Praktikumsbericht - Deutsch-Französische Gesellschaft Bonn und ...
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<strong>Praktikumsbericht</strong><br />
Praktikum abgeleistet bei ARTE FRANCE 16.08.2011 – 9.09. 2011<br />
Ramona Raabe
Im Sommer 2011 reiste ich für ein Praktikum nach Paris <strong>und</strong> verbrachte als deutsche frischgebackene<br />
Abiturientin insgesamt fünf Wochen in der französischen Hauptstadt.<br />
Der nachfolgende Bericht ist eine persönlich-subjektive Beschreibung meines Erlebens <strong>und</strong> bezieht<br />
sich auf die organisatorischen Abläufe, das Wohnen in der Stadt, das Praktikum bei ARTE sowie auf<br />
Paris selbst.<br />
Organisation <strong>und</strong> Ablauf<br />
Am 20.01.2011 stand ich, durchaus aufgeregt, auf der Bühne des Haus der Geschichte <strong>Bonn</strong> <strong>und</strong> tat<br />
das, was ich bei Nervosität so oft mache: viel reden. Eine Reaktion, die der Teilnahme am Schüler-<br />
Debattierwettbewerb, durchgeführt von der deutsch-französischen <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Bonn</strong>-Rhein-Sieg <strong>und</strong><br />
dem Robert SchumaN Institut <strong>Bonn</strong>, glücklicherweise zuträglich gewesen zu sein schien.<br />
Als Drittplatzierte des Wettbewerbs gewann ich ein Stipendium im Wert von 500 Euro für ein<br />
Praktikum in Frankreich sowie eine fünftägige kultur-politische Begegnungsreise nach Paris<br />
gemeinsam mit den weiteren 9 Finalisten.<br />
Bei einem Informationstreffen über die anstehende Parisreise einige Wochen später, erk<strong>und</strong>igte sich<br />
der Präsident der deutsch-französischen <strong>Gesellschaft</strong>, Herr Dr. Wolfgang Linckelmann, bei den 3<br />
Preisträgern nach ihren Praktikums-Plänen bzw. - im Fall des Erstplatzierten Marc Koepp – nach dem<br />
anstehenden Sprachkurs in Nizza. Lea Friker äußerte Überlegungen, ihr Praktikum in der<br />
radiologischen Abteilung eines Krankenhauses abzuleisten <strong>und</strong> ich sprach von meiner Suche nach<br />
einem Platz im medialen Bereich sowie von meinem Interesse an Kultur, Literatur <strong>und</strong> Philosophie.<br />
Herr Dr. Linckelmann erwähnte an dieser Stelle den deutsch-französischen Kultursender ARTE,<br />
welcher sowohl in Strassburg als auch Paris sesshaft sei.<br />
Begeistert von der Idee verfasste ich ein Motivationsschreiben in Französisch <strong>und</strong> übersetzte meinen<br />
Lebenslauf. Ich wollte mich um ein Praktikum noch für den Sommer 2011 bei ARTE in Paris bemühen,<br />
um die längere Überbrückungszeit zwischen Schule <strong>und</strong> Universität sinnvoll zu nutzen. Dies war mir<br />
besonders daher wichtig, da ich die Möglichkeiten für ein Praktikum in Frankreich während des<br />
Studiums zu diesem Zeitpunkt nur schwer einschätzen konnte.<br />
Im Juli 2011 erhielt ich eine e-Mail von ARTE, indem ich um eine Gewinnbestätigung des<br />
Wettbewerbs gebeten wurde, um eine Bescheinigung meiner Haftpflichtversicherung sowie um ein<br />
Telefongespräch. Im Anschluss daran erhielt ich die Bestätigung, mein Praktikum vier Arbeitswochen<br />
von dem 16.08.2011 – 9.09.2011 im Haus von ARTE ableisten zu dürfen.<br />
Letzteres Datum, ein Freitag, war besonders dadurch vorteilhaft nach Absprache gewählt worden, da<br />
am Samstag (10.09.2011) direkt im Anschluss die kultur-politische Begegnungsreise beginnen sollte.<br />
Ich würde also schon in Paris sein <strong>und</strong> die anderen der Debattiergruppe am Gare du Nord antreffen.<br />
Bei dieser Reise würden wir in Gastfamilien leben, doch für die Zeit meines vierwöchigen Praktikums<br />
musste ich mich auf die Suche nach einer Unterkunft in Paris machen.<br />
Wohnungssuche in der französischen Hauptstadt: Ein Vorhaben, welches sich im Normalfall als<br />
Drahtseilakt herausstellt, gestaltete sich für mich, zumindest zunächst, als unkompliziert <strong>und</strong> einfach -<br />
ein Glücksfall. Das deutsche Studentenheim Maison Heinrich Heine in der Cité Internationale<br />
Universitaire, ein Tipp von Herrn. Dr. Linckelmann, hatte wenigstens für den August 2011 noch ein<br />
Zimmer frei.<br />
Für die verbleibende Praktikumszeit im September wollte ich mich vor Ort nach einer geeigneten<br />
Unterkunft erk<strong>und</strong>igen, sodass ich mit gepacktem Reisekoffer am Sonntag, den 14.08.2011 in<br />
Begleitung meiner Mutter, die Reise nach Paris mit dem Auto antrat. Meine Mutter half mir bei ersten<br />
Orientierungen in der Stadt <strong>und</strong> reiste nach 2 Tagen schon wieder zurück nach <strong>Deutsch</strong>land.<br />
Meinem Arte-Projekt <strong>und</strong> Paris-Abenteuer war ich zum Zeitpunkt Ihrer Abreise also allein überlassen.
La Maison Heinrich Heine :<br />
Die Unterkunft in der Cité Universitaire Internationale<br />
Für mich bedeutete der Aufenthalt in Paris auch erstmalig selbstständiges Wohnen. Zwar war ich auch<br />
zuvor schon für längere Zeit im Ausland gewesen, doch geschah dies stets mithilfe von<br />
Organisationen/Schule <strong>und</strong> mit Gastfamilienbetreuung. Da ich behütet in einem kleinen Dorf am Rhein<br />
mit Familie aufgewachsen bin, war das „alleine Wohnen“ in Paris eine gr<strong>und</strong>legend neue Erfahrung<br />
<strong>und</strong> Herausforderung. Zum Zeitpunkt meiner Anreise kannte ich niemanden aus der Stadt.<br />
Die Cité Universitaire Internationale (nachfolgend: Cité) in Paris liegt südlich etwas abseits von dem<br />
Stadtzentrum im 14arrondissement. Gegründet in den frühen 1920er Jahren, sollte die Cité es jungen<br />
Menschen aus dem Ausland den Einstieg in Paris erleichtern <strong>und</strong> den interkulturellen Dialog fördern.<br />
Es entstand eine Studentensiedlung, welche im heutigen Jahr gut 40 Häuser zählt, die jeweils<br />
verschiedene Nationen repräsentieren. Dabei ist etwa nur die Hälfte der Bewohner der Nation des<br />
jeweiligen Hauses auch wirklich zugehörig – durch das Mischen der Nationalitäten soll der<br />
interkulturelle Austausch entstehen. Nach eigenen Angaben beherbergt die Cité pro Jahr etwa 10.000<br />
Studenten, Sportler, Künstler <strong>und</strong> Doktoranden aus über 140 Ländern.<br />
In dem Maison Heinrich Heine stehen etwa 100 Zimmer zur Verfügung. Mein Zimmer war etwa 12m2<br />
groß <strong>und</strong> vollständig möbliert mit Bett, Schreibtisch, Stühlen, Nachttisch, Schrank, Regal <strong>und</strong><br />
Waschbecken. Werktags kam jeden Morgen eine Reinigungskraft ins Zimmer, um Waschbecken <strong>und</strong><br />
Flur zu putzen <strong>und</strong> sogar um den Schreibtisch zu wischen <strong>und</strong> etwas zu ordnen.<br />
Auf dem Flur gab es die Gemeinschaftsduschen, -toiletten <strong>und</strong> eine großzügige Küche, welche<br />
allerdings wenig an benötigten Utensilien vorzuweisen hatte. Ich teilte mir diese Dinge mit 9 weiteren<br />
Studenten/Praktikanten/Doktoranden, von denen die meisten <strong>Deutsch</strong>e waren. Mit 19 Jahren war ich<br />
die Jüngste im Hause (zumindest so weit mir bekannt) – jedoch fühlte ich mich dadurch in keinem<br />
Moment benachteiligt <strong>und</strong> der Gemeinschaft sehr zugehörig.<br />
Nachdem ich mich noch einmal persönlich bei der Verwaltung des Hauses erk<strong>und</strong>igt hatte, war es<br />
tatsächlich möglich auch noch ein Zimmer für die 1 ½ Wochen im September zu erlangen; ich musste<br />
nur von der ersten in die vierte Etage ziehen. Das hatte den Vorteil einer sehr schönen Aussicht über<br />
die Cité <strong>und</strong> sogar ein Blick auf die Eifelturmspitze war von dort aus möglich. Allerdings war der<br />
Internetzugang in der 4. Etage äußerst problematisch. Stets funktionierendes Internet als<br />
Selbstverständlichkeit für ein Studentenheim ist dort bisher nur die Ansicht der Studenten.<br />
Einkaufsmöglichkeiten waren im näheren Umkreis durch mehrere Supermärkte gegeben, eine<br />
Waschmaschine durfte man für 3 Euro pro Waschgang im Haus benutzen.<br />
Die Miete für die 4 Wochen betrug für mich als Sommerresidentin 450 Euro.<br />
Die Cité charakterisiert sich durch schöne Grünflächen, viele Bäume <strong>und</strong> Pfade, sodass täglich viele<br />
Menschen, ich vermute auch von außerhalb, auf dem Gelände Sport treiben <strong>und</strong> Picknicke machen.<br />
Transport <strong>und</strong> Verkehr<br />
Das Maison Heinrich Heine ist sehr gut an das öffentliche Pariser Verkehrsnetz angeb<strong>und</strong>en: Mit der<br />
eigenen Straßenbahnhaltestelle „Cité Universitaire“ (Tram 3) <strong>und</strong> einem eigenen Zugbahnhof „Cité<br />
Universitaire“ (RER B) sowie der Metrostation „Porte d’Orleans“ (Linie 4, 10 Minuten Fußweg) gelangt<br />
man schnell ins Stadtinnere.<br />
Mit dem elektronischen Verkehrspass Navigo durfte ich mit allen Zügen, Bahnen, Metros <strong>und</strong> Bussen<br />
der Zonen 1 <strong>und</strong> 2 fahren (dies umfasst den kompletten Stadtkern <strong>und</strong> einige Außenbezirke).
Jede Woche lud ich das Navigo entweder am Automaten oder an einer Information gegen eine<br />
Bezahlung von 18, 95 Euro auf.<br />
Zu meinem Praktikum bei ARTE brauchte ich etwa 25 Minuten. Mit der T3 fuhr ich etwa 15 Minuten<br />
bis „Porte de Versailles“ <strong>und</strong> stieg dort in die Metrolinie 12, um etwa drei Minuten bis zur Endstation<br />
„Mairie d’Issy“ zu fahren. Von dort aus war das Arte-Gebäude innerhalb weniger Minuten leicht zu Fuß<br />
zu erreichen.<br />
Die Struktur von ARTE<br />
ARTE (Association Relative à la Télévision Européenne) wurde 1992 durch einen zu diesem Zeitpunkt<br />
2 Jahre alten Staatsvertrag zwischen dem französischen Staat <strong>und</strong> elf deutschen Ländern gegründet.<br />
Zugr<strong>und</strong>e liegt dem die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung, G.E.I.E. (Groupement<br />
Européen d’Interêt économique), welche in Strassburg ihren Sitz hat. Auch heute noch ist der<br />
Verwaltungssitz von ARTE in Strassburg vorzufinden, die weiteren Einheiten Arte France <strong>und</strong> Arte<br />
<strong>Deutsch</strong>land TV GmbH befinden sich in Paris <strong>und</strong> Baden-Baden (hier sind die ARD <strong>und</strong> der ZDF zu<br />
jeweils 50 % beteiligt). Als öffentlich rechtlicher Sender finanziert sich ARTE hauptsächlich durch<br />
erhobene Fernsehgebühren.<br />
ARTE sendet r<strong>und</strong> um die Uhr, die Sendeschwerpunkte liegen hier auf Kultur in all ihrer Form sowie<br />
Europa mit besonderem Fokus auf <strong>Deutsch</strong>land <strong>und</strong> Frankreich. Dabei werden nicht nur<br />
Dokumentationen gezeigt, sondern auch verschiedene Magazine sowie Serien <strong>und</strong> Kino- <strong>und</strong><br />
Fernsehfilme.<br />
Die Präsidentin ist Frau Véronique Cayla.<br />
Das Praktikum bei ARTE<br />
Der Sitz von ARTE France befindet sich in Issy-les-Moulinaux, einem mediendominierten Gebiet im<br />
Südwesten von Paris. An meinem ersten Tag wurde ich fre<strong>und</strong>lich von Frau Zina Mebkhout <strong>und</strong> Frau<br />
Leonie Schmidtmer in Empfang genommen <strong>und</strong> fortan betreut. In erster Linie war ich Praktikantin der<br />
Présidence: an einem eigenen Arbeitsplatz <strong>und</strong> Computer machte ich mich zunächst mit dem Intranet<br />
von ARTE France vertraut. Frau Schmidtmer erklärte mir die Struktur von ARTE, die Abläufe des<br />
Senders <strong>und</strong> insbesondere das Programmschema. Ich erhielt einen elektronischen Pass für den<br />
Zugang in das Gebäude <strong>und</strong> für die Aktivierung des Fahrstuhls sowie eine aufladbare Karte für die<br />
dortige Kantine.<br />
In französischen <strong>und</strong> deutschen Zeitungen (Beispiel: Le Monde, der Spiegel) <strong>und</strong> diversen<br />
Internetaufritten recherchierte ich nach aktuellen Themen, die ARTE interessieren könnte bzw.<br />
insbesondere <strong>Deutsch</strong>land <strong>und</strong> Frankreich betreffen. Diese Nachrichten stellte ich in einem<br />
Presseüberblick (revue du presse) für die Présidence zusammen. Auch sichtete ich verschiedenes<br />
Material um es anschließend vereinfacht zusammenzufassen, beispielsweise das Protokoll einer<br />
Mitgliederversammlung von ARTE oder auch verschiedene Exposés für neue Programmvorschläge.<br />
Dabei arbeitete ich in deutscher, französischer <strong>und</strong> englischer Sprache.<br />
Der tägliche Kontakt mit der Sprache war enorm hilfreich, um ein besseres Gefühl für das<br />
<strong>Französische</strong> zu entwickeln, neues Vokabular anzunehmen <strong>und</strong> vor allem um das eigene<br />
Hörverständnis zu präzisieren.<br />
Das tatsächlich Besondere an meinem Praktikum war jedoch die Tatsache, dass ich täglich die<br />
Möglichkeit bekam, verschiedene Abteilungen direkt im konkreten Dialog mit den jeweiligen<br />
Mitarbeitern kennenzulernen, um dadurch einen Gesamteindruck von den einzelnen Mechanismen<br />
des Senders zu gewinnen. Dementsprechend habe ich eine Vielzahl an Abteilungen bei ARTE
esuchen dürfen, um durch Gespräch, Beobachtung <strong>und</strong> teilweise auch eigener Mitarbeit den Sender<br />
in seiner Ganzheit zu erfassen.<br />
Im Nachfolgenden eine Aufzählung der von mir besuchten Abteilungen:<br />
‣ La Présidence<br />
‣ - Direction Générale<br />
> - Direction Générale / Service d'interprètes<br />
> - Direction Générale / Service Etudes des audiences<br />
> - Direction de la Communication / Arte Magazine<br />
> - Direction de la Communication / Marketing<br />
> - Direction Editoriale / Unité Documentaire<br />
> - Direction Editoriale / Unité Actualité, Société et Géopolitique,<br />
> - Direction Editoriale / Service Contrôle Qualité<br />
> - Direction des Relations Internationales<br />
> - Direction Internet / Arte Pro<br />
> - Direction Internet / Arte Live Web<br />
> - Direction Internet / Arte Radio mixage<br />
> - Direction du Développement / Arte Studio ("Karambolage")<br />
Besonders spannend war auch meine Teilnahme an insgesamt drei Drehtagen: zwei bei dem<br />
umweltbewussten Kulturmagazin „GlobalMag“ in Vincennes, Ile de France sowie ein Tag im Green<br />
Screen Studio für „Metropolis“.<br />
Als persönliches Highlight empfand ich die Filmvorführungen im salle de Projection. Im hauseigenen<br />
eindrucksvollen Kino sah ich zwei von ARTE co-produzierte Kinofilme noch vor ihrem offiziellen Start:<br />
„La guerre est declarée“ von Valérie Donzelli <strong>und</strong> „L’Appolonide – souvenirs de la maison close“ von<br />
Bertrand Bonello. Mit einer weiteren Mitarbeiterin der Unité Actualité, Sociéte et Géopolitque sichtete<br />
ich in anderen Schnittbüros außerhalb von Issy-les-Moulineaux Piloten einer neuen Doku-Reihe für<br />
den Sender <strong>und</strong> sprach persönlich mit den Produzenten, die sich aufrichtig für persönliche<br />
Zuschauerkritik interessierten.<br />
Die Arbeitszeiten waren außergewöhnlich angenehm: Im Regelfall war ich von 10.00 Uhr morgens bis<br />
18.00 Uhr abends bei ARTE beschäftigt.<br />
Der Fernsehsender : Menschen <strong>und</strong> Atmosphäre<br />
Die Atmosphäre <strong>und</strong> das Miteinander arbeiten bei ARTE habe ich gr<strong>und</strong>legend als positiv empf<strong>und</strong>en.<br />
Um es mit den Worten einer Mitarbeiterin der Unité Actualité, Société et Géopolitique zu sagen: „Bei<br />
ARTE sind wir wie eine große Familie!“ Als Außenstehende kann ich diese Aussage bestätigen, die<br />
ihn erster Linie vielleicht nach stereotypischen Kitsch klingen mag: das vorherrschende Klima beim<br />
Sender ist fre<strong>und</strong>lich, gut gelaunt <strong>und</strong> im Regelfall nicht so stressig, wie ich es bei früheren Besuchen<br />
bei anderen journalistischen Einrichtungen beobachtet habe. Letzteres mag sicher auch daran liegen,<br />
dass ARTE in erster Linie kein Nachrichtensender ist <strong>und</strong> sich für die Ausarbeitung gut recherchierter<br />
Inhalte mehr Zeit nehmen kann als nur wenige St<strong>und</strong>en bis zur nächsten Aufnahme.<br />
Der Grossteil der Mitarbeiter, mit denen ich Zeit verbracht habe, war im Durchschnitt noch sehr jung.<br />
Mir als Neuling wurde stets offen <strong>und</strong> aufgeschlossen begegnet, mit der Sprachbarriere wurde<br />
verständnisvoll umgegangen. Nur wenige Mitarbeiter bei ARTE France sprechen <strong>Deutsch</strong>, wenn auch<br />
viele sich noch an einzelne Sätze aus Schulzeiten erinnern <strong>und</strong> sich gefreut haben, diese noch einmal<br />
vor einer deutschen Praktikantin erproben zu können.<br />
ARTE ist ein Sender, bei dem sich die Mitarbeiter immer fre<strong>und</strong>lich auf dem Flur <strong>und</strong> im Aufzug<br />
grüssen <strong>und</strong> sich einen schönen Tag wünschen. Auch meine ich, eine gr<strong>und</strong>sätzliche Zufriedenheit<br />
unter den Mitarbeitern erspürt zu haben: Ich habe den Eindruck, dass die meisten Mitarbeiter<br />
persönlich hinter dem Projekt <strong>und</strong> der Philosophie des Senders stehen. Einen Grafiker der<br />
wöchentlichen Sendung Karambolage sprach ich auf sein Streben nach Perfektion an, nachdem er für<br />
sehr, sehr lange Zeit an einer kleinen Einzelheit arbeitete, die sich – zumindest für mein ungeschultes
Auge – auch nach zeitintensiver Verfeinerung nicht merklich veränderte. Es handelte sich dabei um<br />
ein Bild, welches nur kurz in der Endfassung zu sehen sein würde.<br />
„Als Künstler muss man diesen Anspruch an sich haben. Ich möchte meine Arbeit hier gut machen.“<br />
Die Tatsache, dass ihm das Gelingen der Arbeit für ARTE so persönlich am Herzen liegt, finde ich<br />
beispielgebend <strong>und</strong> für viele Mitarbeiter des Senders auch repräsentativ.<br />
Besonders gut hat mir auch die Kantine gefallen. Mit einer täglich abwechslungsreichen <strong>und</strong> großen<br />
Auswahl an Gerichten <strong>und</strong> einer interessanten Glasarchitektur war die Mittagspause im hellen<br />
Speisesaal immer angenehm.<br />
Die Stadt Paris<br />
Da ich schon mehrere Male als Tourist in Paris gewesen war, kannte ich die Stadt bereits <strong>und</strong> hatte<br />
folgende Eindrücke von ihr: schöne alt-europäische Architektur, viele gleich aussehende niedliche<br />
Cafés <strong>und</strong> „Brasseries“, überteuerte Prise, romantischer Charme neben dreckigen Strassen sowie<br />
überwiegend unfre<strong>und</strong>liche, arrogante Einheimische.<br />
Mir war bewusst, dass sich diese Eindrücke nach einem längeren Aufenthalt in der Stadt ändern<br />
würden <strong>und</strong> das wollte ich auch: ich wollte die Stadt als ein Teil von ihr erleben, nicht mehr als<br />
außenstehenden Touristen.<br />
Ich kannte den Eiffelturm, Sacré Coeur, Montmatre, das Moulin Rouge, Notre Dame, die Champs-<br />
Elysées <strong>und</strong> die Seine bereits. Ich sah mir all diese Dinge noch einmal, zweimal, dreimal an. Ich<br />
besuchte Cafés, Bars, lief große Teile der Stadt zu Fuß ab. Ich besuchte den Louvre <strong>und</strong> blickte der<br />
Mona Lisa in die Augen (es ist schließlich auch schwierig, das nicht zu tun, wenn man sie anschaut),<br />
sah mir Monets Seerosenbilder in der l’Orangerie an <strong>und</strong> besuchte weitere Museen in der Umgebung.<br />
Dabei freute ich mich immer, dass diese für Schüler <strong>und</strong> Studenten unter 26 Jahren weitesgehend<br />
„gratuit“ sind. Oft war ich auch im Kino, u.a. Woody Allens „Midnight in Paris“. Aus diesem Kino zu<br />
gehen <strong>und</strong> sich abends genau in der Stadt zu befinden, die ich selbst soeben <strong>und</strong> Millionen andere<br />
überall auf der Welt auf der Leinwand ansehen, war doch etwas Schönes. Und tatsächlich empfand<br />
ich nach meinen Aufenthaltswochen die Stadt Paris auch als ähnlich mystisch-faszinierend, wie<br />
Woody Allen sie in seinem Film portraitiert. Die Strassen waren immer noch dreckig <strong>und</strong> in der Metro<br />
war es noch immer zu voll <strong>und</strong> stickig, aber man gewöhnt sich in gewisser Weise doch daran <strong>und</strong><br />
fusioniert mit diesem Alltag. Meine Lieblingsmetrolinie ist die 6. Die fährt auch draußen.<br />
Paris kann anstrengend sein. Morgens sind alle Menschen auf den Strassen – <strong>und</strong> es sind viele –<br />
gestresst; in der Metro quetschen sie sich mit einem „Excusez-moi“ an einem vorbei <strong>und</strong> abends sind<br />
viele müde <strong>und</strong> geschafft <strong>und</strong> haben oftmals einen langen Heimweg anzutreten. Meistens hatte ich<br />
nur wenig Lust meine Einkäufe in die Tram zu schleppen <strong>und</strong> auf einen Sitzplatz zu hoffen. Viele<br />
Bettler sitzen auf den Strassen/in den Metros <strong>und</strong> stellen ihre Plastikbecher vor sich auf, mehr als ich<br />
aus <strong>Deutsch</strong>land kenne: „Aidez-moi“. Manchmal versuche ich das mit einer Spende <strong>und</strong> immer frag<br />
ich mich, was sie von dem Geld kaufen werden. Andere singen, spielen Instrumente, auf den Strassen<br />
wird viel Hiphop <strong>und</strong> Breakdance getanzt. Eines Abends befand ich mich vor der Sacré Coeur <strong>und</strong><br />
konnte ein kleines Open Air Theater miterleben: aufgewecktes, altertümliches Schauspiel mit der ruhig<br />
erscheinenden Stadt im Hintergr<strong>und</strong> gelegen. Das war w<strong>und</strong>erschön.<br />
Paris ist eine Stadt in der man sich nicht aufzuregen braucht, wenn man die Metro verpasst. Die<br />
nächste kommt schließlich in oftmals 2 Minuten, manchmal 5, selten später. Paris ist eine Stadt, in der<br />
sich die einander fremden Bewohner die Türen offen halten <strong>und</strong> in der die Männer<br />
gewöhnungsbedürftig flirtfreudig sind, allerdings nach meiner Erfahrung auf schmeichelhafte <strong>und</strong><br />
selten aufdringliche Weise. Während die <strong>Deutsch</strong>en doch eher nur versucht unbemerkt <strong>und</strong> verhalten<br />
gucken, bleibt ein Franzose einfach vor einer Frau stehen, spricht „Vous êtes trop belle“, lächelt <strong>und</strong><br />
geht einfach weiter. Eine Pariser Frau mag sich in <strong>Deutsch</strong>land frustriert fragen, ob sie unattraktiv<br />
geworden ist, wenn das ausbleibt.<br />
Die Pariser sind nicht unfre<strong>und</strong>lich. Vielleicht sind sie nur etwas von den Millionen Touristen genervt,<br />
weshalb ich diesen Eindruck vorab hatte. Eine Mitbewohnerin in dem Maison Heinrich Heine meinte
dazu: „Ich glaube, wenn sie einen für Touristen halten sind sie nicht so nett, aber wenn sie merken,<br />
dass man aus dem Ausland kommt <strong>und</strong> sich bemüht <strong>und</strong> interessiert <strong>und</strong> hier auch lebt, ist das ganz<br />
anders.“ Ich gebe ihr Recht. Ich habe keine einzige richtig unfre<strong>und</strong>liche Begegnung während meines<br />
Aufenthaltes hier gemacht. Das überrascht mich selbst. Immer wenn ich mich verlaufen hatte (<strong>und</strong> das<br />
war oft) <strong>und</strong> etwas suchte, stieß ich auf Hilfsbereitschaft. Irgendwann hatte ich sogar einige Smalltalk-<br />
Gespräche mit fremden Franzosen. Das hat mich irgendwie glücklich gemacht.<br />
Rückblickend<br />
Ich bin sehr dankbar für die Erfahrungen, Begegnungen <strong>und</strong> Erinnerungen hier aus Paris. Das<br />
Praktikum bei ARTE hat mir einen wertvollen Einblick in die Medienbranche verschafft <strong>und</strong> mich einem<br />
beispiellosen Sender <strong>und</strong> seinen Menschen vertraut gemacht. Ich kann aufrichtig sagen, viel aus<br />
diesen Wochen mitgenommen zu haben.<br />
Viele tolle Bekanntschaften habe ich in der Cité gemacht, mit einigen bleibe ich sicherlich in Kontakt.<br />
Die tägliche Suche nach gespültem Besteck wird mir fehlen.<br />
Ich danke den Veranstaltern des Wettbewerbs, insbesondere Herrn Dr. Wolfgang Linckelmann,<br />
meiner Lehrerin Monique Jacquemin von der Jugenddorf-Christophorusschule Königswinter, die mir<br />
die Teilnahme an dem Wettbewerb erst ermöglicht hat sowie allen Mitarbeitern von ARTE,<br />
insbesondere Frau Leonie Schmidtmer <strong>und</strong> Frau Zina Mebkhout.<br />
Merci beaucoup!<br />
Paris, 9/09/2011<br />
Ramona Raabe