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RAINER MARIA RILKE

Gedichte & Kunst Gedichte von Rainer Maria Rilke & Werke verschiedener Maler

Gedichte & Kunst
Gedichte von Rainer Maria Rilke & Werke verschiedener Maler

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Täglich Rilke<br />

<strong>RAINER</strong> <strong>MARIA</strong> <strong>RILKE</strong><br />

© GdC- georgeBook1


Täglich Rilke<br />

<strong>RAINER</strong> <strong>MARIA</strong> <strong>RILKE</strong><br />

Gedichte & Kunst<br />

Täglich Rilke.<br />

2st Ausgabe<br />

von<br />

George de Courtenay<br />

Rainer Maria Rilke<br />

© GdC- georgeBook2


Täglich Rilke<br />

Portrait<br />

von Lou Albert Lasard.<br />

1916<br />

© GdC- georgeBook3


Täglich Rilke<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Inhalt...............................................................................................................................2<br />

Einführung ......................................................................................................................3<br />

Gedichte & Kunst .................................................................................................................... 4<br />

Zitat ........................................................................................................................................ 5<br />

Die Laute ................................................................................................................................ 6<br />

Zum Fest ................................................................................................................................ 7<br />

Die Liebende .......................................................................................................................... 8<br />

Über die Geduld ..................................................................................................................... 9<br />

Venezianischer Morgen .......................................................................................................... 10<br />

Venedig .................................................................................................................................. 11<br />

Es ist noch Tag auf der Terasse .............................................................................................. 12<br />

Zitat-Freundschaft-Liebe ....................................................................................................... 13<br />

Blaue Hortensie ...................................................................................................................... 14<br />

Wendung ................................................................................................................................ 15<br />

Dame auf einem Balkon......................................................................................................... 17<br />

Rosen - Katze ......................................................................................................................... 18<br />

Früher Apollo ......................................................................................................................... 19<br />

Rosen Zyklus ......................................................................................................................... 20<br />

Bei dir ist es traut ................................................................................................................... 21<br />

Was hilft es denn .................................................................................................................... 22<br />

Die Liebenden ........................................................................................................................ 23<br />

Die Menschen wollens nicht verstehen.................................................................................. 24<br />

Der Panther ............................................................................................................................ 25<br />

Ich bin Zuhause ...................................................................................................................... 26<br />

Regenbogen............................................................................................................................ 27<br />

Nordsee .................................................................................................................................. 28<br />

Lied vom Meer ....................................................................................................................... 30<br />

Fortschritt ............................................................................................................................... 31<br />

Mein Leben ist nicht diese steile Stunde ................................................................................ 31<br />

Die Liebende .......................................................................................................................... 32<br />

Wir lächeln leis im Abendwind .............................................................................................. 33<br />

Begegnung in der Kastanien Allee ......................................................................................... 34<br />

Frühling .................................................................................................................................. 35<br />

Die Sternennacht .................................................................................................................... 36<br />

Das Lied von den Lilien ......................................................................................................... 37<br />

Mondnacht ............................................................................................................................. 38<br />

Eine Stunde am Rande des Tages .......................................................................................... 39<br />

Schlußstück ............................................................................................................................ 40<br />

................................................................................................................................................<br />

................................................................................................................................................<br />

Impressum .................................................................................................................................. 41<br />

Zusammenfassung...................................................................................................................... 42<br />

© GdC- georgeBook4


Täglich Rilke<br />

Einführung<br />

Aus meinem Blog<br />

Rainer Maria Rilke – Mit Rilke durch das Jahr<br />

Blog und Titel seit 2011.<br />

Täglich Rainer Maria Rilke.<br />

Gedichte:<br />

R a i n e r M a r i a R i l k e<br />

Gedichte & Kunst<br />

Sehnt es dich aber, so singe die Liebenden, lange<br />

noch nicht unsterblich genug ist ihr berühmtes Gefühl.<br />

<strong>RAINER</strong> <strong>MARIA</strong> <strong>RILKE</strong>: DIE ERSTE ELEGIE<br />

Kunst : von verschiedenen Künstler. © Gemeinfrei.<br />

*4.12.1875 in Prag<br />

†29.12.1926 bei Montreux (Schweiz)<br />

© GdC- georgeBook5


Täglich Rilke<br />

Zitat:<br />

Zeichnung der Rigaer Malerin Anna Schellwitz-Hellman.<br />

Was aus der Freundschaft erkeimt,<br />

sind einzug die früchte der Freundschaft.<br />

Doch was aus der Liebe erblüht, ist<br />

dies nicht die Liebe selbst?<br />

© GdC- georgeBook6


Täglich Rilke<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Gedichte & Kunst.<br />

Paul Cézanne, Blumen, Detail<br />

Sei allem Abschied voran, als wäre er hinter<br />

dir, wie der Winter, der eben geht.<br />

Denn unter Wintern ist einer so endlos Winter,<br />

daß, überwinternd, dein Herz überhaupt übersteht.<br />

Sei immer tot in Eurydike -, singender steige,<br />

preisender steige zurück in den reinen Bezug.<br />

Hier, unter Schwindenden, sei, im Reiche der Neige,<br />

sei ein klingendes Glas, das sich im Klang schon zerschlug.<br />

Sei - und wisse zugleich des Nicht-Seins Bedingung,<br />

den unendlichen Grund deiner innigen Schwingung,<br />

daß du sie völlig vollziehst dieses einzige Mal.<br />

Zu dem gebrauchten sowohl, wie zum dumpfen und stummen<br />

Vorrat der vollen Natur, den unsäglichen Summen,<br />

zähle dich jubelnd hinzu und vernichte die Zahl.<br />

<strong>RAINER</strong> <strong>MARIA</strong> <strong>RILKE</strong><br />

© GdC- georgeBook7


Täglich Rilke<br />

ZITAT<br />

Ary Scheffer, Francesca da Rimini en Paolo Malatesta von Dante und Vergilius gesehen. 1854<br />

"Daß wir nie hinter unserem Herzen<br />

Zurückbleiben und nie ihm voraussein wollen:<br />

Das tut wahrscheinlich not.<br />

So kommen wir zu allem,<br />

jeder zu dem seinen."<br />

Rainer Maria Rilke<br />

© GdC- georgeBook8


Täglich Rilke<br />

DIE LAUTE<br />

Carlos Schwabe, Frau mit Leier, Femme, Lyre. o.D.<br />

Die Laute.<br />

Ich bin die Laute. Willst du meinen Leib<br />

beschreiben, sein schön gewölbten Streifen:<br />

sprich so, als sprächest du von einer reifen<br />

gewölbten Feige. Übertreib<br />

das Dunkel, das du in mir siehst. Es war<br />

Tullias Dunkelheit. In ihrer Scham<br />

war nicht so viel, und ihr erhelltes Haar<br />

war wie ein heller Saal. Zuweilen nahm<br />

sie etwas Klang von meiner Oberfläche<br />

in ihr Gesicht und sag zu mir.<br />

Dann spannte ich mich gegen ihre Schwäche,<br />

und endlich war mein Inneres in ihr.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

© GdC- georgeBook9


Täglich Rilke<br />

Zum Fest<br />

Zum Fest<br />

Heut sind wir endlich allein, und von Gästen<br />

droht uns ganz sicher heut keine Gefahr.<br />

Schmück dich, mein Kind, zu der Liebe Festen,<br />

rote Rosen stehn dir am besten,<br />

rote Rosen steck dir ins Haar.<br />

Und das Kleid nimm aus Großmutters Tagen,<br />

mit den Ärmeln luftig gepufft.<br />

Einmal kamst du mirs selber sagen:<br />

Großmutter hats bei der Hochzeit getragen. -<br />

Und in den Falten liegt noch der Duft.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Der Rosengarten, Charles Julian Theodore Tharp<br />

Gedicht aus: Rainer Maria Rilke Sämtliche Werke.<br />

Ernst Zinn - Insel Verlag Frankfurt<br />

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Täglich Rilke<br />

DIE LIEBENDE<br />

Die Liebende<br />

Das ist mein Fenster. Eben<br />

bin ich so sanft erwacht.<br />

Ich dachte, ich würde schweben.<br />

Bis wohin reicht mein Leben,<br />

und wo beginnt die Nacht?<br />

Ich könnte meinen, alles<br />

wäre noch Ich ringsum;<br />

durchsichtig wie eines Kristalles<br />

Tiefe, verdunkelt, stumm.<br />

Ich könnte auch noch die Sterne<br />

fassen in mir; so groß<br />

scheint mir mein Herz; so gerne<br />

ließ es ihn wieder los<br />

den ich vielleicht zu lieben,<br />

vielleicht zu halten begann.<br />

Fremd, wie niebeschrieben<br />

sieht mich mein Schicksal an.<br />

Was bin ich unter diese<br />

Unendlichkeit gelegt,<br />

duftend wie eine Wiese,<br />

hin und her bewegt,<br />

rufend zugleich und bange,<br />

daß einer den Ruf vernimmt,<br />

und zum Untergange<br />

in einem Andern bestimmt.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Gedicht aus: Rainer Maria Rilke Sämtliche Werke.<br />

Ernst Zinn - Insel Verlag Frankfurt a. Main 1955<br />

(Band 1 S. 621-622)<br />

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Täglich Rilke<br />

ÜBER DIE GEDULD<br />

Man muss den Dingen<br />

die eigene, stille<br />

ungestörte Entwicklung lassen,<br />

die tief von innen kommt<br />

und durch nichts gedrängt<br />

oder beschleunigt werden kann,<br />

alles ist austragen – und<br />

dann gebären...<br />

Reifen wie der Baum,<br />

der seine Säfte nicht drängt<br />

und getrost in den Stürmen<br />

des Frühlings steht,<br />

ohne Angst,<br />

dass dahinter kein Sommer<br />

kommen könnte.<br />

Er kommt doch!<br />

Aber er kommt nur<br />

zu den Geduldigen,<br />

die da sind, als ob die Ewigkeit<br />

vor ihnen läge,<br />

so sorglos, still und weit...<br />

Man muss Geduld haben<br />

Mit dem Ungelösten im Herzen,<br />

und versuchen, die Fragen<br />

selber lieb zu haben,<br />

wie verschlossene Stuben,<br />

und wie Bücher, die in einer<br />

sehr fremden Sprache<br />

geschrieben sind.<br />

Es handelt sich darum, alles zu leben.<br />

Wenn man die Fragen lebt,<br />

lebt man vielleicht allmählich,<br />

ohne es zu merken,<br />

eines fremden Tages<br />

in die Antworten hinein.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

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Täglich Rilke<br />

VENEZIANISCHER MORGEN<br />

Maurice Pendergast, Venedig Canalszene, 1898 – 1899<br />

Venezianischer Morgen<br />

Richard Beer-Hofmann zugeeignet<br />

Fürstlich verwöhnte Fenster sehen immer,<br />

was manchesmal uns zu bemühn geruht:<br />

die Stadt, die immer wieder, wo ein Schimmer<br />

von Himmel trifft auf ein Gefühl von Flut,<br />

sich bildet ohne irgendwann zu sein.<br />

Ein jeder Morgen muss ihr die Opale<br />

erst zeigen, die sie gestern trug, und Reihn<br />

von Spiegelbildern ziehn aus dem Kanale<br />

und sie erinnern an die andern Male:<br />

dann giebt sie sich erst zu und fällt sich ein<br />

wie eine Nymphe, die den Zeus empfing.<br />

Das Ohrgehäng erklingt an ihrem Ohre;<br />

sie aber hebt San Giorgio Maggiore<br />

und lächelt lässig in das schöne Ding.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Frühsommer 1908, Paris<br />

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Täglich Rilke<br />

VENEDIG<br />

Maurice Pendregast, Rialto Brücke mit Gondeln, 1911-12<br />

Venedig.<br />

Fremdes Rufen. Und wir wählen<br />

Eine Gondel, schwarz und schlank:<br />

Leises Gleiten an den Pfählen<br />

Einer Marmorstadt entlang.<br />

Still. Die Schiffer nur erzählen<br />

Sich. Die Ruder rauschen sacht,<br />

Und aus Kirchen und Kanälen<br />

Winkt uns eine fremde Nacht.<br />

Und der schwarze Pfad wird leiser,<br />

Fernes Ave weht die Luft, –<br />

Traun: Ich bin ein toter Kaiser<br />

Und sie lenken mich zur Gruft.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

28. März 1897.<br />

Aus Advent S. 35 1. Auflage<br />

Verlag P.Friesenhahn, Leipzig 1898.<br />

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Täglich Rilke<br />

ES IST NOCH TAG AUF DER TERASSE<br />

Es ist noch Tag auf der Terrasse.<br />

Da fühle ich ein neues Freuen:<br />

Wenn ich jetzt in den Abend fasse,<br />

Ich könnte Gold in jede Gasse<br />

Aus meiner Stille niederstreuen.<br />

Ich bin jetzt vor der Welt so weit,<br />

Mit ihrem späten Glanz verbräme<br />

Ich meine ernste Einsamkeit.<br />

Mir ist, als ob mir irgendwer<br />

Jetzt leise meinen Namen nähme,<br />

So zärtlich, daß ich mich nicht schäme<br />

Und weiß, ich brauche keinen mehr.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Pierre Bonnard, Paris, Rue Tholoze, 1897.<br />

Am 31.8.1902 schreibt Rainer Maria Rilke an seine Frau Clara aus Paris:<br />

Lebenstrieb ist das - Leben. - Nein.<br />

Leben ist etwas Ruhiges, Weites, Einfaches.<br />

Lebenstrieb ist Hast und Jagd.<br />

Trieb das Leben zu haben, gleich, ganz,<br />

in einer Stunde.<br />

Rilkes erster Aufenthalt und Eindrücke von Paris:<br />

Rainer Maria Rilke reflektiert das Entstehen einer neuen Zeit.<br />

Die Entwicklung der Großstadt, die Entfernung vom Individuellen.<br />

So schreibt er an seine Frau Clara:<br />

"Man fühlt,... daß es in dieser weiten Stadt Heere von Kranken gibt,<br />

Armeen von Sterbenden, Völker von Toten.<br />

Davon ist Paris so voll und darum so nahe am Tod."<br />

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Täglich Rilke<br />

Zitat – Freundschaft - Liebe<br />

Zitat Freundschaft – Liebe.<br />

Zeichnung der Rigaer Malerin Anna Schellwitz Hellman.<br />

Was aus der Freundschaft erkeimt,<br />

sind einzig die früchte der Freundschaft.<br />

Doch was aus der Liebe erblüht, ist<br />

dies nicht die Liebe selbst?<br />

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Täglich Rilke<br />

Blaue Hortensie<br />

Blaue Hortensie<br />

So wie das letzte Grün in Farbentiegeln<br />

sind diese Blätter, trocken, stumpf und rauh,<br />

hinter den Blütendolden, die ein Blau<br />

nicht auf sich tragen, nur von ferne spiegeln.<br />

Sie spiegeln es verweint und ungenau,<br />

als wollten sie es wiederum verlieren,<br />

und wie in alten blauen Briefpapieren<br />

ist Gelb in ihnen, Violett und Grau;<br />

Verwaschenes wie an einer Kinderschürze,<br />

Nichtmehrgetragenes, dem nichts mehr geschieht:<br />

wie fühlt man eines kleinen Lebens Kürze.<br />

Doch plötzlich scheint das Blau sich zu verneuen<br />

in einer von den Dolden, und man sieht<br />

ein rührend Blaues sich vor Grünem freuen.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Juli 1906, Paris.<br />

Paul Cézanne, Hortensien, mit einem Bild von Hortense Cézanne.<br />

© GdC- georgeBook17


Täglich Rilke<br />

WENDUNG<br />

Lange errang ers im Anschaun.<br />

Sterne brachen ins Knie<br />

unter dem ringenden Aufblick.<br />

Oder er anschaute knieend,<br />

und seines Instands Duft<br />

machte ein Göttliches müd,<br />

daß es ihm lächelte, schlafend.<br />

Türme schaute er so,<br />

daß sie erschraken:<br />

wieder sie bauend hinan, plötzlich, in Einem.<br />

Aber wie oft die vom Tag<br />

überladene Landschaft<br />

ruhete hin in sein stilles Gewahren, abends.<br />

Tiere traten getrost<br />

in den offenen Blick, weidende,<br />

und die gefangenen Löwen<br />

starrten hinein wie in unbegreifliche Freiheit;<br />

Vögel durchflogen ihn grad,<br />

den gemütigen. Blumen<br />

widerschauten in ihn<br />

groß wie in Kinder.<br />

Und das Gerücht, daß ein Schauender sei,<br />

rührte die minder<br />

fraglicher Sichtbaren,<br />

rührte die Frauen.<br />

Schauend wie lang?<br />

Seit wie lange schon innig entbehrend,<br />

flehend im Grunde des Blicks?<br />

Wenn er, ein Wartender, saß in der Fremde; des Gasthofs<br />

zerstreutes abgewendetes Zimmer<br />

mürrisch um sich, und im vermiedenen Spiegel<br />

wieder das Zimmer<br />

und später vom quälenden Bett aus<br />

wieder:<br />

da beriets in der Luft,<br />

unfaßbar beriet es<br />

über sein fühlbares Herz,<br />

über sein durch den schmerzhaft verschütteten Körper<br />

dennoch fühlbares Herz<br />

beriet es und richtete:<br />

S 16<br />

© GdC- georgeBook18


Täglich Rilke<br />

WENDUNG<br />

daß er der Liebe nicht habe.<br />

(Und verwehrte ihm weitere Weihen.)<br />

Denn des Anschauns, siehe, ist eine Grenze,<br />

und die geschautere Welt<br />

will in der Liebe gedeihn.<br />

Werk des Gesichts ist getan,<br />

tue nun Herzwerk<br />

an den Bildern in dir, jenen gefangenen. Denn du<br />

überwältigtest sie; aber nun kennst du sie nicht.<br />

Siehe, innerer Mann, dein inneres Mädchen,<br />

dieses errungene aus<br />

tausend Naturen, dieses<br />

erst nur errungene, nie<br />

noch geliebte Geschöpf.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

20.6.1914.<br />

Aus: Rainer Maria Rilke,<br />

Gesammelte Werke. Bd. 3:Gedichte. Dritter Teil. Leipzig,<br />

Insel-Verlag 1927, S. 460-462.<br />

Paula Moderson Becker, schlafende Schöne unter der Rosenpergola.<br />

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Täglich Rilke<br />

DAME AUF EINEM BALKON<br />

Berthe Morisot, Dame und Kind auf einem Balkon. 1872<br />

Dame auf einem Balkon<br />

Plötzlich tritt sie, in den Wind gehüllt,<br />

licht in Lichtes, wie herausgegriffen,<br />

wahrend jetzt die Stube wie geschliffen<br />

hinter ihr die Türe füllt<br />

dunkel wie der Grund einer Kamee,<br />

die ein Schimmern durchlässt durch die Ränder;<br />

und du meinst der Abend war nicht, ehe<br />

sie heraustrat, um auf das Geländer<br />

noch ein wenig von sich fortzulegen,<br />

noch die Hände, - um ganz leicht zu sein:<br />

wie dem Himmel von den Häuserreihn<br />

hingereicht, von allem zu bewegen.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Aus: Der neuen Gedichte Anderer Teil<br />

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Täglich Rilke<br />

ROSEN – FRÜHER APOLLO<br />

George Henry Boughton, der Rosengarten<br />

Das Leben<br />

und dazu eine Katze,<br />

das gibt eine unglaubliche Summe<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Rilkes Spruch findet man in seiner französisch geschriebenen "Préface"<br />

zu den vierzig Bildern von Balthus. [Mein Blog -Mit Rilke durch das Jahr]<br />

S 19 - Früher Apollo<br />

© GdC- georgeBook21


Täglich Rilke<br />

FRÜHER APOLLO<br />

Früher Apollo<br />

Wie manches Mal durch das noch unbelaubte<br />

Gezweig ein Morgen durchsieht, der schon ganz<br />

im Frühling ist: so ist in seinem Haupte<br />

nichts, was verhindern könnte, daß der Glanz<br />

aller Gedichte uns fast tödlich träfe;<br />

denn noch kein Schatten ist in seinem Schaun,<br />

zu kühl für Lorbeer sind noch seine Schläfe,<br />

und später erst wird aus den Augenbraun<br />

hochstämmig sich der Rosengarten heben,<br />

aus welchem Blätter, einzeln, ausgelöst<br />

hintreiben werden auf des Mundes Beben,<br />

der jetzt noch still ist, niegebraucht und blinkend<br />

und nur mit seinem Lächeln etwas trinkend,<br />

als würde ihm sein Singen eingeflößt.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Gustave Courbet, Junge Frau arrangiert Blumen. 1862<br />

© GdC- georgeBook22


Täglich Rilke<br />

GEDICHT AUS DEM ROSENZYKLUS<br />

Pierre Auguste Renoir, Stillleben, Rosen vor einem blauen Vorhang<br />

Die klare frische Rosenblüte streichelt<br />

mein geschlossenes Auge leicht -,<br />

als legte sie noch tausend kühle Lider,<br />

eines auf das andere, über<br />

mein heißes Lid.<br />

Und tausend Schlummer<br />

breitet sie dann über meine Täuschung hin,<br />

darunter streif ich selbst umher<br />

im Duft des Labyrinths.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

© GdC- georgeBook23


Täglich Rilke<br />

BEI DIR IST ES TRAUT<br />

Willy Jaeckel, Dame in Gelb<br />

Bei dir ist es traut:<br />

Zage Uhren schlagen<br />

wie aus weiten Tagen.<br />

Komm mir ein Liebes sagen -<br />

aber nur nicht laut.<br />

Ein Tor geht irgendwo<br />

draußen im Blütentreiben.<br />

Der Abend horcht an den Scheiben.<br />

Laß uns leise bleiben:<br />

Keiner weiß uns so.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

<strong>RAINER</strong> <strong>MARIA</strong> <strong>RILKE</strong> . 1875-1926<br />

Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.<br />

© GdC- georgeBook24


Täglich Rilke<br />

WAS HILFT ES DENN<br />

J.W. Alexander, Erinnerungen, 1903<br />

Was hilft es denn, daß ich dir aufbewahre<br />

aus meinem Wandern manches Wunderbare,<br />

das ich empfing, und das mir fremd entglitt -<br />

ich will nicht, daß ich Rosen für dich spare,<br />

ich will sie jung in deinem jungen Haare,<br />

und wenn ich wieder in den Frühling fahre:<br />

dann mußt du mit.<br />

So viele Villen weiß ich jetzt, in denen<br />

kein fremder Fuß die große Stille stört,<br />

so viele Gärten, die sich sonnig sehnen,<br />

mit Abenden, Terrassen und Fontänen,<br />

und manche warme Nacht an Arnolehnen,<br />

die bange ist, weil sie nicht uns gehört.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

© GdC- georgeBook25


Täglich Rilke<br />

DIE LIEBENDEN<br />

Auguste Rodin, Der Kuss. 1899<br />

Die Liebenden<br />

Sieh, wie sie zu einander erwachsen:<br />

in ihren Adern wird alles Geist.<br />

Ihre Gestalten beben wie Achsen,<br />

um die es heiß und hinreißend kreist<br />

Dürstende, und sie bekommen zu trinken,<br />

Wache, und sieh: sie bekommen zu sehn.<br />

Laß sie ineinander sinken,<br />

um einander zu überstehn.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

(1908, Paris)<br />

© GdC- georgeBook26


Täglich Rilke<br />

DIE MENSCHEN WOLLENS NICHT VERSTEHEN<br />

Zwei Herzen haben sich gefunden<br />

- die Menschen wollens nicht verstehn -<br />

und die sich innig treu verbunden,<br />

sie sollen auseinander gehn!<br />

Doch mächtig einen sie die Triebe,<br />

man trennt sie, 's ist des Schicksals Lauf,<br />

doch in den Herzen glüht die Liebe<br />

in Sehnsucht um so mächtger auf.<br />

Er ist so bleich - sie sehns mit Bangen -<br />

und nicht zu ändern ist sein Sinn,<br />

es schwanden doch von ihren Wangen<br />

die Rosen auch schon längst dahin!<br />

Und eines Morgens trug man beide<br />

- die Menschen wollens nicht verstehn -<br />

zur Ruhe nach dem Erdenleide -<br />

dorthin, wo still die Kreuze stehn!<br />

Dort ruhen selig sie im Frieden<br />

des leeren Lebens matt und müd -<br />

geliebt, gehofft, getrennt, geschieden<br />

das ist das alte, alte Lied!<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Rainer Maria Rilke, Zeichnung von Lou Albert Lasard<br />

© GdC- georgeBook27


Täglich Rilke<br />

DER PANTHER<br />

Max Slevogt, die schwarzen Panther, 1901<br />

Der Panther<br />

Im Jardin des Plantes, Paris<br />

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe<br />

so müd geworden, daß er nichts mehr hält.<br />

Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe<br />

und hinter tausend Stäben keine Welt.<br />

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,<br />

der sich im allerkleinsten Kreise dreht,<br />

ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,<br />

in der betäubt ein großer Wille steht.<br />

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille<br />

sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,<br />

geht durch der Glieder angespannte Stille -<br />

und hört im Herzen auf zu sein.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Aus: Neue Gedichte (1907)<br />

© GdC- georgeBook28


Täglich Rilke<br />

ICH BIN ZUHAUSE<br />

Pierre-Cecile Puvis de Chavannes, Traum<br />

Ich bin zu Hause zwischen Tag und Traum.<br />

Dort wo die Kinder schläfern, heiß vom Hetzen,<br />

dort wo die Alten sich zu Abend setzen,<br />

und Herde glühn und hellen ihren Raum.<br />

Ich bin zu Hause zwischen Tag und Traum.<br />

Dort wo die Abendglocken klar verlangen<br />

und Mädchen, vom Verhallenden befangen,<br />

sich müde stützen auf den Brunnensaum.<br />

Und eine Linde ist mein Lieblingsbaum;<br />

und alle Sommer, welche in ihr schweigen,<br />

rühren sich wieder in den tausend Zweigen<br />

und wachen wieder zwischen Tag und Traum.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

© GdC- georgeBook29


Täglich Rilke<br />

REGENBOGEN<br />

Caspar David Friedrich, Gebirgslandschaft mit Regenbogen<br />

Regenbogen<br />

Aus geducktem Wetterunterstand<br />

in die freien Klärungen zu dringen:<br />

Land war klar wie klare Flüssigkeit;<br />

jeder Hof fing an, sich zu besingen,<br />

so als wäre größestes Vollbringen<br />

heimlich in geringen Dienst gereiht.<br />

Und dann wandten wir uns: Siehe: Vor<br />

Regenprunk verbrauchter Finsternisse<br />

mit der Flutung jener Himmelsrisse<br />

hingebognes Augentor.<br />

Drunter klarer noch das linke Land:<br />

Ernst, in einem Vorgefühl von Abend,<br />

mundhaft schweigend, tief getrunken habend,<br />

und mit starken Blumen zugewandt.<br />

<strong>RAINER</strong> <strong>MARIA</strong> <strong>RILKE</strong><br />

Chantilly,<br />

Mitte April 1914<br />

© GdC- georgeBook30


Täglich Rilke<br />

NORDSEE<br />

Nordsee<br />

I<br />

Die nächste Flut verwischt den Weg im Watt,<br />

und alles wird auf allen Seiten gleich;<br />

die kleine Insel draußen aber hat<br />

die Augen zu; verwirrend kreist der Deich<br />

um ihre Wohner, die in einen Schlaf<br />

geboren werden, drin sie viele Welten<br />

verwechseln, schweigend; denn sie reden selten,<br />

und jeder Satz ist wie ein Epitaph<br />

für etwas Angeschwemmtes, Unbekanntes,<br />

das unerklärt zu ihnen kommt und bleibt.<br />

Und so ist alles was ihr Blick beschreibt<br />

von Kindheit an: nicht auf sie Angewandtes,<br />

zu Großes, Rücksichtsloses, Hergesandtes,<br />

das ihre Einsamkeit noch übertreibt.<br />

II<br />

Als läge er in einem Krater-Kreise<br />

auf einem Mond: ist jeder Hof umdämmt,<br />

und drin die Gärten sind auf gleiche Weise<br />

gekleidet und wie Waisen gleich gekämmt<br />

von jenem Sturm, der sie so rauh erzieht<br />

und tagelang sie bange macht mit Toden.<br />

Dann sitzt man in den Häusern drin und sieht<br />

in schiefen Spiegeln was auf den Kommoden<br />

Seltsames steht. Und einer von den Sühnen<br />

tritt abends vor die Tür und zieht ein Tönen<br />

aus der Harmonika wie Weinen weich;<br />

so hörte ers in einem fremden Hafen -.<br />

Und draußen formt sich eines von den Schafen<br />

ganz groß, fast drohend, auf dem Außendeich.<br />

S 29 Nordsee<br />

© GdC- georgeBook31


Täglich Rilke<br />

NORDSEE<br />

III<br />

Nah ist nur Innres; alles andre fern.<br />

Und dieses Innere gedrängt und täglich<br />

mit allem überfüllt und ganz unsäglich.<br />

Die Insel ist wie ein zu kleiner Stern<br />

welchen der Raum nicht merkt und stumm zerstört<br />

in seinem unbewussten Furchtbarsein,<br />

so dass er, unerhellt und überhört,<br />

allein<br />

damit dies alles doch ein Ende nehme<br />

dunkel auf einer selbsterfundnen Bahn<br />

versucht zu gehen, blindlings, nicht im Plan<br />

der Wandelsterne, Sonnen und Systeme.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

23. und 24.7.1906,<br />

Paris<br />

Fank Buchser (Schweiz) Landschaft mit stürmischer See.<br />

© GdC- georgeBook32


Täglich Rilke<br />

LIED VOM MEER<br />

Walter Crane, Die Rosse des Neptun, 1893<br />

LIED VOM MEER<br />

Capri. Piccola Marina<br />

Uraltes Wehn vom Meer,<br />

Meerwind bei Nacht:<br />

du kommst zu keinem her;<br />

wenn einer wacht,<br />

so muss er sehn, wie er<br />

dich übersteht:<br />

uraltes Wehn vom Meer<br />

welches weht<br />

nur wie für Ur-Gestein,<br />

lauter Raum<br />

reißend von weit herein....<br />

O wie fühlt dich ein<br />

treibender Feigenbaum<br />

oben im Mondschein.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

vor dem 26.1.1907<br />

Capri.<br />

© GdC- georgeBook33


Täglich Rilke<br />

FORTSCHRITT<br />

Fritz Mackensen, Einsame Fahrt. 1900<br />

Fortschritt<br />

Und wieder rauscht mein tiefes Leben lauter,<br />

als ob es jetzt in breitern Ufern ginge.<br />

Immer verwandter werden mir die Dinge<br />

und alle Bilder immer angeschauter.<br />

Dem Namenlosen fühl ich mich vertrauter:<br />

Mit meinen Sinnen, wie mit Vögeln, reiche<br />

ich in die windigen Himmel aus der Eiche,<br />

und in den abgebrochnen Tag der Teiche<br />

sinkt, wie auf Fischen stehend, mein Gefühl.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Aus: Das Buch der Bilder<br />

Mein Leben ist nicht diese steile Stunde ….<br />

Mein Leben ist nicht diese steile Stunde,<br />

darin du mich so eilen siehst.<br />

Ich bin ein Baum vor meinem Hintergrunde,<br />

ich bin nur einer meiner vielen Munde<br />

und jener, welcher sich am frühsten schließt.<br />

Ich bin die Ruhe zwischen zweien Tönen,<br />

die sich nur schlecht aneinander gewöhnen:<br />

denn der Ton Tod will sich erhöhn -<br />

Aber im dunklen Intervall versöhnen<br />

sich beide zitternd.<br />

Und das Lied bleibt schön.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Aus: Das Stundenbuch<br />

Buch vom Mönchischen Leben (1899)<br />

© GdC- georgeBook34


Täglich Rilke<br />

DIE LIEBENDE<br />

Albert Lynch, Portrait einer jungen Frau. 1900<br />

Ja ich sehne mich nach dir. Ich gleite<br />

mich verlierend selbst mir aus der Hand,<br />

ohne Hoffnung, daß ich Das bestreite,<br />

was zu mir kommt wie aus deiner Seite<br />

ernst und unbeirrt und unverwandt.<br />

... jene Zeiten: O wie war ich Eines,<br />

nichts was rief und nichts was mich verriet;<br />

meine Stille war wie eines Steines,<br />

über den der Bach sein Murmeln zieht.<br />

Aber jetzt in diesen Frühlingswochen<br />

hat mich etwas langsam abgebrochen<br />

von dem unbewußten dunkeln Jahr.<br />

Etwas hat mein armes warmes Leben<br />

irgendeinem in die Hand gegeben,<br />

der nicht weiß was ich noch gestern war.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Aus: Das Buch der Bilder<br />

© GdC- georgeBook35


Täglich Rilke<br />

WIR LÄCHELN LEIS IM ABENDWIND<br />

Caspar David Friedrich, 1774 bis 1840, Der Abend.<br />

Wir lächeln leis im Abendwind,<br />

Wenn sich die Blumen schwankend küssen<br />

Und wenn die Vögel müde sind.<br />

Weil wir nicht mit der Sonne müssen,<br />

Die breit auf flachen Abendflüssen<br />

Aus unsern Wiesentalen rinnt.<br />

Wir bleiben und wir sehn die Nacht<br />

Aufwachsen weit und Wunder werden,<br />

Sehn Berge Bilder und Gebärden<br />

Viel größer als wir je gedacht.<br />

Sehn was die Blüten nicht ertrügen,<br />

Was Vögel erst nach langen Flügen<br />

Erreichen würden stellt sich nah<br />

Und was am Morgen schon erstarrt<br />

In Stille ist und Gegenwart,<br />

Wir kannten es, als es geschah....<br />

Rainer Maria Rilke<br />

© GdC- georgeBook36


Täglich Rilke<br />

BEGEGNUNG IN DER KASTANIEN ALLEE<br />

Vincent van Gogh, Kastanien Allee. Rote Kastanien im öffentlichen Park in Arles<br />

Begegnung in der Kastanien-Allee<br />

Ihm ward des Eingangs grüne Dunkelheit<br />

kühl wie ein Seidenmantel umgegeben<br />

den er noch nahm und ordnete: als eben<br />

am andern transparenten Ende, weit,<br />

aus grüner Sonne, wie aus grünen Scheiben,<br />

weiß eine einzelne Gestalt<br />

aufleuchtete, um lange fern zu bleiben<br />

und schließlich, von dem Lichterniedertreiben<br />

bei jedem Schritte überwallt,<br />

ein helles Wechseln auf sich herzutragen,<br />

das scheu im Blond nach hinten lief.<br />

Aber auf einmal war der Schatten tief,<br />

und nahe Augen lagen aufgeschlagen<br />

in einem neuen deutlichen Gesicht,<br />

das wie in einem Bildnis verweilte<br />

in dem Moment, da man sich wieder teilte:<br />

erst war es immer, und dann war es nicht<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Aus :"Der neuen Gedichte anderer Teil"<br />

Es ist im Sommer 1908 in Paris entstanden.<br />

© GdC- georgeBook37


Täglich Rilke<br />

FRÜHLING<br />

Vincent van Gogh, Pfirsichbäume in voller Blüte.<br />

Nicht so sehr der neue Schimmer tats,<br />

daß wir meinen, Frühling mitzuwissen,<br />

als ein Spiel von sanften Schattenrissen<br />

auf der Klärung eines Gartenpfads.<br />

Schatten eignet uns den Garten an.<br />

Blätterschatten lindert unsern Schrecken,<br />

wenn wir in der Wandlung, die begann,<br />

uns schon vorverwandelter entdecken.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

© GdC- georgeBook38


Täglich Rilke<br />

DIE STERNENNACHT<br />

Vincent van Gogh, Sternennacht, 1889<br />

Die Sternennacht<br />

Es schließt der Tag die goldnen Lider,<br />

und aus den klaren Fernen sacht<br />

gießt mählich ihren Mohnsaft nieder<br />

die mitleidvolle Sternennacht.<br />

In Flur und Hain ist jedes Leben<br />

und jeder Ton verhallt, - vergellt -<br />

nur trostvertraute Träume schweben<br />

auf Silberflügeln durch die Welt...<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Prag, 1893<br />

© GdC- georgeBook39


Täglich Rilke<br />

DAS LIED VON DEN LILIEN<br />

Das Lied von den Lilien<br />

Stina Frisell zu eigen.<br />

Carlos Schwabe, Die Jungfrau der Lilien.<br />

Jetzt weiß ich es, jetzt sah ich es von nah<br />

wie Lilien leben und daß sie nicht spinnen;<br />

so oft man eintritt stehn sie dicht in Sinnen,<br />

vielleicht in Träumen stehn sie da.<br />

Der Dichter aber spinnt für sie.<br />

Und doch ist Kraft in ihnen, und die Luft<br />

um sie ist warm von ihrer Kraft; sie hängen<br />

wie Glocken einer weißen Leidenschaft,<br />

die niemals läuten, in dem Turm aus Duft.<br />

Der Dichter aber klingt für sie.<br />

Sind nicht ganz so die jungen Mädchen, welche<br />

nichts nehmen können aus des Lebens Hand,<br />

weil ihrer Herzen große weiße Kelche<br />

von ihnen selber voll sind bis zum Rand -?<br />

Der Dichter aber lebt für sie.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Schweden, Herbst 1904<br />

© GdC- georgeBook40


Täglich Rilke<br />

MONDNACHT<br />

Felix Carpentier, Vollmond über See, 1895<br />

Mondnacht<br />

Weg in den Garten, tief wie ein langes Getränke,<br />

leise im weichen Gezweig ein entgehender Schwung.<br />

Oh und der Mond, der Mond, fast blühen die Bänke<br />

von seiner zögernden Näherung.<br />

Stille, wie drängt sie. Bist du jetzt oben erwacht?<br />

Sternig und fühlend steht dir das Fenster entgegen.<br />

Hände der Winde verlegen<br />

an dein nahes Gesicht die entlegenste Nacht.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Anfang Juli 1911, Paris<br />

Gedichte 1906 bis 1926.<br />

Aus: Sammlung der verstreuten und nachgelassenen Gedichte<br />

aus den mittleren und späten Jahren.<br />

© GdC- georgeBook41


Täglich Rilke<br />

EINE STUNDE AM RANDE DES TAGES<br />

Eine Stunde vom Rande des Tages,<br />

und das Land ist zu allem bereit.<br />

Was du sehnst, meine Seele, sag es:<br />

Sei Heide und, Heide, sei weit.<br />

Habe alte, alte Kurgane,<br />

wachsend und kaumerkannt,<br />

wenn es Mond wird über das plane<br />

langvergangene Land.<br />

Gestalte dich, Stille. Gestalte<br />

die Dinge (es ist ihre Kindheit,<br />

sie werden dir willig sein).<br />

Sei Heide, sei Heide, sei Heide,<br />

dann kommt vielleicht auch der Alte,<br />

den ich kaum von der Nacht unterscheide,<br />

und bringt seine riesige Blindheit<br />

in mein horchendes Haus herein.<br />

Ich seh ihn sitzen und sinnen,<br />

nicht über mich hinaus;<br />

für ihn ist alles innen,<br />

Himmel und Heide und Haus.<br />

Nur die Lieder sind ihm verloren,<br />

die er nie mehr beginnt;<br />

aus vielen tausend Ohren<br />

trank sie die Zeit und der Wind;<br />

aus den Ohren der Toren.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

14.10.1899<br />

Berlin-Schmargendorf<br />

Rainer Maria Rilke um 1900<br />

© GdC- georgeBook42


Täglich Rilke<br />

SCHLUSS-STÜCK<br />

George Frederick Watts, Zeit Tod, und Gericht, 1886<br />

Schlußstück<br />

Der Tod ist groß.<br />

Wir sind die Seinen<br />

lachenden Munds.<br />

Wenn wir uns mitten im Leben meinen,<br />

wagt er zu weinen<br />

mitten in uns.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Täglich Rilke!<br />

© GdC- georgeBook43


Täglich Rilke<br />

IMPRESSUM<br />

IMPRESSUM<br />

Author<br />

George de Courtenay<br />

Juni 2014<br />

Mit 31 Gedichten<br />

von Rainer Maria Rilke<br />

Täglich Rilke.<br />

Kunst .<br />

verschiedener Künstler<br />

und Gemeinfreie Bilder aus der Wikipedia.<br />

Alle Gedichte und Bilder finden sich in meinem Blog<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Mit Rilke durch das Jahr<br />

unter folgender Adresse, ebeso<br />

das Impressum zu meinen Blogs,<br />

Impressum, Haftungsauschluss, Urheberrecht, Disclaimer etc.,<br />

hier der Link zur Seite<br />

Mein Blog Semsakrebsler,<br />

Mein Blog Rainer Maria Rilke.<br />

Email:<br />

decourtenay at gmail . Com<br />

Gewidmet meiner Monika.<br />

Stuttgart, 10. Juni 2014<br />

© GdC- georgeBook44


Täglich Rilke<br />

Zusammenfassung<br />

Gedichte | Gemälde, Künstler | Quellen.<br />

GEDICHTE<br />

Der Ursprung der Gedichte wird im einzelnen Artickel bezeichnet,<br />

sollte das nicht der Fall sein, findet sich hier eine Aufstellung der<br />

verwendeten Gedichte von Raier Maria Rilke:<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Chronik seines Lebens und seines Werkes,<br />

von Ingeborg Schnack Band I und II 1875 – 1926<br />

Insel Berlag<br />

Sämtliche Werke Insel Verlag Frankfurt<br />

Gedicht aus: Rainer Maria Rilke Sämtliche Werke.<br />

Ernst Zinn - Insel Verlag Frankfurt a. Main 1955<br />

Ralph Freedmann<br />

Rainer Maria Rilke.<br />

Der junge Dichter 1875-1906<br />

Donald A. Prater<br />

Ein klingendes Glas.<br />

Das Leben Rainer Maria Rilkes<br />

Eine Biographie<br />

Rainer Maria Rilke,<br />

Gesammelte Werke. Bd. 3:Gedichte. Dritter Teil. Leipzig,<br />

Insel-Verlag 1927, S. 460-462.<br />

KUNST & KÜNSTLER<br />

Gemälde. Der Ursprung der Bilder ist die Wikipedia,<br />

andere freie Internet Quellen,<br />

Bücher, eigene Scans,<br />

mit ihren enstprechenden Artikel und Bildern der Künstler.<br />

Die Künstler im Einzelnen sind:<br />

S1 Lou Albert Lasard Portrait Rainer Maria Rilke. 1916<br />

S4 Paul Cézanne Blumen Detail<br />

S5 Ary Scheffer, Francesca da Rimini en<br />

Paolo Malatesta von Dante und Vergilius gesehen. 1854<br />

S6 Carlos Schwabe, Frau mit Leier<br />

S7 Charles Julian Theodore Tharp<br />

S10 Maurice Pendergast, Venedig Canalszene, 1898 – 1899<br />

S 11 dto. Maurice Pendergast, Venedig<br />

© GdC- georgeBook45


Täglich Rilke<br />

ZUSAMMENFASSUNG<br />

KUNST & KÜNSTLER<br />

Fortsetzung.<br />

S12 Pierre Bonnard, Paris, Rue Tholoze, 1897.<br />

S13 Zeichnung der Rigaer Malerin Anna Schellwitz Hellman.<br />

S14 eigener Scan<br />

S 14 Paul Cézanne, Hortensien, mit einem Bild von Hortense Cézanne.<br />

S 16 Paula Moderson Becker, schlafende Schöne unter der Rosenpergola.<br />

S 17 Berthe Morisot, Dame und Kind auf einem Balkon. 1872<br />

S 18 George Henry Boughton, der Rosengarten<br />

S 19 Gustave Courbet, Junge Frau arrangiert Blumen. 1862<br />

S 20 Pierre Auguste Renoir, Stillleben, Rosen vor einem blauen Vorhang<br />

S 21 Willy Jaeckel, Dame in Gelb<br />

S 22 J.W. Alexander, Erinnerungen, 1903<br />

S 23 Auguste Rodin, Der Kuss. 1899<br />

S 24 Rainer Maria Rilke, Zeichnung von Lou Albert Lasard<br />

S 25 Max Slevogt, die schwarzen Panther, 1901<br />

S 26 Pierre-Cecile Puvis de Chavannes, Traum<br />

S 27 Caspar David Friedrich, Gebirgslandschaft mit Regenbogen<br />

S 29 Fank Buchser (Schweiz) Landschaft mit stürmischer See.<br />

S 30 Walter Crane, Die Rosse des Neptun, 1893<br />

S 31 Fritz Mackensen, Einsame Fahrt. 1900<br />

S 32 Albert Lynch, Portrait einer jungen Frau. 1900<br />

S 33 Caspar David Friedrich, 1774 bis 1840, Der Abend.<br />

S 34 Vincent van Gogh, Kastanien Allee. Rote Kastanien im öffentlichen Park in Arles<br />

S 35 Vincent van Gogh, Pfirsichbäume in voller Blüte.<br />

S 36 Vincent van Gogh, Sternennacht, 1889<br />

S 37 Carlos Schwabe, Die Jungfrau der Lilien.<br />

S 38 Felix Carpentier, Vollmond über See, 1895<br />

S 39 Rilke um 1900 Fotografie<br />

S 40 George Frederick Watts, Zeit Tod, und Gericht, 1886<br />

© GdC- georgeBook46


Täglich Rilke<br />

MAISON COURTENAY<br />

Ein<br />

georgeBook<br />

Weitere Bücher:<br />

Rainer Maria Rilke,<br />

Christus, Elf Visionen,<br />

Jesus der Jude von Lou Andreas Salomé,<br />

Bearbeitet von George de Courtenay<br />

Täglich Rilke<br />

Fragment von den Einsamen<br />

© GdC- georgeBook47


Täglich Rilke<br />

© GdC- georgeBook48

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