Kinder zu Wort kommen lassen - Schulz-Kirchner Verlag
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Heike Gede | Simone Kriege | Helen Strebel | Isabella Sulzmann-Dauer<br />
<strong>Kinder</strong> <strong>zu</strong> <strong>Wort</strong> <strong>kommen</strong> <strong>lassen</strong><br />
Die adaptierte Version des<br />
Canadian Occupational Performance Measure<br />
für Grundschulkinder (COPM a-kids )<br />
Handbuch und Materialien <strong>zu</strong>r praktischen Anwendung
Neue Reihe Ergotherapie<br />
Herausgeber:<br />
Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.<br />
Reihe 2: Fachbereich Pädiatrie<br />
Band 13<br />
Alle vier Autorinnen arbeiten seit 2002 in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe <strong>zu</strong>m COPM, der klientenzentrierten<br />
Praxis sowie der betätigungsorientierten Ergotherapie.<br />
2003 begannen sie mit der Durchführung einer explorativen Studie <strong>zu</strong>r praktischen Durchführung<br />
und Anwendung des Canadian Occupational Performance Measure (COPM) in adaptierter Version<br />
(COPMa-kids) für Grundschulkinder. Dieses Handbuch und seine Materialien stützen sich auf die<br />
wichtigsten Erkenntnisse und Ergebnisse dieser Studie.<br />
Heike Gede schloss<br />
ihre Ausbildung <strong>zu</strong>r<br />
Ergotherapeutin 1995<br />
in Düren ab. Sie ist Absolventin<br />
des Bachelor-Studiums<br />
an der<br />
Hogeschool Zuyd in<br />
Heerlen/NL, Gesundheitswissenschaftlerin<br />
(MPH), Lehrkraft für<br />
Medizinalfachberufe<br />
sowie CO-OP Trainerin.<br />
Seit Abschluss der Berufsausbildung<br />
ist sie<br />
in verschiedenen Einrichtungen<br />
im Fachbereich<br />
Pädiatrie (Praxis,<br />
Schule, Frühförderung,<br />
Sozialpädiatrisches<br />
Zentrum) sowie seit<br />
2007 als Lehrkraft an<br />
einer Berufsfachschule<br />
für Ergotherapie tätig.<br />
Helen Strebel schloss<br />
ihre Ausbildung <strong>zu</strong>r<br />
Ergotherapeutin 1995<br />
in Würzburg ab. Zudem<br />
absolvierte sie<br />
das Bachelor-Studium<br />
an der Hogeschool<br />
Zuyd in Heerlen/NL<br />
und einen Masterstudiengang<br />
der Sozialwissenschaften<br />
an<br />
der FH Köln. Seit Abschluss<br />
der Berufsausbildung<br />
ist sie im<br />
pädiatrischen Bereich<br />
tätig. Sie arbeitete in<br />
verschiedenen Praxen<br />
und Frühförderzentren.<br />
Seit 2007<br />
unterrichtet sie als<br />
Lehrkraft an einer Berufsfachschule<br />
für Ergotherapie<br />
und im dualen<br />
Studiengang als<br />
Hochschuldozentin.<br />
Simone Kriege schloss<br />
ihre Ausbildung <strong>zu</strong>r<br />
Ergotherapeutin 2001<br />
an der ETOS Ergotherapieschule<br />
Osnabrück<br />
ab und absolvierte im<br />
Anschluss das Aufbaustudium<br />
in Heerlen/<br />
NL. Sie arbeitete ein<br />
Jahr am Deutschen<br />
Zentrum für Alternsforschung<br />
in Heidelberg<br />
und seit 2003 im<br />
Fachbereich Pädiatrie<br />
(Sprachheilkindergarten,<br />
Frühförderung).<br />
Sie ist CO-OP Therapeutin<br />
und Trainerin.<br />
Lehrend ist sie an<br />
der ETOS Schule Osnabrück<br />
und an der<br />
Fachhochschule Osnabrück<br />
tätig.<br />
Isabella Dauer ist seit<br />
1998 Ergotherapeutin,<br />
absolvierte ihre Ausbildung<br />
in Karlsbad-<br />
Langensteinbach und<br />
arbeitete in verschiedenen<br />
Einrichtungen<br />
(Sonderschule, <strong>Kinder</strong>spital<br />
und Praxis) in<br />
Deutschland und der<br />
Schweiz. Sie ist Absolventin<br />
des Bachelor-<br />
Aufbaustudiums der<br />
Hogeschool Zuyd in<br />
Heerlen/NL (2002).<br />
Zusammen mit Helen<br />
Strebel wurde sie für<br />
ihre gemeinsame Abschlussarbeit<br />
„Don`t<br />
tell – ask!“ mit dem Ergotherapiepreis<br />
2004<br />
ausgezeichnet.
Heike Gede | Simone Kriege |<br />
Helen Strebel | Isabella Sulzmann-Dauer<br />
<strong>Kinder</strong> <strong>zu</strong> <strong>Wort</strong> <strong>kommen</strong> <strong>lassen</strong><br />
Die adaptierte Version des<br />
Canadian Occupational Performance Measure<br />
für Grundschulkinder (COPM a-kids )<br />
Handbuch und Materialien <strong>zu</strong>r praktischen Anwendung<br />
Das Gesundheitsforum<br />
<strong>Schulz</strong>-<br />
<strong>Kirchner</strong><br />
<strong>Verlag</strong>
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen<br />
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über<br />
http://dnb.d-nb.de abrufbar.<br />
2. Auflage 2011<br />
1. Auflage 2007<br />
ISBN 978-3-8248-0325-5<br />
Alle Rechte vorbehalten<br />
© <strong>Schulz</strong>-<strong>Kirchner</strong> <strong>Verlag</strong> GmbH, Idstein 2011<br />
Mollweg 2, D-65510 Idstein,<br />
Vertretungsberechtigter Geschäftsführer: Dr. Ullrich <strong>Schulz</strong>-<strong>Kirchner</strong><br />
Fachlektorat: Beate Kubny-Lüke<br />
Lektorat: Doris Zimmermann<br />
Layout: Susanne Koch<br />
Titelfoto: Simone Kriege<br />
Druck und Bindung: Rosch-Buch, Bamberger Str. 15, 96110 Scheßlitz<br />
Printed in Germany<br />
Die Nut<strong>zu</strong>ng des COPM erfolgt in Übereinstimmung mit Mary Law.<br />
Die Informationen in diesem Buch sind von den Verfasserinnen und dem <strong>Verlag</strong><br />
sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen<br />
werden. Eine Haftung der Verfasserinnen bzw. des <strong>Verlag</strong>es und seiner Beauftragten<br />
für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.<br />
Besuchen Sie uns im Internet: www.schulz-kirchner.de
Inhalt<br />
Vorwort 7<br />
Geleitwort 9<br />
Danksagung 12<br />
1 Entstehung und Entwicklung des adaptierten<br />
COPM für Grundschulkinder – COPM a-kids 13<br />
1.1 Ausgangslage und Forschungsfrage 13<br />
1.2 Forschungsdesign und Forschungsablauf 15<br />
1.3 Theoretische Grundlagen 19<br />
1.3.1 Theoriebausteine und das originale Messinstrument 19<br />
1.3.1.1 Das Canadian Model of Occupational Performance (CMOP) 19<br />
1.3.1.2 Das Occupational Performance Process Model (OPPM) 20<br />
1.3.1.3 Das Canadian Occupational Performance Measure (COPM) 21<br />
1.3.2 Terminologie im Rahmen des Handbuches 23<br />
1.3.3 Klientenzentrierung und Betätigung in der Pädiatrie 24<br />
1.3.4 Fragen an und Antworten von <strong>Kinder</strong>n 25<br />
1.4 Notwendige Adaptationen und Modifikationen des COPM 34<br />
1.4.1 Das kindgerechte Leitfadeninterview 34<br />
1.4.2 Die kindgerechte Skalierung 36<br />
1.4.3 Der kindgerechte Erhebungsbogen 37<br />
2 Beschreibung und Darstellung des adaptierten<br />
COPM für Grundschulkinder – COPM a-kids 39<br />
2.1 Der COPM a-kids -Prozess 39<br />
2.2 Die Materialien des COPM a-kids 41<br />
2.3 Die Interviewleitfäden des COPM a-kids 46<br />
2.3.1 COPM a-kids -Leitfaden Kind 46<br />
2.3.2 COPM a-kids -Leitfaden Eltern 58<br />
2.4 Der Erhebungsbogen des COPM a-kids – Adaptierter COPM<br />
Erhebungsbogen für Grundschulkinder (COPM a-kids ) 69<br />
3 Kritische Überlegungen <strong>zu</strong>r Anwendung des COPM a-kids 74<br />
3.1 Das COPM a-kids im ergotherapeutischen Prozess mit <strong>Kinder</strong>n 74<br />
3.2 Weitere Entwicklungen und <strong>zu</strong>künftige Forschungsbedarfe 77
Anhang 79<br />
Adaptierte Skalen 79<br />
Abbildungsverzeichnis 80<br />
Abkür<strong>zu</strong>ngsverzeichnis 80<br />
Literatur 81
7<br />
Vorwort<br />
„<strong>Kinder</strong> <strong>zu</strong> <strong>Wort</strong> <strong>kommen</strong> <strong>lassen</strong>“, wenn es um die Ziele und Wege in ihrer<br />
Therapie geht, das ist mit dem vorliegenden Handbuch und den Materialien<br />
<strong>zu</strong>r Adaptierten Version des COPM für Grundschulkinder (COPM a-kids ) beabsichtigt<br />
und möglich. In diesem Sinn liegt der Fokus der vorliegenden Arbeit auf<br />
der Praxis.<br />
Es geht um Hilfestellungen für die Anwendung des COPM (Canadian Occupational<br />
Performance Measure) mit <strong>Kinder</strong>n im Grundschulalter (6-10 Jahre),<br />
denn für diese pädiatrische Klientel war es bisher nicht oder nur stark eingeschränkt<br />
möglich, eigene Betätigungsbedürfnisse systematisch <strong>zu</strong> benennen.<br />
Eine Mischung aus „gut verdaulichen“ Theorieteilen, die Lust auf mehr Wissen<br />
machen, und vielen praxisnahen Hinweisen bildet den Leitgedanken des<br />
Handbuches. Theoretische Grundlagen und die Beschreibung der wissenschaftsorientierten<br />
Prozesse werden so weit <strong>zu</strong>r Verfügung gestellt, dass der<br />
Lesende die Entwicklung der kindgerechten Fassung des COPM (= COPM a-kids )<br />
nachvollziehen kann. Dies geschieht im Bewusstsein, dass derartige Zusammenhänge<br />
für eine reflektierte praktische Ausübung und eine <strong>zu</strong>nehmende<br />
Professionalisierung des Berufes der Ergotherapie sehr wichtig und wertvoll<br />
sind. Durch die Erhebung der alltagsrelevanten Schwierigkeiten aus Sicht<br />
der betroffenen <strong>Kinder</strong> kann sich die ergotherapeutische Behandlung und<br />
Beratung noch besser am Alltag der <strong>Kinder</strong> und ihren Familien orientieren.<br />
Eine detaillierte Darstellung der Gesamtstudie kann der weitergehend interessierte<br />
Leser dem DVE-Bericht „COPM-KIDS“ (Gede, Schmidt, Strebel &<br />
Sulzmann, 2005) entnehmen.<br />
Das Handbuch ist entsprechend in 3 Abschnitte gegliedert:<br />
I. Entstehung und Entwicklung des adaptierten COPM für Grundschulkinder –<br />
COPM a-kids<br />
II. Beschreibung und Darstellung des adaptierten COPM für Grundschulkinder –<br />
COPM a-kids<br />
III. Kritische Überlegungen <strong>zu</strong>r Anwendung des COPM a-kids<br />
Die gesamte vorliegende Arbeit gilt als Einladung an ergotherapeutisch ausgebildete<br />
Kolleginnen und Kollegen, COPM a-kids in ihrem Praxisalltag mit <strong>Kinder</strong>n im<br />
Grundschulalter durch<strong>zu</strong>führen und sich mit den theoretischen Bezügen auch in<br />
weiterführender Literatur auseinander<strong>zu</strong>setzen. Beides ist aus unserer Erfahrung
8 H. Gede, S. Kriege, H. Strebel, I. Sulzmann-Dauer: <strong>Kinder</strong> <strong>zu</strong> <strong>Wort</strong> <strong>kommen</strong> <strong>lassen</strong><br />
spannend, wertvoll und bereichernd – gerade weil wir wissen, dass die Entwicklung<br />
des Assessments für <strong>Kinder</strong> und die damit verbundene Forschung noch<br />
nicht abgeschlossen sind.<br />
Zu den sprachlichen und rechtlichen Gegebenheiten rund um die vorliegende<br />
Arbeit ist uns Folgendes wichtig: Das <strong>zu</strong>m Canadian Model of Occupational Therapy<br />
(CMOP) gehörige Assessment COPM ist in seinem Namen und in seiner<br />
Funktion als standardisiertes Messinstrument urheberrechtlich geschützt. Ein<br />
sorgfältiger und achtsamer Umgang mit dem intellektuellen Eigentum anderer<br />
ist in einer Profession unabdingbar, insofern die gemeinsame Wissensbasis erweitert<br />
und vertieft werden soll. Es wird deshalb darauf hingewiesen, dass die<br />
der vorliegenden Adaption des COPM <strong>zu</strong>grunde liegende Studie zwar den Namen<br />
„COPM-KIDS“ trägt, dieser aber für das vorgestellte, angepasste Assessment<br />
nicht in Anspruch genommen wird. Nach Absprache mit Mary Law als autorisierter<br />
Person bezüglich der Urheberrechte, trägt das nachfolgend präsentierte<br />
– derzeit noch nicht standardisierte – Verfahren vielmehr den Titel „Adaptiertes<br />
COPM für Grundschulkinder“. Im Kontext dieses Praxishandbuches wird es mit<br />
dem Kürzel COPM a-kids ausgewiesen.<br />
Die neuen Entwicklungen des kanadischen Modells vom CMOP <strong>zu</strong>m CMOP-E<br />
(vgl. Townsend & Polatajko, 2007) sowie die Weiterentwicklung des OPPM <strong>zu</strong>m<br />
CPPF (ebd.) bereichern die ergotherapeutische Denkstruktur und beeinflussen<br />
den ergotherapeutischen Prozess in der Praxis. Jedoch haben sie keinen direkten<br />
Einfluss auf den Aufbau und die Durchführung des COPM, womit auch das<br />
COPM a-kids in seiner Ausführung nicht verändert werden muss.<br />
Konstruktive Kritik <strong>zu</strong>m Handbuch und <strong>zu</strong> den von uns entwickelten Materialien<br />
des COPM a-kids werden wir in Zukunft gerne berücksichtigen. Die von uns entwickelten<br />
Materialien (Erhebungsbogen COPM a-kids sowie die Skalen) sind<br />
im Downloadbereich des <strong>Schulz</strong>-<strong>Kirchner</strong> <strong>Verlag</strong>s unter http://www.schulzkirchner.de/cgi-bin/mk-showe.pl<br />
Stichwort: copm boegen skalen pdf <strong>zu</strong> finden.<br />
Wir freuen uns, dass dieses Handbuch von vielen Kolleginnen und Kollegen im<br />
deutschsprachigen Raum für die praktische Umset<strong>zu</strong>ng des COPM in der Pädiatrie<br />
herangezogen wird. Wir hoffen, dass es da<strong>zu</strong> beitragen kann, eine klientenzentrierte<br />
und betätigungsorientierte Arbeitsweise in den Praxisalltag <strong>zu</strong><br />
implementieren.<br />
Heike Gede, Simone Kriege, Helen Strebel und Isabella Sulzmann-Dauer
9<br />
Geleitwort<br />
Bis <strong>zu</strong>r Mitte der 90er Jahre bestand in Deutschland eine erhebliche Diskrepanz<br />
zwischen den hohen finanziellen Aufwendungen für ergotherapeutische Maßnahmen<br />
einerseits und den vergleichsweise geringen berufs- und bildungspolitischen<br />
Bemühungen einer theoretischen Fundierung oder eines wissenschaftlichen<br />
Nachweises der ergotherapeutischen Praxis andererseits.<br />
Zwar nahmen Forderungen nach und Konzepte <strong>zu</strong>r „Akademisierung“ und „Professionalisierung“<br />
des Berufsstandes in Deutschland seit Anfang der 90er-Jahre<br />
<strong>zu</strong>, aber bis <strong>zu</strong>r Jahrtausendwende existierten keine konkreten Möglichkeiten,<br />
sich im eigenen Fach wissenschaftliche Kompetenzen und Forschungsmethodiken<br />
an<strong>zu</strong>eignen. Dies ist allerdings zweifellos eine Vorausset<strong>zu</strong>ng dafür, beispielsweise<br />
bei einer veränderten Interessenlage der Kostenträger in der Gesundheitsversorgung,<br />
kurzfristig verwertbare Befunde und Ergebnisse vorlegen<br />
<strong>zu</strong> können. Zeitgleich fanden nämlich weltweit erhebliche strukturelle Veränderungen<br />
im Gesundheitswesen statt und dauern noch an: Die demografische Entwicklung<br />
und die Zunahme chronischer Erkrankungen führen <strong>zu</strong> immer knapper<br />
werdenden Ressourcen, die parallel eine Erhöhung der Effizienz und Rationalisierung<br />
in den Versorgungssystemen verlangen.<br />
Vor diesem Hintergrund war das Interesse seitens der Kollegen groß, als 1998<br />
Prof. Helene Polatajko die ersten deutschen Workshops <strong>zu</strong>m „Canadian Model<br />
of Occupational Performance“ (CMOP) und <strong>zu</strong>m „Canadian Occupational Performance<br />
Measure“ (COPM) in Heidelberg und Berlin hielt. Für viele deutschsprachige<br />
Ergotherapeuten stellten diese Veranstaltungen die erste Begegnung mit<br />
einem facheigenen theoretischen Konzept und einem facheigenen Befundungsinstrument<br />
dar. In den Seminaren ging es um die Verbindung von Theorie und<br />
Praxis und den praktischen Nutzen von Forschungsergebnissen, die unmittelbar<br />
in der täglichen Arbeit berücksichtigt werden sollten. Im Fokus stand jedoch<br />
vor allem die Identifikation von “occupation“ als Gegenstand der ergotherapeutischen<br />
Arbeit.<br />
Viele Jahre lang hat das Selbstbewusstsein der Ergotherapie an der mangelnden<br />
Fähigkeit gelitten, die Einzigartigkeit der Ergotherapie gegenüber anderen<br />
Fachdisziplinen erkennbar dar<strong>zu</strong>stellen. Dennoch kann heute festgestellt werden,<br />
dass <strong>zu</strong> keiner Zeit in der Geschichte der Ergotherapie das allgemeine Gesundheitsverständnis<br />
so kongruent mit den Annahmen der Ergotherapie – und<br />
konkret mit dem Konzept des CMOP als Praxismodell – war wie in den letzten<br />
Dekaden.
10 H. Gede, S. Kriege, H. Strebel, I. Sulzmann-Dauer: <strong>Kinder</strong> <strong>zu</strong> <strong>Wort</strong> <strong>kommen</strong> <strong>lassen</strong><br />
Da zwischenzeitlich der Akademisierungsprozess in Deutschland vorangeschritten<br />
ist, hat der Bekanntheitsgrad von Praxismodellen und da<strong>zu</strong>gehörigen<br />
Assessments rasch <strong>zu</strong>genommen. Im Rahmen von Studienleistungen und Abschlussarbeiten<br />
beschäftigt sich die neue Generation von akademisch ausgebildeten<br />
Ergotherapeuten kritisch mit ihnen. Die Autorinnen des vorliegenden<br />
Handbuches gehören <strong>zu</strong> diesen „Pionieren“.<br />
Bereits während ihres Studiums haben sie sich mit dem CMOP-Praxismodell und<br />
dessen Einsatz in der Pädiatrie beschäftigt. Mit dem vorliegenden Handbuch<br />
möchten sie nun einen wissenschaftlich fundierten, praxisrelevanten Vorschlag<br />
eines Befundungsansatzes für die pädiatrische Praxis der Ergotherapie vorstellen.<br />
Primär für Praktiker konzipiert, verbindet dieses Werk theoretische und<br />
praktische Inhalte. Hierdurch unterstützt es das Konzept des „reflective practioner“:<br />
Wie sie selbst schreiben, soll ausreichend Theorie vorhanden sein, um die<br />
wissenschaftliche Orientierung der Arbeit <strong>zu</strong> erkennen und den gedanklichen<br />
Nachvoll<strong>zu</strong>g der Inhalte gewährleisten <strong>zu</strong> können. Gleichzeitig sollen die entwickelten<br />
Materialien praxisnah vorgestellt und handhabbar dargeboten werden.<br />
Diesem Ziel entsprechend ist der Aufbau des Buches gestaltet: Basierend auf der<br />
Erfahrung, dass es <strong>Kinder</strong>n bisher nur eingeschränkt möglich war, eigene Betätigungsbedürfnisse<br />
systematisch <strong>zu</strong> benennen, beschreiben die Autorinnen die<br />
Entwicklung ihrer kindgerechten Fassung des COPM. Sie zeigen, wie die nötigen<br />
Modifikationen oder Adaptationen der deutschen Überset<strong>zu</strong>ng des COPMs aus<br />
Erkenntnissen der Literatur und eigenen empirischen Untersuchungen identifiziert<br />
und entwickelt wurden. Sie geben Hilfestellungen für die Handhabung des<br />
Assessments mit <strong>Kinder</strong>n und deren Eltern. Die entwickelten Adaptationen haben<br />
die Autorinnen praktisch erprobt, um ihre situationsbezogene Anwendbarkeit <strong>zu</strong><br />
ermitteln. Alle Modifikationen sind innovativ und – so wie man es von einem<br />
Handbuch erwartet – in der Vorgehensweise klar und strukturiert dargestellt.<br />
Abschließend wird der Einsatz der „Adaptierten Version des COPM für Grundschulkinder<br />
(COPM a-kids )“ im ergotherapeutischen Gesamtprozess reflektiert.<br />
Diese kreative Arbeit ist aus der Praxis entstanden, wurde in der Theorie verankert<br />
und wendet sich nun erneut der Praxis <strong>zu</strong>. Sie bietet eine Hilfestellung, <strong>Kinder</strong><br />
<strong>zu</strong>r Beteiligung an ihrer Therapie <strong>zu</strong> ermächtigen. Und obwohl – oder vielleicht<br />
gerade weil – auch Fragen offenbleiben, geht es für die Zukunft darum, dieses<br />
pädiatrische Assessmentverfahren um<strong>zu</strong>setzen und vielfältig an<strong>zu</strong>wenden! Aufbauend<br />
auf weiteren Erfahrungen und kritischen Überlegungen der ergothera-
Geleitwort<br />
11<br />
peutischen Leserschaft kann und wird der ergotherapeutische Wissensfundus<br />
dann wachsen. Die Autorinnen stehen für diese Zuversicht. Ich freue mich auf<br />
den nächsten Schritt ...<br />
Angela Harth, Kirchheim a.d. Weinstr., im Februar 2007
12 H. Gede, S. Kriege, H. Strebel, I. Sulzmann-Dauer: <strong>Kinder</strong> <strong>zu</strong> <strong>Wort</strong> <strong>kommen</strong> <strong>lassen</strong><br />
Danksagung<br />
Wir bedanken uns herzlich bei allen Menschen und Organisationen,<br />
die uns bei der Realisierung der <strong>zu</strong>grunde<br />
liegenden Forschungsarbeit sowie bei der Fertigstellung<br />
dieses Handbuches begleitet und unterstützt haben.<br />
Ein ganz besonderer Dank gilt dabei den <strong>Kinder</strong>n und Eltern,<br />
die sich an unserer Studie beteiligt und somit die<br />
inhaltliche Basis für dieses Projekt gelegt haben. Den<br />
Trägern und Beschäftigten der Einrichtungen, in denen<br />
wir unsere Interviews durchführen konnten, danken wir<br />
entsprechend für ihr interessiertes Entgegen<strong>kommen</strong> und<br />
ihre „offenen Türen“.<br />
Für die fachliche und kritische Diskussion unseres Vorhabens<br />
und ausgewählter Teilergebnisse danken wir den<br />
Kolleginnen und Kollegen der deutschen COPM Expertengruppe.<br />
Ines Pätzold danken wir für ihre tatkräftige Unterstüt<strong>zu</strong>ng<br />
bei der Suche nach Interviewpartnern, Daniela<br />
Selvestrel für die Gestaltung der Skalen und Dr. Matthias<br />
Leder für seine Beratung bei der Datenauswertung.<br />
Ein weiterer Dank geht an Helen Polatajko und Mary<br />
Law, die mit ihrer Arbeit den Grundstein für klientenzentriertes<br />
Arbeiten in der Ergotherapie gelegt haben. Angela<br />
Harth danken wir für ihre wohlwollenden kritischen Anmerkungen<br />
<strong>zu</strong>m ersten Manuskript des Handbuches, mit<br />
denen sie einen lehrreichen Veröffentlichungsprozess<br />
angestoßen hat. Birgit M. Stubner danken wir hierbei für<br />
ihr konstruktives Textcoaching und ihr sach- und fachverständiges<br />
Lektorat der einzelnen Fassungen.<br />
Und schließlich bedanken wir uns beim Deutschen Verband<br />
der Ergotherapeuten (DVE) e.V., ohne dessen finanzielle<br />
Förderung unser Forschungsvorhaben nicht hätte<br />
umgesetzt werden können.<br />
Heike Gede, Helen Strebel, Simone Kriege und<br />
Isabella Sulzmann-Dauer
13<br />
„Viele Fragen, die in der <strong>Kinder</strong>- und Kindheitsforschung<br />
gestellt werden, können nur beantwortet werden, wenn<br />
man <strong>Kinder</strong>n <strong>zu</strong>sieht und <strong>zu</strong>hört, mit ihnen spricht und mit<br />
ihnen handelt.“ Friederike Heinzel (2000, S. 17)<br />
1 Entstehung und Entwicklung des adaptierten<br />
COPM für Grundschulkinder – COPM a-kids<br />
1.1 Ausgangslage und Forschungsfrage<br />
Für Ergotherapeuten ist es nicht <strong>zu</strong>letzt mit Blick auf die <strong>zu</strong>nehmend reglementierte<br />
Ausgabenpolitik des öffentlichen Gesundheitswesens in Deutschland von<br />
enormer Bedeutung, die Erfolge ihrer fachpraktischen Arbeit <strong>zu</strong> evaluieren und<br />
<strong>zu</strong> beweisen. Hier<strong>zu</strong> sind überprüfbare Therapieziele als Kennwerte einer Qualitätskontrolle<br />
unabdingbar.<br />
Im Sinne einer klientenzentrierten Ergotherapie bedeutet dies, mit dem Klienten<br />
gemeinsam ergotherapeutische Handlungsziele (Romein, 2004) <strong>zu</strong> formulieren<br />
und <strong>zu</strong> vereinbaren, die für die Beteiligten klar und in überschaubaren Teilschritten<br />
realisierbar sind. Dies wiederum kann nur in Kenntnis der für den jeweiligen<br />
Klienten sinnvollen Betätigungsbedürfnisse und seiner alltagsrelevanten<br />
Betätigungsfelder geschehen. Mit anderen <strong>Wort</strong>en: Klientenzentrierung als ein<br />
Qualitätsfaktor ergotherapeutischer Dienstleistung fokussiert Ziele auf der subjektiven<br />
Ebene des Klienten bzw. des erweiterten Klientensystems (z. B. Eltern,<br />
Angehörige etc.) und benötigt daher Assessmentverfahren, die subjektive Erfahrungen<br />
und Erlebensweisen – vor dem Hintergrund ergotherapeutischer Relevanz<br />
– erheben, dokumentieren und in ihrer Veränderung evaluieren.<br />
Das Canadian Model of Occupational Performance (CMOP) mit seiner betont<br />
klientenzentrierten Ausrichtung und dem Prozessmodell der Occupational Performance<br />
(OPPM) stellt ein solches Assessment grundsätzlich <strong>zu</strong>r Verfügung:<br />
Das Canadian Occupational Performance Measure (COPM) liefert als spezifisches<br />
Messinstrument für die Ergotherapie bedeutungsvolle Informationen über konkrete<br />
individuelle Betätigungsbereiche und deren Wichtigkeit für den Klienten<br />
bzw. seine Angehörigen. Mithilfe des COPM können alltagsbezogene Betätigungsbedürfnisse<br />
formuliert, Therapieziele ausgehandelt, der Therapieablauf<br />
strukturiert und abschließend evaluiert werden.
14<br />
H. Gede, S. Kriege, H. Strebel, I. Sulzmann-Dauer: <strong>Kinder</strong> <strong>zu</strong> <strong>Wort</strong> <strong>kommen</strong> <strong>lassen</strong><br />
Im Rahmen der genannten Eckpunkte ergibt sich für die pädiatrische Ergotherapie<br />
ein Komplex von Fragen, der sich um die altersgerechte Berücksichtigung<br />
von <strong>Kinder</strong>n als Klienten zentriert: Werden <strong>Kinder</strong> in der Ergotherapie als eigenständige<br />
Klienten wahrgenommen? Gehen ihre individuellen Bedürfnisse und<br />
spezifischen Betätigungsfelder ihrer eigenen Wertschät<strong>zu</strong>ng entsprechend in die<br />
Planung und Zielset<strong>zu</strong>ng der Therapie ein? Wo und wie können <strong>Kinder</strong> mit ihren<br />
individuellen Belangen selbst <strong>zu</strong> <strong>Wort</strong> <strong>kommen</strong>? Verstehen sie die Ziele der Ergotherapie<br />
und wo sehen bzw. wie erleben sie selbst die Erfolge?<br />
Eine Fragebogenstudie von Stahl (2002) deckt hier<strong>zu</strong> auf, dass Therapieziele in<br />
der Arbeit mit <strong>Kinder</strong>n insgesamt häufig sehr allgemein und unspezifisch definiert<br />
werden. Gede, Kroll und Meisgeier (2001), die sich für klientenzentriertes<br />
Handeln in Ergotherapiepraxen interessierten, ermittelten in ihrer Arbeit, dass<br />
selbst Grundschulkinder häufig nicht in das Erstgespräch einbezogen werden.<br />
Und dort, wo das COPM als Assessment <strong>zu</strong>rate gezogen wird, um die pädiatrische<br />
Arbeit <strong>zu</strong> stützen, stößt seine Anwendung mit <strong>Kinder</strong>n an praktische<br />
Grenzen. Dabei konzentrieren sich die Schwierigkeiten laut Scholz et al. (2002)<br />
insbesondere auf die Befragung der <strong>Kinder</strong>. Aufgrund der Erfahrung, dass <strong>Kinder</strong><br />
häufig keine Schwierigkeiten benennen konnten, berichteten und interpretierten<br />
die in der Studie befragten Experten sogar, <strong>Kinder</strong> würden <strong>zu</strong> „eingeschränktem<br />
Problembewusstsein“ und „mangelnder Selbsteinschät<strong>zu</strong>ng“ neigen. Flaschel<br />
(2002), die den Einsatz des COPM bei der ergotherapeutischen Zielfindung in der<br />
<strong>Kinder</strong>- und Jugendpsychiatrie untersucht, stößt differenzierter auf Schwierigkeiten<br />
der <strong>Kinder</strong> beim Bewerten der COPM-Skalen. Missiuna und Pollock sehen<br />
in den abstrakten Fragestellungen der COPM-Originalversion die Überforderung<br />
jüngerer <strong>Kinder</strong> gegeben, ihre Betätigungsbedürfnisse <strong>zu</strong> verbalisieren:<br />
„Attempts to use the COPM with children younger than 8 years of age have been<br />
unsuccessful due to the level of comprehension and abstract thought that is required.”<br />
(2000, S. 102)<br />
In der Praxis entscheiden sich viele „klientenorientierte“ Therapeuten in Deutschland,<br />
die Eltern anstatt der <strong>Kinder</strong> <strong>zu</strong> befragen. Sie sollen aus ihrer Sicht bzw.<br />
stellvertretend aus der Perspektive ihres Kindes die jeweiligen Betätigungsbedürfnisse<br />
formulieren und deren Wichtigkeit für eine sinnvolle Alltags- und Lebensgestaltung<br />
des Kindes bewerten. Dieses Vorgehen gibt jedoch weder die Gewissheit,<br />
tatsächlich die Betätigungsbedürfnisse des jeweiligen Kindes erfahren<br />
<strong>zu</strong> haben, um sie so <strong>zu</strong> einem Ausgangspunkt motivierter und partnerschaftlicher<br />
Therapie mit ihm machen <strong>zu</strong> können, noch zeigt sich hierbei ein qualitativ befriedigender<br />
reflektierter Umgang mit dem Assessment (COPM) und seinem <strong>zu</strong>grunde<br />
liegenden Modell (CMOP) als theoretisch fundiertem Rahmen der Therapie.
Forschungsdesign und Forschungsablauf<br />
15<br />
Für eine erfolgreiche ergotherapeutische Intervention sind aus klientenzentrierter<br />
Perspektive aber alle die genannten Aspekte maßgebend: Die Beschreibung<br />
und Bewertung des Könnens und Nicht-Könnens als alltagsrelevant wahrgenommener<br />
Betätigungen des Kindes aus seiner eigenen Sicht und aus der<br />
Sicht seiner Mutter und seines Vaters. Und die theoretisch fundierte sowie praktisch<br />
reflektierte Arbeitsweise des Ergotherapeuten.<br />
Vor dem Hintergrund der geschilderten Ausgangslage entsteht mithin die Frage,<br />
wie <strong>Kinder</strong> – insbesondere Grundschulkinder – als Experten ihrer selbst auf der<br />
Grundlage des Canadian Model of Occupational Performance (CMOP) und mithilfe<br />
des <strong>zu</strong>gehörigen Assessments (COPM) in der Ergotherapie <strong>zu</strong> <strong>Wort</strong> <strong>kommen</strong><br />
können.<br />
In der lizenzierten deutschen Überset<strong>zu</strong>ng des COPM-Handbuches findet sich<br />
der Hinweis, dass, unabhängig von der Tatsache, dass das COPM bei allen Klienten<br />
angewandt werden kann, gelegentlich notwendig sein kann, das COPM <strong>zu</strong><br />
modifizieren, „um dem Einzelnen gerecht <strong>zu</strong> werden“ (CAOT, 1998, S. 5). Welche<br />
Modifikationen oder Adaptationen des Originals bzw. seiner deutschen Überset<strong>zu</strong>ng<br />
(CAOT, 1998) sind also notwendig, um <strong>Kinder</strong>n im Alter zwischen 6<br />
und 10 Jahren die Möglichkeit <strong>zu</strong> eröffnen, ihre Betätigungsbedürfnisse selbst<br />
<strong>zu</strong> benennen und <strong>zu</strong> bewerten sowie die Handhabung des Assessments in der<br />
Pädiatrie <strong>zu</strong> erleichtern?<br />
Mit dieser forschungsleitenden Frage befasst sich die „COPM-KIDS-Studie“<br />
(Gede et al., 2005), die zwischen 2003 und 2004 durchgeführt wurde und deren<br />
Vorgehensweise und Ergebnisse die Grundlage des vorliegenden Handbuches<br />
bilden.<br />
1.2 Forschungsdesign und Forschungsablauf<br />
Aufgrund der Komplexität der Forschungsthematik – ein auf Erwachsene <strong>zu</strong>geschnittenes<br />
Assessment für die Arbeit mit <strong>Kinder</strong>n nutzbar <strong>zu</strong> machen – erfolgte<br />
die COPM-KIDS-Studie in mehreren kleinen Schritten. Diese sind in Abb. 1 (s.<br />
S. 18) <strong>zu</strong>sammengestellt. Grundlegend wurde ein qualitatives Forschungsdesign<br />
gewählt, um möglichst vielfältige Ansatzpunkte für Adaptationen gewinnen sowie<br />
diese in einem offenen Prozess umsetzen und erproben <strong>zu</strong> können.<br />
Ausgehend von der Forschungsfrage, welche Adaptationen am COPM-Original<br />
notwendig sind, damit <strong>Kinder</strong> im Grundschulalter Betätigungsbedürfnisse<br />
benennen und anhand der verschiedenen Skalen (Performanz, Wichtigkeit, Zufriedenheit)<br />
einstufen und bewerten können, wurden verschiedene Detailfragen<br />
formuliert: