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Von den Anfängen der sozialdemokratischen ... - SPD Saar

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<strong>Von</strong> <strong>den</strong> Anfängen <strong>der</strong> <strong>sozialdemokratischen</strong> Arbeiterbewegung in Blieskastel 1<br />

Die ersten Versuche<br />

„Schande für das kleine Blieskastel“, diese negative Äußerung erschien 1891 in<br />

einem Bericht in Zusammenhang mit einer Veranstaltung <strong>der</strong> Sozialdemokratischen<br />

Partei Deutschlands (<strong>SPD</strong>) in <strong>der</strong> ehemaligen Resi<strong>den</strong>zstadt. Obwohl das<br />

Bismarcksche Sozialistengesetz, jenes vom „Eisernen Kanzler“ 1878 auf <strong>den</strong> Weg<br />

gebrachte „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen <strong>der</strong><br />

Sozialdemokratie“, keine Gültigkeit mehr hatte, wird im Jahre 1891 ohne Angabe von<br />

Grün<strong>den</strong> vom königlichen Bezirksamt Zweibrücken eine “sozialdemokratische<br />

Volksversammlung am Pfingstmontag in <strong>der</strong> Wirtschaft Feldheis“ verboten. Als<br />

Thema des Vortrages war vorgesehen: „Kapital und Arbeit“, 2 als Redner<br />

Sozialdemokraten aus Pirmasens o<strong>der</strong> Ludwigshafen 3 . Initiatoren waren Philipp<br />

Barth, Steinhauer von Beruf, und <strong>der</strong> Färber August Heim, beide aus Blieskastel.<br />

Bereits drei Tage zuvor, am 15. Mai, war diese sozialdemokratische Versammlung<br />

schon einmal durch das Bezirksamt untersagt wor<strong>den</strong>. Ein an<strong>der</strong>es<br />

Versammlungslokal war auch drei Tage später am Ort nicht zu fin<strong>den</strong>, nachdem von<br />

behördlicher Seite „die betreffen<strong>den</strong> Wirthe auf die etwaigen Folgen, die Schande für<br />

das kleine Blieskastel und <strong>der</strong>gleichen aufmerksam“ gemacht wor<strong>den</strong> waren. 4<br />

1 Dies ist eine vom Autor, Kurt Legrum M.A., wesentlich ergänzte und erweiterte Fassung seines Aufsatzes: Die<br />

Anfänge <strong>der</strong> Sozialdemokratie in Blieskastel, in: <strong>Saar</strong>pfalz. Blätter für Geschichte und Volkskunde. H: 2/2003,<br />

S. 5 – 22.<br />

2 Zit. n.: Kurt Legrum: Festschrift 900 Jahre Blieskastel. Blieskastel 1998, S. 46.<br />

3 Diese bei<strong>den</strong> Orte, beson<strong>der</strong>s Ludwigshafen, waren damals Hochburgen <strong>der</strong> pfälzischen Sozialdemokratie,<br />

vgl.: Ernst Otto Bräunche: Parteien und Reichtagswahlen in <strong>der</strong> Rheinpfalz von <strong>der</strong> Reichsgründung 1871 bis<br />

zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914. Eine regionale partei- und wahlhistorische Untersuchung im<br />

Vorfeld <strong>der</strong> Demokratie. Speyer 1982 (Veröffentlichung <strong>der</strong> Pfälz. Gesellschaft zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Wissenschaften, Bd. 68), S. 166 - 185, ebenso die entsprechen<strong>den</strong> Beiträge in: Manfred Geis u. Gerhard Nestler<br />

(Hg.): Die pfälzische Sozialdemokratie: Beiträge zu ihrer Geschichte von <strong>den</strong> Anfängen bis 1948/49. E<strong>den</strong>koben<br />

1999; Erich Schnei<strong>der</strong>: Die Anfänge <strong>der</strong> sozialistischen Arbeiterbewegung in <strong>der</strong> Rheinpfalz. 1864 - 1899.<br />

Mainz 1956. (Inaugural-Dissertation).<br />

Blieskastel zählte zum bayerischen Reichstagswahlkreis Pirmasens-Zweibrücken. Es war dies <strong>der</strong> 4. pfälzische<br />

Reichstagswahlkreis.<br />

4 LA <strong>Saar</strong>brücken: Best.: LRA St. Ingbert Nr.: 442. Auch im Folgejahr war es offensichtlich schwierig, Räume<br />

in Blieskastel zu bekommen, so sollte am 7.8.1892 „dahier eine sozialdemokratische Versammlung stattfin<strong>den</strong>“,<br />

vgl. „St. Ingberter Zeitung“ v. 8.7.1892 (StA St. Ingbert). Gemäß einer Vorankündigung - erst sechs Wochen<br />

später - in <strong>der</strong> gleichen Zeitung vom 29.8.1892 sollte „in nächster Zeit“ wie<strong>der</strong> eine entsprechende Versammlung<br />

stattfin<strong>den</strong>. Es „ist nur noch fraglich, ob die betreffen<strong>den</strong> Räumlichkeiten dem vorbereiten<strong>den</strong> Komitee zur<br />

Verfügung gestellt wer<strong>den</strong>“.<br />

„Sozialdemokrat“ war damals - und auch noch später - ein Schimpfwort und wer verdächtigt wurde, mit <strong>den</strong><br />

„Sozzen“ zu sympathisieren, dem wurde fast jede Schandtat zugetraut. Sozialdemokrat zu sein, bedeutete zu<br />

dieser Zeit ständig mit einem Bein im Gefängnis zu stehen, je<strong>der</strong>zeit mit seiner Entlassung rechnen zu können,<br />

allzeit schikaniert und verachtet zu wer<strong>den</strong>. Schon am 6.7.1877 hatten sich die wichtigsten Arbeitgeber an <strong>der</strong><br />

<strong>Saar</strong> zum Verein zur Bekämpfung <strong>der</strong> <strong>sozialdemokratischen</strong> Bewegung zusammengeschlossen und jedem, <strong>der</strong><br />

Beziehungen irgendeiner Art zur <strong>SPD</strong> unterhielt, sei es auch nur, dass er in einer Gaststätte verkehrte, in <strong>der</strong> eine<br />

sozialdemokratische Zeitung auslag, die sofortige Entlassung angedroht. Vgl. Dokument 2 a: Beschluss des<br />

Vereins zur Bekämpfung <strong>der</strong> <strong>sozialdemokratischen</strong> Bewegung v. 6.7.1877, in: Michael Ebenau: Freiheit für das<br />

Volk. Dokumente zur Geschichte <strong>der</strong> Arbeiterbewegung in Neunkirchen 1848 – 1961. Neunkirchen 1990, S.<br />

182. 1878 gehörten diesem Verein bereits „37 Arbeitgeber mit zirka 35000 Arbeitern“ an, a.a.O., Dokument 2 b:<br />

hier S. 187. Dieser Beschluss verlor seine Gültigkeit auch mit dem Ende des staatlichen Sozialistengesetzes im<br />

Jahre 1890 nicht, son<strong>der</strong>n war noch bis in das 20. Jahrhun<strong>der</strong>t in Kraft. Vgl. stellvertretend <strong>den</strong> Bericht des<br />

Vorsitzen<strong>den</strong> <strong>der</strong> Bergwerksdirektion an <strong>den</strong> Regierungspräsi<strong>den</strong>ten in Trier v. 6.10.1903, in welchem er auch<br />

auf eine entsprechende restriktive Politik in <strong>den</strong> Gruben <strong>der</strong> bayerischen Pfalz verwies, a.a.O., Dokument 5 a, S.<br />

216 – 221. Zum „Sozialistengesetz <strong>der</strong> <strong>Saar</strong>industrie“ vgl. auch: Klaus-Michael Mallmann: Die Anfänge <strong>der</strong>


2<br />

Blieskastel war zu diesem Zeitpunkt ein in <strong>der</strong> bayerischen Pfalz liegendes kleines<br />

Provinzstädtchen, das seine größte Zeit hinter sich hatte. Die industrielle Entwicklung<br />

des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts führte an dem Ort vorbei. Ausschlaggebend waren hierfür die<br />

neuen Verkehrsmittel, die auf neuen Wegen, beson<strong>der</strong>s zu <strong>den</strong> Kohlenrevieren hin,<br />

eingerichtet wur<strong>den</strong>. Der vormalige Blieskasteler Provinzort St. Ingbert wuchs durch<br />

Kohle und Bahn zu einer großen Siedlung. Erst im Jahre 1924 hatte Blieskastel -<br />

nach über einem Jahrhun<strong>der</strong>t Stagnation in <strong>der</strong> Bevölkerungsentwicklung - mit 1.875<br />

Einwohnern wie<strong>der</strong> die Einwohnerzahl von 1.733 Personen aus dem Jahre 1802/03<br />

deutlich überschritten. 5 Konfessionell war Blieskastel, das bis zum Ende des 18.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts ein Lehen des Kurfürstentums Trier war, katholisch geprägt. 6 Bis 1897<br />

wur<strong>den</strong> die Protestanten in <strong>der</strong> Diaspora von Mimbach aus - heute ein Stadtteil von<br />

Bergarbeiterbewegung an <strong>der</strong> <strong>Saar</strong> (1848 – 1904). <strong>Saar</strong>brücken 1981 (Veröffentlichungen <strong>der</strong> Kommission für<br />

saarländische Landesgeschichte und Volksforschung XII), S. 66 ff und S. 318. Vgl. auch die entsprechen<strong>den</strong><br />

Berichte von <strong>der</strong> <strong>Saar</strong> in: Günter Bers (Hg.): Die Sozialdemokratische Partei im Agitationsbezirk obere<br />

Rheinprovinz 1897 - 1918. Rechenschaftsberichte und Parteitagsprotokolle. Teil 1: 1897 - 1905. Köln 1973. Karl<br />

Alfred Gabel: Kämpfe und Wer<strong>den</strong> <strong>der</strong> Hüttenarbeiter=Organisationen an <strong>der</strong> <strong>Saar</strong>. <strong>Saar</strong>brücken 1921.<br />

5 Zahlen nach: Jürgen Karbach: Bevölkerungszahlen des <strong>Saar</strong>landes 1800 - 1910, in: Zeitschrift für die<br />

Geschichte <strong>der</strong> <strong>Saar</strong>gegend, 34./35. Jg. 1986/87, S. 186 - 275, hier S. 224 f; Städtebuch Rheinland-Pfalz und<br />

<strong>Saar</strong>land. Hrsg. v. Erich Keyser. Stuttgart 1964, S. 484; Statistisches Amt des <strong>Saar</strong>landes (Hg.): Tabellenteil zum<br />

Gemeinde- und Ortslexikon. <strong>Saar</strong>brücken 1955 (Einzelschriften zur Statistik des <strong>Saar</strong>landes Nr. 16), S. 12 f. Zur<br />

stetig wachsen<strong>den</strong> Bevölkerungsentwicklung in <strong>den</strong> saarländischen Industriestätten gegenüber <strong>der</strong> Randzone des<br />

Industriegebietes und <strong>der</strong> Stagnation in <strong>der</strong> bäuerlich gebliebenen Landschaft vgl. Geschichtliche Landeskunde<br />

des <strong>Saar</strong>landes. Bd.: 1: Vom Faustkeil zum För<strong>der</strong>turm. Hrsg. v. Kurt Hoppstädter/Hans-Walter Herrmann.<br />

<strong>Saar</strong>brücken 1960, S. 113 f, vgl. auch das Kapitel: Industrialisierung, Urbanisierung und soziale Frage, in:<br />

Geschichtliche Landeskunde des <strong>Saar</strong>landes. Bd.: 3: 2. Teil: Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des<br />

<strong>Saar</strong>landes (1792 - 1918) von Jürgen Karbach u. Paul Thomes. Hrsg. v. Hans-Walter Herrmann. <strong>Saar</strong>brücken<br />

1994, S. 214 ff. Wolfgang Laufer: Bevölkerungs- und siedlungsgeschichtliche Aspekte <strong>der</strong> Industrialisierung an<br />

<strong>der</strong> <strong>Saar</strong>, in: Zeitschrift für die Geschichte <strong>der</strong> <strong>Saar</strong>gegend, 29. Jg. 1981, S. 122 - 164.<br />

Demgegenüber konnte Lautzkirchen von 1802/03 bis 1910 seine Einwohnerzahl kontinuierlich von 415 auf<br />

1.245 Personen verdreifachen, Karbach: Bevölkerungszahlen, S. 244 f. Mit <strong>der</strong> Erbauung <strong>der</strong> Eisenbahnstrecke<br />

Homburg - St. Ingbert 1866/67 und einem eigenen Bahnhof erhielt Lautzkirchen Verbindung zu <strong>den</strong> nahe<br />

gelegenen Industriezentren. Im Jahre 1900 wohnten in Lautzkirchen 69 aktive Bergleute, d.h. bei einer<br />

Einwohnerzahl von 1.112 Personen war etwa 1/5 <strong>der</strong> Bevölkerung direkt vom Bergbau abhängig, so: Joseph<br />

Dahlem: Lautzkircher Bergleute, in: Dorfbuch Lautzkirchen. <strong>Von</strong> <strong>der</strong> Frühgeschichte bis in die Gegenwart.<br />

Blieskastel 1996, S. 363 - 368, hier S. 367. An Hand <strong>der</strong> 1905 aufgestellten Wählerliste <strong>der</strong> Gemeinde<br />

Lautzkirchen, StA Blieskastel: Inv. Nr.: 2668, wird auch die Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berufstruktur deutlich. Es wur<strong>den</strong><br />

insgesamt 241 Männer aufgeführt. Die stärkste Berufsgruppe war die <strong>der</strong> Bergmänner, welche 69 Personen<br />

zählte. Gefolgt von <strong>den</strong> 29 Hüttenarbeitern, 20 Tagelöhner, 16 Bahnarbeiter bzw. –wärter. Demgegenüber gab es<br />

nur noch 9 Ackerer, also Bauern.<br />

Über die wirtschaftlichen Verhältnisse Blieskastels im Jahre 1902 berichtete ein Zeitzeuge: „An dem<br />

wirtschaftlichen Aufschwung <strong>der</strong> Bliesgegend in <strong>den</strong> letzten Jahrzehnten konnte Blieskastel keinen rechten<br />

Anteil gewinnen. Der Industrie hatte es keine günstigen Bauplätze, keine billigen Arbeitskräfte o<strong>der</strong> sonstige<br />

vorteilhafte Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Der Handel hatte ... an Ausdehnung verloren und alle<br />

Lebhaftigkeit eingebüßt, und das Handwerk war gegenüber <strong>der</strong> Umgegend ganz und gar ins Hintertreffen<br />

geraten. ... Der Betrieb <strong>der</strong> Landwirtschaft ... war ganz aus <strong>der</strong> Mode geraten. Der Hauptviehbestand dahier<br />

waren Ziegen, weshalb Blieskastel bei <strong>der</strong> Umgegend ... <strong>den</strong> Spottnamen ‚Bockstall‘ gemein hat. Einige<br />

Hoffnung für das künftige Erwerbsleben im Städtchen erweckt die in <strong>den</strong> letzten Jahren auch hier zu Tage<br />

tretende Neigung jüngerer Leute, in <strong>den</strong> Bergwerken zu arbeiten. Sparsame Bergleute sind durchweg gut<br />

situiert.“ Privatarchiv. Bergleute waren in <strong>den</strong> ersten Jahrzehnten auch immer in führen<strong>den</strong> Positionen <strong>der</strong><br />

Blieskasteler Sozialdemokratie zu fin<strong>den</strong>, vgl. Kurt Legrum: Die Politischen Parteien in Blieskastel: 1.)<br />

Streiflichter aus <strong>der</strong> Geschichte des <strong>SPD</strong>-Ortsvereines Blieskastel-Mitte. - <strong>Von</strong> <strong>den</strong> Anfängen bis zum Jahr 2000.<br />

(MS).<br />

6 Vgl.: Die Grafen von <strong>der</strong> Leyen und das Amt Blieskastel. bearb. v. K. Legrum, mit einem Vorwort v. H.-W.<br />

Herrmann. (Katalog <strong>der</strong>) Ausstellung <strong>der</strong> Stadt Blieskastel (in <strong>der</strong>) „Orangerie“, 28.9. - 1.12.1991, Blieskastel<br />

1991.


3<br />

Blieskastel - betreut. 7 Erst 1911/12 wurde für diese konfessionelle Gruppe eine<br />

eigene Kirche gebaut. 1871 wohnten in Blieskastel mit Alschbach und Lautzkirchen<br />

2.796 Einwohner, wovon 2.463 katholisch 8 waren. Aufgrund <strong>der</strong> mangeln<strong>den</strong><br />

Bevölkerungszuwan<strong>der</strong>ung zeigt sich im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t in konfessioneller Hinsicht<br />

„im Bereich <strong>der</strong> ehemaligen Herrschaft von <strong>der</strong> Leyen Beispiele für Beharrung“. 9<br />

1924 lebten in Blieskastel 1.477 Katholiken und 398 Protestanten. 1951 lebten auf<br />

dem Gebiet <strong>der</strong> damaligen Stadt Blieskastel 5.384 Personen, wovon 4.516<br />

Katholiken und 739 Protestanten 10 waren. „Traditionell war es (im<br />

<strong>Saar</strong>land/<strong>Saar</strong>gebiet, d.V.) die konfessionelle Konfliktlinie, die das Wählerverhalten<br />

stärker bestimmte als die soziale Frage. 11 ... Das katholische Lager besaß die<br />

höchste Integrationskraft. Im Kaiserreich gelang es <strong>der</strong> Zentrumspartei, sich als<br />

antisozialistische Kraft und Gegenbild protestantisch-preußischer Obrigkeit zu<br />

etablieren, die größtenteils katholische Arbeiterschaft an sich zu bin<strong>den</strong> und gegen<br />

sozialistische Einflüsse zu immunisieren. 12 Das wirkungsvolle Ineinan<strong>der</strong>greifen von<br />

unternehmerischem Patriarchalismus, beginnen<strong>der</strong> staatlicher Sozialpolitik, politischmoralischem<br />

Druck und kirchlicher Weltanschauungsdominanz ließ ein<br />

Industrieproletariat gar nicht entstehen und die Sozialdemokratie kaum über <strong>den</strong><br />

Status einer Splitterpartei hinauskommen.“ 13<br />

7 Geschichtliche Bemerkungen über die Pfarrei Bliescastell, angefangen von Decan Thinnes 1828. S. 69. Kopie<br />

im StA Blieskastel: Inv. Nr.: 2514 D.<br />

Am 4.12.1898 wurde am Ort ein "Evangelischer Arbeiterverein Blieskastel und Umgebung" gegründet. Seine<br />

satzungsmäßigen Ziele waren: "1.) die verschie<strong>den</strong>en Stände einan<strong>der</strong> näher zu bringen, 2.) Vaterlandsliebe zu<br />

pflegen, 3.) Bildung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> zu för<strong>der</strong>n, 4.) das Wohl <strong>der</strong> Arbeiter zu heben." Im Jahre 1903 hatte <strong>der</strong><br />

Verein 53 Mitglie<strong>der</strong>. StA Blieskastel: nicht inventarisierter Teil. 1910/11 hatte er 94 Mitglie<strong>der</strong>, wobei aber<br />

"nur wenige dem Arbeiterstand angehören". Zentralarchiv <strong>der</strong> Evangelischen Kirche <strong>der</strong> Pfalz, Speyer: Abt: 1,<br />

Nr. 623. Der erste Verein wurde 1882 in Gelsenkirchen gegründet. Seine Ziele waren "neben <strong>der</strong> Stärkung <strong>der</strong><br />

evangelischen Treue und <strong>der</strong> Pflege <strong>der</strong> Liebe zum Vaterland auch Arbeit zur friedlichen Lösung <strong>der</strong> sozialen<br />

Frage". Vom saarländischen Großindustriellen Stumm wur<strong>den</strong> diese Vereine übrigens als "gleich gefährlich und<br />

umstürzlerisch wie die Sozialdemokraten" angesehen, nach: Die EAV.=Bewegung, ihr Wer<strong>den</strong> und Wollen. Der<br />

24. Vertretertag des Gesamtverbandes evangelischer Arbeitervereine Deutschlands in Halle a.S. vom 27. - 29.<br />

Juni 1925. Berlin 1925, S. 1 und 3. Generalsekretär R. Martin antwortete auf die Frage: Kann ein<br />

Sozialdemokrat Mitglied eines Evangelischen Arbeiter-Vereins sein?, in seiner gleichnamigen Broschüre, o.O.<br />

o.J (1910/11), eindeutig mit Nein. Denn die Evangelischen Arbeiter-Vereine sprächen sich gegen die<br />

materialistische Weltanschauung <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> sowie gegen die von <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> angestrebte Republik aus, sie seien für<br />

die Monarchie. So bat auch <strong>der</strong> Kaufmann Karl Betz, Blieskastel, im Auftrag des Ausschusses des Verbandes<br />

protestantischer Arbeitervereine <strong>der</strong> Pfalz, im Juli 1913 in einem Brief darum, bei <strong>den</strong> im Frühjahr 1914<br />

anstehen<strong>den</strong> Krankenkassen-Vertreter-Wahlen nur Vertreter wählen zu wollen, "die auf dem nationalen Bo<strong>den</strong><br />

stehen". Diesen Aufruf richtete er zur Abwehr <strong>der</strong> "überaus rührigen Agitationsarbeit <strong>der</strong> Sozialdemokraten".<br />

Zentralarchiv <strong>der</strong> Evangelischen Kirche <strong>der</strong> Pfalz, Speyer: Abt: 1, Nr. 623.<br />

Obwohl aufgrund <strong>der</strong> oben genannten Satzung vermutet wer<strong>den</strong> könnte, dass Mitglie<strong>der</strong> dieses Vereines bei <strong>der</strong><br />

Gründung des <strong>SPD</strong>-Ortsvereines in Blieskastel mitwirkten, ist dies wohl auszuschließen.<br />

8 Statistisches Amt des <strong>Saar</strong>landes (Hg.): Tabellenteil, S. 12 f.<br />

9 Dieter Robert Bettinger: Die Verschiebung <strong>der</strong> Konfessionsverhältnisse im <strong>Saar</strong>land, in: Die evangelische<br />

Kirche an <strong>der</strong> <strong>Saar</strong>. Gestern und heute. <strong>Saar</strong>brücken, 1975, S. 202 - 220, hier: S. 215.<br />

10 Städtebuch Rheinland-Pfalz und <strong>Saar</strong>land, S. 484.<br />

11 So klingt in einer Sitzung des Blieskasteler Gemein<strong>der</strong>ates vom 5.9.1912 in Bezug auf Bierbach an, dass<br />

Katholiken die katholische Partei, sprich Zentrum, und Protestanten die liberale Partei wählen. StA Blieskastel:<br />

Inv. Nr.: 369 a (Sammlung Hegemann). Eine fest organisierte Ortsgruppe <strong>der</strong> <strong>sozialdemokratischen</strong> Partei gab es<br />

damals in Bierbach noch nicht.<br />

Auch <strong>der</strong> Blieskasteler Hermann Ringle, Schuhfabrikarbeiter bei Borck & Co., Gründungsvater und zeitweiliger<br />

Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Blieskasteler Sozialdemokraten, war Protestant. StA Blieskastel: nicht inventarisierter Teil<br />

(Personenverzeichnis <strong>der</strong> Einkommenssteuerveranlagung 1916 - 1918, Nr. 478).<br />

12 Vgl. stellvertretend: Soziale Frage und Kirche im <strong>Saar</strong>revier. Beiträge zu Sozialpolitik und Katholizismus im<br />

späten 19. und frühen 20. Jahrhun<strong>der</strong>t. <strong>Saar</strong>brücken 1984.<br />

13 Dietmar Hüser: Wahlen, Parteien und politische Kultur im <strong>Saar</strong>land <strong>der</strong> 70er und 80er Jahre - Aspekte eines<br />

Umbruchs mit Konstanten, in: Edwin Dillmann/Richard van Dülmen (Hg.): Lebenserfahrungen an <strong>der</strong> <strong>Saar</strong>:<br />

Studien zur Alltagskultur 1945 - 1995. St. Ingbert 1996 (<strong>Saar</strong>land Bibliothek, Bd. 12) S. 40 - 65, hier S. 42 f.


4<br />

Die ersten Ansätze <strong>der</strong> Verbreitung <strong>sozialdemokratischen</strong> Gedankengutes in<br />

Blieskastel rühren wohl auch von bzw. fan<strong>den</strong> die Unterstützung des Pirmasenser<br />

Arbeiter-Wahl-“Vereines zur Erzielung volkstümlicher Wahlen“. Noch unter dem<br />

Sozialistengesetz, im Dezember 1889, hatte <strong>der</strong> am 24. September des gleichen<br />

Jahres in Pirmasens 14 gegründete Arbeiterwahlverein beschlossen, die<br />

„socialdemokratische Agitation auch auf <strong>den</strong> Amtsbezirk Zweibrücken“<br />

auszudehnen. 15 <strong>Von</strong> staatlicher Seite wur<strong>den</strong> solche „Vereine“ zutreffend als „eine<br />

Schöpfung <strong>der</strong> <strong>sozialdemokratischen</strong> Partei“ angesehen, sie seien „ein neues nicht<br />

zu unterschätzendes Agitationsmittel für die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> sozialistischen<br />

Bestrebungen“. 16 So weitete <strong>der</strong> Wahlverein seine agitatorische Tätigkeit auch auf<br />

die ländlichen Regionen aus und wollte vor allem auch in „St. Ingbert und Umgebung<br />

Fuß fassen“, wo er gemäß dem „Quartalsbericht über die gemeingefährlichen<br />

Bestrebungen <strong>der</strong> Sozialdemokratie“ vom 3. Oktober 1890 aber auf starken<br />

Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> Zentrumspartei stieß. 17<br />

Der bereits genannte Philipp Barth von Blieskastel war es auch, <strong>der</strong> hier zum 13.<br />

August 1893 in „<strong>der</strong> Lokalität von Findeisen eine Volks-Versammlung“ einberief mit<br />

<strong>der</strong> „Tagesordnung: Wahl eines Delegierten zum 4. Pfälzischen Arbeitertag“. 18 Dieser<br />

fand schon einige Tage später am 19. und 20. des gleichen Monats in Hassloch<br />

statt. 19 Die Schuhmachergewerkschaften<br />

Vgl. auch: Wilhelm Hoffmann: Die Ideenwelt <strong>der</strong> mehrheitssozialistischen Bergarbeiterschaft im <strong>Saar</strong>gebiet.<br />

Bonn (1923) 1925 (Inauguraldissertation), S. 7 - 11.<br />

Grundsätzlich zu <strong>den</strong> Kriterien für das Wahlverhalten und die Einflüsse hierauf vgl.: Bräunche: Parteien und<br />

Reichtagswahlen, S. 2 ff, 6. Zum Wahlverhalten in <strong>der</strong> BRD vgl.: Wolfgang Hartenstein: Den Wählern auf <strong>der</strong><br />

Spur. St. Ingbert 2002.<br />

14 LA Speyer: Best.: H 3, Nr.: 932 IX, Bl. 157.<br />

15 LA Speyer: Best.: H 3, Nr.: 929 II, Bl. 295 ff.<br />

16 LA Speyer: Best.: H 3, Nr.: 932 IX, Bl. 129, vgl. auch Bl. 162 ff. Nach <strong>der</strong> „Übersicht über <strong>den</strong> Verlauf <strong>der</strong><br />

<strong>sozialdemokratischen</strong> Bewegung in Deutschland seit <strong>der</strong> Aufhebung des Reichsgesetzes gegen die<br />

gemeingefährlichen Bestrebungen <strong>der</strong> Sozialdemokratie.“ Berlin, 2.9.1893, S. 4 „basieren die lokalen<br />

Organisationen, die Grundlage <strong>der</strong> ganzen Parteiorganisation, auf <strong>den</strong> Arbeiterwahlvereinen, zu <strong>den</strong>en die<br />

Genossen je eines Reichstagswahlkreises gehören.“ Ein Exemplar dieses gedruckten Berichtes in: LHA Koblenz:<br />

Best.: 442, Nr. 6221.<br />

17 LA Speyer: Best:. H 3, Nr.: 932 IX, Bl. 261 ff. Dort auch weitere Vierteljahresberichte an das Kgl.<br />

Staatsministerium des Innern in München, in welchen auch über die erfolgreiche Arbeit des Wahlvereines<br />

berichtet wer<strong>den</strong> musste. Zum Wi<strong>der</strong>stand des Zentrums vgl. auch: Mallmann: Die Anfänge <strong>der</strong><br />

Bergarbeiterbewegung S. 221 ff.<br />

In dieser Zeit „war Hugo Dullens <strong>der</strong> (sozialdemokratische, d.V.) Pionier in St. Ingbert und im Bliestal“, so die<br />

Aussage eines pfälzischen Sozialdemokraten <strong>der</strong> ersten Stunde, vgl.: Erinnerungen eines Parteiveteranen. Philipp<br />

Keidel, Pirmasens, in: „Bei uns daheim. Aus Vergangenheit und Gegenwart <strong>der</strong> Pfalz. Heimatbeilage <strong>der</strong><br />

‘Pfälzischen Post’“. Blatt 16 ff v. 3.9.1927 ff (Pfälzische Landesbibliothek, Speyer). Zu Dullens vgl.: Michael<br />

Staudt: Hugo Dullens und die Entstehung <strong>der</strong> saarpfälzischen Sozialdemokratie, in: Geis, Manfred u. Nestler,<br />

Gerhard (Hg.): Die pfälzische Sozialdemokratie, S. 176 – 183; ebenso: Mallmann: Die Anfänge <strong>der</strong><br />

Bergarbeiterbewegung, S. 266 f.<br />

1899 wurde <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Ortsverein in St. Ingbert gegründet, vgl.: S. Barmbold/M. Staudt: Die Roten im schwarzen<br />

Eck. Die Anfänge <strong>der</strong> Sozialdemokratie in St. Ingbert 1889 - 1919. St. Ingbert 1991; 100 Jahre <strong>SPD</strong> St. Ingbert.<br />

St. Ingbert 1999.<br />

18 StA Blieskastel: Inv. Nr.: 2407.<br />

19 Ob diese Veranstaltung in Blieskastel stattfand und dort auch ein Delegierter gewählt wurde, ist an Hand <strong>der</strong><br />

bekannten Unterlagen nicht feststellbar. Zum Verlauf <strong>der</strong> Hasslocher Zusammenkunft vgl. die Berichte in: LA<br />

Speyer: Best.: H3, Nr. 929 I, Bl. 426 ff; Nr. 942 II, Bl. 48 f.


5<br />

Im gleichen Jahr, 1893, war hier in Blieskastel links <strong>der</strong> Straße nach Lautzkirchen<br />

eine Fabrik entstan<strong>den</strong>, die - als Papiermaché-Fabrik eröffnet - allerdings nur bis ins<br />

Jahr 1894 existierte 20 und bald in eine Schuhfabrik, die "Union"-Schuhfabrik,<br />

umgewandelt wurde. Diese "hatte einige fremde Arbeiter angezogen und war einer<br />

Anzahl junger Leute von hier Veranlassung zur Ausbildung in <strong>der</strong> Schuhbranche". 21<br />

In einem Bericht des Königlichen Bezirksamtes Zweibrücken vom 3. November 1897<br />

mit dem „Betreff: Öffentliche Versammlung <strong>der</strong> Schuhmacher in Blieskastel“ an die<br />

Königliche Regierung <strong>der</strong> Pfalz, Kammer des Innern, wurde u.a. ausgeführt: „Vor<br />

kurzem wurde in Blieskastel eine Schuhfabrik gegründet, welche zur Zeit 70 Arbeiter<br />

beschäftigt. Wie man hört, soll dieselbe nach Neujahr auf 400 bis 500 Arbeiter<br />

gebracht wer<strong>den</strong>. Um nun die Arbeiter dieser Fabrik zum Anschluss an <strong>den</strong> Verein<br />

deutscher Schuhmacher 22 zu bewegen, wurde am 31. vorigen Monats Nachmittags 3<br />

½ Uhr zu Blieskastel in dem Saale des Wirts Jakob Domprobst dortselbst eine<br />

öffentliche Versammlung abgehalten, mit <strong>der</strong>en Überwachung <strong>der</strong> kgl.<br />

Bezirksamts=Assessor Roemer beauftragt wurde.“ Dieser teilte mit, dass die „Redner<br />

<strong>der</strong> Versammlung das politische Gebiet nicht berührten, son<strong>der</strong>n sich nur auf das<br />

wirtschaftliche Gebiet beschränkten. Jedoch ließen dieselben durchblicken, dass in<br />

absehbarer Zeit auch einmal eine politische (sozialdemokratische) Versammlung in<br />

Blieskastel werde abgehalten wer<strong>den</strong>.“ 23 Am 12. Dezember fand eine solche<br />

sozialdemokratische Versammlung statt. 24<br />

Wie in <strong>der</strong> erwähnten Versammlung besprochen, hatten sich die Arbeiter dieses<br />

Berufsstandes <strong>der</strong> Schuhmacher in Blieskastel 1897/98 zu einem entsprechen<strong>den</strong><br />

"Fachverein" zusammengeschlossen. 25 Ob dieser Verein länger und kontinuierlich<br />

Bestand hatte o<strong>der</strong> ob ist es ihm wohl ähnlich entsprechen<strong>den</strong> Vereinen in <strong>der</strong><br />

Umgebung erging, die oft nur kurz existierten, ist nicht bekannt. Zu diesem Zeitpunkt<br />

lebte die Gemeinde, wie <strong>der</strong> Blieskasteler Stadtrat in einer Sitzung am 3. August<br />

1898 konstatierte, in "ärmlichen Verhältnissen". Die arbeitende Bevölkerung setze<br />

sich, "abgesehen von einigen Beamten und Lehrern, zu 3/5 aus Gewerbetreiben<strong>den</strong>,<br />

zu 2/5 aus Tagnern und Fabrikarbeitern" zusammen. Doch "nur wenige" könnten sich<br />

"eines besseren Geschäftsganges erfreuen". Die Zahl <strong>der</strong> "besser Situierten" sei<br />

20 StA Blieskastel: Inv. Nr.: 182: Protokollbuch des Gemein<strong>der</strong>ates 1891 - 1899, S. 76 f, 87, 93, 119.<br />

21 Privatarchiv, S. 9.<br />

22 Der "Unterstützungsverein deutscher Schuhmacher" wurde am 26./27.8.1883 in Gotha als Wan<strong>der</strong>- und<br />

Arbeitslosen-Unterstützungskasse gegründet. Als weiteres Ziel wird im Statut auch die För<strong>der</strong>ung "<strong>der</strong> geistigen<br />

und fachlichen Interessen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>" festgelegt. Nach dem Vereinsgesetz musste es sich um einen<br />

"unpolitischen" Verein handeln. Pfingsten 1887 wurde die Organisation in "Verein deutscher Schuhmacher"<br />

umbenannt, seit 1904 hieß er "Zentralverband <strong>der</strong> Schuhmacher Deutschlands". Die Organisation wurde in zehn<br />

Gaubezirke unterteilt und besoldete Gauleiter eingestellt. Eines <strong>der</strong> Ziel war, wo immer es möglich sei,<br />

Tarifverträge abzuschließen. Dieser freigewerkschaftliche Verband, seit 1922 "Zentralverband <strong>der</strong><br />

Schuhmacher" genannt, bestand bis zum Verbot 1933 durch die Nationalsozialisten. Nach: Chronologie <strong>der</strong><br />

deutschen Gewerkschaftsbewegung von <strong>den</strong> Anfängen bis 1918 / von Dieter Schuster. Electronic ed. - Bonn:<br />

FES Library, 2000; Birgit Hormann: Stichworte zur Geschichte Gewerkschaft Le<strong>der</strong> 1872 - 1997. Ausdruck v.<br />

18.2.2004 von: http://www.igbce.de/Upload/g_gew_le<strong>der</strong>_14248.pdf<br />

Nach: Pirmasens. 100 Jahre Schuhmachergewerkschaften. Neugründung <strong>der</strong> Gewerkschaften 1945. Festschrift<br />

<strong>der</strong> Gewerkschaft Le<strong>der</strong>, Pirmasens. Dokumentation von Adolf Mirkes. Pirmasens 1985, wur<strong>den</strong> die<br />

Gewerkschafts-"Mitglie<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Schuhindustrie im <strong>Saar</strong>land bis 1933 von Pirmasens aus betreut", a.a.O. S.<br />

63, 68.<br />

23 LA Speyer: Best.: H 3, Nr. 929 III, Bl. 168 f.<br />

24 LA Speyer: Best.: H 3, Nr. 929 III, Bl. 185. Der Überwachungsbericht lag <strong>der</strong> Mitteilung lei<strong>der</strong> nicht bei.<br />

25 Vgl.: Anzeige über <strong>den</strong> Vorstandswechsel beim Schuhmacher Fachverein Blieskastel vom 25.3.1898, in: StA<br />

Blieskastel: nicht inventarisierter Teil.


6<br />

gering und die "meisten Einwohner" sahen sich gezwungen, "in beschränkten<br />

Erwerbs= und Vermögensverhältnissen" zu leben. 26<br />

Wenige Jahre später, bei <strong>der</strong> Reichstagswahl am 16. Juni 1903, erhielt <strong>der</strong><br />

sozialdemokratische Kandidat Philipp Keidel aus Pirmasens, <strong>der</strong> aus <strong>der</strong><br />

Gewerkschaftsbewegung <strong>der</strong> Schuhmacher kam, 27 in Blieskastel 50 Stimmen. 28<br />

Im Jahre 1905 wurde in Blieskastel eine Ortsgruppe des "Zentralverbandes<br />

deutscher Schuhmacher" gegründet, Vorsitzen<strong>der</strong> war im Jahre 1925 Hermann<br />

Ringle, die Zahl <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> betrug damals 75 Personen, ihre durchschnittliches<br />

Alter wurde mit 35 Jahren angegeben. 29<br />

Das ohnehin schwache wirtschaftliche Leben in Blieskastel erhielt 1906 einen<br />

weiteren Stoß: Nachdem kurz zuvor die "'kleine Fabrik' im Saalbau'" zumachte,<br />

schloss auch die Schuhfabrik "Union" ihre Pforten. Nach Meinung eines Zeitzeugen<br />

ging sie "hauptsächlich infolge schlechter Verwaltung zu Grunde". Die einheimischen<br />

Arbeiter waren nunmehr ohne Arbeit und Brot und die "von auswärts<br />

beigekommenen Arbeiter verzogen sich sämtlich wie<strong>der</strong>". 30<br />

Die Erfolge <strong>der</strong> sozialistischen Agitation hielten sich in dem stark katholisch<br />

geprägten Provinzort Blieskastel wohl auch weiterhin in Grenzen. So gab es noch<br />

1906 keine <strong>SPD</strong>-Ortsgruppe. 31 Bei <strong>der</strong> Landtagswahl 1907 erhielten die<br />

26 StA Blieskastel: Inv. Nr.: 182: Protokollbuch des Gemein<strong>der</strong>ates 1891 - 1899, S. 267 - 269.<br />

27 Philipp Keidel, *28.11.1857 Frankenthal, †4.1.1932 Pirmasens. Schuhmacher, 1886 in Pirmasens, 1889<br />

Gründungsmitglied <strong>der</strong> Zahlstelle des Vereins Deutscher Schumacher in Pirmasens, 1889 Gründungsmitglied<br />

<strong>der</strong> ersten <strong>sozialdemokratischen</strong> Organisation in Pirmasens, des "Vereins zur Erzielung volkstümlicher Wahlen",<br />

1899 bis 1920 mit Unterbrechungen im bayerischen Landtag, 1900 - 1920 und 1924 - 1932 Stadtrat in<br />

Pirmasens, nach: Pirmasens. 100 Jahre Schuhmachergewerkschaften, S. 86. Vgl. auch: Wilhelm Heinz Schrö<strong>der</strong>:<br />

Sozialdemokratische Reichtagsabgeordnete und Reichstagskandidaten 1898 - 1918. Biographisch-statistisches<br />

Handbuch. Düsseldorf 1986 (Handbücher z. Gesch. d. Parlamentarismus u. d. polit. Parteien, Bd. 2), S. 141.<br />

28 Privatarchiv. Die Kandidaten Leinenweber (nationalliberale Partei) und Reeb (Zentrum) erhielten in<br />

Blieskastel dahingegen 110 bzw. 114 Stimmen, nach: „St. Ingberter Anzeiger. Amtliches Organ des Königl.<br />

Amtsgericht St. Ingbert“ v. 17.6.1903. Bei dieser Wahl „zeigt sich recht auffällig“ – gemäß <strong>der</strong><br />

„Westpfälzischen Zeitung“ v. 17.6.1903 – „das Anwachsen <strong>der</strong> Sozialdemokratie“. Die Wahlergebnisse ebd..<br />

Die verschie<strong>den</strong>en Jahrgänge bei<strong>der</strong> Zeitungen befin<strong>den</strong> sich im StA St. Ingbert.<br />

Zu <strong>den</strong> zwischen Zentrum und Sozialdemokratie abgeschlossenen Wahlbündnissen <strong>der</strong> Jahre 1899 - 1909 in <strong>der</strong><br />

Pfalz - auch im Wahlkreis Zweibrücken-Pirmasens - gegen die Nationalliberalen vgl.: Fr. Profit: Dr. v. Bettinger<br />

und die Sozialdemokratie. Die Wahlkompromisse zwischen Zentrum und Sozialdemokratie in <strong>der</strong> Pfalz (1899<br />

bis 1909). München 1913 (Son<strong>der</strong>druck aus dem Bayerischen Wochenblatt)<br />

29 LA <strong>Saar</strong>brücken: Best.: LRA St. Ingbert: Nr.: 473.<br />

30 Privatarchiv S. 9 u. 39.<br />

31 Vgl. die entsprechende Liste in dem Brief des Vorstandes <strong>der</strong> Sozialdemokratischen Vereine <strong>der</strong> Pfalz,<br />

Ludwigshafen v. 12.9.1906 an die Kgl. Kreisregierung <strong>der</strong> Pfalz, in: LA Speyer: Best.: H 3, Nr. 942 II, Bl. 126 -<br />

129, hier: Bl. 128. Gleiches gilt für das Jahr 1907. In einem „Verzeichnis <strong>der</strong> politischen Vereine im<br />

Bürgermeistereibezirk Blieskastel“, angelegt im Jahre 1907, waren als Parteien mit Sitz in Blieskastel neben dem<br />

„Zentrumsverein“ nur noch <strong>der</strong> „Liberale Verein“ aufgeführt, vgl.: StA Blieskastel: Inv. Nr.: 2407. Die<br />

Gründungsversammlung des Zentrumsvereins in Blieskastel wurde am 24. März 1907 in <strong>der</strong> Wirtschaft von Karl<br />

Wittenmeier abgehalten. StA Blieskastel: nicht inventarisierter Teil.<br />

Zur Stadtratswahl am 18.11.1904 hatten die Liberalen in Blieskastel "auf ihrem Wahlzettel - das erste Mal, dass<br />

das hier vorkam - einen Sozialdemokraten gesetzt". Sie "wählten ihn auch, selbstverständlich ohne Erfolg". B:<br />

Die Stadtratswahl in Blieskastel, in: "Westpfälzische Zeitung" v. 1.12.1904. Der Namen des Sozialdemokraten<br />

ist lei<strong>der</strong> nicht bekannt.<br />

Bei dieser Stadtratswahl von 1904 kamen nur die Kandidaten, welche auf dem Zentrumszettel stan<strong>den</strong>, in <strong>den</strong><br />

Stadtrat. Privatarchiv.


7<br />

Sozialdemokraten in Blieskastel 10 Stimmen. 32 Der Ort zählte weiterhin zum<br />

„schwärzesten Eck <strong>der</strong> Pfalz“, wobei „je<strong>der</strong> Kenner <strong>der</strong> Gegend weiß, dass in <strong>der</strong><br />

ganzen Gegend Katholisch und Ultramontan 33 gleichbedeutend ist“. 34 Es wurde<br />

<strong>den</strong>noch auch weiterhin versucht, mit Versammlungen und Vorträgen die Arbeiter<br />

über ihre Situation aufzuklären. So fand hier etwa auch am 2. Oktober 1909 eine<br />

öffentliche Volksversammlung mit dem Pirmasenser Genossen und<br />

Gewerkschaftsfunktionär <strong>der</strong> Schuhmacher Jean Feldmüller 35 zu dem Thema „Der<br />

Steuerraubzug und die bürgerlichen Parteien“ statt. Scheinbar war es „<strong>den</strong><br />

bürgerlichen Gegnern schon ein Dorn im Auge, dass die Versammlung in <strong>den</strong><br />

umliegen<strong>den</strong> Ortschaften sorgfältig bekannt gemacht wurde“. Nach <strong>der</strong> eigenen<br />

Einschätzung „dürfte es die erste sozialdemokratische Versammlung am Platze<br />

gewesen sein, die einen <strong>der</strong>artigen Besuch aufzuweisen hatte“. 36<br />

Im Frühjahr 1909 übernahm <strong>der</strong> Unternehmer Dihlmann aus Tuttlingen die ehemalige<br />

"Union"-Schuhfabrik und setzte <strong>den</strong> Betrieb wie<strong>der</strong> in Gang. 37<br />

Abb.: Gebäude <strong>der</strong> Schuhfabrik Dihlmann an <strong>der</strong> Straße nach Lautzkirchen<br />

Im folgen<strong>den</strong> Jahr, 1910, wurde auch in Blieskastel eine Zahlstelle <strong>der</strong> freien<br />

Gewerkschaften für die hiesigen Schuhmacher ins Leben gerufen. 38 Die Arbeiter <strong>der</strong><br />

Dihlmannschen Schuhfabrik wur<strong>den</strong> aufgefor<strong>der</strong>t, <strong>der</strong> Gewerkschaft beizutreten,<br />

"<strong>den</strong>n nur durch ein einmütiges Handeln mit Hilfe <strong>der</strong> Organisation ist die<br />

Arbeiterschaft in <strong>der</strong> Lage, dem Unternehmer gegenüber ihre berechtigten und so<br />

notwendigen For<strong>der</strong>ungen mit Erfolg durchzusetzen". Denn es wurde Dihlmann, ein<br />

32 LA <strong>Saar</strong>brücken: Nachlass Peter Scheuer: Nr. 38. Die „Westpfälzische Zeitung“ v. 1.6.1907 konstatierte<br />

generell einen „auffallen<strong>den</strong> Rückgang <strong>der</strong> <strong>sozialdemokratischen</strong> Stimmen“. Die Kandidaten des Zentrums,<br />

Reeb, und <strong>der</strong> Liberalen, Kaufmann, erhielten in Blieskastel 131 bzw. 75 Stimmen, a.a.O.. Bei <strong>der</strong> Anfang des<br />

gleichen Jahres durchgeführten Reichstagswahl lautete das Stimmenergebnis in Blieskastel noch: Göring<br />

(Zentrum) 178 Stimmen, Leinenweber (Liberale) 104 und Keidel (<strong>SPD</strong>) 27 Stimmen, vgl. „Westpfälzische<br />

Zeitung“ v. 26.1.1907. Das Ergebnis <strong>der</strong> Reichstagswahl von 1907 lautete für Alschbach: Liberale Partei O<br />

Stimmen, Zentrum 58, <strong>SPD</strong> 12; für Lautzkirchen: Liberale Partei 25, Zentrum 179 und <strong>SPD</strong> 11 Stimmen, nach:<br />

„St. Ingberter Anzeiger“ v. 13.1.1912. Zum Reichstagswahlbündnis 1907 in <strong>der</strong> Pfalz zwischen Zentrum und<br />

<strong>SPD</strong> vgl. Fr. Profit: Dr. v. Bettinger, S. 34 ff.<br />

33 Damit wurde eine politische Haltung des Zentrums bezeichnet, die ihre letzten und höchsten Ziele ultramontan<br />

(lat.: ultra monte), d.h. jenseits <strong>der</strong> Berge, resp. <strong>der</strong> Alpen, also im Vatikan realisiert sah, demnach papsthörig<br />

war.<br />

34 So die Ausführungen in einem Zeitungsbereicht über Alschbach, in: Momentbil<strong>der</strong> aus kleinen pfälzischen<br />

Gemein<strong>den</strong>, in: „Pfälzische Post“ v. 14.7.1910. (StA Frankenthal).<br />

35 Jean Feldmüller, *5.11.1869 E<strong>den</strong>koben, †3.10.1940 Kaiserslautern. Schuhmacher, 1890 nach Pirmasens,<br />

Agitator für <strong>den</strong> Schuhmacherverband in <strong>den</strong> umliegen<strong>den</strong> Landgemein<strong>den</strong>, 1908 - 1920 Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Zahlstelle des Verbandes, 1909 - 1933 Stadtrat in Pirmasens, 1904 - 1920 Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Pirmasenser <strong>SPD</strong>,<br />

nach: Pirmasens. 100 Jahre Schuhmachergewerkschaften, S. 9.<br />

36 Sozialistentöterei, in: „Pfälzische Post“ v. 13.7.1910. In dem Artikel wird weiter ausgeführt, dass „einige<br />

liberale Größen“ einen Teilnehmer <strong>der</strong> Versammlung bestochen und so betrunken gemacht hätten, damit er mit<br />

Zwischenrufen <strong>den</strong> Redner störe. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Namen <strong>der</strong> Verursacher bekannt seien<br />

und man mit <strong>der</strong> Veröffentlichung <strong>der</strong> Namen nicht zurückstehe, wenn es gewünscht werde.<br />

Zu <strong>der</strong> Berichterstattung des Zentrums über diese "rote Volksversammlung" vgl.: "Westpfälzische Zeitung" v. 1.,<br />

4. und 15.10.1909.<br />

37 Der Schuhfabrikant for<strong>der</strong>te mit Brief vom 2.3.1909 an Bürgermeister Hegemann eine fünf- bis zehnjährige<br />

Steuerfreiheit. Eine Antwort auf sein Ansinnen wurde vom Stadtrat auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.<br />

StA Blieskastel: Inv. Nr.: 184: Gemein<strong>der</strong>atsprotokollbuch 1905 - 1911, S. 213.<br />

Im 2. Quartal 1911 waren bei Dihlmann insgesamt 69 Männer und Frauen beschäftigt. StA Blieskastel: Inv. Nr.:<br />

2723.<br />

38 Vgl.: Konferenz des Gau 3 (Pfalz) des Zentralverbandes <strong>der</strong> Schuhmacher Deutschlands, in: "Pfälzische Post"<br />

v. 26.3.1910.


8<br />

"Organisationsfeind schlimmster Sorte" 39 , u.a. vorgeworfen, dass er im Oktober 1909<br />

zwei Arbeiter, von <strong>den</strong>en bekannt gewesen sei, dass sie im Zentralverband<br />

organisiert waren, grundlos entlassen hatte. Zudem ignoriere er die Gesetze über<br />

<strong>den</strong> Arbeiterinnenschutz, jugendliche Arbeiter wur<strong>den</strong> in seinem Betrieb geprügelt, 40<br />

ein Arbeitsraum werde von dem Unternehmer stets abgeschlossen, so dass sich die<br />

darin Arbeiten<strong>den</strong> "durch Klopfen zur Verrichtung ihrer Notdurft mel<strong>den</strong> müssen". 41<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gründung bis zum 1.Weltkrieg<br />

Die Genossen in Blieskastel mussten weiterhin auf eine feste Vereins- bzw.<br />

Parteiorganisation verzichten und waren demnach wohl auch weiterhin vorwiegend<br />

auf sich alleine gestellt. Es hat sicherlich einigen Mutes bedurft, als Sozialdemokrat<br />

auf einer öffentlichen Versammlung des katholischen Bergarbeiterverbandes wie z.<br />

B. am 7. August 1910 im Blieskasteler Lokal Schwalb das Wort zu ergreifen. Der<br />

einheimische Genosse Hermann Ringle „legte“ auf dieser Versammlung „die<br />

Ten<strong>den</strong>zen, die die Christlichen verfolgen, auseinan<strong>der</strong>, dass die christl.<br />

Gewerkschaften nur einen Sturmbock gegen die Sozialdemokratie bil<strong>den</strong> sollen, ihre<br />

Führer für Verbesserungen <strong>der</strong> Arbeiter nicht zu haben sind“ etc.. „Bei <strong>der</strong><br />

Bemerkung, dass das ganze Organisationswesen <strong>der</strong> Christlichen auf morschem,<br />

faulem Bo<strong>den</strong> aufgebaut sei, musste (<strong>der</strong>) Redner aufhören, da alles durcheinan<strong>der</strong><br />

rief.“ Zuvor war ihm bereits mit Rauswurf gedroht wor<strong>den</strong>. 42<br />

Wenige Tage später, in <strong>der</strong> Ausgabe vom 11. August 1910 <strong>der</strong> <strong>sozialdemokratischen</strong><br />

Tageszeitung „Pfälzische Post. Organ für die Interessen des Volkes“, erschien<br />

nachfolgen<strong>der</strong> Aufruf: „Blieskastel. A c h t u n g P a r t e i g e n o s s e n ! Am<br />

Sonntag, 14. August, nachmittags um 2 Uhr, 43 findet im Saalbau eine Besprechung<br />

zwecks Gründung eines Sozialdemokratischen Vereins für Blieskastel und<br />

Umgebung statt. Genosse Stadtrat Theobald aus Zweibrücken wird das Programm<br />

definieren.“ Unter <strong>der</strong> Überschrift „Ein neuer Mitstreiter.“ berichtete die gleiche<br />

Tageszeitung fünf Tage nach <strong>der</strong> Zusammenkunft in einem kurzen Bericht über die<br />

Gründungsversammlung <strong>der</strong> Blieskasteler Sozialdemokratie: „Die am Sonntag, <strong>den</strong><br />

14. August, hier im Saalbau tagende Versammlung erfreute sich eines guten<br />

Besuches. Außer <strong>den</strong> Zweibrücker Genossen waren noch einige Genossen aus<br />

<strong>Saar</strong>brücken, St. Ingbert und Homburg erschienen. Genosse Theobald aus<br />

Zweibrücken nahm nach Eröffnung <strong>der</strong> Versammlung zur Erläuterung des<br />

Parteiprogramms das Wort. Der Redner erledigte sich seines Vortrages in leicht<br />

verständlichen Ausführungen. Es wurde alsdann zur G r ü n d u n g e i n e s<br />

s o z i a l d e m o k r a t i s c h e n V e r e i n s f ü r B l i e s k a s t e l<br />

u n d U m g e b u n g geschritten. Es trat sofort eine größere Anzahl als<br />

Mitglie<strong>der</strong> bei. Auch neue Postabonnenten meldeten sich an. Nachdem die Mitglie<strong>der</strong><br />

<strong>den</strong> Ausschuss gewählt hatten, schloss Genosse Theobald mit einem Hoch auf die<br />

internationale Sozialdemokratie um halb 5 Uhr die imposante Versammlung. Somit<br />

ist hier <strong>der</strong> langersehnte Wunsch in Erfüllung gegangen.“ Der Zeitungsbericht<br />

schloss mit <strong>der</strong> Auffor<strong>der</strong>ung: „An <strong>den</strong> Genossen liegt es nun, dafür zu sorgen, dass<br />

39 Sommerurlaub bei Diehlmann . Co. in Blieskastel?, in: "Pfälzische Post" v. 18.6.1910.<br />

40 Vgl. hierzu auch: Wie<strong>der</strong> einmal Dihlmann & Cie. Schuhfabrik in Blieskastel. in: "Pfälzische Post" v.<br />

23.8.1910.<br />

41 Aus einer kleinen Schuhfabrik, in: "Pfälzische Post" v. 24.5.1910.<br />

42 Schwarze Berichterstattung, in: „Pfälzische Post“ v. 11.8.1910.<br />

43 In einem neuerlichen Aufruf am Folgetag in <strong>der</strong> gleichen Zeitung wurde <strong>der</strong> Termin auf morgens 10 Uhr<br />

verschoben, in: „Pfälzische Post“ v. 12.8.1910. Hervorhebungen im Text.


9<br />

die Zahl unserer Mitglie<strong>der</strong>, sowie unserer Abonnenten wächst, so dass hier auch<br />

endlich einmal die Arbeiterbewegung beachtet wird.“ 44<br />

Abb. : Stempel des <strong>SPD</strong>-Ortsvereines Blieskastel, 1911.<br />

Dieser neugegründete „Sozialdemokratische Verein für Blieskastel und Umgebung“<br />

hielt am 27. August 1910 seine erste Mitglie<strong>der</strong>versammlung 45 ab, über welche<br />

allerdings keine bekannten Unterlagen vorliegen. Schon 15 Tage später, am Sonntag<br />

<strong>den</strong> 11. September 1910, fand die nächste Mitglie<strong>der</strong>versammlung im Lokal Saalbau<br />

statt. „Da unter an<strong>der</strong>em auch <strong>der</strong> Bericht vom Gautag <strong>der</strong> pfälzischen<br />

Sozialdemokratie in Landau auf <strong>der</strong> Tagesordnung“ stand, wur<strong>den</strong> „die Mitglie<strong>der</strong><br />

höflichst ersucht, vollzählig zu erscheinen“. 46 Der Besuch war allerdings „nur mäßig“.<br />

Als Gründe hierfür wur<strong>den</strong> das „schöne Wetter und die vorausgegangene<br />

Kirchweihe“ angeführt. Zudem musste auch noch <strong>der</strong> Vortrag des Zweibrücker<br />

Genossen Theobald über <strong>den</strong> Gautag ausfallen, da <strong>der</strong> Referent „am Erscheinen<br />

verhin<strong>der</strong>t war“. Die Anfänge <strong>der</strong> organisierten Blieskasteler Sozialdemokratie war<br />

offensichtlich von einigen organisatorischen Problemen begleitet. Die anwesen<strong>den</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong> beschlossen, demnächst „eine öffentliche Volksversammlung zu<br />

veranstalten, die Aufklärung schaffen soll, wer die eigentlichen Urheber <strong>der</strong> teuren<br />

44 „Pfälzische Post“ v. 19.8.1910. Hervorhebungen im Text. Es bleibt festzuhalten, dass in diesem relativ<br />

lakonisch abgefassten Bericht – im Gegensatz zu Berichten von an<strong>der</strong>en Ortsvereinsgründungen – we<strong>der</strong> über<br />

die Anzahl <strong>der</strong> Gründungsmitglie<strong>der</strong>, noch über die namentliche Nennung des Vorstandes berichtet wurde. Im<br />

„St. Ingberter Anzeiger“, einem nationalliberalen Blatt, v. 22.8.1910 wurde ebenso wie in <strong>der</strong> „Westpfälzischen<br />

Zeitung“ aus St. Ingbert, eine dem Zentrum nahestehende Tageszeitung, v. 23.8.1910 nur mitgeteilt, dass es jetzt<br />

einen solchen Verein gibt, wobei letztere noch feststellte: „Man sieht die ‚Genossen‘ rühren sich allerorts.“<br />

Somit ist nun das genaue Gründungsdatum <strong>der</strong> <strong>sozialdemokratischen</strong> Ortsgruppe in Blieskastel bekannt. Die<br />

noch vorhan<strong>den</strong>en Unterlagen des <strong>SPD</strong>-Ortsvereines reichen nur bis etwa 1974 zurück. Die Gründung in<br />

Blieskastel erfolgte relativ früh, <strong>den</strong>n nach Zenner „erfolgte <strong>der</strong> eigentliche organisatorische Ausbau <strong>der</strong> Partei in<br />

<strong>den</strong> Jahren nach 1920 im industriellen Kern des <strong>Saar</strong>gebietes. Hier wur<strong>den</strong> feste Ortsgruppen und ein<br />

regelmäßiges Parteileben aufgebaut. Sofern dieser Ausbau über <strong>den</strong> Landkreis <strong>Saar</strong>brücken hinausging, fasste<br />

die Partei nur in rein evangelischen Orten fest Fuß.“ Maria Zenner: Parteien und Politik im <strong>Saar</strong>gebiet unter dem<br />

Völkerbundsregime 1920 - 1935. <strong>Saar</strong>brücken 1966, S. 189; so „z.B. ... in dem evangelischen Dorf<br />

Wolfersheim“, a.a.O., Anm. 48. Die Gründung des Wolfersheimer <strong>SPD</strong>-Ortsvereines erfolgte 1925, vgl. Stephan<br />

Schepp-Weyrich: <strong>SPD</strong>-Ortsverein Wolfersheim (MS).<br />

1922 wurde ein Ortsverein in Nie<strong>der</strong>würzbach gegründet, vgl. die Festschrift: 50 Jahre <strong>SPD</strong> Ortsverein<br />

Nie<strong>der</strong>würzbach. 8 Jahre Kommunale Verantwortung. Nie<strong>der</strong>würzbach 1972. Dieses Datum ist aber falsch. Die<br />

Gründung <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>würzbacher Ortsgruppe erfolgte bereits Ende 1918, vgl.: „Pfälzische Post“ v. 31.12.1918.<br />

Der Sozialdemokratische Verein Nie<strong>der</strong>würzbach wurde am 1.12.1918 gegründet. LA <strong>Saar</strong>brücken: Best.: LRA<br />

St. Ingbert: Nr.: 473.<br />

1926 wurde die Lautzkirchener Ortsgruppe ins Leben gerufen, vgl. unter <strong>der</strong> Spalte „Homburg“ in <strong>der</strong><br />

Tageszeitung „Volksstimme. Organ <strong>der</strong> Sozialdemokratischen Partei für das <strong>Saar</strong>gebiet“ v. 21.5.1928. (StA<br />

<strong>Saar</strong>brücken).<br />

Die ersten historisch nachgewiesenen Veranstaltungen <strong>der</strong> deutschen Sozialdemokratie an <strong>der</strong> <strong>Saar</strong> fan<strong>den</strong> in St.<br />

Johann statt, vgl.: 1872 - 1992. 120 Jahre <strong>SPD</strong> in St. Johann. Eine Chronik durch bewegte Jahre. <strong>Saar</strong>brücken<br />

1992. Zum 15.11.1891 wurde nach Dudweiler zur ersten Parteikonferenz <strong>der</strong> <strong>sozialdemokratischen</strong> Partei für das<br />

<strong>Saar</strong>gebiet eingela<strong>den</strong>, vgl.: LHA Koblenz: Best.: 403, Nr. 6835, S. 110 ff. Diese Versammlung wurde<br />

polizeilich aufgelöst, vgl.: Mallmann: Die Anfänge <strong>der</strong> Bergarbeiterbewegung, S. 255.<br />

1899 wurde <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Ortsverein in St. Ingbert gegründet, vgl.: S. Barmbold/M. Staudt: Die Roten im schwarzen<br />

Eck. Die Anfänge <strong>der</strong> Sozialdemokratie in St. Ingbert 1889 - 1919. St. Ingbert 1991; 100 Jahre <strong>SPD</strong> St. Ingbert.<br />

St. Ingbert 1999; vgl. auch: Klaus-Michael Mallmann: Die Anfänge <strong>der</strong> Arbeiterbewegung in <strong>der</strong> bayerischen<br />

<strong>Saar</strong>pfalz, in: <strong>Saar</strong>heimat H. 7-8/1979, S. 177 - 182; <strong>der</strong>s.: „Dies Gebiet ist bis jetzt noch eine vollständige terra<br />

incognita“. Die verspätete <strong>SPD</strong> im <strong>Saar</strong>revier. in: Ders./G. Paul u.a.: Richtig daheim waren wir nie.<br />

Entdeckungsreisen ins <strong>Saar</strong>revier 1815 - 1955. Berlin, Bonn ; 2. korr. Aufl. 1988, S. 65 - 70; <strong>der</strong>s.: Die Anfänge<br />

<strong>der</strong> Sozialdemokratie im <strong>Saar</strong>revier, in: Zeitschrift für die Geschichte <strong>der</strong> <strong>Saar</strong>gegend, 28. Jg., 1980, S. 128 –<br />

148; <strong>der</strong>s.: Die Anfänge <strong>der</strong> Bergarbeiterbewegung S. 249 ff.<br />

45 Vgl. <strong>den</strong> Hinweis in: „Pfälzische Post“ v. 26.8.1910<br />

46 „Pfälzische Post“ v. 9.9.1910


10<br />

Lebensmittelpreise, des Bieraufschlags 47 usw. sind.“ Die Blieskasteler Genossen<br />

bekundeten auf <strong>der</strong> Versammlung „in <strong>den</strong> kommen<strong>den</strong> Herbst- und Wintermonaten<br />

eine rege Agitation für Organisation und Presse (zu) entfalten, damit es endgültig<br />

auch in unserem Winkel vorwärts geht“. 48 Die Schwierigkeiten dieses Weges mag ein<br />

Bericht <strong>der</strong> „Westpfälzischen Zeitung“, eine dem Zentrum nahestehende<br />

Tageszeitung aus St. Ingbert, verdeutlichen: Am 26. November 1910 wurde darin<br />

verwiesen, dass am nächsten Tag im Lokal von Engel eine sozialdemokratische<br />

Versammlung stattfände. „Es ist dies überhaupt das erste Mal, dass sich die Roten in<br />

das ganz katholische Lautzkirchen wagen.“ Spitzfindig heißt es weiter: „Eine an uns<br />

gerichtete Zuschrift wendet sich an die katholischen Einwohner von Lautzkirchen,<br />

<strong>den</strong> Sozzen zu sagen, dass sie in Lautzkirchen nichts zu suchen haben. Wir halten<br />

es nicht für notwendig, sie zu veröffentlichen, <strong>den</strong>n unseres Erachtens ist es<br />

selbstverständlich, dass in Lautzkirchen, wo die Liberalen mit ihrem<br />

Anbie<strong>der</strong>ungsversuch seiner Zeit so schön Fiasko gemacht, auch <strong>den</strong> roten<br />

Freun<strong>den</strong> dieser Herren gezeigt wird, wo <strong>der</strong> Weg wie<strong>der</strong>um zum Dorf hinausführt.“ 49<br />

Abb. : Hermann Ringle (*1881, †1957), Mitbegrün<strong>der</strong> und Vorsitzen<strong>der</strong> des <strong>SPD</strong>-<br />

Ortsvereines in Blieskastel bei einem Lie<strong>der</strong>vortrag des Blieskasteler<br />

Arbeitergesangvereines am 1. Mai 1912.<br />

Im Hinblick auf die kommende Reichstagswahl des Jahres 1912 wandte sich<br />

Hermann Ringle am 24. Dezember 1911 im Auftrag des Sozialdemokratischen<br />

Vereines an das Blieskasteler Bürgermeisteramt mit dem Ansinnen, bei <strong>der</strong><br />

Besetzung des Wahlausschusses auch einen Sozialdemokraten zu nominieren.<br />

Denn „zur objektiven Durchführung <strong>der</strong> Wahlgeschäfte sollen möglichst alle<br />

beteiligten Parteien vertreten“ sein. 50 Bei <strong>den</strong> Reichstagswahlen am 12. Januar 1912<br />

gaben von <strong>den</strong> 337 Wahlberechtigten in Blieskastel, 59 beteiligten sich nicht an <strong>der</strong><br />

Wahl, 45 Männer <strong>der</strong> Sozialdemokratie ihre Stimmen. 51<br />

Der Sozialdemokratische Verein von Blieskastel führte am 25. Mai 1913 seine<br />

Generalversammlung durch. Auf ihr wurde <strong>der</strong> „alte Vorstand wie<strong>der</strong>gewählt“.<br />

Obwohl noch ein „lehrreicher Vortrag“ angeboten wor<strong>den</strong> war, hielt sich die Zahl <strong>der</strong><br />

Besucher offensichtlich in Grenzen. Denn es wurde kritisiert, dass „es an <strong>der</strong> Zeit ist,<br />

dass unsere Mitglie<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> einmal ein Interesse an <strong>den</strong> Versammlungen zeigen,<br />

<strong>den</strong>n mit dem Beitragszahlen allein ist es nicht genug. Man muss sich auch an <strong>der</strong><br />

Arbeit und an <strong>den</strong> Versammlungen betätigen. Wenn wir be<strong>den</strong>ken, dass wir Arbeit in<br />

Fülle vor uns haben, so ist unser Mahnruf gewiss berechtigt: Parteigenossen, etwas<br />

47 In dieser Zeit war in <strong>der</strong> „Pfälzischen Post“ immer wie<strong>der</strong> von Versammlungen und Resolutionen gegen die<br />

Verteuerung des Biers zu lesen. Die Arbeiter wur<strong>den</strong> zum Boykott aufgerufen, sie sollten kein Bier mehr kaufen.<br />

48 „Pfälzische Post“ v. 15.9.1910<br />

49 „Westpfälzische Zeitung“ v. 26.11.1910; zum Bericht über diese Versammlung vgl.: „Pfälzische Post“ v.<br />

30.11.1910 und „Westpfälzische Zeitung“ v. 16.12.1910<br />

50 StA Blieskastel: Inv. Nr.: 2667. Der vorgeschlagene Carl Mayer, Steinbrecher, aus Blieskastel wurde aber bei<br />

<strong>der</strong> Besetzung nicht berücksichtigt.<br />

51 Privatarchiv. Zentrum 152 Stimmen, Nationalliberale 81 Stimmen. Gemäß „St. Ingberter Anzeiger“ v.<br />

13.1.1912 erhielt die <strong>SPD</strong> 41 Stimmen. Das Ergebnis für Alschbach lautete: Liberale Partei 11 Stimmen,<br />

Zentrum 41, <strong>SPD</strong> 17, Bund <strong>der</strong> Landwirte 1 Stimme; für Lautzkirchen: Liberale Partei 12 Stimmen, Zentrum<br />

188, <strong>SPD</strong> 17, Bund <strong>der</strong> Landwirte 4 Stimmen, nach: „St. Ingberter Anzeiger“ v. 13.1.1912. Im Vorfeld <strong>der</strong> Wahl<br />

scheint es bei einer Blieskasteler Wahlkampfveranstaltung mit dem <strong>SPD</strong>-Kandidaten Philipp Keidel aus<br />

Pirmasens zu „heftigen“ Auseinan<strong>der</strong>setzungen gekommen zu sein; vgl. aus Sicht des Zentrums <strong>den</strong> Artikel „Der<br />

Wahlkampf mit dem Messer“ in: "Westpfälzische Zeitung" v. 5.1.1912, die Gegendarstellung des Blieskasteler<br />

<strong>SPD</strong>-Ortsvereins in: a.a.O. v. 9.1.1912.


11<br />

mehr Interesse an dem innerem Vereinsleben. Helft mit agitieren und organisieren!“ 52<br />

Dies war scheinbar nicht so einfach, <strong>den</strong>n auch in Blieskastel, diesem vom Zentrum<br />

bestimmten Ort, wur<strong>den</strong> die Anhänger <strong>der</strong> Sozialdemokratie wohl als „vaterlandslose<br />

Gesellen“ diskreditiert. Denn nur so schien es erklärbar, dass alle bürgerlichen und<br />

konfessionellen, nicht aber die <strong>sozialdemokratischen</strong> Vereine zu einer Versammlung<br />

bezüglich <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>tfeierlichkeiten gela<strong>den</strong> wur<strong>den</strong>. 53 „Es ist eine bekannte<br />

Tatsache, dass bis zum heutigen Tage <strong>der</strong> hiesige sozialdemokratische Verein mit<br />

<strong>den</strong> schofelsten Mitteln bekämpft wird, dass unsere Funktionäre darunter schon viel<br />

zu lei<strong>den</strong> hatten, versteht sich am Rande.“ Nach Meinung des <strong>sozialdemokratischen</strong><br />

Vereines herrschten in Blieskastel „bedauerliche politische Verhältnisse, diese<br />

wer<strong>den</strong> sich, wie an<strong>der</strong>s, nicht eher bessern, bis die Arbeiter erkennen, was Recht<br />

ist, bis die Sozialdemokratie auch hier in <strong>der</strong> Lage ist, ein Wörtchen mitzure<strong>den</strong> und<br />

die Herren an ihre Pflicht erinnert.“ 54 Aber bis es soweit war, wur<strong>den</strong> weiterhin „die<br />

Wähler nach alter Gewohnheit mit <strong>der</strong> <strong>sozialdemokratischen</strong> Gefahr gruselig<br />

gemacht“. 55 Des weiteren versuchte man in Blieskastel die potentielle<br />

Anhängerschaft <strong>der</strong> Sozialdemokratie zu spalten und <strong>der</strong>en Bemühungen, „<strong>der</strong><br />

Arbeiterschaft <strong>den</strong> Weg zu zeigen, wie sie sich bessere wirtschaftliche Verhältnisse<br />

erringen können“, mit <strong>der</strong> Gründung weiterer konfessioneller Arbeitervereine zu<br />

unterlaufen. 56 Um <strong>den</strong> Arbeitern <strong>den</strong> eigenen Klassenstandpunkt bewusster zu<br />

machen, sollten auch in Blieskastel eine Bildungsschule bzw. Kurse für die<br />

Parteigenossen eingerichtet und angeboten wer<strong>den</strong>. 57 Daneben brachten Delegierte<br />

auch Informationen von Konferenzen auf höherer Parteiebene zu <strong>den</strong> Blieskasteler<br />

Genossen und Gesinnungsfreun<strong>den</strong>. So nahm auf <strong>der</strong> Wahlkreiskonferenz des 4.<br />

pfälzischen Wahlkreises am 31. August 1913 in Nie<strong>der</strong>auerbach als Delegierter aus<br />

Blieskastel auch Genosse Ringle teil. Er beteiligte sich an <strong>den</strong> lebhaften<br />

Diskussionen zum Massenstreik, <strong>der</strong> Deckungsfrage im Reichstag und <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong><br />

Maifeier. 58<br />

52 „Pfälzische Post“ v. 3.6.1913. Herrn Joachim Heinz sei für <strong>den</strong> Hinweis gedankt. Der Aufruf hatte<br />

offensichtlich nicht gefruchtet, <strong>den</strong>n auch auf <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung am 16. 11.1913 war <strong>der</strong> Besuch<br />

wie<strong>der</strong>um nur mäßig, vgl.: „Pfälzische Post“ v. 21.11.1913.<br />

53 Vgl.: M.: Der Jahrhun<strong>der</strong>trummel in Blieskastel, in: „Pfälzische Post“ v. 14.6.1913. In diesem Artikel wurde<br />

kritisiert, dass die Stadt die Kosten dieser Feierlichkeiten übernehmen will, obwohl sie gleichzeitig aus Mangel<br />

an finanziellen Mitteln eine Übernahme <strong>der</strong> überfüllten protestantischen Schule ablehne. Es wurde hierbei ein<br />

mangelndes Gerechtigkeitsgefühl konstatiert, offensichtlich sei es „ganz gleichgültig, ob die Kin<strong>der</strong><br />

vernachlässigt wer<strong>den</strong> o<strong>der</strong> nicht“.<br />

54 Vgl.: M.: Der Jahrhun<strong>der</strong>trummel in Blieskastel, in: „Pfälzische Post“ v. 14.6.1913.<br />

55 Vgl.: Rückblick auf die Krankenkassen=Wahlen im Bezirk St. Ingbert (Land) Distrikt Blieskastel, in:<br />

„Pfälzische Post“ v. 12.11.1913.<br />

56 Vgl.: „Pfälzische Post“ v. 21.11.1913.<br />

Am 7.12.1913 wurde in Blieskastel ein Katholischer Arbeiterverein gegründet. Allgemein zu solchen<br />

Arbeitervereinen in <strong>der</strong> <strong>Saar</strong>pfalz vgl.: Hans-Joseph Britz: Arbeitervereine, Volksvereine und christliche<br />

Gewerkschaftsbewegung in <strong>der</strong> <strong>Saar</strong>region. in: <strong>Saar</strong>pfalz. Blätter für Geschichte und Volkskunde. Heft 3/1997,<br />

S. 23 - 29.<br />

<strong>Von</strong> kirchlicher Seite versuchte man, die sozialdemokratische Gefahr auch durch entsprechende<br />

Vereinsgründungen abzuwehren. So vermerkte etwa das Bischöfliche Ordinariat Speyer im Brief vom 19.3.1931<br />

hinsichtlich des Blieskasteler Nachbarortes "Ballweiler: In <strong>der</strong> Gemeinde mit 850 Katholiken und 20<br />

Protestanten sind bei <strong>der</strong> letzten Landesratswahl 41 sozialistische und 49 kommunistische Stimmen abgegeben<br />

wor<strong>den</strong>, ein Fingerzeig für <strong>den</strong> Seelsorger seine Leute in Vereine zusammenzuschließen, sie auch politisch<br />

aufzuklären und zu betreuen." Bistumsarchiv Speyer: Best.: Blieskastel "St. Sebastian", Mappe XIII.<br />

57 Vgl.: Konferenz im 4. pfälz. Reichtagswahlkreis, in: „Pfälzische Post“ v. 25.11.1913.<br />

58 Vgl.: Wahlkreiskonferenz des 4. pfälzischen Wahlkreises, in: „Pfälzische Post“ v. 3.9.1913. Auf dieser<br />

Versammlung erfolgte noch ein Bericht über <strong>den</strong> bayerischen Parteitag mit <strong>den</strong> wichtigen Fragen wie <strong>der</strong><br />

Schaffung eines neuen Gemeindewahlprogrammes, Armen- und Heimatsgesetz, Arbeitslosenfürsorge, das<br />

Frauenwahl- und Stimmrecht, obligatorische Einführung des 8. Schuljahres.


12<br />

Am 15. Mai 1914 fand eine solche Konferenz in Blieskastel statt. Eröffnet wurde<br />

diese durch einen Liedvortrag des Arbeiter-Gesangvereines Blieskastel 59 . Einer <strong>der</strong><br />

Tagesordnungspunkte waren die bevorstehen<strong>den</strong> Gemein<strong>der</strong>atswahlen. Es wurde<br />

„betont, dass die Stellung <strong>der</strong> Partei im Gemeindeparlament eine grundsätzliche sein<br />

müsse, unter Beobachtung <strong>der</strong> örtlichen Verhältnisse. Das (in Nürnberg<br />

beschlossene, d.V.) Kommunalprogramm könne hier als Maximalprogramm 60<br />

angesehen wer<strong>den</strong>.“ Im Laufe <strong>der</strong> Darlegungen wurde darauf verwiesen, dass „sich<br />

je<strong>der</strong> Gewählte hüten müsse, Kirchturmpolitik zu betreiben o<strong>der</strong> Son<strong>der</strong>interessen<br />

gewisser Interessengruppen zu vertreten. Beson<strong>der</strong>s bei Vergebung von Arbeiten<br />

59 1910, im Jahr <strong>der</strong> Gründung <strong>der</strong> Blieskasteler <strong>SPD</strong>, wurde auch <strong>der</strong> „Arbeiter-Gesangverein“ unter dem<br />

Vorstand Hermann Ringle gegründet, vgl. Festschrift zum 100 jährigen Stiftungsfest des MGV „Lie<strong>der</strong>kranz“<br />

Blieskastel. Blieskastel 1954, S. 27; vgl. auch: Männerchor „Lie<strong>der</strong>kranz“ Blieskastel. Vereins-Chronik in<br />

Fortsetzung, in: „Blieskasteler Nachrichten“ Nr. 16 v. 21.4.1989. Im Jahre 1926 vereinigte er sich mit dem<br />

Bürgerlichen Gesangverein. Legrum: Festschrift 900 Jahre Blieskastel, S. 54. 1950 wurde Hermann Ringle<br />

Ehrenvorsitzen<strong>der</strong> und Friedrich Klenk Ehrenmitglied. Männerchor „Lie<strong>der</strong>kranz“ Blieskastel. Vereins-Chronik<br />

in Fortsetzung, in: „Blieskasteler Nachrichten“ Nr. 17 v. 28.4.1989. Zu Ringle und Klenk, <strong>den</strong> führen<strong>den</strong><br />

Sozialdemokraten im Blieskastel <strong>der</strong> damaligen Zeit, vgl.: Kurt Legrum: Die Politischen Parteien in Blieskastel:<br />

1.) Streiflichter aus <strong>der</strong> Geschichte des <strong>SPD</strong>-Ortsvereines Blieskastel-Mitte. (MS).<br />

60 Im „Gemeindeprogramm <strong>der</strong> Sozialdemokratischen Partei Bayerns beschlossen auf dem außeror<strong>den</strong>tlichen<br />

Parteitag zu Nürnberg 1913“ war im Vorspann zu lesen: „Die sozialdemokratische Partei Bayerns steht auf dem<br />

Bo<strong>den</strong> des Programms <strong>der</strong> <strong>sozialdemokratischen</strong> Partei Deutschland. Sie erstrebt also die Ueberführung <strong>der</strong><br />

Produktionsmittel in <strong>den</strong> Besitz des auf demokratischer und sozialistischer Grundlage aufgebauten staatlichen<br />

Gemeinwesens. Sie tritt aber auch mit dem zweiten Teil jenes Programms schon in <strong>der</strong> gegenwärtigen<br />

Gesellschaftsordnung für die Demokratisierung aller Verfassungs= und Verwaltungsformen, die wirtschaftliche<br />

und soziale Besserstellung <strong>der</strong> Arbeiter, die gerechtere Verteilung <strong>der</strong> Staatslasten und die Befreiung aller<br />

Unterdrückten ein.<br />

Die Gemeinde ist in ihrer heutigen Verfassung und Verwaltung ein Bestandteil des Klassenstaates. Sie ist also<br />

nicht imstande, die bestehen<strong>den</strong> sozialen Unterschiede und die daraus entstehen<strong>den</strong> Klassengegensätze<br />

aufzuheben, aber sie kann in <strong>der</strong> Hand <strong>der</strong> Sozialdemokratie durch demokratische und soziale Reformen die<br />

schlimmen Folgen <strong>der</strong> kapitalistischen Wirtschafts= und Gesellschaftsform mil<strong>der</strong>n, die unteren Volkschichten<br />

körperlich, geistig und sittlich för<strong>der</strong>n und damit auch sozial heben.“ Hierauf basierend wur<strong>den</strong> von Reich und<br />

Staat in 6 Bereichen For<strong>der</strong>ungen erhoben: hinsichtlich einer demokratischeren Gemeindeordnung, im Finanz-,<br />

Erziehungs-, Wohnungs- und Gesundheitswesen sowie in <strong>der</strong> Sozialpolitik. Die For<strong>der</strong>ungen wur<strong>den</strong> im zweiten<br />

Teil entsprechend für die Kommunen aufgestellt und präzisiert. In: Protokoll über die Verhandlungen des 13.<br />

Parteitages <strong>der</strong> Sozialdemokratischen Partei Bayerns. Abgehalten in Neustadt a. H. am 18., 19. und 20. Juli<br />

1914. Nürnberg 1914. S. 200 – 204. Das „Gemeindeprogramm ... “ ist auch abgedruckt in: Handbuch für<br />

Sozialdemokratische Gemeindewähler. Hg. v. Landesvorstand <strong>der</strong> Sozialdemokratie Bayerns. München 1914, S.<br />

5 – 22.<br />

Sowohl im Görlitzer Programm von 1921, als auch im Heidelberger Programm <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> aus dem Jahre 1925<br />

kam die Kommunalpolitik nur am Rande zur Sprache. Wie sozialdemokratische Politik vor Ort aussehen sollte,<br />

konnten dort die Mandatsträger in <strong>den</strong> Kommunen auch nur in Umrissen erfahren, vgl.: Programm <strong>der</strong><br />

Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Görlitz 1921 sowie von Heidelberg 1925, in: Susanne<br />

Miller/Heinrich Potthoff: Kleine Geschichte <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>. Darstellung und Dokumentation 1848 - 1990. Bonn, 7.<br />

überarb. u. erw. Aufl. 1991, S. 356 - 360 und S. 361 - 367.<br />

Dieser programmatischen Abstinenz konnte eine positive Kehrseite abgewonnen wer<strong>den</strong>. „Sie ließ <strong>den</strong><br />

Fraktionen in <strong>den</strong> einzelnen Gemein<strong>den</strong> viel Freiheit und verlieh ihnen die Fähigkeit, auf sehr unterschiedliche<br />

lokale Bedingungen flexibel und sachbezogen zu reagieren“, so: Dieter Rebentisch: Signale aus <strong>den</strong> Städten.<br />

Sozialdemokratische Kommunalpolitik in <strong>der</strong> Weimarer Republik, in: 1863 - 1988. Aus 125 Jahren Geschichte<br />

<strong>der</strong> <strong>SPD</strong>. Bonn 1988. (Son<strong>der</strong>druck des SM, Sozialdemokrat Magazin) S. 46 f.<br />

Bereits im Jahre 1898 legte die Provinz Bran<strong>den</strong>burg ein umfangreiches Kommunalprogramm vor, das <strong>der</strong> Partei<br />

als Grundlage einer parteiinternen Diskussion dienen sollte, vgl.: Übersicht über die allgemeine Lage <strong>der</strong><br />

<strong>sozialdemokratischen</strong> und anarchistischen Bewegung im Jahre 1898. Berlin 1899, S. 9 ff; ein Exemplar hiervon<br />

in: LHA Koblenz: Best.: 442, Nr. 6222, vgl. hierzu auch: Kommunalpolitik vor 90 Jahren im Spiegel eines<br />

Protokolls, in: Demokratische Gemeinde. Die Monatszeitschrift für Kommunalpolitik. Nr. 5/1988, S. 65 – 75.<br />

Zur Behandlung <strong>der</strong> Thematik <strong>der</strong> Kommunal- bzw. Gemeindepolitik auf <strong>den</strong> Parteitagen vgl. auch: Wilhelm<br />

Schrö<strong>der</strong>: Handbuch <strong>der</strong> <strong>sozialdemokratischen</strong> Parteitage von 1863 bis 1909. (München 1910) Leipzig 1974, S.<br />

239 - 246; Handbuch <strong>der</strong> <strong>sozialdemokratischen</strong> Parteitage von 1910 bis 1913. (München 1917) Leipzig 1974, S.<br />

157 - 161.


13<br />

und Stellen müsse stets die Tüchtigkeit entschei<strong>den</strong>. Es sei nicht immer richtig,<br />

einheimische Industrie zu berücksichtigen, wenn sie glaube, die Gemeinde<br />

ausnützen zu können.“ Nach einem Hinweis auf die Bestandswahrung des<br />

Selbstverwaltungsrechtes <strong>der</strong> Gemein<strong>den</strong> wurde „eine Anzahl wichtiger Fragen und<br />

Aufgaben für die Gemein<strong>den</strong> aufgezählt, so die Wohnungsfrage, Kontrolle des<br />

Mietpreises, Bau von Arbeiterwohnungen in eigener Regie, Armenpflege,<br />

Arbeitslosenfrage, paritätische Arbeitsnachweise, Nahrungsmittelversorgung, vor<br />

allen Dingen das Schulwesen, Lehrmittelfreiheit, Schulärzte, Kunst und Bildung.“ 61<br />

Mit einem „Hoch auf die internationale Sozialdemokratie“ wurde die Konferenz<br />

geschlossen.<br />

Der 1.Weltkrieg<br />

Die nächste Mitglie<strong>der</strong>versammlung des Blieskasteler <strong>SPD</strong>-Ortsvereines am<br />

Sonntag, <strong>den</strong> 26. Juli 1914, war wie<strong>der</strong>um nur mäßig besucht. Es wurde zwar darauf<br />

verwiesen, dass „unsere Ortsgruppe im kommen<strong>den</strong> Sommer auf das fünfjährige<br />

Bestehen zurück blickt“, 62 eine eventuelle Feier wurde wohl nicht besprochen, <strong>den</strong>n<br />

am politischen Horizont waren schon die Vorboten des drohend bevorstehen<strong>den</strong><br />

Krieges zu sehen. Fünf Wochen zuvor, am 28. Juni 1914, war <strong>der</strong> österreichische<br />

Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo ermordet wor<strong>den</strong>. Anfang August 1914<br />

wurde in Deutschland <strong>der</strong> Kriegszustand verhängt. In <strong>der</strong> „Pfälzischen Post. Organ<br />

für die Interessen des Volkes“ gab Genosse Hofmann, Kaiserslautern, eine Erklärung<br />

<strong>der</strong> <strong>sozialdemokratischen</strong> Fraktion im bayerischen Landtag ab: „Wir stehen vor<br />

geschichtlichen Ereignissen, welche <strong>den</strong> Bestand des Reiches in Frage stellen<br />

können und vielleicht <strong>den</strong> letzten Mann zur Verteidigung des Vaterlandes notwendig<br />

machen. Wenn in einigen Tagen das deutsche Volk zu <strong>den</strong> Waffen gerufen wird,<br />

wür<strong>den</strong> auch die Sozialdemokraten das Vaterland verteidigen.“ 63 Die als<br />

„vaterlandslose Gesellen“ diffamierten Sozialdemokraten bewilligen schließlich auch<br />

im August 1914 im Reichstag die Kriegskredite. 64 Die <strong>SPD</strong> als Partei des<br />

Internationalismus und des Frie<strong>den</strong>s rechtfertigte <strong>den</strong> Krieg u.a. mit <strong>der</strong> drohen<strong>den</strong><br />

Gefahr des despotischen Zarismus in Russland. 65 Denn „es gilt die Kultur und die<br />

Unabhängigkeit unseres eigenen Landes sicher zu stellen. Da machen wir (die<br />

Sozialdemokraten, d.V.) wahr, was wir immer betont haben: Wir lassen in <strong>der</strong> Stunde<br />

<strong>der</strong> Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich.“ 66 Ähnlich klang es auch in einem<br />

von allen Parteien 67 am 9. November 1914 in Neustadt a. Hdt. im Hinblick auf die<br />

bevorstehen<strong>den</strong> Kommunalwahlen unterzeichneten Aufruf „An die Gemeindewähler<br />

<strong>der</strong> Pfalz!“. Darin wurde sich für einen „kampflosen Wahlmodus“ und „für<br />

61 Vierter pfälzischer Reichtagswahlkreis, in: „Pfälzische Post“ v. 14.5.1914. Im Verlauf <strong>der</strong> Konferenz wurde<br />

darauf insistiert, bei <strong>der</strong> Kandidatenaufstellung zu <strong>den</strong> Kommunalwahlen je<strong>den</strong> Kandidaten „auf Herz und<br />

Nieren“ zu prüfen. „Beson<strong>der</strong>s sei dies nötig bei <strong>den</strong>en, die kurz vor <strong>den</strong> Wahlen zur Partei kommen mit <strong>der</strong><br />

Absicht, Kandidat zu wer<strong>den</strong>, und nach <strong>der</strong> Wahl sich zu <strong>der</strong> bürgerlichen Seite schlagen.“<br />

62 „Pfälzische Post“ v. 31.7.1914.<br />

63 Eine Erklärung <strong>der</strong> <strong>sozialdemokratischen</strong> Fraktion im bayerischen Landtag, in: „Pfälzische Post“ v. 1.8.1914.<br />

(Hervorhebungen im Text.)<br />

64 Vgl. die Erklärung des Reichstagsabgeordneten und Parteivorsitzen<strong>den</strong> Hugo Haase für die <strong>SPD</strong>-Fraktion, in:<br />

„Pfälzische Post“ v. 6.8.1914, vgl. auch: Dokument 9: Erklärung <strong>der</strong> Sozialdemokratischen Reichtagsfraktion am<br />

4. August 1914, abgegeben von Hugo Haase, in: Susanne Miller/Heinrich Potthoff: Kleine Geschichte <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>,<br />

S. 344 f.<br />

65 vgl. ebd., ebenso: Rainer Traub: Das Debakel <strong>der</strong> Arbeiterbewegung, in: SPIEGEL special 1/2004:Die Ur-<br />

Katastrophe des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Die Spiegel-Serie über <strong>den</strong> 1. Weltkrieg und die Folgen. S. 114 - 117.<br />

66 „Zum ersten Jahrestag des 14. August“ von Heinrich Schulz, Mitglied des Reichstages, in: „Pfälzische Post“ v.<br />

4.8.1915.<br />

67 <strong>SPD</strong>, Nationalliberale Partei, Bund <strong>der</strong> Landwirte, Zentrumspartei und fortschrittliche Volkpartei.


14<br />

gemeinsame Wahlvorschläge“ ausgesprochen, wobei <strong>der</strong> bisherige jeweilige<br />

Besitzstand an kommunalen Mandaten gewahrt bleiben sollte. „Die Not <strong>der</strong> Zeit hat<br />

diese Abmachung geboren. Unsere Soldaten stehen Schulter an Schulter ohne<br />

Rücksicht auf die Parteizugehörigkeit <strong>der</strong> Schar <strong>der</strong> Feinde gegenüber. Darum<br />

werdet auch Ihr, Gemeindewähler, im Geiste <strong>der</strong> Zeit einmütig sein und – das<br />

wohlerwogene Abkommen aller Parteien ehrend und achtend – geschlossen für die<br />

gemeinsamen Wahlvorschläge eintreten!“ Der Aufruf schloss mit dem textlich<br />

hervorgehobenen Ausspruch „Einigkeit macht stark!“ 68<br />

Bei <strong>der</strong> Kommunalwahl am 28. November 1914 waren in Blieskastel 219 Männer<br />

wahlberechtigt. Etwa 40 waren beim Militär. 143 Wähler gaben schließlich ihre<br />

Stimme ab. Im Ergebnis "gingen als Bürgermeister und Adjunkt wie auch als<br />

Stadträte so ziemlich die bisherigen Vertreter" als Wahlsieger hervor. 69<br />

Unter dem Kriegszustand gestaltete sich die Parteiarbeit auf örtlicher Ebene äußerst<br />

schwierig, „eine öffentliche Betätigung war fast unmöglich“. 70 Viele Genossen wur<strong>den</strong><br />

zum Kriegsdienst eingerufen. So stan<strong>den</strong> in Blieskastel Anfang 1915 „Fünf Sechstel<br />

unserer Genossen im Felde.“ 71 Aber gerade diese Situation brachte vielen Arbeitern,<br />

die als Soldaten in <strong>den</strong> Krieg gezogen waren, das sozialistische Gedankengut näher.<br />

"Erst das Zusammentreffen und die Unterhaltung mit sozialistischen Kamera<strong>den</strong><br />

draußen im Felde und im Schützengraben hatten (z. B. auch, d.V.) <strong>den</strong><br />

<strong>Saar</strong>bergmann mit sozialistischen Ideen bekannt gemacht." 72<br />

Auch in Blieskastel wur<strong>den</strong> Arbeiter, die nicht in <strong>den</strong> Krieg ziehen mussten, durch<br />

Betriebsschließungen arbeitslos. Für <strong>den</strong> Winter 1914/15 wurde hier vor einer daraus<br />

68 "St. Ingberter Anzeiger" v. 12.11.1914.<br />

Vom 25.11.1914 kursierte in Blieskastel ein Aufruf zur Stadtratswahl, <strong>der</strong> mit "Eine Anzahl Bürger"<br />

unterzeichnet war. Darin war u.a. zu lesen: "Wir haben bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Kandidaten, wie leicht zu ersehen<br />

ist, auf die verschie<strong>den</strong>en Gewerbestände, namentlich auch auf <strong>den</strong> Arbeiterstand Rücksicht genommen und<br />

bitten die Vertreter desselben ausnahmslos zu wählen." Hervorhebungen im Text. Herr Hans Cappel hat<br />

freundlicherweise eine Kopie dieses Aufrufes zur Verfügung gestellt.<br />

Zu dieser Burgfrie<strong>den</strong>spolitik bei <strong>den</strong> Gemein<strong>der</strong>atswahlen 1914 vgl. auch: Heinrich Thalmann: Die Pfalz im<br />

Ersten Weltkrieg: <strong>der</strong> ehemalige bayerische Regierungskreis bis zur Besetzung Anfang Dezember 1918.<br />

Kaiserslautern 1990 (Beiträge zur pfälzischen Geschichte, Bd. 2), S. 328 ff.<br />

Zum Kommunalwahlergebnis in Lautzkirchen vgl.: "St. Ingberter Anzeiger" v. 4. und 8.12.1914.<br />

69 Privatarchiv. Demnach waren neu im Stadtrat: <strong>der</strong> Holzhändler Karl Hauck und <strong>der</strong> Gerichtsvollzieher August<br />

Stöppler sowie <strong>der</strong> Präparan<strong>den</strong>lehrer Münch August. Die weiteren Mitglie<strong>der</strong> waren: Wittenmeier Karl, Rausch<br />

Jos., Bürgermeister Eugen Hegemann, Knaps Ludwig, Adjunkt Adolf Gilgen, Wies Karl, Greff Jac., Bruch Jos.,<br />

Gain Jacob, Korn Karl sen., Bruch Karl, Reheis Franz, Weltin Joh., Heim August sen.. Der Ersatzmann Reheis<br />

Philipp trat sofort nach <strong>der</strong> Bürgermeisterwahl in <strong>den</strong> Stadtrat ein, a.a.O., vgl. auch: "Pfälzischer Merkur" v.<br />

1.12.1914 (StA Zweibrücken).<br />

Heinrich Thalmann: Die Pfalz im Ersten Weltkrieg, führt S. 330 aus: "In <strong>den</strong> größeren pfälzischen Städten<br />

ergaben sich 1909 folgende Ergebnisse, die wohl auch dem Wahlkampfabkommen von 1914 zugrunde lagen: ...<br />

Blieskastel: Liberale 4, Zentrum 18, Sozialdemokraten 1." Demnach wäre bereits 1909 ein Sozialdemokrat im<br />

Blieskasteler Stadtrat vertreten gewesen. Dies ist nicht zutreffend, abgesehen davon, dass Thalmann die Zahl <strong>der</strong><br />

Stadtratsmitglie<strong>der</strong> zu hoch ansetzt, es gab in Blieskastel nur 17 Stadtratsmitglie<strong>der</strong>. Nach <strong>der</strong> Kommunalwahl<br />

am 20.11.1909 gehörten drei <strong>der</strong> Stadträte <strong>der</strong> liberalen Partei an, "St. Ingberter Anzeiger" v. 23.11.1909.<br />

70 So in einer Stellungnahme aus Kaiserslautern. Vgl.: Aus <strong>der</strong> pfälz. Partei-Organisation, in: „Pfälzische Post“<br />

v. 9.6.1916.<br />

71 „Pfälzische Post“ v. 2.6.1915. Auch die ersten Gefallenen aus <strong>den</strong> eigenen Reihen waren zu beklagen. So<br />

starben Hermann Daub aus Nie<strong>der</strong>würzbach und <strong>der</strong> Blieskasteler Genosse Peter Reinhard <strong>den</strong> Hel<strong>den</strong>tod,<br />

a.a.O..<br />

Insgesamt hatten Blieskastel, Lautzkirchen und Alschbach nach dem Ende des Krieges 102 Opfer zu beklagen.<br />

Namen in Faltblatt: Unsern Toten: 1914 – 1919. 1939 – 1945. Einweihung des Ehrenmales. 1958.<br />

72 Wilhelm Hoffmann: Die Ideenwelt, S. 13 und 39.


15<br />

resultieren<strong>den</strong> Notlage gewarnt, wenn nicht eine entsprechende Arbeitslosenfürsorge<br />

und Notstandsarbeiten vorbereitet wür<strong>den</strong>. 73 In <strong>der</strong> Wahlkreiskonferenz des 4.<br />

Pfälzischen Wahlkreises am 21. Februar 1915 in Thalfröschen, an <strong>der</strong> auch Genosse<br />

Ringle 74 aus Blieskastel teilnahm, wurde Kritik an <strong>der</strong> mangelhaften Versorgung <strong>der</strong><br />

Bevölkerung mit Kartoffeln, dem Hauptnahrungsmittel, und <strong>der</strong>en hohen Preisen<br />

laut. 75 Auch in Blieskastel herrschte eine Kartoffelnot. Es wurde über „fast<br />

unerschwingliche Preise“ – beson<strong>der</strong>s für arme Familien, <strong>der</strong>en Väter im Felde<br />

stehen und kämpfen, - geklagt. Die Stadtverwaltung versuchte, die Not durch<br />

Kartoffellieferungen zu lin<strong>der</strong>n. 76 Das folgende Jahr 1916 brachte zudem nur eine<br />

"sehr min<strong>der</strong>wertige Kartoffelernte, dazu ein ungemein strenger Winter, <strong>der</strong> die<br />

Vorräte selbst im Keller nicht schonte". Es kam immer mehr zu Hamsterfahrten, die<br />

Kartoffeln wurde zu einer "Delikatesse" und die Preise hierfür stiegen. Während es<br />

anfänglich die Bewohner <strong>der</strong> umliegen<strong>den</strong> Industriegebiete waren, welche in <strong>den</strong><br />

Bliesgau zum Lebensmittelkauf kamen, mussten die Bewohner von Blieskastel und<br />

Lautzkirchen schließlich selbst zum Einkaufen in die benachbarte Pfalz fahren. 77<br />

Eine Besserung auf dem örtlichen Arbeitsmarkt war offensichtlich auch nicht in Sicht.<br />

Denn nach <strong>der</strong> Schließung <strong>der</strong> Blieskasteler Lateinschule wurde in <strong>der</strong> „Pfälzischen<br />

Post“ festgestellt: „So schwindet eins nach dem an<strong>der</strong>en. Es wäre nun höchste Zeit,<br />

dass man sich ernsthaft bemüht, mehr Industrie heranzuziehen, sonst gibt es eine<br />

traurige Zukunft für unser in <strong>der</strong> wirtschaftlichen Entwicklung zurückgebliebenes<br />

Städtchen.“ 78 Zudem wurde Klage darüber geführt, dass „die Arbeitslöhne hier<br />

niedriger sind als in <strong>den</strong> umliegen<strong>den</strong> Industriestädten, die Lebensmittel dagegen<br />

durchweg teurer.“ 79<br />

Auf Reichsebene wurde die parteiinterne Diskussion durch die Verweigerung<br />

weiterer Kriegskredite durch eine steigende Zahl sozialdemokratischer<br />

Reichstagsabgeordneter bestimmt. 80 Es wurde das Postulat ausgerufen, dass „die<br />

Einheit und Geschlossenheit <strong>der</strong> Partei über alles gehe.“ Auf Grund <strong>der</strong> Spaltung <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong>-Reichstagsfraktion berief <strong>der</strong> Landesvorstand <strong>der</strong> <strong>sozialdemokratischen</strong> Partei<br />

Bayerns eine Landeskonferenz ein. In dem Aufruf hierzu wur<strong>den</strong> die Parteimitglie<strong>der</strong><br />

aufgefor<strong>der</strong>t: „Wir bitten die Genossen im Lande dringend, in <strong>den</strong> Organisationen bei<br />

Erörterung <strong>der</strong> Vorkommnisse Zurückhaltung zu üben, wenn möglich überhaupt von<br />

Erörterungen Abstand zu nehmen, bis das Resultat <strong>der</strong> Landeskonferenz bekannt<br />

gemacht ist.“ Dort sollte die „Einheitlichkeit <strong>der</strong> politischen Aktionen“ sowie die<br />

Richtlinien für das weitere gemeinsame Handeln festgelegt wer<strong>den</strong>. 81 Als Resultat<br />

<strong>der</strong> Landeskonferenz wurde die Einheit <strong>der</strong> Partei postuliert. Es wurde festgehalten,<br />

73 „Pfälzische Post“ v. 23.9.1914.<br />

74 Der Sozialdemokrat Hermann Ringle, Schuhfabrikarbeiter in Blieskastel, wurde 1916 einstimmig zum 1.<br />

Vorsitzen<strong>den</strong> <strong>der</strong> Allgemeinen Ortskrankenkasse St. Ingbert-Land gewählt. Es war eine Ersatzwahl notwendig<br />

gewor<strong>den</strong>, da <strong>der</strong> 1. und 2. Vorsitzende im Felde stan<strong>den</strong>, vgl.: Allgemeine Ortskrankenkasse St. Ingbert-Land,<br />

in: „Pfälzische Post“ v. 14.10.1916. Seit dem 8.1.1917 war schließlich auch Ringle Soldat: StA Blieskastel: nicht<br />

inventarisierter Teil (Personenverzeichnis <strong>der</strong> Einkommenssteuerveranlagungen 1916 - 1918, Nr. 478)<br />

75 Vgl.: Wahlkreiskonferenz im 4. Pfälz. Wahlkreis, in: „Pfälzische Post“ v. 24.2.1915.<br />

76 Vgl. „Pfälzische Post“ v. 15.7.1915. Zur Lin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Not verwandelten die Schüler <strong>der</strong> Blieskasteler Lateinund<br />

Präparan<strong>den</strong>schule ihren 3300 m 2 großen Spielplatz in einen Kartoffelacker, vgl. ebd. v. 16.7.1915.<br />

77 StA Blieskastel: Inv. Nr.: 3587: Schultagebuch <strong>der</strong> unteren Mädchenschule 1908 -1920/21, S. 27 ff.<br />

78 „Pfälzische Post“ v. 28.7.1915.<br />

79 „Pfälzische Post“ v. 11.8.1915.<br />

80 Vgl.: “Es geht um die Einheit <strong>der</strong> Partei“, in: „Pfälzische Post“ v. 20.12.1915, ebenso: ebd. v. 22.12.1915 ff.<br />

Im Dezember 1915 waren es schon 20 Abgeordnete, die unter Abgabe einer Erklärung, in <strong>der</strong> sie dem<br />

Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg Begünstigung <strong>der</strong> Annexionstreiber vorwarfen, im Reichstag<br />

gegen die Kredite votierten.<br />

81 Vgl.: „Pfälzische Post“ v. 31.3.1916.


16<br />

dass „es in <strong>der</strong> Sozialdemokratie nur eine politische Organisation gibt.<br />

Son<strong>der</strong>organisationen 82 müssen zur Parteizerstörung führen. ... Die Genossen, die<br />

hinausgegangen sind, um mit ihrem Blute die Sicherheit des Landes und ihrer<br />

Familien vor Gewalttat zu schützen, haben uns als kostbarstes Gut die<br />

Geschlossenheit <strong>der</strong> Arbeiterbewegung hinterlassen. ... Es gilt <strong>den</strong> Anfängen <strong>der</strong><br />

Zersplitterung zu wehren. Höher als alle Rechthaberei muss die Einheit und<br />

Geschlossenheit <strong>der</strong> Partei stehen.“ Die <strong>SPD</strong> wünsche <strong>den</strong> Frie<strong>den</strong> und politische<br />

Verhältnisse, die zukünftige Kriege unmöglich machen. Nach dem Krieg werde die<br />

Einheit des Proletariats dringend gebraucht, da sich dann <strong>der</strong> „Kapitalismus in nie<br />

gesehener Schärfe zeigen“ werde. Im Schlusssatz <strong>der</strong> Entschließung „verpflichtet die<br />

Parteikonferenz alle Parteigenossen und Parteigenossinnen, duldsam gegen<br />

an<strong>der</strong>s<strong>den</strong>kende Genossen und Genossinnen, unausgesetzt und eifervoll für die<br />

Stärkung unserer Organisation, für die Geschlossenheit unserer Reihen und gegen<br />

je<strong>den</strong> Versuch <strong>der</strong> Gründung einer Son<strong>der</strong>organisation zu wirken.“ 83 Eine<br />

Stellungnahme <strong>der</strong> Blieskasteler Genossen hinsichtlich <strong>der</strong> Haltung <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-<br />

Reichstagsmin<strong>der</strong>heitsfraktion ist nicht bekannt.<br />

Ebenso wenig ist aus Blieskastel zur Resonanz einer Unterschriftenaktion <strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />

bekannt. Am 26. August 1916 wur<strong>den</strong> von Bruno Körner, Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Sozialdemokratischen Partei Bayern: Gau Pfalz, die vom Berliner Parteivorstand<br />

herausgegebenen Petitionslisten <strong>den</strong> einzelnen Ortsgruppen zugeschickt. „In dieser<br />

Massenpetition soll unter Ablehnung <strong>der</strong> Pläne <strong>der</strong> Annektionisten ein Friede<br />

verlangt wer<strong>den</strong>, <strong>der</strong> die Freundschaft mit <strong>den</strong> Nachbarvölkern ermöglicht und<br />

unserem Lande die Unversehrtheit seines Gebietes, die politische Unabhängigkeit<br />

und wirtschaftliche Entwicklungsfreiheit gewährleistet.“ 84<br />

In Vorbereitung <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Reichskonferenz 85 fand am 17. September 1916 eine<br />

Wahlkreiskonferenz des 4. Pfälzischen Reichstagswahlkreises in Pirmasens statt.<br />

„Um nach dem Kriege eintreten zu können für Erweiterung <strong>der</strong> Wahlrechte,<br />

Beseitigung des Lebensmittelwuchers, um in <strong>der</strong> Frie<strong>den</strong>s= und Abrüstungsfrage<br />

mitzusprechen, sei vor allem die Einigkeit <strong>der</strong> Partei das Notwendigste“, wurde<br />

betont. Es wurde die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass die Konferenz zum<br />

82 Damit war die Min<strong>der</strong>heit <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Reichstagsfraktion gemeint, welche die Zustimmung zu weiteren<br />

Kriegskrediten ablehnte. Zur Parteispaltung und Gründung <strong>der</strong> „Unabhängige Sozialdemokratische Partei<br />

Deutschlands“ (U<strong>SPD</strong>) im April 1917 vgl.: Miller/Potthoff: Kleine Geschichte <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>, S. 76 – 78.<br />

83 Landeskonferenz <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> Bayerns, in: „Pfälzische Post“ v. 11.4.1916.<br />

84 An die Sozialdemokratischen Parteiorganisationen <strong>der</strong> Pfalz! in: „Pfälzische Post“ v. 26.8.1916. Am 12.1.1918<br />

rief Körner in <strong>der</strong> gleichen Parteizeitung dazu auf: „Auf dem Bo<strong>den</strong> <strong>der</strong> Landesverteidigung stehend, for<strong>der</strong>n wir<br />

in Übereinstimmung mit unserer Gesamtpartei die Herbeiführung eines demokratischen Frie<strong>den</strong>s ohne<br />

Annexionen und Kriegsentschädigungen. ... Auch in <strong>der</strong> Pfalz muss gegen das <strong>den</strong> Krieg bis ins Endlose<br />

verlängernde Treiben <strong>der</strong> unter <strong>der</strong> Flagge <strong>der</strong> Vaterlandspartei marschieren<strong>den</strong> Kriegshetzer ganz entschie<strong>den</strong><br />

Front gemacht wer<strong>den</strong>. Der Arbeiterschaft muss zum Bewusstsein gebracht wer<strong>den</strong>, dass die Träger dieser<br />

Bewegung die erklärten Feinde <strong>der</strong> Arbeiterorganisation, Feinde jeglicher freiheitlicher Reform im Reich und<br />

Staat sind. Die Mehrheit dieses Volkes, das unter diesem Krieg unsäglich gelitten hat, das durch <strong>den</strong><br />

Lebensmittelwucher und die mangelhafte behördliche Organisation in seiner Lebenshaltung schwer entbehren<br />

musste, hat kein Interesse daran, wegen <strong>der</strong> Eroberung eines Fetzens frem<strong>den</strong> Gebietes neue Lei<strong>den</strong> zu erdul<strong>den</strong>,<br />

steht hinter uns und nicht hinter jenen: Diese Massen zu gemeinsamer Abwehr zu sammeln, sei jetzt auch unsere<br />

vornehmste Aufgabe.“ Sozialdemokratische Partei Bayerns. Gau Pfalz, in: „Pfälzische Post“ v. 12.1.1918.<br />

(Hervorhebungen im Text.)<br />

85 In dem dort verabschiedeten Manifest „Zur Frie<strong>den</strong>sfrage“ wurde die „Pflicht zur Landesverteidigung“ durch<br />

die Mobilmachung Russlands wie<strong>der</strong> betont. Gleichzeitig sprach man sich gegen einen deutschen<br />

Eroberungskrieg und gegen jede Annexionspolitik sowie für <strong>den</strong> Frie<strong>den</strong> und eine starke sozialistische<br />

Internationale aus. Ausführliche Berichte zur Reichskonferenz in: „Pfälzische Post“ v. 23.9.1916 ff.


17<br />

Ausgleich <strong>der</strong> Gegensätze führen möge, was allerdings nicht eintrat. 86 Auf die<br />

Verhältnisse im Wahlkreis eingehend musste konstatiert wer<strong>den</strong>, dass diese<br />

„unbefriedigend“ waren. Zum einen hätten „die verworrenen Parteiverhältnisse auch<br />

auf unseren Wahlkreis ihren Schatten geworfen“, zum an<strong>der</strong>en „seien in manchen<br />

Orten fast alle Parteimitglie<strong>der</strong> (zum Militär, d.V.) eingezogen, in an<strong>der</strong>en habe man<br />

die Fühlung mit <strong>der</strong> Kreisleitung verloren.“ 87<br />

Während es 1913/14 im Gau Pfalz 143 Ortsgruppen gab, existierten am 31. März<br />

1917 nur noch 64 Ortsvereine. 88 Gegen Ende des Jahres 1917 wurde das<br />

Parteileben in <strong>der</strong> Pfalz wie<strong>der</strong> aktiver. So wurde Mitte Dezember 1917 wie<strong>der</strong> eine<br />

Delegiertenversammlung <strong>der</strong> Sozialdemokratischen Partei Bayern für <strong>den</strong> Gau Pfalz<br />

abgehalten. 89 Dieser Gautag war wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> erste seiner Art nach 1914. Am 21. Juli<br />

1917 fand in Zweibrücken auch wie<strong>der</strong> eine Wahlkreis-Generalversammlung des 4.<br />

Pfälzischen Reichtags-Wahlkreises statt. 90 Dort konnte festgestellt wer<strong>den</strong>, dass es<br />

mit <strong>der</strong> Partei im allgemeinen wie<strong>der</strong> aufwärts gehe. Der Krieg habe schwer auf das<br />

Parteileben eingewirkt, doch zurückkehrende Genossen und die Daheimgebliebenen<br />

könnten die Partei wie<strong>der</strong> zur alten Stärke und noch weiter führen. 91<br />

Der Neubeginn nach dem ersten Weltkrieg<br />

Im November 1918 wurde auch in Zweibrücken 92 , St. Ingbert 93 und an<strong>der</strong>en<br />

umliegen<strong>den</strong> Orten Arbeiter- und Soldatenräte, später als Volksräte bezeichnet,<br />

gegründet, welche die Macht „übernahmen“ – hierbei aber eng mit <strong>den</strong> bestehen<strong>den</strong><br />

Institutionen zusammenarbeiteten und diese im Amt beließen. 94 Gemäß dem Aufruf<br />

des <strong>SPD</strong>-Gauvorstandes fand am Sonntag, <strong>den</strong> 24. November 1918, wie in vielen<br />

an<strong>der</strong>en Orten <strong>der</strong> Pfalz, auch in Blieskastel eine „öffentliche Kundgebung für die<br />

bayerische und deutsche Republik“ statt. Dabei sollte „unseren Bürgern Gelegenheit<br />

geboten wer<strong>den</strong>, zu <strong>den</strong> jüngsten Ereignissen Stellung zu nehmen.“ Referent im<br />

Saalbau war <strong>der</strong> Zweibrücker Genosse Wilhelm Wittenmeier. 95 Zwei Tage später<br />

wurde die Vorschlagsliste zu dem am 26. November 1918 zu bil<strong>den</strong><strong>den</strong> Volksrat in<br />

Blieskastel gemäß einem handschriftlichen Vermerk „durch Versammlungsbeschluss<br />

angenommen“. 96<br />

86 Zur definitiven Spaltung <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> im Reich vgl. die Berichte in: „Pfälzische Post“ v. 22.1.1917 ff. Ein Bericht<br />

über die Gründung <strong>der</strong> U<strong>SPD</strong> in: ebd. v. 14.4.1917.<br />

87 Die Wahlkreis=Konferenz des 4. Pfälz. Reichstags=Wahlkreises, in: „Pfälzische Post“ v. 18.9.1916.<br />

88 So in dem Bericht über <strong>den</strong> 25. Pfälzischen Gautag, in: „Pfälzische Post“ v. 18.12.1917.<br />

89 Bericht in: „Pfälzische Post“ v. 18.12.1917. Ob ein Delegierter aus Blieskastel teilnahm ist nicht bekannt.<br />

90 Bericht in: „Pfälzische Post“ v. 26.7.1918.<br />

91 A.a.O.<br />

92 Vgl. „Pfälzische Post“ v. 11.11.1918.<br />

93 Vgl. die Aufrufe und Verlautbarungen des "Arbeiter- und Soldatenrates von St. Ingbert und Umgebung" in:<br />

"St. Ingberter Anzeiger" v. 11.11.1918 ff und "Westpfälzische Zeitung" v. 11.11.1918 ff. Hans Werner Krick:<br />

Novemberrevolution 1918 in St. Ingbert, in: <strong>Saar</strong>pfalz. Blätter für Geschichte und Volkskunde, 2/1991, S. 5 - 11.<br />

94 Vgl. stellvertretend: Hans-Jürgen Wünschel: Die unspektakuläre Revolution, in: Westricher Geschichtsblätter.<br />

Neue Folge 19/20. 1999/2000. Zweibrücken 2000, S. 3 f, hier S. 4. Vgl. auch: Hans-Walter Herrmann: 1919 –<br />

Schicksalsjahr für die <strong>Saar</strong>, in: „Als <strong>der</strong> Krieg über uns gekommen war ...“ Die <strong>Saar</strong>region und <strong>der</strong> Erste<br />

Weltkrieg. Katalog zur Ausstellung des Regionalgeschichtlichen Museums im <strong>Saar</strong>brücker Schloss. <strong>Saar</strong>brücken<br />

1993, S. 249 - 265, hier S. 250 – 252. Heinrich Thalmann: Die Pfalz im Ersten Weltkrieg, S. 353 ff. Gerhard<br />

Paul/Klaus-Michael Mallmann: Milieus und Wi<strong>der</strong>stand. Eine Verhaltensgeschichte <strong>der</strong> Gesellschaft im<br />

Nationalsozialismus. (Wi<strong>der</strong>stand und Verweigerung im <strong>Saar</strong>land 1935 – 1945; Bd. 3) Bonn 1995, S. 174 ff.<br />

95 Veranstaltungshinweis in: „Pfälzische Post“ v. 21.11.1918.<br />

96 StA Blieskastel: Inv. Nr.: 2920.


18<br />

Nach dem Waffenstillstand am 11. November 1918 folgten französische Truppen <strong>den</strong><br />

zurückströmen<strong>den</strong> deutschen Soldaten und besetzten die <strong>Saar</strong>gegend. Sie<br />

beendeten sofort die Tätigkeit <strong>der</strong> Arbeiter- und Soldatenräte. Am 1. Dezember 1918<br />

marschieren französische Truppen „mit klingendem Spiele“ in Blieskastel ein. 97<br />

Am 17. Januar 1919 wurde die Zusammensetzung des aus 12 Männern<br />

bestehen<strong>den</strong> „Volksrates Blieskastel“, wie er schon am 26. November 1918 gebildet<br />

wurde, <strong>der</strong> französischen Militärkommandantur in Blieskastel mitgeteilt. Hierzu zählte<br />

auch <strong>der</strong> Führer <strong>der</strong> Blieskasteler Sozialdemokratie Hermann Ringle, <strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

Blieskasteler Schuhfabrik Borck & Co. arbeitete. Es war dies das erste Mal, dass die<br />

Sozialdemokratie im Blieskasteler Stadtrat vertreten sein sollte. 98 Es stellt sich<br />

hierbei die Frage, was damit bezweckt wer<strong>den</strong> sollte, zumal <strong>der</strong> alte Stadtrat<br />

weiterhin in Amt und Wür<strong>den</strong> war, wenn es auch einige Monate dauerte, bis er nach<br />

dem 2. Dezember 1918 schließlich erst am 25. April 1919 zu seiner nächsten Sitzung<br />

zusammenkam. 99<br />

Die reichsweite Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> politischen Verhältnisse war auch nach <strong>der</strong> Wahl zur<br />

deutschen Nationalversammlung am 19. Januar 1919 festzustellen, <strong>den</strong>n sie<br />

erbrachte eine Mehrheit <strong>der</strong> <strong>sozialdemokratischen</strong> Stimmen. Mit Friedrich Ebert 100<br />

stellte die Sozialdemokratie auch <strong>den</strong> ersten Reichspräsi<strong>den</strong>ten.<br />

In Blieskastel selbst schien sich in politischer Hinsicht nicht allzu viel zu bewegen,<br />

<strong>den</strong>n „in unserem Wahlkreis siegte <strong>der</strong> Kandidat <strong>der</strong> Bayerischen Volkspartei (K.<br />

Zentrum) Oberlehrer Herm. Hofmann von Ludwigshafen.“ 101 In Blieskastel gab es<br />

870 wahlberechtigte Männer und Frauen 102 , wovon 789 ihre Stimmen abgaben.<br />

Hiervon erhielten die Bayerische Volkspartei, das frühere Zentrum, 466 Stimmen, die<br />

Deutsche Volkspartei (Nationalliberale) 117, die Demokraten (Freisinnige) 28 und die<br />

Sozialdemokratie 178 Stimmen. Zumindest teilweise scheint <strong>der</strong> revolutionäre Geist<br />

<strong>der</strong> Zeit auch in Blieskastel seinen Nie<strong>der</strong>schlag zu fin<strong>den</strong>, <strong>den</strong>n mit diesem<br />

Wahlergebnis von über 22% wurde die <strong>SPD</strong>, wenn auch noch mit großem Abstand<br />

zum Zentrum, zweitstärkste Partei in <strong>der</strong> Gemeinde. Drei Wochen später, am 2.<br />

Februar 1919, fan<strong>den</strong> die Wahlen für Bayern statt. <strong>Von</strong> <strong>den</strong> 854 Wahlberechtigten in<br />

Blieskastel gaben 754 ihre Stimmen ab. Die Bayerische Volkspartei erhielt 426<br />

Stimmen, die Deutsche Volkspartei 78, die demokratische Partei 55 und die<br />

Mehrheitssozialisten 195 Stimmen. 103 Damit konnte <strong>der</strong> Stimmenanteil in Blieskastel<br />

97 Legrum: Festschrift 900 Jahre Blieskastel, S. 56. Diese erste Einquartierung brachte 1.600 Mann mit 70<br />

Offizieren des X. Armeekorps unter General Mangin in das Bliesstädtchen. Privatarchiv.<br />

98 StA Blieskastel: Inv. Nr.: 2920. Die weiteren Namen lauteten: Braun Jean; Jung Georg; Kiefer Johann;<br />

Langenbahn Ludwig; Mayer Karl; Ringle Jakob, Kaufmann; Roh Jean jun.; Sand Franz; Schieffer Karl,<br />

Elektromonteur; Tischbein Peter, Verwalter, und Winkler Andreas.<br />

99 Vgl.: StA Blieskastel: Inv. Nr.: 2541: Protokollbuch des Stadtrates Blieskastel von Januar 1918 - Juli 1922, S.<br />

30 f.<br />

100 Friedrich Ebert (1871-1925), von Beruf Sattler, 1889 Beitritt zur Sozialdemokratie, 1905 Mitglied des <strong>SPD</strong>-<br />

Vorstandes, 1913-1919 einer <strong>der</strong> bei<strong>den</strong> Parteivorsitzen<strong>den</strong>, 1912-1918 Mitglied des Reichtags, 1919 <strong>der</strong><br />

Nationalversammlung, 1918/19 Vorsitzen<strong>der</strong> des Rats <strong>der</strong> Volksbeauftragten, 1919-1925 Reichspräsi<strong>den</strong>t.<br />

101 Tagebuch <strong>der</strong> ob. Knabenschule Blieskastel. Kopie im StA Blieskastel.<br />

102 Obwohl es gerade die <strong>SPD</strong> war, welche das Frauenwahlrecht in <strong>der</strong> Weimarer Verfassung bewirkte, war sie<br />

die Hauptverliererin im Werben um Frauenstimmen, vgl.: Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen<br />

(ASF) <strong>Saar</strong> (Hg.): 70 Jahre Frauenwahlrecht. Neunkirchen 1988, S. 11 ff.<br />

103 Zahlen nach: Privatarchiv.<br />

Das Ergebnis für Lautzkirchen lautete:<br />

Reichtagswahl Landtagswahl<br />

Bayer. Volkspartei 502 Stimmen 507<br />

(Zentrum)


19<br />

noch auf nunmehr über 25% gesteigert wer<strong>den</strong>. Augenscheinlich kam es in dem<br />

Bliesstädtchen zu keiner Spaltung innerhalb <strong>der</strong> Sozialdemokratie, <strong>den</strong>n am Ort<br />

selbst erhielt die U<strong>SPD</strong> bei bei<strong>den</strong> Wahlen keine Stimmen. Sie schien aber <strong>den</strong>noch<br />

- so <strong>der</strong> Bericht eines Zeitzeugen - zumindest bei einer "kleinen Anzahl jüngerer<br />

radikaler Elemente" Sympathie hervorzurufen. 104<br />

In Blieskastel selbst scheint sich wie dargelegt weiterhin nicht viel geän<strong>der</strong>t haben. In<br />

<strong>der</strong> 1. Sitzung des Blieskasteler Stadtrates im Jahre 1919 wird am 25. April unter<br />

Punkt „XIV. (das) Bürgerrecht <strong>der</strong> Unterstützungswohnsitzberechtigten“ behandelt.<br />

Im Protokollbuch ist hierzu weiter festgehalten: „Mit eingeschriebenem Brief vom 18.<br />

Januar bittet die sozialdemokratische Partei durch Hermann Ringle, es möchte allen<br />

Einwohnern - Frem<strong>den</strong> - die <strong>den</strong> Unterstützungswohnsitz haben, das unentgeltliche<br />

Bürgerrecht zugesprochen wer<strong>den</strong>.<br />

Der Stadtrat findet <strong>den</strong> Antrag nicht gesetzmäßig richtig und lehnte ihn ab.“ 105 Die<br />

Erhebung <strong>der</strong> genannten Bürgerrechtsgebühren trugen mit zur Schmälerung des<br />

Wahlrechtes <strong>der</strong> Arbeiterklasse bei. Diese Gebühren seien "mitunter so hoch<br />

bemessen, dass die Arbeiter sie nicht erschwingen können und infolgedessen von<br />

dem Wahlrecht ausgeschlossen bleiben". 106<br />

Die Sozialdemokratie war aber nunmehr auch in Blieskastel so verankert, dass sie<br />

aus dem politischen Leben <strong>der</strong> Gemeinde nicht mehr wegzu<strong>den</strong>ken war. Aber erst<br />

nach <strong>der</strong> nächsten Kommunalwahl am 11. Juli 1920 kam mit Hermann Ringle, <strong>der</strong><br />

führen<strong>den</strong> Persönlichkeit <strong>der</strong> Blieskasteler <strong>SPD</strong>, erstmals ein Sozialdemokrat in <strong>den</strong><br />

Blieskasteler Stadtrat. Zu dieser Zeit, 1922, stellte Wilhelm Hoffmann in seiner<br />

Dissertation aber in Frage, ob die Mehrheit <strong>der</strong> Arbeiter das Programm <strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />

überhaupt kenne und verstehe. Nach seiner Meinung ist <strong>der</strong> Arbeiter<br />

"Sozialdemokrat, weil er unzufrie<strong>den</strong> ist mit seiner wirtschaftlichen Lage und durch<br />

seine Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie die Partei stärken will, von <strong>der</strong>en Wirken er<br />

Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Verhältnisse und Vorteile für sich erhofft". 107<br />

Deutsche Volkspartei 23 17<br />

(Liberale)<br />

Deutsche Demokrat. 2 2<br />

Volkspartei<br />

<strong>SPD</strong> 86 68<br />

U<strong>SPD</strong> 0 1<br />

Das Ergebnis für Alschbach lautete:<br />

Reichtagswahl Landtagswahl<br />

Bayer. Volkspartei 145 Stimmen 154<br />

Deutsche Volkspartei 4 0<br />

Deutsche Demokrat. 2 0<br />

Volkspartei<br />

<strong>SPD</strong> 27 19<br />

U<strong>SPD</strong> 4 0<br />

aus: „Westpfälzische Zeitung“ v. 21.1. und 4.2.1919.<br />

104 Privatarchiv.<br />

105 StA Blieskastel: Inv. Nr.: 2541: Protokollbuch des Stadtrates Blieskastel vom Januar 1918 - Juli 1922, S. 34.<br />

Mit <strong>der</strong> Erteilung des Bürger- bzw. Heimatrechtes war <strong>der</strong> Eintrag in die Wählerliste verbun<strong>den</strong>.<br />

106 Die Sozialdemokratie in <strong>den</strong> Gemeindevertretungen. Berlin 1907 (Sozialdemokratische Flugschriften III), S.<br />

2.<br />

107 Wilhelm Hoffmann: Die Ideenwelt, S. 15, Beispiele fin<strong>den</strong> sich hierzu S. 20, zur größeren Bedeutung <strong>der</strong><br />

Gewerkschaft vgl. S. 90.


20<br />

Aber es dauerte schließlich noch Jahrzehnte bis die <strong>SPD</strong> in diesem Gremium -<br />

zumindest zeitweise - zur maßgeblichen Kraft wurde. 108<br />

108 Vgl. Kurt Legrum: Die Politischen Parteien in Blieskastel, (MS).

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