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JULA-Straßenfest auf dem Burgholzhof mit großem Zuspruch

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Seitenthema Leute<br />

STADTTEILZEITUNG BURGHOLZHOF Nr. 41 - 4. Juli 2009<br />

Menschen <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Burgholzhof</strong><br />

Gestatten ...<br />

... Mine Bayazit engagiert sich stark in der Haus<strong>auf</strong>gabenhilfe<br />

(gw) Mine Bayazit kam wie viele andere aus Zufall<br />

zum Wohnort <strong>Burgholzhof</strong>. Sie und ihr Mann lebten<br />

vorher in Rot und hatten sich bei der Stadt um eine<br />

größere Wohnung beworben. Die Familie gehörte zu<br />

den Pionieren des neuen Viertels und hatte daher in<br />

der ersten Zeit einiges unter <strong>dem</strong> Baustellenbetrieb<br />

und der fehlenden Infrastruktur zu leiden. Einzig die<br />

Nähe der Schule erschien der Mutter von <strong>mit</strong>tlerweile<br />

zwei Töchtern gleich als Vorteil. Heute wollen<br />

die Bayazits hier nicht mehr weg und haben sich<br />

eine Eigentumswohnung gek<strong>auf</strong>t. „Für uns ist hier<br />

der schönste Platz in ganz<br />

Stuttgart. Man muss keine<br />

Angst haben, wenn die Kinder<br />

draußen spielen, und auch<br />

ich fühle mich sehr wohl hier.<br />

Wenn ich aus <strong>dem</strong> Haus<br />

gehe, sehe ich lauter bekannte<br />

Gesichter.“<br />

Dieser familiäre Charakter<br />

erinnert Mine Bayazit an die<br />

Geborgenheit, die sie als Kind<br />

in einem türkischen Dorf<br />

erlebt hat. Sie wurde zwar in<br />

Baden-Württemberg geboren,<br />

kam aber <strong>mit</strong> drei Jahren zu<br />

ihren Großeltern in die Türkei.<br />

Es dauerte sieben Jahre, bis<br />

sie zu ihrer Mutter und ihrem<br />

Bruder nach Zuffenhausen<br />

zog. Der Abschied von den<br />

vielen Spielkameraden fiel ihr<br />

sehr schwer. Doch dank ihrer<br />

warmherzigen Art, in der sie ein türkisches Erbteil<br />

sieht, fand sie auch in der neuen Heimat schnell<br />

Freunde. Sie besuchte vor der vierten Grundschulstufe<br />

eine internationale Vorbereitungsklasse und<br />

das Tagheim, in dessen Kindergarten auch ihr Bruder<br />

betreut wurde, während die Mutter ganztags<br />

arbeiten musste. In einer Nachbarin fand die Zehnjährige<br />

eine „deutsche Oma“, zu der sie heute noch<br />

Kontakt hält.<br />

Mine Bayazit hat nach ihrer Meinung die wichtigste<br />

Zeit der Kindheit zum Deutschlernen nicht nutzen<br />

können. In der Türkei besuchte sie keine Schule.<br />

Umso erstaunlicher ist es, wie gut sie Deutsch<br />

gelernt hat und dass sie die Hauptschule <strong>mit</strong> einem<br />

Durchschnitt von 2,0 abschließen konnte. Sie<br />

bedauert, dass sie danach den Mut zum Besuch<br />

weiterführender Bildungseinrichtungen nicht fand. Ihr<br />

Wunscharbeitsplatz wäre eine Apotheke gewesen.<br />

Als Hemmnis für ihre berufliche Entwicklung wirkt<br />

sich das Kopftuch aus, das sie erst zwei Jahre nach<br />

<strong>dem</strong> Umzug <strong>auf</strong> den <strong>Burgholzhof</strong> als Zeichen ihres<br />

Glaubens anlegte. Die Trägerin der nach ihrem Verständnis<br />

des Koran vorgeschriebenen Verhüllung<br />

stößt immer wieder <strong>auf</strong> Missverständnisse und Ablehnung.<br />

„Es war meine eigene Entscheidung, das<br />

Kopftuch zu tragen, kein Muss in meiner Familie<br />

oder der Einfluss meines Mannes. Dieses Zeichen<br />

hat nur dann einen Wert, wenn<br />

man sich frei dafür entscheidet<br />

und nicht nur einer Sitte folgt.<br />

Meinen beiden Töchtern ver<strong>mit</strong>tle<br />

ich die Lehren des Koran,<br />

aber auch sie müssen<br />

selbst entscheiden, ob sie ein<br />

Kopftuch tragen wollen oder<br />

nicht. Ich habe auch überhaupt<br />

nichts dagegen, wenn<br />

andere Frauen <strong>mit</strong> Spaghettiträgern<br />

ausgehen, ich finde<br />

Verschiedenheit schön. Aber<br />

manche haben etwas gegen<br />

die Kleidung, für die ich mich<br />

entschieden habe.“ Die Erlebnisse<br />

reichen von älteren Damen,<br />

die ihr an der roten Ampel<br />

klarmachen wollen, sie<br />

müsse sich doch nicht verstecken,<br />

bis zu verletzenden<br />

Attacken in der Straßenbahn<br />

nach den Anschlägen vom 11. September 2001.<br />

Wenn sie unterwegs ist, fühlt sie sich teils<br />

angestarrt, teils einfach übergangen, zum Beispiel<br />

wenn Prospekteverteiler offenbar voraussetzen, eine<br />

Frau <strong>mit</strong> Kopftuch habe kein Interesse an ihrem<br />

Angebot. Mine Bayazit betont: „Ich will genauso<br />

behandelt werden wie andere Leute.“ Bei vielen<br />

Bewerbungen wird ihr mehr oder weniger unverhohlen<br />

<strong>mit</strong>geteilt: ohne Kopftuch gerne. Besonders<br />

traurig war sie, als eine Kindertageseinrichtung, die<br />

sie beschäftigen wollte, ihre Zusage nach <strong>dem</strong><br />

Einspruch übergeordneter Stellen zurückziehen<br />

musste.<br />

Nutznießer dieser Schwierigkeiten, im Berufsleben<br />

Fuß zu fassen, sind die Erst- und Zweitklässler der<br />

Haus<strong>auf</strong>gabenhilfe im Bürgerhaus, um die sich Mine<br />

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