegen <strong>eine</strong> Geduldsaufgabe“.<br />

Gleichzeitig berichtete er, dass<br />

man in Bremerhaven zwischen „Zellen<br />

(Ruderboot), Kahns (a. Stehkahn<br />

b. Swienssnutenkahn), Jan van Moor<br />

und Dählenschäpen“ unterscheide.<br />

Skizze des Bootstyps „Jan van Moor“ von Johann Bohls mit der Benennung von<br />

Teilen des Schiffstyps<br />

Auch „Aken“, mit vorderen und hinteren<br />

Stäben habe es früher gegeben.<br />

Er beklagte, dass es ihm leider nicht<br />

geglückt sei, alte Schiffe in Marsch<br />

oder Moor aufzufinden, obwohl an<br />

mehreren Stellen solche in früherer<br />

Zeit vorhanden gewesen seien.<br />

Abschließend lieferte er <strong>eine</strong> Skizze<br />

unseres „Jan van Moors“ wie<br />

er sich ausdrückt, „der vorne nur<br />

Fortsetzung Seite 3


NIEDERDEUTSCHES HEIMATBLATT<br />

Nr. 729 September 2010<br />

Das Leben immer positiv zu sehen,<br />

fröhlich die Dinge anzupacken und<br />

bedachtsam und zielgerecht zu arbeiten,<br />

ist charakteristisch für Jens<br />

Jens Dircksen<br />

Umfassendes Werk über Wursten geschaffen<br />

Jens Dircksen vollendete sein 70. Lebensjahr<br />

Dircksen. Am 24. September vollendete<br />

er sein 70. Lebensjahr.<br />

In Bielefeld geboren, absolvierte<br />

er nach der Volksschule das von s<strong>eine</strong>m<br />

Vater geleitete Progymnasium<br />

in Enger und wollte<br />

dann Landwirt werden mit<br />

dem Ziel, später den damals<br />

noch großväterlichen Hof am<br />

Seedeich in Wremen-Hofe zu<br />

übernehmen.<br />

Er besuchte Lehrhöfe in Westfalen<br />

und Wremen, volontierte<br />

in <strong>eine</strong>m holländischen Viehzuchtbetrieb,<br />

besuchte die ev.-<br />

lutherische Heimvolkshochschule<br />

in Hermannsburg und zum<br />

Abschluss die Höhere Landbauschule<br />

in Hildesheim.<br />

Doch der nun mit viel Wissen<br />

ausgerüstete Agraringenieur<br />

ist nie aktiv geworden in<br />

der Landwirtschaft. 1963 sattelte<br />

er ein „neues Pferd“ – die<br />

Pädagogik.<br />

Er studierte an der Pädagogischen<br />

Hochschule in Lüneburg,<br />

und heiratete nach<br />

Abschluss Claudia Bittner,<br />

gleichfalls Pädagogin mit<br />

Kunststudium. Somit hatte<br />

Jens Dircksen <strong>eine</strong> Frau an<br />

s<strong>eine</strong>r Seite, die völlig gleiche<br />

Interessen vertrat. Diese<br />

Partnerschaft hat sich für die<br />

künftige heimatkundliche Arbeit<br />

als äußerst fruchtbar erwiesen.<br />

Auf Anregung s<strong>eine</strong>s Vaters, Lehrer<br />

am Gymnasium Enger und später<br />

Professor für Pädagogik und Biologie<br />

an der Universität Bielefeld, durfte<br />

das junge Ehepaar ein halbes Jahr<br />

Natur pur erleben.<br />

Mit s<strong>eine</strong>r Frau arbeiteten beide<br />

wissenschaftlich auf der Seevogelfreizeitstätte<br />

Trischen, nördlich der<br />

Elbmündung. Das Jahr 1966 war der<br />

Beginn <strong>eine</strong>s erfolgreichen Lebens an<br />

unserer heimischen Küste. Zwar begann<br />

die Arbeit des jungen Lehrers<br />

nicht im Lande Wursten sondern in<br />

Neuenwalde, er unterrichtete dann in<br />

Midlum „und so kommt Jens allmählich<br />

aber sicher dem Deich näher“,<br />

lachte sein Vater einmal.<br />

Im Jahre 1971 wurde er Konrektor<br />

der Volksschule Dorum, ein Jahr später<br />

Rektor an dieser Schule. Er leitete<br />

sie bis zu s<strong>eine</strong>r Pensionierung 2002.<br />

Im Jahre 1973 bezog die Familie mit<br />

ihren vier Kindern an der Hungerhörn-Wurt<br />

ihr gemütliches Haus<br />

unmittelbar am Wurster Seedeich in<br />

Wremen-Hofe; und damit waren Jens<br />

und Claudia Dircksen mitten drin im<br />

arbeitsreichen Wirkungskreis „Wurster<br />

Heimat“. Seit 1966 Mitglied bei<br />

den Morgensternern, wurde er schon<br />

früh in den Vorstand gewählt, sein<br />

Arbeitsgebiet: „Naturschutz“.<br />

Seit nunmehr dreißig Jahren Vorstandsmitglied,<br />

hat er in Aufsätzen<br />

und Vorträgen unmissverständlich<br />

auf Missstände im heimatlichen Naturschutzbereich<br />

hingewiesen, hat<br />

sich aber auch klar und sachlich gegen<br />

überzogene Meinungen übereifriger<br />

Naturschützer gewandt.<br />

Jens Dircksens Mitarbeit an dem<br />

Band „Die Vogelwelt an Elb- und<br />

Wesermündung“ war ein großer<br />

Erfolg. Der 1988 anlässlich der<br />

750Jahrfeier des Landes Wursten von<br />

ihm und s<strong>eine</strong>r Frau herausgegebene<br />

Band „Land Wursten – Bilder aus der<br />

Geschichte <strong>eine</strong>r Marsch“ war ein<br />

populär-wissenschaftlicher „Volltreffer“.<br />

22 bekannte Heimatfreunde<br />

hatte sich das Ehepaar ausgesucht,<br />

die mit den beiden Herausgebern ein<br />

lebendig-eindrucksvolles Bild über<br />

die Geschichte dieser traditionsreichen<br />

Marsch schufen.<br />

Zum 125-jährigen Bestehen des<br />

Heimatbundes gab es <strong>eine</strong> wesentlich<br />

erweiterte Auflage dieses Buches mit<br />

nunmehr 32 Mitarbeitern. Das über<br />

700 Seiten umfassende Werk stellt<br />

alles, was jemals über Land Wursten<br />

geschrieben worden ist, in den<br />

Schatten.<br />

Als Naturschutzbeauftragter im<br />

Landkreis Cuxhaven ist er schon viele<br />

Jahre tätig. Jens Dircksen, der immer<br />

freundlich-fröhliche Mensch, ist<br />

bei stimmungsvollen Feiern weithin<br />

bekannt für ein von ihm oft zitiertes<br />

Wort: „Es ist <strong>eine</strong> Lust zu leben.“.<br />

Möge dieser Satz auch künftig immer<br />

richtungsweisend sein. Verbunden<br />

natürlich mit dem Wunsch für ein<br />

langes, gesundes Leben<br />

Ḣein Carstens<br />

Erforschung traditioneller...<br />

Fortsetzung von Seite 2<br />

so weit gedeckt ist, dass grade ein<br />

Mann ausgestreckt liegen kann“. Mit<br />

dem genannten Bootstyp „Jan van<br />

Moor“, den Bohls s<strong>eine</strong>r Beschreibung<br />

als Skizze anfügte, bezeichnete<br />

er den im Unterweserraum üblichen<br />

Torfkahn, mit dem beispielsweise<br />

der Torf aus dem Teufelsmoor nach<br />

Bremen transportiert wurde. Die<br />

Bezeichnung „Jan van Moor“ für<br />

diese Torfkähne verwendete später<br />

auch der Germanist Walther Mitzka<br />

in s<strong>eine</strong>m 1933 <strong>erschien</strong>enen Buch<br />

„Deutsche Bauern- und Fischerboote.<br />

Grundfragen aus <strong>eine</strong>m Sachkreise<br />

der Volkskunde.“<br />

Die Skizze führt neben der zeichnerischen<br />

Darstellung der Seitenansicht<br />

des Schiffs auch mundartliche<br />

Bezeichnungen von Segeln, Masten<br />

und Tauwerk an. Genannt werden<br />

„Fockseihl“, „Große Seihl“, „Besahn<br />

(de Drie wer“) „Piek“, „Ra“,<br />

„B.[esahn]bohm“ und „B.[esahn]<br />

gaffel“, „Schot“, „Schothorn“, „De<br />

Flögel“ und „Hals“. Weiterhin nennt<br />

Bohls „Bokspriet“ und „Schwert“.<br />

Zu letzterem stellt er fest, dass solche<br />

„beiderseits“, also sowohl an<br />

Backbord als auch an Steuerbord des<br />

Schiffs vorkommen. Ergänzend führt<br />

er in <strong>eine</strong>r Unterzeile unter der Skizze<br />

an: „Das Band vom Segel heisst<br />

„Liek“, z.B. Achterliek, Vörliek“,<br />

„Unnerliek“ un „Babenliek“.<br />

Zum Bootskörper enthält die Skizze<br />

interessanterweise k<strong>eine</strong> einzige<br />

Bezeichnung <strong>eine</strong>s Bauteils. Auch<br />

benennt Bohls nicht die in s<strong>eine</strong>r<br />

Beschreibung ausdrücklich erwähnte<br />

Abdeckung des vorderen Bootsraums.<br />

Dies ist offensichtlich darauf<br />

zurückzuführen, dass er k<strong>eine</strong>n Zugang<br />

zu den Boots- und Schiffsbauern<br />

in Bremerhaven fand, wie er ja<br />

in s<strong>eine</strong>m Schreiben nach Berlin lebhaft<br />

beklagte.<br />

Die Rolle, die Bohls in der Fragebogenerhebung<br />

zur Erforschung<br />

alter Boots- und Schiffstypen und<br />

damit in den Anfängen der Bootsforschung<br />

eingenommen hat, wird aus<br />

dem vorliegenden Archivmaterial<br />

ablesbar. Mit s<strong>eine</strong>n Angaben liegt<br />

die erste Darstellung <strong>eine</strong>s Schiffstyps<br />

der Elbe-Weser-Region vor. Sie<br />

ist allerdings wenig detailliert und<br />

bietet k<strong>eine</strong> Erkenntnisse zur Bauweise<br />

der Fahrzeuge.<br />

Wesentlich wichtiger ist aber s<strong>eine</strong><br />

anregende Rolle, die er für die ganze<br />

Region wahrnahm. Ihm ist es zu<br />

verdanken, dass in der Folge weitere<br />

Auskünfte aus dem Großherzogtum<br />

Oldenburg nach Berlin gelangten.<br />

Der schon erwähnte Hinweis von<br />

Bohls in dem Schreiben vom 8. Februar<br />

1901, dass „die rechten Schiffszimmerleute<br />

….. weseraufwärts im<br />

Oldenburgischen zwischen Brake<br />

und Warfleth“ säßen, gab die Anregung<br />

zu <strong>eine</strong>m Anschreiben des Museums<br />

für Völkerkunde, das am 4.<br />

November 1902 an den Ortsvorstand<br />

zu Oberhammelwarden zusammen<br />

mit drei Fragebögen verschickt wurde.<br />

Man äußerte die Bitte, „dieselben<br />

von Sachverständigen ausfüllen lassen<br />

zu wollen“. Der Gemeindevorsteher<br />

sandte das Schreiben mit dem<br />

handschriftlichen Vermerk zurück,<br />

„dass anliegender Fragebogen von<br />

Herrn Schiffsbaumeister Lühring zu<br />

Hammelwarden angefertigt worden“<br />

sei.<br />

Der genannte Schiffsbaumeister<br />

Lühring war sehr wahrscheinlich<br />

der damals 66-jährige Johann Conrad<br />

Lühring, der am 5. Mai 1835 in<br />

Hammelwarden geboren wurde. Er<br />

hatte das Handwerk des Holzschiffbaus<br />

auf Werften der Region erlernt.<br />

1873 hatte er <strong>eine</strong> Werft in Hammelwarden,<br />

auf der er schon seit 1863 als<br />

Meister und seit 1867 als Geschäftsführer<br />

tätig war, von dem Besitzer<br />

Hinrich Eylers übernommen. Dieser<br />

Betrieb brachte es unter dem Namen<br />

Lühring-Werft sehr schnell zu hohem<br />

Ansehen.<br />

Theoretisch könnte zwar auch<br />

<strong>eine</strong>r s<strong>eine</strong>r beiden Söhne die Beantwortung<br />

des Fragebogens übernommen<br />

haben. Sowohl Friedrich<br />

Wilhelm Lühring (geb. 1866) als auch<br />

Hinrich Gerhard Lühring (geb. 1871)<br />

waren wie der Vater Schiffbauer. Sie<br />

aber waren eher im Eisenschiffbau<br />

zu Hause und auf ihr Betreiben war<br />

in der Mitte der 90er Jahre auf der<br />

Werft die Umstellung vom Holz- zum<br />

Eisenschiffbau erfolgt.<br />

Der Vorgang macht deutlich, dass<br />

die weit über die Elbe-Weser Region<br />

hinausgehenden Kontakte von Jan<br />

Bohls dazu führten, dass der Heimatbund<br />

der Männer vom Morgenstern<br />

schon in den Anfängen der Bootsforschung<br />

<strong>eine</strong>n wichtigen Beitrag zu<br />

den jungen Forschungsbemühungen<br />

in Deutschland geleistet hat.<br />

Hans-Walter Keweloh<br />

Seite 6 des Fragebogens mit der Seitenansicht des Dielenschiffs mit Rahsegel


NIEDERDEUTSCHES HEIMATBLATT<br />

Nr. 729 September 2010<br />

Die Notgeldsch<strong>eine</strong> der Stadt Cuxhaven<br />

Einstmals Ausdruck großer wirtschaftlicher Not, heute begehrte Sammelobjekte<br />

Zur Überwindung des Mangels an gemünztem<br />

Kleingeld in Zeiten zerrütteter<br />

Währung wurden nach dem Ende des<br />

Ersten Weltkrieges in Städten und Gemeinden<br />

zahlreiche kleinformatige Notgeldsch<strong>eine</strong><br />

herausgegeben.<br />

Rückseite des Notgeldsch<strong>eine</strong>s vom<br />

März 1921<br />

Während der Cuxhavener Notgeldperiode<br />

1919 bis 1923 sind erstmals mit<br />

Datum vom Oktober 1919 zwei von der<br />

Hamburger Firma H. O. Persiehl gedruckte<br />

„Gutsch<strong>eine</strong> der Stadt Cuxhaven“<br />

(Es gibt Sch<strong>eine</strong> mit und ohne Firmenaufdruck)<br />

im Nennwert von 25 Pfg.<br />

und 50 Pfg. herausgegeben worden, die<br />

jedoch erst im Dezember 1919 in Umlauf<br />

gelangten (Beschluss des Magistrats vom<br />

25. 9. 1919). Die Gültigkeit dieser von<br />

Bürgermeister Max Bleicken unterzeichneten<br />

Sch<strong>eine</strong> war auf den 31. Dezember<br />

1921 begrenzt. Im Volksmund wurden sie<br />

auch als „Bleickenrubel“ bezeichnet.<br />

Der 25-Pfennig-Schein zeigt auf der<br />

Vorderseite Ansichten vom Schloss<br />

Ritzebüttel und von der Alten Liebe,<br />

während auf der Rückseite ein Fischer<br />

als Motiv dient. Der etwas größere<br />

50-Pfennig-Schein zeigt auf der Vorderseite<br />

ebenfalls die Alte Liebe, rückseitig<br />

Schloss Ritzebüttel.<br />

Im Zeitlauf<br />

der Geschichte<br />

Die Entwürfe der bekanntesten Notgeldscheinserie,<br />

die laut Beschluss des<br />

Magistrats vom 6. Januar 1921 schifffahrtsbezogene<br />

Motive zeigen sollte,<br />

hatte der zu diesem Zeitpunkt noch<br />

verhältnismäßig unbekannte – später<br />

be deutende – Künstler Eduard Bargheer<br />

(1901–1979) geliefert. Die beiden<br />

Sch<strong>eine</strong> im Nennwert von 25 Pfg. und<br />

50 Pfg. vom März 1921 tragen auf der<br />

Vorder- und Rückseite die Bezeichnung<br />

„Nordseebad Cuxhaven“. Auf der Vorderseite<br />

des 50-Pfennig-Sch<strong>eine</strong>s ist<br />

der Charakterkopf <strong>eine</strong>s alten Lotsen<br />

mit Südwester zu sehen, nebst Cuxhavener<br />

und Hamburger Stadtwappen.<br />

Die Rückseite schmückt <strong>eine</strong> Ansicht<br />

der Alten Liebe. Der 25-Pfennig-Schein<br />

zeigt <strong>eine</strong>n heimkehrenden Fischdampfer<br />

und den Cuxhavener Leuchtturm.<br />

Die Herstellung dieser Cuxhavener<br />

Notgeld-Entwürfe war Bargheers erste<br />

öffentliche Auftragsarbeit.<br />

Cuxhavener Notgeldschein nach Entwurf<br />

von Ernst Gock, 1923<br />

Der Entwurf für den größten in<br />

Cux haven jemals in Umlauf gesetzten<br />

Notgeldschein stammte ebenfalls von<br />

Eduard Bargheer und ist als „Aushilfsschein<br />

der Stadt Cuxhaven“ beim <strong>Zeitung</strong>sverlag<br />

„Cuxhavener Volksblatt<br />

Veranstaltungen der<br />

Männer vom Morgenstern<br />

Oktober 2010<br />

G.m.b.H.“ im Nennwert von 500 Mark<br />

ge druckt worden. Dieser wieder von<br />

Bleicken unterzeichnete Schein im Format<br />

113×176 Millimeter trägt das Datum<br />

vom 13. Oktober 1922; s<strong>eine</strong> Umlaufzeit<br />

war auf den 15. Dezember 1922<br />

begrenzt. Auf der Vorderseite ist die Alte<br />

Liebe abgebildet, auf der Rückseite<br />

der Schoner „Elbe“.<br />

Die Entwurfszeichnung für <strong>eine</strong>n<br />

weiteren Serienschein im Format<br />

90×152 Millimeter, der als „Aushilfsschein<br />

der Stadt Cuxhaven“ im Nennwert<br />

über 1 Million Mark am 11. August<br />

1923 herausgegeben und beim „Cuxhavener<br />

Volksblatt“ gedruckt worden war,<br />

stammte von Cuxhavens bekanntestem<br />

Künstler Ernst Gock (1869–1957). Auf<br />

diesem Schein ist der Hapagturm mit<br />

der Inschrift „Mein Feld ist die Welt“<br />

zu sehen, flankiert von zwei mächtigen<br />

Überseedampfern.<br />

Um der weiter steigenden Geldnot zu<br />

begegnen, wurden von der Sparkasse<br />

des Amtes Ritzebüttel am 15. Oktober<br />

1923 auf dem Höhepunkt der Inflation<br />

weitere Geldsch<strong>eine</strong> in Umlauf<br />

gebracht, die bis zum 10. Januar 1924<br />

eingelöst werden konnten, zum Beispiel<br />

Sch<strong>eine</strong> über 1 Milliarde und über 5<br />

Milliarden Mark.<br />

Ein Jahr zuvor hatte die Sparkasse<br />

mit Datum vom 20. September 1923<br />

schon <strong>eine</strong>n Fünfzig-Millionen-Mark-<br />

Schein herausgegeben, der bis zum 5.<br />

November 1923 eingelöst werden durfte.<br />

Ebenso waren Sch<strong>eine</strong> über fünfhunderttausend<br />

Mark in der Zeit vom<br />

1. August bis zum 25. August 1923 in<br />

Umlauf. Noch am 6. Oktober 1922 war<br />

ein Schein über lediglich 500 Mark mit<br />

<strong>eine</strong>r Gültigkeitsdauer bis zum 15. November<br />

1922 herausgegeben worden.<br />

Der Schlusspunkt wurde schließlich<br />

mit der Ausgabe neuer „Goldnotgeldsch<strong>eine</strong><br />

der Stadt Cuxhaven“ gesetzt,<br />

die das Datum vom 9. November 1923<br />

tragen und vom Magistrat (Bürgermeister<br />

Bleicken) sowie den damaligen Finanzausschussmitgliedern<br />

Olfers und<br />

Lührs unterzeichnet waren, ausgegeben<br />

mit Genehmigung des Reichsministeriums<br />

der Finanzen. Diese Goldnotgeldsch<strong>eine</strong><br />

wurden im Volksmund als<br />

„Olfersche Steinwährung“ bezeichnet.<br />

Heute gehören diese relativ seltenen<br />

klei nen Kunstwerke zu den begehrten<br />

Sammelobjekten.<br />

Peter Bussler<br />

Umschau<br />

Vortrag über Schering Rosenhane<br />

Der schwedische Reichsrat und Diplomat<br />

Schering Rosenhane, der im 17.<br />

Jahrhundert die Herrschaft über das<br />

Amt Hagen ausübte, ist Gegenstand<br />

<strong>eine</strong>s Vortrages, den Jutta Siegmeyer,<br />

halten wird. Frau Siegmeyer hatte bereits<br />

mehrfach in Wort und Schrift, u.a.<br />

auch im Niederdeutschen Heimatblatt<br />

(Nr. 718 u. 724), über diese bedeutende<br />

Persönlichkeit unserer Region berichtet.<br />

Der Vortrag steht unter dem<br />

Titel „Reichsrat Schering Rosenhane<br />

(1609 –1663). Schwedischer Diplomat<br />

im Herzogtum Bremen und Verden.<br />

Ein Charakterbild“. Mitveranstalter<br />

sind die MAUS und die Historische Gesellschaft<br />

in Bremen. Ort und Zeit der<br />

Veranstaltung: Haus der Wissenschaft,<br />

Bremen, Sandstr. 4 – 5 (beim Dom), Mittwoch,<br />

6. Okt. 2010, 18.00 Uhr.<br />

Niederdeutsches Heimatblatt<br />

Verlag: Nordsee-<strong>Zeitung</strong> GmbH,<br />

Hafenstraße 140, 27576 Bremerhaven<br />

Druck: Druckzentrum Nordsee GmbH<br />

Das Niederdeutsche Heimatblatt erscheint<br />

monatlich als Verlagsbeilage der Nordsee-<strong>Zeitung</strong>.<br />

Redaktionsausschuss: Rinje Bernd Behrens,<br />

Dr. Hartmut Bickelmann und Karl-Heinz Carstens.<br />

Stellungnahmen, Manuskripte und Beiträge<br />

richten Sie bitte an:<br />

Rinje Bernd Behrens, Müggenburgweg 2,<br />

27607 Langen, T (0 47 43) 55 87<br />

Aussehen völlig verwandelt<br />

Man sieht die alten Göpelwerke fast nur noch in Museen. Das obere Foto<br />

stammt aus dem Jahre 1954 und wurde in Hymendorf geschossen. Heute steht<br />

dort ein völlig anderes Haus (siehe Foto unten). Mit Hilfe von im Kreis laufenden<br />

Pferden, deren Geschirr an <strong>eine</strong>m Balken befestigt war, wurde <strong>eine</strong><br />

senkrechte Welle in Rotation gesetzt. Ein Rad übertrug über <strong>eine</strong> Stange die<br />

Energie in Wirtschaftsräume und setzte dort einfache landwirtschaftliche Maschinen<br />

in Betrieb.<br />

Text und Fotos hc<br />

Dienstag, 28.September, 19:30 Uhr,<br />

Bremerhaven, Deutsches Schiffahrtsmuseum:<br />

Vortrag Dr. Gerhard Wegner,<br />

Hamburg: "100 Jahre Institut für Seefischerei<br />

(mit Lichtbildern)". (Gemeinsame<br />

Veranstaltung mit dem Deutschen<br />

Schiffahrtsmuseum, der Schiffahrtsgeschichtlichen<br />

Gesellschaft, dem<br />

Stadtarchiv Bremerhaven und dem<br />

Nautischen Verein)<br />

Sonntag bis Dienstag, 3.–12. Oktober:<br />

Studienfahrt „Burgund – Kultur<br />

im Herzen Europas“, Abfahrt 7.00<br />

Uhr ab Bremerhaven Hbf.; Leitung:<br />

Dr.Nicola Borger-Keweloh und Hans-<br />

Walter Keweloh<br />

Montag, 4. Oktober, 19 Uhr, Bremerhaven-Geestemünde,<br />

An der Packhalle<br />

V, Abt. 1: Arbeitsgemeinschaft „Flurnamen<br />

Bremerhaven/Altkreis Wesermünde“;<br />

Leitung: Ude Meyer<br />

Mittwoch, 6. Oktober, 19.30 Uhr, Bremerhaven-Lehe,<br />

Stadtarchiv: Arbeitskreis<br />

„Bremerhavener Stadtgeschichte“,<br />

Leitung: Dr. Hartmut Bickelmann<br />

Dienstag, 12. Oktober, 19 Uhr, Cuxhaven,<br />

Heimatarchiv, Feldweg 16: Arbeitskreis<br />

„Cuxhavener Stadtgeschichte“;<br />

Leitung: Peter Bussler<br />

Donnerstag, 14. Oktober, 18.30 Uhr,<br />

Bremerhaven-Lehe, Restaurant Nordseestadion:<br />

Arbeitskreis „Familienkundliche<br />

Quellenforschung“; Leitung:<br />

Rinje Bernd Behrens<br />

Montag, 18. Oktober, 18.30 Uhr, Bremerhaven-Geestemünde,<br />

An der Packhalle<br />

V, Abt. 1: Bibliotheks-Arbeitsgemeinschaft<br />

Dienstag, 19. Oktober, 17.30 Uhr,<br />

Bremerhaven-Geestemünde, An der<br />

Packhalle V, Abt. 1: Gesprächskreis der<br />

„Familienkundliche Arbeitsgemeinschaft<br />

der Männer vom Morgenstern<br />

(Computergenealogie, Quellenforschung,<br />

Familienforschung)“<br />

Die „Familienkundliche Arbeitsgemeinschaft“,<br />

Leitung Fred Wagner,<br />

trifft sich an jedem Dienstag von 16<br />

bis 18 Uhr in den Räumen der Bibliothek,<br />

Bremerhaven-Geestemünde, An<br />

der Packhalle V, Abt. 1, zur Arbeitsund<br />

Informationsstunde.<br />

„Männer vom Morgenstern“<br />

Heimatbund an Elb- und Wesermündung e.V.<br />

Vorsitzende: Dr. Nicola Borger-Keweloh<br />

Telefon 04 71/6 57 33<br />

Schriftführer: Heiko Völker<br />

Telefon 0 47 51/9001 32<br />

Geschäftsstelle:<br />

An der Packhalle V, Abt. 1, Bremerhaven-<br />

Geestemünde, Telefon 04 71/3 08 06 58<br />

Geschäfts- und Bibliothekszeiten:<br />

sonnabends 10–13 Uhr, dienstags 15 –19 Uhr

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