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Andreas Diekmann (2009): Spieltheorie – Einführung, Beispiele ...

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Kasten 2.2 Das Erpresserproblem<br />

Das Buch «Rahmen-Analyse» von Erving Goffman enthält ein Kapitel über «Pläne und Täuschungsmanöver»,<br />

in dem sich Goffman auch mit Erpressungen befasst. Dort heißt es (1977: 126<br />

f.): «(…) für das Opfer gibt es gute Gründe, dass es nicht bekannt werden lassen möchte, was der<br />

Erpresser angeblich weiß, während dieser vom jeweiligen Opfer im Weigerungsfalle nichts zu<br />

gewinnen hat, wenn er seine Drohung wahrmacht. Ein nicht willfähriges und dann bloßgestelltes<br />

Opfer trägt lediglich dazu bei, dass die Erpressungen nicht an Wirksamkeit einbüßen, und der einzelne<br />

Erpresser trägt diesem Gesichtspunkt wohl nicht immer genügend Rechnung. Die Ältesten<br />

machen ihre Drohung aus reiner Bosheit wahr, doch solche Gefühle haben in einem gut organisierten<br />

Gewerbe keinen Platz – wohl aber der Eindruck, man sei boshaft. Kurz, damit Erpressungen<br />

Erfolg haben, muss der Erpresser den Eindruck erwecken, er werde reden, wenn man ihm<br />

nicht willfährig ist, doch nachdem sich ein Opfer geweigert hat, gibt es nur noch wenig Grund dazu.<br />

Damit also Erpressungen gut funktionieren, müssen die Erpresser den glaubhaften Eindruck<br />

erwecken, als seien sie ihres Dilemmas gar nicht gewahr.» Das Erpresserproblem lässt sich mit<br />

dem folgenden Spielbaum darstellen:<br />

a, b, c > 0 ; c > a<br />

E bedeutet «Erpressung», Z «zahlen» und V «das belastende Material veröffentlichen». Ein Balken<br />

über dem Buchstaben bedeutet, dass die entsprechende Handlung unterlassen wird. Nehmen wir<br />

an, der Erpresser ist an die ausländischen Kontendaten eines reichen Steuersünders gelangt. Zahlt<br />

das Opfer nach der Erpressung, gewinnt der Erpresser die Summe a, und das Opfer verliert a.<br />

Schickt der Erpresser das Material an die Steuerbehörde, betragen die Kosten des Opfers – c, wobei<br />

c natürlich größer als a sein muss. Aber auch der Erpresser hat Kosten von – b. Vollzieht der<br />

Erpresser die Drohung nicht, haben beide weder Gewinn noch Verlust (0, 0). Im Falle einer Erpressung<br />

ist die Kombination aus der Strategie des Opfers «zahlen» und der Strategie des Erpressers<br />

«nach Zahlen nicht veröffentlichen, nach Weigerung veröffentlichen» ein Nash-Gleichgewicht.<br />

Das Nash-Gleichgewicht ist aber nicht teilspielperfekt, denn vor die Wahl gestellt, zu veröffentlichen<br />

oder nicht zu veröffentlichen, wird der Erpresser die Drohung nicht ausführen. Ein rationales<br />

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Opfer wird nicht zahlen, und ein rationaler Erpresser wird das Material nicht veröffentlichen bzw.<br />

von vornherein auf eine Erpressung verzichten. Warum gibt es dann Erpressungen? Wie Goffman<br />

erwähnt, wird der Erpresser den Eindruck erwecken, er könnte sich irrational verhalten. Vielleicht<br />

wird er vortäuschen, dass er es für eine Pflicht halte, einen reichen Steuerhinterzieher zu bestrafen,<br />

und vermutlich wird die Drohung umso glaubwürdiger sein, je geringere Kosten dem Erpresser<br />

im Falle einer Veröffentlichung entstehen. Umgekehrt könnte das Opfer seine Kosten bei Veröffentlichung<br />

herunterspielen («Mein Mann kennt alle meine Seitensprünge», «Ich habe bereits<br />

beim Finanzamt Selbstanzeige erstattet»). Kann glaubwürdig kommuniziert werden, dass aus der<br />

Sicht des Opfers c < a gilt, wird die Erpressung hinfällig.<br />

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