Download - Schott Music
Download - Schott Music
Download - Schott Music
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Alle Jahre… – schon wieder!?<br />
2 3<br />
Ideen für den Unterricht mit (guten) Weihnachtsliedern<br />
Alle Jahre… – schon wieder!?<br />
Ideen für den Unterricht mit (guten) Weihnachtsliedern<br />
Bianka Wüstehube<br />
Lebkuchen und Vanillekipferl im Regal<br />
des Supermarkts kündigen schon Ende<br />
September das bevorstehende Weihnachtsfest<br />
an. Von Konsumenten wird<br />
diese Marktstrategie im Allgemeinen<br />
bestöhnt oder belächelt. Für Instrumentallehrkräfte<br />
hingegen ist das Auftauchen<br />
der Kekse im Supermarkt ein<br />
deutlicher Hinweis darauf, nun endlich<br />
die Weihnachtslieder und weihnachtlichen<br />
Musikstücke aus dem Notenregal<br />
hervorzuholen.<br />
Bereits im Oktober beginnt in der Musikschule<br />
die Weihnachtssaison. Jeder<br />
Instrumentallehrende muss Weihnachtslieder<br />
unterrichten und es spielt<br />
dabei keine Rolle, ob ihm oder ihr das<br />
gefällt oder nicht. Auch die Kategorie<br />
„Gute Stücke“ gilt hier nicht. Es gibt<br />
einfach einen Kanon der bekanntesten<br />
Weihnachtslieder, der von den meisten<br />
Schülern und Schülerinnen gespielt<br />
werden möchte. Das erwarten sie –<br />
nebst den dazugehörigen Familien.<br />
Man stelle sich vor, die Oma fragt ihren<br />
achtjährigen Enkel, ob er unter dem<br />
Tannenbaum ihr zu Liebe Alle Jahre<br />
wieder spielen könne, und das Kind<br />
antwortet: „Liebe Oma, ich würde<br />
gerne, aber mein Lehrer lehnt das Unterrichten<br />
und Spielen jeglicher Art von<br />
Weihnachtsliedern ab…“<br />
Diejenigen, die viele Anfänger und<br />
Anfängerinnen unterrichten, trifft es<br />
besonders stark. Es kann passieren,<br />
dass man den kompletten November<br />
und Dezember quasi ganztägig fünf<br />
Tage die Woche Weihnachtslieder<br />
unterrichten muss. Hinzu kommen<br />
dann am Wochenende noch die<br />
weihnachtlichen Vorspiele und Klassenabende.<br />
An der Anton Bruckner<br />
Privatuniversität in Linz ist für Studierende<br />
im Studienplan ein einwöchiges<br />
Musikschulpraktikum vorgesehen. Als<br />
dieses einmal im Dezember stattfand,<br />
kamen die Studierenden ziemlich<br />
geschlaucht wieder. Einige zweifelten<br />
nach einer Woche Weihnachtslieder<br />
an ihrer Berufswahl. So anstrengend<br />
hatten sie sich ihren zukünftigen Job<br />
nicht vorgestellt.<br />
Dabei können Weihnachtslieder, wenn<br />
sie gut gespielt und arrangiert sind, so<br />
schön sein und viel Raum für abwechslungsreiches<br />
musikalisches Arbeiten<br />
bieten. Vor allen Dingen aber ist die<br />
Weihnachtsliedersaison eine sehr<br />
produktive Zeit, in der die Schüler und<br />
Schülerinnen viel üben und mit Lust<br />
musizieren. Das hat gute Gründe:<br />
• Sie kennen die Lieder und haben<br />
eine Klangvorstellung von dem, was<br />
sie spielen wollen. Wie oft können<br />
Schüler und Schülerinnen ihr Stück<br />
nicht auditieren und spielen dann<br />
musikalischen Nonsens, da sie in<br />
ihrem Kopf durch fehlende Klangvorstellung<br />
keine Möglichkeit haben,<br />
das Gespielte auf seine Richtigkeit zu<br />
überprüfen.<br />
• Die Lieder sind (bei den allermeisten)<br />
emotional positiv besetzt. Weihnachten<br />
ist ein besonderes Fest. Die Familie<br />
kommt zusammen. Es gibt gutes<br />
Essen, faszinierende Geheimnisse und<br />
(viele) schöne Geschenke.<br />
• Das Feedback für die Schüler und<br />
Schülerinnen ist groß. Die Oma ist<br />
gerührt, der Vater ist stolz und kann<br />
mitsingen und selbst die Nachbarin,<br />
die sonst nur am 24. Dezember ihre<br />
Weihnachtsliederlangspielplatte von<br />
Roger Whittaker hört, freut sich über<br />
echt Gespieltes.<br />
• Die Schüler und Schülerinnen haben<br />
viele Auftrittsmöglichkeiten und werden<br />
sogar selbst um Auftritte angefragt:<br />
in der Klasse, beim Schulfest, in<br />
der Kirche etc. Einer meiner Schüler<br />
musizierte z. B. auf der Weihnachtsfeier<br />
in der Firma seiner Mutter.<br />
Instrumentallehrende können diese<br />
enormen Vorteile nutzen und sollten<br />
die Weihnachtsliedersaison aus den<br />
oben genannten Gründen eher ausdehnen<br />
als verkürzen. Kurzweiliger<br />
für die Unterrichtenden wird es, wenn<br />
sie das Repertoire erweitern. Die<br />
Auswahl an guten Weihnachtsliedern<br />
ist nämlich weit größer als die, die in<br />
Instrumentalschulen und einschlägigen<br />
Weihnachtsheftchen zu finden<br />
sind. Abwechslungsreicher wird es,<br />
wenn viele unterschiedliche Zugänge<br />
zu den Stücken gewählt werden, zu<br />
unterschiedlichen Interpretationen<br />
anregt wird und z. B. mit Jugendlichen<br />
auch parodistische Zugänge erarbeitet<br />
werden.<br />
Lasst uns froh und munter sein<br />
Schon im November kann mit dem Lied<br />
Lasst uns froh und munter sein begonnen<br />
werden, denn die Kinder wollen es ja<br />
bereits zum Nikolaustag spielen können.<br />
Bei diesem Lied lohnt es sich, viele<br />
Strophen zu spielen, da die Texte von<br />
der Aussage her völlig unterschiedlich<br />
sind und jeweils ganz unterschiedliche<br />
Interpretationen zulassen. 1<br />
1. Lasst uns froh und munter sein<br />
und uns recht von Herzen freun!<br />
Lustig, lustig traleralera,<br />
bald ist Nikolausabend da,<br />
bald ist Nikolausabend da.<br />
In der ersten Strophe werden die Zuhörenden<br />
musikalisch eingeladen sich<br />
zu freuen. Die Musik muss auffordernden,<br />
ermunternden Charakter haben.<br />
Und natürlich soll die Freude auf den<br />
bevorstehenden Nikolaustag zu hören<br />
sein. Die Achtel der Melodie oder die<br />
Begleitstimme 2 könnten z. B. punktiert<br />
gespielt werden. Zur Vorübung wird<br />
mit den sechs aufsteigenden Tönen aus<br />
Takt 5 und 6 isoliert die nötige Technik<br />
geübt, um diesen Klangcharakter<br />
umsetzen zu können.<br />
2. Bald ist unsere Schule aus,<br />
dann ziehn wir vergnügt nach Haus.<br />
Lustig, lustig…<br />
Nach der ersten Strophe folgt eine<br />
Zwischenkomposition mit Motiven unterschiedlicher<br />
Schulglocken. Es gibt die<br />
tollsten Pausenklingelmelodien in<br />
Schulen. Alle meine Schüler und Schülerinnen<br />
konnten bis jetzt den Klingelton<br />
oder die -melodie ihrer Schule sehr gut<br />
singen und am Instrument imitieren.<br />
Anschließend wird die zweite Strophe<br />
im Andante gespielt. In der Begleitstimme<br />
sind die Schritte der Kinder auf dem<br />
Nachhauseweg zu hören. Es könnte aber<br />
auch sein, dass die Schüler und Schülerinnen<br />
sich dafür entscheiden, nach Hause<br />
zu rennen. Der Strophentext lässt das<br />
ja offen. Dann würde die Melodie vermutlich<br />
mit vielen Tonwiederholungen<br />
im Allegro gespielt werden.<br />
3. Dann stell ich den Teller auf,<br />
Niklaus legt gewiss was drauf.<br />
Lustig, lustig…<br />
Hier gibt es viele Traditionen. Die einen<br />
hängen einen Strumpf auf, die anderen<br />
stellen einen Schuh hinaus, die dritten<br />
stellen einen Teller auf den Tisch etc.<br />
Was die Kinder auch tun: Sie tun es mit<br />
großer Sorgfalt, in aller Ruhe und bedacht.<br />
So muss diese Strophe klingen.<br />
4. Wenn ich schlaf, dann träume ich:<br />
Jetzt bringt Nikolaus was für mich.<br />
Lustig, lustig…<br />
Nach einer decrescendierenden Zwischenimprovisation<br />
mit dem Thema<br />
„Einschlafen“ spielen die Schüler und<br />
Schülerinnen die vierte Strophe langsam<br />
und cantabile im Pianissimo. Die<br />
Begleitstimme spielt legato. Träumerisch<br />
soll es klingen.<br />
5. Wenn ich aufgestanden bin,<br />
lauf ich schnell zum Teller hin.<br />
Lustig, lustig…<br />
Die Zwischenimprovisation von der<br />
vierten zur fünften Strophe verläuft im<br />
Crescendo mit gleichzeitigem Accelerando.<br />
Und auch die Strophe soll sehr langsam<br />
und leise beginnen und dann immer<br />
schneller werdend im Fortissimo enden.<br />
6. Niklaus ist ein braver Mann,<br />
dem man nicht g’nug danken kann.<br />
Lustig, lustig…<br />
Vor dieser Strophe kann es ganz unterschiedliche<br />
Themen für ein Zwischenspiel<br />
geben, denn die Schüler und Schülerinnen<br />
werden ganz verschiedene<br />
Vorstellungen von Freude haben. Der<br />
eine freut sich jubelnd, die andere freut<br />
sich eher still, der dritte ist überrascht,<br />
ihm fehlen vor Freude die Worte etc.<br />
Jeder Schüler, jede Schülerin könnte<br />
hier ein eigenes freudiges Zwischenspiel<br />
erfinden. Zum Abschluss erklingt dann<br />
dankbar, festlich, in tiefster Hochachtung<br />
die letzte Strophe. Dieser musikalische<br />
Ausdruck kann wieder zunächst mit den<br />
Tönen der Tonleiter probiert werden.<br />
So können in dem Lied Lasst uns froh<br />
und munter sein auf Grundlage der<br />
Strophentexte jede Strophe anders gespielt<br />
und individuelle Zwischenspiele<br />
gestaltet werden.<br />
Jingle Bells<br />
Oft lohnt es sich, alle Strophen der Weihnachtslieder<br />
anzuschauen. Kaum jemand<br />
kennt z. B. die zweite und dritte Strophe<br />
von Jingle Bells. Der Text ist ziemlich<br />
rabiat. Da heißt es in der zweiten Strophe:<br />
Day or two ago<br />
I thought I’d take a ride,<br />
and soon Miss Fannie Bright<br />
was seated by my side.<br />
The horse was lean and lank,<br />
misfortune seemed his lot,<br />
he got into a drifted bank<br />
and we, we got upsot. 3<br />
Vielleicht ist dieser Text für einige<br />
Schülerinnen und Schüler eine interessante<br />
Grundlage für eine Interpretation.<br />
Wenn Miss Bright einsteigt (ich stelle<br />
sie mir freundlich und etwas dicklich<br />
vor), könnte die Melodie etwas langsamer<br />
und behäbig klingen. Ganz schlank<br />
und schlacksig klingt sie an der Stelle<br />
des dünnen Pferdes. Beim Sturz könnte<br />
man zwei Takte einschieben, in denen<br />
eine Tonleiter hinunterstürzt und in<br />
einem Fortissimo-Tremolo endet.<br />
In der dritten Strophe von Jingle Bells<br />
nehmen die Schlittenfahrer sich Mädchen<br />
mit und veranstalten ein Pferdeschlittenrennen.<br />
Wenn es um Schnelligkeit<br />
in einem Wettrennen geht, dann<br />
könnte man im Gruppenunterricht ja