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Stapellauf bei der Flender-Werft Neubau Nr. 682 MS „SUPERFAST XI“

Stapellauf bei der Flender-Werft Neubau Nr. 682 MS „SUPERFAST XI“

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<strong>Stapellauf</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Flen<strong>der</strong>-<strong>Werft</strong><br />

Von einem beson<strong>der</strong>en Ereignis in <strong>der</strong> Schifffahrt möchte ich Euch berichten, einem <strong>Stapellauf</strong>.<br />

Von unserem Clubkollegen Thomas Ohm hörte ich auf einem Clubabend, dass <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Flen<strong>der</strong>-<br />

<strong>Werft</strong> in Lübeck ein <strong>Stapellauf</strong> erfolgen sollte. So was hatte ich schon lange nicht mehr erlebt,<br />

und ich entschloss mich kurzerhand, daran teilzunehmen. Über das Internet holte ich mir Informationen<br />

über die <strong>Werft</strong> und auch über das „Objekt meiner Begierde“. Es sollte <strong>der</strong> <strong>Neubau</strong> einer<br />

Schnellfähre für eine griechische Ree<strong>der</strong>ei sein, und schon die Beschreibung ließ Großes erahnen:<br />

<strong>Neubau</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>682</strong> <strong>MS</strong> „SUPERFAST XI“<br />

„SUPERFAST XI“ und das Schwesterschiff „SUPERFAST XII“ sind die neuesten<br />

Zugänge in <strong>der</strong> Flotte <strong>der</strong> in Athen ansässigen Ree<strong>der</strong>ei „Superfast Ferries S.A.“, einer<br />

Tochtergesellschaft von „Attica Enterprises“. Diese hochmo<strong>der</strong>nen Schiffe mit ABS-<br />

Klasse (American Bureau of Shippjng) werden in <strong>der</strong> ersten Hälfte des Jahres 2002<br />

abgeliefert und sorgen mit ihrer bemerkenswerten Geschwindigkeit von 29,25 kn (54<br />

km/h) für einen schnellen Transport ihrer Passagiere.<br />

Die Zweischraubenschiffe mit Spiegelheck, Wulstbug und stromlinienförmigem<br />

Schornstein können mehr als 700 Passagiere für lange und ca. 1550 Personen für kurze<br />

internationale Reisen aufnehmen. Es stehen ca. 1920 m Spurmeter für Ro/Ro-Ladung<br />

und ca. 100 Privatautos zur Verfügung. Reibungsloses Be- und Entladen <strong>der</strong> Schiffe<br />

erfolgt über drei Heckrampen. Die Fähren sind mit Fahrstühlen vom Auto-deck zu den<br />

Salondecks ausgerüstet, um den Passagierzustrom zu erleichtern. Das obere Trailerdeck<br />

wird auch für Campingmobile genutzt, in denen Passagiere schlafen dürfen. Die Schiffe<br />

sind für den ganzjährigen Betrieb ausgelegt. Der Komfort <strong>der</strong> Passagiere ist ein wichtiger<br />

Aspekt dieser Schiffe, die in Anlehnung an Kreuzfahrt-schiffe entworfen wurden: Sie ver<br />

fügen über eine Disco, Restaurants und ein Schwimmbad.<br />

Die Länge über alles beträgt 199,90 m, die Breite auf Spanten 25,00 m, <strong>der</strong> Tiefgang<br />

6,40m. Das Deck 10 ist 28,80 m über dem Kiel, und das Schiff hat eine Tragfähigkeit von<br />

5800 t. Die vier mittelschnell laufenden Hauptmotoren mit je 12000 kW <strong>bei</strong> 500 Upm<br />

ar<strong>bei</strong>ten zwei Doppelgetriebe auf zwei Verstellpropeller von 5,20 m Durchmesser <strong>bei</strong> 150<br />

Upm. Für die Bordnetzversorgung sind drei Hilfsdiesel und zwei Wellen-generatoren mit<br />

einer Gesamtleistung von 8,5 MW vorgesehen. Zwei Halbschwebe-ru<strong>der</strong>, zwei<br />

Bugstrahlru<strong>der</strong> und ein Heckstrahler ermöglichen sehr gute Manövrier-eigenschaften<br />

auch ohne Schlepperhilfe. Das Seegangsverhalten wird durch eine<br />

Krängungsausgleichsanlage und zusätzliche Flossenstabilisatoren optimiert.


Mit entsprechenden Erwartungen fuhr ich am 3. August mit meinem vierjährigen Enkel Julian zur<br />

Flen<strong>der</strong>-<strong>Werft</strong> nach Lübeck. Schon vor dem Werkstor war <strong>der</strong> <strong>Neubau</strong> weithin sichtbar, denn er<br />

überragte die Hallen und Gebäude beträchtlich. Eine halbe Stunde vor dem großen Ereignis wurden<br />

die Werkstore geöffnet, und das Volk strömte in Massen. Ich hatte schon befürchtet, wir bekämen<br />

kaum noch einen ordentlichen Platz mit guter Sicht, doch die Menge verteilte sich schnell und wir<br />

standen schließlich mittschiffs in <strong>der</strong> dritten Reihe. Meine Güte, was war das für ein Klotz !!!<br />

Foto: Thomas Ohm<br />

Ganz weit links <strong>der</strong> Bug und das Rednerpodest, ganz weit rechts das Heck, ganz weit oben das<br />

oberste Deck und tief unten die Rundung zum Schiffsboden. Über die Reling guckten teils gelangweilt,<br />

teilweise amüsiert diverse <strong>Werft</strong>ar<strong>bei</strong>ter, die an Bord für all die kleinen Ar<strong>bei</strong>ten nach dem<br />

Ablauf gebraucht wurden.<br />

Exakt um 12 Uhr betraten eine Menge Herren in dunklen Anzügen die Helling und strebten zum<br />

Rednerpodest. Der <strong>Werft</strong>direktor begrüßte zunächst auf deutsch den Ree<strong>der</strong>, die Ree<strong>der</strong>eivertreter,<br />

die Angehörigen <strong>der</strong> <strong>Werft</strong> und die vielen Zuschauer. Dann fuhr er auf englisch fort, beschrieb den<br />

vor uns stehenden Bau und den Stolz <strong>der</strong> <strong>Werft</strong>, ein solches Schiff sowie das Schwesterschiff hier<br />

bauen zu können. Optionen auf zwei weitere Schiffe lägen auch noch vor. Er hob weiterhin hervor,<br />

dass diese Schiffe in herkömmlicher Art auf einer Helling gebaut würden und jeweils mit einem<br />

feierlichen <strong>Stapellauf</strong> „in traditional way“ dem neuen Element übergeben würden. Der Ree<strong>der</strong><br />

dankte daraufhin (auch auf englisch) mit herzlichen Worten und betonte die gute Zusammenar<strong>bei</strong>t<br />

zwischen Ree<strong>der</strong>ei und <strong>Werft</strong>. Er schloss mit den Worten: „Now, it is yours!“ Eine Sektflasche war<br />

nirgends zu sehen (nachträglich erfuhr ich, dass die Taufe zusammen mit dem <strong>Stapellauf</strong> des<br />

Schwesterschiffes im Dezember dieses Jahres erfolgen soll.), alles wartete gespannt, was nun<br />

passieren sollte. Plötzlich ein lauter Jubelschrei, es kam Bewegung ins Schiff: Langsam und gemächlich,<br />

aber doch immer schneller werdend bewegte sich <strong>der</strong> <strong>Neubau</strong> auf das Wasser zu. Ein


Gebilde von <strong>der</strong> Größe einer riesigen Werkhalle glitt da in wenigen Metern Entfernung an uns<br />

vor<strong>bei</strong>. Dazu ließen die Schlepper und die an<strong>der</strong>en an den <strong>Werft</strong>kais liegenden Schiffe ihre tiefen,<br />

lauten Sirenen ertönen. Da läuft einem schon ein Schau<strong>der</strong> über den Rücken. Und dann kam <strong>der</strong><br />

schwerste Moment, den so ein Schiff jemals erlebt. Das Heck schwimmt auf, <strong>der</strong> Bug liegt noch<br />

auf <strong>der</strong> Helling, die Mitte hängt hohl: Es sind enorme Biegemomente, die den Rumpf belasten,<br />

und wenn er das ohne Schäden überstanden hat, ist „das Kind in trockenen Windeln“! Wenn das<br />

Schiff dann auch noch exakt senkrecht im Wasser liegt, hat <strong>der</strong> Statiker <strong>der</strong> <strong>Werft</strong> sein Können<br />

bewiesen.<br />

Da die Trave an dieser Stelle zwar relativ breit, aber nicht son<strong>der</strong>lich tief ist, musste das Schiff<br />

recht schnell gestoppt werden. Mit vier Betonklötzen und zwei großen Ankern gelang dies Manöver<br />

glänzend: Das Schiff kam, kurz nachdem <strong>der</strong> Bug die Ablaufbahn verlassen und eingetaucht hatte,<br />

zum Stillstand. Flink wie die Wiesel kamen vier Schlepper und machten fest, um den <strong>Neubau</strong> an<br />

den Ausrüstungskai zu holen. Dies Manöver dauerte allerdings recht lange, weil dort im noch tiefen<br />

Wasser erst <strong>der</strong> Ablaufschlitten unter dem Schiff herausgezogen werden musste.<br />

Mit meinem Enkel besichtigte ich dann noch den Helgen und vor allem die Ablaufbahn. Es ist eine<br />

3 m breite hölzerne Bahn mit seitlichen Führungsschienen, die ein Gefälle von 3,2° hat (56 mm<br />

Höhenunterschied auf einen Meter Länge) und dick mit einem weißlichen <strong>Stapellauf</strong>fett eingeschmiert<br />

war. Blickt man die Bahn zum Wasser hinunter, sieht man keinerlei weitere seitliche<br />

Stützen, d.h. das Schiff mit seinen 25 m Breite liegt auf 3 m Breite auf und hängt zu je<strong>der</strong> Seite<br />

11 m über! Wie genau muss so ein Schiff berechnet, gebaut und ausgerüstet werden, dass es nicht<br />

umkippt!<br />

Ich weiß nicht, ob mein Enkel die Bedeutung so eines <strong>Stapellauf</strong>s mitbekommen hat, er war jedenfalls<br />

von all den Eindrücken und Erlebnissen (und wohl auch von <strong>der</strong> Wärme) so erschöpft, dass er<br />

die ganze Rückfahrt verschlafen hat.<br />

Rainer Graf

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