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Handout zum CERN-Besuch vom 10. Oktober ... - studienstiftung.ch

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<strong>Handout</strong> <strong>zum</strong> <strong>CERN</strong>-<strong>Besu<strong>ch</strong></strong><br />

<strong>vom</strong> <strong>10.</strong> <strong>Oktober</strong> 2013<br />

S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Studienstiftung<br />

Ein Einblick in die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te und Entwicklung des <strong>CERN</strong>, sowie einige Grundlagen zur<br />

Teil<strong>ch</strong>enphysik und zu Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leunigern<br />

Verfasst von:<br />

Nadine Grädel – nadine.graedeliberg@lincoln.ox.ac.uk<br />

Hélène Seiler – helene.seiler@epfl.<strong>ch</strong><br />

Überarbeitet von:<br />

Christian Elsasser – elsasser@cern.<strong>ch</strong><br />

20. August 2013


1 Einleitung 1<br />

Inhaltsverzei<strong>ch</strong>nis<br />

1 Einleitung 1<br />

2 Überblick zur Teil<strong>ch</strong>enphysik 2<br />

2.1 Grundbegriffe und ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2<br />

2.2 Elementarkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

2.3 Erhaltungssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

2.4 Der Spin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

2.5 Hadronen und Leptonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

2.6 Materie und Antimaterie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

2.7 Quarks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

2.8 Das Standardmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />

2.9 Das Higgs-Boson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

2.9.1 Versu<strong>ch</strong> einer ans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>en Erklärung: „Cocktailparty à la Higgs“ . . . . . . 9<br />

2.10 Probleme des Standardmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

2.11 Vereinheitli<strong>ch</strong>ende Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

3 Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leuniger 12<br />

3.1 Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

3.2 Einige Anwendungsbeispiele von Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leunigern . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

3.3 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

4 Über den <strong>CERN</strong> 17<br />

4.1 Facts <strong>zum</strong> <strong>CERN</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />

4.2 Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te und Highlights des <strong>CERN</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />

1 Einleitung<br />

Wir mö<strong>ch</strong>ten hier eine kurze Übersi<strong>ch</strong>t zu den vers<strong>ch</strong>iedenen (Elementar-)Teil<strong>ch</strong>en geben, die bisher<br />

entdeckt worden sind, und daraufhin auf das so genannte Standardmodell eingehen, wel<strong>ch</strong>es das aktuelle<br />

theoretis<strong>ch</strong>e Modell der Teil<strong>ch</strong>enphysik ist. Des Weiteren werden wir einige Informationen zu<br />

Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leunigern und, mit einem ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Überblick und einigen Highlights, die wi<strong>ch</strong>tigsten<br />

Fakten <strong>zum</strong> <strong>CERN</strong> liefern.


einigen Highlights, die wi<strong>ch</strong>tigsten Fakten <strong>zum</strong> <strong>CERN</strong> liefern.<br />

2 Überblick zur Teil<strong>ch</strong>enphysik<br />

2Das Überblick folgende zur Kapitel Teil<strong>ch</strong>enphysik soll einen kurzen Überblick zu einigen fundamentalen Konzepten der 2<br />

Teil<strong>ch</strong>enphysik geben, sowie einige wi<strong>ch</strong>tige Begriffe einführen.<br />

2Für die Überblick Führung am zur <strong>CERN</strong> Teil<strong>ch</strong>enphysik<br />

wird wenig Vorwissen in Teil<strong>ch</strong>enphysik vorausgesetzt werden. Man<br />

kann jedo<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> mehr profitieren, wenn man gewisse Begriffe s<strong>ch</strong>on einmal gehört hat und<br />

Das si<strong>ch</strong> folgende ein biss<strong>ch</strong>en Kapitel etwas soll darunter einen kurzen vorstellen Überblick kann. zu einigen fundamentalen Konzepten der Teil<strong>ch</strong>enphysik<br />

geben, sowie einige wi<strong>ch</strong>tige Begriffe einführen. Für die Führung am <strong>CERN</strong> wird wenig<br />

Vorwissen in Teil<strong>ch</strong>enphysik vorausgesetzt werden. Man kann jedo<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> mehr profitieren, wenn<br />

man gewisse Begriffe s<strong>ch</strong>on einmal gehört hat und si<strong>ch</strong> ein biss<strong>ch</strong>en etwas darunter vorstellen kann.<br />

2.1 Grundbegriffe und ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er Überblick<br />

2.1<br />

Was ist<br />

Grundbegriffe<br />

Teil<strong>ch</strong>enphysik<br />

und<br />

überhaupt?<br />

ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er<br />

Teil<strong>ch</strong>enphysik<br />

Überblick<br />

ist dasjenige Teilgebiet der Physik, wel<strong>ch</strong>es<br />

Was si<strong>ch</strong> ist der Teil<strong>ch</strong>enphysik Erfors<strong>ch</strong>ung von überhaupt? Teil<strong>ch</strong>en Teil<strong>ch</strong>enphysik widmet. Unter ist „Teil<strong>ch</strong>en“ dasjenigekann Teilgebiet man Moleküle, der Physik, Atome wel<strong>ch</strong>es oder si<strong>ch</strong><br />

der Nukleonen Erfors<strong>ch</strong>ung (Protonen von Teil<strong>ch</strong>en und widmet. Neutronen) Unter „Teil<strong>ch</strong>en“ verstehen. kann Heutzutage man Moleküle, versteht Atome oder man Nukleonen unter<br />

(Protonen Teil<strong>ch</strong>enphysik und Neutronen) jedo<strong>ch</strong> meist verstehen. die Erfors<strong>ch</strong>ung Heutzutage versteht von so man genannten unter Teil<strong>ch</strong>enphysik Elementarteil<strong>ch</strong>en. jedo<strong>ch</strong> meist Ein<br />

die Elementarteil<strong>ch</strong>en Erfors<strong>ch</strong>ung von kann so genannten in keine Elementarteil<strong>ch</strong>en. kleineren Einheiten Elementarteil<strong>ch</strong>en unterteilt werden kann und in kann keine somit kleineren als<br />

Einheiten Grundbaustein unterteilt der Materie werden und verstanden kann somit werden. als Grundbaustein der Materie verstanden werden.<br />

Zeita<strong>ch</strong>se, wel<strong>ch</strong>e die Entdeckung einiger Elementarteil<strong>ch</strong>en aufzeigt<br />

Abbildung 1: Zeita<strong>ch</strong>se, wel<strong>ch</strong>e die Entdeckung einiger Elementarteil<strong>ch</strong>en aufzeigt<br />

Bis Ende des 19. Jahrhunderts waren Fors<strong>ch</strong>er überzeugt, dass sie mit dem Atom den Grundbaustein<br />

der Materie entdeckt hatten. Als der britis<strong>ch</strong>e Physiker Thomson jedo<strong>ch</strong> im Jahr 1897<br />

Bis Ende des 19. Jahrhunderts waren Fors<strong>ch</strong>er überzeugt, dass sie mit dem Atom den Grundbaustein<br />

der Materie entdeckt hatten. Als der britis<strong>ch</strong>e Physiker Thomson jedo<strong>ch</strong> im Jahr 1897<br />

das Elektron entdeckte, wurde klar, dass das Atom ni<strong>ch</strong>t „atomos“ (grie<strong>ch</strong>. unteilbar) ist, sondern 2<br />

aus negativ geladenen Teil<strong>ch</strong>en, den Elektronen, und positiver Materie besteht. Letztere sollte na<strong>ch</strong><br />

Thomsons Vermutung homogen verteilt sein.<br />

Die Entdeckung der Gesetze der Quantenme<strong>ch</strong>anik gab der Teil<strong>ch</strong>enphysik einen ents<strong>ch</strong>eidenden<br />

S<strong>ch</strong>ub vorwärts. Die Teil<strong>ch</strong>ennatur des Li<strong>ch</strong>tes wurde unter anderem am Photoeffekt deutli<strong>ch</strong>, der<br />

anfangs des 20. Jahrhunderts dur<strong>ch</strong> Albert Einstein erklärt wurde. Dur<strong>ch</strong> eine Reihe von Experimenten<br />

gab es zudem mehr und mehr experimentelle Hinweise darauf, dass das Atom ein extrem


2 Überblick zur Teil<strong>ch</strong>enphysik 3<br />

kleines, di<strong>ch</strong>tes positiv geladenes Zentrum hat. Der Brite Lord Ernest Rutherford, der mit Streuexperimenten<br />

Evidenz hierfür geliefert hatte, nannte den Kern des Wasserstoffatoms Proton und<br />

prophezeite die Existenz des Neutrons, wel<strong>ch</strong>es jedo<strong>ch</strong> erst zwölf Jahre später (1931) von seinem<br />

Landsmann Sir James Chadwick entdeckt wurde. Chadwick s<strong>ch</strong>loss mit dieser Entdeckung au<strong>ch</strong> auf<br />

die Existenz der „starken Kraft“, wel<strong>ch</strong>e den Atomkern zusammenhält. Diese Kraft ist eine der vier<br />

Elementarkräfte, auf wel<strong>ch</strong>e wir später eingehen werden.<br />

Um 1930 entdeckte Paul Dirac, dass die in seiner Glei<strong>ch</strong>ung (Dirac-Glei<strong>ch</strong>ung) auftretenden positiven<br />

Teil<strong>ch</strong>en eine neue Spezies von Elementarteil<strong>ch</strong>en darstellen, wel<strong>ch</strong>e er Positronen nannte. Das<br />

Positron, wel<strong>ch</strong>es einige Jahre später experimentell na<strong>ch</strong>gewiesen wurde, ist das Antiteil<strong>ch</strong>en <strong>zum</strong><br />

Elektron. Au<strong>ch</strong> auf Antiteil<strong>ch</strong>en wird später no<strong>ch</strong> eingegangen werden.<br />

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Abbildung 2: Illustration, wel<strong>ch</strong>e den Aufbau des Atoms erkärt: Vom Atom <strong>zum</strong> Quark<br />

! !<br />

Um den Beta-Zerfall 1 energetis<strong>ch</strong> erklären zu können, musste dem Modell ein weiteres Teil<strong>ch</strong>en<br />

hinzugefügt werden, das Neutrino. Bereits 1930 von Wolfgang Pauli vorhergesagt, wurde das Neutrino<br />

erst 16 Jahre später entdeckt.<br />

Mit dessen Entdeckung s<strong>ch</strong>loss man auf die Existenz der so genannten s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en Kraft, ebenfalls<br />

eine der vier fundamentalen We<strong>ch</strong>selwirkungen.<br />

Um 1933 stellte Hideki Yukawa die Theorie auf, dass man nukleare We<strong>ch</strong>selwirkungen phänomenologis<strong>ch</strong><br />

dur<strong>ch</strong> Austaus<strong>ch</strong> von sogenannte Pionen 2 bes<strong>ch</strong>reiben kann. In den 50er Jahren begann eine<br />

explosionsartige Erweiterung des Teil<strong>ch</strong>enmodells.<br />

Den Grundstein für unser heutiges „Standardmodell“ legten C. N. Yang und Robert Mills im Jahre<br />

1954 mit ihren so genannten „Ei<strong>ch</strong>-Theorien“.<br />

1 Der Betazerfall ist ein radioaktiver Zerfallstyp eines Atomkerns. In Folge des Zerfallvorgangs verlässt ein energierei<strong>ch</strong>es<br />

Betateil<strong>ch</strong>en – Elektron oder Positron – den Kern.<br />

2 Die Pionen, au<strong>ch</strong> π-Mesonen genannt, gehören zu den Hadronen. Sie sind aus zwei Quarks aufgebaut.


2 Überblick zur Teil<strong>ch</strong>enphysik 4<br />

2.2 Elementarkräfte<br />

In der Natur wirken vier fundamentale Kräfte (siehe Tabelle 1 für eine Übersi<strong>ch</strong>t). In der Grössenordung<br />

unseres tägli<strong>ch</strong>en Lebens sind jedo<strong>ch</strong> nur die elektromagnetis<strong>ch</strong>e Kraft und die Gravitation<br />

für uns spürbar, da diese beiden Kräfte eine weitaus grössere Rei<strong>ch</strong>weite haben als die s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>e<br />

und die starke We<strong>ch</strong>selwirkung. Letztere wirken nur auf mikroskopis<strong>ch</strong>en Skalen.<br />

Die s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>e We<strong>ch</strong>selwirkung: Die s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>e We<strong>ch</strong>selwirkung wirkt zwis<strong>ch</strong>en (linkshändigen)<br />

Quarks und Leptonen und ihren (re<strong>ch</strong>tshändigen) Antiteil<strong>ch</strong>en 3 . Dabei kann sie wie andere<br />

Kräfte für Energie- und Impuls-Austaus<strong>ch</strong> sorgen, wirkt aber vor allem bei Zerfällen oder Umwandlungen<br />

der beteiligten Teil<strong>ch</strong>en, etwa dem Betazerfall bestimmter radioaktiverAtomkerne.<br />

Die starke We<strong>ch</strong>selwirkung: Die starke We<strong>ch</strong>selwirkung, wel<strong>ch</strong>e die stärkste der vier Grundkräfte<br />

ist, wird au<strong>ch</strong> starke Kernkraft genannt, da sie für den Zusammenhalt der Atomkerne 4 und<br />

der Hadronen selbst (das heisst au<strong>ch</strong> der Nukleonen) verantwortli<strong>ch</strong> ist. Sie wirkt zwis<strong>ch</strong>en Quarks<br />

und bindet diese zu Hadronen. Die starke Kraft ist nur über sehr kurze Distanzen aktiv.<br />

In Tabelle 1 ist eine Übersi<strong>ch</strong>t zu den We<strong>ch</strong>selwirkungen und ihren Trägerteil<strong>ch</strong>en gegeben. Die<br />

Trägerteil<strong>ch</strong>en transportieren die Wirkung der Kraft. Bei diesen Teil<strong>ch</strong>en handelt es si<strong>ch</strong> um so<br />

genannte virtuelle Teil<strong>ch</strong>en. Diese virtuellen Teil<strong>ch</strong>en sind im Gegensatz zu reellen Teil<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t<br />

direkt beoba<strong>ch</strong>tbar, sondern man kann nur deren Wirkung messen (<strong>zum</strong> Beispiel die Anziehung der<br />

Gravitation).<br />

Trägerteil<strong>ch</strong>en Relative Stärke Rei<strong>ch</strong>weite<br />

Starke WW 8 Gluonen 1 2.5·10 −15<br />

Elektromagnetis<strong>ch</strong>e WW Photon 10 −2 ∞<br />

S<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>e WW W + - und W − - und Z-Teil<strong>ch</strong>en 10 −13 10 −18<br />

Gravitation Graviton (hypothetis<strong>ch</strong>) 10 −38 ∞<br />

Tabelle 1: Übersi<strong>ch</strong>t zu den Elementarkräften<br />

2.3 Erhaltungssätze<br />

Wenn eine denkbare Reaktion ni<strong>ch</strong>t stattfindet, muss es dafür einen Grund geben. Dieser Grund<br />

lässt si<strong>ch</strong> meist darin finden, dass bei der Reaktion ein Erhaltungssatz verletzt würde.<br />

Der Satz zur Energieerhaltung <strong>zum</strong> Beispiel s<strong>ch</strong>liesst aus, dass ein Teil<strong>ch</strong>en in zwei insgesamt s<strong>ch</strong>werere<br />

Teil<strong>ch</strong>en zerfällt. Ein weiterer wi<strong>ch</strong>tiger Satz ist derjenige der Impulserhaltung. Aus diesem folgt<br />

<strong>zum</strong> Beispiel, dass bei Auslös<strong>ch</strong>ung eines Teil<strong>ch</strong>ens mit seinem Antiteil<strong>ch</strong>en (Annihilation) zwei Photonen<br />

emittiert werden müssen, wel<strong>ch</strong>e in jeweils entgegengesetzte Ri<strong>ch</strong>tungen davonfliegen.<br />

Ausserdem muss die Drehimpulserhaltung gelten und als vierter Erhaltungssatz muss die elektris<strong>ch</strong>e<br />

Ladung erhalten bleiben. Letzteres heisst, dass die Summen der elektris<strong>ch</strong>en Ladungen vor und na<strong>ch</strong><br />

der Reaktion übereinstimmen müssen. In der Elementarteil<strong>ch</strong>enphysik s<strong>ch</strong>ränken ausserdem die Erhaltung<br />

der Baryonen- und der Leptonenzahl die Anzahl mögli<strong>ch</strong>er Zerfälle ein. Das heisst konkret,<br />

3 Links- und Re<strong>ch</strong>tshändigkeit bezei<strong>ch</strong>net die Ausri<strong>ch</strong>tung des Spins eines Teil<strong>ch</strong>ens (siehe untenstehender Abs<strong>ch</strong>nitt)<br />

zu dessen Impuls.<br />

4 Gäbe es die starke Kraft ni<strong>ch</strong>t, so müssten si<strong>ch</strong> die positiv geladenen Protonen im Atomkern abstossen.


2 Überblick zur Teil<strong>ch</strong>enphysik 5<br />

dass mit jeder Erzeugung eines Baryons oder Leptons in einem Zerfall ein Antiteil<strong>ch</strong>en desselben<br />

Typs entstehen muss.<br />

Erhaltungssätze und Symmetrien spielen eine sehr wi<strong>ch</strong>tige Rolle in der Physik. Von deren Erfors<strong>ch</strong>ung<br />

erhofft man si<strong>ch</strong> weitere Erkenntnisse zu fundamentalen Fragen. So könnte die so genannte<br />

CP-Verletzung eine mögli<strong>ch</strong>e Erklärung für die Materie-Antimaterie-Asymmetrie sein, wel<strong>ch</strong>e im<br />

Kapitel Antimaterie erwähnt wird.<br />

BEISPIEL: Wel<strong>ch</strong>er Erhaltungssatz ist verletzt?<br />

Um das Ganze ein biss<strong>ch</strong>en ans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>er zu ma<strong>ch</strong>en, kann man als einfa<strong>ch</strong>es Beispiel untersu<strong>ch</strong>en,<br />

ob der Zerfall eines Neutrons in ein Proton und ein Antipion ein erlaubter Zerfall ist.<br />

}{{} n →<br />

Baryon<br />

p<br />

}{{}<br />

Baryon<br />

Überprüfe die vers<strong>ch</strong>iedenen Erhaltungsgrössen:<br />

+ π −<br />

}{{}<br />

Meson<br />

• Energieerhaltung: 939 MeV(Ruheenergie Neutron) < 938 MeV + 139 MeV (Ruheenergien<br />

Proton und Pion) → der Zerfall ist also verboten wegen Verletzung der Energieerhaltung<br />

• Impuls- und Drehimpulserhaltung: erhalten<br />

• Ladungserhaltung: Erhalten, denn Gesamtladung vor und na<strong>ch</strong> dem Zerfall ist jeweils null.<br />

• Baryonenzahl: 1 = 1 + 0 → erhalten<br />

• Leptonenzahl: Bei diesem Prozess treten keine Leptonen auf, die Leptonzahl ist somit<br />

erhalten.<br />

2.4 Der Spin<br />

Der Spin ist eine Grösse aus der Quantenme<strong>ch</strong>anik, wel<strong>ch</strong>e in der Teil<strong>ch</strong>enphysik von grosser Wi<strong>ch</strong>tigkeit<br />

ist. Man kann si<strong>ch</strong> den Spin als eine Art ni<strong>ch</strong>t-klassis<strong>ch</strong>er Drehimpuls vorstellen, der eine<br />

intrinsis<strong>ch</strong>e Eigens<strong>ch</strong>aft eines Teil<strong>ch</strong>ens ist. (Oft wird der Spin eines Elementarteil<strong>ch</strong>ens mit der<br />

Rotation der Erde um ihre eigene A<strong>ch</strong>se vergli<strong>ch</strong>en, obwohl der Spin wenig mit einer Drehung im<br />

klassis<strong>ch</strong>en Sinn zu tun hat.)<br />

2.5 Hadronen und Leptonen<br />

Die vier fundamentalen We<strong>ch</strong>selwirkungen stellen eine geeignete Grundlage zur Klassifizierung der<br />

(Elementar-)Teil<strong>ch</strong>en dar. Einige Teil<strong>ch</strong>en spüren alle vier Kräfte, andere dagegen nur einige von<br />

ihnen.<br />

Hadronen: Teil<strong>ch</strong>en, die über die starke Kraft we<strong>ch</strong>selwirken, heissen Hadronen. Man unters<strong>ch</strong>eidet<br />

zwis<strong>ch</strong>en zwei Arten von Hadronen, den Baryonen mit halbzahligem Spin und den Mesonen


2 Überblick zur Teil<strong>ch</strong>enphysik 6<br />

mit ganzzahligem Spin.<br />

Baryonen (von grie<strong>ch</strong>. βαρύς = s<strong>ch</strong>wer) sind wie der Name s<strong>ch</strong>on sagt, masserei<strong>ch</strong>e Teil<strong>ch</strong>en. Zu<br />

den Baryonen gehören die Nukleonen (Protonen und Neutronen), aber au<strong>ch</strong> „exotis<strong>ch</strong>ere“ Teil<strong>ch</strong>en<br />

wie die Lambda-, Sigma-, Xi- und Omega-Teil<strong>ch</strong>en.<br />

Hadronen sind streng genommen keine Elementarteil<strong>ch</strong>en, da sie, wie wir später sehen werden, aus<br />

anderen Teil<strong>ch</strong>en, den Quarks, aufgebaut sind.<br />

Leptonen: Leptonen (von grie<strong>ch</strong>. λɛπτoς = lei<strong>ch</strong>t) sind Elementarteil<strong>ch</strong>en, die der s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en,<br />

aber ni<strong>ch</strong>t der starken We<strong>ch</strong>selwirkung unterliegen. Sie sind mit der Ausnahme des Tauons alle<br />

lei<strong>ch</strong>ter als die Hadronen, daher au<strong>ch</strong> der Name. Zu den Leptonen gehören au<strong>ch</strong> die Neutrinos,<br />

wel<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> dem Standardmodell der Teil<strong>ch</strong>enphysik als masselos angesehen wurden. Mittlerweile<br />

gibt es jedo<strong>ch</strong> experimentelle Resultate dafür, dass das Neutrino eine zwar sehr kleine, aber von<br />

null vers<strong>ch</strong>iedene Masse hat 5 .<br />

Soweit wir wissen, können Leptonen wirkli<strong>ch</strong> als elementar aufgefasst werden in dem Sinne, dass<br />

sie ni<strong>ch</strong>t aus anderen Teil<strong>ch</strong>en zusammengesetzt sind. In der untenstehenden Tabelle ist eine kurze<br />

Übersi<strong>ch</strong>t zu den Hadronen und Leptonen gegeben.<br />

Baryonen (Halbzahliger Spin)<br />

Hadronen<br />

Mesonen (Ganzzahliger Spin)<br />

Leptonen<br />

Elektron Myon Tauon<br />

e-Neutrino µ-Neutrino τ-Neutrino<br />

Tabelle 2: Übersi<strong>ch</strong>t über die Hadronen und Leptonen<br />

2.6 Materie und Antimaterie<br />

Wie im ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Überblick erwähnt, wurde in den 1930er Jahren mit dem Positron das erste<br />

Antiteil<strong>ch</strong>en postuliert und später au<strong>ch</strong> experimentell na<strong>ch</strong>gewiesen.<br />

Aus Symmetriegründen muss zu jedem Elementarteil<strong>ch</strong>en ein Antiteil<strong>ch</strong>en existieren, wel<strong>ch</strong>es in<br />

Grössen wie Ladung (elektris<strong>ch</strong>e Ladung, Farbladung), magnetis<strong>ch</strong>es Moment, Baryonenzahl, Leptonenzahl<br />

usw. dem Teil<strong>ch</strong>en entgegengesetzt ist. Andere Grössen hingegen, wie z.B. der Spin, die<br />

Masse und die Lebensdauer, sind identis<strong>ch</strong>.<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Nutzbarkeit der Antimaterie? Wenn ein Teil<strong>ch</strong>en mit seinem Antiteil<strong>ch</strong>en<br />

in Berührung kommt, so lös<strong>ch</strong>en sie si<strong>ch</strong> gegenseitig aus. Die Energie wird von zwei in entgegen gesetzter<br />

Ri<strong>ch</strong>tung wegfliegenden Photonen weggetragen. Dieser Prozess wird Annihilation genannt.<br />

Die Mengen an Energie, wel<strong>ch</strong>e bei Annihilation freigesetzt werden, sind gigantis<strong>ch</strong>. Könnte man<br />

damit ni<strong>ch</strong>t viellei<strong>ch</strong>t unser Energieproblem lösen? Dies ist aber aus vers<strong>ch</strong>iedenen Gründen ni<strong>ch</strong>t<br />

mögli<strong>ch</strong>:<br />

Zum einen kommt Antimaterie in dem uns bekannten Teil des Universums ni<strong>ch</strong>t natürli<strong>ch</strong> vor, sondern<br />

muss in einem extrem energieaufwändigen Prozess hergestellt werden. Die Energie, wel<strong>ch</strong>e für<br />

die Produktion von Antimaterie in Bes<strong>ch</strong>leunigern aufgewendet werden muss, geht weit über das<br />

5 Dies wird <strong>zum</strong> Beispiel beim „Opera“ Experiment in Italien untersu<strong>ch</strong>t. Dabei misst ein grosser unterirdis<strong>ch</strong>er<br />

Detektor im Gran Sasso Massiv die <strong>vom</strong> <strong>CERN</strong> ausgesandten und dur<strong>ch</strong> die Erde „geflogenen“ Neutrinos. Damit soll<br />

untersu<strong>ch</strong>t werden, ob si<strong>ch</strong> die vers<strong>ch</strong>iedenen Neutrinoarten ineinander umwandeln können. Eine sol<strong>ch</strong>e Umwandlung<br />

ist ein Beweiss, dass Neutrinos tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> eine von null vers<strong>ch</strong>iedene Masse haben.


2 Überblick zur Teil<strong>ch</strong>enphysik 7<br />

hinaus, was man dur<strong>ch</strong> die Annihilation dieser Teil<strong>ch</strong>en na<strong>ch</strong>her gewinnen könnte.<br />

Des Weiteren ist es sehr s<strong>ch</strong>wierig, Antimaterie zu lagern und zu transportieren, da sie, sobald sie<br />

mit der Umgebung in Berührung kommt, annihiliert. Zur Lagerung muss das Teil<strong>ch</strong>en mit mehreren<br />

überlappenden Magnetfeldern in der S<strong>ch</strong>webe gehalten werden. Dies funktioniert nur bei<br />

Antiteil<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>e eine Ladung haben, wie dem Antiproton oder dem Positron, ni<strong>ch</strong>t aber beim<br />

Antineutron.<br />

Ferner ist es bis heute ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong>, eine größere Menge Antiprotonen zusammen einzufangen,<br />

da diese si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> ihre We<strong>ch</strong>selwirkung stark voneinander abstossen. Deshalb ist die Lösung des<br />

globalen Energieproblems wohl ni<strong>ch</strong>t in der Antimaterie zu finden. Aus denselben Gründen wird es<br />

in nä<strong>ch</strong>ster Zeit au<strong>ch</strong> keine „Antimateriebomben“ geben.<br />

Fors<strong>ch</strong>ern am <strong>CERN</strong> ist es 2011 gelungen, rund 300 Anti-Wasserstoffatome während knapp 20 Minuten<br />

in einer sogenannten magnetis<strong>ch</strong>en Falle zu fangen, was bis heute die grösste na<strong>ch</strong>gewiesene<br />

Menge an Antimaterie-Atomen gewesen ist, wel<strong>ch</strong>e glei<strong>ch</strong>zeitig eingefangen werden konnten.<br />

Universen aus Antimaterie? Der für uns beoba<strong>ch</strong>tbare Teil des Universums besteht aus Materie.<br />

Es ist aber ni<strong>ch</strong>t undenkbar, dass andere Teile des Universums (oder andere Universen) aus<br />

Antimaterie bestehen. Gäbe es ein Antimateriegebiet, so würde si<strong>ch</strong> dieses in den Strukturen und<br />

Eigens<strong>ch</strong>aften ni<strong>ch</strong>t von dem unseren unters<strong>ch</strong>eiden. An den Randgebieten müsste jedo<strong>ch</strong> die enorme<br />

Energiefreisetzung dur<strong>ch</strong> die Annihilation zu beoba<strong>ch</strong>ten sein, was in Rei<strong>ch</strong>weite unserer Teleskope<br />

jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t der Fall ist.<br />

Antimaterie im frühen Universum: Eine interessante Frage ist, wie es überhaupt zur Entstehung<br />

von Materie im frühen Universum kam. Das Big-Bang-Modell der Kosmologie besagt, dass<br />

das Universum in einem Punkt unendli<strong>ch</strong> hoher Di<strong>ch</strong>te und Temperatur begann. Die Energiedi<strong>ch</strong>te<br />

in den ersten Sekunden und Minuten des Universums war derart ho<strong>ch</strong>, dass Teil<strong>ch</strong>en-Antiteil<strong>ch</strong>en<br />

Paare na<strong>ch</strong> E = mc 2 spontan entstehen konnten. Eigentli<strong>ch</strong> würde man daher erwarten, dass Materie<br />

und Antimaterie in genau glei<strong>ch</strong>en Mengen entstehen, wel<strong>ch</strong>e dann später wieder annihilieren<br />

würden. Dann wäre aber keine Materie mehr da, aus wel<strong>ch</strong>er Sterne und Galaxien entstehen könnten.<br />

Weshalb gibt es trotzdem Materie? Die Erklärung dafür ist wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>, dass es einen winzig<br />

kleinen Übers<strong>ch</strong>uss an Materie gegenüber der Antimaterie gab. Auf eine Milliarde Antiteil<strong>ch</strong>en kam<br />

eine Milliarde und ein Teil<strong>ch</strong>en. Und sämtli<strong>ch</strong>e Materie in unserem Universum kommt von diesem<br />

Übers<strong>ch</strong>uss, von dem man no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t genau weiss, wie er entstanden ist. Eine Mögli<strong>ch</strong>keit zur Erklärung<br />

ist die so genannte CP-Verletzung, wel<strong>ch</strong>e im Kapitel über Erhaltungsgrössen erwähnt wurde.<br />

2.7 Quarks<br />

Quarks sind die elementaren Bestandteile, aus denen Hadronen aufgebaut sind. Sie tragen einen<br />

Spin von 1/2 und sind damit Fermionen 6 .<br />

Baryonen bestehen aus drei Quarks, Mesonen jeweils aus einem Quark und einem Antiquark.<br />

Es existieren 6 vers<strong>ch</strong>iedene Sorten (genannt „Flavours“) von Quarks: Up, Charm, Top und Down,<br />

Strange und Bottom. Diese können, wie au<strong>ch</strong> die Leptonen, in drei Familien eingeteilt werden.<br />

6 Fermionen sind Teil<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>e einen halbzahligen Spin besitzen. Sie gehor<strong>ch</strong>en dem Pauli’s<strong>ch</strong>en Auss<strong>ch</strong>lussprinzip,<br />

wel<strong>ch</strong>es besagt, dass zwei Fermionen ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong>zeitig am glei<strong>ch</strong>en Ort einen identis<strong>ch</strong>en Quantenzustand<br />

annehmen können. Neben den Quarks gehören au<strong>ch</strong> die Leptonen zu den Fermionen.


2 Überblick zur Teil<strong>ch</strong>enphysik 8<br />

Einem Quark wird zudem jeweils eine so genannte Farbladung zugewiesen. Die Farbladung gehört<br />

zur starken We<strong>ch</strong>selwirkung, so wie die elektris<strong>ch</strong>e Ladung zur elektromagnetis<strong>ch</strong>en We<strong>ch</strong>selwirkung<br />

gehört. Ein Quark kann die Farben rot, blau oder grün tragen. Die Antiquarks haben dann jeweils<br />

die Farbladungen antirot, antiblau und antigrün. Die drei Farben zusammen addieren si<strong>ch</strong> zu weiss<br />

(farblos, null), ebenso die Gegenfarben zusammen.<br />

Die Theorie der Quanten<strong>ch</strong>romodynamik (quantenfeldtheoretis<strong>ch</strong>e Bes<strong>ch</strong>reibung der starken We<strong>ch</strong>selwirkung)<br />

besagt, dass nur Teil<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>e Farbladung null (weiss) haben, isoliert existieren<br />

können. Diese Eins<strong>ch</strong>ränkung wird „Quark confinement“ genannt. In der Tat hat man Quarks bis<br />

jetzt nur in gebundenen (weissen) Zuständen, also in Hadronen, beoba<strong>ch</strong>tet.<br />

2.8 Das Standardmodell<br />

Das Standardmodell ist ein Modell aus der theoretis<strong>ch</strong>en Physik, wel<strong>ch</strong>es die Teil<strong>ch</strong>enphysik fast<br />

vollständig bes<strong>ch</strong>reibt.<br />

Wie man dem ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Überblick entnehmen kann, spielen theoretis<strong>ch</strong>e und experimentelle<br />

Teil<strong>ch</strong>enphysik oft auf die folgende Weise zusammen: Die theoretis<strong>ch</strong>en Physiker stellen ein neues<br />

Modell auf. Dabei müssen eventuell neue Teil<strong>ch</strong>en eingeführt werden, um fundamentale physikalis<strong>ch</strong>e<br />

Gesetze (Erhaltungssätze etc.) ni<strong>ch</strong>t zu verletzen. Die Experimentalphysiker versu<strong>ch</strong>en dann,<br />

diese Teil<strong>ch</strong>en na<strong>ch</strong>zuweisen und damit die Theorie experimentell zu bestätigen.<br />

QUARKS<br />

LEPTONEN<br />

Ladung +2/3 Ladung -1/3 Ladung -1 Ladung 0<br />

1.Familie Up (u) Down (d) Elektron (e) e-Neutrino (ν e )<br />

2.Familie Charm (c) Strange (s) Myon (µ) µ-Neutrino (ν µ )<br />

3.Familie Top (t) Bottom (b) Tauon (τ) τ-Neutrino (ν τ )<br />

We<strong>ch</strong>selwirkung EM WW Starke WW S<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>e WW<br />

EICHBOSONEN Photon (γ) Gluonen (g) Z-Boson (Z 0 ) W-Bosonen (W + , W − )<br />

Higgs-Boson<br />

Tabelle 3: Das Standardmodell: Alle Teil<strong>ch</strong>en sind bereits experimentell na<strong>ch</strong>gewiesen worden.<br />

Sehr viele Voraussagen des Standardmodells sind experimentell bestätigt worden und es gilt als<br />

eine gefestigte und allgemein anerkannte Theorie.<br />

In der Tabelle sind sämtli<strong>ch</strong>e Elementarteil<strong>ch</strong>en des Standardmodells aufgelistet. Sie lassen si<strong>ch</strong> in<br />

drei grosse Gruppen einteilen: Die Quarks, die Leptonen und die Trägerteil<strong>ch</strong>en der vier We<strong>ch</strong>selwirkungen<br />

(Ei<strong>ch</strong>bosonen). Wie s<strong>ch</strong>on erwähnt enthält das Modell neben den Teil<strong>ch</strong>en für jedes au<strong>ch</strong><br />

no<strong>ch</strong> ein Antiteil<strong>ch</strong>en.<br />

Sämtli<strong>ch</strong>e Teil<strong>ch</strong>en des Standardmodells sind na<strong>ch</strong>gewiesen worden. (Wir nehmen dabei an, dass<br />

das 2012 am <strong>CERN</strong> entdeckte Boson tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> das Higgs-Boson des Standardmodells ist. Bis jetzt<br />

haben die Messungen seiner Eigens<strong>ch</strong>aften ni<strong>ch</strong>ts gegenteiliges gezeigt.)


2 Überblick zur Teil<strong>ch</strong>enphysik 9<br />

2.9 Das Higgs-Boson<br />

Das Standardmodell ohne das Higgs-Boson verlangt, dass alle Teil<strong>ch</strong>en masselos sind. Aus der experimentellen<br />

Physik (und aus Erfahrung) wissen wir jedo<strong>ch</strong>, dass ni<strong>ch</strong>t alle Teil<strong>ch</strong>en masselos sein<br />

können. Zu diesem Problem gibt es eine sehr elegante Lösung, wel<strong>ch</strong>e erstmals von Peter Higgs vorges<strong>ch</strong>lagen<br />

wurde. Er postulierte, dass ein Feld (das Higgs-Feld) existiert, wel<strong>ch</strong>es alles dur<strong>ch</strong>dringt<br />

und überall präsent ist. Die Teil<strong>ch</strong>en erhalten nun ihre Masse dur<strong>ch</strong> die We<strong>ch</strong>selwirkung mit diesem<br />

Higgs-Feld.<br />

In der Quantenfeldtheorie gehören zu jedem Feld eines oder mehrere Trägerteil<strong>ch</strong>en (<strong>zum</strong> Beispiel<br />

ist das Photon das <strong>zum</strong> elektromagnetis<strong>ch</strong>en Feld gehörende Teil<strong>ch</strong>en). Das Higgs-Boson ist das <strong>zum</strong><br />

Higgs-Feld gehörende Teil<strong>ch</strong>en. Dessen Na<strong>ch</strong>weis dur<strong>ch</strong> das CMS- und das ATLAS-Experiment am<br />

<strong>CERN</strong> bedeutet eine weitere wi<strong>ch</strong>tige Bestätigung des Standardmodells und somit einen riesigen<br />

S<strong>ch</strong>ritt in der Teil<strong>ch</strong>enphysik.<br />

2.9.1 Versu<strong>ch</strong> einer ans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>en Erklärung: „Cocktailparty à la Higgs“ 7<br />

Folgende kleine Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te versu<strong>ch</strong>t, den Prozess, mit wel<strong>ch</strong>em die Teil<strong>ch</strong>en ihre Masse gewinnen,<br />

sowie das Higgs-Boson selbst, ans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong> zu erklären: Man stelle si<strong>ch</strong> eine Cocktailparty der "Con-<br />

(a) Die Gäste sind homogen im Raum verteilt.<br />

(b) Die Ex-Premierministerin errei<strong>ch</strong>t den Saal. Sie gewinnt<br />

an Masse, weil sie ständig einen Cluster an Partygästen<br />

um si<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>art hat, während sie si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> den<br />

Raum bewegt.<br />

Abbildung 3: Cocktailparty-Analogie zur Erklärung des Higgs Feldes<br />

servative Party" 8 vor, wobei die einzelnen Personen regelmässig im Raum verteilt sind. Jeder unterhält<br />

si<strong>ch</strong> jeweils mit seinen nä<strong>ch</strong>sten Na<strong>ch</strong>barn. Dann plötzli<strong>ch</strong> betritt die Ex-Premierministerin<br />

7 Der englis<strong>ch</strong>e Fors<strong>ch</strong>ungsminister William Waldegrave s<strong>ch</strong>rieb 1993 einen Wettbewerb aus: Er verspra<strong>ch</strong> demjenigen<br />

einen Preis, der es verstehe, auf einem einzigen DIN-A4-Blatt verständli<strong>ch</strong> zu erklären, was das Higgs-Boson<br />

sei. Der Minister erhielt 125 Einsendungen, den ersten Preis (eine Flas<strong>ch</strong>e Champagner) vergab er an den Londoner<br />

Professor David Miller, wel<strong>ch</strong>er die Cocktail-Party Erklärung verfasst hatte. Die Originalfassung der Erklärung kann<br />

<strong>zum</strong> Beispiel auf http://hep.physics.utoronto.ca/BerndStelzer/higgs/higgs3.html na<strong>ch</strong>gelesen werden. ftnt<br />

8 Im Folgenden wird klar werden weshalb es si<strong>ch</strong> bei diesem Gedankenexperiment ni<strong>ch</strong>t um die "Labour-<br />

Party"handeln kann...


2 Überblick zur Teil<strong>ch</strong>enphysik 10<br />

That<strong>ch</strong>er den Raum.<br />

Alle um sie herumstehenden Personen fühlen si<strong>ch</strong> zu ihr hingezogen und bilden eine Ansammlung<br />

um sie. Während sie si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> den Raum bewegt, kommen neue Leute zu der Gruppe hinzu, wobei<br />

andere wieder zu ihren Plätzen zurückkehren. Weil ständig ein Cluster von Leuten um sie herum<br />

ist, hat That<strong>ch</strong>er eine grössere Masse (siehe Abbildung 8 für eine Verans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>ung).<br />

Diese Überlegung lässt si<strong>ch</strong> auf ein Feld übertragen, wobei der Cluster von Personen dann einer<br />

Verdi<strong>ch</strong>tung der Feldlinien entspri<strong>ch</strong>t.<br />

Das Higgs-Boson selbst kann man si<strong>ch</strong> auf ähnli<strong>ch</strong>e Weise vorstellen (siehe Abbildung 4):<br />

Man stelle si<strong>ch</strong> wieder die glei<strong>ch</strong>e Cocktailparty vor. Nun kommt jemand dur<strong>ch</strong> die Tür und stellt<br />

ein Gerü<strong>ch</strong>t in den Raum. Diejenigen, wel<strong>ch</strong>e am nä<strong>ch</strong>sten bei der Türe sind, erfahren es als Erste.<br />

(a) Ein Gerü<strong>ch</strong>t errei<strong>ch</strong>t den Saal.<br />

(b) Die Neuigkeit breitet si<strong>ch</strong> aus.<br />

Abbildung 4: Cocktailparty-Analogie zur Erklärung des Higgs-Bosons<br />

Sie drehen si<strong>ch</strong> zu ihren Na<strong>ch</strong>barn, rücken näher zusammen und taus<strong>ch</strong>en die Neuigkeit aus.<br />

Dann beginnt si<strong>ch</strong> ein kompakter Cluster oder Anregung dur<strong>ch</strong> den Raum zu bewegen um das<br />

Gerü<strong>ch</strong>t zu verbreiten.<br />

Wie oben erwähnt gehört in der Quantenfeldtheorie zu jedem Feld mindestens ein Teil<strong>ch</strong>en. Das<br />

Higgs-Boson entspri<strong>ch</strong>t dem Teil<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>es <strong>zum</strong> Higgs-Feld gehört und kann als Anregung dieses<br />

Feldes vorgestellt werden.


2 Überblick zur Teil<strong>ch</strong>enphysik 11<br />

2.10 Probleme des Standardmodells<br />

Trotz der erfolgrei<strong>ch</strong>en Bes<strong>ch</strong>reibung von zahlrei<strong>ch</strong>en Phänomenen in der Teil<strong>ch</strong>enphysik kann das<br />

Standardmodell keine umfassende Theorie sein. Zahlrei<strong>ch</strong>e Phänomene können dur<strong>ch</strong> das Standardmodell<br />

ni<strong>ch</strong>t erklärt werden. So deckt es die Gravitation als vierte Grundkraft ni<strong>ch</strong>t ab und kann<br />

au<strong>ch</strong> kein Teil<strong>ch</strong>en als Kandidaten für die Dunkle Materie 9 liefern.<br />

Deshalb muss das Standardmodells Teil einer Das umfassenderer Higgs-Boson Theorie kann man sein, si<strong>ch</strong> wel<strong>ch</strong>e also Antworten als einen auf<br />

sol<strong>ch</strong>e Fragen liefert. Ein mögli<strong>ch</strong>er Kandidat sol<strong>ch</strong>en ist dieCluster Supersymmetrie. im Higgs-Feld Diese vorstellen. Theorie erweitert das<br />

Spektrum an Elementarteil<strong>ch</strong>en, indem es für jedes Boson im Standardmodell ein Fermion respektive<br />

für jedes Fermion ein Boson postuliert. Zudem würde au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur ein Higgs-Boson sondern<br />

mindestens deren fünf existieren. Die Experimente am <strong>CERN</strong> versu<strong>ch</strong>en – wie au<strong>ch</strong> frühere Experimente<br />

– die von dieser Theorie postulierten Teil<strong>ch</strong>en oder Effekte na<strong>ch</strong>zuweisen. Zudem gibt<br />

es zahlrei<strong>ch</strong>e Experimente ausserhalb des <strong>CERN</strong>, wel<strong>ch</strong>e Effekte in der Teil<strong>ch</strong>enphysik jenseits des<br />

Standardmodells na<strong>ch</strong>weisen wollen (z.B. der direkte Na<strong>ch</strong>weis von Dunkler Materie mit Detektoren<br />

im Gran Sasso Massiv).<br />

2.112.10 Vereinheitli<strong>ch</strong>ende Theorien Theorien<br />

Allgemein Ein grosses ist ein Ziel grosses der theoretis<strong>ch</strong>en Ziel der theoretis<strong>ch</strong>en Physik ist das Physik Zusammenfügen das Zusammenfügen vers<strong>ch</strong>iedener vers<strong>ch</strong>iedener physikalis<strong>ch</strong>er physikalis<strong>ch</strong>er<br />

Theorien Theorien zu zu einer einereinheitli<strong>ch</strong>en Theorie. Bis auf die Gravitation ist ist es es gelungen, alle alle We<strong>ch</strong>-<br />

We<strong>ch</strong>selwirkungen als Quantenfeldtheorien als Quantenfeldtheorien zu formulieren zu formulieren (siehe Tabelle (siehe Tabelle). in Abbildung 5).<br />

Ein Ein mögli<strong>ch</strong>er Kandidat für für die die Theory of of Everything wäre die die Superstring-Theorie. Au<strong>ch</strong> hinsi<strong>ch</strong>tlicsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />

dieser Theorie dieser erhofft Theorie man erhofft si<strong>ch</strong>man Hinweise si<strong>ch</strong> Hinweise von den von Experimenten den Experimenten neuen im LHC neuen amLHC <strong>CERN</strong>. am<br />

hin-<br />

<strong>CERN</strong>.<br />

Elektrostatik<br />

Magnetostatik<br />

Elektromagnetis<strong>ch</strong>e WW<br />

Quantenelektrodynamik<br />

Elektros<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>e WW<br />

S<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>e<br />

WW<br />

Grosse Vereinheitli<strong>ch</strong>te Theorie (GUT)<br />

Starke WW<br />

Quanten<strong>ch</strong>romodynamik<br />

Quantengravitation / „Weltformel“ / Theory of Everything (TOE)<br />

Gravitation<br />

Allgemeine Relativitätstheorie<br />

Abbildung 5: Tabelle mit einer Übersi<strong>ch</strong>t zu den vers<strong>ch</strong>iedenen Theorien. Es gelang bisher no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, alle<br />

Kräfte in einer Theory of Everthing (TOE) zu vereinigen.<br />

9 Zahlrei<strong>ch</strong>e astrophysikalis<strong>ch</strong>e Beoba<strong>ch</strong>tungen haben gezeigt, dass nur 4 % der Materie und Energie im Universum<br />

in einer uns bekannten Form (z.B. Atome, elektromagnetis<strong>ch</strong>e Strahlung) vorliegt. Rund 23 % liegen in Form von<br />

Dunkler Materie und die restli<strong>ch</strong>en 73 % in Form von Dunkler Energie vor, von wel<strong>ch</strong>en beiden wir die genauen<br />

Eigens<strong>ch</strong>aften ni<strong>ch</strong>t kennen.


3 Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leuniger 12<br />

3 Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leuniger<br />

3.1 Funktionsweise<br />

In einem Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leuniger werden geladene Teil<strong>ch</strong>en (Elektronen, Protonen, Ionen. . . ) mit elektris<strong>ch</strong>en<br />

Feldern sehr stark bes<strong>ch</strong>leunigt. Sie errei<strong>ch</strong>en dadur<strong>ch</strong> Ges<strong>ch</strong>windigkeiten, die sehr nahe an<br />

der Li<strong>ch</strong>tges<strong>ch</strong>windigkeit, der theoretis<strong>ch</strong> maximal mögli<strong>ch</strong>en Ges<strong>ch</strong>windigkeit, liegen. Die Teil<strong>ch</strong>en<br />

haben also eine sehr hohe Bewegungsenergie, die weit über ihrer Ruheenergie liegt. Magnetfelder<br />

halten die Teil<strong>ch</strong>en genau auf ihren Bahnen. Die relevante Kraft für diese Prozesse ist die Lorentzkraft<br />

(elektromagnetis<strong>ch</strong>e Kraft).<br />

Mit diesen ho<strong>ch</strong>energetis<strong>ch</strong>en Teil<strong>ch</strong>en kann man die fundamentalen We<strong>ch</strong>selwirkungen der Materie,<br />

die si<strong>ch</strong> <strong>zum</strong> Teil erst bei sehr grossen Energien offenbaren, untersu<strong>ch</strong>en und winzige Strukturen<br />

auflösen. Einen Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leuniger könnte man also vereinfa<strong>ch</strong>t als riesiges Mikroskop ansehen.<br />

Grob gesehen gibt es zwei Arten von Collidern. Die einen s<strong>ch</strong>iessen die bes<strong>ch</strong>leunigten Teil<strong>ch</strong>en<br />

auf ein stationäres Ziel (das Target), die anderen lassen zwei gegenläufig bes<strong>ch</strong>leunigte Teil<strong>ch</strong>en<br />

kollidieren. Der Na<strong>ch</strong>teil der ersten Methode ist, dass ein Teil der Energie als Bewegungsenergie<br />

erhalten bleibt, da die Teil<strong>ch</strong>en na<strong>ch</strong> dem Stoss gemäss Impulserhaltung einen Gesamtimpuls haben<br />

und „weiterfliegen“.<br />

Bei sol<strong>ch</strong>en Zusammenstössen werden aufgrund der hohen Energien oft andere neue Teil<strong>ch</strong>en erzeugt.<br />

Mit vers<strong>ch</strong>iedenen Teil<strong>ch</strong>endetektoren kann man dann die Kollisionsprodukte na<strong>ch</strong>weisen und den<br />

ganzen Prozess rekonstruieren.<br />

Weiter gibt es vers<strong>ch</strong>iedene Arten von Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leunigern. Beispiele sind der normale Linearbes<strong>ch</strong>leuniger,<br />

der Van-de-Graaff-Bes<strong>ch</strong>leuniger, oder Zyklo- oder Syn<strong>ch</strong>rotron.<br />

Sie unters<strong>ch</strong>eiden si<strong>ch</strong> in ihrer Funktionsweise und im Aufbau (z.B. Linearbes<strong>ch</strong>leuniger oder Ringbes<strong>ch</strong>leuniger).<br />

Beim Syn<strong>ch</strong>rotron wird ein syn<strong>ch</strong>ronisiertes ho<strong>ch</strong>frequentes elektris<strong>ch</strong>es Feld zur<br />

Bes<strong>ch</strong>leunigung verwendet. Die Magnetfelder werden abhängig von der errei<strong>ch</strong>ten Energie des Teil<strong>ch</strong>ens<br />

na<strong>ch</strong>geregelt.<br />

3.2 Einige Anwendungsbeispiele von Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leunigern<br />

Teil<strong>ch</strong>en- oder Ho<strong>ch</strong>energiephysik: Die ersten Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leuniger wurden für die physikalis<strong>ch</strong>e<br />

Erfors<strong>ch</strong>ung der Materie konstruiert und gebaut. Sie bildet au<strong>ch</strong> heute no<strong>ch</strong> ein Hauptanwendungsgebiet.<br />

Die grössten existierenden Bes<strong>ch</strong>leuniger dienen no<strong>ch</strong> immer diesem Zweck. Erst<br />

später kamen dann weitere Anwendungen, wie <strong>zum</strong> Beispiel in der Medizin, hinzu.<br />

Bes<strong>ch</strong>leuniger-Massenspektrometrie: Au<strong>ch</strong> in der Massenspektrometrie kommen Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leuniger<br />

zur Anwendung. Bei der Massenspektrometrie geht es darum, das Verhältnis von<br />

Ladung zu Masse (q/m) eines Teil<strong>ch</strong>ens zu bestimmen. Es können au<strong>ch</strong> Aussagen über Vorhandensein<br />

und Menge von Teil<strong>ch</strong>en mit gegebenem Masse-zu-Ladungs-Verhältnis gema<strong>ch</strong>t werden.<br />

Die Bes<strong>ch</strong>leuniger-Massenspektrometrie (AMS) wird zur Datierung von Proben verwendet. Dabei<br />

wird das Verhältnis eines (Radio-)Isotops (meistens 14 C) zu einem anderen (stabilen) Isotop und<br />

dadur<strong>ch</strong> das ungefähre Alter bestimmt.<br />

Anwendungen in der Medizin: Die Teil<strong>ch</strong>enphysik hat viele Anwendungen in der Medizin.<br />

Ein in der Krebsdiagnostik wi<strong>ch</strong>tiges bildgebendes Verfahren ist die Positron-Emissions-Tomographie


3 Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leuniger 13<br />

(PET). Dabei wird ein Positronemitter (meist Fluor-18) an eine Substanz gebunden, wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong><br />

bevorzugt in malignem Gewebe anrei<strong>ch</strong>ert. Dieser Tracer emittiert Positronen, wel<strong>ch</strong>e, sobald sie auf<br />

ein Elektron treffen, annihilieren und zwei Photonen erzeugen. Die beiden ausgesandten Photonen<br />

werden mit einem Detektorring gemessen. Damit kann man die Verteilung des Tracers im Körper<br />

graphis<strong>ch</strong> darstellen.<br />

Die in der PET verwendeten Tracer müssen mit Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leunigern hergestellt werden.<br />

Ein weiteres Anwendungsgebiet der Teil<strong>ch</strong>enphysik in der Medizin ist die Strahlentherapie. Dabei<br />

werden Krebszellen du<strong>ch</strong> Deposition von Energie dur<strong>ch</strong> Strahlung sterilisiert (getötet). Verwendet<br />

werden dabei vers<strong>ch</strong>iedene Arten von Strahlung, von Gamma- und Röntgenstrahlung über Elektronenstrahlung<br />

bis zu Ionenstrahlung. Die Strahlungen unters<strong>ch</strong>eiden si<strong>ch</strong> z.B. in ihren Eindringtiefen<br />

in Materie. Je na<strong>ch</strong> Anwendungsberei<strong>ch</strong> werden also andere Strahlen eingesetzt.<br />

Weit verbreitet ist die „klassis<strong>ch</strong>e Strahlentherapie“, in wel<strong>ch</strong>er der Tumor mit ho<strong>ch</strong>energetis<strong>ch</strong>en<br />

Photonen bestrahlt wird. Diese werden in einem Linearbes<strong>ch</strong>leuniger (Bes<strong>ch</strong>leunigung von Elektronen)<br />

hergestellt. Aber au<strong>ch</strong> weitere Teil<strong>ch</strong>en haben zur Bestrahlung geeignete Eigens<strong>ch</strong>aften (z.B.<br />

Protonen, Neutronen und s<strong>ch</strong>were Ionen). Diese Methoden sind sehr viel verspre<strong>ch</strong>end, sind aber<br />

no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t weit verbreitet, unter anderem da man zur Bes<strong>ch</strong>leunigung dieser relativ s<strong>ch</strong>weren Teil<strong>ch</strong>en<br />

Zyklotrone oder Syn<strong>ch</strong>rotrone benötigt, wel<strong>ch</strong>e deutli<strong>ch</strong> grösser und aufwändiger zu betreiben<br />

sind.<br />

3.3 Beispiele<br />

Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leuniger gibt es an vielen Orten auf der Welt. Sie sind natürli<strong>ch</strong> Kernstücke der grossen<br />

Kernfors<strong>ch</strong>ungszentren wie dem <strong>CERN</strong>, dem Fermilab (USA) oder dem DESY (Deuts<strong>ch</strong>land). Weiter<br />

besitzen viele grössere naturwissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Universitäten eigene kleine Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leuniger.<br />

LHC und LEP: Der LEP (Large Electron-Positron Collider) mit einem Spei<strong>ch</strong>erringumfang<br />

von 27 km untersu<strong>ch</strong>te Kollisionen zwis<strong>ch</strong>en Elektronen und Positronen mit Strahlungsenergien<br />

zwis<strong>ch</strong>en 45 GeV 10 und 104.5 GeV. Die Experimente begannen in Jahre 1989 und dauerten bis<br />

November 2000. Dana<strong>ch</strong> wurde der Bes<strong>ch</strong>leuniger abgebaut, da für seinen Na<strong>ch</strong>folger, den LHC, der<br />

glei<strong>ch</strong>e Tunnel verwendet wird. Der LEP ermögli<strong>ch</strong>te präzise Messungen vers<strong>ch</strong>iedener Grössen im<br />

Standardmodell.<br />

Da der LHC (Large Hadron Collider) im Moment sowohl in der Fa<strong>ch</strong>welt als au<strong>ch</strong> in der breiten<br />

Öffentli<strong>ch</strong>keit grosses Aufsehen erregt, wird er hier etwas genauer bes<strong>ch</strong>rieben.<br />

Der LHC ist der momentan grösste Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leuniger am <strong>CERN</strong>. Die budgetierten Kosten belaufen<br />

si<strong>ch</strong> auf knapp fünf Milliarden Franken. Er liegt etwa 100 m unter der Erde im 27 km langen<br />

Tunnel, der für den LEP gebaut wurde.<br />

Der LHC wird vor allem Proton-Proton-Kollisionen mit S<strong>ch</strong>werpunktsenergien von 14 TeV (14<br />

Billionen Elektronvolt) oder Strahlenenergien von 7 TeV mögli<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>en. In seinen ersten drei<br />

Betriebsjahren betrug die maximale S<strong>ch</strong>werpunktsenergie 8 TeV. Zum Verglei<strong>ch</strong>: Der bisher grösste<br />

Bes<strong>ch</strong>leuniger am amerikanis<strong>ch</strong>en Fermilab bra<strong>ch</strong>te es „nur“ auf eine S<strong>ch</strong>werpunktsenergie von<br />

1.96 TeV. Jeder der beiden kollidierenden Strahlen enthält etwa 3000 Pakete mit hundert Milliarden<br />

Teil<strong>ch</strong>en. Um diese Teil<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t zu stören, herrs<strong>ch</strong>t in der Kreisröhre das wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> grösste<br />

10 1 eV = 1 Elektronvolt = 1.602 · 10 −19 J. 1MeV = 10 6 eV. 1 GeV = 10 9 eV. 1 TeV = 10 12 eV.


3 Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leuniger 14<br />

Abbildung Vue 6: S<strong>ch</strong>ematis<strong>ch</strong>e s<strong>ch</strong>ématique des Zei<strong>ch</strong>nung accélérateurs der et des Bes<strong>ch</strong>leuniger expériences du <strong>CERN</strong>. und Experimente am <strong>CERN</strong><br />

künstli<strong>ch</strong>e Vakuum. Einige dieser Teil<strong>ch</strong>en kommen so zur Kollision, dass sie gemäss Einsteins berühmter<br />

Formel E = mc 2 in Energie umgewandelt werden, aus der dann andere Teil<strong>ch</strong>en entstehen,<br />

wel<strong>ch</strong>e aber meist sehr s<strong>ch</strong>nell wieder in bekannte Teil<strong>ch</strong>en zerfallen.<br />

Der LHC beinhaltet unter anderem die Grossexperimente ATLAS (AToroidal LHC ApparatuS)<br />

und CMS (Compact Muon Solenoid). Dies sind zwei Mehrzweckexperimente, die unter Verwendung<br />

anderer physikalis<strong>ch</strong>er Ansätze ähnli<strong>ch</strong>e Fragestellungen untersu<strong>ch</strong>en. An beiden Experimenten sind<br />

je gut 2000 Fors<strong>ch</strong>er beteiligt. Man hofft, damit neue Elementarteil<strong>ch</strong>en, insbesondere supersymmetris<strong>ch</strong>e<br />

Teil<strong>ch</strong>en, na<strong>ch</strong>zuweisen. Supersymmetris<strong>ch</strong>e Teil<strong>ch</strong>en wären wie oben erwähnt ein Anzei<strong>ch</strong>en<br />

für die Ri<strong>ch</strong>tigkeit grosser Vereinheitli<strong>ch</strong>ter Theorien und Superstringtheorien. Mit der Entdeckung<br />

eines neuen Bosons, wel<strong>ch</strong>e bisher alle Eigens<strong>ch</strong>aften des Higgs-Bosons erfüllt, haben die beiden<br />

Experimente s<strong>ch</strong>on ein erstes grosses Ziel errei<strong>ch</strong>t.<br />

Weiter mö<strong>ch</strong>te man Leptonen und Quarks auf eine mögli<strong>ch</strong>e Substruktur hin untersu<strong>ch</strong>en. Dies<br />

würde dann au<strong>ch</strong> Hinweise auf mögli<strong>ch</strong>e weitere unentdeckte Teil<strong>ch</strong>en geben.<br />

Am LHC sind au<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>werionenkollisionen mit Strahlenergien bis zu 1.38 TeV geplant (ALICE (A<br />

Large Ion Collider Experiment) Experiment, aber au<strong>ch</strong> CMS und ATLAS). Mit 1000 Mitarbeitern<br />

alleine für dieses Experiment ist ALICE eines der grossen Einzelexperimente. Ziel von ALICE ist


3 Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leuniger 15<br />

die Erzeugung eines Quark-Gluon-Plasmas und damit die experimentelle Erzeugung eines Zustandes<br />

der Materie, wie er unmittelbar na<strong>ch</strong> dem Urknall herrs<strong>ch</strong>te.<br />

Das vierte grössere Experiment am LHC ist das LHCb-Experiment mit rund 800 Mitarbeitern. Das<br />

Ziel dieses Experiments ist primäre die Untersu<strong>ch</strong>ung von Hadronen, wel<strong>ch</strong>e bottom oder <strong>ch</strong>arm<br />

Quarks enthalten. Physikalis<strong>ch</strong>e Grössen im Zusammenhang mit diesen Teil<strong>ch</strong>en (z.B. die Häufigkeit<br />

von Zerfällen) könnten Hinweise auf Elementarteil<strong>ch</strong>en ausserhalb des Standardmodells liefern.<br />

Weitere Experimente am LHC sind TOTEM, MoEDAL und LHCf.<br />

Der Bau eines sol<strong>ch</strong>en Grossbes<strong>ch</strong>leunigers ist mit sehr grossen Herausforderungen verbunden. Aus<br />

te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t bereiteten vor allem die sehr grossen Magnetfelder Probleme. Um diese Magnetfelder<br />

zu erzeugen, werden supraleitende Strukturen 11 verwendet. Dazu ist eine Betriebstemperatur<br />

von -271 ◦ C (etwa ein Grad kälter als im Weltall) notwendig. Dies ist eine grosse te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Herausforderung.<br />

Zum Beispiel s<strong>ch</strong>rumpfte das drei Kilometer lange Teststück beim Abkühlungstest um<br />

ganze 10 m!<br />

Abbildung 7: Foto <strong>vom</strong> Innern des LHC Tunnels am <strong>CERN</strong><br />

Tevatron: Das Tevatron ist ein Ringbes<strong>ch</strong>leuniger am Fermilab in der Nähe von Chicago (USA).<br />

Er war zwis<strong>ch</strong>en 1983 und 2011 in Betrieb und war vor der Fertigstellung des LHC der grösste Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leuniger<br />

der Welt gemessen an der errei<strong>ch</strong>ten S<strong>ch</strong>werpunktsenergie. Der Spei<strong>ch</strong>erring hat<br />

einen Umfang von 6.3 km und untersu<strong>ch</strong>te Proton-Antiproton-Kollisionen. Die Strahlenenergie betrug<br />

knapp 1 TeV.<br />

HERA: HERA (Hadron-Elektron-Ringanlage) ist ein weiterer Ringbes<strong>ch</strong>leuniger am DESY<br />

(Deuts<strong>ch</strong>es Elektronen Syn<strong>ch</strong>rotron) in Hamburg mit einem Umfang von 6.3 km. Er untersu<strong>ch</strong>te<br />

11 Strukturen, die keinen elektris<strong>ch</strong>en Widerstand haben.


3 Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leuniger 16<br />

Abbildung 8: Auf- und Einbau eines Teilstücks des CMS am <strong>CERN</strong><br />

zwis<strong>ch</strong>en 1992 und Sommer 2007 Kollisionen von Protonen mit Elektronen oder Positronen. Die<br />

Strahlenenergien waren 28 GeV der Elektronen und 820-920 GeV für die s<strong>ch</strong>wereren Protonen.<br />

Abbildung 9: Fermilab in der Nähe von Chicago (mit Tevatron)


4 Über den <strong>CERN</strong> 17<br />

4 Über den <strong>CERN</strong><br />

4.1 Facts <strong>zum</strong> <strong>CERN</strong><br />

Der <strong>CERN</strong> (früher: Conseil Européen pour la Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>e Nucléaire, heute: Organisation Européenne<br />

pour la Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>e Nucléaire), die Europäis<strong>ch</strong>e Organisation für Kernfors<strong>ch</strong>ung, ist eines der grössten<br />

Zentren für physikalis<strong>ch</strong>e Grundlagenfors<strong>ch</strong>ung der Welt. Der <strong>CERN</strong> wurde 1954 gegründet und hat<br />

seinen Sitz an der Grenze zwis<strong>ch</strong>en der S<strong>ch</strong>weiz und Frankrei<strong>ch</strong> bei Genf. Seine Mission wurde im<br />

Zuge der Gründung in einer Konvention festgehalten:<br />

“The Organization shall provide for collaboration among European States in nuclear resear<strong>ch</strong><br />

of a pure scientific and fundamental <strong>ch</strong>aracter. The Organization shall have no<br />

concern with work for military requirements and the results of its experimental and theoretical<br />

work shall be published or otherwise made generally available”.<br />

Derzeit zählt der <strong>CERN</strong> rund 20 Mitgliedsländer (Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deuts<strong>ch</strong>land,<br />

Finnland, Frankrei<strong>ch</strong>, Grie<strong>ch</strong>enland, Grossbritannien, Italien, Niederlande, Norwegen, Österrei<strong>ch</strong>,<br />

Polen, Portugal, Slowakei, Spanien, S<strong>ch</strong>weden, S<strong>ch</strong>weiz, Ts<strong>ch</strong>e<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Republik und Ungarn). Daneben<br />

existieren Länder mit Beoba<strong>ch</strong>terstatus und Ni<strong>ch</strong>tmitglieder, die aber ebenfalls an den <strong>CERN</strong>-<br />

Programmen beteiligt sein können. Der <strong>CERN</strong> selbst bes<strong>ch</strong>äftigt rund 2500 Mitarbeiter und sein<br />

Budget belief si<strong>ch</strong> 2007 auf etwa 1,3 Milliarden CHF.<br />

Es arbeiten jedo<strong>ch</strong> viele Wissens<strong>ch</strong>after und Ingenieure an Projekten des <strong>CERN</strong>, wel<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t <strong>vom</strong><br />

<strong>CERN</strong> selbst, sondern von Universitäten bes<strong>ch</strong>äftigt werden. Au<strong>ch</strong> werden viele Investitionen für<br />

den Bau der Experimente von Drittinstituten getätigt. Diese beiden Beiträge sind in obigen Zahlen<br />

also ni<strong>ch</strong>t enthalten.<br />

Bekannt ist der <strong>CERN</strong> vor allem für seine Experimente mit Hilfe der Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leuniger. Mit<br />

ihnen wird die Zusammensetzung der Materie erfors<strong>ch</strong>t, indem Teil<strong>ch</strong>en sehr stark bes<strong>ch</strong>leunigt und<br />

dann zur Kollision gebra<strong>ch</strong>t werden. Mit einer Vielzahl von unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Teil<strong>ch</strong>endetektoren<br />

werden dann die Flugbahnen der in den Kollisionen entstehenden Teil<strong>ch</strong>en rekonstruiert. Daraus<br />

lassen si<strong>ch</strong> dann die Eigens<strong>ch</strong>aften der kollidierten und neu entstandenen Teil<strong>ch</strong>en bestimmen.<br />

4.2 Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te und Highlights des <strong>CERN</strong><br />

Na<strong>ch</strong> Ende des Zweiten Weltkrieges verfolgten einige Wissens<strong>ch</strong>aftler die Idee, ein europäis<strong>ch</strong>es<br />

Teil<strong>ch</strong>enphysiklabor ins Leben zu rufen, um in Europa wiederum Wissens<strong>ch</strong>aft von Weltklasse zu<br />

ermögli<strong>ch</strong>en. 1951 wurde an einem UNESCO-Treffen in Paris diesbezügli<strong>ch</strong> die erste Resolution<br />

verabs<strong>ch</strong>iedet, 1952 Genf als künftiger Standort des Labors bestimmt und bis 1954 na<strong>ch</strong> und na<strong>ch</strong><br />

die <strong>CERN</strong>-Konvention von seinen zwölf Gründerstaaten ratifiziert: Belgien, die BRD, Dänemark,<br />

Frankrei<strong>ch</strong>, Grie<strong>ch</strong>enland, Grossbritannien, Holland, Italien, das ehemalige Jugoslawien, Norwegen,<br />

S<strong>ch</strong>weden und die S<strong>ch</strong>weiz.<br />

Der <strong>CERN</strong> hat seither immer wieder für S<strong>ch</strong>lagzeilen gesorgt:<br />

1957 wurde sein erster Bes<strong>ch</strong>leuniger (der „600 MeV Syn<strong>ch</strong>rocyclotron“, kurz SC) in Betrieb genommen,<br />

wel<strong>ch</strong>er „Beams“ für die ersten Teil<strong>ch</strong>en- und Nuklearphysikexperimente des <strong>CERN</strong> lieferte.<br />

1959 besass der <strong>CERN</strong> mit seinem neuen „Proton Syn<strong>ch</strong>rotron“ (PS), wel<strong>ch</strong>er – wie sein Name<br />

verlauten lässt – Protonen bes<strong>ch</strong>leunigt, für kurze Zeit den Teil<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>leuniger mit der weltweit<br />

hö<strong>ch</strong>sten Teil<strong>ch</strong>enenergie. Der Betriebsbeginn der „Intersecting Storage Rings“ (ISR) im Jahre 1971


4 Über den <strong>CERN</strong> 18<br />

bedeutete glei<strong>ch</strong>zeitig die Ermögli<strong>ch</strong>ung der (wiederum weltweit) erstmaligen Protonenkollision, bei<br />

wel<strong>ch</strong>er zwei grosse Protonenstrahlen erzeugt und dann zur Kollision gebra<strong>ch</strong>t werden.<br />

1988 wurde na<strong>ch</strong> drei Jahren Bauzeit der 27 km lange Tunnel des „Large Electron-Positron Collider<br />

(LEP) fertiggestellt – Europas grösstes Bauingenieurprojekt vor dem Tunnel unter dem Ärmelkanal.<br />

Der LEP war von 1989 bis <strong>zum</strong> Jahre 2000 in Betrieb, als man ents<strong>ch</strong>ied, Platz für die Konstruktion<br />

des LHC im selben Tunnel zu s<strong>ch</strong>affen. Der LEP war und ist der grösste je gebaute Elektron-<br />

Positron-Bes<strong>ch</strong>leuniger. Er wurde für die genaue Untersu<strong>ch</strong>ung der Trägerteil<strong>ch</strong>en der s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en<br />

We<strong>ch</strong>selwirkung genutzt, wel<strong>ch</strong>e Mitte der 1980er-Jahren am „Super Proton Syn<strong>ch</strong>rotron“ (SPS)<br />

des <strong>CERN</strong> entdeckt worden waren.<br />

Abbildung 10: Computersimulation einer Teil<strong>ch</strong>enkollision, wie sie am LHC untersu<strong>ch</strong>t werden wird. Alle<br />

Linien sind Bahnen von Teil<strong>ch</strong>en.<br />

Na<strong>ch</strong> anfängli<strong>ch</strong>er Panne hat der „Large Hadron Collider“ (LHC) seinen regulären Betrieb Ende<br />

2009 aufgenommen und am 30. März 2010 fanden erste Kollisionen bei einer S<strong>ch</strong>werpunktsenergie<br />

von 7 TeV statt. Im Jahr 2012 wurde die S<strong>ch</strong>werpunktsenergie auf 8 TeV erhöht und am 4. Juli<br />

2012 gaben die Fors<strong>ch</strong>ungsgruppen des ATLAS- und des CMS-Experiments die Entdeckung eines<br />

neuen Elementarteil<strong>ch</strong>ens, wel<strong>ch</strong>es mit grösster Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keit das Higgs-Boson sei, bekannt.<br />

Seit Frühjahr 2013 befindet si<strong>ch</strong> der LHC und seine Experimente in ihrer ersten grösseren Revision.<br />

Dabei will man einerseits den Bes<strong>ch</strong>leuniger für eine höhere S<strong>ch</strong>werpunktsenergie von bis zu<br />

maximalen 14 TeV vorbereiten. Daneben werden jedo<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> Arbeiten an den Experimenten vorgenommen,<br />

um deren Präzision in der Vermessung der Teil<strong>ch</strong>enkollisionen zu erhöhen. Glei<strong>ch</strong>zeitig<br />

geht jedo<strong>ch</strong> die Auswertung der bisher gesammelten Daten unvermindert weiter.<br />

Weitere Fragen neben der Existenz des Higgs-Bosons, auf wel<strong>ch</strong>e man mit Daten <strong>vom</strong> LHC eine<br />

Antwort zu finden hofft sind u.a.: Woraus bestehen die 96% des Universums, die unsi<strong>ch</strong>tbar sind?<br />

Warum „bevorzugt“ die Natur Materie vor Antimaterie? Oder gibt es tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> nur drei Familien<br />

von Quarks und Leptonen?


4 Über den <strong>CERN</strong> 19<br />

In der nunmehr etwas über 50-jährigen Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te des <strong>CERN</strong> wurden fünf Nobelpreise an seine<br />

wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Mitarbeiter vergeben, unter anderen an Carlo Rubbia und Simon Van der<br />

Meer (1984) für ihre Beiträge, die zur Entdeckung der W- und Z-Teil<strong>ch</strong>en führten, wel<strong>ch</strong>e die elektros<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>e<br />

Theorie des Standardmodells bestätigten, und an Georges Charpak (1992) für seine<br />

Erfindungen und Entwicklungen von Teil<strong>ch</strong>endetektoren, insbesondere der „multiwire proportional<br />

<strong>ch</strong>amber“.<br />

Aus unserem Alltagsleben ni<strong>ch</strong>t mehr wegzudenken ist zudem die Verwirkli<strong>ch</strong>ung der Idee von<br />

Tim Berners-Lee, wel<strong>ch</strong>er dur<strong>ch</strong> die Verbindung von „hypertext“, Internet und PCs ein einziges Informationsnetzwerk<br />

für die <strong>CERN</strong>-Physiker s<strong>ch</strong>affen wollte, um die computergespei<strong>ch</strong>erten Daten<br />

für alle im Labor zugängli<strong>ch</strong> zu ma<strong>ch</strong>en. Zu diesem Zweck erfand er das WorldWideWeb (1990).<br />

Fors<strong>ch</strong>ungshighlights des <strong>CERN</strong> umfassen unter anderem die Fors<strong>ch</strong>ung auf dem Gebiet der<br />

Antimaterie, Innovationen in der Bes<strong>ch</strong>leunigerphysik und der Na<strong>ch</strong>weis vieler der <strong>vom</strong> Standardmodell<br />

vorhergesagten Teil<strong>ch</strong>en:<br />

Antimaterie: Ein Atom Antiwasserstoff besteht aus einem Antiproton und einem Positron. Die<br />

ersten Antiwasserstoffatome konnten 1995 am PS210 am <strong>CERN</strong> künstli<strong>ch</strong> hergestellt werden. Die<br />

Antimaterie konnte jedo<strong>ch</strong> damals no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t für Experimente genutzt werden, da sie nur etwa ein<br />

40 Milliardstel einer Sekunde existierte. Neuere Experimente führten dann zur ersten kontrollierten<br />

Produktion grösserer Mengen von niederenergetis<strong>ch</strong>em Antiwasserstoff im Jahr 2002.<br />

Proton-Proton-Kollisionen: Am Anfang wurde in Experimenten oft ein Teil<strong>ch</strong>enstrahl auf ein<br />

stationäres Ziel ges<strong>ch</strong>ossen. Im Jahre 1971 wurde dann die erste erfolgrei<strong>ch</strong>e Proton-Proton-Kollision<br />

mit zwei bes<strong>ch</strong>leunigten Strahlen dur<strong>ch</strong>geführt, im Jahre 1981 folgten die ersten Proton-Antiproton-<br />

Kollisionen. Diese Experimente ebneten den Weg für einige Nobelpreise.<br />

Na<strong>ch</strong>weis der Z- und W-Bosonen: Ein wi<strong>ch</strong>tiger Moment für die Teil<strong>ch</strong>enphysik war die Entdeckung<br />

der W- und Z-Bosonen, wel<strong>ch</strong>e die Theorie der elektros<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en We<strong>ch</strong>selwirkung weiter<br />

stärken konnte. Um diese s<strong>ch</strong>weren Teil<strong>ch</strong>en messen zu können, musste eine neue Bes<strong>ch</strong>leunigergeneration<br />

entwickelt werden. Simon van der Meer und Carlo Rubbia wurden für ihre Leistungen mit<br />

dem Nobelpreis geehrt.<br />

Dies sind nur einige wenige Beispiele der vielen wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en und te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Errungens<strong>ch</strong>aften,<br />

die aus dem <strong>CERN</strong> hervorgegangen sind.

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