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Nein, ein zufälliger Hintergrund<br />
ist das nicht. Peter Althaus, früher<br />
IBM-Manager, dann Quereinsteiger<br />
ins Winzer-Business, ist mehr<br />
der Bordeaux- als der Burgundertyp.<br />
Die Domaine A: Althaus’<br />
11-Hektaren-Gut auf Tasmanien.<br />
S c h w e i z e r i s c h e We i n z e i t u n g — 2 4
S w i s s M a d e<br />
D O M A I N E A<br />
S T O N E Y V I N E Y A R D<br />
Weine im Bordeaux-Stil, kühle Mineralität inklusive.<br />
Genau diese Art von Getränk wollte Ex-IBM-Manager<br />
Hans Peter Althaus verwirklichen – egal wo.<br />
Gelungen sind ihm elegante Rote, die den Vergleich<br />
mit Bordelaiser Premiers Crus nicht scheuen.<br />
Te x t : Wo l f g a n g F a s s b e n d e r<br />
Fotos: Stu Harris Photography<br />
25 — S c h w e i z e r i s c h e We i n z e i t u n g
S w i s s M a d e<br />
«Wir vergleichen unseren Spitzenwein<br />
mit Margaux und Lafite. Er ist natürlich kein Bordeaux,<br />
er ist meiner Ansicht nach sogar besser»<br />
P e t e r A l t h a u s<br />
Der Barrique-Keller,<br />
vier Althaus-Weine:<br />
Letzteren gönnt er mehr<br />
Zeit, als dies andere<br />
Erzeuger tun. Peter Althaus<br />
wartet viele Jahre, bis die<br />
Weine auf die Flasche und in<br />
den Verkauf kommen.<br />
Ein historischer Moment, im Persönlichen wie im Allgemeinen.<br />
«Als wir Sydney erreichten, kam in Berlin die<br />
Mauer runter», erinnert sich Hans Peter Althaus an seine<br />
Ankunft in Australien, seinen Einstieg ins zweite Berufsleben.<br />
Doch Sydney war für den ehemaligen IBM-Manager<br />
und Quereinsteiger ins Winzer-Business nur eine unbedeutende<br />
Zwischenstation. Sein Ziel lag weiter südlich<br />
und hatte eine Menge mit Cool Climate und der Liebe<br />
eines Schweizers zum Bordelaiser Grundnahrungsmittel<br />
zu tun. Rotwein wollte er machen, dieser abenteuerlustige<br />
Schweizer, aber keinen hitzigen, wie in Australien vielfach<br />
üblich, nicht den üppigen Syrah, auf keinen Fall dicke<br />
Merlots. In Frage kamen da vor allem Regionen im Süden<br />
des Landes, in Meeresnähe und vergleichsweise wenig<br />
heiss, in allererster Linie aber eine Insel vor der Küste des<br />
fünften Kontinents. Genau gesagt ein Weinberg im Coal<br />
River Valley, im tasmanischen Südosten, der so aussah,<br />
wie er hiess: Stoney Vineyard.<br />
Tasmanien war allerdings keineswegs das Ziel der<br />
Althaus’schen Träume seit Ewigkeiten, sondern das Ergebnis<br />
nüchternen Überlegens. «Ich habe eine Menge<br />
Forschung betrieben», sagt der Nicht-Önologe und schaut<br />
wie einer, der den Sachen grundsätzlich auf den Grund<br />
gehen möchte. So ähnlich muss er es in seiner Zeit bei<br />
IBM gehalten haben, und so akribisch ging er sicher auch<br />
zu Werke, als er in der Zofinger Weinbruderschaft mitarbeitete<br />
und zum Präsidenten der <strong>Schweizerische</strong>n Vereinigung<br />
der Weinfreunde gekürt worden war: immer auf<br />
der Suche nach interessanten Weinen für sich, Freunde<br />
und Freundesfreunde. Erst- und andersklassige Bordeaux<br />
hatten es Althaus rasch angetan, die eigene Sammlung<br />
war stetig gewachsen, und irgendwann wurde der Wille<br />
zum Eigenversuch übermächtig. «Irgendwo in der Welt»,<br />
grübelte der Manager damals, «müsste es möglich sein, so<br />
etwas zu machen.» Aber wo? In Bordeaux selbst ein Schloss<br />
kaufen? Keine einfache Sache. Anderswo waren die Weinberge<br />
unverhältnismässig teuer, dann wieder passte das<br />
Klima nicht, machten übermächtige Traditionen oder<br />
ungeeignete Traubensorten Striche durch die Rechnung.<br />
«In der Alten Welt wäre Portugal für mich in Frage gekom<br />
men», grübelt Althaus, der dann ganz weit weg fündig<br />
wurde, der im Alter von 50 die meisten Schweizer<br />
Zelte abbrach und mit Frau und Maus nach Australien<br />
zog. Aus Zollikon, wo Ruth und Hans Peter Althaus damals<br />
wohnten, ins gemäch liche Campania nahe Hobart.<br />
Irgendwo unterwegs muss dem Neu-Winzer auch der<br />
S c h w e i z e r i s c h e We i n z e i t u n g — 26
SHORT FACTS<br />
DOMAINE A /<br />
STONEY<br />
VINEYARD<br />
ADRESSE 105 Tea Tree Road,<br />
Campania, Tasmania,<br />
Australien<br />
FON +61 362 60 41 74<br />
INTERNET<br />
www.domaine-a.com.au<br />
INHABER (Hans) Peter Althaus<br />
REBLAND 11 Hektaren<br />
PRODUKTION 60 000 Flaschen<br />
ÜBERNAHME 1989<br />
REBSORTEN Sauvignon blanc<br />
(weiss), Pinot noir, Merlot,<br />
Cabernet franc, Cabernet<br />
Sauvignon, Petit Verdot (rot)<br />
Syrah, Petit Verdot,<br />
Ancelotta (rot)<br />
27 — S c h w e i z e r i s c h e We i n z e i t u n g
S w i s s M a d e<br />
«Unser Sauvignon blanc<br />
unterscheidet sich deutlich von dem<br />
in Neuseeland, ist weniger ‹grassy›,<br />
dafür reifer»<br />
P e t e r A l t h a u s<br />
Der Keller, der Weinberg:<br />
Manchmal kann es auf<br />
Tasmanien ganz schön heiss<br />
werden, doch für trockene<br />
Zeiten ist mit einer<br />
Tröpfchenbewässerung<br />
vorgesorgt.<br />
Hans abhanden gekommen sein; «down under» mutierte<br />
Hans Peter Althaus einfach zum Peter, fügte allenfalls<br />
noch ein dezentes H. hinzu.<br />
Dass er den Ehrgeiz hatte, das meiste allein zu machen<br />
und zu entscheiden, versteht man spätestens in<br />
jenem Augenblick, in dem man einen in sich ruhenden,<br />
zupackenden Menschen kennenlernt. Einen Önologen<br />
einzustellen, kam nicht in Frage. Althaus ernannte sich<br />
zum Weinmacher und Kellermeister und fing an zu tüfteln.<br />
«Es war immer ein Hobby von mir herauszufinden,<br />
wie man Wein produziert.» Vor allem natürlich in Bordeaux,<br />
wo der Ingenieur schon früh hinter die Kulissen<br />
geschaut hatte. «Anfang der 70er Jahre habe ich angefangen,<br />
mich für Wein zu interessieren. Dann bin ich ins Burgund<br />
und ins Bordeaux gereist.» Erfahrungen, von denen<br />
sich zehren liess auf Althaus’ australischem Stein-Weinberg.<br />
Die zunächst kleine Rebfläche, gerade mal eine<br />
halbe Hektare, wurde erweitert, mit 6000 Stöcken pro<br />
Hektare vergleichsweise eng bestockt und natürlich mit<br />
jenen Reben bepflanzt, an denen Winzer Peters Herz hing.<br />
Cabernet Sauvignon ist heute der Star unter den Sorten<br />
und nimmt 85 Prozent der knapp über elf Hektaren ein;<br />
Merlot, Cabernet franc und Petit Verdot sorgen dafür, dass<br />
die Bordeaux-Assemblage komplettiert werden kann. Ein<br />
eigenes Weingutsgebäude mit allem Drum und Dran<br />
folgte bald nach der Ankunft, und schon Anfang der<br />
90er war das Weingut Domaine A / Stoney Vineyard auf<br />
eigene Füsse gestellt.<br />
Die Ergebnisse reissen seitdem australische Weinkriti<br />
ker regelmässig zu Lobeshymnen hin. Vielen gilt<br />
Althaus’ Spitzenwein als einer der Stars, wenn nicht gar<br />
als Nummer eins unter den Cabernets nicht nur Tasmaniens,<br />
sondern des ganzen Landes. Wohl auch deshalb,<br />
weil die Mächtigkeit, die vielen australischen Rotweinen<br />
nicht abgesprochen werden kann, auf der Insel unbekannt<br />
ist. An den Alkoholwerten lässt sich das am einfachsten erkennen:<br />
Die Weine der Domaine A weisen oft eine 13 vor<br />
dem Komma auf. Keine Blockbuster, sondern eher fein<br />
gewirkte Tropfen, die aber dennoch nicht mit jenen berüchtigt<br />
unreifen Bordeaux der 60er und 70er verglichen<br />
werden dürfen. Mit grünen Tanninen hat Althaus hier<br />
unten nicht zu kämpfen, der Cabernet Sauvignon wird<br />
im tasmanischen Coal River Valley problemlos reif. Ein<br />
kleiner Anteil Petit Verdot gehört für den Winzer jedoch<br />
unbedingt zum Gesamtrezept. «Petit Verdot bringt Säure,<br />
aber ist auch für die Aromatik wichtig.» Wissen ja auch<br />
Foto rechts: Tourism Tasmania & Ray Joyce<br />
S c h w e i z e r i s c h e We i n z e i t u n g — 28
2005 CABERNET SAUVIGNON<br />
Domaine A / Stoney<br />
Vineyard, Campania,<br />
Tasmania<br />
90 % Cabernet Sauvignon,<br />
plus Merlot, Cabernet franc<br />
und Petit Verdot<br />
etwa 36 Monate in neuen<br />
Barriques ausgebaut<br />
Üppige dunkle, süss wirkende<br />
Frucht, schwarze<br />
Johannis- und reife Brombeeren,<br />
dazu eine deutliche<br />
Gewürznote, später auch<br />
Spuren von Leder und<br />
Zedern holz. Saftig, eher<br />
geradlinig als ausladend,<br />
mit markanten, rauchigwürzig<br />
wirkenden Tanninen,<br />
leicht trocknend, lang,<br />
noch voll im Prä-Trinkreife-<br />
Stadium.<br />
18 / 20 2016–2023<br />
2003 CABERNET SAUVIGNON<br />
Domaine A / Stoney<br />
Vineyard, Campania,<br />
Tasmania<br />
90 % Cabernet Sauvignon,<br />
plus Merlot, Cabernet franc<br />
und Petit Verdot<br />
etwa 24 Monate in neuen<br />
Barriques ausgebaut<br />
Fr. 69.–<br />
Zugängliche, noch jugendlich<br />
wirkende Frucht,<br />
vielfältige dunkle Beeren<br />
mit einer leichten Rauchund<br />
Schokoladenote, später<br />
auch Zedernholz-Aromen,<br />
Leder und Maulbeeren. Im<br />
Mund überraschend schlank<br />
und fest mit dichten , aber<br />
sauberen Tanninen, merkliche<br />
Säure, aber ohne<br />
Bitternoten, lang und frisch.<br />
18 / 20 trinken –2021<br />
2006 STONEY VINEYARD<br />
CABERNET SAUVIGNON<br />
Domaine A / Stoney<br />
Vineyard, Campania,<br />
Tasmania<br />
90 % Cabernet Sauvignon,<br />
4 % Merlot, 4 % Cabernet<br />
franc, 2 % Petit Verdot<br />
Reife, saftige Frucht, Brombeeren,<br />
schwarze Kirschen,<br />
Zwetschgen, Gewürze,<br />
später auch Cassis und eine<br />
Spur Cassisgelee. Saftige<br />
Frucht auch am Gaumen,<br />
zugänglich und süffig, bei<br />
alledem fest, eher kühle<br />
Art, mit deutlichen Tanninen<br />
und beachtlichem Nachhall.<br />
17 / 20 trinken –2018<br />
2011 STONEY VINEYARD<br />
SAUVGINON BLANC<br />
Domaine A / Stoney<br />
Vineyard, Campania,<br />
Tasmania<br />
im Stahltank auf der<br />
Feinhefe ausgebaut<br />
Fr. 29.50<br />
Offensive, recht reife<br />
Frucht, Noten von<br />
Pas sionsfrüchten, Ananas,<br />
frische Zitronenschale,<br />
dazu leichte Akzente von<br />
geriebenem Stein. Süffiger,<br />
recht fülliger Wein mit<br />
guter Balance und leicht<br />
cremiger Art, gute Säure,<br />
angenehm nachklingend.<br />
16 / 20 trinken –2015<br />
Erhältlich bei:<br />
Zweifel Weine<br />
Regensdorferstrasse 20<br />
8049 Zürich<br />
Fon 044 344 23 23<br />
www.zweifelweine.ch<br />
29 — S c h w e i z e r i s c h e We i n z e i t u n g
S w i s s M a d e<br />
«Ich betrachte Wein<br />
nicht als Modeprodukt,<br />
und ich verkaufe nur das, was<br />
ich selbst gern trinke»<br />
P e t e r A l t h a u s<br />
Peter Althaus mit<br />
«Australiens Lafite» im Glas.<br />
Die bezaubernde Wineglass Bay<br />
liegt etwa anderthalb Stunden<br />
von der Domaine A entfernt.<br />
die Bordelaiser. Apropos: Den Vergleich mit Bordeaux hört<br />
Althaus nicht ungern. «Wir vergleichen unseren Spitzenwein<br />
mit Margaux und Lafite», grinst der Wahl-Tasmanier.<br />
«Er ist natürlich kein Bordeaux, er ist meiner Ansicht nach<br />
sogar besser. Und er altert sehr gut.» Vielleicht auch deshalb,<br />
weil die Vinifikation alles andere als zögerlich ist.<br />
Althaus gönnt seinen Weinen generell mehr Zeit, als dies<br />
andere Erzeuger tun, wartet viele Jahre, bis die Weine auf<br />
die Flasche und in den Verkauf kommen. Den 2006er<br />
«Cabernet Sauvignon Domaine A» kann man jetzt ab Weingut<br />
kaufen, und wer ihn in diesem Jungwein-Zustand<br />
aufreissen will, sollte sich zu Musse zwingen. Der Ausbau<br />
in neuen Barriques, der schon mal drei Jahre dauern kann<br />
und der im Anschluss an die langsame Fermentation in<br />
offenen Gärständern erfolgt, führt halt zu festen, unüberschmeckbaren<br />
Tanninen, welche die saftige Schwarzbeerfrucht<br />
ergänzen. So was benötigt zwingend Zeit und<br />
davon sogar eine ganze Menge. Die Spätvermarktungspolitik<br />
– nach der Füllung bleibt der tasmanische Premier<br />
Cru noch mindestens zwei Jahre auf der Flasche, bevor<br />
Kunden zugreifen dürfen – lässt sich offenbar sehr wohl<br />
durchhalten, sofern man nicht nach schnellem Geld giert.<br />
Vielleicht sollten ein paar auf Subskriptionen und aufs<br />
Euro-Scheffeln abonnierte Bordeaux-Schlossherren doch<br />
mal auf der Domaine A vorbeischauen?<br />
Dann würden sie auch merken, dass Cabernet und<br />
Petit Verdot nicht alles sind. Auch wenn Peter Althaus<br />
eher der Bordeaux- als der Burgundertyp ist, hat er dem<br />
Anbau von Pinot noir, einem tasmanischen Klassiker,<br />
nicht widerstehen können. Erstaunlicherweise wirkt sein<br />
in kleinen Mengen erzeugter «Domaine A Pinot noir» viel<br />
kräftiger und mächtiger als viele andere hiesige Pinots<br />
noirs, ist so was wie der Bordeaux unter Tasmaniens Burgun<br />
dern. Und auch die Sauvignons blancs, von denen gleich<br />
zwei existieren, sind nichts weniger als ungewöhnlich.<br />
«Diese Sorte passt», erklärt Weinmacher Peter. «Ich kann<br />
Sauvignon blanc ernten, ohne aufsäuern zu müssen.» Vom<br />
anderswo in der Welt populären Stachel beer-Stil will sich<br />
Althaus allerdings abgrenzen. «Unser Sauvignon blanc<br />
unterscheidet sich deutlich von dem in Neuseeland, ist weniger<br />
‹grassy› und dafür reifer.» Die Sache mit dem Cool<br />
Climate muss man eh ein bisschen relativieren, zumal es<br />
selbst auf Tasmanien ganz schön heiss werden kann und<br />
für trockene Epochen mit Tröpfchenbewässerung vorgesorgt<br />
werden muss. Saftig und cremig, deutlich exotisch<br />
duftet also Sauvignon Nr. 1, während die «Lady A»<br />
genannte Nr. 2 in neuen französischen Barriques vergoren<br />
wird, zwölf Monate auf der Hefe zubringt und dann noch<br />
eine halbe Ewigkeit in Flaschen reifen darf. Das Ergebnis<br />
hat mit grossen Bordelaiser Weissweinen à la Smith Haut<br />
Lafitte mehr gemein als mit den meisten australischen<br />
Sauvignons, braucht Zeit, um die Holzaromen einzubinden,<br />
will karaffiert und ohne Eile konsumiert werden.<br />
Nichts, was im Trend des schnelllebigen 21. Jahrhunderts<br />
liegt und was gerade deshalb gut passt. «Ich betrachte<br />
Wein nicht als Modeprodukt», resümiert Peter Althaus,<br />
«und ich verkaufe nur das, was ich selbst gern trinke.»<br />
Selten waren Winzeraussagen so nachvollziehbar wie in<br />
diesem Falle.<br />
Foto unten: Tourism Tasmania & Geoffrey Lea<br />
S c h w e i z e r i s c h e We i n z e i t u n g — 3 0