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Medikamentenmissbrauch aus Sicht der Apotheker

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31.10.2011<br />

Symposium „<strong>Medikamentenmissbrauch</strong> in Deutschland:<br />

Eine gesamtwirtschaftliche Her<strong>aus</strong>for<strong>der</strong>ung“<br />

Berlin, 3. November 2011<br />

<strong>Medikamentenmissbrauch</strong> <strong>aus</strong><br />

<strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>Apotheker</strong><br />

SUCHT<br />

Professor Dr. Martin Schulz<br />

Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Arzneimittelkommission <strong>der</strong><br />

Deutschen <strong>Apotheker</strong> (AMK)<br />

und<br />

Geschäftsführer Arzneimittel <strong>der</strong> ABDA, BAK, DAV<br />

1,3 Mio.<br />

Alkoholabhängige<br />

ca. 200.000<br />

illegale Drogen-<br />

Konsumenten<br />

(Injektion)<br />

16 Mio.<br />

Raucher<br />

SUCHT<br />

2,4 Mio. Cannabis-<br />

Konsumenten<br />

380.000 Missbrauch<br />

220.000 Abhängige<br />

Quellen:<br />

Jahrbuch Sucht 2011 und<br />

www.drogenbeauftragte.de (2011)<br />

ca. 2,5 Mio. (problem.)<br />

Internetuser<br />

ca. 560.000 Online-<br />

Süchtige (patholog.)<br />

ca. 200.000<br />

Glücksspieler<br />

(patholog.)<br />

<strong>Medikamentenmissbrauch</strong> in Deutschland<br />

Quellen:<br />

Jahrbuch Sucht 2011 und<br />

www.drogenbeauftragte.de (2011)<br />

4<br />

Arzneimittelabhängige:<br />

ca. 1,4 - 1,5 Millionen (?)<br />

Benzodiazepinabhängige:<br />

ca. 1,1 - 1,2 Millionen<br />

an<strong>der</strong>e Arzneimittel:<br />

ca. 300.000 – 400.000<br />

Doping am Arbeitsplatz<br />

DAK Bevölkerungsumfrage (2008)<br />

800.000 Arbeitnehmer<br />

AM-Einnahme zur<br />

Leistungssteigerung<br />

Stimmungsaufhellung<br />

…<br />

Ohne medizinische<br />

Indikation<br />

Quelle: Gesundheitsreport <strong>der</strong> DAK (2009)<br />

5<br />

6<br />

1


31.10.2011<br />

Beson<strong>der</strong>e Risikogruppen<br />

für Arzneimittelmissbrauch<br />

Definition Arzneimittelmissbrauch<br />

dependente Persönlichkeitsstrukturen<br />

Frauen (ab 50. Lebensjahr)<br />

Kin<strong>der</strong> und Jugendliche mit Problemen<br />

ältere, vor allem alleinstehende Menschen<br />

absichtliche<br />

dauerhafte o<strong>der</strong> sporadische<br />

übermäßige Verwendung von Arzneimitteln<br />

mit körperlichen o<strong>der</strong> psychischen<br />

Schäden als Folge<br />

Anwendung ohne medizinische Indikation<br />

Quelle: Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und<br />

des Rates vom 6. November 2001<br />

7<br />

8<br />

Missbrauch geht Arzneimittelabhängigkeit<br />

vor<strong>aus</strong><br />

Missbrauch vs. Abhängigkeit<br />

Missbrauch<br />

Abhängigkeit<br />

Arzneimittelgruppen mit<br />

Missbrauchs-, aber<br />

ohne Abhängigkeitspotenzial<br />

( Auswahl)<br />

Arzneimittelgruppen mit<br />

Abhängigkeitspotenzial<br />

(Auswahl)<br />

Laxanzien<br />

Opioide/Opiate<br />

Diuretika<br />

Sedativa, Hypnotika<br />

Arzneistoffe mit aber<br />

auch ohne<br />

psychotrope Wirkung<br />

Arzneistoffe mit<br />

psychotropen<br />

Eigenschaften<br />

Schilddrüsenhormone<br />

Wachstumshormone<br />

Tranquilizer<br />

Stimulanzien, Anorektika<br />

9<br />

10<br />

Merkmale für Abhängigkeit von<br />

psychotropen Stoffen<br />

Apotheken in Deutschland<br />

Wenn in einem Zeitraum von 12 Monaten<br />

3 o<strong>der</strong> mehr <strong>der</strong> folgenden Symptome aufgetreten sind:<br />

starker Konsumwunsch o<strong>der</strong> -zwang<br />

vermin<strong>der</strong>te Kontrolle im Umgang mit dem Stoff<br />

körperliches Entzugssyndrom beim Absetzen<br />

Toleranzentwicklung<br />

anhaltende Vernachlässigung sozialer und beruflicher<br />

Aktivitäten<br />

fortgesetzter Gebrauch, obwohl dem Konsumenten<br />

klar ist, dass er sich damit schädigt<br />

21.441 Apotheken<br />

4 Mio. Patienten-/Kundenkontakte pro Tag<br />

> 20.000 Patienten pro Nacht<br />

Quelle: ICD-10-GM Version 2011<br />

Quelle: ABDA: Zahlen, Daten, Fakten 2011<br />

11<br />

12<br />

2


31.10.2011<br />

Gesetzliche Bestimmungen (1)<br />

Gesetzliche Bestimmungen (2)<br />

Berufsordnungen (<strong>Apotheker</strong>kammern)<br />

Die <strong>Apotheker</strong>in und <strong>der</strong> <strong>Apotheker</strong> müssen bei <strong>der</strong><br />

Ermittlung, Erkennung, Erfassung und Weitergabe<br />

von Arzneimittelrisiken mitwirken.<br />

Sie sind verpflichtet diesbezügliche Feststellungen<br />

o<strong>der</strong> Beobachtungen <strong>der</strong> Arzneimittelkommission <strong>der</strong><br />

Deutschen <strong>Apotheker</strong> (AMK) unverzüglich<br />

mitzuteilen.<br />

…<br />

Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) § 17 Abs. 8:<br />

Das pharmazeutische Personal hat einem<br />

erkennbaren Arzneimittelmissbrauch in<br />

geeigneter Weise entgegenzutreten.<br />

Bei begründetem Verdacht auf Missbrauch ist<br />

die Abgabe zu verweigern.<br />

(Bsp. § 5 (2) AK Nordrhein vom 13.06.2007)<br />

13<br />

14<br />

Gesetzliche Bestimmungen (3)<br />

Arzneimittelgesetz (AMG)<br />

§ 4 „Arzneimittelrisiko“<br />

(27) Ein mit <strong>der</strong> Anwendung des Arzneimittels<br />

verbundenes Risiko ist<br />

a) jedes Risiko im Zusammenhang mit <strong>der</strong><br />

Qualität, Sicherheit o<strong>der</strong> Wirksamkeit des<br />

Arzneimittels für die Gesundheit <strong>der</strong><br />

Patienten o<strong>der</strong> die öffentliche Gesundheit …<br />

§§ 62/63 „Organisation/Stufenplan“ (AMK)<br />

AMK-Aufgabe: Erfassung von<br />

Arzneimittelrisiken nach § 63 AMG<br />

Beispiele:<br />

Neben- und Wechselwirkungen<br />

Arzneimittelmissbrauch/Fehlgebrauch<br />

Gewöhnung, Abhängigkeit<br />

Qualitätsmängel<br />

Verpackungsmängel, Kennzeichnungsmängel<br />

Arzneimittelfälschungen<br />

15<br />

16<br />

Vergleich UAW-Meldungen<br />

2009 vs. 2010<br />

321 Referenz-Apotheken <strong>der</strong> AMK (06/2011)<br />

9000<br />

8000<br />

7000<br />

6000<br />

5000<br />

4000<br />

3000<br />

2000<br />

1000<br />

0<br />

8322<br />

7400<br />

2606<br />

2168<br />

+ 20 %<br />

Meldungen Alle Meldungen gesamtUAW-Meldungen UAW/Missbrauch<br />

2009<br />

2010<br />

45<br />

45<br />

8<br />

28<br />

16<br />

29<br />

2<br />

9<br />

6<br />

8<br />

9<br />

48<br />

4<br />

15<br />

8<br />

15<br />

18<br />

3


31.10.2011<br />

Umfragen bei Referenzapotheken (Beispiele)<br />

Illegale Herstellung von Metamfetamin<br />

<strong>aus</strong> Pseudoephedrin (Pharm. Ztg. 42/2011)<br />

Risikoabwehr: Missbrauch ?<br />

Loperamid (mit P-gp-Hemmer ZNS-Wirkung ?)<br />

vgl.: www.land-<strong>der</strong>-traeume.de/forum.php?t=13390<br />

Pseudoephedrin ( Metamfetamin/Crystal ?)<br />

vgl.: www.drugs-forum.com/forum/showthread.php?t=106267<br />

Dextromethorphan (ZNS-Wirkung ?)<br />

vgl.: Arch Pediatr Adolesc Med. 2006;160:1217<br />

Tramadol + Tilidin/Naloxon (Missbrauch/Rp-Fälschung ?)<br />

Umfrage Juni 2011<br />

20<br />

Möglichkeiten und Grenzen <strong>der</strong> Apotheke<br />

Leitfaden <strong>der</strong> Bundesapothekerkammer (BAK)<br />

Erkennung und Verhin<strong>der</strong>ung von<br />

Arzneimittelmissbrauch und -abhängigkeit<br />

Verschreibungspflichtige AM und<br />

Selbstmedikation<br />

Aufklärung, Information und Beratung<br />

Leitfaden für die apothekerliche Praxis<br />

(2008, aktualisiert 10/2011):<br />

www.abda.de/medikamentenmissbrauch.html<br />

Medizinische Laien<br />

Betroffene, Angehörige, Arbeitskollegen<br />

Heil- und Pflegeberufe<br />

21<br />

22<br />

Inhalte des Leitfadens <strong>der</strong> BAK für die<br />

apothekerliche Praxis (2011)<br />

Wie erkennt man Missbrauch in <strong>der</strong> Apotheke ?<br />

Problematische Arzneimittelgruppen<br />

Was muss <strong>der</strong> <strong>Apotheker</strong> tun ?<br />

Was kann <strong>der</strong> <strong>Apotheker</strong> noch tun ?<br />

Anlaufstellen und Informationsquellen<br />

Indizien für „kritischen“ Arzneimittelkonsum<br />

Häufigkeit <strong>der</strong> Nachfrage und gewünschte Menge(n)<br />

( Hinweise <strong>aus</strong> Medikationshistorie)<br />

Hinweise auf Beschaffung <strong>aus</strong> mehreren Apotheken<br />

Verschreiben eines „kritischen“ Arzneimittels auf<br />

Privatrezept (für GKV-Versicherte) o<strong>der</strong> durch<br />

verschiedene Ärzte für den selben Patienten<br />

Manipulation von Arzneimitteln (Reklamation von<br />

Min<strong>der</strong>füllung nach vorheriger Entnahme, z. B.<br />

Tropflösungen mit Opiaten)<br />

Rezeptfälschungen<br />

Tricks <strong>der</strong> Medikamentenbeschaffung<br />

(angeblicher Rezeptverlust etc.)<br />

23<br />

24<br />

4


31.10.2011<br />

Problematische Arzneimittelgruppen (1/2)<br />

Schlaf- und Beruhigungsmittel<br />

(Benzodiazepine und Z-Substanzen)<br />

Opiate (Schmerzmittel)<br />

Dextromethorphan (Hustenstiller)<br />

Nichtopioide (Kopf-)Schmerzmittel<br />

Abführmittel (Gewichtsabnahme, Gewöhnung)<br />

Entwässerungsmittel (Diuretika – Gewichtsabnahme)<br />

Schnupfenmittel (Gewöhnung)<br />

Schlaf- und Beruhigungsmittel (Selbstmedikation):<br />

Doxylamin<br />

Diphenhydramin<br />

Häufig verordnete Benzodiazepine und<br />

Benzodiazepin-Analoga<br />

Benzodiazepine:<br />

Lorazepam<br />

Diazepam<br />

Bromazepam<br />

Oxazepam<br />

Lormetazepam<br />

Temazepam<br />

Flunitrazepam<br />

Quelle: Deutsches Arzneiprüfungsinstitut (DAPI, 2011)<br />

Benzodiazepin-Analoga<br />

(„Z-Substanzen“):<br />

Zopiclon<br />

Zolpidem<br />

25<br />

26<br />

Benzodiazepine, -analoga - Langzeitkonsum<br />

Problem: Langzeitkonsum Benzodiazepine<br />

(Diazepam [Valium® und an<strong>der</strong>e])<br />

> 1 Mio. (?) Benzodiazepinabhängige in Deutschland<br />

vorwiegend Ältere, meist Frauen<br />

chronisch Kranke (Schlafstörungen, Herzerkrankungen)<br />

psychisch Kranke (Patienten mit Angst-, Persönlichkeitsstörungen)<br />

vorbestehende Alkoholabhängigkeit<br />

Drogenabhängigkeit, Polytoxikomanie<br />

Betroffene fühlen sich nicht betroffen !<br />

(Dr. med. R. Holzbach)<br />

Manifestation <strong>der</strong> Benzodiazepinabhängigkeit ~ Dosis<br />

bei therapeutische Dosen nach 2-4 Monaten<br />

bei sehr hohe Dosen Entzugssyndrom nach 3-4 Wochen<br />

Hochdosisabhängigkeit vs. Niedrigdosisabhängigkeit<br />

27<br />

28<br />

Problematische Arzneimittelgruppen (2/2)<br />

Stimulanzien (neu: Neuroenhancing/“Hirndoping“):<br />

Methylphenidat (Ritalin®)<br />

Modafinil (Vigil®)<br />

Amfepramon<br />

Cathin<br />

Ephedrin<br />

Phenylpropanolamin (Appetitzügler)<br />

Pseudoephedrin (Grippemittel Methamphetamin/“Crystal“)<br />

Weitere Inhalte des BAK-Suchtleitfadens<br />

Alkohol in Arzneimitteln<br />

Grippemittel, “Geiste“<br />

Missbrauchspotenzial (Schnüffeln) von<br />

flüchtigen organischen Lösungsmitteln:<br />

z.B. Butan, Chlorethan Eis-, Kältesprays<br />

29<br />

30<br />

5


31.10.2011<br />

Was kann <strong>der</strong> <strong>Apotheker</strong> noch tun ? (1/2)<br />

Prävention, Aufklärung:<br />

Vorträge in Schulen, Ortsvereinen,<br />

Seniorenheimen etc.<br />

– Materialien, Referate <strong>der</strong> ABDA<br />

(www.abda.de)<br />

Information und Beratungsangebote für<br />

Betroffene (Abhängige, Gefährdete) und<br />

<strong>der</strong>en Angehörige<br />

Was kann <strong>der</strong> <strong>Apotheker</strong> noch tun ? (2/2)<br />

Hilfe bei <strong>der</strong> Arztsuche<br />

Vermittlung weiterer Ansprechpartner und von<br />

Hilfsangeboten, z. B.:<br />

Selbsthilfegruppen<br />

(www.nakos.de)<br />

Suchtberatungsstellen<br />

(www.suchtmittel.de/seite/interaktiv/suchtberatung/)<br />

31<br />

32<br />

Gegen Sucht und AM-Missbrauch<br />

Aktivitäten und Beiträge <strong>der</strong> <strong>Apotheker</strong> (1/2)<br />

Gegen Sucht und AM-Missbrauch<br />

Aktivitäten und Beiträge <strong>der</strong> <strong>Apotheker</strong> (2/2)<br />

Projekt „Ambulanter Entzug Benzodiazepinabhängiger<br />

Patienten in Zusammenarbeit von<br />

<strong>Apotheker</strong> und H<strong>aus</strong>arzt“ (För<strong>der</strong>ung BMG)<br />

Unterstützung von Fachsymposien (2011):<br />

ADAC ÄrzteCollegium. München, April 2011<br />

DSH-Symposium. Tutzing, Juni 2011<br />

BZgA Fachgespräch. Köln, Oktober 2011<br />

Präventionsprojekt: „Apotheke macht Schule“<br />

(div. LAK, seit 2009)<br />

Gemeinsame Kampagnen von Ärzten, <strong>Apotheker</strong>n …<br />

auf Landesebene<br />

z.B. Kampagne „Mitdenken“ in Hamburg<br />

(www.mitdenken-hamburg.de)<br />

Pressemitteilungen und regelmäßige Publikationen in<br />

<strong>der</strong> Fach- und Laienpresse<br />

33<br />

34<br />

+ + Vielen Dank!<br />

Arzneimittelabhängige Menschen:<br />

> 1 Mio. in Deutschland.<br />

4 - 5 % aller verordneten Arzneimittel wird ein<br />

Abhängigkeitspotenzial zugeschrieben.<br />

Sensibilisierung <strong>der</strong> heilberuflichen Verantwortung<br />

des <strong>Apotheker</strong>s bei <strong>der</strong> Beratung und Abgabe von<br />

Arzneimitteln.<br />

Patienten- und Verbraucherschutz = eine originäre<br />

Aufgabe des <strong>Apotheker</strong>s !<br />

Co-Autoren des BAK-Leitfadens 2011:<br />

Dr. Ralf Goebel<br />

Dr. Nina Griese<br />

Dr. Ernst Pallenbach<br />

Dr. Petra Zagermann-Muncke<br />

35<br />

36<br />

6

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