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Erzählung | Der Schnee, der für immer mit dir verbunden sein wird. | 11<br />
Frage nach der Existenz der Scheibe beantworten<br />
würde, wäre ich verwirrt. Sie könnte mich küssen,<br />
als Zeichen für unsere große Distanz. Nähe ist immer<br />
ein Indiz für ausgeprägte Disharmonie. Für<br />
eine Störung des Gleichgewichts. Man geht nur<br />
aufeinander zu, wenn man mit seinem Körper etwas<br />
hinter sich verstecken möchte.<br />
Ich könnte zu ihr herüber gehen, um die Schritte<br />
zu zählen. Dann hätte ich eine greifbare Entfernungsangabe.<br />
Sind es fünf oder mehr als hundert<br />
Schritte, möglicherweise entflieht die Zahl ins Unendliche.<br />
Schon bei einem geringen Ergebnis könnte<br />
ich wahrscheinlich nur mathematische Angaben<br />
machen.<br />
Woran erinnerst du dich, wenn ich dich nach dem<br />
Schnee frage?<br />
Geistige Verbundenheit. Ein besserer Gradmesser,<br />
du bist so still.<br />
Es fällt etwas vom Himmel. Es ist kein Schnee,<br />
der würde den Raum nur noch weiter verdunkeln.<br />
Draußen läuft Regen in die Rinne, um irgendwo in<br />
ein Fass oder einen Fluss abzufließen. Nicht nur du,<br />
kleine Eva, wurdest schon lange aus dem Paradies<br />
vertrieben, wovon auch nur ich glaube, dass es im<br />
Himmel gewesen sein muss. Und jetzt, wo ist es<br />
jetzt?<br />
Wir haben einen Schmetterling eingesperrt, als<br />
wir die Türen des Glashauses geschlossen haben.<br />
Auch er fragt sich, was hinter dem Fenster ist und<br />
beobachtet uns.<br />
Man könnte sagen: Ich fühle mich in der Nähe<br />
wohl. Nur weiß ich nicht, ob ich in deiner Nähe bin.<br />
Es ist schwierig, den Quell meines Hochgefühls zu<br />
bestimmen. Du liegst zwischen den Malereien deines<br />
Vaters. Ein kräftiges Blau leuchtet halbdunkel<br />
zwischen den Rahmen und gibt dir eine Form. Es<br />
verleiht dir eine Aura. Wäre ich näher dran, könnte<br />
ich nur eine Farbe sehen, in der du zu verschwimmen<br />
drohst.<br />
Ich mache mir nichts aus Schönheiten. Es stellen<br />
sich andere Dinge in den Vordergrund, wenn man<br />
sich drei Jahre lang nicht sieht. Jetzt habe ich Fotos<br />
von dir. Es wird alles anders werden. Ich werde<br />
sie entwickeln lassen und nach Hause tragen, um<br />
dich zu beschreiben. Ich könnte jetzt schon damit<br />
anfangen, für den aktuellen Zusammenhang, der<br />
Vollständigkeit halber; noch sind meine Eindrücke<br />
frisch und unberührt wie eben gefallener Schnee.<br />
Aber nein – Ich möchte nicht damit beginnen. Wir<br />
wollen bei der Schrift bleiben.<br />
Und dann? Die Zeit wird voranschreiten und die<br />
Jahre werden wechseln. Ohne unser Zutun oder gemeinsame<br />
Teilnahme an irgendwelchen Festen. Es<br />
werden Briefe kommen. Werden beantwortet werden.<br />
Vielleicht nur mit ein paar Zeilen zur gegenseitigen<br />
Beruhigung des gemeinsamen Gewissens.<br />
Aber ab jetzt werde ich dich beim Schreiben vor mir<br />
sehen. An deinem Schreibtisch, den Blick nach<br />
draußen gerichtet, in den Garten, auf die Kastanienbäume,<br />
die ihre Blätter verlieren werden, bevor sich<br />
der erste Schnee auf sie niedersetzen kann.