25.07.2014 Aufrufe

Tanz und Theater in der Hauptschule - Staatstheater Nürnberg

Tanz und Theater in der Hauptschule - Staatstheater Nürnberg

Tanz und Theater in der Hauptschule - Staatstheater Nürnberg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Theater</strong>pädagogik<br />

<strong>Tanz</strong> <strong>und</strong> <strong>Theater</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Hauptschule</strong><br />

Projekttage am <strong>Staatstheater</strong> mit zwei siebten Klassen <strong>der</strong> Thusneldahauptschule von Anja Sparberg<br />

Jedes Jahr veröffentlicht die B<strong>und</strong>esagentur<br />

für Arbeit e<strong>in</strong>en Bericht zur Lehrstellensituation<br />

<strong>in</strong> Deutschland. Auf immer mehr qualifizierte<br />

Bewerber kommen immer weniger<br />

Ausbildungsplätze. Vor allem Hauptschüler<br />

haben <strong>in</strong> dieser Situation schlechte Aussichten:<br />

nur knapp 20-30% erhalten e<strong>in</strong>en Ausbildungsplatz,<br />

Tendenz s<strong>in</strong>kend.<br />

Um die Chancen für ihre Schulabgänger<br />

zu verbessern, startete im Oktober 2006 an<br />

<strong>der</strong> Thusneldaschule e<strong>in</strong> engagiertes Projekt:<br />

In Kooperation mit <strong>der</strong> <strong>Tanz</strong>schule Rill<strong>in</strong>g-A.R.T.<br />

entwickeln die beiden siebten<br />

Klassen <strong>der</strong> <strong>Hauptschule</strong> e<strong>in</strong> <strong>Tanz</strong>projekt.<br />

Ziel des Projekts ist e<strong>in</strong>e nachhaltige <strong>und</strong><br />

umfassende Persönlichkeitsbildung für jeden<br />

e<strong>in</strong>zelnen Schüler, die es ihm möglich machen<br />

soll, sich durch gestärktes Selbstwertgefühl,<br />

sicheres Auftreten <strong>und</strong> gute Ausstrahlung<br />

se<strong>in</strong>en Platz von <strong>der</strong> Schule zum<br />

Berufsleben zu erobern.<br />

Im Rahmen des Projektes planten die<br />

Lehrer<strong>in</strong> Christ<strong>in</strong>e Bauer-Seibold <strong>und</strong> die<br />

<strong>Theater</strong>pädagog<strong>in</strong> Anja Sparberg Projekttage<br />

am <strong>Staatstheater</strong>. Zum e<strong>in</strong>en sollte es darum<br />

gehen, Themen für die geplante Aufführung<br />

szenisch zu erarbeiten, zum an<strong>der</strong>en<br />

sollten die Schüler die Arbeitswelt <strong>Theater</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong>en Abläufe kennen lernen.<br />

Die Projekttage begannen mit e<strong>in</strong>er Führung,<br />

bei <strong>der</strong> schnell klar wurde, dass die<br />

Schüler sehr neugierig auf alles waren, was<br />

mit <strong>Theater</strong> zusammenh<strong>in</strong>g. Der vierstündige<br />

<strong>Theater</strong>workshop war e<strong>in</strong> ganz beson<strong>der</strong>es<br />

Erlebnis, weil die Schüler so viel Spielideen<br />

mitbrachten, dass <strong>in</strong>nerhalb kürzester<br />

Zeit Szenen entstanden, die den Rahmen für<br />

ihre <strong>Tanz</strong>präsentation bilden könnten. Ganz<br />

nebenbei lernte die <strong>Theater</strong>pädagog<strong>in</strong> dann<br />

noch, was Crump<strong>in</strong>g <strong>und</strong> Clown<strong>in</strong>g ist (e<strong>in</strong>e<br />

beson<strong>der</strong>s sportive, athletische, recht aggressive<br />

<strong>Tanz</strong>art, die gerade für die Jungen<br />

e<strong>in</strong>e echte Herausfor<strong>der</strong>ung ist) <strong>und</strong> <strong>der</strong> Tag<br />

endete damit, dass alle glücklich über den<br />

geme<strong>in</strong>samen Austausch nach Hause g<strong>in</strong>gen.<br />

Abger<strong>und</strong>et wurde diese Projektwoche<br />

durch die Möglichkeit, als Schnupperpraktikanten<br />

<strong>in</strong> verschiedenen Abteilungen den<br />

Alltag h<strong>in</strong>ter den Kulissen kennen zu lernen.<br />

E<strong>in</strong> herzliches Dankeschön an alle Abteilungen!<br />

Im Anschluss konnten sie e<strong>in</strong>e<br />

<strong>Tanz</strong>theaterprobe zu „Wish eye wood“ besuchen,<br />

bei <strong>der</strong> sie den Profis bei ihrer Arbeit<br />

zusehen konnten <strong>und</strong> am Samstagabend saßen<br />

sie dann als k<strong>und</strong>ige <strong>Theater</strong>besucher<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Tanz</strong>theatervorstellung <strong>und</strong> am Ende<br />

des Schuljahres werden sie selbst bei den<br />

Kulturtagen im Kachelbau als Tänzer <strong>und</strong><br />

Tänzer<strong>in</strong>nen auf <strong>der</strong> Bühne stehen.<br />

Bei all diesen Aktivitäten war erkennbar,<br />

wie sehr die Schüler die sogenannten „Soft<br />

Skills“ wie Diszipl<strong>in</strong>, Teamfähigkeit <strong>und</strong> Motivation<br />

schon ver<strong>in</strong>nerlicht hatten, denn<br />

ohne all dies ist <strong>Theater</strong>arbeit nicht möglich.<br />

Die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsst<strong>und</strong>en von Herrn Rill<strong>in</strong>g zeigen<br />

schon ihre Wirkung. Engagierte, emphatische<br />

Lehrer wie Frau Bauer-Seibold<br />

<strong>und</strong> Herr Braun, die alltäglich die sozialen<br />

<strong>und</strong> schulischen Fähigkeiten <strong>der</strong> Schüler för<strong>der</strong>n,<br />

s<strong>in</strong>d jedoch die eigentliche Kraftquelle<br />

für die jungen Menschen, die e<strong>in</strong>er schwierigen<br />

Zukunft entgegen gehen. <strong>Hauptschule</strong>n<br />

wie die Thusneldaschule setzen Zeichen<br />

gegen die Trostlosigkeit <strong>der</strong> Lehrstellensituation,<br />

gegen die Demotivierung schon ganz<br />

junger Menschen, die sich nur mit verschlossenen<br />

Türen konfrontiert sehen.<br />

Das <strong>Staatstheater</strong> versucht im Gegenzug<br />

die eigenen Türen für solche Projekte<br />

so weit wie möglich zu öffnen. Gerade hier,<br />

wo so viele unterschiedliche Berufe <strong>und</strong><br />

Menschen mit den verschiedensten Schulabschlüssen<br />

geme<strong>in</strong>sam an e<strong>in</strong>em Ziel arbeiten,<br />

nämlich Aufführungen immer auf<br />

dem höchsten Niveau zu zeigen, können die<br />

Schüler E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> die Vielfalt <strong>der</strong> Arbeitswelt<br />

bekommen. Die eigene Spielerfahrung<br />

ist dabei Teil e<strong>in</strong>es Gesamtkonzeptes. Solche<br />

Projekte, <strong>in</strong> denen sie aktiv ihr Leben,<br />

ihre Situation reflektieren <strong>und</strong> sich neue<br />

Entwürfe erspielen <strong>und</strong> mit all ihren Fähigkeiten<br />

gebraucht <strong>und</strong> positiv wahrgenommen<br />

werden, s<strong>in</strong>d wichtige Stationen für e<strong>in</strong>en<br />

offenen, selbstbewussten Umgang <strong>der</strong><br />

jungen Menschen mit ihrer Welt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sie<br />

leben – <strong>und</strong> hoffentlich e<strong>in</strong>en Ausbildungsplatz<br />

f<strong>in</strong>den.<br />

Mai 2007 IMPULS 31


Nürnberger Nachri chten 14. Mai 2007<br />

'.i:lì.,,.ñ<br />

i<br />

Wie wirkt me<strong>in</strong>e Stimme, wenn ich spreche? Sehe ich selbstsicher aus, wenn ich gehe? Luca. Christ<strong>in</strong>a <strong>und</strong> ihre Klassenkameraden<br />

konnten beim Persönlichkeitstra<strong>in</strong><strong>in</strong>q im <strong>Theater</strong> viel über sich selbsÏ lernen. Fotos: Michael Mateika<br />

Schreien gegen Prüfu ngsstress<br />

Zum Unterricht <strong>in</strong>s <strong>Staatstheater</strong>: Stimmtra<strong>in</strong><strong>in</strong>g für mehr Selbstbewusstse<strong>in</strong><br />

, Ballett statt Fußball. Benimm-Unter-<br />

, richt statt Abhängen, <strong>Theater</strong>besuche<br />

r . statt Glotze: Für die Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />

Schüler <strong>der</strong> siebten Klassen an <strong>der</strong><br />

1.,, Nürnberger'Thusnelda-Schule hat<br />

, sich <strong>der</strong> Schulalltag <strong>in</strong> den vergangenen<br />

acht Monaten gewaltig verändeft.<br />

,,1. Donnerstagmorgen, auf <strong>der</strong> Probe-<br />

.,,bühne des NüLrnberger <strong>Staatstheater</strong>S:<br />

,:18 Siebtklässler tappen <strong>in</strong> Socken u¡d<br />

,,rmit geschlossenen Augen wie Schlaf-<br />

,wandler umher. Ab <strong>und</strong> zu hallt e<strong>in</strong><br />

i,Kommando von <strong>Theater</strong>pädagog<strong>in</strong><br />

i,'$nja Sparberg durch den Raum: ,,Ihr<br />

Sprecht nur, wenn ich es sage!" ,,Ihr<br />

dtirft euch nicht bertihrenl" ..Jetzt<br />

sucht sich je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Platz <strong>und</strong> tut so,<br />

als ob er schläft! "<br />

r:::,rr Statt im Matheunterricht über Prozentrechnenzu<br />

grübeln o<strong>der</strong> mit deutscher<br />

Grammatlk zu kämpfen, gehen<br />

.die Hauptschüler an diesem Vormit-<br />

,,,tag im iheater auf Fantasiereise. Sie<br />

:,stellen sich vor, wie es sich anfühlt,<br />

mit nackten trttißen ùber e<strong>in</strong>e taube-<br />

:.deckte Wiese zu gehen o<strong>der</strong> die Füße<br />

, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en kalten Bach zu tauchen. Es ist<br />

t ungewöhnlich stitt im Raum <strong>und</strong> auch<br />

''Lehrer<strong>in</strong> Christ<strong>in</strong>e Bauer-Seibold ist<br />

überrascht, dass sich selbst die Jungs,<br />

die sonst gerne die Klassenclowns<br />

geben, auf die Gedankenspiele-<strong>der</strong><br />

<strong>Theater</strong>pädagog<strong>in</strong> e<strong>in</strong>lassen.<br />

Den eigenen Körper erfahren, Gestik<br />

<strong>und</strong> Mimik e<strong>in</strong>es Gesorächspartners<br />

e<strong>in</strong>schätzen lerneri, mit^ <strong>der</strong><br />

Stimme experimentieren, selbstbewusst<br />

vor an<strong>der</strong>e treten - das steht für<br />

die Klasse 7a an diesem Vormittag auf<br />

dem St<strong>und</strong>enplan.<br />

Akrobatik mit <strong>der</strong> Zunge<br />

Der'Workshop im <strong>Staatstheater</strong> ist<br />

'Teil e<strong>in</strong>es neuen Unterrichtsfachs, das<br />

die Thusnelda-Schule mit ihren Siebtklässlern<br />

probt: E<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> <strong>der</strong> Woche<br />

haben die Jugendlichen Ballettunterricht<br />

bei e<strong>in</strong>em Profi r¡¡d tra<strong>in</strong>ieren<br />

mit ,,Demi-Plié" <strong>und</strong> ,,Chassé" e<strong>in</strong>e<br />

selbstbewusste Körperhaltung. Bauch<br />

re<strong>in</strong>, Brust raus: Wer aufrecht geht,<br />

den Kopf geradeaus richtet <strong>und</strong> scbreitet<br />

statt schlurft, macht nicht nur bei<br />

<strong>der</strong> Suche nach e<strong>in</strong>ém Ausbildungsplatz<br />

e<strong>in</strong>e bessere Figur.<br />

Mit <strong>der</strong> <strong>Theater</strong>pädagogÍn feilen die<br />

Schüler an Stimme <strong>und</strong>'Ausdruck.<br />

A1le liegen auf dem Boden im Kreis<br />

<strong>und</strong> spüren bei ,,maaaaaahs" <strong>und</strong><br />

,,uuuuhs" das Vibrieren im Brustkorb<br />

<strong>und</strong> an den Stimmbän<strong>der</strong>n, während<br />

die Ohren das Gefühl haben, dass jede<br />

Menge Rennwagen über die Probebühne<br />

rauschen. Danach s<strong>in</strong>d Zungenbrecher<br />

an <strong>der</strong> Reihe: Stretchieans.<br />

Tschechische Stretch'ieans. 22 ischechische<br />

Stretchjeans. 22 Tschechische<br />

Stretchjeans mit Strass-Ste<strong>in</strong>chen.<br />

Für Zahnspangenträger bedeutet die<br />

Ubung echte Zungenakrobatik.<br />

Auch Schreien wird.seübt - beson<strong>der</strong>s<br />

für die schüchte<strong>in</strong>en Mädchen<br />

e<strong>in</strong>e Überw<strong>in</strong>dung. trVas das br<strong>in</strong>gen<br />

soll? ,,Wenn ihr Stress habt, zum Beispiel<br />

vor e<strong>in</strong>er Schulaufgabe, hilft's,<br />

vienn ihr alle<strong>in</strong>e <strong>in</strong> e<strong>in</strong>eñ Rarlm sehi<br />

<strong>und</strong> euren Frust kräftie rausschrõit".<br />

weiß Anja Sparberg.<br />

Bei den Schultheatertagen Ende<br />

Juni wollen die Thusneldã-Schüler<br />

e<strong>in</strong> eigenes <strong>Tanz</strong>theaterstùck auf die<br />

Bühne br<strong>in</strong>gen. Dann wollen sie an<strong>der</strong>en<br />

Schülern beweisen, dass Ballett<br />

mit Hip-Hop-E<strong>in</strong>lagen verdammt<br />

cool ist - <strong>und</strong> dass <strong>der</strong> ungewöhnliche<br />

Unterricht sie stärkt: als Kiasse, die<br />

jetzt besser zusammenhäIt, <strong>und</strong> jeden<br />

E<strong>in</strong>zelnen auf dem Weg zum Erwachsênwerden.<br />

KRISTINABANASCH<br />

1<br />

i<br />

i<br />

I<br />

N<br />

I<br />

l<br />

I<br />

I<br />

iÌ<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

r<br />

I<br />

I

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!