Motel Eyes
Kurzgeschichte von Christian Dörge
Kurzgeschichte von Christian Dörge
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Christian Dörge: <strong>Motel</strong> <strong>Eyes</strong> Seite 1 von 6<br />
Kurzgeschichte von Christian Dörge<br />
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Christian Dörge: <strong>Motel</strong> <strong>Eyes</strong> Seite 2 von 6<br />
Kurz vor Morgengrauen, der Sturm war endlich abgeflaut. Nebel stieg aus der Wüste<br />
hoch und die Kälte drang Saba durch das Kleid bis ins Mark.<br />
Eine gespenstische Windbö – ein letzter Atemzug des ausklingenden Sturms – teilte für<br />
einen kurzen Augenblick den Nebel und gab Saba den Blick nach Osten frei. Am Horizont<br />
malte die aufgehende Sonne den Himmel – einen Himmel aus schwarzem Glas und<br />
glänzendem Chrom - blutrot, und davor hoben sich die Linien der Dünen und Felsen ab.<br />
So nahe und dennoch völlig unerreichbar. Dieses lauernde Bild quälte sie, machte sie<br />
regelrecht verrückt.<br />
Saba fröstelte im kalten Nebel. Vier Tage wartete sie nun bereits darauf, dieses ferne<br />
Ufer wieder zu betreten. Sie zitterte.<br />
»Ich fühle nichts«, flüsterte sie.<br />
Sie berührte den Bildschirm mit den langen, schlanken Fingern ihrer rechten Hand. Die<br />
Wüste verschwand. Hinter dem Glas blitzten rote und gelbe Signale wie die Augen von<br />
Dschungeltieren. Ein Flackern kam aus dem hinteren Teil des holografischen Meridians.<br />
Ein brennender Mann, dessen Augenhöhlen zwei dunkle Löcher hinter den wabernden<br />
Flammen waren.<br />
»Du bist zurückgekommen«, sagte der Mann und warf einen Schatten durch den<br />
Bildschirm.<br />
Saba zerteilte den Schatten wie eine weiße Welle einen Fluss.<br />
Erinnere dich. Erinnere dich! flüsterte etwas in ihren Gedanken.<br />
Trotz der Hitze waren die Worte mit glänzendem Eis bedeckt.<br />
Im Rückraum ihres Kopfes waren Sabas Augen fest geschlossen. Der interplanetarische<br />
Staub zerstreute sich und Licht brach über den Meridian herein. Doch mit dem<br />
Datenstrom kehrten auch die Erinnerungen zurück. Zuerst bruchstückhaft, dann so klar<br />
wie eine kürzlich vergangene Nacht. Sie sah ihr Spiegelbild. Das schwarze, kurz und<br />
symmetrisch geschnittene Haar, die grünen Augen, den kirschrot geschminkten Mund, die<br />
blasse, vollkommen makellose Haut - das perfekte Kazumi-Design.<br />
Sie flüchtete sich in tiefste Konzentration. Das Licht, das vom Strom der Daten ausging,<br />
verursachte ihr Kopfschmerzen.<br />
Ich bin Saba. Sie sprach es wie einen Titel aus. Etwas regte sich im virtuellen Palast des<br />
Meridians, aber als sie danach zu greifen versuchte, entglitt es ihr.<br />
»Das Glas.« Gedankenverloren liebkoste sie den oberen Rand des Bildschirms. »Die<br />
Abbilder fügen sich zusammen.«<br />
Der Datenstrom verwandelte sich in einen Chor von einem Dutzend Schallskulpturen; er<br />
las Gedanken und sprach dreidimensionale Prophezeiungen aus.<br />
»Es ist kein Trick. Es ist genau so, wie es sein sollte.«<br />
Die Erinnerungen ragten so klar auf wie Opalglas. Schneebedeckte Gipfel. Der brennende<br />
Mann. Ein Mord wie ein Krankheits-Symptom. Die Nachmittagssonne, die purpurne und<br />
blaue Lichter über Sabas Haar legte und ihre Haut badete. Eine kühle Brise, die den Duft<br />
der Bergkiefern mit sich brachte. Im Schmelzpunkt des Meridians erkannte Saba das<br />
Bleikristall von Flucht und Verfolgung.<br />
Der Meridian öffnete sich flüsternd, um sie aus der Welt der Wüstentürme zu entlassen.<br />
Die Botschaft des Systems lautete: Mord.<br />
Die Analyse: Eine griechische Statue mit Amethysten als Augen.<br />
Der Mord. In ihren Händen waren die Details in Dutzende von Stücken zerbrochen.<br />
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»Ich bin Saba.«<br />
Doch plötzlich lag Zweifel in ihrer Stimme.<br />
Die Nachmittagssonne breitete sich aus, hüllte sie ein wie eine Glocke. Der Bildschirm<br />
verschwand. Dann folgte einen Moment lang Dunkelheit. Das Bleikristall des Datenstroms<br />
enthüllte Selbstsucht und Eitelkeit und spiegelte sich im Licht einer Straße.<br />
Saba lächelte. In ihrem Kopf sagte eine Stimme: Gib Acht!<br />
Sie vertraute dieser Stimme. Das Echo des Bleikristalls wand sich durch ihre Träume und<br />
zerstreute sich.<br />
Saba zwang sich, ruhig zu atmen. Sie hielt die Augen geschlossen. Bleib ruhig. Stell dich<br />
schlafend. Langsam öffnete sie die Augen.<br />
Eine Tür ächzte leise.<br />
Mutter? seufzte der Wind.<br />
Saba erwachte in ihrem schäbigen, viel zu kleinen Apartment im Raum für Virtuelle<br />
Sitzungen und wusste nicht, wie sie hierhergekommen war.<br />
Indirekte Beleuchtung. Abstrakte Kunst an drei Wänden.<br />
Stöhnend rollte sie herum. In ihrem Gesichtsausdruck lag Erkennen, jedoch keine Furcht.<br />
Ein Notizbuch lag aufgeschlagen neben ihrem Bett. »Strafzyklen. Die Stimme ist wie<br />
Kristall«, stand da in ihrer Handschrift.<br />
Vorsichtig richtete sie sich auf. Ihr Kopf erschien ihr so schwer, als würde er jeden<br />
Moment vom Hals kippen. Da waren seitenweise Notizen, die meisten unleserlich, und<br />
Zitate von allen Shinto, die sie je gelesen oder studiert hatte. »Wortgeister – siehe Kult der<br />
Amaterasu«, lautete eine der Notizen.<br />
Saba kniff die Augen zusammen, in der Hoffnung, die Schrift könnte etwas anderes<br />
bedeuten. Kleine Schatten bewegten sich zwischen den Buchstaben; die vergangene<br />
Nacht kehrte bruchstückhaft in ihr Gedächtnis zurück, doch die Zusammenhänge blieben<br />
unklar.<br />
Eine kurze Anwandlung von Panik. Es schien ihr, als wehte der Wind Phantomgestalten<br />
durch das Fenster herein.<br />
Ihre Kopfschmerzen – gekoppelt an einen kybernetischen Webstuhl aus Nullen und<br />
Einsen - waren verschwunden. Sie zitterte jetzt vor Erregung. Also erinnere ich mich. Was<br />
hatte sie da aufgestöbert?<br />
Sie zog sich langsam an und ordnete im Geist ihre Notizen.<br />
Herbstblätter.<br />
Nebelfetzen und wirbelnde Schwaden von Kindern.<br />
Ein Bildschirm, ein Deck. Blitzende Signale einer Konstruktion, durch die Saba schon so<br />
oft navigiert war.<br />
Und als sie las, drangen die Worte irgendwie unter ihre Haut, brachten Glanz in ihre<br />
matten Augen. Sie wurde sich einer seltsamen Macht bewusst, die den Raum zu erfüllen<br />
begann. Das Chiffrieren und Navigieren in diesem komplizierten Spinnennetz aus Haar<br />
und Wind wurde leichter. Die privaten und korporativen Daten verschmolzen zu einem<br />
autonomen Impuls.<br />
In der folgenden Woche – unterbrochen nur von Perioden des Widerstrebens -<br />
programmierte Saba Nacht für ein schwarzes Loch, welches wiederholt im<br />
Ereignishorizont des Datenstroms verschwand. Das Ganze war ein künstlerisches<br />
Unternehmen, ein Statement über Mensch und Zeit. Der brennende Mann war auch da.<br />
Saba beugte sich im Mondlicht über ihn und küsste ihn. Manchmal wurde der Mann von<br />
einer Frau verdrängt, und dann wachte Saba unzufrieden auf, mit dem Gefühl, dass man<br />
ihr etwas fortgenommen hatte.<br />
Sie begann die Frau zu meiden und riss sich selbst aus dieser Trance. Sabas Augen waren<br />
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glühende, schmerzerfüllte Flecken. Sie schaltete die Konsole und den Bildschirm aus. Der<br />
Schleier hob sich von ihren Augen.<br />
Schließlich fragte sie: »Und was brauchst du nun?«<br />
Eine geraume Zeit horchte sie in sich hinein. Dann schüttelte sie den Kopf. „Keine<br />
Ahnung.“<br />
Sabas Hand fasste nun außerhalb des Raums für Virtuelle Sitzungen irgendwohin und<br />
klopfte zweimal an eine Wand – das Bild ihres Apartments rollte nach oben wie ein<br />
Fensterrouleau, schrumpfte zu einem dünnen Strich, verschwand und wurde sofort durch<br />
ein neues ersetzt. Sie gab eine Meta-Anweisung und blickte nun auf eine Tür, wo vorher<br />
ein Fenster gewesen war. Dort glaubte sie unruhige Schatten zu sehen, die sich in den<br />
Tiefen des Phosphors verbargen.<br />
Die Tür leuchtete kurz blendend weiß auf, dann war der Download abgeschlossen.<br />
Saba atmete ein paar Mal tief ein und aus und vertiefte sich in die Simulation von Dr.<br />
Tronstad.<br />
Dr. Tronstad. Akribische, aber schmerzlose Operationen. Täuschungen und Phantasien,<br />
nach Nützlichkeit sortiert. Die Reise zur Wahrheit. Zwischen seinen Zähnen funkelnde<br />
Sterne.<br />
Dr. Tronstad. Saba besuchte ihn jetzt täglich, aber sie sprach nie ein Wort über ihr<br />
nächtliches Programmieren.<br />
»Zeig mir, dass ich real bin«, sagte Saba, als sie an die Tür des Labors, das einer<br />
mörderischen Welle glich, klopfte. »Zeig mir, dass ich physisch darstellbar bin.«<br />
Die Wirklichkeit ist eine Sirene, hatte Dr. Tronstad gesagt und Saba konnte ihr Lied Tag<br />
und Nacht hören.<br />
Nicht Dr. Tronstad, sondern Neomi öffnete ihr.<br />
Neomi, die Paraphotonen-Illusion; eine intellektuelle Amazone, schlank und<br />
schwarzhaarig. Sie trug eine kunstvoll gesteckte Frisur, die den Nacken frei ließ. Ihre<br />
Schultern, nackt über einem durchsichtigen roten Gewand, schienen sich mit keinem ihrer<br />
Atemzüge zu heben oder zu senken. Sie schien völlig ruhig und gelassen. Für Saba hatte<br />
sie nur ein dünnes Lächeln übrig, eine kühle Miene, in der sich jene Herzenskälte spiegelte,<br />
die unter jusei-Drohnen so weit verbreitet war.<br />
»Wo – wo ist Ihr Vater?«, fragte Saba.<br />
»Ich weiß es nicht«, erklärte Neomi. Die gefälschte europäische Mechanik ihrer Augen<br />
schien ins Licht zu springen.<br />
»Ich hatte für heute eine Verabredung mit ihm«, meinte Saba ein wenig ungeduldig. »Um<br />
fünfzehn Uhr.«<br />
Neomi lachte. »Und Sie haben fest damit gerechnet, dass er da ist?«, fragte sie. »Dann<br />
wissen Sie noch nicht viel über unseren Umgang mit Zeit.«<br />
»Ich weiß zumindest so viel, dass alles, was Sie erzählen, Lügen sind.«<br />
Neomi zögerte. Sie schärfte ihre replizierten Reflexe. Ruhig und rational. Aber sie sagte<br />
nichts. Stattdessen hielt sie Saba plötzlich einfach fest. Ihre schlanken, künstlichen Finger<br />
waren kühl auf Sabas erhitzter Haut.<br />
Salzkristalle rieselten herab.<br />
Pläne wurden entworfen, Versuche eingeleitet.<br />
Saba streckte ihre Hand aus. Winzige Lichter erloschen.<br />
Die Minuten verstrichen, nur unterbrochen von den immer wiederkehrenden<br />
Geräuschen des Meridian und einem weit entfernten, unverwechselbaren Donnergrollen.<br />
Als Neomi endlich so erschöpft war, dass sie fast so etwas wie Frieden zu empfinden<br />
schien, gelang es ihr zu sprechen. Sie flüsterte: »Unsere Sprache unterscheidet sich sehr<br />
von der Ihren. Jedes unserer Worte muss übersetzt, zu Lauten geformt werden, die uns<br />
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fremd sind. Was in meiner Sprache die reine Wahrheit wäre, lässt sich in der Ihren nur<br />
verschwommen und unklar ausdrücken. Sehen Sie, wir haben gar keine andere Wahl als<br />
zu lügen. Wir sind im Exil, und alle Wesen im Exil lügen.«<br />
Saba filterte die relevante Aussage heraus, formulierte sie im Kopf allgemein, und<br />
verhielt sich weiterhin unscharf, sicher vor den Verfolgern, die hörbar näher kamen.<br />
»Ihr führt magische Dramen auf, nicht wahr?«, fragte sie.<br />
Als Antwort darauf erhielt sie einen flüchtigen Blick; die Augentransplantate<br />
verhinderten, dass Saba den Blick deuten konnte.<br />
»Mehr als das«, erwiderte Neomi schließlich. »Es ist unsere Welt, die wir uns selbst<br />
geschaffen haben.« Sie schärfte ihr Steuerungssystem, als wolle sie sicherstellen, dass<br />
Saba auch jedes Wort verstand. »Der Mensch ist glatt, er ist gerundet, er ist das Ebenmaß<br />
der Natur. Ein jusei steht abseits der Natur, hochmütig, aufrecht. Geordnet und<br />
regelmäßig, ein gestalteter Mikrokosmos im Chaos des Alls – er schlägt eine Brücke vom<br />
unbelebten zum belebten Teil des Universums.«<br />
Adrenalin überschwemmte Sabas Kreislauf. Undeutliche Erinnerungen wurden<br />
aufgescheucht; Furcht, silberne Hände - wie die Hände einer Datensphäre aus Chrom an<br />
ihrem Hals - und die leise Stimme Dr. Tronstads, flüsternd, raschelnd… dann war es vorbei.<br />
Die Tür zu Dr. Tronstads Praxis war nun verschlossen. Der Cursor bewegte sich fort von<br />
Neomis lachendem Profil. Sie ist mir überlegen, dachte Saba. Das Implantieren und<br />
Blockieren von Informationen ist für sie ein Kinderspiel. Zu viele Delikte werden mit Tod<br />
und Strafzyklen bestraft.<br />
Adrenalin schoss durch Sabas Adern, ein schrilles elektronisches Signal schrie Tod in<br />
ihrem Kopf.<br />
Der Meridian hatte die Informationen akzeptiert und rief automatisch graue Lichtschleier<br />
auf, die alles Leben aus dem Informationsfluss entweichen ließen.<br />
Saba senkte den Blick, drehte sich unbeholfen um und lief nach draußen. Den Kopf in<br />
den Nacken gelegt, ließ sie sich den Regen über das Gesicht strömen und schwieg.<br />
Worte brachten ihr nun keinen Trost mehr.<br />
Der Fehler lag bei ihr. Wäre sie an Dr. Tronstads Bett geblieben, würde er noch leben.<br />
Aber sie hatte ihn nicht getötet. Sie hatte ihm die übliche Dosis gegeben.<br />
Die Kopfschmerzen waren wieder da, als Flucht und Verfolgung endeten. Wie lange<br />
folgte sie schon dem Datenstrom und wartete auf ihren Prozess?<br />
Ich wappne mich gegen das Unerträgliche, dachte Saba. Sie schien nur zu schlafen. In<br />
ihren Armen steckten Injektionsnadeln. Nano-Chirurgie, die den Anwender beherrschte.<br />
Die Nadeln sollen verhindern, dass ich einen Schock erleide.<br />
Durch den Datenstrom näherte sich eine weiße Blutzelle, streckte prüfend einen<br />
Scheinarm aus und zog sich zurück.<br />
Saba wurde im Strom einen weiten Tunnel entlanggetragen, dessen Wände nicht<br />
sichtbar waren.<br />
Der Meridian war jetzt dunkel, bis auf schwache Lichtstrahlen, die wie von glitzernden<br />
Wellen reflektiert wurden. Er war feucht und angefüllt mit dem übelriechenden Schaum<br />
verfaulender Algen. Als Saba aus dem Wasser stieg, umfasste sie Neomis zierliche Arme.<br />
Neomis Küsse brannten vor Salz; sie sprach griechisch, jedoch mit einem melodiösen<br />
Tonfall, wie Saba es noch nie gehört hatte.<br />
Nachdem sie sich geliebt hatten, sang Neomi ein Meereslied für sie, ein Wiegenlied über<br />
ein Kind, das wohlbehütet in seinem sanft schaukelnden Boot ruhte. Nach einiger Zeit<br />
liebten sie sich noch einmal, dann schliefen sie ein.<br />
Der Meridian öffnete seinen scharlachroten Mantel. Der Datenstrom begann sich zu<br />
bewegen und nach Saba zu greifen. Noch bevor sie wusste was geschah, hatte er sie<br />
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umschlungen und wurde umhüllt wie von den Blütenblättern einer schrecklichen<br />
Mohnblume.<br />
Saba sah die Schuld. Sie sah die Lebenswärme und den Mord, beängstigend und Grauen<br />
erregend. Wie eine Wölfin mit scharfen, weißen Zähnen verbrannte Saba Dr. Tronstad.<br />
Seine ganze Kraft wurde von ihr aufgesogen und floss durch ihren Leib in den Meridian.<br />
Zusammen waren sie eine blutrote Pflanze, die alles verschlang – eine intelligente, sich<br />
selbst regelnde Hölle…<br />
Saba lächelte. Das Lächeln glitzerte wie Sonne auf einem stillen Teich.<br />
Zu viele durcheinandergeworfene Bilder. Kein Sinn darin.<br />
Sie würde Zeit brauchen, diese zu entwirren.<br />
Später, viel später, als die Sonne schon unterging in den Wäldern, war an der<br />
betreffenden Stelle nur noch ein feuchter rostroter Fleck auf dem Boden zu erkennen,<br />
und bei Mondaufgang war auch dieser verschwunden.<br />
Als der Meridian verstummte und von vorn begann, hatte Saba genug. Sie ging über die<br />
Straße und tauchte in der Wüste unter: Nach oben. Hinauf. Und hinaus.<br />
Copyright © 2013/14 by Christian Dörge. All rights reserved!<br />
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