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Bericht Friedrich Esmarch

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SSB aktuell<br />

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Erfinder des Dreiecktuchs war der Arzt <strong>Friedrich</strong> von <strong>Esmarch</strong>.<br />

Von den Anfängen des Samariterwesens<br />

<strong>Friedrich</strong> <strong>Esmarch</strong>, Vater der<br />

Erste-Hilfe-Ausbildung<br />

Es gibt Ideen, die liegen in der Luft. Nur zwei Jahre bevor man in Bern begann, Samariterkurse<br />

durchzuführen, wurde 1882 in Kiel der erste deutsche Samariterverein gegründet. Treibende Kraft<br />

war Doktor <strong>Friedrich</strong> <strong>Esmarch</strong>.<br />

Text: Urs Amacher<br />

Johann <strong>Friedrich</strong> August <strong>Esmarch</strong><br />

kam am 9. Januar 1823 als Sohn<br />

eines Arztes in Tönning, einer kleinen<br />

Hafenstadt in Schleswig-Holstein,<br />

zur Welt. Er studierte Medizin,<br />

zuerst in Göttingen, dann in<br />

Kiel, wo er zum klinischen Assistenten<br />

des berühmten Chirurgen Ludwig<br />

Stromeyer avancierte. Dies<br />

erwies sich als Sprungbrett zu einer<br />

glänzenden Karriere.<br />

Das Studium schloss <strong>Esmarch</strong><br />

1848 ab mit einer Doktorarbeit<br />

über Fehlbildungen bei Fröschen.<br />

Bereits im folgenden Jahr erwarb er<br />

die Lehrberechtigung für das Fach<br />

Chirurgie an der Universität Kiel.<br />

1854 verheiratete er sich mit Anna<br />

Stromeyer, der Tochter von Ludwig<br />

Stromeyer. Im gleichen Jahr machte<br />

ihn sein neuer Schwiegervater zum<br />

Nachfolger als Direktor der Chirurgischen<br />

Universitätsklinik in Kiel.<br />

Erfahrungen im Kriegslazarett<br />

Schleswig-Holstein und seine<br />

Hauptstadt Kiel erlebten damals<br />

unruhige Zeiten. Dänemark beanspruchte<br />

das Herzogtum Schleswig,<br />

was Preussen bestritt. Als Mitglied<br />

des Kieler Turnvereins beteiligte<br />

sich <strong>Friedrich</strong> <strong>Esmarch</strong> am antidänischen<br />

Aufstand vom April 1848<br />

<strong>Esmarch</strong> war Begründer des zivilen<br />

Samariterwesens in Deutschland.<br />

und geriet prompt für neun Wochen<br />

in dänische Gefangenschaft.<br />

Im folgenden Deutsch-Dänischen<br />

Krieg 1848 bis 1850 diente<br />

Ludwig Stromeyer als Generalstabsarzt<br />

der schleswig-holsteinischen<br />

Armee; <strong>Friedrich</strong> <strong>Esmarch</strong><br />

als sein Assistent arbeitete in Lazaretten.<br />

Hier sammelte der junge<br />

<strong>Esmarch</strong> jene ärztlichen Erfahrungen,<br />

die ihn prägen sollten. Die<br />

Kriegs- und Unfallchirurgie sowie<br />

die Erste Hilfe bildeten künftig die<br />

Schwerpunkte seiner beruflichen<br />

Tätigkeit.<br />

Seine erste grössere Veröffentlichung<br />

«Über Resectionen nach<br />

Schusswunden» (Kiel 1851) betraf<br />

das schonende operative Entfernen<br />

von Organteilen bei Schussverletzungen.<br />

Mit der von <strong>Esmarch</strong> propagierten<br />

Methode konnten Amputationen<br />

vermieden werden.<br />

Verbandspatrone, Dreiecktuch,<br />

Eisbeutel<br />

In seiner späteren Funktion als<br />

Generalfeldarzt führte er einfache<br />

und zum Teil bis heute verwendete<br />

samariter 2/13


Hilfsmittel für die Erste Hilfe ein.<br />

Er sorgte dafür, dass jeder Soldat<br />

mit einem Verbandpäckchen ausgerüstet<br />

wurde, ebenso mit Gummihosenträgern,<br />

die als Abschnürbinde<br />

(Tourniquet) bei starken Blu -<br />

tungen dienen konnten. Auf ihn<br />

geht das Dreiecktuch zurück, das<br />

als Stütze bei Armverletzungen und<br />

für vieles mehr gebraucht werden<br />

kann.<br />

<strong>Esmarch</strong> erfand den Eisbeutel,<br />

einen mit Eisstückchen gefüllten<br />

kleinen Gummisack, den er zur<br />

oberflächlichen Kühlung eines Körperteils<br />

einsetzte. Die Kälte vermindert<br />

den örtlichen Blutzufluss, was<br />

entzündungshemmend wirkt. Von<br />

der patenten Eispackung erhielt<br />

<strong>Esmarch</strong> den Spitznamen «Fiete<br />

Isbüdel» (Fiete als norddeutsche<br />

Kurzform für <strong>Friedrich</strong>).<br />

<strong>Friedrich</strong> <strong>Esmarch</strong>s bedeutendste<br />

Leistung als Chirurg ist die nach<br />

ihm benannte Blutleere. Wenn man<br />

einem Körperglied durch feste<br />

Umwicklung die Blutzufuhr abbindet,<br />

kann ein operativer Eingriff<br />

ohne grossen Blutverlust durchgeführt<br />

werden.<br />

In Kiel den ersten Samariterverein<br />

gegründet<br />

Als <strong>Friedrich</strong> <strong>Esmarch</strong> 1881 am<br />

Internationalen Hygiene-Kongress<br />

in London teilnahm, lernte er die<br />

«St. John Ambulance Association»<br />

kennen. Die seit 1877 bestehende<br />

englische Rettungsorganisation hatte<br />

ihren Namen von den Johannitern,<br />

einem Ritterorden, der sich der<br />

Krankenpflege widmete. Bei der «St.<br />

John Ambulance Association» bildeten<br />

Ärzte freiwillige Helfer für<br />

den Sanitätsdienst aus.<br />

<strong>Esmarch</strong> griff die Idee auf und<br />

stellte Anfang 1882 in Kiel den ersten<br />

Samariterkurs auf dem europäischen<br />

Festland auf die Beine. Für<br />

diesen Kurs verfasste <strong>Esmarch</strong> extra<br />

ein Handbuch: «Die erste Hülfe<br />

bei plötzlichen Unglücksfällen –<br />

Ein Leitfaden für Samariter-Schulen»<br />

(Leipzig 1882). Es erreichte 50<br />

Auflagen und wurde in Dutzende<br />

von Sprachen übersetzt. Das Standardwerk<br />

zur Ersten Hilfe diente<br />

auch zur Ausbildung der Samariter<br />

in der Schweiz.<br />

Bereits am 5. Mai 1882 gründeten die<br />

Schüler <strong>Esmarch</strong>s in Kiel einen Samariterverein.<br />

Nach dem Kieler Vorbild<br />

wurden in weiteren deutschen Städten<br />

Samariterkurse abgehalten und<br />

Samaritervereine gegründet. Am 20.<br />

September 1896 schlossen sich die<br />

Vereine zum Deutschen Samariter-<br />

Bund zusammen. Die deutschen<br />

Samariter begaben sich unter das<br />

Dach des Roten Kreuzes, behielten<br />

aber ihre Selbständigkeit.<br />

Auf und ab im öffentlichen<br />

Ansehen<br />

Als <strong>Esmarch</strong> 1872, zwei Jahre nach<br />

dem Tod seiner ersten Ehefrau Anna<br />

Stromeyer, die Prinzessin Henriette<br />

von Schleswig-Holstein heiratete,<br />

erreichte er den Zenit seines gesellschaftlichen<br />

Ansehens. Henriette<br />

war eine Tante von Kaiser Wilhelms<br />

II. Gattin Auguste Viktoria. 1887<br />

wurde er für seine Verdienste geadelt<br />

und durfte sich fortan von <strong>Esmarch</strong><br />

nennen.<br />

<strong>Friedrich</strong> von <strong>Esmarch</strong>s späte<br />

Arbeitsphase war allerdings überschattet<br />

von hässlichen Auseinandersetzungen.<br />

<strong>Esmarch</strong> beharrte auf<br />

seinem Wohnrecht in der Dienstvilla<br />

auf dem Spitalareal und verhinderte<br />

dadurch den geplanten Neubau der<br />

Medizinischen Klinik. Dies führte<br />

zur Entfremdung von der Fakultät<br />

und schadete seinem öffentlichen<br />

Ansehen.<br />

Der Chirurg Gustav Adolf Neuber<br />

wurde zuerst von <strong>Esmarch</strong> kräftig<br />

gefördert, ab 1876 war er <strong>Esmarch</strong>s<br />

Assistent an der Chirurgischen Klinik,<br />

dann sein Stellvertreter als<br />

Direktor. <strong>Esmarch</strong>, der selber in Kiel<br />

die antiseptische Wundbehandlung<br />

eingeführt hatte, beharrte zeitlebens<br />

auf dieser Methode und trug bei chirurgischen<br />

Eingriffen stets seinen<br />

schwarzen Operationstalar.<br />

Neuber hingegen machte sich die<br />

Erkenntnisse zunutze, die der Bakteriologe<br />

Robert Koch bei den Wundinfektionen<br />

gewonnen<br />

hatte. Er wollte<br />

das inzwischen überholte<br />

antiseptische<br />

Verfahren durch das<br />

aseptische ablösen;<br />

das heisst, um die<br />

Infektionsgefahr zu<br />

bannen, sollten der<br />

Operationssaal, alle<br />

Instrumente, Handschuhe<br />

und Kleider<br />

keimfrei gehalten<br />

werden.<br />

Der junge Chirurg<br />

und der Klinikdirektor<br />

zerstritten<br />

sich derart, dass<br />

Neuber 1891 das<br />

Krankenhaus verliess<br />

und seine<br />

Tätigkeit als Universitätsdozent<br />

niederlegte.<br />

Vorwort von Prof. Dr. Kimmle zur<br />

35. Auflage des Leitfadens.<br />

Die Querelen schadeten <strong>Friedrich</strong><br />

von <strong>Esmarch</strong>, sein Glanz als Chirurg<br />

verblasste. Er starb am 23. Februar<br />

1908 in Kiel. Überdauern werden<br />

seine Leistungen als Erfinder der<br />

<strong>Esmarch</strong>schen Blutleere, dank welcher<br />

Operationen ohne grössere Blutungen<br />

möglich wurden, und als<br />

Begründer des Deutschen Samariterbundes.<br />

n<br />

Vorträge inklusive Abbildungen, die<br />

<strong>Esmarch</strong> für die «Samariter-Schulen»<br />

erstellt hat, sind in Buchform erhältlich.<br />

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