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Vorkommen von aggressivem Verhalten, Prädiktoren für die Ge ...

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Aus der Klinik <strong>für</strong> Psychiatrie und Psychotherapie<br />

der Universität zu Lübeck<br />

Direktor: Prof. Dr. med. Fritz Hohagen<br />

Prävalenz, Charakteristika und <strong>Prädiktoren</strong> fremdaggressiven<br />

<strong>Verhalten</strong>s bei hospitalisierten psychisch Kranken<br />

Inauguraldissertation<br />

zur<br />

Erlangung der Doktorwürde<br />

der Universität zu Lübeck<br />

-Aus der Medizinischen Fakultät-<br />

vorgelegt <strong>von</strong><br />

Regina Ketelsen<br />

aus Aachen<br />

Lübeck 2005<br />

1


1. Berichterstatter: Prof. Dr. med. Martin Driessen<br />

2. Berichterstatter: Prof. Dr. med. Fritz Hohagen<br />

Tag der mündlichen Prüfung: 12.12.2005<br />

Zum Druck genehmigt. Lübeck, den 12.12.2005<br />

gez. Prof. Dr. med. Wolfgang Jelkmann<br />

- Dekan der Medizinischen Fakultät -<br />

2


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort 5<br />

1. Stand der Forschung 7<br />

1.1. Einführung und Definition aggressiven <strong>Verhalten</strong>s 7<br />

1.2. Prävalenz und Charakteristika aggressiven <strong>Verhalten</strong>s im 8<br />

psychiatrischen Kontext<br />

1.3. Interventionen bei <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> einschließlich 10<br />

Zwangsmaßnahmen<br />

1.4. Rechtliche Grundlagen 13<br />

1.5. Einflussfaktoren auf aggressives <strong>Verhalten</strong> 16<br />

1.5.1. Soziodemografische Merkmale 16<br />

1.5.2. Erkrankungsfaktoren 16<br />

1.5.3. Institutionelle Faktoren 17<br />

1.6. Aggressives <strong>Verhalten</strong> gegenüber Mitarbeitern und <strong>die</strong> Folgen 18<br />

1.7. Verfahren zur Erfassung aggressiven <strong>Verhalten</strong>s 20<br />

2. Fragestellungen und Ziele der Arbeit, Hypothesen 24<br />

2.1. Fremdaggressives <strong>Verhalten</strong> 24<br />

2.2. Interventionen 25<br />

3. Methoden 26<br />

3.1. Erhebungsinstrumente 26<br />

3.2. Umfeld und Durchführung der Stu<strong>die</strong> 28<br />

3.3. Statistik 31<br />

3.4. Stichprobe 31<br />

3.4.1. <strong>Ge</strong>samtkollektiv 31<br />

3.4.2. Untersuchungsgruppe und Kontrollgruppe 31<br />

3.5. Untersuchte Variablen 32<br />

4. Ergebnisse 34<br />

4.1. Fremdaggressives <strong>Verhalten</strong> 34<br />

4.1.1. Prävalenz 34<br />

4.1.2. Charakteristika 34<br />

3


4.1.3. Zusammenhang zwischen Patienten- und Erkrankungsmerkmalen<br />

und dem Schweregrad der Vorfälle 37<br />

4.1.4. Vergleich <strong>von</strong> Patienten mit und ohne fremdaggressives <strong>Verhalten</strong> 38<br />

4.1.5. <strong>Prädiktoren</strong> 43<br />

4.2. Interventionen 45<br />

4.2.1. Interventionen zur Beendigung der Aggression 45<br />

4.2.2. Analyse des Zusammenhangs zwischen der Schwere<br />

fremdaggressiver Vorfälle und der nachfolgenden Intervention 45<br />

4.2.3. Merkmale <strong>von</strong> Patienten mit leichtgradig <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong><br />

und nachfolgende Interventionen 46<br />

5. Diskussion 48<br />

5.1. Methodendiskussion 48<br />

5.2. Ergebnisdiskussion 50<br />

5.3. Schlussfolgerung und Ausblick 62<br />

6. Zusammenfassung 64<br />

Literaturverzeichnis 66<br />

Anhang 80<br />

Danksagung 85<br />

Lebenslauf 86<br />

Anmerkung<br />

In der vorliegenden Arbeit wurde <strong>für</strong> Personengruppen, <strong>die</strong> sich aus Männern und<br />

Frauen zusammensetzen, der maskuline Plural verwendet. Für Einzelpersonen, <strong>die</strong><br />

sowohl männlichen als auch weiblichen <strong>Ge</strong>schlechts sein können, wurde der<br />

männliche Singular eingesetzt. Diese Schreibweise wurde verwendet, da<br />

geschlechtsneutrale Formulierungen nicht immer realisierbar sind und der Schreibstil<br />

mit Schrägstrichen häufig auf Kosten der Lesbarkeit des Textes geht.<br />

4


Vorwort<br />

Meinungsstereotype in der Öffentlichkeit sind dadurch geprägt, dass psychisch<br />

Kranke <strong>für</strong> gefährlich und unberechenbar gehalten werden (Steinert, 2001). Die<br />

Stigmatisierung psychisch Kranker wird durch <strong>die</strong>se öffentliche Meinung beeinflusst.<br />

Dieser Mythos steht im Widerspruch zu Stu<strong>die</strong>n aus dem angelsächsischem Raum<br />

und den USA, <strong>die</strong> lediglich ein moderat erhöhtes <strong>Ge</strong>walttatenrisiko bei psychisch<br />

Kranken bestätigen (Steinert, 2001).<br />

Die in der Psychiatrie Tätigen werden in der Öffentlichkeit einerseits immer wieder<br />

kritisiert, zu oft und zu häufig Zwangsmaßnahmen anzuwenden, und andererseits, zu<br />

sorglos mit psychisch Kranken umzugehen und dadurch dazu beizutragen, dass<br />

<strong>Ge</strong>walttaten durch psychisch Kranke begangen werden (Finzen, 1990, Finzen et al.,<br />

1993).<br />

Vermutlich ist <strong>die</strong>ses Spannungsfeld ein wesentlicher Grund da<strong>für</strong>, dass trotz des<br />

gehäuften <strong>Vorkommen</strong>s <strong>von</strong> <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> und Zwangsmaßnahmen im<br />

akut-psychiatrischen Behandlungsalltag <strong>die</strong>se Problematik in Lehrbüchern selten<br />

dargestellt und ein therapeutischer Umgang in der Ausbildung meist nicht<br />

systematisch vermittelt wird.<br />

Zwangsmaßnahmen sind <strong>für</strong> <strong>die</strong> betroffenen Patienten massiv eingreifende Ereignisse<br />

und können sich auch traumatisierend auswirken. Angriffe auf Mitarbeiter aller<br />

Berufsgruppen, Mitpatienten oder andere Personen können andererseits ebenfalls<br />

traumatisierend erlebt werden mit - in seltenen Fällen - körperlichen Verletzungen bis<br />

hin zu lebensbedrohlichen Auswirkungen.<br />

Betrachtet man <strong>die</strong> weit reichenden möglichen Konsequenzen aggressiven <strong>Verhalten</strong>s<br />

und <strong>von</strong> Interventionen gegen den Willen der Patienten (Zwangsmaßnahmen) in der<br />

psychiatrischen Behandlung, wird deutlich, dass eine systematische Erfassung und<br />

Prävention hohe Priorität haben sollten. So wird es am ehesten gelingen, <strong>die</strong>ses <strong>für</strong><br />

Medizin und Psychiatrie schwierige Thema insgesamt zu enttabuisieren und <strong>die</strong><br />

Diskussion auf eine sachliche und durch Daten fun<strong>die</strong>rte Ebene zu stellen. Im letzten<br />

Jahrzehnt sind zunehmend Untersuchungen zu <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> und<br />

Zwangsmaßnahmen auch im deutschsprachigen Raum durchgeführt und publiziert<br />

worden, im englischsprachigen ist <strong>die</strong>s bereits seit über 20 Jahren der Fall.<br />

- 5 -


Vor <strong>die</strong>sem Hintergrund beschäftigt sich seit 1995 eine Arbeitsgruppe unter<br />

wesentlicher Beteiligung der Autorin in der Klinik <strong>für</strong> Psychiatrie und Psychotherapie<br />

in Bethel, Evangelisches Krankenhaus Bielefeld, mit dem Thema. Ziel war es <strong>von</strong><br />

Anfang an, aggressives <strong>Verhalten</strong> und notwendige Zwangsmaßnahmen so weit wie<br />

möglich zu reduzieren. Dazu <strong>die</strong>nten <strong>die</strong> Einführung <strong>von</strong> Behandlungsstandards,<br />

regelmäßige Fortbildungen zum Thema „Umgang mit <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong>" und<br />

<strong>die</strong> Einführung einer sich laufend weiter entwickelnden systematischen<br />

Dokumentation <strong>von</strong> Zwangsmaßnahmen. In <strong>die</strong>sem Zusammenhang entstand <strong>die</strong><br />

vorliegende Arbeit. Sie stellt <strong>die</strong> Ergebnisse der Erfassung <strong>von</strong> <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong>,<br />

Merkmale der betroffenen Patienten und <strong>die</strong> darauf folgenden Interventionen dar.<br />

Zusätzlich sollten <strong>Prädiktoren</strong> <strong>für</strong> Patienten mit <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> identifiziert<br />

werden, um so spezifische Präventionsmaßnahmen entwickeln zu können.<br />

- 6 -


1. Stand der Forschung<br />

1.1. Einführung und Definition aggressiven <strong>Verhalten</strong>s<br />

Zunächst werde ich in <strong>die</strong> Problematik der Begriffsdefinition des Begriffes Aggression/<br />

aggressives <strong>Verhalten</strong>/ <strong>Ge</strong>walt einführen und <strong>die</strong> <strong>die</strong>ser Arbeit zu Grunde liegende<br />

Begriffsdefinition darstellen.<br />

Die Begriffe Aggression und <strong>Ge</strong>walt werden in der psychiatrischen Fachliteratur<br />

teilweise synonym benutzt, eindeutige und allgemein akzeptierte Definitionen und<br />

Operationalisierungen existieren <strong>für</strong> beide Begriffe bisher nicht (Steinert, 1995a).<br />

Das Wort Aggression/ Aggressivität leitet sich <strong>von</strong> dem lateinischen „aggredior“ ab<br />

mit der Bedeutung herangehen, sich an jemanden wenden, an oder zu jemandem<br />

heranschreiten, auf jemanden oder etwas zugehen, zukommen, sich nähern. Später<br />

wurde <strong>die</strong>ser Begriff auch mit feindseliger Bedeutung im Sinne eines offenen Angriffs<br />

verwendet. Es können also zwei <strong>von</strong>einander verschiedene Bedeutungen abgeleitet<br />

werden, erstens eine Handlung ohne und zweitens eine Handlung mit zerstörerischer<br />

Auswirkung (Huber und Striebel, 1978; Müller et al., 1986). In der ersten Bedeutung<br />

ist der Begriff positiv konnotiert, in der zweiten negativ als meist affektgeladenes<br />

Angriffsverhalten, das nach außen gegen andere Menschen, <strong>Ge</strong>genstände oder<br />

Institutionen, aber auch gegen das eigene Ich (Autoaggression), gerichtet sein kann.<br />

Definitionen aus dem englischsprachigen psychiatrischen Kontext beziehen<br />

„aggression“ auf <strong>die</strong> Absicht, jemandem gegen seinen Willen zu schaden oder ihn zu<br />

verletzen (Breakwell, 1996). So können z.B. Erschrecken oder Drohung Formen <strong>von</strong><br />

Aggression sein. Aggression kann verschiedene Formen <strong>von</strong> Schäden/ Verletzungen<br />

zur Folge haben, incl. psychische und emotionale. Der Begriff der instrumentellen,<br />

zielgerichtet eingesetzten Aggression (z.B. bei antisozialen Persönlichkeitsstörungen)<br />

wird einer spontanen, impulsiven bzw. emotional induzierten Aggression gegenüber<br />

gestellt (Steinert, 1995a, Breakwell, 1998).<br />

Unter dem Begriff „violence“ werden dagegen Handlungen verstanden, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

direkte Absicht implizieren, jemandem physischen Schaden zuzufügen (Breakwell,<br />

1995).<br />

Eine weitere Differenzierung nehmen Littrell und Littrell (1998) vor:<br />

„Aggression“ stellt ein böswilliges <strong>Verhalten</strong> oder Drohen gegen andere dar, das<br />

verbaler, physischer oder sexueller Natur sein kann und „violence“ dagegen den<br />

- 7 -


Ausbruch <strong>von</strong> physischer Kraft, durch <strong>die</strong> eine andere Person oder <strong>Ge</strong>genstand<br />

missbraucht, verletzt oder ihr Schaden zugefügt wird. Eine Abstufung hierzu ist<br />

„agitation“ als eine offensive verbale, stimmliche oder motorische Aktivität, <strong>die</strong><br />

situativ inadäquat ist. Sie kann durch Verwirrung, medikamentöse Nebenwirkungen<br />

oder Störungen im Umfeld bedingt sein. Als Einteilungsgrade werden vorgeschlagen:<br />

Ruhe < Ängstlichkeit < Agitation < Aggression < <strong>Ge</strong>walt (violence).<br />

Probleme bestehen darüber hinaus bei der Durchführung standardisierter<br />

Untersuchungen zum <strong>Vorkommen</strong> <strong>von</strong> Aggression und <strong>Ge</strong>walt. Die Bedingungen, <strong>die</strong><br />

zu aggressiven Handlungen führen, sind komplex und <strong>von</strong> unterschiedlichsten<br />

Faktoren beeinflusst, <strong>die</strong> auf einer strukturellen Ebene (wie <strong>die</strong> institutionelle Ebene<br />

mit Stationsmilieu, Mitarbeiterbesetzung und -qualifikation, Belegungsdichte,<br />

Behandlungskonzepte), auf der Patientenebene (z.B. soziodemografische- und<br />

erkrankungsbezogene Merkmale) und auf der Mitarbeiterebene (z.B. Merkmale der<br />

Person, konkreter Interaktionsstil mit dem Patienten) angesiedelt sind.<br />

Im psychiatrischen Bereich existiert also bisher keine allgemein akzeptierte Definition<br />

zu Aggression/ <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> und <strong>Ge</strong>walt. In der Klinik <strong>für</strong> Psychiatrie und<br />

Psychotherapie in Bethel erfolgte nach inhaltlicher Auseinandersetzung mit der<br />

Thematik folgende Einteilung, <strong>die</strong> auch Grundlage der vorliegenden Arbeit ist:<br />

Aggressives <strong>Verhalten</strong> bei Patienten wird differenziert in verbal aggressiv (z.B.<br />

beschimpfen, beleidigen, drohen mit tätlicher Aggression), non-verbal aggressiv (z.B.<br />

Drohung durch <strong>Ge</strong>bärden, <strong>Ge</strong>stik, Symbolik) und tätlich aggressiv (physische<br />

Aggression gegen Sachen und Personen).<br />

1.2. Prävalenz und Charakteristika aggressiven <strong>Verhalten</strong>s im<br />

psychiatrischen Kontext<br />

Im Folgenden werde ich mich insbesondere auf Untersuchungsergebnisse im<br />

psychiatrisch stationären Behandlungskontext beziehen, da <strong>die</strong>se den Hintergrund<br />

der vorliegenden Stu<strong>die</strong> darstellen.<br />

Die bisherigen Stu<strong>die</strong>n wurden teilweise prospektiv, häufiger aber retrospektiv über<br />

unterschiedliche Untersuchungszeiträume, Stichproben und mit unterschiedlichen<br />

Erhebungsinstrumenten durchgeführt.<br />

Daher ist eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse nur eingeschränkt möglich.<br />

- 8 -


Untersuchungen auf psychiatrischen Akutstationen ergaben eine Prävalenz<br />

aggressiven <strong>Verhalten</strong>s <strong>von</strong> 7,5% bis 35,0% (Saverimuttu und Lowe, 2000; Grassi et<br />

al., 2001; Nijman et al., 2002c; Heinze et al., 2005) aller aufgenommenen Patienten.<br />

In klinischen <strong>Ge</strong>samtpopulationen wurde aggressives <strong>Verhalten</strong> <strong>für</strong> 1,8%-10,3% aller<br />

aufgenommenen Patienten angegeben (Myers und Dunner, 1984; Spießl et al., 1998;<br />

Soliman et al., 2001; Finzel et al., 2003; Rüesch et al., 2003). Eine weitere<br />

Möglichkeit, <strong>die</strong> Häufigkeit aggressiven <strong>Verhalten</strong>s zu definieren, ist <strong>die</strong> Angabe<br />

aggressiven <strong>Verhalten</strong>s pro Bett und Jahr. Daten hierzu schwanken <strong>von</strong> 0,4-55,9<br />

(Nijman et al., 1999b; Heinze, 2000; Nijman et al., 2005). Berücksichtigt werden<br />

muss auch <strong>die</strong> <strong>Ge</strong>fahr <strong>von</strong> Dunkelziffern bei der Erfassung aggressiven <strong>Verhalten</strong>s<br />

(Lion et al., 1981; Steinert et al., 1995b; Iverson und Hughes, 2000; Ehmann et al.,<br />

2001; Sjöström et al., 2001; Richter, 2004). Mehrere Autoren berichten, dass<br />

aggressives <strong>Verhalten</strong> unter stationären psychiatrischen Patienten zunimmt (Noble<br />

und Rodger, 1989; James et al., 1990; Harris und Vaney et al., 1994; Tardiff et al.,<br />

1997). Da ein systematisches klinisch-epidemiologisches Monitoring aber fehlt, bleibt<br />

<strong>die</strong>se Annahme etwas spekulativ.<br />

Physische Aggression wurde in 38-84% der dokumentierten aggressiven Vorfälle<br />

beobachtet (Palmstierna et al., 1991; Cheung et al., 1997; Nijman et al., 2002b;<br />

Omérov et al., 2002; Rüesch et al., 2003), bei 19-64% gegen Objekte (Grassi et al.,<br />

2001; Soliman et al., 2001), in 41-82% gegen Personal (Myers und Dunner, 1984;<br />

Palmstierna et al., 1991; Grassi et al., 2001; Nijman et al., 2002b; Omérov et al.,<br />

2002; Miserez, 2003) und in 14-31% gegen Mitpatienten (Myers und Dunner, 1984;<br />

Palmstierna et al., 1991; Grassi et al., 2001; Soliman et al., 2001; Nijman et al.,<br />

2002b; Omérov et al., 2002; Miserez, 2003).<br />

Verletzungen mit nachfolgender medizinischer Behandlung wurden bei 1,7-7,0% der<br />

aggressiven Vorfälle beobachtet (Palmstierna et al., 1991; Spießl et al., 1998; Omérov<br />

et al., 2002, Miserez, 2003; Heinze et al., 2005). Wenige Patienten waren in den<br />

meisten Stu<strong>die</strong>n <strong>für</strong> einen großen Teil der Vorfälle verantwortlich (Palmstierna et al.,<br />

1991; Kennedy et al., 1995; Tam et al., 1996; Cheung et al., 1997; Saverimuttu und<br />

Lowe, 2000; Grassi et al., 2001; Soliman et al., 2001; Rüesch et al., 2003). Vor allem<br />

in den ersten Tagen der Behandlung trat aggressives <strong>Verhalten</strong> auf (Arango et al.,<br />

1999; Grassi et al., 2001; Miserez 2003).<br />

- 9 -


In 30–44 % des beobachteten aggressiven <strong>Verhalten</strong>s konnte der jeweilige Anlass<br />

nicht identifiziert werden (Palmstierna et al., 1991; Grassi et al., 2001; Nijman et al.,<br />

2002b; Omérov et al., 2002; Rüesch et al., 2003).<br />

1.3. Interventionen bei <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> einschließlich<br />

Zwangsmaßnahmen<br />

Zunächst möchte ich einen allgemeinen Überblick zur Aggressionsprävention und<br />

Interventionsmöglichkeiten geben und im Weiteren den aktuellen Forschungsstand<br />

vorstellen.<br />

Bei der Aggressionsprävention können drei Präventionsebenen unterschieden<br />

werden: <strong>die</strong> primäre Prävention <strong>von</strong> Aggressionen, das Vorgehen bei akutem<br />

aggressiven <strong>Verhalten</strong> (sekundäre Prävention) und <strong>die</strong> Nachbereitung <strong>von</strong> aggressiven<br />

Vorfällen (tertiäre Prävention) (Ketelsen et al., 2004).<br />

Auf der Ebene der primären Prävention müssen zunächst mögliche Risikofaktoren –<br />

u. a. Patienten bezogene und institutionelle - frühzeitig identifiziert und in der<br />

Behandlungsplanung berücksichtigt werden mit dem Ziel, <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong><br />

vorzubeugen (Rupp und Rauwald, 2004).<br />

Interventionen bei manifest <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> sind vom Ausmaß des aggressiven<br />

<strong>Verhalten</strong>s abhängig. Bei der Wahl der Intervention ist das Ziel durchgehend, im<br />

Sinne der sekundären Prävention, eine weitere Zuspitzung zu vermeiden (Schulz und<br />

Zechert, 2004). Nach Breakwell (1998) können typische Phasen im Verlauf eines<br />

aggressiven Vorfalls unterschieden werden: Auslösephase, Eskalationsphase,<br />

Krisenphase, Erholungsphase und Depression. Deeskalierende <strong>Ge</strong>sprächsstrategien<br />

bei möglichst ruhigem und sicherem Auftreten, Ablenken auf der Handlungsebene<br />

und Rückzug in ein ruhigeres Milieu zur Reizabschirmung sind mögliche<br />

Interventionen in der Auslösephase und zu Beginn der Eskalation. Bei Zuspitzung der<br />

Eskalation und der Einschätzung, dass tätlich aggressives <strong>Verhalten</strong> nicht mehr sicher<br />

ausgeschlossen werden kann, ist <strong>die</strong> zusätzliche Präsenz <strong>von</strong> mehreren Mitarbeitern<br />

erforderlich. In der Krisenphase wird tätlich aggressives <strong>Verhalten</strong> immer<br />

wahrscheinlicher, da der Patient zunehmend körperlich, gefühlsmäßig und psychisch<br />

erregt ist und sich seine Kontrolle über aggressive Impulse verringert. In <strong>die</strong>ser Phase<br />

ist <strong>die</strong> Anwendung <strong>von</strong> Zwangsmaßnahmen oft nicht mehr vermeidbar. In der<br />

- 10 -


Erholungsphase sinkt das Anspannungsniveau wieder. Eine enge Betreuung ist jetzt<br />

insbesondere deshalb erforderlich, weil bei noch erhöhtem Anspannungsniveau eine<br />

Anfälligkeit <strong>für</strong> erneute Krisen besteht. Der Erholungsphase folgt oft <strong>die</strong><br />

Depressionsphase, in der der Patient Reue, Schuld oder Scham empfindet und<br />

verstört und verzweifelt ist. Hier sind Interventionen zum Abbau <strong>von</strong> Schuldgefühlen<br />

notwendig.<br />

Nach aggressiven Vorfällen ist <strong>die</strong> Nachbesprechung des Vorfalles im Sinne der<br />

tertiären Prävention erforderlich, um den Zwischenfall zu verstehen und Strategien<br />

mit dem Ziel zu entwickeln, zukünftige Eskalationen zu vermeiden (Ketelsen und<br />

Pieters, 2004).<br />

Bei der Anwendung <strong>von</strong> Zwangsmaßnahmen werden mechanische Fixierung mit<br />

Gurten oder Zwangsjacke (Luiselli et al., 1998; Kostecka und Zardecka, 1999),<br />

physische Fixierung im Sinne <strong>von</strong> Festhalten (Smith und Humphreys, 1997), Isolierung<br />

und Zwangsmedikation unterschieden. Alle <strong>die</strong>se Maßnahmen sind offensichtliche<br />

Formen <strong>von</strong> Zwang.<br />

Ausgangsbeschränkungen, deutliche Forderungen an Patienten zu einem bestimmten<br />

<strong>Verhalten</strong> (z.B. Medikamente einzunehmen, ohne dass konkret eine zwangsweise<br />

Gabe angedroht wird), gehen nahtlos in Graubereiche zur Anwendung <strong>von</strong><br />

Zwangsmaßnahmen über. Sie sind in der gesamten Medizin wahrscheinlich häufig<br />

und stellen rechtlich und ethisch dann ein Problem dar, wenn <strong>die</strong> freie<br />

Willensbestimmung des Patienten dadurch subjektiv oder objektiv berührt wird.<br />

Dieser Themenkomplex ist nicht <strong>Ge</strong>genstand der vorliegenden Arbeit und bleibt im<br />

Folgenden unberücksichtigt. Hier geht es also nur um offensichtliche Maßnahmen<br />

gegen den Willen des Patienten.<br />

Obgleich Zwangsmaßnahmen in jeder psychiatrischen Klinik und Abteilung mit<br />

Pflichtversorgungsauftrag durchgeführt werden, liegen im deutschsprachigen Raum<br />

nur wenige systematische Stu<strong>die</strong>n hierzu vor.<br />

In der angelsächsischen Literatur werden <strong>für</strong> Fixierungen Häufigkeiten bei den<br />

behandelten Patienten zwischen 1,0% und 24% (Telintelo et al., 1983; Bornstein,<br />

1985; Ray und Rappaport, 1995; Forquer et al., 1996; Porat et al., 1997; Luiselli et<br />

al., 1998; Kaltiala-Heino et al.; 2000) und in deutschen Erhebungen 2,0% bis 24,7 %<br />

- 11 -


angeführt (Fritz et al., 1991; Hirsch et al., 1992; Steinert et al., 1993; Kranzhoff und<br />

Hirsch, 1997; Bastiaan et al., 1998; Klimitz et al., 1998; Ketelsen et al., 2001). Anlass<br />

<strong>für</strong> eine Fixierung war überwiegend manifestes oder als unmittelbar bevorstehend<br />

eingeschätztes fremdaggressives <strong>Verhalten</strong>, störendes oder agitiertes <strong>Verhalten</strong>,<br />

Selbstgefährdung und bei gerontopsychiatrischen Patienten Schwindel oder<br />

Sturzgefahr (Bornstein, 1985: Fritz et al., 1991; Kranzhoff und Hirsch, 1997; Porat et<br />

al., 1997; Klimitz et al., 1998; Luiselli et al., 1998; Ketelsen et al., 2001). Fixiert<br />

wurden v. a. schizophrene, geistig behinderte und hirnorganisch veränderte Patienten<br />

(Bornstein, 1985; Way und Banks, 1990; Sheridan et al., 1990; Steinert et al., 1993;<br />

Kranzhoff und Hirsch, 1997; Bastiaan et al., 1998; Kostecka und Zardecka, 1999;<br />

Ketelsen et al., 2001). Die Fixierungsdauer reichte <strong>von</strong> weniger als einer Stunde bis zu<br />

mehreren Tagen (Bornstein et al., 1985; Fritz et al., 1991; Hirsch et al., 1992;<br />

Kranzhoff und Hirsch, 1997; Porat et al., 1997; Klimitz et al., 1998; Kostecka und<br />

Zardecka, 1999; Ketelsen et al., 2001) mit großen Unterschieden bei der<br />

durchschnittlichen Anordnungshäufigkeit pro Patient (Porat et al., 1997; Ketelsen et<br />

al., 2001).<br />

Für Isolierungen liegen ähnliche Untersuchungsergebnisse vor. Abhängig <strong>von</strong> den<br />

untersuchten Stichproben wurden 2,8-36,0% der behandelten Patienten isoliert (Way<br />

und Banks, 1990; Steinert et al., 1993; Morrison und Lehane, 1996; Savage und<br />

Salib, 1999, El-Badri und Mellsop, 2002). Gründe waren meist Tätlichkeit/ Angriff,<br />

Erregungszustände, Reizabschirmung, selbstverletzendes <strong>Verhalten</strong> (Steinert et al.,<br />

1993; Morrison und Lehane, 1996; Bénayat-Guggenbühler et al., 1998; Savage und<br />

Salib, 1999). Betroffen waren insbesondere Patienten mit den Diagnosen<br />

Schizophrenie und Persönlichkeitsstörung (Steinert et al., 1993; Bénayat-<br />

Guggenbühler et al., 1998; Savage und Salib, 1999). Angaben zur Dauer schwankten<br />

zwischen 15 Minuten und 24 Stunden (Morrison und Lehane, 1996; Bénayat-<br />

Guggenbühler et al., 1998; Savage und Salib, 1999).<br />

Zur Prävalenz <strong>von</strong> Zwangsmedikationen gibt es kaum systematische Untersuchungen.<br />

Die Operationalisierung des Begriffes Zwangsmedikation ist hierbei zusätzlich<br />

uneinheitlich. In einigen Untersuchungen wird unter Zwangsmedikation lediglich <strong>die</strong><br />

parenterale Verabreichung <strong>von</strong> Psychopharmaka verstanden, in anderen wird <strong>die</strong><br />

orale mit eingeschlossen (Kaltiala-Heino et al., 2000; Längle et al., 2000; Poulsen und<br />

- 12 -


Engberg, 2001). In den untersuchten Stichproben wurden 2,8–15,0% der Patienten<br />

zwangsmediziert (Munk-Jørgensen, 1999; Kaltiala-Heino et al., 2000; Längle et al.,<br />

2000; Steinert und <strong>Ge</strong>bhardt, 2000; Wynn, 2002), wobei möglicherweise am<br />

häufigsten schizophrene Patienten betroffen sind (Längle et al., 2000).<br />

Insgesamt werden länder- und institutionsspezifisch unterschiedliche<br />

Zwangsmaßnahmen durchgeführt (Goren und Curtis, 1996; Gordon et al., 1999;<br />

<strong>Ge</strong>bhardt und Steinert, 1998; Ketelsen et al., 2001; Needham et al., 2002). Die<br />

Häufigkeit und Dauer <strong>von</strong> Zwangsmaßnahmen variiert beträchtlich zwischen den<br />

einzelnen psychiatrischen Kliniken (Soloff et al., 1985; Way und Banks, 1990;<br />

Crenshaw und Francis, 1995; Ray und Rappaport, 1995; Porat et al., 1997; Kranzhoff<br />

und Hirsch, 1997; Ketelsen et al., 2001; Korkeila et al., 2002). Allgemeingültige<br />

Kriterien, welche Zwangsmaßnahmen bei welchen Patienten abhängig <strong>von</strong> Diagnose<br />

und Art des Vorfalles angewendet werden sollten, existieren nicht. Die Schwere des<br />

aggressiven Vorfalles scheint keinen Zusammenhang mit der nachfolgenden<br />

Intervention zu haben (Steinert et al., 1995b).<br />

Die Entscheidung, ob und welche Zwangsmaßnahmen durchgeführt werden, scheint<br />

also mehr <strong>von</strong> Klinikgewohnheiten als <strong>von</strong> patientenorientierten Indikationsstellungen<br />

abhängig zu sein. Indikation und Kontraindikation <strong>für</strong> Zwangsmaßnahmen sind<br />

uneinheitlich und umstritten.<br />

Wie schwierig <strong>die</strong> Untersuchung <strong>von</strong> Maßnahmen gegen den Willen des Patienten<br />

ist, zeigt auch <strong>die</strong> Tatsache, dass einige Patienten berichten, häufiger<br />

Zwangsmaßnahmen ausgesetzt gewesen zu sein als <strong>die</strong>s dokumentiert wurde<br />

(Smolka et al., 1997; Poulsen und Engberg, 2001).<br />

1.4. Rechtliche Grundlagen<br />

Nach einer Darstellung der rechtlichen Grundlagen werde ich auf den aktuellen<br />

Forschungsstand zu Zwangseinweisungen eingehen.<br />

Die Anwendung <strong>von</strong> Zwang ist nur rechtmäßig, wenn sie durch eine gesetzliche<br />

Grundlage gedeckt ist. Bei allen Zwangsmaßnahmen muss der Grundsatz der<br />

Verhältnismäßigkeit beachtet werden mit der Überprüfung, ob nicht ein milderes,<br />

weniger belastendes Mittel zur Verfügung steht, das angestrebte Ziel zu erreichen.<br />

Alle Maßnahmen, <strong>die</strong> ohne oder gegen den natürlichen Willen des betroffenen<br />

- 13 -


Patienten erfolgen, fallen unter den Begriff Zwang. Voraussetzung <strong>für</strong> ihre<br />

Rechtmäßigkeit ist, dass der Patient krankheits- oder behinderungsbedingt nicht zu<br />

einer freien Willensbildung in der Lage ist.<br />

Unterbringung:<br />

Eine Unterbringung liegt vor, wenn der betroffene Patient ohne oder gegen seinen<br />

natürlichen Willen am Verlassen eines bestimmten räumlichen Bereiches gehindert<br />

wird. Eine solche Unterbringung psychisch kranker Menschen kann sowohl<br />

zivilrechtlich nach den Bestimmungen des Betreuungsrechtes (BGB) als auch<br />

öffentlichrechtlich auf der Grundlage des Landesunterbringungsrechtes, das in den<br />

einzelnen Bundesländern durch <strong>die</strong> jeweiligen <strong>Ge</strong>setze über Schutz und Hilfen <strong>für</strong><br />

psychisch kranke Menschen (PsychKG) geregelt ist, erfolgen.<br />

In Fällen der Eigengefährdung ist bei Patienten, <strong>die</strong> unter rechtlicher Betreuung<br />

stehen, <strong>die</strong> betreuungsrechtliche Unterbringung vorrangig.<br />

Die Unterbringung nach dem Betreuungsrecht darf nur zum Wohl des Patienten und<br />

nicht vorrangig zur Abwendung <strong>von</strong> Schäden Dritter erfolgen. Unterbringungsgründe<br />

nach dem BGB sind:<br />

1. Die Abwendung einer erheblichen Selbstgefährdung, d.h., dass auf Grund einer<br />

psychischen, geistigen oder seelischen Behinderung des Patienten <strong>die</strong> <strong>Ge</strong>fahr<br />

bestehen muss, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden<br />

zufügt und<br />

2. <strong>die</strong> Durchführung notwendiger Untersuchungen des <strong>Ge</strong>sundheitszustandes,<br />

Heilbehandlungen oder ärztlicher Eingriffe, <strong>die</strong> ohne Unterbringung des Patienten<br />

nicht durchgeführt werden können und hinsichtlich derer er aufgrund seiner<br />

Behinderung <strong>die</strong> Notwendigkeit der Unterbringung nicht einsehen oder nach <strong>die</strong>ser<br />

Einsicht nicht handeln kann.<br />

Die jeweiligen <strong>Ge</strong>setze über Schutz und Hilfen <strong>für</strong> psychisch kranke Menschen<br />

(PsychKG) ermöglichen <strong>die</strong> Unterbringung <strong>von</strong> psychisch Kranken, <strong>die</strong> eine <strong>Ge</strong>fahr <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen, weil sie andere oder sich selbst in<br />

erheblichem Maß gefährden und <strong>die</strong> <strong>Ge</strong>fahr nicht anders (z.B. durch ambulante<br />

Behandlung) abgewendet werden kann.<br />

- 14 -


Fixierung und Isolierung:<br />

Bei Fixierung und Isolierung handelt es sich um so genannte unterbringungsähnliche<br />

Maßnahmen, <strong>die</strong> nach dem BGB nur mit Einwilligung des Betreuers, dessen<br />

Aufgabenkreis hierzu <strong>die</strong> Aufenthaltsbestimmung umfassen muss, zulässig sind.<br />

Wenn <strong>die</strong>se Maßnahmen regelmäßig (z.B. stets zur selben Zeit, aus wiederkehrendem<br />

Anlass oder über längere Dauer) durchgeführt werden, ist eine vormundschaftliche<br />

<strong>Ge</strong>nehmigung erforderlich.<br />

Die Regelungen bei der Anwendung <strong>von</strong> Fixierung und Isolierung auf der Grundlage<br />

der jeweiligen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Länder geltenden PsychKGs zur Anwendung <strong>von</strong><br />

Zwangsmaßnahmen können hier nicht im Einzelnen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Bundesländer<br />

wiedergegeben werden sondern nur beispielhaft <strong>für</strong> das PsychKG NRW (Nordrhein-<br />

Westfalen). Im PsychKG NRW bedürfen <strong>die</strong> Maßnahmen der Fixierung und Isolierung<br />

nicht der zusätzlichen <strong>Ge</strong>nehmigung des Vormundschaftsgerichtes, sondern können<br />

aufgrund ärztlicher Anordnung erfolgen, wenn sie zur Abwendung einer<br />

gegenwärtigen erheblichen Selbstgefährdung oder einer gegenwärtigen erheblichen<br />

<strong>Ge</strong>fährdung bedeutender Rechtsgüter anderer erforderlich sind. Die <strong>Ge</strong>fahr darf nicht<br />

durch weniger einschneidende Maßnahmen abwendbar sein.<br />

Forschungsstand zu Zwangseinweisungen:<br />

Aus verschiedenen Regionen Deutschlands wird seit mehreren Jahren ein Anstieg der<br />

Zwangseinweisungen in psychiatrischen Kliniken berichtet (Darsow – Schütte und<br />

Müller, 2001; Richter und Reker, 2003; Müller und Josipovic, 2003; Müller, 2004).<br />

In einer Untersuchung zu Zwangsunterbringungen psychisch Kranker in den Ländern<br />

der Europäischen Union <strong>von</strong> Dressing und Salize (2004) unterschieden sich <strong>die</strong><br />

Zwangsunterbringungsquoten (Anteil der Zwangseinweisungen an allen<br />

stationärpsychiatrischen Aufnahmen) und der Zwangsunterbringungsraten (Zahl der<br />

Zwangseinweisungen pro 100000 Einwohner) erheblich. In einigen Ländern fand sich<br />

ein deutlicher Anstieg der Zwangsunterbringungsraten in den letzten Jahren, aber<br />

kein relevanter Anstieg der Zwangsunterbringungsquoten. Dieses Ergebnis könnte<br />

nach Meinung der Autoren eine veränderte psychiatrische Behandlungspraxis mit<br />

kürzeren Verweildauern und häufigeren Wiederaufnahmen widerspiegeln. Spengler<br />

et al. (2005) kommen zu der Einschätzung, dass kein markanter Anstieg der<br />

Zwangseinweisungen in psychiatrische Kliniken eingetreten ist.<br />

- 15 -


1.5. Einflussfaktoren auf aggressives <strong>Verhalten</strong><br />

1.5.1. Soziodemografische Merkmale<br />

In bisherigen Stu<strong>die</strong>n wurden verschiedene patientenbezogene Risikofaktoren mit z.<br />

T. widersprüchlichen Ergebnissen untersucht. Folgende Risikomerkmale wurden<br />

beschrieben:<br />

Männliches <strong>Ge</strong>schlecht (Rossi et al., 1986; Spießl et al., 1998; Steinert et al., 1999;<br />

Haller et al., 2001; Richter und Berger, 2001; Soyka und Ufer, 2002; Rüesch et al.,<br />

2003), weibliches <strong>Ge</strong>schlecht (Palmstierna und Wistedt, 1989; Binder und McNiel,<br />

1990; Ehmann et al., 2001), aber auch keine <strong>Ge</strong>schlechtsunterschiede (Myers und<br />

Dunner, 1984; Kennedy et al., 1995; Tardiff et al., 1997; Steinert et al., 2000; Grassi<br />

et al., 2001; Grube, 2001; Sjöström et al., 2001; Nijman et al., 2002b),<br />

jüngeres Alter (Myers und Dunner, 1984; Palmstierna und Wistedt, 1989; Convit et<br />

al., 1990; Tardiff et al., 1997; Grassi et al., 2001; Walsh et al., 2001; Bowers et al.,<br />

2002; Soyka und Ufer, 2002; Rüesch et al., 2003),<br />

alleinlebend, nie verheirat oder geschieden (Rossi et al., 1986; Schwarz et al., 1997,<br />

Steinert et al., 1999; Grassi et al. 2001),<br />

Arbeitslosigkeit/ ohne Beschäftigung (Klassen und O`Connor, 1988; Schwarz et al.,<br />

1997; Milton et al., 2001; Rüesch et al., 2003),<br />

aggressives <strong>Verhalten</strong> vor stationärer Aufnahme (Binder und Mc Niel, 1990; Spießl et<br />

al., 1998; Arango, 1999) und<br />

aggressives <strong>Verhalten</strong>/ <strong>Ge</strong>walt in der Vorgeschichte (Myers und Dunner, 1984;<br />

Palmstierna und Wistedt, 1989; Walker und Seifert, 1994; Agarwal und Roberts,<br />

1996; Walsh et al., 2001; Grassi et al., 2001).<br />

1.5.2. Erkrankungsfaktoren<br />

Folgende Erkrankungsfaktoren waren in bisherigen Untersuchungen mit <strong>aggressivem</strong><br />

<strong>Verhalten</strong> assoziiert:<br />

Psychopathologie (Lowenstein, 1990; Krakowski und Czobor, 1997; Arango et al.,<br />

1999; Krakowski et al., 1999; Nolan et al., 1999; Steinert et al., 2000; Milton et al.,<br />

2001; Soyka und Ufer, 2002),<br />

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Schizophrenie (Myers und Dunner, 1984; Rossi et al., 1986; Noble und Rodger, 1989;<br />

Binder und McNiel, 1990; Convit et al., 1990; Tam et al., 1996; Spießl et al., 1998;<br />

Grassi et al., 2001),<br />

dissoziale/ antisoziale Persönlichkeitsstörung (Tardiff et al., 1997; Spießl et al., 1998;<br />

Saverimuttu und Lowe, 2000; Soliman und Reza 2001),<br />

Demenz (Cooper und Mendonca, 1989; Spießl et al.,1998),<br />

geistige Behinderung (Spießl et al., 1998; Richter und Berger, 2001),<br />

Substanzabusus (Myers und Dunner, 1984; Palmstierna und Wistedt, 1989; Walker<br />

und Seifert, 1994; Tardiff et al., 1997; Soliman und Reza, 2001; Steinert, 2002),<br />

komorbider Substanzabusus (Palmstierna und Wistedt, 1987; Schwarz et al., 1997;<br />

Swartz et al., 1998; Citrome und Volavka, 1999; Steinert et al., 1999; Milton et al.,<br />

2001; Walsh et al., 2001),<br />

keine Unterschiede in Diagnosegruppen (Aiken, 1984; Kay et al., 1988; Kennedy et<br />

al., 1995; Rüesch et al., 2003),<br />

Hospitalisierungshäufigkeit (Rossi und Dunner, 1986; Noble und Rodger, 1989;<br />

Steinert et al.,1999; Grassi et al., 2001; Rüesch et al., 2003),<br />

unfreiwillige Aufnahme (Myers und Dunner, 1984; Rossi et al., 1986; Grube, 2001;<br />

Soliman und Reza, 2001; Nijman et al., 2002c; Rüesch et al., 2003) und<br />

geringe Krankheitseinsicht (Arango et al., 1999).<br />

1.5.3. Institutionelle Faktoren<br />

Strukturell waren eine höhere Belegung, eine Konzentration schwieriger Patienten<br />

nach Bettenabbau (Brooks et al., 1994; Snyder, 1994; Palmstierna und Wistedt,<br />

1995; Nijman und Rector, 1999c; Ng et al., 2001), eine geringere Relation <strong>von</strong><br />

Mitarbeiterzahl zu Patientenzahl und weniger Erfahrung oder Qualifikation der<br />

Mitarbeiter (James et al., 1990; De Cangas, 1993; Lanza et al., 1994; Morrison und<br />

Lehane, 1995; Apel und Bar-Tal, 1996) mit mehr <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> und<br />

Zwangsmaßnahmen assoziiert. Es gibt Hinweise auf eine Zunahme in der<br />

Anwendung <strong>von</strong> Zwangsmaßnahmen, was durch Deinstitutionalisierung und höhere<br />

Bettenauslastung erklärt wird (Snyder, 1994; Munk-Jørgensen, 1999).<br />

Andererseits konnte nach Einführung <strong>von</strong> Standards, Dokumentationsverfahren,<br />

Fallsupervisionen oder Fortbildungen zum Umgang mit <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> eine<br />

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Reduktion der Häufigkeit <strong>von</strong> <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> und Zwangsmaßnahmen und/<br />

oder der Dauer der Maßnahmen gezeigt werden (Phillips und Rudestam, 1995;<br />

Goren et al., 1996; Nijman et al., 1997b; Whittington und Wykes, 1996; Visalli et al.,<br />

1997; Bénayat-Guggenbühler et al., 1998; Längle et al., 2000; Currier und Farley-<br />

Toombs, 2002; Donat, 2003).<br />

Ein rigider und kontrollierender Interaktionsstil einerseits, aber auch ein zu<br />

gewährender (laxer) Stil andererseits, fördert offenbar aggressives <strong>Verhalten</strong><br />

(Morrison, 1990; Roper und Anderson, 1991; Morrison, 1992; Lanza et al., 1994;<br />

Flannery et al., 1996; Ray und Subich, 1998). Situative Konflikte zwischen Patienten<br />

und Personal werden als Auslöser aggressiven <strong>Verhalten</strong>s benannt (Harris und Varney,<br />

1986; Bensley et al., 1995; Cheung et al., 1997; Hallsteinsen et al., 1998; Morken et<br />

al., 1999; Nijman et al.; 2002b). Aggressive Vorfälle werden insbesondere in Räumen<br />

beobachtet, in denen sich Patienten gemeinsam aufhalten, und zu Tageszeiten mit<br />

wenig strukturiertem therapeutischen Angebot (Harris und Varney, 1986; Lanza et<br />

al., 1994; Morrison und Lehane, 1995; Nijman und aCampo, 2002a), allerdings<br />

wurde auch in einer anderen Untersuchung wochentags in Zeiten mit<br />

Therapieprogramm signifikant mehr aggressives <strong>Verhalten</strong> beobachtet als außerhalb<br />

<strong>die</strong>ser Zeiten (Morken et al., 1999).<br />

Strukturierte Tagesabläufe und eine klare Organisationsstruktur auf den Stationen<br />

scheinen insgesamt jedoch zu einer geringeren Frequenz und Ausprägung<br />

aggressiven <strong>Verhalten</strong>s beizutragen (Katz und Kirkland, 1990).<br />

1.6. Aggressives <strong>Verhalten</strong> gegenüber Mitarbeitern und <strong>die</strong> Folgen<br />

Die Folgen <strong>von</strong> Angriffen auf Mitarbeiter wurden vor allem im englischsprachigen<br />

Raum untersucht.<br />

Das Verletzungsrisiko <strong>für</strong> Angestellte staatlicher psychiatrischer Krankenhäuser in den<br />

USA war höher als <strong>für</strong> Angestellte in Arbeitsfeldern mit traditionell hohem<br />

Verletzungsrisiko (Love und Hunter, 1996). Männer waren häufiger betroffen,<br />

Psychiater etwas mehr als pflegerisches Personal. Ein hoher Anteil der Vorfälle wurde<br />

auf den Stationen beobachtet und führte besonders häufig zu Kopfverletzungen<br />

(Carmel und Hunter, 1993). Eine Untersuchung aller physischen Angriffe in<br />

Minnesota, <strong>die</strong> zu Entschädigungen führten, machte deutlich, dass Angestellte im<br />

- 18 -


<strong>Ge</strong>sundheitssystem (health care) hinter Angestellten in Justiz und Sicherheits<strong>die</strong>nst<br />

und in sozialen Einrichtungen an dritter Stelle der gefährdeten Berufsgruppen stehen,<br />

hier insbesondere Angestellte aus den niedrigeren Lohngruppen (McGovern et al.,<br />

2000).<br />

Bei Befragungen <strong>von</strong> Personal psychiatrischer Stationen gaben 58-88% an, Opfer<br />

aggressiven <strong>Verhalten</strong>s in den letzten 1-2 Jahren gewesen zu sein (Ernst, 1975;<br />

Caldwell, 1992; Delaney et al., 2001). Eine anzunehmende Dunkelziffer gegenüber<br />

offiziellen Dokumentationen der Angriffe <strong>von</strong> Patienten gegen Personal und der<br />

Mangel an Prävalenzschätzungen aus prospektiven Untersuchungen erschweren <strong>die</strong><br />

Einschätzung der wahren Prävalenz (Bensley et al., 1997; Cheung et al., 1997).<br />

Die individuell geschilderten Folgen waren in den Stu<strong>die</strong>n sehr unterschiedlich. Neben<br />

physischen Verletzungen und psychischer Erschütterung wurden Müdigkeit,<br />

Irritierbarkeit, Intrusionen, Albträume und andere Symptome einer Posttraumatischen<br />

Belastungsstörung (PTBS), Substanzabusus, mehr Angst und Unsicherheit im Umgang<br />

mit Patienten, Ärger, Traurigkeit und Anspannung geschildert (Flannery et al., 1991;<br />

Murray und Snyder, 1991; Caldwell, 1992; Whittington und Wykes, 1992; Cheung et<br />

al., 1997; Richter und Berger, 2001) sowie eine erhöhte Stressreagibilität bei jüngeren<br />

und weniger berufserfahrenen Mitarbeitern (Grube, 2003).<br />

Leichte körperliche Verletzungen werden in 34-73% der Vorfälle angegeben<br />

(Flannery et al., 1991; Bensley et al., 1997), Symptome einer PTBS in 14–61%<br />

(Caldwell, 1992; Delaney et al., 2001; Richter und Berger, 2001) und in 10% waren<br />

<strong>die</strong> Kriterien einer PTBS vollständig erfüllt (Caldwell, 1992). Eine nachfolgende<br />

ärztliche Behandlung war bei 1,7-10,0% erforderlich (Palmstierna et al., 1991;<br />

Steinert et al., 1995b; Spießl et al., 1998; Richter und Berger, 2001; Miserez, 2003);<br />

arbeitsunfähig waren 5% (Richter und Berger, 2001). Nach physischen Angriffen<br />

beklagten 23% der Mitarbeiter nach einem Jahr noch eine psychische<br />

Folgesymptomatik (Ryan und Poster, 1989). Die Befragung psychiatrischen<br />

Pflegepersonals, das Augenzeuge <strong>von</strong> gewaltsamen Angriffen geworden war, ergab,<br />

dass 68% der Männer und 32% der Frauen das <strong>Ge</strong>fühl hatten, versagt zu haben, nur<br />

6% fühlten sich nachfolgend nicht beeinträchtigt (Rees und Lehane, 1996).<br />

Insgesamt sind pflegerische und therapeutische Mitarbeiter im psychiatrischen<br />

Arbeitsalltag einem erhöhten Risiko ausgesetzt, Opfer aggressiven <strong>Verhalten</strong>s <strong>von</strong><br />

- 19 -


Patienten zu werden. Psychische Störungen, wie einzelne Symptome einer<br />

Posttraumatischen Belastungsstörung, körperliche Schäden und Zeiten <strong>von</strong><br />

Arbeitsunfähigkeit sind in nennenswertem Ausmaß <strong>die</strong> Folge.<br />

1.7. Verfahren zur Erfassung aggressiven <strong>Verhalten</strong>s<br />

Insbesondere in den letzten zwanzig Jahren wurden Messinstrumente zur Erfassung<br />

aggressiven <strong>Verhalten</strong>s publiziert. Bei <strong>die</strong>sen handelt es sich um Selbst- und<br />

Fremdbeurteilungsskalen. Eine übersichtliche Auflistung <strong>von</strong> Erfassungsinstrumenten<br />

kann bei Netter et al. (1995) und Steinert und <strong>Ge</strong>bhardt (1998) nachgelesen werden.<br />

Da <strong>für</strong> <strong>die</strong> Fragestellung <strong>die</strong>ser Arbeit <strong>die</strong> Fremdbeurteilungsskalen relevant sind, soll<br />

lediglich auf <strong>die</strong>se eingegangen werden.<br />

Die Overt Aggression Scale (OAS) wurde 1986 <strong>von</strong> Yudofski et al. veröffentlicht.<br />

Sie besteht aus vier Skalen mit je 4 Items zu 1. verbaler Aggression, 2. tätlich<br />

auto<strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong>, 3. tätlich <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> gegen Objekte und 4.<br />

tätlich fremd<strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> gegen Personen. Zusätzlich werden <strong>die</strong> im<br />

Anschluss an das dokumentierte <strong>Verhalten</strong> durchgeführten Interventionen, das heißt<br />

Maßnahmen, um <strong>die</strong> Aggression zu beenden und medizinische Maßnahmen wegen<br />

Verletzungen erfasst (11 Items). Bei <strong>die</strong>ser Skala handelt es sich um eine Rangskala,<br />

ein Summenscore kann nicht bestimmt werden. Die OAS ist reliabel bei der Erfassung<br />

aggressiven <strong>Verhalten</strong>s. Mit ihr können offene verbale oder physisch aggressive<br />

Vorfälle erfasst und quantifiziert werden. <strong>Ge</strong>fordert wird ein Training des Personals,<br />

um eine ausreichende Reliabilität und Validität erreichen zu können (Yudodoski et al.,<br />

1986).<br />

Eine überarbeitete Form der OAS ist <strong>die</strong> Modified Overt Aggression Scale<br />

(MOAS). Die Skalenunterteilung der OAS ist erhalten geblieben, sie wurden aber<br />

überarbeitet und ergänzt, ein Summenscore kann mit <strong>die</strong>ser Version gebildet werden.<br />

Interventionen werden nicht erfasst. Die Validität und Reliabilität der MOAS wird als<br />

gut beschrieben, insbesondere bei einem höheren Ausmaß <strong>von</strong> Aggression (Kay et<br />

al., 1988).<br />

Die Staff Observation Aggression Scale (SOAS) wurde als einfach zu<br />

handhabendes Erfassungsinstrument zur Erfassung aggressiven <strong>Verhalten</strong>s durch<br />

Pflegepersonal entwickelt und wird im Methodikteil <strong>die</strong>ser Arbeit ausführlich<br />

- 20 -


eschrieben (Palmstierna und Wistedt, 1987; Nijman und Palmstierna, 2002d). Eine<br />

gute Interraterreliabilität ohne vorheriges Training und eine differenzierte Erfassung<br />

verschiedener Aspekte aggressiver Vorfälle, speziell Häufigkeit, Art der Provokation<br />

und Schwere der aggressiven Ereignisse werden berichtet (Palmstierna und Wistedt,<br />

1987; Nijman et al., 1999a; Nijman et al., 1999b; Palmstierna und Wistedt, 2000;<br />

Nijman et al., 2002b). Eine vergleichende Erfassung aggressiven <strong>Verhalten</strong>s mit der<br />

SOAS und der Rating Scale for Aggressive Behaviour in the Elderly (RAGE) zeigte eine<br />

hochsignifikante Korrelation beider Skalen und der individuellen Items als Hinweis auf<br />

eine gute externe Validität (Shah und De, 1997). Ein Nachteil der SOAS ist <strong>die</strong><br />

fehlende Möglichkeit zur Erfassung autoaggressiven <strong>Verhalten</strong>s.<br />

Eine revi<strong>die</strong>rte Version der SOAS, <strong>die</strong> SOAS-R, wurde 1999 veröffentlicht (Nijman<br />

et al., 1999b). Zur Überprüfung der Validität der SOAS wurde dazu <strong>die</strong> Korrelation<br />

der SOAS mit der Einschätzung der Schwere des Vorfalles auf einer Visuellen<br />

Analogskala (VAS) untersucht, ohne dass Kriterien zur Einschätzung der Schwere<br />

vorgegeben wurden. Die Scores (SOAS-R mit einem Scoring <strong>von</strong> 0-22) wurden<br />

daraufhin verändert und <strong>die</strong> Erfassung autoaggressiven <strong>Verhalten</strong>s integriert. Die<br />

Schweregrade <strong>von</strong> SOAS und SOAS-R korrelieren hoch miteinander (Nijman et al.,<br />

2002b).<br />

Die Rating Scale for Aggressive Behaviour in the Elderly (RAGE) <strong>von</strong> Patel und<br />

Hope (1992) wurde speziell zur qualitativen und quantitativen Erfassung (Schwere)<br />

aggressiven <strong>Verhalten</strong>s gerontopsychiatrischer Patienten entwickelt. Sie besteht aus<br />

21 Items mit jeweils einer 4-Punkteskala (0-3) und der Möglichkeit, einen<br />

Summenscore zu bilden. Die RAGE wird, wie bereits erwähnt, als reliables und valides<br />

Instrument beschrieben (Patel und Hope, 1992; Shah und De, 1997).<br />

Ein <strong>von</strong> Morrison (1993) entwickeltes Instrument, <strong>die</strong> Violence Scale (VS), wurde<br />

nicht vollständig veröffentlicht (Steinert und <strong>Ge</strong>bhardt, 1998) und hatte in einer<br />

vergleichenden Untersuchung verschiedener Erfassungsinstrumente <strong>die</strong> schlechteste<br />

Interraterreliabilität (Steinert et al., 2000).<br />

Die Social Dysfunction and Aggression Scale (SDAS) hat das Ziel, auch weniger<br />

ausgeprägte und offensichtliche Formen <strong>von</strong> <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> zu erfassen<br />

(Wistedt et al., 1990). Sie besteht aus neun Items <strong>für</strong> nach außen gerichtete<br />

Aggression und zwei Items <strong>für</strong> nach innen gerichtete Aggression mit Scores <strong>von</strong> 0-4.<br />

- 21 -


Über einen Zeitraum <strong>von</strong> 3-7 Tagen wird <strong>für</strong> <strong>die</strong> behandelten Patienten im Team <strong>die</strong><br />

Skala ausgefüllt.<br />

Für retrospektive Datenerhebungen bei psychiatrischen Patienten aus Krankenakten<br />

eignet sich der Patienten - Fremdaggressions - Index (PFI) mit 6 Items zur<br />

Quantifizierung fremd-aggressiven <strong>Verhalten</strong>s als reliables und valides Instrument<br />

(<strong>Ge</strong>bhardt et al., 1997).<br />

Ein speziell <strong>für</strong> den neuropsychiatrischen Behandlungskontext <strong>von</strong> Iverson und<br />

Hughes (2000) entwickeltes Instrument ist das Problem Behavior Recording<br />

System (PBRS). Mit <strong>die</strong>sem Instrument werden sieben Kategorien - Art der<br />

Aggression, anderes problematisches <strong>Verhalten</strong> (z.B. Schreien oder Stehlen), Auslöser,<br />

Beteiligte, Verletzungen, Konsequenzen und Ort des <strong>Ge</strong>schehens - erfasst. Nach<br />

einem Training der Mitarbeiter sei <strong>die</strong>ses Instrument leicht zu implementieren<br />

gewesen, und mehr Vorfälle seien identifiziert worden als mittels der offiziellen<br />

Vorfallserfassung und der Patientendokumentation. Dieses Instrument scheint<br />

besonders <strong>für</strong> ein Monitoring geeignet zu sein.<br />

Mit dem Ziel einer fokussierteren Erfassung <strong>von</strong> interpersonaler physischer<br />

Aggression/ <strong>Ge</strong>walt und versuchten Angriffen wurde <strong>die</strong> Attempted and Actual<br />

Assault Scale (ATTACKS) <strong>von</strong> Bowers et al. (2002) entwickelt. Bisher wurde <strong>die</strong>ses<br />

Instrument meines Wissens nicht veröffentlicht und in Untersuchungen im größeren<br />

Umfang noch nicht eingesetzt.<br />

Problematisch ist bei allen Instrumenten <strong>die</strong> Überprüfung der Validität bedingt durch<br />

<strong>die</strong> Problematik, dass keine allgemein gültige Operationalisierung <strong>für</strong> Aggression/<br />

<strong>Ge</strong>walt existiert und somit insbesondere Schwellensituationen nicht klar zugeordnet<br />

werden können. Besonders erschwert ist daher <strong>die</strong> Erfassung und Bewertung <strong>von</strong><br />

Vorfällen, in denen <strong>Verhalten</strong>sweisen <strong>von</strong> Patienten als bedrohlich wahrgenommen<br />

werden, ohne dass konkret ein physischer Angriff erfolgt. Solche Situationen sind <strong>für</strong><br />

das Personal teilweise schwerer zu ertragen und werden als schwerwiegender<br />

eingestuft als körperliche Angriffe (Steinert und <strong>Ge</strong>bhardt, 1998). Daher besteht <strong>die</strong><br />

oben bereits erwähnte Dunkelziffer durch fehlende Erfassung <strong>von</strong> insbesondere<br />

leichteren aggressiven Vorfällen (Steinert et al., 1995b).<br />

- 22 -


Für <strong>die</strong> retrospektive Erfassung aggressiven <strong>Verhalten</strong>s werden <strong>für</strong> schwerere<br />

aggressive Vorfälle MOAS und SOAS empfohlen, <strong>für</strong> autoaggressives <strong>Verhalten</strong> <strong>die</strong><br />

MOAS und <strong>die</strong> SDAS als sensibelste Skala <strong>für</strong> leichtere aggressive Vorfälle (Steinert et<br />

al., 2000). Eine hohe Interraterreliabilität kann <strong>für</strong> MOAS und SOAS und eine mäßige<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> SDAS angenommen werden (Steinert et al., 2000).<br />

Palmstierna und Wistedt (2000) empfehlen zur Evaluation aggressiven <strong>Verhalten</strong>s<br />

MOAS, SDAS, RAGE und SOAS/ SOAS-R als psychometrisch evaluierte Instrumente.<br />

<strong>Ge</strong>fordert wird darüber hinaus eine genaue Beschreibung der Stichprobe, der<br />

institutionellen Rahmenbedingungen, der zeitlichen Zusammenhänge <strong>von</strong> Aggression<br />

und damit potenziell assoziierter Faktoren und der Interventionsansätze (Palmstierna<br />

und Wistedt, 2000). Die Einhaltung <strong>die</strong>ser Empfehlungen würde nach Einschätzung<br />

der Autoren zukünftig <strong>die</strong> Vergleichbarkeit erhobener Daten deutlich verbessern.<br />

- 23 -


2. Fragestellungen und Ziele der Arbeit, Hypothesen<br />

Das Ziel <strong>die</strong>ser Untersuchung war einerseits <strong>die</strong> prospektive Erfassung <strong>von</strong> Prävalenz<br />

und Charakteristika aggressiven <strong>Verhalten</strong>s über den Zeitraum eines vollen Jahres in<br />

einer psychiatrisch stationär behandelten <strong>Ge</strong>samtpopulation und andererseits <strong>die</strong><br />

Charakterisierung der Indexpatienten sowie personenbezogener <strong>Prädiktoren</strong>.<br />

Im einzelnen sollen folgende Fragen untersucht werden:<br />

2.1. Fremdaggressives <strong>Verhalten</strong><br />

2.1.1. Wie hoch ist <strong>die</strong> Prävalenz fremdaggressiven <strong>Verhalten</strong>s in einer klinischen<br />

<strong>Ge</strong>samtpopulation? Dieser Frage soll ereignis- und personenbezogen<br />

nachgegangen werden.<br />

Hypothese: Die Prävalenz liegt in einer klinischen <strong>Ge</strong>samtpopulation niedriger<br />

als in den Stu<strong>die</strong>n an ausgewählten Stichproben mit a priori erhöhtem<br />

Aggressionsrisiko.<br />

2.1.2. Welche Charakteristika fremdaggressiven <strong>Verhalten</strong>s lassen sich identifizieren?<br />

Hypothese: Der Schweregrad der aggressiven Vorfälle in der klinischen<br />

<strong>Ge</strong>samtpopulation ist geringer ausgeprägt als in Untersuchungen auf<br />

ausgewählten Stationen.<br />

2.1.3. Welche soziodemografischen, Erkrankungs- und Verlaufsmerkmale sind mit<br />

der Schwere fremdaggressiven <strong>Verhalten</strong>s assoziiert?<br />

Hypothese: Jüngeres Alter, männliches <strong>Ge</strong>schlecht, <strong>die</strong> Diagnose einer<br />

Schizophrenie und häufigere Behandlungsepisoden in der Vorgeschichte<br />

gehen mit einem höheren Schweregrad fremdaggressiven <strong>Verhalten</strong>s einher.<br />

2.1.4. Welche soziodemografischen-, Erkrankungs- und Verlaufsmerkmale<br />

unterscheiden fremdaggressive Patienten <strong>von</strong> nicht aggressiven?<br />

Hypothese: Fremdaggressive Patienten unterscheiden sich <strong>von</strong> nicht<br />

aggressiven durch jüngeres Alter, männliches <strong>Ge</strong>schlecht, Leben ohne<br />

Partnerschaft/ Familie, <strong>die</strong> Diagnose einer Schizophrenie, unfreiwillige<br />

Aufnahme und häufigere Hospitalisierungen in der Vorgeschichte.<br />

- 24 -


2.1.5. In welchem Ausmaß können soziodemografische-, Erkrankungs- und<br />

Verlaufsmerkmale das Auftreten <strong>von</strong> fremd<strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong><br />

vorhersagen?<br />

Hypothese: Das Auftreten aggressiven <strong>Verhalten</strong>s ist insbesondere auch durch<br />

situative Faktoren mit beeinflusst, so dass <strong>die</strong> Vorhersage fremdaggressiven<br />

<strong>Verhalten</strong>s durch soziodemografische, Erkrankungs- und Verlaufsmerkmale<br />

nur in einem begrenzten Ausmaß möglich ist.<br />

2.2. Interventionen<br />

2.2.1. Welche Interventionen folgen fremd<strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong>?<br />

Hypothese: Unterschiedliche Interventionen mit und ohne Ausübung <strong>von</strong><br />

Zwang werden bei fremd<strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> durchgeführt.<br />

2.2.2. Besteht ein Zusammenhang zwischen der Schwere fremdaggressiver Vorfälle<br />

und der nachfolgenden Intervention?<br />

Hypothese: Bei schwereren fremdaggressiven <strong>Verhalten</strong>sweisen werden eher<br />

Zwangsmaßnahmen durchgeführt als bei leichtgradigen.<br />

2.2.3. Besteht ein Zusammenhang <strong>von</strong> <strong>Ge</strong>schlecht, rechtlichem Status, Alter und<br />

aggressiven Episoden vor dem Indexvorfall mit der nachfolgenden Intervention<br />

bei leichten Vorfällen?<br />

Hypothese: Männliches <strong>Ge</strong>schlecht, jüngeres Alter, unfreiwillige Behandlung<br />

und eine höhere Frequenz aggressiver Episoden vor dem Indexvorfall führen<br />

eher zur Anwendung <strong>von</strong> Zwangsmaßnahmen.<br />

- 25 -


3. Methoden<br />

3.1. Erhebungsinstrumente<br />

Staff Observation Aggression Scale (SOAS)<br />

Unser Ziel war, neben der Erfassung <strong>von</strong> Zwangsmaßnahmen (Fixierung, Isolierung<br />

und Zwangsmedikation), <strong>die</strong> prospektive Erfassung <strong>von</strong> <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong>. Um<br />

<strong>die</strong> Dunkelziffer bei der Erfassung durch eine erhöhte Schwelle bei der Nutzung des<br />

Erfassungsbogens aufgrund eines zu hohen Dokumentationsaufwands gering zu<br />

halten, strebten wir eine möglichst einfache Handhabung an.<br />

Nach Überprüfung der oben beschriebenen existierenden Instrumente zur Erfassung<br />

aggressiven <strong>Verhalten</strong>s (OAS, MOAS, SOAS, VS, SDAS) entschieden wir uns <strong>für</strong> den<br />

Einsatz der Staff Observation Aggression Scale (SOAS), deren revi<strong>die</strong>rte Fassung<br />

zu Beginn noch nicht veröffentlicht war. Für <strong>die</strong> SOAS sprachen <strong>die</strong> einfache<br />

Handhabung und <strong>die</strong> Übersichtlichkeit <strong>die</strong>ses Erfassungsinstrumentes. Die SOAS ist<br />

ein reliables und m. E. valides Erfassungsinstrument mit hoher Interraterreliabilität<br />

und einer mittlerweile häufigen Anwendung insbesondere im europäischen Raum<br />

(Palmstierna und Wistedt, 1987; Grassi et al., 2001; Soliman und Reza, 2001; Nijman<br />

et al., 2002b; Nijman et al., 2002c; Omérov et al., 2002; Finzel et al., 2003, Heinze et<br />

al., 2005). Die SOAS erfasst das Ausmaß und <strong>die</strong> Häufigkeit <strong>von</strong> <strong>aggressivem</strong><br />

<strong>Verhalten</strong> bei psychiatrischen Patienten. Systematisiert werden fremdaggressive<br />

Ereignisse mittels operationalisierten Kriterien <strong>für</strong> das Ausmaß des aggressiven<br />

Vorfalles dokumentiert. Der Bogen ist übersichtlich und erfasst nicht nur tätliches<br />

sondern auch verbal fremdaggressives <strong>Verhalten</strong>. Die fünf Spalten sind unterteilt in 1.<br />

Auslöser der aggressiven Handlung, 2. vom Patienten benutzte Mittel, 3. Ziel der<br />

Aggression, 4. Konsequenz(en) <strong>für</strong> das/ <strong>die</strong> Opfer und 5. Interventionen zur<br />

Beendigung der Aggression.<br />

Die Spalten 2-4 beschreiben den aggressiven Vorfall im engeren Sinne, das heißt, bei<br />

<strong>die</strong>sen erfolgt ein Scoring auf einer Fünf-Punkte Likert-Skala (<strong>von</strong> 0-4). Bei<br />

<strong>Ge</strong>samtpunktwerten <strong>von</strong> 1-5 handelt es sich um einen leichten Vorfall, bei 6-8 um<br />

einen mittelgradig schweren und bei ≥9 um einen schweren Vorfall. Zusätzlich kann<br />

der Bogen <strong>für</strong> Untersuchungen zu den Anlässen <strong>von</strong> aggressiven Vorfällen und den<br />

Konsequenzen genutzt werden. Eine gute Interraterreliabilität ist auch ohne<br />

- 26 -


vorheriges Training bzw. Einführung in den Bogen gezeigt worden (Palmstierna und<br />

Wistedt, 1987; Steinert et al., 2000). Wir übersetzten den Bogen ins Deutsche und<br />

ergänzten <strong>für</strong> unsere Erfassung in der Spalte „Ziel der Aggression“ das <strong>Ge</strong>schlecht<br />

des Opfers. Da in unserer Klinik weitere als <strong>die</strong> im Originalbogen aufgeführten<br />

Interventionen (<strong>Ge</strong>spräch mit dem Patienten, ruhiges Wegbegleiten des Patienten,<br />

perorale und parenterale Medikation und Festhalten des Patienten) praktizeirt<br />

wurden, ergänzten wir <strong>die</strong>se (Zwangsmedikation, Isolierung, Fixierung und<br />

Einzelbetreuung) in der Spalte „Interventionen zur Beendigung der Aggression“.<br />

Diese Version der SOAS ist Teil eines Formulars, auf dem zusätzlich <strong>die</strong> zuständige<br />

Station, <strong>die</strong> rechtliche Situation, der Ort des Vorfalles, eine kurze zusammenfassende<br />

Beschreibung des Vorfalles, <strong>die</strong> anwesenden Mitarbeiter auf Station und<br />

autoaggressive Vorfälle mit einer kurzen freien Beschreibung erfasst werden (siehe<br />

Anlage).<br />

Interraterreliabilität<br />

Zur Prüfung der Interraterreliabilität wurden zehn fremdaggressive Vorfälle, <strong>die</strong> durch<br />

mindestens zwei Mitarbeiter beobachtet worden waren, durch <strong>die</strong>se unabhängig<br />

<strong>von</strong>einander auf dem Erfassungsbogen dokumentiert.<br />

Die Interraterreliabilität war gut bis sehr gut mit einem Intraclass-<br />

Korrelationskoeffizienten ICC=.87 <strong>für</strong> den <strong>Ge</strong>samtscore der SOAS (95%<br />

Konfidenzintervall CI=.50-.97). Die Intraclasskoeffizienten der drei Subskalen waren<br />

.94 (benutzte Mittel, 95% - CI=.75-.99), .82 (Ziele, 95% - CI=.27-.96) und .97<br />

(Konsequenzen, 95% - CI=.89-.99).<br />

Basisdokumentation<br />

Die soziodemografischen-, erkrankungsbezogenen- und verlaufsbezogenen unten<br />

aufgeführten untersuchten Merkmale wurden mit einer leicht modifizierten Version<br />

der psychiatrischen Basisdokumentation (BADO) erfasst. Bei der BADO handelt es sich<br />

um ein <strong>von</strong> der DGPPN empfohlenes Instrument zur Qualitätssicherung im (teil-)<br />

stationären Bereich (Cording et al., 1995). Sie wird <strong>von</strong> den fallverantwortlichen<br />

Ärzten bzw. Psychologen ausgefüllt. In der BADO fehlende Daten wurden den<br />

Krankenakten entnommen.<br />

- 27 -


3.2. Umfeld und Durchführung der Stu<strong>die</strong><br />

Umfeld: Kurzbeschreibung der Klinik<br />

Die Untersuchung erfolgte an der Klinik <strong>für</strong> Psychiatrie und Psychotherapie in Bethel<br />

<strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Pflichtversorgung der Stadt Bielefeld zuständig ist. Für den stationären<br />

Bereich standen im Jahr 2000 274 Betten in drei Abteilungen zur Verfügung:<br />

Allgemeine Psychiatrie, Abhängigkeitserkrankungen und <strong>Ge</strong>rontopsychiatrie.<br />

Die allgemeinpsychiatrische Abteilung arbeitete auf sechs Stationen nach dem<br />

Sektorprinzip, das heißt, <strong>für</strong> den Sektor Ost der Stadt waren 2 Stationen mit jeweils<br />

18 Betten zuständig, <strong>für</strong> den Sektor West 2 Stationen mit 19 bzw. 16 Betten und <strong>für</strong><br />

den Sektor Süd 2 Stationen mit 16 bzw. 12 Betten. Die Sektorstationen behandelten<br />

insbesondere Patienten mit Schizophrenie, schizoaffektiver und bipolarer Störung<br />

(Manie) und Patienten in Krisen mit akuter Selbst- bzw. Fremdgefährdung. Ein<br />

erklärtes Ziel der Sektorstationen war <strong>die</strong> Öffnung der Stationen. Für jeden Sektor<br />

existierte eine fakultativ schließbare Station.<br />

Zwei weitere Stationen arbeiteten mit spezialisierten Behandlungsangeboten. Die<br />

Station A7 mit 12 Betten <strong>für</strong> Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung und<br />

Patienten in aktuellen Krisensituationen und <strong>die</strong> Station A8 mit 18 Betten <strong>für</strong><br />

Patienten mit Depressionen.<br />

Die allgemeinpsychiatrische Abteilung wurde im April 2000 um eine Station (16<br />

Betten) erweitert. Sie nahm in den Räumen einer ehemaligen Station der Abteilung<br />

<strong>für</strong> Abhängigkeitserkrankungen ihre Arbeit auf. Dort wurde das bisher fehlende<br />

therapeutische Angebot <strong>für</strong> Patienten mit Angst- und Zwangsstörungen und<br />

psychosomatischen Störungen eingerichtet.<br />

Im September 2000 erhielt eine der Sektorstationen den Auftrag, ein therapeutisches<br />

Angebot <strong>für</strong> ältere Menschen mit depressiven Störungen bereitzustellen, <strong>die</strong> einen<br />

geringen (somatischen) Pflegebedarf aufweisen. Hierzu wurde <strong>die</strong> Station aus der<br />

Sektorversorgung des Ostens ausgegliedert, nachdem sich herausstellte, dass der<br />

Versorgungsbedarf des Sektors durch nur eine Station inklusive eines<br />

Intensivbereiches mit insgesamt 23 Betten ausreichend gedeckt war.<br />

Die Abteilung <strong>für</strong> Abhängigkeitserkrankungen bestand aus fünf Stationen, <strong>von</strong> denen<br />

drei ebenfalls nach dem Sektorprinzip arbeiteten, zwei Stationen mit jeweils 23<br />

- 28 -


Betten, eine mit 18 Betten. Auf <strong>die</strong>sen Stationen wurden insbesondere Patienten mit<br />

Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit behandelt. Zwei Stationen mit jeweils 16<br />

Betten arbeiteten mit dem Schwerpunkt der Behandlung drogenabhängiger<br />

Patienten. Bei <strong>die</strong>sem Angebot der Klinik zeigte sich, dass zwei Stationen <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Behandlung drogenabhängiger Patienten einem Überangebot entsprachen und eine<br />

Station nicht ausgelastet war. Daher wurde <strong>die</strong>se Station im Frühjahr 2000 aufgelöst<br />

(siehe oben).<br />

Die Abteilung <strong>für</strong> <strong>Ge</strong>rontopsychiatrie arbeitete mit den drei Stationen F1 - F3<br />

ebenfalls sektorisiert mit 18, 16 und 15 Betten. Dort wurden <strong>die</strong> Patienten ab dem<br />

60. Lebensjahr behandelt.<br />

Darüber hinaus stellten <strong>die</strong> Versorgung in jedem allgemeinpsychiatrischen Sektor<br />

jeweils eine allgemeinpsychiatrische Tagesklinik sicher und <strong>für</strong> <strong>die</strong> Abteilung <strong>für</strong><br />

Abhängigkeitserkrankungen und <strong>Ge</strong>rontopsychiatrie jeweils eine sektorübergreifend<br />

zuständige Tagesklinik. Die Institutsambulanz ergänzte das Behandlungsangebot.<br />

Die Einteilung der Sektoren ist abgestimmt auf <strong>die</strong> Sektorgrenzen im<br />

<strong>Ge</strong>meindepsychiatrischen Verbund in enger Kooperation mit den komplementären<br />

Diensten.<br />

Der Bettenschlüssel ist mit 0,84 Betten je 1000 Einwohner relativ hoch (274 Betten<br />

bei 325000 EW). Die Stationen hatten durchschnittlich 17,13 Betten.<br />

Eine Besonderheit in den Versorgungsstrukturen ist <strong>die</strong> Zuständigkeit <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

stationäre Behandlung eines großen Heimbereiches (Epilepsie, Behindertenhilfe,<br />

Psychiatrie).<br />

Die Klinik war mit einer Belegung <strong>von</strong> 94.8% ausgelastet.<br />

Durchführung der Stu<strong>die</strong><br />

Nach Ankündigung des Vorhabens in Ärztebesprechungen, Stationsleitungsrunden,<br />

Abteilungskonferenzen und in den Konzeptgesprächen der Stationen und einer<br />

Erprobungsphase auf ausgewählten Stationen wurde das Instrument ab dem<br />

01.01.2000 auf den o. g. Stationen eingeführt. Prospektiv wurden auf allen Stationen<br />

<strong>die</strong> aggressiven Vorfälle <strong>für</strong> <strong>die</strong> Dauer <strong>von</strong> 12 Monaten (01.01.2000–31.12.2000)<br />

erfasst.<br />

- 29 -


Die Bögen wurden nach jeder auto- und fremdaggressiven Handlung durch Patienten<br />

<strong>von</strong> einem Mitarbeiter, der <strong>die</strong>sen Vorfall beobachtet hatte, ausgefüllt. Neben dem<br />

konkret beobachteten aggressiven <strong>Verhalten</strong> war bei non-verbal und verbal<br />

<strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> ein Kriterium <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entscheidung, einen Bogen auszufüllen,<br />

das <strong>Ge</strong>fühl der Bedrohung bei dem anwesenden Mitarbeiter. Damit sollte dem<br />

interaktionellen Merkmal aggressiven <strong>Verhalten</strong>s Rechnung getragen werden.<br />

Das Ausfüllen erfolgte sobald wie möglich nach dem Vorfall, in der Regel in derselben<br />

Schicht, in der der Vorfall auftrat, seltener am nächsten Tag. Nach dem Ausfüllen<br />

wurde der Bogen an <strong>die</strong> Sekretariate der ärztlichen Leitung und der<br />

Pflege<strong>die</strong>nstleitung gefaxt, damit <strong>die</strong>se über den Vorfall informiert waren. Vom<br />

Sekretariat der ärztlichen Leitung wurde das Formular an <strong>die</strong> Abteilung <strong>für</strong><br />

Forschung, Qualitätssicherung und Dokumentation zur statistischen Erfassung<br />

weitergeleitet. Bei notwendigen Rückfragen bezüglich fehlender, uneindeutiger oder<br />

missverständlicher Angaben wurde ich informiert und überprüfte im <strong>Ge</strong>spräch mit<br />

den Mitarbeitern und aus den Eintragungen in der Patientenakte <strong>die</strong> Informationen,<br />

<strong>die</strong> noch ergänzt werden mussten.<br />

Bei jedem Bogen erfolgte durch mich und einen Mitarbeiter der Abteilung <strong>für</strong><br />

Forschung, Qualitätssicherung und Dokumentation unabhängig <strong>von</strong>einander eine<br />

Plausibilitätsprüfung.<br />

Bei der Auswertung der Erfassungsbögen auf der Ereignisebene fielen folgende<br />

Besonderheiten auf:<br />

• Bei 7 Bögen (4 Personen) führte das Abhalten <strong>von</strong> autoaggressiven<br />

Handlungen zur Anwendung <strong>von</strong> Zwangsmaßnahmen und bei deren<br />

Durchführung kam es dann zu fremd<strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong>. Diese Vorfälle<br />

wurden den fremdaggressiven Vorfällen zu geordnet.<br />

• Bei einem Vorfall kam autoaggressives und fremdaggressives <strong>Verhalten</strong><br />

gemeinsam vor. Da das fremdaggressive <strong>Verhalten</strong> im Vordergrund stand,<br />

ging er in <strong>die</strong> fremdaggressiven Vorfälle ein.<br />

- 30 -


3.3. Statistik<br />

Die als Paper – Pencil - Version ausgefüllten Erhebungsbögen wurden in eine SPSS-<br />

Datendatei übertragen. Die Auswertung der Daten erfolgte mit SPSS, Version 10.1.<br />

Auf der Ereignisebene wurden <strong>die</strong> fremdaggressiven Vorfälle deskriptiv ausgewertet.<br />

Gruppenvergleiche (Indexgruppe der aggressiven Patienten als Gruppe 1, alle nicht<br />

aggressiven Patienten als Gruppe 2 und eine nach <strong>Ge</strong>schlecht, Alter und Diagnose<br />

parallelisierte Vergleichsgruppe als Gruppe 3) wurden mit univariaten statistischen<br />

Methoden, CHI - Quadrat- und t - Tests, und bei der Untersuchung des<br />

Zusammenhangs <strong>von</strong> Patientenmerkmalen mit der Schwere des Indexvorfalls<br />

zusätzlich ANOVA (einfaktoriell) und Pearson - Korrelation, durchgeführt.<br />

Die Analyse der <strong>Prädiktoren</strong> erfolgte mit der binären logistischen Regressionsanalyse.<br />

Mit dem Verfahren der binären logistischen Regression wird <strong>die</strong> Abhängigkeit einer<br />

dichotomen Variable (hier aggressive versus nicht aggressive Patienten) <strong>von</strong><br />

unabhängigen Variablen untersucht und <strong>die</strong> prädiktive Kraft der unabhängigen<br />

Variablen geprüft. Dazu wurden <strong>die</strong> ausgewählten unabhängigen Variablen<br />

dichotomisiert und nach der Vorwärts - Methode (Wald) schrittweise in <strong>die</strong> logistische<br />

Regression eingeführt. Für <strong>die</strong> Prüfung der Modellgüte wurde der Hosmer –<br />

Lemeshow - Test (Goodness – of - Fit Statistik) durchgeführt.<br />

3.4. Stichprobe<br />

3.4.1. <strong>Ge</strong>samtkollektiv<br />

2246 Patienten wurden im Jahr 2000 in unserer Klinik aufgenommen, 36 Patienten<br />

mussten wegen fehlender Daten aus der Auswertung ausgeschlossen werden. Die<br />

verbleibenden 2210 Patienten wurden in <strong>die</strong> <strong>Ge</strong>samtstichprobe aufgenommen mit<br />

insgesamt 4320 Behandlungsepisoden. Demografische und klinische Daten können<br />

der Tab. 3 entnommen werden.<br />

3.4.2. Untersuchungsgruppe und Kontrollgruppe<br />

Die mit der SOAS erfassten Daten wurden personenbezogen ausgewertet, um zu<br />

vermeiden, dass durch wiederholtes aggressives <strong>Verhalten</strong> einzelner Patienten <strong>die</strong>se<br />

<strong>die</strong> Ergebnisse einseitig beeinflussen.<br />

- 31 -


171 Personen, bei denen mindestens ein fremdaggressiver Vorfall erfasst wurde,<br />

bildeten <strong>die</strong> Index-Stichprobe (Gruppe 1). Der im Jahr 2000 zuletzt ausgefüllte Bogen<br />

markiert den Indexvorfall. Die vorausgegangenen Vorfälle wurden zusätzlich erfasst<br />

und bildeten <strong>die</strong> Basis <strong>für</strong> <strong>die</strong> ereignisbezogene Auswertung.<br />

Alle anderen Patienten ohne aggressiven Vorfall (N=2039) bildeten <strong>die</strong><br />

Kontrollgruppe (Gruppe 2).<br />

Um den Einfluss zahlreicher potenzieller Merkmale, <strong>die</strong> hier nicht untersucht wurden,<br />

zu reduzieren, wurde aus der Gruppe 2 zusätzlich eine zur Index-Stichprobe<br />

gematchte Kontrollgruppe (Gruppe 3) gebildet. Parallelisierungskriterien waren:<br />

<strong>Ge</strong>schlecht, Diagnose, Alter in Fünfjahres-Altersgruppen, Abteilung des Zentrums.<br />

3.5. Untersuchte Variablen<br />

Für den Vergleich der Indexpatienten und der parallelisierten Kontrollgruppe wurden<br />

neben den direkt erhobenen Variablen zusätzliche Daten aus den Krankenakten<br />

erhoben.<br />

Für den Gruppenvergleich der Gruppen 1 und 2 wurden folgende Variablen<br />

untersucht.<br />

Soziodemografische Merkmale:<br />

Alter, <strong>Ge</strong>schlecht, Nationalität (Deutsch ja/ nein), Familienstatus (allein stehend,<br />

verheiratet, getrennt/ geschieden, verwitwet), Wohnsituation (Privatwohnung,<br />

ambulant betreute Wohnform, Heimunterbringung, Obdachlosigkeit).<br />

Erkrankungsbezogene Merkmale:<br />

Diagnosen (ICD 10) als Einzelvariable jeweils <strong>von</strong> F0 bis F7 (ja/ nein), Anzahl bisheriger<br />

stationärer Aufenthalte ab dem Jahr 1988 in unserer Klinik (<strong>die</strong> PC gestützte<br />

Dokumentation erfolgte erst ab <strong>die</strong>sem Zeitpunkt zuverlässig), Alter bei der ersten<br />

Aufnahme ab 1988 (Differenz aktuelles Jahr minus Erstaufnahmejahr ab 1988).<br />

Behandlungs- und Verlaufsmerkmale:<br />

Zeit <strong>von</strong> der stationären Aufnahme bis zum Indexvorfall, Einweisungsmodus,<br />

Beteiligte bei der Aufnahme, rechtlicher Status bei der Aufnahme (freiwillig ja/ nein),<br />

Dauer der letzten stationären Behandlung im Jahr 2000, bisherige aggressive Vorfälle<br />

während der stationären Behandlungsepisoden im Jahr 2000.<br />

- 32 -


Für den Vergleich der Gruppen 1 und 3 wurden bei den soziodemografischen<br />

Merkmalen zusätzlich <strong>die</strong> berufliche Situation bei Aufnahme und der finanzielle<br />

Unterhalt des Patienten untersucht.<br />

- 33 -


4. Ergebnisse<br />

4.1. Fremdaggressives <strong>Verhalten</strong><br />

4.1.1. Prävalenz<br />

Im Jahr 2000 verhielten sich 171 Patienten <strong>von</strong> 2210 aufgenommenen Patienten<br />

(7.7%) fremdaggressiv und verursachten 441 dokumentierte Ereignisse.<br />

Durchschnittlich entfielen 2,6±3,4 fremdaggressive Ereignisse auf einen<br />

Indexpatienten mit einer Spannweite <strong>von</strong> 1-31 Vorfällen. Dies entspricht bei einer<br />

95%igen Bettenauslastung einer Rate <strong>von</strong> 1,69 pro belegtem Bett und Jahr. Eine<br />

differenzierte Berechnung bezogen auf <strong>die</strong> Stationen ergab deutliche<br />

Prävalenzunterschiede. Auf den spezialisiert psychotherapeutisch ausgerichteten<br />

allgemeinpsychiatrischen Stationen (Schwerpunkte: Depression, Psychosomatik,<br />

Emotional instabile Persönlichkeitsstörung, psychosoziale Krisen) waren 0,12<br />

aggressive Vorfälle pro Bett und Jahr zu verzeichnen, auf den Stationen <strong>für</strong><br />

Abhängigkeitserkrankungen 0,83, auf den gerontopsychiatrischen Stationen 1,27<br />

und auf den allgemeinpsychiatrischen Sektorstationen 3,2 (Schwerpunkt:<br />

psychotische Störungen).<br />

Häufigkeit der Vorfälle pro Patient<br />

Die Verteilung der Vorfälle (Tab. 1) macht deutlich, dass eine relativ kleine<br />

Patientengruppe <strong>von</strong> 8,2% (n=14) 6 mal und häufiger fremdaggressiv war und mit<br />

38,8 % <strong>für</strong> einen großen Teil der Vorfälle verantwortlich.<br />

Patienten n=171 Vorfälle n=441<br />

% %<br />

88 51,5 1 x 19,9<br />

69 40,4 2–5 x 41,3<br />

14 8,2 ≥6 x 38,8<br />

Tab. 1: Häufigkeit der Vorfälle auf der Patientenebene<br />

4.1.2. Charakteristika<br />

Auslöser<br />

In 34,7% (n=153) aller 441 aggressiven Vorfälle konnte ein Auslöser <strong>für</strong> das<br />

aggressive <strong>Verhalten</strong> nicht beobachtet werden. Unter den sonst genannten Auslösern<br />

- 34 -


wurden, wie unten aufgelistet, insbesondere Konflikte zwischen dem betroffenen<br />

Patienten und Mitpatienten oder Mitarbeitern (34,7%) genannt.<br />

Auslöser <strong>für</strong> das aggressive <strong>Verhalten</strong> Häufigkeit %<br />

Nicht nachvollziehbar 34,7<br />

Konflikt mit Mitpatienten 13,4<br />

Personal verlangt Medikamenten-<br />

7,0<br />

einnahme<br />

Pat. verneint etwas/ will etwas nicht 10,2<br />

Pflegerische Tätigkeiten 4,1<br />

Andere Gründe 30,6<br />

Art der aggressiven Handlung<br />

Bei 24,0% (n=106) der dokumentierten Vorfälle (n=441) wurde nur verbal<br />

aggressives <strong>Verhalten</strong> beobachtet und bei 75,0% (n=331) physisch aggressives<br />

<strong>Verhalten</strong>. Bei 49,0% (n=216) kam es dabei zur aggressiven Handlung durch<br />

Körperteile, bei 21,5% (n=95) durch verfügbare <strong>Ge</strong>genstände und bei 4,5% (n=20)<br />

durch gefährliche <strong>Ge</strong>genstände.<br />

Ziel der Aggression<br />

<strong>Ge</strong>genstände waren bei 6,3% (n=28) der Vorfälle Ziel der Aggression. In 66,4%<br />

(n=293) der Fälle waren Teammitglieder das Ziel aggressiver Handlungen, in 21,8%<br />

(n=96) Mitpatienten, in 3,6% (n=17) andere Personen und in 1,8% (n=8) war kein<br />

Ziel <strong>für</strong> <strong>die</strong> aggressive Handlung erkennbar.<br />

Konsequenzen <strong>für</strong> das Opfer<br />

In 12% (n=53) der Fälle wurden keine Sachschäden oder Verletzungen beobachtet.<br />

Bei 74,6% (n=329) der Fälle kam es entweder zu Sachschäden oder <strong>die</strong> betroffenen<br />

Personen erlebten ein <strong>Ge</strong>fühl <strong>von</strong> Bedrohung oder einen kurzen Schmerz ohne<br />

sichtbare Verletzung. Bei 5,4% (n=24) der Fälle kam es zu einer sichtbaren<br />

Verletzung. Nach 4,3% (n=19) der Vorfälle war eine medizinische Behandlung der<br />

Opfer erforderlich, in keinem Fall kam es zu bleibenden physischen Schäden.<br />

- 35 -


Durchschnittlicher Schweregrad<br />

Die SOAS sieht eine Schweregradeinteilung des Vorfalles vor, <strong>die</strong> Werte <strong>von</strong> 1-12<br />

annehmen kann. Die durchschnittliche Schwere der Vorfälle betrug 5,40±1,49. Dabei<br />

fiel auf, dass der Schweregrad bei den weiblichen Patienten (5,52±1,48) nicht<br />

niedriger lag als bei den männlichen (5,32±1,49; T=1,405, p=.161).<br />

Die prozentuale Verteilung des Schweregrades der Vorfälle gibt <strong>die</strong> Tab. 2 wieder.<br />

SOAS-<br />

Schweregrad<br />

(SOAS-Score)<br />

<strong>Ge</strong>schlecht %<br />

männlich weiblich<br />

<strong>Ge</strong>samt %<br />

Leicht (1-5) 62,6 55,4 59,9<br />

Mittelgradig (6-8) 33,0 41,7 36,3<br />

Schwerwiegend (9- 4,4 3,0 3,9<br />

12)<br />

Tab. 2: SOAS-Schweregrad, N=441 Vorfälle<br />

Eine Umrechnung der Werte in <strong>die</strong> Systematik der revi<strong>die</strong>rten Fassung SOAS-R (Werte<br />

0-22) ergab keine andere Bewertung, durchschnittlich lag der Schweregrad hier bei<br />

12,39±3,94, <strong>für</strong> Patienten bei 12,13±3,79 und <strong>für</strong> Patientinnen bei 12,80±4,15.<br />

Zeitliche Merkmale fremdaggressiven <strong>Verhalten</strong>s<br />

In Abb. 1 wird eine höhere Frequenz <strong>von</strong> fremdaggressiven Ereignissen in den<br />

Monaten Januar - März und im Dezember deutlich, in <strong>die</strong>sen 4 Monaten ereigneten<br />

sich 48.7% der dokumentierten Vorfälle.<br />

16,0%<br />

14,0%<br />

14,5<br />

12,0%<br />

12,5<br />

10,0%<br />

11,3<br />

10,4<br />

8,0%<br />

6,0%<br />

7,0<br />

7,5<br />

7,5<br />

6,3<br />

6,6<br />

6,8<br />

4,0%<br />

4,8<br />

4,8<br />

2,0%<br />

0,0%<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12<br />

Abb. 1: Verteilung der Vorfälle auf <strong>die</strong> Monate 1-12, N=441<br />

- 36 -


Bei der Auswertung des zirkadianen Ablaufs (Abb. 2) wurden in den Zeiten der<br />

Mittagsruhe <strong>von</strong> 13 bis 15 Uhr (6,6% aller Ereignisse) und in den Nachtzeiten <strong>von</strong> 23<br />

bis 7 Uhr nur wenige fremdaggressive Vorfälle beobachtet (12,7%), deutliche Spitzen<br />

fanden sich dagegen vormittags zwischen 9 und 13 Uhr (25,9%) und am Nachmittag<br />

und Abend zwischen 15 und 22 Uhr (44,5%).<br />

10,0%<br />

8,0%<br />

8,0<br />

8,9<br />

6,0%<br />

5,2<br />

6,8<br />

5,9<br />

6,6<br />

6,4<br />

5,7<br />

5,5<br />

6,2<br />

5,2<br />

4,0%<br />

4,1<br />

4,1<br />

3,4<br />

2,0%<br />

2,1<br />

1,8<br />

1,61,6<br />

1,4<br />

1,8<br />

2,7<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

0,0%<br />

13<br />

12<br />

11<br />

10<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

2,5<br />

23<br />

22<br />

21<br />

20<br />

19<br />

18<br />

17<br />

16<br />

15<br />

14<br />

2,3<br />

Abb.: 2: Tageszeit der Vorfälle 0-24 Uhr, N=441<br />

Der durchschnittliche Zeitraum zwischen Aufnahme und Indexvorfall (N=171) lag bei<br />

21,08±38,52 Tagen (Range 0-295). 51,5% der Vorfälle fanden in der ersten Woche<br />

nach der Aufnahme statt.<br />

4.1.3. Zusammenhang zwischen Patienten- und Erkrankungsmerkmalen und<br />

dem Schweregrad der Vorfälle<br />

Bei der Untersuchung des Zusammenhangs <strong>von</strong> Patientenmerkmalen und der<br />

Schwere des Indexvorfalls ergaben sich keine Zusammenhänge mit dem <strong>Ge</strong>schlecht<br />

(T=-1,552, p=.123), Alter (r=.095, p=.219), Staatsangehörigkeit (T=1,180, p=.240),<br />

Familienstand (F=0,402, p=.752), der Wohnsituation (F=1,228, p=.301), der<br />

beruflichen Situation (F=0,256, p=.774), der Diagnose (F=1,076, p=.379), der<br />

Einweisung durch nichtärztliche Stellen (F=0,797, p=.529), den beteiligten ärztlichen<br />

Zuweisern (F=1,301, p=.235), der Anzahl der aggressiven Vorfälle vor dem<br />

Indexvorfall (r=.131, p=.087) und der Dauer der Behandlung (r=.014, p=.853).<br />

- 37 -


4.1.4. Vergleich <strong>von</strong> Patienten mit und ohne fremdaggressives <strong>Verhalten</strong><br />

Bei 171 Patienten (7,7% aller Patienten) wurde zumindest einmal fremdaggressives<br />

<strong>Verhalten</strong> beobachtet.<br />

Vergleich der Indexpatienten mit allen Patienten ohne fremdaggressives <strong>Verhalten</strong>:<br />

Diese Indexpatienten waren im Vergleich zu allen anderen Patienten (Gruppe 2)<br />

jünger, häufiger allein stehend und lebten seltener in einer Privatwohnung und<br />

häufiger im Heim (Tab. 3).<br />

<strong>Ge</strong>samtstichprobe<br />

Gruppe 1<br />

Indexpatien<br />

Gruppe 2<br />

alle<br />

Gruppen-<br />

Unterschiede<br />

Signifikanz<br />

n=2210<br />

ten<br />

n=171<br />

anderen<br />

Pat.<br />

n=2039<br />

a<br />

Männlich (%) 55,5 61,4 55,0 Chi 2 =2,6 p=.11<br />

Alter b (MW±SD)<br />

46,9±18,4<br />

42,1±5,6<br />

47,3±18,5<br />

T=4,1<br />

p


ICD-10 Diagnose<br />

(%) b<br />

F0: Organische<br />

Störungen<br />

F1: Störungen durch<br />

psychotrope<br />

Substanzen<br />

F2: Schizophrene,<br />

schizotype u. wahnhafte<br />

Störungen<br />

F3: Affektive Störungen<br />

F4: Neurot., Belastungs-<br />

u. somato<br />

forme Störungen<br />

F6: Persönlichkeitsstörungen<br />

Andere<br />

Anzahl früherer<br />

psych. stat.<br />

Behandlungen b (MW<br />

±SD)<br />

Alter bei<br />

Erstaufnahme b,c<br />

(MW±SD)<br />

Ärztliche Einweisung<br />

durch (%)<br />

<strong>Ge</strong>samtstichprobe<br />

n=2210<br />

n=2180<br />

7,5<br />

41,8<br />

23,5<br />

10,7<br />

9,2<br />

Gruppe 1<br />

Indexpatien<br />

ten<br />

n=171<br />

n=171<br />

5,3<br />

24,6<br />

50,9<br />

5,3<br />

2,9<br />

Gruppe 2<br />

alle<br />

anderen<br />

Pat.<br />

n=2039<br />

n=2009<br />

7,7<br />

43,3<br />

21,2<br />

11,2<br />

9,8<br />

Gruppen-<br />

Unterschiede<br />

a<br />

Chi 2 =90,7<br />

df=6<br />

Signifikanz<br />

p


Einweisung durch<br />

nicht-ärztliche Stellen<br />

(%)<br />

<strong>Ge</strong>samtstichprobe<br />

n=2210<br />

Gruppe 1<br />

Indexpatien<br />

ten<br />

n=171<br />

Gruppe 2<br />

alle<br />

anderen<br />

Pat.<br />

n=2039<br />

Gruppen-<br />

Unterschiede<br />

a<br />

Signifikanz<br />

- Ohne<br />

3,1<br />

- Angehörige, Bekannte<br />

b<br />

60,2<br />

- Beratungsstellen 6,2<br />

- Sozialpsych. Dienst<br />

o. Krisen<strong>die</strong>nst<br />

u./o. Polizei b<br />

9,8<br />

- Mitarbeiter d.<br />

Heimbereichs b 20,6<br />

Freiwillige Aufnahme b<br />

(%)<br />

1,8<br />

31,6<br />

5,3<br />

23,4<br />

3,2<br />

62,8<br />

6,3<br />

8,6<br />

Chi 2 =88,9<br />

df=4<br />

p


soziodemografischen Merkmalen unterschieden sich <strong>die</strong> beiden Gruppen nicht (Tab.<br />

4).<br />

Gruppe 1<br />

Indexpatient<br />

Gruppe 3<br />

gematchte<br />

Gruppenunterschiede<br />

(1<br />

Signifikanz<br />

en<br />

n=171<br />

Kontrollgruppe<br />

n=171<br />

versus 3)<br />

Männlich (%) 61,4 61,4 <strong>Ge</strong>matcht -<br />

Alter (MW + SD)<br />


ICD-10 Diagnose (%) c<br />

F0: Organische Störungen<br />

F1: Störungen durch psychotrope<br />

Substanzen<br />

F2: Schizophrene, schizotype<br />

u. wahnhafte<br />

Störungen<br />

F3: Affektive Störungen<br />

F4: Neurot., Belastungsu.<br />

somatoforme Störungen<br />

F6: Persönlichkeits<br />

störungen<br />

Andere<br />

Anzahl früherer psych.<br />

stat. Behandlungen c<br />

(MW±SD)<br />

Alter bei Erstaufnahme c<br />

(MW±SD)<br />

Ärztliche Einweisung durch<br />

(%)<br />

5,3<br />

24,6<br />

50,9<br />

5,3<br />

2,9<br />

5,3<br />

23,4<br />

53,8<br />

5,3<br />

2,9<br />

Chi 2 =1,8<br />

df=6<br />

Parallelisierungskriterium<br />

p=.94<br />

7,0 7,6<br />

4,1 1,8<br />

16,8±26,9 8,8±15,7 T=3,4 p=.001<br />

36,6±15.8 37,9±15,9 T=0,73 p=.47<br />

- Psychiatrische Ambulanz c<br />

- Niedergelassner Arzt c<br />

- Ärztl. Not<strong>die</strong>nst<br />

- Ohne<br />

- Ärztlicher Dienst d. Heimbereichs<br />

- Sozialpsychiatrischer<br />

Dienst<br />

Einweisung durch nichtärztliche<br />

Stellen (%)<br />

10,5<br />

16,4<br />

2,3<br />

21,1<br />

33,3<br />

16,4<br />

18,9<br />

23,1<br />

1,8<br />

23,1<br />

25,4<br />

7,7<br />

Chi 2 =13,4<br />

df=5<br />

p=.02<br />

- Ohne<br />

- Angehörige, Bekannte c<br />

- Beratungsstellen<br />

- Sozialpsych. Dienst o. Krisen<strong>die</strong>nst<br />

u./o. Polizei c<br />

- Mitarbeiter d. Heimbereichs<br />

1,8<br />

31,6<br />

5,3<br />

23,4<br />

1,2<br />

58,0<br />

4,1<br />

36,0 27,8<br />

Freiwillige Aufnahme c (%) 62,6 84,2 Chi 2 =20,5 p


Das Alter bei der Erstaufnahme in unsere Klinik war in beiden Gruppen vergleichbar,<br />

<strong>die</strong> Indexpatienten zeigten allerdings in der Vorgeschichte mehr stationäre<br />

Behandlungsepisoden und wurden häufiger gegen Ihren Willen aufgenommen<br />

(Bezugszeitpunkt: letzte Aufnahme im Jahr 2000). Die Dauer der letzten<br />

Behandlungsepisode der Indexpatienten im Jahr 2000 war doppelt so lang wie<br />

<strong>die</strong>jenige der Patienten der Kontrollgruppe.<br />

4.1.5. <strong>Prädiktoren</strong><br />

Die Analyse mittels binärer logistischer Regression wurde analog dem obigen<br />

Vorgehen zunächst <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zugehörigkeit zu Gruppe 1 (Indexpatienten) oder Gruppe<br />

2 (alle übrigen Patienten) als abhängiger Variable durchgeführt (Tab. 5).<br />

Beta SE Wald Sign. Odds 95% - CI<br />

df=1<br />

Ratio<br />

Alter (bei Vorfall) 0,70 0,02 14,93


Die Unterbringung in einem Heim (Odds Ratio, OR=2,15), <strong>die</strong> Beteiligung des<br />

psychosozialen Krisen<strong>die</strong>nstes (OR=2,93) oder des Heimpersonals (OR=4,80) an der<br />

Einweisung/ Aufnahme und eine unfreiwillige Aufnahme (OR=3,32) zeigten sich als<br />

bedeutsame Risikofaktoren.<br />

Diagnostisch wiesen Patienten mit den Diagnosegruppen F0 (Organische,<br />

einschließlich symptomatischer psychischer Störungen) und F2 (Schizophrenie,<br />

schizoaffektive, schizotype und wahnhafte Störungen) mit einer OR <strong>von</strong> 3,57 bzw.<br />

2,85 ein deutlich erhöhtes Risiko <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zugehörigkeit zu der Gruppe 1 mit<br />

fremd<strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> auf.<br />

Die Einweisung durch einen <strong>für</strong> den Heimbereich zuständigen Arzt scheint dagegen<br />

zu einer Reduktion des Risikos beizutragen (OR=0,36), ebenso, wenn auch in<br />

geringem Ausmaß, ein höheres Alter bei der ersten stationären Aufnahme (OR=0,90).<br />

Die logistische Regressionsanalyse mit der Zugehörigkeit zur Indexgruppe (Gruppe 1)<br />

oder zur gematchten Kontrollgruppe (Gruppe 3) als abhängiger Variable zeigte <strong>die</strong><br />

unfreiwillige Aufnahme als höchsten Risikofaktor (OR=3,06) <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zugehörigkeit zur<br />

Indexgruppe. Unter den soziodemografischen Merkmalen war lediglich eine fehlende<br />

Beschäftigung ein weiterer Risikofaktor (OR=1,94). Die Beteiligung <strong>von</strong> Angehörigen<br />

oder Bekannten bei der Aufnahme schien zu einer Reduktion des Risikos <strong>für</strong><br />

aggressives <strong>Verhalten</strong> zu führen (OR=0,40) (Tab. 6).<br />

Beta SE Wald<br />

df=1<br />

Sign.<br />

Odds<br />

Ratio<br />

95%- CI<br />

Arbeitslosigkeit 0,67 0,24 7,56


4.2. Interventionen<br />

4.2.1. Interventionen zur Beendigung der Aggression<br />

856 Maßnahmen zur Beendigung der Aggression wurden angegeben. 34,1%<br />

(n=292) der Interventionen waren Zwangsmaßnahmen wie Fixierung (36,3%),<br />

Festhalten (26,0%), Isolierung (13,0%) oder Zwangsmedikation (24,6%). Bei 10,6%<br />

(n=60) der Interventionen ohne Anwendung <strong>von</strong> Zwangsmaßnahmen wurde<br />

angegeben, dass keine Intervention erfolgte, bei 33,3% (n=188) wurde ein <strong>Ge</strong>spräch<br />

geführt, bei 27,7% (n=156) <strong>die</strong> Situation entzerrt, bei 11% (n=62) der Patient<br />

einzelbetreut und bei 17,4% (n=98) orale Bedarfsmedikation verabreicht.<br />

Jeweils <strong>die</strong> eingreifendste Intervention bei den 441 Vorfällen berücksichtigend kam es<br />

bei 36,7% der Vorfälle zu Zwangsmaßnahmen wie Fixierung, Festhalten und<br />

Isolierung, bei 17,7% zur Gabe <strong>von</strong> Psychopharmaka und bei 45,6% zu<br />

Interventionen ohne Zwang bzw. Psychopharmakagabe.<br />

4.2.2. Analyse des Zusammenhangs zwischen der Schwere fremdaggressiver<br />

Vorfälle und der nachfolgenden Intervention<br />

Im Weiteren untersuchte ich den Zusammenhang zwischen der Schwere des Vorfalles<br />

(SOAS-<strong>Ge</strong>samtscore) und der Wahl der Intervention, um das aggressive <strong>Verhalten</strong> zu<br />

beenden. In <strong>die</strong>se Analyse ging ausschließlich der letzte Indexvorfall (n=171) ein, um<br />

Einflüsse vorheriger Ereignisse mit analysieren zu können.<br />

Zum Zeitpunkt des Vorfalles wurden 61,4% (n=105) der Patienten in der Abteilung<br />

<strong>für</strong> Allgemeine Psychiatrie behandelt, 25,1% (n=43) in der Abteilung <strong>für</strong><br />

Abhängigkeitserkrankungen, 12,3% (n=21) in der Abteilung <strong>für</strong> <strong>Ge</strong>rontopsychiatrie<br />

und 1,2% (n=2) befanden sich zum Zeitpunkt des Vorfalles nicht in vollstationärer<br />

Behandlung. Ein Patient hatte sich zum Zeitpunkt des Vorfalles in der Pforte zur<br />

Aufnahme vorgestellt und wurde dann aufgenommen und der andere befand sich<br />

auf einer Station der Abteilung <strong>für</strong> Allgemeine Psychiatrie in teilstationärer<br />

tagesklinischer Behandlung.<br />

Die prozentuale Verteilung des Schweregrades der Indexvorfälle gibt <strong>die</strong> Tab. 7<br />

wieder.<br />

- 45 -


SOAS-Schweregrad<br />

<strong>Ge</strong>schlecht %<br />

<strong>Ge</strong>samt %<br />

(SOAS-Score)<br />

männlich<br />

N=105<br />

weiblich<br />

N=66<br />

Leicht (1-5) 61,0 50,0 56,7<br />

Mittelgradig (6-8) 34,3 45,5 38,6<br />

Schwerwiegend (9- 4,8 4,5 4,7<br />

12)<br />

<strong>Ge</strong>samt 100% 100% 100%<br />

Tab. 7: Prozentuale Verteilung des Schweregrads der Indexvorfälle<br />

Die Interventionen wurden entsprechend der Systematik der revi<strong>die</strong>rten Version<br />

SOAS-R unterteilt (Tab. 8). Wenn mehrere Interventionen angegeben waren, wurde<br />

<strong>die</strong> jeweils gravierendste berücksichtigt.<br />

Schweregrad des aggressiven <strong>Verhalten</strong>s<br />

Intervention<br />

N=171<br />

Leicht<br />

N=97<br />

Mittelgradig<br />

N=66<br />

%<br />

Schwerw.<br />

N=8<br />

Keine/ <strong>Ge</strong>spräch/ Begleiten in<br />

ruhigere Umgebung<br />

40,2 37,9 25,0<br />

Orale oder parenterale Medikation/<br />

andere Maßnahmen<br />

24,7 18,2 25,0<br />

Festhalten / Isolierung / Fixierung 35,1 43,9 50.0<br />

<strong>Ge</strong>samt 100% 100% 100%<br />

Tab. 8: Schweregrad nach SOAS und Intervention (Chi²=2,289, df=4, p=.683)<br />

Bei der <strong>Ge</strong>samtbetrachtung fand sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen der<br />

Schwere des Vorfalles und der gewählten Intervention. Schwerwiegenderen Vorfällen<br />

wurde zwar häufiger mit Zwangsmaßnahmen begegnet, aber auch in einem Drittel<br />

der als leicht eingestuften Vorfälle kam es zur Anwendung <strong>von</strong> Zwangsmaßnahmen.<br />

4.2.3. Merkmale <strong>von</strong> Patienten mit leichtgradig <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> und<br />

nachfolgende Interventionen<br />

Um <strong>die</strong>ses Ergebnis genauer zu analysieren, wurde <strong>die</strong> Subgruppe der Indexpatienten<br />

mit leichtgradig <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> in zwei Gruppen, ohne und mit<br />

Interventionen gegen ihren Willen (Zwangsmaßnahmen), unterteilt. Die beiden<br />

Gruppen wurden hinsichtlich einiger Merkmale miteinander verglichen (Tab. 9). Es<br />

fand sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen den untersuchten Variablen<br />

- 46 -


und der Wahl der nachfolgenden Intervention nach leichtgradigen aggressiven<br />

<strong>Verhalten</strong>sweisen.<br />

Interventionen<br />

Keine/ <strong>Ge</strong>spräch/<br />

Begleiten in<br />

ruhigere Umgebung/<br />

Psychopharmakon<br />

N=63<br />

Festhalten/<br />

Isolierung/<br />

Fixierung<br />

N=34<br />

Gruppenunterschiede<br />

%<br />

Männlich 65,6 34,4 Chi²=0,038<br />

df=1<br />

Zwangsunterbringung<br />

58,5 41,5 Chi²=2,140<br />

df=1<br />

Mean<br />

Signifikanz<br />

p=.846<br />

p=.143<br />

Alter 41,75±15.12 37,21±14,12 T=1,443 p=.152<br />

Aggr. Episoden<br />

in 2000<br />

2,62±4,28 2,0±2,92 T=0,753 p=.453<br />

Tab. 9: Zusammenhang <strong>von</strong> Interventionstyp bei leichtgradig <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong><br />

mit <strong>Ge</strong>schlecht, rechtlichem Status, Alter und früheren aggressiven Episoden<br />

- 47 -


5. Diskussion<br />

5.1. Methodendiskussion<br />

Ziel der vorliegenden Arbeit war <strong>die</strong> Untersuchung <strong>von</strong> 1. Prävalenz und<br />

Charakteristika aggressiven <strong>Verhalten</strong>s stationär behandelter psychisch kranker<br />

Patienten, 2. Zusammenhängen zwischen dem Schweregrad <strong>von</strong> aggressiven<br />

Vorfällen und nachfolgenden Interventionen und 3. soziodemografischen,<br />

Erkrankungs- und Verlaufsmerkmalen als mögliche <strong>Prädiktoren</strong> <strong>für</strong> fremdaggressives<br />

<strong>Verhalten</strong>.<br />

Die Erfassung aggressiven <strong>Verhalten</strong>s war dadurch erschwert, dass es im<br />

psychiatrischen Bereich keine allgemein akzeptierte Definition <strong>für</strong> aggressives<br />

<strong>Verhalten</strong>/ <strong>Ge</strong>walt gibt. Bei den meisten bisher entwickelten Instrumenten zur<br />

Erfassung aggressiven <strong>Verhalten</strong>s ist <strong>die</strong> Überprüfung der Validität bedingt durch <strong>die</strong><br />

fehlende Operationalisierung erschwert, insbesondere wenn es nicht zu einem<br />

physischem Angriff kommt, sondern <strong>Verhalten</strong>sweisen <strong>von</strong> Patienten (u. a. verbal,<br />

Körperhaltung, <strong>Ge</strong>sten) durch Mitarbeiter als bedrohlich wahrgenommen werden.<br />

Palmstierna und Wistedt (2000) empfehlen daher zur Untersuchung aggressiven<br />

<strong>Verhalten</strong>s bei psychiatrisch stationär behandelten Patienten u. a. <strong>die</strong> Staff<br />

Observation Aggression Scale (SOAS) als psychometrisch evaluiertes Instrument.<br />

<strong>Ge</strong>fordert wird darüber hinaus eine genaue Beschreibung der Stichprobe, der<br />

institutionellen Rahmenbedingungen, der zeitlichen Zusammenhänge <strong>von</strong> Aggression<br />

und damit potenziell assoziierter Faktoren und der Interventionsansätze (Palmstierna<br />

und Wistedt, 2000). Die Einhaltung <strong>die</strong>ser Empfehlungen gilt nach Einschätzung der<br />

Autoren als Voraussetzung bzw. Standard bei klinischen Stu<strong>die</strong>n zu <strong>aggressivem</strong><br />

<strong>Verhalten</strong>/ <strong>Ge</strong>walt.<br />

In <strong>die</strong>ser Untersuchung entschieden wir uns deshalb <strong>für</strong> <strong>die</strong> Staff Observation<br />

Aggression Scale (SOAS) als Erhebungsinstrument. Die SOAS ist übersichtlich und<br />

schnell auszufüllen, was nach unserer Einschätzung zu einer höheren Akzeptanz bei<br />

den Mitarbeitern führt. Darüber hinaus ist eine gute Interraterreliabilität <strong>die</strong>ses<br />

Instrumentes ohne vorheriges Training bekannt. In <strong>die</strong>ser Untersuchung zeigte sich<br />

ebenfalls eine ausreichend gute Interraterreliabilität mit einem ICC=.87 <strong>für</strong> den<br />

<strong>Ge</strong>samtscore der SOAS. Die breite Vorankündigung der Einführung der SOAS, <strong>die</strong><br />

- 48 -


seit 1996 bestehende Routine der Mitarbeiter im Ausfüllen der Erfassungsbögen <strong>für</strong><br />

durchgeführte Zwangsmaßnahmen (Fixierung, Isolierung, Zwangsmedikation) und<br />

regelmäßige Fortbildungen zum Umgang mit <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> waren Faktoren,<br />

<strong>die</strong> uns erwarten ließen, dass <strong>die</strong> Dunkelziffer beim Ausfüllen gering sein würde.<br />

Darüber hinaus wurden aggressives <strong>Verhalten</strong> und Zwangsmaßnahmen regelmäßig in<br />

den morgendlichen Frühbesprechungen (anwesend sind Klinikleitung, Oberärzte,<br />

fallverantwortliche Therapeuten und pflegerische Mitarbeiter) thematisiert. Dennoch<br />

lässt sich auch durch <strong>die</strong>ses Vorgehen <strong>die</strong> wahre Prävalenz manifester aggressiver<br />

<strong>Verhalten</strong>sweisen <strong>von</strong> Patienten nicht mit Sicherheit bestimmen, da <strong>die</strong> lückenlose<br />

Beobachtung einer gesamten Klinik nicht möglich ist und eine Unterschätzung<br />

gerade leichterer aggressiver Vorfälle nicht ausgeschlossen werden kann (Lion et al.,<br />

1981; Steinert et al., 1995b; Volvaka und Citrome, 1999; Sjöström et al., 2001).<br />

Die Untersuchung einer gesamten Klinik war aber eines der Hauptziele der<br />

vorliegenden Stu<strong>die</strong>, zumal prospektive Stu<strong>die</strong>n aller klinisch behandelten Patienten<br />

einer psychiatrischen Klinik/ Abteilung über einen längeren Zeitraum (hier ein Jahr)<br />

kaum existieren.<br />

Ebenso wenig wurden bislang selten multivariate Statistikverfahren bei der<br />

Untersuchung <strong>von</strong> <strong>Prädiktoren</strong> aggressiven <strong>Verhalten</strong>s eingesetzt Bei der<br />

Untersuchung der <strong>Prädiktoren</strong> fremdaggressiven <strong>Verhalten</strong>s muss kritisch angemerkt<br />

werden, dass das Spektrum der untersuchten Variablen nur begrenzt erfolgte.<br />

Aggressives <strong>Verhalten</strong> in der Vorgeschichte, Ausprägung der Psychopathologie,<br />

komorbide Diagnosen, hier insbesondere Substanzabusus, wurden nicht mit<br />

untersucht, da <strong>die</strong> Datenqualität der klinischen Dokumentation hierzu nicht<br />

ausreichte.<br />

Ein Zusammenhang zwischen <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> in der Vorgeschichte und<br />

während einer psychiatrisch stationären Behandlung wurde in verschiedenen<br />

Untersuchungen festgestellt (Myers und Dunner, 1984; Palmstierna und Wistedt,<br />

1987; Walker und Seifert, 1994; Arango et al., 1999; Citrome und Volavka, 1999;<br />

Grassi et al., 2001), ebenso zwischen Ausprägung der Psychopathologie (Lowenstein<br />

et al., 1990; Arango et al., 1999; Milton et al., 2001; Soyka und Ufer, 2002) und<br />

komorbidem Substanzabusus (Palmstierna und Wistedt, 1987; Schwarz et al., 1997;<br />

- 49 -


Swartz et al., 1998; Citrome und Volavka, 1999; Steinert et al., 1999; Milton et al.,<br />

2001; Walsh et al., 2001) und Aggressivität.<br />

In <strong>die</strong>se Untersuchung gingen weitere, über <strong>die</strong> Patientenmerkmale hinausgehende<br />

institutionelle, interaktionelle und Mitarbeitermerkmale betreffende Faktoren nicht<br />

mit ein. Zukünftige Untersuchungen sollten <strong>die</strong>se Faktoren mit berücksichtigen,<br />

insbesondere, da <strong>für</strong> <strong>die</strong> Behandlungsplanung in <strong>die</strong>sen Bereichen verbesserte<br />

Strategien im Umgang mit <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> mit dem Ziel der Reduktion <strong>von</strong><br />

Zwangsmaßnahmen am ehesten ableitbar sind.<br />

5.2. Ergebnisdiskussion<br />

Fremdaggressives <strong>Verhalten</strong><br />

Prävalenz<br />

Der Anteil <strong>von</strong> 7,7% Patienten, <strong>die</strong> sich fremdaggressiv verhielten (bezogen auf <strong>die</strong><br />

Patientengesamtpopulation an unserer Klinik), stimmt gut überein mit dem Ergebnis<br />

der bisher repräsentativsten Stu<strong>die</strong> <strong>von</strong> Rüesch et al. (2003) an sechs psychiatrischen<br />

Kliniken in der Schweiz (7,4%). Im Vergleich zu anderen Stu<strong>die</strong>n (4,8-22,4%) liegen<br />

<strong>die</strong> vorliegenden Ergebnisse dagegen im unteren Bereich (Benjaminsen et al., 1995;<br />

Nijman et al., 1999b; Grassi et al., 2001; Soliman und Reza, 2001; Finzel et al., 2003;<br />

Heinze et al.; 2005). Der noch niedrigere Anteil <strong>von</strong> 2,7% aggressiven Patienten bei<br />

Spießl et al. (1998) ist dadurch erklärbar, dass er in seiner retrospektiv erfolgten<br />

Untersuchung nur tätlich aggressives <strong>Verhalten</strong> berücksichtigte.<br />

Das Ergebnis <strong>von</strong> 1,69 aggressiven Vorfällen pro Bett und Jahr lässt sich dagegen nur<br />

eingeschränkt mit anderen Untersuchungen vergleichen, da <strong>die</strong>se in der Regel auf<br />

selektierten Stationen, meistens geschlossenen Aufnahmestationen, durchgeführt<br />

wurden. Nijman et al. (2005) kommt in einer Überblicksarbeit über Untersuchungen,<br />

<strong>die</strong> innerhalb <strong>von</strong> 15 Jahren mit der SOAS durchgeführt wurden, zu im Mittel 0,4<br />

Vorfällen pro Bett und Jahr als niedrigster Wert <strong>für</strong> eine offene Station und 59,9<br />

Vorfällen pro Bett und Jahr als höchster <strong>für</strong> eine gerontopsychiatrische Station. Für<br />

akut psychiatrische Aufnahmestationen lagen <strong>die</strong> Werte zwischen 1,6 und 35,8<br />

Vorfälle pro Bett und Jahr, wobei teilweise auch autoaggressive Ereignisse<br />

einbezogen wurden. Das Ergebnis <strong>von</strong> 3,2 Vorfällen pro Bett und Jahr <strong>für</strong><br />

allgemeinpsychiatrische Sektorstationen mit dem Schwerpunkt der Behandlung <strong>von</strong><br />

- 50 -


psychotischen Störungen in <strong>die</strong>ser Untersuchung entspricht der Tendenz zu höheren<br />

Werten <strong>für</strong> psychiatrische Aufnahmestationen (Nijman et al., 2005). Bei dem<br />

Vergleich der Ergebnisse müssten <strong>die</strong> unterschiedlichen Behandlungskontexte auch<br />

über nationale Grenzen hinweg berücksichtigt werden. In unserem Zentrum wird<br />

zum Beispiel konsequent versucht, im allgemeinpsychiatrischem Bereich <strong>die</strong> Stationen<br />

mit offenen Türen zu führen (Ketelsen et al., 2003). Inwieweit sich <strong>die</strong>ses Vorgehen<br />

auch auf <strong>die</strong> Prävalenz aggressiven <strong>Verhalten</strong>s auswirkt bleibt unklar.<br />

Die Tatsache, dass in der vorliegenden Stu<strong>die</strong> wenige Patienten <strong>für</strong> einen großen Teil<br />

der Vorfälle verantwortlich waren, entspricht den Ergebnissen früherer Stu<strong>die</strong>n<br />

(Cooper und Mendonca, 1989; Palmstierna et al., 1991; Walker und Seifert, 1994;<br />

Tam et al., 1996; Saverimuttu et al., 2000; Grassi et al., 2001; Soliman und Reza,<br />

2001; Rüesch et al., 2003; Kraus und Sheitmann, 2004).<br />

Insgesamt bestätigen <strong>die</strong> Ergebnisse <strong>die</strong> unter 2.1.1. formulierte Hypothese, dass <strong>die</strong><br />

Prävalenz aggressiven <strong>Verhalten</strong>s in einer klinischen <strong>Ge</strong>samtpopulation niedriger liegt<br />

als in selektierten Stichproben. Auch der Anteil <strong>von</strong> 7,7% aller Patienten (Personen)<br />

liegt im Vergleich zu anderen Stu<strong>die</strong>n an ausgewählten Stichproben niedriger, z.B. im<br />

Vergleich mit geschlossen Aufnahmestationen.<br />

Charakteristika<br />

Die Charakteristika aggressiven <strong>Verhalten</strong>s in <strong>die</strong>ser Untersuchung befinden sich in<br />

guter Übereinstimmung mit vergleichbaren Untersuchungen, <strong>die</strong> mit der SOAS oder<br />

einem ähnliche Merkmale operationalisierenden Erhebungsinstrument (Rüesch et al.,<br />

2003) durchgeführt wurden. Die Tatsache, dass ein nachvollziehbarer Anlass <strong>für</strong><br />

aggressives <strong>Verhalten</strong> in einem Drittel der Fälle <strong>von</strong> den Mitarbeitern nicht erkannt<br />

wurde, findet sich mit ähnlichen Ergebnissen (30–39%) auch bei Palmstierna et al.<br />

(1991), Nijman et al. (2002b), Omérov et al. (2002) und Rüesch et al. (2003). Der<br />

Anteil physisch aggressiven <strong>Verhalten</strong>s <strong>von</strong> gut 75% befindet sich im mittleren<br />

Bereich <strong>von</strong> früher berichteten Ergebnissen (61-84%) (Palmstierna et al., 1991;<br />

Nijman et al., 2002b; Omérov et al., 2002; Rüesch et al., 2003).<br />

Das aggressive <strong>Verhalten</strong> richtete sich in den meisten Fällen (92%) gegen Personen,<br />

in früheren Stu<strong>die</strong>n waren <strong>die</strong>s 78-90%. Mit 66% war das Personal besonders häufig<br />

betroffen, auch <strong>die</strong>s ist vergleichbar mit Ergebnissen früherer Stu<strong>die</strong>n (41-77%)<br />

- 51 -


(Palmstierna et al, 1991; Grassi et al., 2001; Nijman et al., 2002b; Omérov et al.,<br />

2002; Miserez, 2003). Bei Angriffen gegen Mitpatienten, bei denen eine höhere<br />

Dunkelziffer zu erwarten ist, liegt der Wert mit 21,8% nur unwesentlich höher als<br />

frühere Ergebnisse (14-20%) (Palmstierna et al., 1991; Nijman et al., 2002b; Omérov<br />

et al., 2002; Miserez, 2003), nur bei Kraus und Sheitmann (2004) lag der Anteil mit<br />

46% höher.<br />

In der Folge <strong>von</strong> 4,3% der aggressiven Vorfälle war eine medizinische Behandlung<br />

des Opfers notwendig. Dies spiegelt, wie auch <strong>die</strong> Ergebnisse <strong>von</strong> 2-7% in anderen<br />

Stu<strong>die</strong>n (Palmstierna et al., 1991; Torpy und Hall, 1993; Spießl et al., 1998; Omérov<br />

et al., 2002; Miserez 2003; Heinze et al., 2005), <strong>die</strong> Tatsache wieder, dass<br />

schwerwiegendere Vorfälle mit notwendiger Behandlung körperlicher Schäden eher<br />

selten sind. Berücksichtigt werden muss allerdings, dass in <strong>die</strong>ser Untersuchung<br />

psychische Folgen bei Mitarbeitern nach aggressiven Ereignissen nicht erhoben<br />

wurden. Bei Untersuchungen <strong>von</strong> Mitarbeitern zeigte sich wiederholt, dass<br />

psychische Folgeprobleme eine nicht unerhebliche Rolle spielen (Ryan und Poster,<br />

1989; Flannery et al., 1991; Murray und Snyder, 1991; Caldwell, 1992; Whittington<br />

und Wykes, 1992; Cheung et al. 1997; Richter und Berger, 2001).<br />

Die durchschnittliche Schwere der aggressiven Vorfälle ergab, gemessen mit dem<br />

SOAS – <strong>Ge</strong>samtscore, einen Wert <strong>von</strong> 5,4, der leicht höher lag als in anderen<br />

vergleichbaren Stu<strong>die</strong>n mit 4,3-5,0 (Nilsson et al., 1988; Nijman et al., 1997b; Nijman<br />

et al., 1999a; Nijman et al., 1999b; Grassi et al., 2001). Der ebenfalls berechnete<br />

durchschnittliche SOAS-R – <strong>Ge</strong>samtscore mit 12,39 lag höher als in den Stu<strong>die</strong>n <strong>von</strong><br />

Grassi et al. (2001) und Nijman et al. (1999b), ist aber vergleichbar mit einer neueren<br />

Stu<strong>die</strong> <strong>von</strong> Nijman et al. (2002c). Der etwas höhere SOAS-<strong>Ge</strong>samtscore könnte durch<br />

<strong>die</strong> Besonderheit in den Versorgungsstrukturen unserer Klinik mit der Zuständigkeit<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> psychiatrisch stationäre Behandlung <strong>von</strong> Bewohnern aus einem großen<br />

Heimbereich (Epilepsie, Behindertenhilfe, Psychiatrie) bedingt sein. In <strong>die</strong>sem<br />

Heimbereich werden teilweise auch nicht aus der Versorgungsregion stammende<br />

Patienten mit komplexen Störungsbildern untergebracht, sodass eine höhere Dichte<br />

schwerer gestörter Patienten angenommen werden kann.<br />

<strong>Ge</strong>schlechtsspezifische Unterschiede fanden sich nicht. Der Schweregrad der Vorfälle<br />

war bei den Patientinnen mit 5,52 nicht niedriger als bei den Patienten mit 5,32. Bei<br />

- 52 -


Grassi et al. (2001) war der durchschnittliche SOAS-<strong>Ge</strong>samtscore <strong>für</strong> Patientinnen<br />

sogar signifikant höher als <strong>für</strong> Patienten. Lam et al. (2000) stellten in ihrer<br />

Untersuchung fest, dass das <strong>Ge</strong>schlecht psychiatrisch stationär behandelter Patienten<br />

keinen Einfluss auf aggressives <strong>Verhalten</strong> bezüglich der Verletzungsfolgen bei<br />

Mitarbeitern hatte. Weitere Untersuchungen zu geschlechtsspezifischen<br />

Unterschieden bei der Schwere aggressiven <strong>Verhalten</strong>s sind mir nicht bekannt. In wie<br />

weit sich <strong>die</strong>ses Ergebnis in weiteren Untersuchungen bestätigen lässt, bleibt<br />

abzuwarten. Krakowski und Czobor (2004) stellten in ihrer Untersuchung fest, dass<br />

psychiatrisch stationär behandelte Frauen häufiger verbal aggressiv waren als Männer<br />

und in den ersten 10 Tagen der Behandlung auch ein höherer Anteil an physischer<br />

Aggression zu beobachten war. Dabei waren produktiv psychotische Symptome bei<br />

Frauen eher mit <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> assoziiert als bei Männern. Andererseits<br />

waren bei den Männern häufiger Verletzungen als Folge <strong>von</strong> <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong><br />

zu verzeichnen.<br />

Der Anteil leichterer Vorfälle in <strong>die</strong>ser Untersuchung war mit 59,9% vergleichbar mit<br />

einigen früheren Stu<strong>die</strong>n (Palmstierna und Wistedt, 1987; Benjaminsen et al., 1996;<br />

Nijman et al., 1997a), lag aber höher als in anderen Untersuchungen (22-48%)<br />

(Palmstierna und Wistedt, 1989; Palmstierna et al., 1991; Heinze, 2000; Soliman und<br />

Reza, 2001).<br />

Insgesamt bestätigen <strong>die</strong> Ergebnisse <strong>die</strong> unter 2.1.2. formulierte Hypothese nicht. Der<br />

Anteil physisch aggressiven <strong>Verhalten</strong>s befindet sich im mittleren Bereich<br />

vergleichbarer Untersuchungen in unterschiedlichen Patientenpopulationen. Der<br />

Schweregrad ist eher höher und nicht wie angenommen niedriger ausgeprägt.<br />

Anzunehmen ist eine Dunkelziffer bei der Dokumentation rein verbal aggressiven<br />

<strong>Verhalten</strong>s, das im psychiatrischen Behandlungsalltag selten als bedrohlich<br />

wahrgenommen wird, wenn der Patient nicht darüber hinaus tätlich aggressives<br />

<strong>Verhalten</strong> zeigt. Der höhere Schweregrad könnte, wie bereits oben erwähnt, durch<br />

eine höhere Dichte schwerer gestörter Patienten erklärbar sein.<br />

Zusammenfassend fällt in <strong>die</strong>ser Untersuchung eine eher niedrigere Prävalenz<br />

aggressiven <strong>Verhalten</strong>s auf, vermutlich dadurch bedingt, dass <strong>die</strong> gesamte<br />

Klinikpopulation in <strong>die</strong> Stichprobe mit einging, und nicht wie in den meisten anderen<br />

Stu<strong>die</strong>n lediglich einzelne, meistens akute, geschlossene Aufnahmestationen. Die<br />

- 53 -


Charakteristika aggressiven <strong>Verhalten</strong>s gleichen den Ergebnissen früherer Stu<strong>die</strong>n in<br />

verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Versorgungssystemen. Schwere Vorfälle<br />

mit notwendiger ärztlicher Behandlung sind insgesamt selten.<br />

Untersuchungen zu saisonalen Variationen aggressiven <strong>Verhalten</strong>s bei psychiatrisch<br />

stationär behandelten Patienten sind selten. In unserer Stu<strong>die</strong> fiel eine höhere Rate in<br />

den Wintermonaten (Dezember bis März) auf. Der Anteil lag mit 49% aller Vorfälle<br />

deutlich über dem bei Gleichverteilung zu erwartenden Drittel. Kennedy et al. (1995)<br />

fanden einen signifikant höheren Anteil aggressiver Vorfälle (55%) in den Monaten<br />

April bis September. Allerdings bestand bei Berücksichtigung der höheren<br />

Bettenauslastung in <strong>die</strong>sem Zeitraum kein signifikanter Unterschied mehr. Kelsall et<br />

al. (1995) stellten ein höhere Rate aggressiver Vorfälle <strong>von</strong> Mai bis Juli und im<br />

Oktober fest und <strong>die</strong> geringste <strong>von</strong> Februar bis April. In einer Untersuchung <strong>von</strong><br />

Morken und Linaker (2000) zur saisonalen Variation <strong>von</strong> <strong>Ge</strong>waltvorkommen in der<br />

norwegischen Bevölkerung lag <strong>die</strong> Rate im Mai und Oktober besonders hoch.<br />

Insgesamt ist in <strong>die</strong>sen Untersuchungen also keine vergleichbare Häufung <strong>von</strong><br />

aggressiven Vorfällen im Winter erkennbar. Eine Erklärung <strong>für</strong> <strong>die</strong> erhöhte Rate<br />

aggressiver Vorfälle im Winter in <strong>die</strong>ser Untersuchung könnte darin zu sehen sein,<br />

dass <strong>die</strong> kühlere Witterung und <strong>die</strong> kürzeren Tage dazu führen, dass <strong>die</strong> Patienten<br />

sich mehr auf den Stationen aufhalten und dadurch häufiger soziale Spannungen<br />

entstehen.<br />

Die zirkadiane Verteilung der aggressiven Vorfälle mit einer höheren Frequenz<br />

tagsüber und einer geringeren nachts findet sich ebenfalls in anderen<br />

Untersuchungen (Noble und Rodger, 1989; Walker und Seifert, 1994; Kelsall et al.,<br />

1995; Omérov et al. 1995; Tam et al., 1996; Nijman et al., 1997b; Morken et al.,<br />

1999; Grassi et al., 2001; Manfredini et al., 2001; Omérov et al.; 2002; Miserez,<br />

2003; Heinze et al., 2005). Bei den Höchstwerten tagsüber waren unterschiedliche<br />

Verteilungsmuster zu beobachten, teilweise lagen sie vormittags und nachmittags/<br />

abends (Walker und Seifert, 1994; Grassi et al., 2001; Omérov et al., 2002; Heinze et<br />

al., 2005), teilweise entweder vor- oder nachmittags/ abends (Kelsall et al., 1995;<br />

Kennedy et al, 1995; Miserez, 2003) oder in der Mittagszeit (Nijman et al., 1997b).<br />

Unklar ist, in wie weit ein Zusammenhang zu strukturellen Abläufen in den jeweiligen<br />

- 54 -


Institutionen besteht. Für unsere Klinik waren keine Zusammenhänge mit z. B.<br />

Mahlzeiten, Übergabezeiten, Therapieangeboten erkennbar.<br />

Der durchschnittliche Zeitraum zwischen Aufnahme und Indexvorfall ist mit 21 Tagen<br />

im Vergleich zur Untersuchung <strong>von</strong> Nijman et al. (2002c) mit 5 Tagen hoch.<br />

Allerdings ging aus methodischen Gründen nur der letzte Vorfall als Indexvorfall in<br />

<strong>die</strong> vorliegende Untersuchung ein, sodass hier keine gesicherten Aussagen gemacht<br />

werden können. Andererseits ist der Anteil der Vorfälle mit 52% in der ersten Woche<br />

vergleichbar mit dem Ergebnis <strong>von</strong> Grassi et al. (2001). Im Vergleich zu Tam et al.<br />

(1996) und Miserez (2003) gingen sogar mehr Vorfälle (52% im Vergleich zu 38%<br />

bzw. 24%) aus der ersten Behandlungswoche in <strong>die</strong> Untersuchung ein.<br />

Möglicherweise finden <strong>die</strong> Indexvorfälle der Patienten, <strong>die</strong> weniger häufig aggressiv<br />

sind (92% der Patienten verursachen nur 61% der Ereignisse), eher in der ersten<br />

Behandlungswoche statt.<br />

Zusammenhang zwischen Patienten- und Erkrankungsmerkmalen und dem<br />

Schweregrad der Vorfälle<br />

In Untersuchungen zu <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> wurde bisher selten der<br />

Zusammenhang des Schweregrades <strong>von</strong> <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> mit<br />

Patientenmerkmalen untersucht. In der Regel wird zwischen aggressiven und nicht<br />

aggressiven Patienten unterschieden oder seltener zwischen Patienten mit einer und<br />

mehreren aggressiven Handlungen (Convit et al., 1990; Rüesch et al., 2003). Rüesch<br />

et al. (2003) haben in ihrer Untersuchung zusätzlich zwischen Patientengruppen mit<br />

handgreiflich <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> und verbal <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> unterschieden<br />

und dazu <strong>die</strong> Merkmale Aggressionsvorgeschichte, Schweregrad der Erkrankung<br />

(CGI), Hospitalisationshäufigkeit und Diagnose herangezogen. Schwerkranke<br />

Patienten hatten ein erhöhtes Risiko <strong>für</strong> handgreifliche Aggression, Patienten mit<br />

<strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> in der Vorgeschichte und rehospitalisierte Patienten,<br />

insbesondere mit der Diagnose Substanzmissbrauch, neigten eher zu verbaler<br />

Aggression. Grassi et al. (2001) fanden einen höheren Schweregrad aggressiven<br />

<strong>Verhalten</strong>s bei Patienten mit akuter Psychose, bei Substanzabusus und weiblichem<br />

<strong>Ge</strong>schlecht.<br />

- 55 -


Bei der Untersuchung des Zusammenhangs <strong>von</strong> Patienten- und<br />

Erkrankungsmerkmalen mit der Schwere des Indexvorfalls ergaben sich bei den hier<br />

untersuchten Variablen (<strong>Ge</strong>schlecht, Alter, Staatsangehörigkeit, Familienstand,<br />

Wohnsituation, berufliche Situation, Diagnose, Einweisung durch nichtärztliche<br />

Stellen, beteiligte ärztliche Zuweiser, Anzahl der aggressiven Vorfälle vor dem<br />

Indexvorfall, Dauer der Behandlung) allerdings keine wesentlichen Zusammenhänge.<br />

Dieses Ergebnis bestätigt nicht <strong>die</strong> unter 2.1.3. formulierte Hypothese, dass jüngeres<br />

Alter, männliches <strong>Ge</strong>schlecht, <strong>die</strong> Diagnose einer Schizophrenie und häufigere<br />

Behandlungsepisoden in der Vorgeschichte Merkmale <strong>für</strong> fremdaggressives <strong>Verhalten</strong><br />

mit größerer Schwere darstellen.<br />

Vergleich <strong>von</strong> Patienten mit und ohne fremdaggressives <strong>Verhalten</strong><br />

Ein Vergleich der Gruppe der aggressiven Patienten (Gruppe1) mit allen anderen<br />

Patienten (Gruppe 2) und mit der gematchten Kontrollgruppe (Gruppe 3) ergab<br />

signifikante Unterschiede bei soziodemografischen und klinischen Variablen mit<br />

Übereinstimmung in beiden Gruppenvergleichen. Aggressive Patienten waren jünger,<br />

häufiger allein stehend, ohne Beschäftigung, Sozialhilfe beziehend und in Heimen<br />

untergebracht. Diese Unterschiede können als Hinweise auf einen im Vergleich<br />

schlechteren Verlauf der Erkrankung bei Patienten gewertet werden, <strong>die</strong> zu<br />

fremd<strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> neigen. Neben <strong>die</strong>sem schlechteren sozioökonomischen<br />

Status und psychosozialen Verlauf fanden sich in der Indexgruppe auch häufigere<br />

Aufnahmen in der Klinik, ein weiterer Indikator <strong>für</strong> einen ungünstigeren Verlauf.<br />

Die <strong>Ge</strong>samtumstände der Aufnahmesituation im Krankenhaus waren durch einen<br />

höheren Anteil unfreiwilliger Aufnahmen und <strong>die</strong> Beteiligung <strong>von</strong> Psychosozialem<br />

Krisen<strong>die</strong>nst, sozialpsychiatrischem Dienst und - bei Heimbewohnern - <strong>von</strong> Personal<br />

aus <strong>die</strong>sem Bereich geprägt. Seltener waren Angehörige oder Bekannte an der<br />

Einweisung beteiligt. Im Vergleich der Indexgruppe mit den anderen Patienten litten<br />

<strong>die</strong> aggressiven Patienten auch häufiger an einer psychotischen Störung (ICD-10: F2)<br />

und seltener an einer Abhängigkeitserkrankung (ICD: F1).<br />

Diese Ergebnisse bestätigen <strong>die</strong>jenigen Stu<strong>die</strong>n, bei denen einerseits ebenfalls keine<br />

besondere <strong>Ge</strong>schlechterverteilung bei aggressiven Patienten festgestellt wurden<br />

(Myers und Dunner, 1984; Kennedy et al., 1995; Tardiff et al., 1997; Steinert et al.,<br />

- 56 -


2000; Grube, 2001; Grassi et al., 2001; Sjöström et al., 2001; Nijman et al., 2002b),<br />

<strong>die</strong> aggressiven Patienten aber auch häufiger jünger (Myers et al., 1984; Palmstierna<br />

und Wistedt, 1989; Convit et al., 1990; Tardiff et al., 1997; Walsh et al., 2001; Grassi<br />

et al., 2001; Bowers et al., 2002; Soyka und Ufer, 2002; Rüesch et al.. 2003), allein<br />

stehend (Rossi et al., 1986; Schwarz et al., 1997; Steinert et al., 1999; Grassi et al.,<br />

2001) und ohne Beschäftigung (Klassen und O`Connor, 1988; Schwarz et al., 1997;<br />

Milton et al., 2001; Rüesch et al., 2003) waren, und in denen höhere<br />

Hospitalisierungsraten in <strong>die</strong>ser Patientengruppe festgestellt wurden (Rossi und<br />

Dunner, 1986; Noble und Rodger, 1989; Steinert et al.,1999; Grassi et al., 2001;<br />

Rüesch et al., 2003).<br />

Ein höherer Anteil aggressiver Patienten mit unfreiwilligen Aufnahmen fand sich<br />

ebenfalls in früheren Stu<strong>die</strong>n (Myers und Dunner, 1984; Rossi et al., 1986; Grube,<br />

2001; Soliman und Reza, 2001; Nijman et al., 2002c; Rüesch et al., 2003). Bestätigt<br />

werden auch <strong>die</strong> Untersuchungen, <strong>die</strong> einen höheren Anteil schizophren erkrankter<br />

Patienten unter aggressiven Patienten feststellten (Myers und Dunner, 1984; Rossi et<br />

al., 1986; Noble und Rodger, 1989; Binder und McNiel, 1990; Convit et al., 1990;<br />

Tam et al., 1996; Spießl et al., 1998; Grassi et al., 2001).<br />

Die unter 2.1.4. formulierte Hypothese wurde mit <strong>die</strong>sem Ergebnis weitgehend<br />

bestätigt.<br />

<strong>Prädiktoren</strong> <strong>von</strong> Patienten mit <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong><br />

Ein weiteres und über den univariaten Gruppenvergleich hinausgehendes Ziel <strong>die</strong>ser<br />

Stu<strong>die</strong> war <strong>die</strong> Überprüfung <strong>von</strong> <strong>Prädiktoren</strong> aggressiver Patienten mittels logistischer<br />

Regression. Mit <strong>die</strong>sem multivariaten Vorgehen konnten drei Merkmalsbereiche als<br />

wesentliche <strong>Prädiktoren</strong> identifiziert werden:<br />

1. Ungünstiger Krankheitsverlauf:<br />

Das Leben in Heimen und eine fehlende Beschäftigung sind Indikatoren <strong>für</strong> einen<br />

ungünstigeren Verlauf der psychischen Erkrankung. Die Unterbringung in Heimen<br />

erhöhte das Risiko lediglich bei der Analyse der signifikanten Variablen aus dem<br />

Gruppenvergleich der Gruppen 1 und 2. Dieser Unterschied könnte damit<br />

zusammenhängen, dass in der gematchten Kontrollgruppe eine ähnlich Rate an<br />

Heimunterbringungen zu verzeichnen war wie in der Gruppe 1. Bei der Analyse der<br />

- 57 -


signifikanten Variablen der Gruppe 1 und 3 wurde wiederum <strong>die</strong> fehlende<br />

Beschäftigung als Risikofaktor deutlich, was darauf hindeutet, dass selbst eine<br />

Beschäftigung in einer Werkstatt <strong>für</strong> Behinderte auf Grund der Schwere der<br />

Erkrankung nicht möglich war.<br />

2. Schwierige Einweisungsumstände:<br />

Kritische Einweisungsumstände vor der Aufnahme können durch <strong>die</strong> Risikofaktoren<br />

einer unfreiwilligen Aufnahme, Einbezug <strong>von</strong> psychosozialem Krisen<strong>die</strong>nst und<br />

Heimpersonal angenommen werden. Für <strong>die</strong>se Fälle ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass<br />

(drohendes) eskalierendes aggressives <strong>Verhalten</strong> häufig als Einweisungsgrund vorlag.<br />

Interessant ist in <strong>die</strong>sem Zusammenhang, dass <strong>die</strong> Beteiligung <strong>von</strong> Bekannten oder<br />

Angehörigen das Risiko <strong>für</strong> aggressives <strong>Verhalten</strong> zu reduzieren scheint. Dies könnte<br />

einerseits auf einen günstigeren Verlauf mit Erhalt eines funktionierenden sozialen<br />

Netzes hinweisen und/ oder auf den positiven Einfluss <strong>von</strong> Vertrauenspersonen der<br />

Kranken. Die Reduktion des Aggressionsrisikos bei Veranlassung der Einweisung<br />

durch <strong>die</strong> in den Heimen tätigen Psychiater könnte darauf zurückzuführen sein, dass<br />

hier in der Regel geplante Aufnahmen vorlagen. In beiden Fällen werden <strong>die</strong><br />

Aufnahmeumstände weniger dramatisch gewesen sein und <strong>die</strong> Patienten zu einer<br />

geordneten Aufnahme noch in der Lage.<br />

3. Diagnosen:<br />

Organische psychische Störungen wurden mittels der logistischen Regression als ein<br />

Hauptrisikofaktor identifiziert, obwohl <strong>die</strong>se Diagnose in der Indexgruppe nicht<br />

häufiger gestellt wurde. Die zweite Diagnosengruppe, <strong>die</strong> sich als deutlicher<br />

Risikofaktor herausstellte, war <strong>die</strong> Gruppe der schizophrenen, schizoaffektiven,<br />

schizotypen und wahnhaften Störungen (F2). Diese Diagnosegruppen wurden auch in<br />

einigen früheren Stu<strong>die</strong>n gehäuft als Riskofaktor identifiziert (Myers und Dunner,<br />

1984; Rossi et al., 1986; Cooper und Mendonca, 1989; Noble und Rodger, 1989;<br />

Binder und McNiel, 1990; Convit et al., 1990; Tam et al., 1996; Räsänen et al., 1998;<br />

Spießl et al., 1998; Grassi et al., 2001).<br />

Der Vergleich <strong>die</strong>ser Ergebnisse mit früheren Untersuchungen ist nur begrenzt<br />

möglich, da <strong>die</strong> Untersuchungen mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen<br />

durchgeführt wurden. Prospektive Stu<strong>die</strong>n aller klinisch behandelten Patienten unter<br />

- 58 -


Anwendung multivariater statististischer Verfahren existieren kaum. Diese Stu<strong>die</strong> ist<br />

am ehesten in Design und Methodik mit der Stu<strong>die</strong> <strong>von</strong> Rüesch et al. (2003)<br />

vergleichbar, <strong>die</strong> über 6 Monate an 6 psychiatrischen Kliniken durchgeführt wurde<br />

mit einem ähnlich operationalisierten Erhebungsinstrument wie der SOAS. Die<br />

Autoren fanden bei jüngeren, männlichen Patienten ohne Beschäftigung, mit<br />

höherem Schwergrad der Erkrankung, häufigeren Rehospitalisierungen und<br />

unfreiwilligen Aufnahmen ein erhöhtes Risiko <strong>für</strong> aggressives <strong>Verhalten</strong>. Ein<br />

Zusammenhang diagnostischer Gruppen mit einem erhöhten Risiko <strong>für</strong> aggressives<br />

<strong>Verhalten</strong> wurde in <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> allerdings nicht nachgewiesen. Frühere<br />

Aggressionen und plötzliche Zornausbrüche erhöhten in der Rüesch - Stu<strong>die</strong> dagegen<br />

<strong>die</strong> Wahrscheinlichkeit aggressiven <strong>Verhalten</strong>s erheblich.<br />

Die in <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> mit logistischer Regression identifizierten Risikofaktoren erklären<br />

nur einen begrenzten Teil der Varianz. Dies bestätigt <strong>die</strong> unter 2.1.5. formulierte<br />

Hypothese, dass <strong>die</strong> Vorhersage fremdaggressiven <strong>Verhalten</strong>s durch<br />

soziodemografische, Erkrankungs- und Verlaufsmerkmale nur in einem begrenzten<br />

Ausmaß möglich ist. Bei zukünftigen Untersuchungen sollten interaktionelle,<br />

personelle und institutionelle Faktoren zusätzlich berücksichtigt werden. Darüber<br />

hinaus gingen in <strong>die</strong>se Untersuchung patientenbezogene, in früheren<br />

Untersuchungen identifizierte Merkmale wie aktuelle Psychopathologie,<br />

Substanzabusus und aggressives <strong>Verhalten</strong> in der Vorgeschichte, wie bereits bei der<br />

kritischen Betrachtung des methodischen Vorgehens ausgeführt, nicht mit ein.<br />

Interventionen<br />

Interventionen zur Beendigung der Aggression<br />

Die Anwendung <strong>von</strong> Zwangsmaßnahmen war bei etwa einem Drittel der<br />

Interventionen zur Beendigung des aggressiven <strong>Verhalten</strong>s notwendig. Am<br />

häufigsten wurde Fixierung, dann Festhalten und Zwangsmedikation und am<br />

seltensten Isolierung angegeben. Bei 7% der Nennungen war keine Intervention<br />

erforderlich. Bei den Interventionen ohne Zwang wurde mit 33% am häufigsten das<br />

<strong>Ge</strong>spräch mit dem Patienten genannt, dann <strong>die</strong> Entzerrung der Situation, z. B. durch<br />

Wegbegleiten des Patienten, und orale Bedarfsmedikation, am seltensten eine<br />

Einzelbetreuung (11%). Insgesamt kam es unter Berücksichtigung der<br />

- 59 -


eingreifendsten Intervention bei den 441 Vorfällen bei gut einem Drittel zu<br />

Zwangsmaßnahmen und bei 18% zur Gabe <strong>von</strong> Psychopharmaka, bei 46% war<br />

weder <strong>die</strong> Anwendung <strong>von</strong> Zwang noch <strong>die</strong> Gabe <strong>von</strong> Psychopharmaka notwendig.<br />

Bowers et al. (2002) beschrieben <strong>für</strong> 74% der aggressiven Vorfälle auf einer akuten<br />

psychiatrischen Aufnahmestation das Festhalten als häufigste Intervention und mit<br />

jeweils 32% eine orale bzw. intramuskuläre Gabe <strong>von</strong> Psychopharmaka als<br />

zweithäufigste. In lediglich 2% der Fälle wurde eine Isolierung durchgeführt und in<br />

17% der Fälle war länger anhaltendes Festhalten (continuous holding) notwendig.<br />

Bei weiteren Untersuchungen auf akutpsychiatrischen Aufnahme- bzw.<br />

Psychosestationen wurden bei gut der Hälfte der aggressiven Vorfälle<br />

Zwangsmaßnahmen durchgeführt bzw. Psychopharmaka verabreicht (Grassi et al.,<br />

2001; Omérov et al., 2002). In der Untersuchung <strong>von</strong> Grassi et al. (2001) wurden<br />

jeweils <strong>für</strong> 19% Festhalten bzw. Fixierung als Zwangsmaßnahme genannt und in<br />

einer früheren Untersuchung <strong>von</strong> Torpy und Hall (1993) bei 15% Isolierung und 12%<br />

Festhalten. Als Interventionen ohne Anwendung <strong>von</strong> Zwang wurden am häufigsten<br />

<strong>Ge</strong>spräche und Wegführen des Patienten genannt (Omérov et al., 1995; Grassi et al.,<br />

2001; Omérov et al., 2002). Bei dementen Patienten wurde nach <strong>aggressivem</strong><br />

<strong>Verhalten</strong> in 76% bzw. 95% der Fälle auf Interventionen verzichtet (Palmstierna und<br />

Wistedt, 1987; Nilsson et al., 1988).<br />

Insgesamt sind <strong>die</strong>se Untersuchungen nur eingeschränkt vergleichbar, da<br />

unterschiedliche Erhebungsinstrumente angewendet wurden. Deutlich wird, dass<br />

abhängig vom Behandlungskontext unterschiedliche Zwangsmaßnahmen<br />

angewendet werden. Die Untersuchungen <strong>von</strong> Grassi et al. (2001) und Omérov et al.<br />

(2002) entsprechen am ehesten den Ergebnissen <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> mit jeweils gut 50%<br />

Anwendung <strong>von</strong> Zwangsmaßnahmen bzw. Gabe <strong>von</strong> Psychopharmaka. <strong>Ge</strong>spräche<br />

und Wegführen des Patienten scheinen übereinstimmend mit unserer Untersuchung<br />

<strong>die</strong> häufigsten Interventionen ohne Anwendung <strong>von</strong> Zwang zu sein. Dies bestätigt<br />

<strong>die</strong> unter 2.2.1. formulierte Hypothese, dass eine Bandbreite unterschiedlicher<br />

Interventionen mit und ohne Zwang, häufig Mehrfachmaßnahmen, angewendet<br />

wird. Insgesamt gibt es keine klar umrissenen Indikationen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Anwendung <strong>von</strong><br />

Zwangsmaßnahmen (Steinert, 2004) und <strong>die</strong> Häufigkeit und Art der<br />

Zwangsmaßnahmen scheint nicht nur <strong>von</strong> den Patienten- und Erkrankungsvariablen,<br />

- 60 -


sondern ebenfalls <strong>von</strong> den Kliniken selbst und im internationalen Vergleich <strong>von</strong><br />

<strong>Ge</strong>setzen und Verordnungen abhängig zu sein (siehe auch S. 11-13).<br />

Analyse des Zusammenhangs zwischen der Schwere fremdaggressiver<br />

Vorfälle und der nachfolgenden Intervention<br />

In <strong>die</strong>ser Untersuchung fand sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem<br />

Schweregrad des aggressiven Vorfalles und der nachfolgenden Intervention.<br />

Benjaminsen et al. (1995) stellten eine deutliche positive Korrelation zwischen der<br />

Anwendung <strong>von</strong> Zwangsmaßnahmen und <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> fest, ohne den<br />

Schweregrad mit zu berücksichtigen. Darüber hinaus fand ich bei meiner Recherche<br />

keine Untersuchung, <strong>die</strong> sich mit <strong>die</strong>ser speziellen Fragestellung beschäftigt hat.<br />

Die unter 2.2.2. aufgeführte Hypothese, dass bei fremd<strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> mit<br />

größerer Schwere Zwangsmaßnahmen wahrscheinlicher durchgeführt werden,<br />

bestätigt sich nicht.<br />

Merkmale <strong>von</strong> Patienten mit leichtgradig <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> und<br />

nachfolgende Intervention<br />

Bei der Untersuchung <strong>von</strong> Alter, <strong>Ge</strong>schlecht, rechtlichem Status und der Frequenz<br />

<strong>von</strong> vorherigen aggressiven Episoden im Untersuchungsjahr und der nachfolgenden<br />

Intervention fand sich, entgegen unserer unter 2.2.3. formulierten Hypothese, kein<br />

signifikanter Zusammenhang.<br />

Gudjonsson et al. (2004) untersuchten den Zusammenhang verschiedener Faktoren<br />

mit der Wahl der Intervention (Gabe <strong>von</strong> Medikation, Festhalten und Isolierung) nach<br />

<strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong>. Der größte Zusammenhang <strong>für</strong> alle drei Interventionen zeigte<br />

sich nach Angriffen auf Pflegepersonal (OR=2,53–3,38), Agitation (OR=2,04-2,50)<br />

und bei Fluchtversuchen mit Festhalten (OR=3,73) und Medikation (OR=2,37).<br />

Korkeila et al. (2002) stellten einerseits einen Zusammenhang zwischen der<br />

Anwendung <strong>von</strong> Zwangsmaßnahmen und der jeweiligen Institution fest und<br />

andererseits waren frühere Einweisungen und unfreiwilliger rechtlicher Status<br />

<strong>Prädiktoren</strong> <strong>für</strong> häufigere Zwangsmaßnahmen bzw. eine längere kumulative Dauer<br />

(„heavy use“: Isolierung oder/ und Fixierung ≥3x und kumulative Dauer ≥24<br />

Stunden). Wynn et al. (2002) fanden einen Zusammenhang zwischen Alter,<br />

- 61 -


<strong>Ge</strong>schlecht und Diagnose und der angewendeten Zwangsmaßnahme. Festhalten<br />

(physical restraint) wurde häufiger bei männlichen, jüngeren, nicht psychotischen<br />

Patienten angewendet, eine Zwangsmedikation bei weiblichen bzw. älteren Patienten<br />

mit der Diagnose einer psychotischen Störung und Isolierung bei älteren Patienten<br />

mit einer organischen psychotischen Störung. Ein standardisiertes Instrument zur<br />

Erhebung des aggressiven <strong>Verhalten</strong>s wurde in den zitierten Stu<strong>die</strong>n leider nicht<br />

eingesetzt, sodass ein Zusammenhang zwischen der Schwere des aggressiven<br />

<strong>Verhalten</strong>s und der Intervention nicht untersucht werden konnte. Ein Vergleich der<br />

mir bekannten Stu<strong>die</strong>n mit unserem Untersuchungsansatz ist nur äußerst<br />

eingeschränkt möglich.<br />

Möglicherweise spielen antizipatorische Beurteilungen über <strong>die</strong> zu erwartenden<br />

<strong>Verhalten</strong>sweisen <strong>von</strong> Indexpatienten eine größere Rolle als Merkmale des Ereignisses<br />

selbst. Diese Frage bedarf jedoch dringend der weiteren Forschung, da rationale und<br />

nachvollziehbare Entscheidungen über Interventionen auch unter ethischen<br />

<strong>Ge</strong>sichtspunkten dringend zu fordern sind.<br />

5.3. Schlussfolgerung und Ausblick<br />

Obwohl schwere aggressive Vorfälle mit Verletzungen, <strong>die</strong> eine Behandlung des<br />

Opfers erforderlich machen, relativ selten sind, zeigen Befragungen <strong>von</strong> Personal aus<br />

dem psychiatrisch-stationären Bereich und <strong>die</strong> klinische Erfahrung, dass der Umgang<br />

mit aggressiven oder bedrohlich wirkenden Patienten den Arbeitsalltag erheblich<br />

prägt, insbesondere auf allgemeinpsychiatrischen Akutstationen.<br />

Ein ungünstigerer Krankheitsverlauf (Indikatoren: keine Beschäftigung, Leben im<br />

Heim), <strong>die</strong> Umstände, <strong>die</strong> zur Aufnahme führen (Einbezug Krisen<strong>die</strong>nst, Personal aus<br />

Heimen, PsychKG) und bestimmte Diagnosegruppen (ICD10: F0 und F2) sind<br />

Risikofaktoren <strong>für</strong> aggressives <strong>Verhalten</strong>. Die Aussagekraft zur Prädiktion aggressiven<br />

<strong>Verhalten</strong>s unter Berücksichtigung <strong>die</strong>ser Patientenmerkmale ist im begrenzten<br />

Umfang möglich. Die Größen der Stichproben einiger diagnostischer Gruppen in<br />

<strong>die</strong>ser Untersuchung waren relativ klein, multizentrische Stu<strong>die</strong>n mit größeren<br />

Stichproben wären hier zukünftig notwendig.<br />

Zukünftige Forschung sollte zusätzlich den Einfluss <strong>von</strong> Umgebungsfaktoren und<br />

Interaktionsmustern auf aggressive <strong>Verhalten</strong>sweisen verstärkt berücksichtigen.<br />

- 62 -


Da wenige Patienten <strong>für</strong> einen großen Teil der Vorfälle verantwortlich sind, ist ein<br />

notwendiger weiterer Schwerpunkt <strong>die</strong> Untersuchungen der Dynamik sich häufig<br />

wiederholender fremdaggressiver Vorfälle einzelner Patienten, insbesondere unter<br />

Berücksichtigung der jeweiligen Diagnosegruppen.<br />

Im klinischen Alltag könnte eine zeitnahe Fallsupervision bei wiederholt aggressiven<br />

Patienten eine Möglichkeit sein, aggressionsverstärkende Faktoren frühzeitig zu<br />

identifizieren und in der Behandlungsplanung zu berücksichtigen.<br />

Das fortlaufende Monitoring <strong>von</strong> <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> durch Patienten und der<br />

durchgeführten Zwangsmaßnahmen ermöglicht das <strong>Vorkommen</strong> und den<br />

Schweregrad <strong>von</strong> <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> und <strong>die</strong> Anwendung <strong>von</strong><br />

Zwangsmaßnahmen zu evaluieren. Handlungsansätze mit dem Ziel der Reduktion <strong>von</strong><br />

<strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> und Zwangsmaßnahmen können so in ihrer Wirksamkeit im<br />

Verlauf überprüft werden. Erforderlich sind Stu<strong>die</strong>n zur Effektivität <strong>von</strong> Interventionen<br />

zur Vermeidung und Reduktion aggressiven <strong>Verhalten</strong>s und <strong>von</strong> Zwangsmaßnahmen.<br />

Insgesamt verdeutlichen <strong>die</strong> Untersuchungsergebnisse <strong>die</strong> Komplexität aggressiver<br />

<strong>Verhalten</strong>smuster und <strong>die</strong> Schwierigkeit bei der Wahl der Interventionen zur<br />

Bewältigung der Eskalation auf professioneller Seite. Ziel sollte eine<br />

indikationsspezifischere, weniger <strong>von</strong> institutionellen <strong>Ge</strong>wohnheiten abhängige<br />

Entscheidung bei der Wahl der Interventionen sein. Hierzu bedarf es weiterer<br />

Forschung, um <strong>die</strong> Komplexität der Einflussfaktoren auf <strong>die</strong> Wahl der jeweiligen<br />

Intervention bei <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> besser analysieren und <strong>die</strong> Indikationen<br />

spezifischer stellen zu können.<br />

Abschließend soll darauf hingewiesen werden, dass eine konsequente ambulante<br />

psychiatrisch/ psychotherapeutische Behandlung mit der Integration aufsuchender<br />

Hilfen und rehabilitativer Beschäftigungsmaßnahmen wichtige Ansätze zur Reduktion<br />

aggressiven <strong>Verhalten</strong>s schon im Vorfeld einer psychiatrisch stationären Behandlung<br />

sein könnten.<br />

- 63 -


6. Zusammenfassung<br />

Fragestellung: In <strong>die</strong>ser klinischen Stu<strong>die</strong> wurden Prävalenz und Charakteristika<br />

fremdaggressiven <strong>Verhalten</strong>s, <strong>die</strong> darauf folgenden Interventionen und <strong>Prädiktoren</strong><br />

<strong>für</strong> Patienten mit fremd<strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> mit einer systematischen<br />

Dokumentation aggressiver Vorfälle in einer klinischen <strong>Ge</strong>samtpopulation untersucht.<br />

Material/ Methoden: Im Jahr 2000 wurden alle fremdaggressiven Vorfälle mit der<br />

Staff Observation Aggression Scale (SOAS) auf den Stationen der Abteilungen<br />

Allgemeine Psychiatrie, Abhängigkeitserkrankungen und <strong>Ge</strong>rontopsychiatrie erfasst.<br />

Die SOAS wurde <strong>von</strong> den Autoren ins Deutsche übersetzt und in das eigene<br />

Dokumentationsverfahren integriert. Sie ergänzt <strong>die</strong> in <strong>die</strong>ser Klinik ebenfalls<br />

systematisch erfassten Anordnungen der Fixierungen, Isolierungen und<br />

Zwangsmedikationen. Gleichzeitig wurden <strong>die</strong>se Daten auf der Personenebene mit<br />

der klinischen Basisdokumentation verknüpft. Die Patienten mit <strong>aggressivem</strong><br />

<strong>Verhalten</strong> (n=171) bildeten <strong>die</strong> Untersuchungsgruppe. Alle anderen aufgenommen<br />

Patienten (n=2039) bildeten <strong>die</strong> erste Vergleichsgruppe. Eine zweite<br />

Vergleichsgruppe nicht aggressiver Patienten (n=171) wurde nach den<br />

Parallelisierungskriterien <strong>Ge</strong>schlecht, Diagnose, Alter und Abteilung gematcht. Die<br />

personenbezogene Auswertung erfolgte in Bezug auf den letzten Indexvorfall im Jahr<br />

2000. Als potentielle <strong>Prädiktoren</strong> <strong>für</strong> Patienten mit fremd<strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong><br />

wurden soziodemografische, Erkrankungs- und Verlaufsmerkmale mittels logistischer<br />

Regression untersucht.<br />

Ergebnisse: 441 fremdaggressive Vorfälle <strong>von</strong> 171 Personen wurden erfasst. Mit der<br />

Einteilung zur Schwere des Vorfalles nach der SOAS konnten <strong>von</strong> den 441 Vorfällen<br />

59,9% als leicht, 36,3% als mittelschwer und 3,9% als schwerwiegend eingestuft<br />

werden. Wenige Patienten (8,2%) waren <strong>für</strong> einen großen Teil der Vorfälle (38,8%)<br />

verantwortlich. Behandlungsbedürftige körperliche Verletzungen als Folge <strong>von</strong><br />

aggressiven Handlungen waren selten (4,3%). Die Anwendung <strong>von</strong><br />

Zwangsmaßnahmen war bei etwa einem Drittel der Interventionen zur Beendigung<br />

des aggressiven <strong>Verhalten</strong>s notwendig. <strong>Prädiktoren</strong> <strong>für</strong> Patienten mit<br />

fremd<strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> während der psychiatrisch stationären Behandlung<br />

waren vor allem Heimunterbringung, fehlende Beschäftigung, Beteiligung des<br />

psychosozialen Krisen<strong>die</strong>nstes oder <strong>von</strong> Heimmitarbeitern bei der Aufnahme,<br />

- 64 -


unfreiwillige Aufnahme (Betreuungsrecht oder Landesunterbringungsrecht) und<br />

Diagnose einer organischen psychischen Störung oder einer Schizophrenie (ICD10:<br />

F0, F2).<br />

Diskussion: Ein ungünstiger Krankheitsverlauf, kritische Einweisungsumstände und<br />

<strong>die</strong> Diagnose einer organischen psychischen Störung oder einer Schizophrenie<br />

(ICD10: F0, F2) wurden als Risikofaktoren identifiziert. Die Entwicklung<br />

therapeutischer Interventionen <strong>für</strong> schwer gestörte Patienten mit <strong>die</strong>sen Diagnosen<br />

während der stationären Behandlung und deeskalierende Maßnahmen bereits vor der<br />

Aufnahme könnten zu einer effektiven Prävention <strong>von</strong> <strong>aggressivem</strong> <strong>Verhalten</strong> führen.<br />

Weitere prospektive und multivariate Stu<strong>die</strong>n unter Berücksichtigung zusätzlicher<br />

Variablen sind notwendig um zusätzliche Risikofaktoren identifizieren zu können.<br />

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Anhang<br />

- 80 -


Erfassungsbogen zu <strong>Ge</strong>waltsituationen durch PatientInnen<br />

Patientendaten:<br />

Station: .....................................<br />

Pat.-Name: ...............................<br />

( oder Etikett)<br />

Rechtssituation des Patienten/der Patientin:<br />

freiwillig<br />

PsychKG einschließlich Beantragung einer<br />

Unterbringung nach PsychKG<br />

Unterbringung nach Betreuungsrecht (BGB)<br />

Sonstige wie §63, §64 StGB, §126a StPO: ..................<br />

<strong>Ge</strong>nehmigung durch BetreuerIn RichterIn liegt vor<br />

1. Kurze Beschreibung des Vorfalls<br />

Ort des Vorfalls: auf der Station...... außerhalb......... Zeitpunkt des Vorfalls (Datum/Uhrzeit):......................................<br />

......................................................................................................................................................................................................<br />

……………………………………………………………………………………………………………………………..……<br />

…………………………………………………………………………......……………………….…………………………...<br />

…………………………………………………………………………………………………………………………………..<br />

2. Anwesende MitarbeiterInnen zum Zeitpunkt des Vorfalls<br />

Pflege Auszub./Prakt. Ärztin/Arzt Ergoth. Psychol./Soz.-Päd./SozialarbeiterInnen<br />

3. Autoaggressive Handlungen:<br />

...................................................................................................................................................................................................<br />

4. Fremdaggressive Handlungen:<br />

Auslöser der<br />

aggressiven<br />

Handlungen<br />

Kein nachvollziehbarer<br />

Auslöser<br />

Konflikt mit Mitpat.<br />

PflegerischeTätigkeiten<br />

wie:<br />

.............................<br />

.............................<br />

.............................<br />

.............................<br />

Personal verlangt<br />

Medikamenten-<br />

Einnahme<br />

PatientIn verneint/<br />

will etwas nicht<br />

Andere Gründe:<br />

................................<br />

................................<br />

................................<br />

Vom/<strong>von</strong> PatientIn<br />

benutzte Mittel<br />

Verbale <strong>Ge</strong>walt, z.b.<br />

Beschimpfungen/<br />

Bedrohungen, incl.<br />

sexuelle Inhalte<br />

physische Bedrohung<br />

(durch drohende<br />

Körperhaltung)<br />

Faustschläge o.ä.<br />

Fußtritte o.ä.<br />

Zuhilfenahme <strong>von</strong><br />

<strong>Ge</strong>genständen<br />

Welche:...................<br />

Beißen/Spucken<br />

Würgeversuch<br />

Messer<br />

Andere Mittel:<br />

................................<br />

................................<br />

................................<br />

...............................<br />

Ziel der Aggression<br />

Ziellos<br />

<strong>Ge</strong>genstände<br />

Mitarbeiter:<br />

Pflege<br />

Auszub./Prakt.<br />

Ärztin/Arzt<br />

Hauswirtschaft<br />

Andere Berufsgruppen:<br />

.................................<br />

Andere/r<br />

PatientInnen<br />

Andere Person/en<br />

<strong>Ge</strong>schlecht:<br />

weiblich<br />

männlich<br />

Konsequenz(en) <strong>für</strong><br />

das/<strong>die</strong> Opfer<br />

keine<br />

<strong>Ge</strong>genstände:<br />

Zerstört, nicht<br />

ersetzt<br />

Zerstört, ersetzt<br />

Personen:<br />

<strong>Ge</strong>fühl <strong>von</strong><br />

Bedrohung<br />

Schmerzdauer<br />

< 10 Min<br />

Schmerzdauer<br />

>10 Min<br />

Sichtbare<br />

Verletzung<br />

Behandlung durch<br />

Arzt nötig<br />

Interventionen zur<br />

Beendigung der<br />

Aggression<br />

Keine<br />

<strong>Ge</strong>spräch mit<br />

Patient<br />

Situation wird<br />

entzerrt, z.B.<br />

PatientIn aufs<br />

Zimmer gebeten<br />

Einzelbetreuung<br />

orale Bedarfsmedikation<br />

Zwangsmedikation:<br />

orale<br />

i.m.<br />

i.v.<br />

Festhalten des<br />

Patienten mit<br />

Anwendung <strong>von</strong><br />

<strong>Ge</strong>walt<br />

Isolierung<br />

Fixierung<br />

Isolierungen/Fixierungen und Zwangsmedikation müssen auf den da<strong>für</strong> vorgesehenen Formularen erfaßt werden<br />

Datum: Zeit: Unterschrift:<br />

per Fax an das Sekretariat Ärztliche Leitung - 3841<br />

per Fax an das Sekretariat Pflege<strong>die</strong>nstleitung - 2108<br />

Formular ist erhältlich im Sekretariat Frau Osenger.<br />

- 81 -


- 82 -


- 83 -


- 84 -


Danksagung<br />

Mein besonderer Dank gilt Prof. Dr. Martin Driessen <strong>für</strong> seine Ermutigung, <strong>die</strong><br />

engagierte Betreuung und <strong>die</strong> schnelle fachliche Korrektur der Arbeit. Dem<br />

Soziologen Christian Zechert verdanke ich <strong>die</strong> fachliche Unterstützung bei der<br />

statistischen Auswertung der Daten. Darüber hinaus möchte ich den vielen<br />

Mitarbeitern unserer Klinik danken, <strong>die</strong> durch ihr Engagement und Interesse <strong>die</strong>se<br />

Stu<strong>die</strong> erst möglich gemacht haben.<br />

Mein persönlicher Dank richtet sich an meinen Ehemann und meine Kinder, <strong>die</strong> mir<br />

durch ihre <strong>Ge</strong>duld und Nachsicht geholfen haben, <strong>die</strong>se Arbeit fertig zu stellen.<br />

- 85 -


Lebenslauf<br />

Name<br />

Regina Ketelsen<br />

<strong>Ge</strong>burtsdatum 16.09.1957<br />

<strong>Ge</strong>burtsort<br />

Aachen<br />

Eltern<br />

Ernst Günter Ketelsen<br />

Christel Marianne Ketelsen, geb. Leißner<br />

Ehemann<br />

Hans Kohl - Ketelsen<br />

Kinder Mara Ketelsen, geb. 29.04.1985<br />

Jan Ketelsen, geb. 06.06.1987<br />

Malte Ketelsen, geb. 16.10.1992<br />

1964-1967 Evangelische Volksschule Reumontstraße, Aachen<br />

1967-1973 Städt. Realschule <strong>für</strong> Jungen und Mädchen, Aachen<br />

1973-1976 Einhard - Gymnasium, Aachen<br />

1976-1983 Studium der Medizin an der Medizinischen Fakultät der RWTH<br />

Aachen<br />

1983-1988 Auslandsaufenthalt<br />

1988-1995 Assistenzärztin, Psychiatrische Klinik, Gilead, Bethel, Bielefeld<br />

1990-1994 Ausbildung in Familientherapie am Institut <strong>für</strong><br />

Familientherapie Weinheim<br />

11.03.1995 Fachärztin <strong>für</strong> Psychiatrie<br />

Seit 1995<br />

Oberärztin an der Klinik <strong>für</strong> Psychiatrie und Psychotherapie in<br />

Bethel, Evangelisches Krankenhaus Bielefeld<br />

07.02.2001 Zusatzbezeichnung Psychotherapie<br />

17.11.2002 Fachärztin <strong>für</strong> Psychiatrie und Psychotherapie<br />

1999-2004 Datenerhebung<br />

2001-2005 Auswertung der Daten des Jahres 2000 und Anfertigung der<br />

Dissertation<br />

- 86 -

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