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Chung Hyo Ye

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<strong>Chung</strong> <strong>Hyo</strong> <strong>Ye</strong><br />

Erzählungen über Ehrfurcht gegenüber den Eltern, Treue, Respekt und<br />

Mitgefühl, ausgewählt aus der Geschichte und Volkssagen Koreas<br />

1


© 2007 Diamant Sutra Rezitationsgruppe<br />

Alle Rechte vorbehalten.<br />

Deckblatt: Bi Chon Sang (Bild eines himmlischen Wesens, das Buddha Opfer darbringt)<br />

auf der Glocke von König Songdok, hergestellt AD 771.(Nationalschatz Nr. 29)<br />

Die folgenden Fotos (Copyright) wurden mit Genehmigung zusammengetragen von:<br />

Seite 10, 110, 124, Hanok Munhwa; Seite 36, 58, 156, agbook.<br />

Herausgegeben von<br />

Diamant Sutra Rezitationsgruppe<br />

Yong Hwa Publications<br />

1269 Seonggokri Heunghae Buggu<br />

Pohang, Korea<br />

Ausgabe, 2007<br />

ISBN: 978-0-9797263-0-9<br />

Gedruckt in der Republik von Korea<br />

Kontakte<br />

Jung-Ja Holm<br />

Hiltistraße 7a, 86916 Kaufering<br />

Telefon 08191/70618<br />

jung-ja@hotmail.de<br />

Frau Holm ist Mitglied in Han-In-Hoe München e.V.<br />

2


Korea und Nachbarländer<br />

3


Koreanische Geistes- und Kultur<br />

Webseite<br />

Alle unsere gedruckten Bücher stehen auf unserer Webseite zur Verfügung.<br />

Darüber hinaus stellen wir weiterführende Literatur mit ausgewählten<br />

Themen zur koreanischen Geschichte und Kultur zur Verfügung<br />

Admiral Yi Soon-shin<br />

König Sejong der Große<br />

<strong>Chung</strong> <strong>Hyo</strong> <strong>Ye</strong><br />

Multimedia Video Clips über<br />

• Hanbok, the Clothes of Nature<br />

• Hangul, the Alphabet of Love<br />

• UNESCO World Cultural Heritage in Korea<br />

• A History Special Documentary<br />

www.koreanhero.net<br />

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an<br />

kscpp@diamondsutra.org<br />

4


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort........................................................................................................7<br />

Kapitel 1 <strong>Hyo</strong>: Verehrung der Eltern<br />

Unter der glühenden Sonne................................................................................11<br />

Der arme Wissenschaftler und die Tochter des Ministers..............................12<br />

Besuch aus Seoul...................................................................................................13<br />

Das Leiden einer Mutter......................................................................................16<br />

Mütterliche Liebe..................................................................................................18<br />

Treues Umsetzen des Gehorsams.......................................................................20<br />

Die Unschuld meines Vaters...............................................................................24<br />

Gegenseitige Verbeugung mit Respekt.............................................................27<br />

Der Sohn, der das Leben seines Vaters rettete..................................................29<br />

Hyangdoks Aufopferung.....................................................................................31<br />

Eine merkwürdige Gedenkzeremonie...............................................................34<br />

Das Mädchen, dass seinem Vater die Augen schenkte...................................37<br />

Die große Gehorsamkeit des Kaisers Shun.......................................................50<br />

Die Tugend der <strong>Hyo</strong> (Gehorsamkeit).................................................................52<br />

Kapitel 2 <strong>Chung</strong>: Loyalität zu Volk und Vaterland<br />

Ulpaso.....................................................................................................................59<br />

Die treue Seele von Pak Jesang...........................................................................63<br />

Hwarang Kwisan und Chuhang.........................................................................72<br />

Das reine Herz von Sadaham..............................................................................76<br />

5


Dort wo ich beerdigt bin, soll kein Gras wachsen...........................................80<br />

Jung Mong-ju und die 72 weisen Männer von Dumundong.........................83<br />

Premier Minister Hwang Hee.............................................................................91<br />

Nongae und der gerechte Fels............................................................................97<br />

Die Bedeutung von <strong>Chung</strong>................................................................................106<br />

Kapitel 3 Wuae: Die brüderliche Liebe<br />

Die Geschichte von den guten Brüdern...........................................................111<br />

Kostbarer als Gold..............................................................................................113<br />

Hung-bu und Nol-bu.........................................................................................114<br />

Kapitel 4 <strong>Ye</strong>: Eine tugendhafte Lebensweise<br />

Der Ursprung von Dubu und Kimchi...............................................................125<br />

Kim Jip und Yi Yulgok......................................................................................127<br />

Der Gelehrte mit den hundert Flicken............................................................130<br />

Die Ländereien von Bok Jang-han...................................................................132<br />

Ein Vermögen weggeben..................................................................................134<br />

Wahrer Wohlstand.............................................................................................136<br />

Der mitfühlende Herr........................................................................................138<br />

Geben im Stillen.................................................................................................140<br />

Pukchon-daek aus dem Dorf Hahwe..............................................................142<br />

Die Reistruhe von Wunjoru..............................................................................144<br />

Kim Manduk, Jeju Inseln „Dame der Tugend“..............................................146<br />

Eine respektvolle und gütige Kultur................................................................151<br />

Traditionelle kulturelle Veranstaltungen für Besucher Koreas.....159<br />

6


Vorwort<br />

Korea ist ein Land, das immer den Frieden liebt und sich stets darum bemüht<br />

ihn zu bewahren. Der Grundgedanke beruht auf der Lehre des Hongik Ingan. Dies<br />

bedeutet, dass jeder zum Wohle der gesamten Menschheit leben und handeln sollte.<br />

Sowohl die Erfurcht für den Himmel als auch der Respekt gegenüber den<br />

Menschen ist tief im Geist der Koreaner verankert.<br />

Traditionsgemäß waren in Korea Großfamilien, die aus mehr als drei<br />

Generationen bestanden, sehr üblich. In diesen großen Familien kümmerten sich<br />

die älteren Familienmitglieder um die jüngeren und die Kinder lernten die älteren<br />

Mitglieder der Familie mit Respekt zu behandeln. Sie lernten auch, die Interessen<br />

der anderen zu respektieren und sich um die jüngeren Geschwister zu kümmern. So<br />

eine Erziehung dient als Basis für eine Haltung, welche den Belangen der<br />

Mitmenschen oder der Gesellschaft einen höheren Stellenwert einräumt, als den<br />

eigenen Belangen. Diese Haltung dient auch als Grundlage für die Bereitschaft,<br />

sich für den Staat aufzuopfern.<br />

Dieses Buch ist eine Sammlung von Geschichten über die Liebe und Hingabe.<br />

Die Geschichten beruhen sowohl auf historischen Tatsachen als auch auf<br />

Volkssagen. Sie schärfen das Bewusstsein über die eigene Herkunft, die Liebe zu<br />

den Eltern begründet mit der geistigen Haltung, sich nicht in den Vordergrund zu<br />

stellen. Sie bringen die Liebe unter den Geschwistern und die Liebe zu dem<br />

eigenen Land und eigenem Volk zum Ausdruck.<br />

7


Kapitel 1<br />

<strong>Hyo</strong>: Verehrung der Eltern<br />

9


Aeryon (Liebe der Lotus Blume) Pavillon im Königlichen Garten<br />

10


Unter der glühenden Sonne<br />

Einmal besuchte ein Pinselverkäufer, der einen Sack mit Pinseln auf dem<br />

Rücken trug, ein Dorf. Zuerst ging er zu der Dorfschule, um die Pinsel dort zu<br />

verkaufen. Als er an der Dorfschule ankam, las eine Gruppe Schulkinder gerade<br />

Bücher auf der Veranda des Schulhauses.<br />

Die meisten Schüler saßen im Schatten, aber ein Kind saß in der glühenden<br />

Sonne und las sein Buch. Der Pinselverkäufer fand dies seltsam und fragte den<br />

Jungen:<br />

„Wie alt bist du?“<br />

„Sieben Jahre,“ antwortete der Junge.<br />

„Warum liest du und schwitzt in der glühenden Sonne, während die anderen<br />

Schüler auf dem kühlen Boden sitzen?“<br />

Der Schüler, der sich den Schweiß von der Stirn wischte, antwortete:<br />

„Meine Familie ist sehr arm und mein Vater arbeitet als einfacher Arbeiter 1 , um<br />

mir das Schulgeld zu bezahlen. Die Bücher, Pinsel, und Papiere, die ich benutze,<br />

sind von dem Arbeitslohn meines Vaters gekauft worden. Ich fühle mich schuldig,<br />

auf dem kühlen Boden zu sitzen, während mein Vater in der Sommerhitze auf<br />

einem Feld arbeitet und schwitzt. Aus diesem Grund sitze ich in der glühenden<br />

Sonne.“<br />

Der Pinselverkäufer war von dem Mitgefühl des Jungens tief gerührt und<br />

schenkte ihm den besten Pinsel aus seinem Warenkorb.<br />

1 , Ein Tagelöhner, der kein eigenes Land besitzt und für einen anderen Farmer arbeitet.<br />

11


Der arme Wissenschaftler<br />

und die Tochter des Ministers<br />

Im Chosun-Korea gab es einmal einen Minister, der eine hübsche Tochter hatte.<br />

Als sie ins heiratsfähige Alter kam, begann der Minister nach einem intelligenten<br />

jungen Mann als Ehemann für seine Tochter Ausschau zu halten.<br />

Kurz danach kam ein junger Wissenschaftler zu dem Minister, um einen<br />

Heiratsantrag zu stellen. Da sein Erscheinungsbild nicht den Ansprüchen des<br />

Ministers genügte, lehnte er den Antrag sofort ab.<br />

Da es gerade Mittagszeit war, lud er den jungen Mann zum Mittagessen ein.<br />

Als der arme Gelehrte den fein und üppig gedeckten Tisch sah, bekam er beim<br />

Anblick der Delikatessen, die er weder zuvor gesehen geschweige denn gegessen<br />

hatte, große Augen. Anstatt zu essen begann er von jedem Gericht etwas zum<br />

Mitnehmen einzupacken. Der Minister war sehr überrascht und fragte ihn, warum<br />

er nicht aß, sondern das Essen einpackte.<br />

Er antwortete ruhig: „Ich habe solch ein feines Essen in meinem Leben noch<br />

nie gesehen, weil wir so arm sind. Als ich dieses Essen sah, dachte ich an meine<br />

Mutter, und ihr würde ich das Essen gerne mitbringen.“<br />

Der Minister, der von der Verehrung des jungen Gelehrten zu seiner alten<br />

Mutter tief beeindruckt war, änderte auf der Stelle seine Meinung und willigte in<br />

die Heirat mit seiner Tochter ein. Der junge Gelehrte war der berühmte Yi Wonik<br />

(1547-1634) 2 . Ebenso wie sein Schwiegervater wurde er Minister in der Regierung.<br />

2 In Korea wird der Familienname dem Vornamen vorangestellt. Die Namen in diesem<br />

Buch folgen dieser Konvention.<br />

12


Besuch aus Seoul<br />

Vor einigen Jahrhunderten lebte ein junger Gelehrter in einem abgelegenen<br />

Dorf. Er heiratete eine Frau aus Kwachon. Nach der Hochzeit ging er dorthin, um<br />

bei der Familie seiner Frau zu leben. Der Vater des Bräutigams war um seinen<br />

Sohn besorgt und sagte zu ihm: „Es gibt nur einen Hügel, der Kwachon und Seoul<br />

voneinander trennt. Wenn du in Kwachon bist, denke gar nicht daran, Seoul zu<br />

besuchen.“ „Warum, Vater?“, fragte der junge Gelehrte.<br />

„Wenn du mit deinen Augen die Hauptstadt mit ihrer ganz und gar belebten<br />

Atmosphäre siehst und erlebst, was du hier in dieser kleiner Stadt nicht erlebst,<br />

wirst du darüber betrübt sein und kannst dich nicht mehr auf dein Studium<br />

konzentrieren, selbst wenn du wieder nach Hause zurückgekehrt bist. Deshalb gebe<br />

ich dir den guten Rat, das Versprechen einzuhalten, nicht dorthin zu gehen.“<br />

Der Gelehrte, der seinem Vater gegenüber absolut gehorsam war, ja sogar<br />

bereit war zu sterben, wenn der Vater dies von ihm verlangen würde, versprach<br />

seinem Vater den Rat zu befolgen, und verließ das Haus der Eltern, um zu seiner<br />

Braut zu ziehen.<br />

Nachdem er einige Zeit in dem elterlichen Haus seiner Braut verbracht hatte,<br />

beschäftigte er sich jedoch mit dem Gedanken, dass es eine Schande sei, nicht<br />

wenigstens einmal Seoul zu besuchen, wenn es so nah gelegen ist.<br />

Er dachte, dass er solch eine Gelegenheit nie mehr in seinem Leben haben<br />

würde, wenn er sie nicht jetzt wahrnähme. Deswegen begab er sich trotz der<br />

Warnung seines Vaters über den Hügel nach Seoul.<br />

Als er den Hügel überschritten und das südliche Stadttor erreicht hatte, fühlte er<br />

13


sich so unwohl, gegen die Anweisung seines Vaters zu verstoßen, dass er wieder<br />

zurückkehrte.<br />

Als er nach Hause zu seiner Frau zurückkehrte, kam ihm jedoch der Gedanken,<br />

dass es nicht weiter schlimm wäre, Seoul zu besuchen, vorausgesetzt er würde<br />

seinem Vater nichts davon erzählen.<br />

Am nächsten Tag machte er sich erneut auf den Weg zum Südtor. Jedes Mal<br />

wenn er vor dem Südtor stand, erinnerte er sich aber an die Worte seines Vaters. Er<br />

war dann nicht in der Lage, das Südtor zu passieren und kehrte nach Hause zu der<br />

Familie seiner Frau zurück.<br />

Mehrere Male passierte es, dass er morgens zum Südtor ging und dann<br />

plötzliche kehrtmachte und nach Kwachon zurückkehrte.<br />

Der Wachsoldat am Südtor, der den jungen Gelehrten beobachtete, fand dessen<br />

Verhalten sehr verdächtig und berichtete seinem Vorgesetzten davon. Der Gelehrte<br />

wurde festgenommen und von einem Polizeiwachtmeister vernommen.<br />

„Warum kommst du täglich an das Südtor und beobachtest die Stadt? Was hast<br />

Du eigentlich vor?“<br />

Der junge Gelehrte war sehr ängstlich und antwortete mit stockender Stimme.<br />

„Ich habe kürzlich geheiratet und bin nach Kwachon zu der Familie meiner<br />

Frau gezogen. Noch nie bin ich so nah wie jetzt bei Seoul gewesen. Es war meines<br />

Vaters Anweisung, die mich zu diesem Verhalten führte.“<br />

„Deines Vaters Anweisung? Was meinst damit?“<br />

Schließlich erzählte der Gelehrte die ganze Geschichte und bat den<br />

Wachtmeister darum, ihm zu verzeihen.<br />

„Ich konnte mich weder der Anweisung meines Vaters widersetzen noch<br />

meinen Wunsch erfüllen, Seoul zu sehen. Daher musste ich vor dem Südtor auf<br />

und ab gehen.“<br />

Der Offizier war sehr berührt, dass der junge Gelehrte ein so gehorsamer Sohn<br />

14


war: „Wenn du nicht mit deinem Vater darüber gesprochen hättest, hätte niemand<br />

etwas davon erfahren. Aber auf Grund deiner aufrichtigen Verehrung gegenüber<br />

deinen Eltern hast du trotzdem dein Versprechen eingehalten. Das ist ein achtbares<br />

Benehmen eines treuen Sohnes, und du hast einen Verdienst erworben. Da du<br />

schon in der Polizeiwache bist, nimm bitte die Gelegenheit wahr, Seoul zu sehen<br />

und dann gehe in deine Heimatstadt zurück. “<br />

Der junge Gelehrte wurde vom Beamten belohnt und zur Stadtbesichtigung<br />

unter polizeilichem Schutz mitgenommen, bevor er nach Hause zu seiner Frau<br />

zurückkehrte. Schließlich erzählte er seinem Vater ausführlich, was geschehen war.<br />

Später bestand er das Staatsexamen und stieg zur Position des<br />

Ministerpräsidenten auf.<br />

15


Das Leiden einer Mutter<br />

Einmal lebte ein fauler Taugenichts in einem Dorf. Er verlor schon in früher<br />

Kindheit seinen Vater, wuchs bei seiner verwitweten Mutter auf und begann sich<br />

frühzeitig in die falsche Richtung zu entwickeln. Er hörte nicht auf seine Mutter<br />

und versuchte Unfrieden in der Dorfgemeinschaft zu stiften.<br />

Seine Mutter machte sich um seine Zukunft große Sorgen. Eines Tages rief sie<br />

ihn zu sich und sagte zu ihm: „Ich kann dir nicht mehr erlauben, diesen<br />

Lebenswandel weiter zu führen. Glücklicherweise habe ich erfahren, dass es im<br />

Nachbardorf einen großen Gelehrten gibt. Du solltest zu ihm gehen und vom ihm<br />

etwas Gescheites lernen.“<br />

So brachte seine Mutter ihren Sohn zu dem Gelehrten. Zuerst versuchte der<br />

Gelehrte, ihm beizubringen, Bücher zu lesen und aus Sagen zu lernen. Aber es war<br />

bei dem Knaben kein Fortschritt zu erkennen.<br />

Eines Tages sagte der Lehrer zu dem Schüler:<br />

„Heute ist es sehr heiß. An solch einem Tag sollte man am besten den<br />

Gebirgsfluss aufsuchen, die Füße ins Wasser stellen und Wasser- und<br />

Honigmelone essen, die man zuvor im Gebirgsfluss gekühlt hat. Lass uns zum<br />

Gebirgsfluss gehen, um diesen heißen Tag zu überstehen und dabei Spaß zu<br />

haben.“<br />

Der Schüler war von dieser Idee begeistert und machte sich schnell bereit. Als<br />

sie dabei waren das Haus zu verlassen, sagte der Lehrer zu dem Schüler:<br />

„Die Wasser- und die Honigmelonen trägst du.“<br />

Der Lehrer gab ihm eine große Wassermelone und noch dazu zehn<br />

16


Honigmelonen zum Tragen. Begeistert vor Freude über den Ausflug machten sie<br />

sich auf den Weg und der Schüler trug die Melonen. Bevor sie jedoch ein Machang<br />

(etwa 400m) gegangen waren, begann der Schüler bei der Hitze zu schwitzen. Er<br />

konnte nicht geradeaus gehen und fiel fast hin. Für ihn war es geradezu unmöglich,<br />

die Hitze zu ertragen. Schließlich sagte er zu seinem Lehrer: „Ich kann nicht mehr<br />

weiter gehen. Lass uns hier eine Pause machen und dann gehen wir zurück nach<br />

Hause.“<br />

Als der Lehrer dies hörte, beschimpfte er ihn und sagte: „Du trägst diese<br />

lächerliche Melone nur auf diese kurze Entfernung und klagst schon, dass es<br />

schwer für dich ist? Denke an deine Mutter, die dich zehn Monate lang im<br />

Mutterleib getragen und dabei den ganzen Tag Stoffe gewebt und auf dem Feld<br />

gearbeitet hat.“<br />

In diesem Augenblick spürte der Schüler einen Stich in seinem Herzen. Er trug<br />

immer noch die Melonen und blickte zum Himmel auf. Dabei liefen ihm dicke<br />

Tränen über das Gesicht. Er kniete zu Füßen des Lehrers nieder und sagte:<br />

„Herr Lehrer, ich bin so dumm gewesen. Es tut mir so leid und ich bereue aus<br />

tiefstem Herzen alle Dinge, die ich getan habe.“<br />

17


Mütterliche Liebe<br />

Es war einmal ein ungehorsamer Sohn, welcher zusammen mit seiner<br />

verwitweten Mutter lebte. Je älter seine Mutter wurde, desto lästiger wurde es für<br />

ihn, sich um sie zu kümmern.<br />

Eines Tages fragte er seine Mutter mit schmeichelhafter Stimme:<br />

„Mutter, möchtest du gern mit mir zum Fluss gehen?“<br />

„Natürlich, gern!“, antwortete sie freundlich.<br />

„Die Fische im Fluss sind wirklich schön anzusehen,“ sagte der Sohn, der in<br />

Wirklichkeit beabsichtigte, seine alte Mutter los zu werden.<br />

Sie gingen zum Fluss. Als sie dort ankamen, zeigte er seiner Mutter eine tiefe<br />

Wasserstelle und sagte:<br />

„Kannst du unter dem Wasserspiegel viele Fische sehen?“<br />

Sobald seine Mutter nahe an den Fluss herangetreten war und sich über das<br />

Wasser beugte, um die Fische zu beobachten, ließ er schnell ihre Hand los. Die<br />

Mutter jedoch hielt sich instinktiv an seiner Kleidung fest. In diesem Augenblick<br />

sah ein Gelehrter dieses Geschehen, der gerade an ihnen vorbei ging, und rannte<br />

aufgeregt zu ihnen.<br />

„Schauen Sie her! Was tun Sie denn da?, schrie er den Sohn der alten Frau an.<br />

Es sah so aus, als ob er ihn mit der Faust schlagen würde. In diesem Augenblick<br />

stellte sich die Mutter zwischen die beiden und sagte entrüstet zu dem Gelehrten:<br />

„Lassen Sie ihn los! Hat mein Sohn so etwas Schlimmes getan, dass Sie ihn zu<br />

schlagen versuchen?“<br />

Verärgert erwiderte der Gelehrte: „Hat er nicht gerade versucht, Sie in den<br />

18


Fluss zu stoßen?“<br />

Die alte Frau nahm die Hand ihres Sohnes und antwortete:<br />

„Sie haben sich geirrt. In Wirklichkeit wollte ich mich ins Wasser stürzen, aber<br />

mein Sohn rannte den ganzen Weg von zu Hause bis hierher, um mich daran zu<br />

hindern.“<br />

Der Sohn senkte beschämt den Kopf und der Gelehrte konnte kein einziges<br />

Wort mehr sagen.<br />

19


Treues Umsetzen des Gehorsams<br />

Han Seokbong (1543-1605) wurde während der Herrschaft des König Sonjo in<br />

der Choson-Dynastie in Kaesong geboren. Als er noch klein war, starb sein Vater<br />

und er wuchs bei seiner verwitweten Mutter in Armut auf. Obwohl seine Mutter<br />

mühsam Geld für ihren Lebensunterhalt durch den Verkauf von Reiskuchen<br />

verdiente, sorgte sie für die Ausbildung ihres Sohnes.<br />

Als Seokbong alt genug war, ernsthaft zu studieren, gab seine Mutter ihm<br />

Reispapier und Tinte mit, die sie von ihrem Haushaltsgeld mühsam abgespart hatte.<br />

Seokbong, der gegenüber seiner Mutter besonders pflichtbewusst war, studierte aus<br />

Dankbarkeit umso fleißiger. Wenn es nicht notwendig war, vermied er es Papier<br />

und Tinte zu benutzen, um die finanzielle Belastung seiner Mutter zu mildern. Aus<br />

diesem Grund schrieb er mit einem ins Wasser getauchten Pinsel auf die blanke<br />

Oberfläche eines Kruges, eines Steins oder auf Blätter, die er gesammelt hatte.<br />

Eines Tages bemerkte Seokbong, dass seine Mutter fleißig arbeitete ohne Essen<br />

zu sich zu nehmen, um mehr Geld für seine Papiere und Pinsel zu verdienen. Es<br />

schmerzte ihn sehr und er sagte zu seiner Mutter: „Mutter, es gibt noch genügend<br />

Papier. Du brauchst gar nicht mehr zu kaufen.“„Wenn du noch Papier übrig hast,<br />

zeigt mir das, dass du nicht fleißig genug das Schreiben geübt hast“, erwiderte<br />

seine Mutter.<br />

Nachdem er getadelt worden war, sagte er ihr die Wahrheit. Die Mutter<br />

entgegnete mit noch strengerer Stimme: „Du kennst nicht die wahre Bedeutung<br />

der Gehorsamkeit gegenüber deiner Mutter. Meine aufrichtige Hoffnung ist, dass<br />

du dich auf dein Studium konzentrierst und eine erfolgreiche Ausbildung erlangst.<br />

20


Da es mir Freude bereitet, dir Papier und Tinte zu kaufen, macht es mir auch nichts<br />

aus, wenn ich dabei hungern muss! Warum kannst du meine Absicht nicht<br />

verstehen?“<br />

Seokbong, der von den Worten seiner Mutter tief beeindruckt und sehr bewegt<br />

war, verließ das Haus, um im Tempel gewissenhaft Kalligraphie zu studieren 3 . Sein<br />

Talent wurde bald von seinem Lehrer erkannt, und seine Leistung war großartig<br />

und bewundernswert.<br />

Nach einem dreijährigen Studium war es Seokbong nicht möglich, länger im<br />

Tempel zu bleiben.<br />

Immer wenn er an seine Mutter dachte, die schon in jungen Jahren verwitwet<br />

war und alles opferte, um die Schulausbildung ihres einzigen Sohnes zu<br />

unterstützen, fühlte er sich so, als ob sein Herz zerreißen würde. Außerdem war<br />

seine Fertigkeit des Kalligraphiestudiums so weit fortgeschritten, dass es bald<br />

niemanden mehr im Tempel gab, der ihn weiterhin unterrichten konnte. Er<br />

betrachtete sein Studium als so weit fortgeschritten, dass er den Tempel verließ und<br />

nach Hause ging.<br />

Es war schon dunkel, als er zu Hause ankam. Seine Mutter war gerade dabei,<br />

den Reiskuchen im dämmerigen Licht in Stücke zu schneiden. Als Seokbong seine<br />

Mutter sah, hatte er sich so gefreut, dass er die Tür weit öffnete und sofort in den<br />

Raum eintrat. Seine Mutter aber, die nicht seine Freude teilte, schaute ihn ruhig<br />

und sehr kühl an.<br />

Sie fragte ihn: „Hast du dein Studium schon beendet?“<br />

„Ja Mutter, ich habe es beendet.“<br />

3 Die Tempel in Korea dienen oft als Mittelpunkt der Erziehung und Wissenschaft und<br />

auch als religiöse Einrichtungen.<br />

21


„Dann lass uns testen, inwieweit du erfolgreich studiert hast.“<br />

Seine Mutter stellte vor ihn Papier und Tinte und vor sich selbst die<br />

ungeschnittene Reismasse.<br />

„Du schreibst Buchstaben und ich schneide den Reiskuchen in Stücke. Dann<br />

werden wir sehen, wer besser ist.“<br />

Seine Mutter machte die Lampe aus und begann in der Dunkelheit den<br />

Reiskuchen in Stück zu schneiden. Seokbong begann ebenfalls in der Dunkelheit<br />

zu schreiben.<br />

Als er schließlich mit dem Schreiben fertig war, machte seine Mutter die<br />

Lampe wieder an. Seokbong war sprachlos, als er sah, wie seine Mutter den<br />

Reiskuchen perfekt in gleichmäßig Scheiben geschnitten hatte. Seine<br />

Schriftzeichen waren dagegen krumm, schief und ungleichmäßig. Sie tadelte ihn<br />

vehement: „Ist das alles, was du nach einem dreijährigen Studium vorzuweisen<br />

hast?“ Dann sagte sie zu ihm: „Gehe in den Tempel zurück und studiere noch<br />

gewissenhafter.“<br />

Seokbong wollte wenigstens für einen Tag bei seiner Mutter bleiben, aber sie<br />

erlaubte es ihm nicht. Er musste noch am gleichen Abend in den Tempel<br />

zurückgehen. Er verließ unter Tränen das Haus, denn er wusste, dass die Sorgen<br />

und Schmerzen seiner Mutter, ihn zurückzuschicken, noch größer waren als seine<br />

eigenen.<br />

Nach seiner Ankunft begann er ernsthafter zu studieren als je zuvor, um sein<br />

Versprechen gegenüber seiner Mutter einzuhalten. Später war er als einzigartiger<br />

Kalligraph nicht nur in Korea, sondern auch in China sehr anerkannt.<br />

22


********<br />

Das Verhalten Han Seokbongs Mutter mag den Lesern im Westen fremdartig<br />

vorkommen. Es gibt ein koreanisches Sprichwort: „Gib dem Kind, das du liebst,<br />

einen Schlag mehr mit der Peitsche.“ Die Bedeutung des Sprichworts ist, dass man<br />

sich als Eltern um die Zukunft seines Kindes kümmern sollte, wenn man es<br />

wirklich liebt. Sie sollten sowohl streng als auch freundlich sein, so dass das Kind<br />

selbst seine Fehler korrigieren kann und sich zu einer guten Persönlichkeit<br />

entwickeln kann. In der Geschichte stand das kühle Verhalten der Mutter im<br />

Gegensatz zu ihrer natürlichen Haltung als Elternteil, aber sie ermutigte ihren Sohn,<br />

unabhängiger zu sein und sich umso ernsthafter seinem Studium zu widmen.<br />

Aus dieser Geschichte ist ersichtlich, dass in der östlichen Kultur die Erziehung<br />

in einer asiatischen Familie traditionsgemäß einen besonderen Stellenwert<br />

einnimmt. Ein berühmtes Beispiel ist die Geschichte des großen chinesischen<br />

Gelehrten Mencius, dessen Mutter für ihren Sohn drei Mal umziehen musste, um<br />

den am besten geeigneten Ort für die Erziehung ihres Sohnes zu finden. Schließlich<br />

zog sie in ein Haus, das nahe an einer Schule lag.<br />

23


Die Unschuld meines Vaters<br />

In <strong>Chung</strong>ju in der Provinz <strong>Chung</strong>chong existiert bis heute ein Grabdenkmal,<br />

das Minister Yi Kahwan (AD 1742-1801) zum Andenken an Hong Chagi, den<br />

Sohn eines Gefangenen, errichtete, der sehr pflichtgetreu gegenüber seinem Vater<br />

war.<br />

Chagi wurde im 5. Jahr der Herrschaft König Yongjos geboren (1759). Einige<br />

Monate vor seiner Geburt wurde sein Vater irrtümlich als Mörder verurteilt und<br />

kam ins Gefängnis. Trotz dieser tragischen Umstände brachte seine Mutter Chagi<br />

zur Welt und zog ihn alleine auf. Als Chagi zehn Jahre alt wurde, erzählte sie ihm<br />

die Wahrheit über seinen Vater:<br />

Eines Tages sammelte sein Vater in den Bergen Brennholz. Auf dem Heimweg<br />

kehrte er in ein Wirtshaus ein, um eine Schale Reiswein zu trinken. Dabei vergaß<br />

er seine Axt im Wirtshaus. Einen Tag später wurde der Wirt mit dieser Axt<br />

ermordet aufgefunden. Am selben Abend ging sein Vater ins Wirtshaus zurück, um<br />

seine Axt, die er dort vergessen hatte, zu holen. Dabei wurde er als Mörder des<br />

Gastwirts angeklagt und festgenommen.<br />

Chagi war über die Geschichte schockiert. Er ging in aller Eile zur lokalen<br />

Behörde, um eine Besuchserlaubnis für seinen Vater zu beantragen. Als Chagi<br />

seinen inhaftierten Vater zum ersten Mal sah, verbeugte er sich vor seinem Vater<br />

und brach in Tränen aus. Sein Vater, der zum ersten Mal nach zehn Jahren seinen<br />

Sohn sah, klammerte sich an die Zellentür und weinte ebenfalls. Die<br />

Gefängniswärter waren von diesem mitleiderregenden Anblick so gerührt, dass sie<br />

ebenfalls in Tränen ausbrachen.<br />

24


Chagi sagte zu seinem Vater:„Vater, ich werde auf jeden Fall deine Unschuld<br />

beweisen.“<br />

„Bitte, sag das nicht, mein Kind, “erwiderte sein Vater“, du bist gerade mal<br />

zehn Jahre alt, wie kannst du mich aus dem Gefängnis frei bekommen? Das einzige<br />

was ich von dir möchte ist, deinem schlechten Vater zu verzeihen und deiner<br />

Mutter aufrichtig zu dienen. Wenn uns der Himmel gnädig ist, werden wir uns<br />

eines Tages wieder in die Arme schließen können.“<br />

Am nächsten Tag besuchte Chagi seine Verwandten. Er bat sie darum, ein<br />

Schreiben abzufassen, in dem die ungerechten Anschuldigungen zur Verurteilung<br />

seines Vaters widerlegt werden. Nachdem er dieses Schreiben erhielt, ging er damit<br />

nach Seoul. Dort hielt er jeden Beamten, der gerade am Palast vorbeiging, an und<br />

zeigte ihnen das Schreiben. Er flehte sie an, seinen Vater frei zu lassen.<br />

Schließlich kam zwölf Tagen später Chagis Geschichte dem König zu Ohren.<br />

Dieser berief den Justizminister ein und befahl ihm, den Fall von Chagis Vater<br />

aufzuklären. Die Strafe von Chagis Vater wurde vermindert. Er wurde aus dem<br />

Gefängnis entlassen und ins Exil nach Yongnam geschickt.<br />

Chagi war sehr enttäuscht, dass seinem Vater nicht völlige Straffreiheit gewährt<br />

wurde.<br />

Er folgte seinem Vater ins Exil und kümmerte sich um ihn. Bei jeder passenden<br />

Gelegenheit ging er nach Seoul, um sich vor dem Palast niederzuwerfen und auf<br />

die Unschuld seines Vaters aufmerksam zu machen. Die Geschichte Chagis wurde<br />

immer mehr unter den Beamten bekannt und die Anzahl der Leute, die ihm helfen<br />

wollten, wurde allmählich größer.<br />

Schließlich befahl der König, den Fall wieder aufzunehmen. Chagis Vater<br />

konnte bei der erneuten Untersuchung seine Unschuld beweisen. Danach erfolgte<br />

die Entlassung aus dem Exil.<br />

In der Zwischenzeit war Chagi, der sich unermüdlich Tag und Nacht um die<br />

25


Freilassung seines Vaters bemühte, so geschwächt, dass er schließlich vor<br />

Erschöpfung zusammenbrach. Als er am Krankenbett von der Freilassung seines<br />

Vaters aus dem Exil erfuhr, war er überglücklich und betete aus Dankbarkeit zum<br />

Himmel. Bevor aber sein Vater nach Hause kam, starb er. Er ist vierzehn Jahre alt<br />

geworden.<br />

26


Gegenseitige Verbeugung mit Respekt<br />

Es war einmal im späten Frühling, als sich ein Provinzgouverneur wünschte,<br />

die Bauern bei ihrer Arbeit im Reisfeld zu sehen. Als der Gouverneur ungefähr zur<br />

Mittagszeit mit seinen Begleitern auf dem Feldweg unterwegs war, waren alle<br />

Bauern dabei, ihre Mahlzeit einzunehmen.<br />

Der Gouverneur überprüfte kurz die Reisfelder und setzte sich dann unter einen<br />

Baum, um sich auszuruhen. Von dort aus erblickte er einen Bauer, der ganz allein<br />

in der Ferne stand. Kurz darauf kam seine Frau, die auf ihrem Kopf ein Körbchen<br />

trug. Plötzlich sprang der Bauer auf sie zu und schien ihr etwas vorzuwerfen. Es<br />

sah fast so aus, als ob die Bauersfrau das Mittagsessen zu spät gebracht hätte. Vom<br />

Schatten des Baumes aus beobachtete der Gouverneur das Paar in aller Ruhe weiter.<br />

Die Bauersfrau schien zu erklären, warum sie erst so spät kam.<br />

Nach einer Weile hielt der Bauer sie plötzlich am Ärmel fest und senkte seinen<br />

Kopf tief.<br />

Als der Gouverneur aufstand und weggehen wollte, passierte etwas Seltsames.<br />

Das Ehrpaar kniete auf dem Feldrain des Reisfeldes nieder und begann sich<br />

plötzlich, voreinander zu verbeugen. Es war keine einmalige Verbeugung, sondern<br />

sie wiederholten sich mehrere Male. Während der Gouverneur dies beobachtete,<br />

fragte er seine Begleiter: „Wie seltsam, warum haben sie mitten im Streit<br />

angefangen, sich voreinander zu verbeugen?“<br />

„Wir sollten hingehen und sie fragen“, sagte einer seiner Begleiter.<br />

Der Gouverneur und seine Begleiter machten sich auf den Weg. Als die<br />

Bauersleute merkten, dass sich der Gouverneur mit seinen Begleitern näherte,<br />

27


standen sie sofort überrascht auf und senkten ehrerbietig die Köpfe. Der<br />

Gouverneur betrachtete wiederholt einen nach dem anderen und fragte sie:<br />

„Warum verbeugen sie sich voreinander?“<br />

Der Bauer versuchte ein Lächeln zurückzuhalten, kratzte sich am Kopf und<br />

sagte,<br />

„Es gibt nichts zu sagen.“<br />

„Sag was!“, drängte einer der Begleiter neben dem Gouverneur.<br />

Schüchtern rieb sich der Bauer seine beiden Hände und sagte:<br />

„Wir standen schon früh am Morgen auf und arbeiteten. Um die Mittagszeit<br />

schickte ich meine Frau nach Hause, um das Baby zu füttern und das Mittagsessen<br />

für meine alte Mutter zuzubereiten. Danach sollte sie für mich das Essen bringen.<br />

Es verging eine lange Zeit, bis sie mir Essen brachte. Als meine Frau dann kam,<br />

war ich wütend.“<br />

„Warum haben sie sich dann voreinander verbeugt?“, fragte der Gouverneur.<br />

„Als meine Frau zu Hause ankam“, erklärte der Bauer, „sah sie, dass meine<br />

Mutter versuchte ein Huhn zu fangen, weil sie Appetit auf Hühnereintopf hatte.<br />

Dabei hat sie aus Versehen den Krug mit der Sojasoße zerschlagen. Meine Frau<br />

versteckte schnell den zerbrochenen Krug, ohne dass meine Mutter dies mitbekam,<br />

damit sie sich keine Sorgen um den zerbrochenen Krug machte. Meine Frau fing<br />

dann selbst ein Huhn und kochte ihr damit einen Hühnereintopf. Es hat mir leid<br />

getan, dass ich ihr ahnungslos Vorwürfe gemacht habe. Aus Dankbarkeit, wie<br />

liebevoll sie sich um meine Mutter gekümmert hat, verbeugte ich mich vor ihr und<br />

sie verbeugte sich vor mir. Aber ich wollte, dass sie von mir eine Verbeugung mit<br />

einem Dankeschön erhalten sollte. Ich verbeugte mich nochmals und sie ebenfalls.<br />

So endeten wir mit abwechselnden Verbeugungen voreinander.“<br />

Nachdem der Gouverneur dies hörte, belohnte er das Ehepaar mit einem Preis<br />

für die Verehrung der alten Mutter.<br />

28


Der Sohn, der das Leben seines Vaters rettete<br />

Während der Regierungszeit des König Injo in der Choson-Dynastie lebte ein<br />

Mann Namens Jo Chonsang im Verwaltungsbezirk Chongwon. Seine<br />

Gehorsamkeit gegenüber seinen Eltern war sogar am königlichen Hof bekannt, und<br />

sein Name wurde oft erwähnt, wenn es eine Diskussion über <strong>Hyo</strong> (Gehorsamkeit)<br />

gab.<br />

Eines Tages, als Chonsang zehn Jahre alt war, wurde das Haus von Räubern<br />

aus den Bergen überfallen. Sein Vater, ein armer Gelehrter, versteckte seine<br />

Familie schnell unterhalb des Fußbodens. Dann kämpfte er mit einem Schwert<br />

gegen die Eindringlinge. Er war jedoch ein Gelehrter und kein Soldat, der<br />

unmöglich gegen die Banditen siegen konnte. Er wurde von den Banditen<br />

überwältigt und mit einem Seil gefesselt.<br />

Die Banditen suchten überall nach möglicher Beute, aber sie erkannten bald,<br />

dass es nichts zu holen gab. Sie drohten Chonsangs Vater und fragten ihn: “Wo ist<br />

der Rest der Familie? Wir brauchen nicht deine Habe. Sag nur, wo sie sind, dann<br />

lassen wir dich frei.“<br />

Die Banditen fürchteten, dass ihre Gesichter irgendwann einmal erkannt<br />

werden könnten und deswegen wollten sie alle Familienmitglieder, die sie gesehen<br />

haben, töten.<br />

“Sie sind alle zu den Verwandten gegangen. Ich bin als Einziger hier, um das<br />

Haus zu hüten,“ antwortete der Familienvater.<br />

„Lüge nicht! Als wir hier angekommen sind, haben wir jemanden mit dir im<br />

Haus gesehen. Wenn du nicht die Wahrheit sagst, werden wir das Haus anzünden.“<br />

29


Die Familie unter dem Fußboden hörte dies mit großer Besorgnis, denn ihnen<br />

war klar, dass bei einer falschen Antwort die ganze Familie ausgelöscht werden<br />

könnte.<br />

„Es reicht doch, mich allein zu töten, warum verschwendet ihr eure Zeit? Tötet<br />

mich!“<br />

„Denkst du, dass wir so einfach weggehen? Sag uns wo sie sind!“<br />

„Auch wenn ich es wüsste, würde ich es euch niemals sagen.“<br />

Die Banditen schauten sich untereinander an und tauschten böse Blicke.<br />

Während die anderen sich anschickten, mit ihren Pferden davon zu reiten, zückte<br />

einer der Banditen ein Schwert. Sie hatten entschieden, Chonsangs Vater zu töten<br />

und dann zu fliehen.<br />

Der Anführer erhob sein Schwert; sein Arm war kräftig angespannt. Die Klinge<br />

schimmerte im Mondlicht, als die anderen Banditen einer nach dem anderen durch<br />

das hölzerne Tor abrückten. Die riesige Figur streifte die restlichen Banditen mit<br />

einem Seitenblick und schlug dann mit aller Kraft zu. In diesem Augenblick rannte<br />

eine kleine Person unter das Schwert. Der Bandit trat erschrocken einen Schritt<br />

zurück. Es war Jo Chonsang, der seinen Vater am Arm packte und sich mit ihm auf<br />

den Fußboden rollte.<br />

„Wer bist du?“, fragte der Räuber.<br />

Der Bandit erhob das Schwert noch einmal.<br />

„Töte nicht meinen Vater!“, schrie Chonsang den Banditen an. Dabei liefen<br />

ihm dicke Tränen über das Gesicht. „Hast du denn keinen Vater? Töte mich statt<br />

meinen Vater!“<br />

Der Bandit blickte den kleinen Chonsang fassungslos an. Er betrachtete<br />

abwechselnd Vater und Sohn, senkte sein Schwert und verließ dann den Ort des<br />

Geschehens.<br />

30


Hyangdoks Aufopferung<br />

In Kyongju im alten Shilla lebte ein Mann namens Hyangdok. Er hatte eine<br />

liebenswürdige Natur und war seinen Eltern gegenüber sehr pflichtbewusst, so dass<br />

sich seine Tugendhaftigkeit bis ins Nachbardorf herumsprach.<br />

Im 14. Regierungsjahr des Herrschers Kyongdok (AD 755) gab es eine<br />

Missernte. Viele Menschen wurden krank und litten an Hungersnot. Hyangdoks<br />

Mutter erkrankte noch dazu an einem Tumor. Mit der Zeit verschlimmerte sich ihre<br />

Krankheit und schließlich war ihr Leben in Gefahr.<br />

Hyangdok pflegte sie liebevoll Tag und Nacht. Es war auch schwierig, für die<br />

Kranke genügend Essen zu bekommen. Sie wurde dünner und ihre Wunde<br />

verschlimmerte sich. Hyangdok konnte ihr Leiden bald nicht mehr ertragen.<br />

Bald verbreitete sich der Tumor bis an die Knochen und sie schrie und klagte<br />

vor Schmerzen, die sie bald nicht mehr ertragen konnte. Hyangdok konnte ihrem<br />

Leiden nicht mehr zusehen und sagte,<br />

„Wenn der Tumor nicht völlig entfernt wird, wird dein Leben in Gefahr sein.<br />

Ich muss dir Eiter absaugen.“<br />

Seine Mutter weigerte sich, aber Hyangdok saugte ihr trotzdem Eiter mit<br />

seinem Mund ab. Nachdem er die Stelle des Tumors abgesaugt hatte, entstand ein<br />

großes Loch und die Wunde eiterte weiter.<br />

Obwohl Hyangdok jeden Tag eine Schale voll Eiter abgesaugt hatte, schien der<br />

Tumor nicht im Geringsten zu heilen. Hyangdok suchte schließlich einen Arzt auf<br />

und fragte ihn, welches Medikament oder Behandlungsmethode die Krankheit<br />

seiner Mutter heilen könnte. Der Doktor schüttelte den Kopf und sagte:<br />

31


„Selbst ein Medikament hilft ihr nicht, wenn der Tumor sich bis an den<br />

Knochen ausgebreitet hat. Wäre ich der berühmte Mediziner Pyonjak oder Hawata,<br />

dann würde ich den Tumor mit dem Messer vom Knochen entfernen. Es könnte<br />

aber auch sehr schwierig werden, weil Ihre Mutter körperlich sehr geschwächt ist.<br />

Wenn sie sich ab und zu von Rindfleisch ernährt, könnte sie wieder zu Kräften<br />

kommen. Der Körper entwickelt dann Abwehrkräfte und sie wird schließlich<br />

geheilt werden.“<br />

Hyangdok konnte sich aber Rindfleisch nicht leisten. In diesen Zeiten der<br />

Hungersnot konnte man sich unmöglich Fleisch leisten. Hyangdok kam nach<br />

Hause und versank eine Weile in tiefe Gedanken. Dann ging in die Küche und<br />

holte ein Küchenmesser. Er begann sich Fleisch aus seinem eigenen Oberschenkel<br />

herauszuschneiden. Das rote Blut floss über den Oberschenkel, aber er biss die<br />

Zähne zusammen und es gelang ihm, ein Stück Fleisch von seinem Körper<br />

abzuschneiden.<br />

An diesem Abend bereitete er dieses Fleisch zu und servierte es seiner Mutter.<br />

Ihr Gesicht leuchtete auf, als sie das Fleisch roch und sie fragte ihn:<br />

„Woher hast du das Fleisch? Heutzutage ist es sehr schwierig, Fleisch zu<br />

bekommen.“<br />

„Ein Nachbar schlachtete neulich eine Kuh und gab uns davon eine kleine<br />

Portion“, antwortete Hyandok.<br />

Seine Mutter genoss nichtsahnend die Mahlzeit. Von da an erholte sie sich<br />

allmählich schrittweise von ihrer Krankheit, kam wieder auf die Beine, und machte<br />

ihren Haushalt allein.<br />

Hyangdok versuchte, seine Wunde verborgen zu halten. Er lebte und arbeitete<br />

wie zuvor, so dass seine Mutter nichts davon erfahren sollte. Er schleppte sich mit<br />

seinem verwundetem Bein auf das Feld, arbeitete gelegentlich, angelte Fische und<br />

servierte diese seiner Mutter.<br />

32


Eines Tages ging Hyangdok zum Fischen. Sein Bein war noch nicht ausgeheilt.<br />

Ein Provinzinspektor, welcher gerade dort vorbeiging, bemerkte eine Blutspur im<br />

Wasser. Er dachte, dass dies ungewöhnlich sei und ging flussaufwärts, um den<br />

seltsamen Spuren nachzugehen. Der Inspektor sah einen jungen Mann welcher<br />

dabei war Fische zu angeln. Er sah seinen Oberschenkel bluten und fragte ihn nach<br />

der Ursache. Hyangdok erzählte ihm schließlich die Geschichte.<br />

Der Provinzinspektor war von der Geschichte so bewegt, dass er der Regierung<br />

davon berichtete. Die Geschichte kam König Kyongdok zu Ohren, der Hyangdok<br />

für die Verehrung seiner Mutter sehr lobte. Daraufhin verlieh er ihm 300 Säcke<br />

Reis, ein Haus sowie Grund und Boden für die Landwirtschaft. Die lokale<br />

Verwaltung errichtete ihm ein Denkmal mit einer Widmung über die Verehrung<br />

seiner Mutter. Dieses Denkmal existiert bis auf den heutigen Tag.<br />

33


Eine merkwürdige Gedenkzeremonie<br />

Ein königlicher Inspektor war einmal auf dem Weg zur Provinz Kangwon. Als<br />

es Abend wurde, entschied sich der Inspektor dazu, in einem Haus an der Strasse<br />

zu übernachten. Als er das Haus betrat, fand er es überall mit Kerzen beleuchtet vor.<br />

Eine Gruppe von Leuten war im Hof versammelt.<br />

„Könnte ich eine Nacht bei Ihnen bleiben?“, fragte er sie.<br />

Ein Mann, welcher der Hauseigentümer zu sein schien, kam zu ihm und sagte<br />

„Ich sehe darin kein Problem, hier zu übernachten. Heute ist der Tag der Chesa 4<br />

(Ahnenverehrung) für unseren verstorbenen Vater. Bleiben Sie bitte für eine Weile<br />

in diesem Raum. Wenn die Chesa-Zeremonie vorüber ist, werden wir Ihnen ein<br />

Zimmer für die Nacht herrichten.“<br />

Der Inspektor wartete eine Weile in diesem Raum. Als die Chesa anfing,<br />

gingen die Leute mit den Laternen in der Hand, die der Inspektor durch die<br />

Papiertür scheinen sah, nach draußen. Der Inspektor öffnete geräuschlos die Tür<br />

und beobachtete die Leute aufmerksam. Er sah sie mit den Lichtern den Hof<br />

verlassen. Nach einer Weile kehrten sie zurück. Als die Leute den Hof wieder<br />

betraten, sagten sie laut:<br />

„Vater, hier ist das Bächlein, spring bitte drüber.“<br />

4 Chesa ist eine Gedenkzeremonie für die Vorfahren. Die Koreaner glauben, dass die<br />

Geister ihrer verstorbenen Vorfahren an dem Gedenktag der Zeremonie zu dem Haus der<br />

Nachfahren kommen, um Essen zu sich zu nehmen, das die Familie für die Vorfahren<br />

zubereitet hat.<br />

34


Obwohl es niemanden auf dem Weg zu sehen gab, sprachen sie ununterbrochen<br />

auf merkwürdige Art und Weise. Es war wirklich eine sehr seltsame Situation.<br />

„Vater, wir sind vor der Haustür, sei vorsichtig! Nicht über die Stufe stolpern“<br />

„Hier ist der Hof. Pass auf die gezackten Steine auf dem Boden auf.“<br />

„Das ist die Terrasse. Zieh bitte die Schuhe aus.“<br />

„Wir sind im Zimmer, bitte setze dich an den Tisch.“<br />

Der Inspektor hatte sich in dem Raum umgesehen, aber es gab keinen<br />

Ansprechpartner. Seine Neugier war überwältigend, aber er war geduldig zu warten,<br />

bis die Zeremonie der Chesa zu Ende geführt wurde.<br />

Schließlich war sie beendet und die Familie kam wieder aus dem Zimmer.<br />

Sie setzten aber genau den Vorgang wie am Anfang fort, indem sie einem nicht<br />

erkennbaren Mann halfen das Haus zu verlassen.<br />

„Hat dir das Essen geschmeckt? Dann sehen wir uns an Chusok (Koreanisches<br />

Erntedankfest) wieder.“<br />

Später kam der Hauseigentümer mit Essen und Wein zu dem Raum, wo der<br />

Inspektor wartete. Der Inspektor fragte ihn:<br />

„Sie führen ihre Chesa auf sehr seltsame Art und Weise durch. Warum sind die<br />

Familienmitglieder vor und nach der Chesa nach draußen gegangen?“<br />

Der Eigentümer lächelte und sagte:<br />

„Der Grund ist, dass mein Vater blind war. Zu seiner Lebzeit mussten wir ihn<br />

als Kinder immer begleiten und ihm helfen, wenn er für eine Weile nach draußen<br />

gehen wollte. Immer wenn wir die Chesa-Zeremonie für ihn halten, gehen wir zu<br />

seinem Grab, um ihn abzuholen für den Fall, dass er den Weg zu unserem Haus<br />

nicht findet. Nach der Chesa bringen wir ihn wieder zu seinem Grab zurück.“<br />

Der Inspektor war von ihrer pflichttreuen Zuneigung zu ihrem Vater tief<br />

berührt.<br />

35


Kyonghoe Pavillon des Kyongbok Palastes<br />

36


Sim Chong<br />

Das Mädchen, das seinem Vater die Augen schenkte<br />

Vor 1000 Jahren lebte in Korea ein Mann Namens Sim Hak-Gyu in dem Dorf<br />

Hwangju in der Provinz Hwanghae. Seine Familie genoss in der Vergangenheit<br />

hohes Ansehen und viele Familienmitglieder dienten als Beamte dem Staat. Im<br />

Laufe der Zeit verringerte sich jedoch allmählich ihr Reichtum und Glanz. Kurz<br />

vor seinem zwanzigsten Lebensjahr erkrankte Sim Hak-Gyu schwer, erholte sich<br />

wieder und erblindete aber schließlich an den Nebenwirkungen. Da er in so jungen<br />

Jahren erblindete, verlor er die Hoffnung, Beamter zu werden, was zu jener Zeit<br />

der einzige mögliche Berufsweg für Leute mit nobler Herkunft war. Die<br />

Dorfbewohner nannten ihn daraufhin „Blinder Sim“.<br />

Als sanftmütiges Wesen lebte er anständig und bescheiden. Mit 20 Jahren<br />

heiratete er eine Frau aus der Familie Kwak. Diese Frau war ebenfalls gut erzogen,<br />

sehr weise und hübsch. Da beide sehr arm waren, musste die junge Frau den<br />

Lebensunterhalt als Näherin und mit einfachen Arbeiten verdienen. Um den<br />

blinden Sim kümmerte sie sich mit großer Liebe und Fürsorge. Obwohl ihr<br />

Besitztum sehr bescheiden war, lebten die beiden jedoch so harmonisch<br />

miteinander, dass die Nachbarn sie darum beneideten.<br />

Aber irgendwann hörte man Sim tief seufzen. Eines Tages rief er seine Frau<br />

und sagte: „Es gibt auf der Welt unzählige Ehepaare, aber es gibt keine Frau so wie<br />

du, die wegen ihres blinden Ehemanns pausenlos arbeiten muss und die sich um<br />

ihn so fürsorglich wie um ein Kind kümmert. Obwohl es mir dadurch gut geht,<br />

trägst du ein schweres Los mit dieser Aufgabe, was für mich sehr belastend ist.<br />

Mach dir bitte nicht soviel Mühe um mich und lass uns bescheiden leben. Es gibt<br />

37


nur eine Sache, die uns fehlt. Wir sind beide schon 40 Jahre alt und haben noch<br />

keine Kinder, die Chesa für uns durchführen, wenn wir eines Tages sterben. Wie<br />

können wir unseren Vorfahren im Himmel gegenüber treten, wenn wir kein Kind<br />

haben, das die Zeremonie für sie durchführt? Wer soll das Begräbnis organisieren,<br />

wenn wir sterben und wer soll das Essen für Chesa in der Nacht zubereiten, eine<br />

Schale Reis oder ein Glas Wasser.“<br />

Frau Kwak antwortete sanftmütig: „Nach der Heiligen Schrift gibt es<br />

dreitausend Verstöße, die man gegenüber den Eltern begehen kann, kein Kind auf<br />

die Welt zu bringen ist der schlimmste. Ich habe mir sehnsüchtig ein Kind<br />

gewünscht, aber ich sagte nichts, weil wir sehr arm sind und ich deine Gefühle<br />

nicht kannte. Nun kenne ich deine Gedanken und so werde ich mit vollem Herzen<br />

für ein Kind beten.“<br />

Obwohl es für Frau Kwak allein mühsam war, den ärmlichen Haushalt zu<br />

führen, sparte sie dennoch fleißig von ihrem niedrigen Arbeitslohn, und besuchte<br />

viele berühmte Berge und Klöster, um für ein Kind zu beten.<br />

Als Jahre vorbei waren, wobei sie sich eifrig bemühte, Verdienste zu opfern<br />

und zu beten, hatte sie einen Traum in der Nacht vor Buddhas Geburtstag. Im<br />

Traum sah sie einen Engel auf dem Rücken eines Kranichs vom Himmel<br />

herunterkommen und zu ihrer Brust fliegen. Dieser sagte: „Ich bin vom Buddha<br />

geschickt worden. Bitte empfange mich.“ Sie wachte auf und war von diesem<br />

Traum sehr überrascht. Als sie ihrem Mann von diesem Traum berichtete, erzählte<br />

er ebenfalls denselben Traum, den er in dieser Nacht erlebte. Aufgeregt und in<br />

voller Freude sagte ihr Mann, dass es sich bestimmt um eine Vorankündigung einer<br />

Geburt handelt. „Buddha muss von deinem ernsthaften Beten so beeindruckt<br />

gewesen sein, dass er uns ein Kind schenkt.“<br />

Drei oder vier Monate später begannen sich bei Frau Kwak Anzeichen einer<br />

Schwangerschaft zu zeigen und nach zehn Monaten brachte sie ein Kind zur Welt.<br />

38


Sim berührte zärtlich das Kind und stellte fest, dass es ein Mädchen war. Er war<br />

ein bisschen traurig, aber er ließ es sich nicht anmerken. Er lobte seine Frau mit<br />

Freude für ihre Tapferkeit bei der schwierigen Geburt: „Du hast so viel Not zu<br />

ertragen. Sagt man nicht, dass eine Tochter die Wurzel des familiären Glücks ist?<br />

Lass uns unsere Tochter so gut erziehen, damit wir nicht neidisch auf einen Sohn<br />

von anderen Leuten sind.“<br />

Den beiden blieb nur eine kurze Zeit, um die gemeinsame Freude an ihrer<br />

Tochter zu teilen. Unmittelbar nach der Geburt wurde Frau Kwak krank. Der<br />

blinde Sim holte den Arzt aus dem Nachbardorf, doch die Medizin schien ihr keine<br />

große Hilfe zu bringen. Ihr Zustand wurde von Tag zu Tag schlechter.<br />

Eines Tages rief Frau Kwak ihren Mann zu sich und bat ihn ihr einen letzten<br />

Wunsch zu erfüllen.<br />

„Ich glaube nicht, dass ich viel länger leben werde. Der Gedanke, dich und das<br />

Baby zurück zu lassen, erfüllt mein Herz mit Trauer.“ „Ach, meine Liebste“, sagte<br />

Sim, „sei nicht so schwach. Wie kann ich ohne dich unser Kind groß ziehen?“ Frau<br />

Kwak sagte, „Wenn ich daran denke, dass du für euer Essen von Haus zu Haus mit<br />

den blinden Augen betteln gehst, indem der Stock deinen ungeschickten Schritt<br />

lenkt, und meine Tochter, die niemals ihrer Mutter Milch kosten kann und als<br />

Halbweise verachtet wird, kommen mir ununterbrochen die Tränen, so dass ich den<br />

Weg ins Jenseits nicht sehen werde. Wenn es die Möglichkeit gibt, unser Baby mit<br />

Hilfe des Himmels überleben und so groß werden zu lassen, dass es mit eigenen<br />

Füssen laufen kann, führe sie zu meinem Grab und sag ihr bitte, dass ihre Mutter<br />

da liegt. Dann werde ich wenigstens kein Bedauern um meinen Tod haben. Da ich<br />

dem Willen des Himmels folgen muss, mein irdisches Leben zu beenden und<br />

nichts dagegen tun kann, gehe ich euch voraus. Ich bitte euch darum, wegen der<br />

Trauer nicht eurer Gesundheit zu schaden. Lasst uns in unserem nächsten Leben<br />

wieder treffen, unsere Liebe füreinander fortsetzen und uns dann niemals wieder<br />

39


trennen. Bitte nenne das Baby Chong.“<br />

„Chong?“<br />

„Ja, es bedeutet, dass sie dir die fehlenden Augen sein sollte, um dir zu helfen.“<br />

„Ja, wie du wünscht.“<br />

„Chong,“ Frau Kwak klagte mit ihrem letzten Atemzug, „der Himmel ist<br />

gnadenlos, obwohl du gerade erst zur Welt gekommen bist, muss ich sterben.<br />

Indem ich dir meine unerträgliche Trauer hinterlasse, frage ich mich, wer dich<br />

füttert und an welcher Brust du in der Nacht schläfst?“<br />

Die Tränen flossen Ihre Wangen hinab. Sie hörte allmählich auf zu atmen und<br />

ihr Köper kühlte ab.<br />

Als der Blinde Sim merkte, dass seine Frau gestorben war, klopft er sich vor<br />

Schmerzen über den Verlust seiner Frau an seine Brust und schlug seinen Kopf an<br />

die Wand.<br />

„Meine Liebe, wäre ich an deiner Stelle gestorben, dann würdest du in der Lage<br />

sein, unsere Tochter groß zu ziehen. Nun bin ich am Leben geblieben. Wie kann<br />

ich das Baby in meiner Situation groß ziehen? Wie könnte ich dieses Elend<br />

überleben. Und wenn ich mein Leben beende, was wird dann aus dem Baby<br />

werden? Wie soll ich mit dem Baby in diesem kalten Winter zurechtkommen?<br />

Nein, meine Liebe, sterbe nicht, sterbe nicht.....“<br />

Die Dorfbewohner erfuhren über den Tod von Frau Kwak und übernahmen<br />

freundlicherweise die Beerdigung. Nach der Beerdigung kehrte der Blinde Sim<br />

nach Hause zurück und fühlte sich im Haus ohne seine Frau völlig verloren und<br />

einsam. Aus Kummer und Schmerz lief er ruhelos hin und her und rief nach seiner<br />

Frau. Als er das Baby vor Hunger schreien hörte, ging er in die Küche und holte<br />

eine Schale Wasser. Er tauchte seinen Finger in die Schale und hielt ihn an den<br />

Mund des Babys. Es saugte am Finger wie an der Brust seiner Mutter. Als das<br />

Baby merkte, dass es keine Muttermilch war, schrie es weiter.<br />

40


Die ganze Nacht lang trug der Blinde Sim das schreiende Baby hin und her, um<br />

es zu beruhigen, bis der Hahn den Tagesanbruch verkündete. Ohne Schlaf und<br />

übermüdet verließ er mit dem Baby auf einem Arm und den Stock in der anderen<br />

Hand das Haus und folgte dem Pfad vor dem Haus, welcher immer dunkel und<br />

gefährlich für ihn war. Irgendwie musste er das Baby füttern. Erst ging er zu der<br />

Mutter Kwidos, einer Bekannten seiner Frau. Sim rief sie und sagte:<br />

„Liebenswürdige Frau, bitte spenden Sie meiner armen mutterlosen Chong<br />

etwas Milch.“<br />

Kwidos Mutter sagte: „Bitte kommen Sie herein. Es tut mir so Leid, dass das<br />

kleine Baby seine Mutter so früh verloren hat und in der Obhut seines blinden<br />

Vaters aufwachsen muss.“<br />

Kwidos Mutter fütterte Chong und bereitete für Sim das Frühstück. Danach<br />

ging sie von Tür zu Tür, um Mütter mit Babys zu finden und sagte zu ihnen: „Lasst<br />

uns etwas Muttermilch für Sims Tochter spenden.“<br />

Diese antworteten: „Wir können nicht die schwierige Lage unseres Nachbarn<br />

ignorieren. Wir füttern es und bieten auch Sim eine Mahlzeit an.“ Aus Sympathie<br />

versuchten viele dem blinden Mann und seinem Baby zu helfen. Jeden Morgen,<br />

wenn er aufwachte, ging er mit dem Baby zum Betteln, um Chong füttern zu<br />

können. Manchmal rief er den Frauen am Fluss zu, die gerade Wäsche wuschen,<br />

oder den Frauen, die auf dem Feld arbeiteten.<br />

Chong, die mit der Milch von den Frauen ernährt wurde, wuchs gesund auf und<br />

war auf wundersame Weise kein einziges Mal krank. Je größer sie wurde, desto<br />

hübscher wurde sie und erfüllte ihre Pflichten gegenüber ihrem Vater vorbildlich.<br />

Sie bereitete jeden Tag die Malzeit für ihren Vater liebevoll zu und lernte ebenfalls<br />

allmählich die Chesa Zeremonie für ihre verstorbene Mutter zu halten.<br />

Sobald Chong laufen konnte, begleitete sie ihren Vater beim Betteln für ihr<br />

gemeinsames Essen. Sie hielt das eine Ende von Sims Stock und Sim das andere<br />

41


Ende. So fiel es ihm leichter zu gehen.<br />

Als Chong sechs Jahre alt war, sagte sie zu ihrem Vater: „Da du blind bist,<br />

erkennst du den Weg schlecht. Du weißt nicht, ob er hoch oder niedrig ist, so dass<br />

du hinfallen kannst. Und es macht mir Tag und Nacht große Sorge, dass du bei<br />

kaltem Wetter mit Wind und Schnee krank werden könntest. Von heute an hütest<br />

du das Haus und ich werde an deiner Stelle für unser Essen betteln gehen.“<br />

Sim antwortete: „Das ist sehr nett von dir, aber ich werde mich nicht wohl<br />

fühlen, wenn du als kleines Kind für unser Essen betten gehst. Sprich bitte nicht<br />

mehr davon.“ Schließlich musste er doch zustimmen, da ihn Chong händeringend<br />

darum gebeten hat.<br />

Die Dorfbewohner gaben ihr mehr Essen und Beilagen in ihre Bettelschale und<br />

boten ihr auch an bei ihnen zu essen. Chong antwortete jedoch: „Sie sind sehr<br />

freundlich zu mir, aber wie kann ich alleine ohne meinen alten Vater essen, der in<br />

einem kalten Zimmer auf mich wartet. Ich muss mich beeilen und mit ihm<br />

zusammen essen.“<br />

Wenn Chong vom Betteln nach Hause kam, hörte der Blinde Sim ihre Schritte,<br />

öffnete weit die Tür und empfing sie mit großer Freude. Er nahm ihre kalten Hände<br />

in seine Hände, wärmte sie mit seinem Atem und rieb ihre kalten Füße mit seinen<br />

Händen warm. Dann pflegte er zu sagen: „Ich lasse dich wegen meiner Blindheit in<br />

dieser Kälte leiden.“ Chong, die ihren Vater sehr verehrte, sagte: „Vater, du sollst<br />

nicht so reden. Es ist die Pflicht von Kindern, sich um die Eltern zu kümmern. Es<br />

ist eine Selbstverständlichkeit für die Eltern, die Hilfe ihrer Kinder in Anspruch zu<br />

nehmen.“<br />

Als Chong größer wurde, wurde sie wie ihre Mutter eine geschickte Näherin.<br />

Seit sie mit dem Nähen für die Dorfbewohner ihr Geld verdiente, brauchte sie nicht<br />

mehr für das Essen zu betteln. Nun konnte sie aufgrund ihrer Einnahmen Kleidung<br />

und Essen für ihren Vater kaufen.<br />

42


Als Chong 16 Jahre alt war, wurde sie zu einer vornehmen Witwe, die in einem<br />

Nachbardorf lebte und deren verstorbener Mann Ministerpräsident war, geschickt.<br />

Obwohl Chongs Kleidung sehr abgetragen war, war diese noble Witwe von<br />

Chongs makelloser Erscheinung und bescheidenem Benehmen sehr beeindruckt.<br />

„Meine beiden Söhne sind in Seoul, um als Staatsbeamte dem König zu<br />

dienen“ sagte sie zu Chong, "und ich bin sehr einsam und allein in diesem großen<br />

Haus. Ich würde dich sehr gern als meine Tochter adoptieren. Würdest du meine<br />

Bitte annehmen?“<br />

Chong erwiderte: „Sieben Tage nach meiner Geburt starb meine Mutter und<br />

mein blinder Vater zog mich auf, indem er um Milch für mich bettelte. Da Sie<br />

mich liebenswürdig fragen, mich als Tochter aufzunehmen, bin ich sehr erfreut und<br />

fühle mich sehr geehrt, so als ob ich meiner eigenen Mutter begegnet wäre. Ich<br />

würde sehr gern ihrem Vorschlag zustimmen, aber wer würde sich dann um<br />

meinen blinden Vater kümmern? Ohne ihn hätte ich nicht überlebt. Obwohl meine<br />

Hilfe für ihn nicht ausreichend ist, möchte ich weiter bei meinem Vater leben.“<br />

Die Dame war von Chongs Haltung ihrem Vater gegenüber tief beeindruckt<br />

und bat sie darum, sie wie ihre eigene Mutter zu betrachten. Während Chong bei<br />

der Dame verweilte, machte sich Sim um Chong allmählich Sorge, weil sie bereits<br />

eine ganze Weile weg war und er dachte, dass ihr vielleicht etwas zugestoßen wäre.<br />

So konnte er nicht mehr länger auf sie warten. Er ging mit dem Stock aus dem<br />

Haus. Da er lange nicht allein draußen war, war es für ihn schwierig, allein zurecht<br />

zu kommen.<br />

Der Blinde Sim war gerade dabei einen Bach zu überqueren, als er ausrutschte<br />

und nahezu zwei Meter tief ins Wasser fiel. Vor Schreck wurde sein Gesicht blass<br />

und er begann in seiner nassen Kleidung zu frieren. Er schrie um Hilfe, aber er<br />

erhielt keine Antwort auf seine Hilferufe. Er hörte nur den eiskalten Wind heulen.<br />

„Es scheint so, als ob ich fern von zu Hause in diesem kalten Wasser sterben<br />

43


werde,“ dachte der Blinde Sim.<br />

Als er schon alle Hoffnung aufgegeben hatte, hörte ein Mönch aus dem Mongun<br />

Tempel seine Schreie und zog ihn aus dem Bach.<br />

„Wer sind Sie, der dieses elende Leben gerettet hat?“, fragte Sim.<br />

„Ich bin ein Mönch aus dem Mong-un Tempel“, antwortete der Mönch. Er<br />

hatte Mitleid mit Sim und murmelte vor sich hin: „Wenn er Buddha doch nur 300<br />

Säcke Reis opfern würde, würde er wieder sehen können.“<br />

Als Sim dies hörte, traute er seinen Ohren nicht und fragte ihn: „Ist es wahr,<br />

dass man als Blinder wieder sehen kann, wenn man dem ehrwürdigen Buddha Reis<br />

opfert?“ Der Mönch antwortete: „Ja, natürlich. Als gläubiger Buddhist würde ich<br />

nicht leichtsinnig über solche Dinge reden.“<br />

Gerade heute fühlte sich Sim miserabler als je zuvor. Nur mit dem Gedanken,<br />

das Augenlicht wieder zu bekommen, versprach Sim Buddha 300 Säcke Reis zu<br />

opfern und trug seinen Namen „Sim Hakyu“ in das Buch des Mönchs ein.<br />

„Sie müssen Buddha gegenüber ihr Versprechen einhalten“, sagte der Mönch,<br />

„sonst werden sie ernsthafte Schwierigkeiten bekommen.“ Dann ging er fort.<br />

Als Sim mit nasser Kleidung nach Haus kam, bedauerte er, was er getan hatte.<br />

Obwohl er wusste, dass er kaum Geld hatte, um zu überleben, gab er leichtsinniger<br />

Weise ein Versprechen ab. Nun quälte er sich mit Selbstvorwürfen. Außerdem<br />

fürchtete er die Strafen, falls er das Versprechen nicht einlösen könnte.<br />

Als Chong nach Hause kam, war sie überrascht, ihren Vater mit durchnässter<br />

Kleidung und mit trübseligen Gedanken vorzufinden. Sie fragte ihn besorgt nach<br />

dem Grund, aber er gab keine Antwort. Sie bereitete ihm ein Abendessen mit<br />

Speisen, die sie von der vornehmen Frau mitgebracht hatte. Sim schien der Appetit<br />

vergangen zu sein. Chong fragte ihn: „Vater, du hast mir immer vertraut und ich<br />

habe dir auch immer vertraut. Wir haben in der Vergangenheit alles gemeinsam<br />

besprochen, aber was ist heute mit dir los?“ Nachdem sie ihn mehrmals gefragt<br />

44


hatte, fing er an, alles zu erzählen, wie er ins Wasser gefallen war, wie der Mönch<br />

aus dem Mong-un Tempel ihn gerettet hatte und wie er ihm das Versprechen gab,<br />

Buddha 300 Säcke Reis zu opfern.<br />

Chong sagte: „Vater, mach dir keine Sorgen. Wir tun alles, damit du wieder<br />

sehen kannst.“ Die gutherzige Chong tröstete ihren Vater mehr als sonst. Chong<br />

machte sich auch Sorgen wegen des Versprechens ihres Vaters. Von diesem Tag an<br />

ging sie in der Nacht mit einer Schale klaren Wassers als Opfergabe in den Hof<br />

und betete: „Ehrwürdiger Buddha, gib bitte meinem Vater das Augenlicht zurück.<br />

Ich werde mich Ihnen selbst opfern, wenn meinem Vater das Augenlicht<br />

zurückgegeben werde kann.“<br />

Zehn Tage nach Beginn ihrer Gebete befand sie sich von der Arbeit auf dem<br />

Weg nach Hause, als sie die Dorfbewohner über etwas reden hörte: „Haben Sie<br />

gehört? Einige Seefahrer sind dabei, ein 16 jähriges Mädchen zu kaufen, um es als<br />

Opfergabe darzubringen.“ Als Chong dies hörte, suchte sie die Seeleute auf, um sie<br />

zu fragen, warum sie gerade ein junges Mädchen brauchten? Die Seeleute erklärten:<br />

„Wir sind Geschäftleute, die nach China fahren um Handel zu treiben. Um China<br />

zu erreichen, müssen wir ein Seegebiet passieren, das Indangsu heißt. Dieses ist<br />

wegen starker Strömungen und dichter Nebel berüchtigt. Daher gibt es dort oft<br />

Schiffsunglücke. Alle paar Jahre opfern wir in Indangsu ein Mädchen, um den<br />

Ozean zu beruhigen. Dieses Jahr ist so ein Jahr, in dem wir ein Mädchen opfern<br />

müssen.“<br />

Chong sagte: „In diesem Fall kaufen Sie bitte mich.“<br />

Als sie ihre verzweifelte Situation den Seemännern geschildert hatte, waren sie<br />

aus Mitgefühl bereit, ihr 300 Säcke Reis zu geben.<br />

„Bei Vollmond kommen wir zu dir zurück.“<br />

Chong bat die Seemänner, 300 Säcke Reis zum Mong-un Tempel zu schicken,<br />

ohne dass ihr Vater davon erfährt.<br />

45


Chong war sehr froh darüber, dass ihr Vater das Versprechen Buddha<br />

gegenüber einlösen konnte und dann das Augenlicht zurückbekommen würde.<br />

Obwohl sie sterben sollte, dachte sie, dass es im Moment nichts Besseres zu tun<br />

gab.<br />

„Vater“, sagte sie, „wir können dem Mong-un Tempel 300 Säcke Reis opfern.“<br />

Sim war überrascht: „Was? Wie? Was sagst du, willst du deinen Vater auf den<br />

Arm nehmen?“<br />

Chong sagte: „Nein, Vater, ich würde es niemals wagen, dich hoch zu<br />

nehmen.“<br />

„Wie hast du es geschafft, so viele Reis zu bekommen?“<br />

„Als ich vor ein paar Tagen die vornehme Dame besuchte, fragte sie mich, ob<br />

ich ihre Adoptivtochter werden möchte.„<br />

Sim fragte: „Warum will sie dich als Adoptivtochter annehmen?“<br />

Chong antwortete: „Sie muss mich wohl sehr mögen. Sie hat Verständnis für<br />

unsere schwierige Situation und wird uns 300 Säcke Reis geben.“<br />

„Wie nett das von ihr ist.“<br />

Sim glaubte seiner Tochter und freute sich sehr.<br />

„Das bedeutet, dass du bei ihr leben musst?“<br />

„Ja, ich habe ihr zugestimmt, ab dem nächsten Vollmond bei ihr zu leben. Aber<br />

ich mache mir Sorgen um dich, weil du nun allein leben musst.“<br />

„Mach dir um mich keine Sorgen. Es ist gut, dass du jetzt ein bequemes Leben<br />

führen kannst. Wenn ich mein Augenlicht wieder gefunden habe, werde ich keine<br />

Arbeit scheuen, um mir selbst zu helfen.“<br />

Sie sah, wie ihr Vater sich freute und musste weinen.<br />

Sie dachte, dass er völlig verstört sein würde, wenn er später davon erführe,<br />

dass sie als Opfergabe verkauft worden war. Ihr Herz war voller Sorgen, aber sie<br />

konnte sich nicht erlauben, ewig traurig zu sein, weil sie ihre Reise vorbereiten<br />

46


musste. Sie wusch all die Wäsche ihres Vaters und legte sie sorgfältig in das Fach<br />

des Schranks, wo er sie leicht finden konnte. Sie wischte auch den Staub vom Hut<br />

ihres Vaters. Sie jätete das Unkraut im Garten und fegte und wischte jede Ecke des<br />

Hauses.<br />

Am Tag vor ihrer Abreise ging sie zum Grab ihrer Mutter und pflegte es<br />

sorgfältig während sie Lebewohl sagte.<br />

„Mutter, dieses Mal wird es mein letzter Besuch bei dir sein. Bitte, pass auf den<br />

armen Vater auf.“ Chong weinte sehr am Grab ihrer Mutter.<br />

Zu Hause weinte sie lautlos neben dem Vater, der gerade schlief.<br />

‚Mein lieber Vater, bitte verzeih mir die Lügen deiner ungehorsamen Tochter.<br />

Öffne deine Augen weit und lebe glücklich.’<br />

Als der Hahn schrie, um den Tagesanbruch anzukündigen, waren Chongs<br />

Augen vom Weinen durch die ganze Nacht geschwollen. Dies konnte der Blinde<br />

Sim nicht wahrnehmen.<br />

Beim Frühstück bemerkte der Vater: „Chong, heute schmeckt mir das Essen<br />

besonders gut. Ist das heute nicht der Tag, an dem du zur der vornehmen Dame<br />

umziehen musst?<br />

In meinem Traum heute Nacht habe ich dich in einer schönen Kutsche weit<br />

wegfahren sehen. Der Traum wollte mir sicherlich sagen, dass du an einen<br />

wunderschönen Ort fährst.“<br />

Sim sagte dann zu Chong, dass sie sich fertig machen sollte.<br />

Als er dies ahnungslos zu ihr sagte, konnte Chong nicht länger ihre Tränen<br />

zurückzuhalten.<br />

„Mein armer Vater!“ weinte sie, „wie kann ich dich allein lassen und<br />

weggehen?“<br />

„Chong, weine nicht, du gehst nicht irgendwohin, so dass wir uns nicht mehr<br />

wieder sehen würden.“<br />

47


Chong konnte nicht mehr länger ihren Vater täuschen und sagte ihm die<br />

Wahrheit.<br />

„Chong, du hast dich selbst für 300 Säcke Reis verkauft? Was bedeutet das?<br />

Wenn du stirbst, wofür brauche ich dann meine Augen? Obwohl ich blind bin, war<br />

ich seit deine Mutter von uns gegangen ist, in der Lage ohne große Probleme zu<br />

leben, da du meine Augen ersetzt hast. Tötet man sein Kind, um sein Augenlicht<br />

und Glück wiederzugewinnen? Ist das ein wahres Glück für mich? Trotz deiner<br />

Lüge bist du mir immer noch gehorsam: Ich brauche nicht mehr das Augenlicht<br />

und ich fürchte mich auch nicht vor dem Buddha, mein Versprechen nicht<br />

eingehalten zu haben. Gehe jetzt, und sag, dass du den Vertrag auflösen möchtest.“<br />

Die Bewohner hörten Sim schreien, und versammelten sich um sein Haus. Als<br />

die Bewohner die Wahrheit hörten, begannen sie zu weinen. Obwohl sich der<br />

Blinde Sim an den Ärmeln des Gewandes seiner Tochter klammerte, sagte Chong:<br />

„Vater, wenn du deine Gelübde gegenüber Buddha brichst, stürzt du dich selbst ins<br />

Unglück. Mein Versprechen den Seemännern gegenüber zu brechen ist auch nicht<br />

in Ordnung. Bitte lass mich gehen. Wie könnte ich es ertragen, die Bindung<br />

zwischen Vater und Tochter zu brechen, welche von der Natur bestimmt ist? Ich<br />

folge nur dem Willen des Himmels.“<br />

Dann riss sie sich von ihm los, wischte sich die Tränen aus ihrem Gesicht und<br />

beugte sich tief zu ihrem Vater hinab. Die Bewohner hielten Sim zurück und<br />

Chong lief aus dem Haus.<br />

„Chong!“ rief ihr Vater weinend, „mein armes Kind! Bitte verlass mich nicht!<br />

Bleibe hier und lass mich an deiner Stelle gehen.“ Die Rufe ihres Vaters, der auf<br />

dem Boden lag, zerrissen ihr das Herz, so dass sie sich mit beiden Händen ihre<br />

Ohren zuhielt und den Seemännern folgte.<br />

Der blaue Himmel wurde plötzlich dunkel und es begann zu regnen, als ob der<br />

Himmel an ihrem Leid teilnehmen würde.<br />

48


Das Schiff mit Chong an Bord fuhr schnell über den Ozean. Plötzlich näherte<br />

sich eine riesige Welle dem Schiff und es schien als ob sie das Schiff gänzlich zu<br />

verschlingen suchte.<br />

„Das ist Indangsu!" rief der Seemann." Bitte bereite dich vor!“<br />

Chong wechselte die Kleidung und kniete sich hin. Sie betete mit<br />

zusammengefalteten Händen zu Buddha: „Ehrwürdiger Buddha, ich bete zu Dir<br />

und bitte Dich darum, mich zu Dir zu nehmen. Gib meinem Vater sein Augenlicht<br />

zurück, damit er diese schöne Welt sehen kann.“<br />

Sie betete weiter, um das Wohlwollen für die Seemänner zu erbitten.<br />

„Ich wünsche Ihnen eine sichere Seefahrt und florierende Geschäfte. Bitte,<br />

gehen Sie zu meinem Vater, wenn Sie zurückkehren. Schauen Sie nach, ob er sein<br />

Augenlicht zurückbekommen hat, und ob es ihm wieder gut geht.“<br />

„Mache dir darum keine Sorgen. Mögest du zu einem schöneren Ort im<br />

Jenseits gehen, liebes Mädchen.“<br />

Die Seemänner begannen zu trommeln. Chong kletterte auf die höchste Stelle<br />

des Bugs und blickte in die Himmelsrichtung ihrer Heimat, wo ihr Vater lebte.<br />

Dann schloss sie die Augen und sprang in das tobende Meer.<br />

Das Meer wurde allmählich still, nachdem es eine wunderschöne Blume als<br />

Opfer bekommen hatte.<br />

Alle Seemänner sagten: „Es ist sicherlich dieses Mädchen, das mit ihrer<br />

kindlichen Hingabe das Meer zur Ruhe brachte.“<br />

49


Die große Gehorsamkeit des Kaisers Shun<br />

Die Kaiser Yao und Shun in altem China waren weise und beispielhafte<br />

Herrscher, die ihre Nation mit Frieden gesegnet und ihr Wohlstand gewährt hatten.<br />

Als der Kaiser Yao sein verdientes Alter erreicht hatte, begann er einen<br />

Nachfolger zu suchen.<br />

Er gab seinen Hofbeamten den Befehl, einen beispiellos pflichttreuen und<br />

frommen Mann zu suchen. Seine Hofbeamten empfahlen ihm Dan Zhu, einen<br />

seiner neun Söhne, als Nachfolger. Der Kaiser lehnte diesen mit der Begründung<br />

ab, dass dieser nicht die Würde besaß, Kaiser zu werden. Er gab den Hofbeamten<br />

die Anweisung, einen pflichttreuen Nachfolger im breiten Umkreis zu suchen. Für<br />

diesen Kaiser war <strong>Hyo</strong> (Gehorsamkeit) eine der größten Tugenden, die man als<br />

Kaiser besitzen sollte.<br />

Nachdem seine Untertanen den Befehl erhalten hatten, reisten die Beamten<br />

überall im Lande umher, um einen entsprechenden Kandidaten zu suchen. Da es<br />

nicht möglich war, einen Nachfolger in China zu finden, überquerten sie die<br />

Grenze nach Korea. Am Ende fanden sie einen Bauer, der in dem Dorf Habin,<br />

östlich vom Liao-Fluß in Korea lebte. Er war ein pflichttreuer, frommer Mann, der<br />

später als Kaiser Shun bekannt wurde.<br />

Im Li Lau, dem konfuzianischen Kanon, heißt es in Mencius’ Notizen: „Da<br />

Shun in Chu-fang geboren wurde, nach Fu-hsia zog und in Ming-t´iao starb, ist er<br />

ein Mann von Tong-yi (Korea).<br />

Bevor er Kaiser wurde, arbeitete er mit dem Pflug auf dem Feld, baute Getreide<br />

an, stellte Keramik her und angelte.<br />

Er verlor seine Mutter in frühem Kindesalter und wurde von seiner Stiefmutter<br />

50


aufgezogen. Da diese ihm gegenüber feindselig gestimmt war, behandelte sie ihn<br />

stets unbarmherzig und betrachtete ihn als Dorn im Auge.<br />

Eines Tages befahl sie ihm, ein Loch auszugraben. Es war ihre Absicht, zu<br />

warten, bis er das Loch tief genug ausgegraben hatte, um ihn dann<br />

hineinzuschubsen und lebendig zu begraben. Es gelang ihr aber nicht.<br />

Da Shun pflichtgetreu war, konnte er die Anweisung der Stiefmutter nicht<br />

missachten, obwohl er ihre Absicht erkannt hatte. Er sagte einfach „ja“ und begann<br />

das Loch nach der Anweisung der Stiefmutter auszuheben. Gleichzeitig begann er<br />

ein weiteres Loch zu graben, durch das er den Fluchtweg nach oben erreichen<br />

wollte.<br />

An einem anderen Tag sagte die Stiefmutter zu ihm, dass er auf das Dach<br />

steigen sollte, um die undichte Stelle zu finden, durch die es tropfte, wenn es<br />

regnete.<br />

Als er auf dem Dach war, räumte die Stiefmutter die Leiter weg und legte<br />

Feuer. Wiederum überlebte er. Denn da er auch dieses Mal die böse Absicht seiner<br />

Stiefmutter erkannt hatte, nahm er eine zweite Leiter mit aufs Dach, die er zum<br />

Herunterklettern benützte.<br />

Obwohl er unter der unbarmherzigen Behandlung seiner Stiefmutter litt, hatte<br />

er kein Hassgefühl gegenüber seinen Eltern, sondern flehte nur weinend zum<br />

Himmel.<br />

Nach alldem wusste er, dass die Rose der Althea am Morgen blüht und am<br />

Abend welkt und pflanzte sie im Garten seines Hauses. Er betrachtete sie morgens<br />

und abends und wusste, dass die Dauer der Blüten nicht sehr lang war. Er dachte<br />

auch darüber nach, dass die Zeit der pflichttreuen Verehrung gegenüber seiner<br />

Eltern ebenfalls nicht lange dauern würde.<br />

Schließlich berührte seine Hingabe das Herz seiner Eltern. Auf Grund seiner<br />

Tugend der <strong>Hyo</strong> bestieg er schließlich den Thron des Kaisers von China.<br />

51


Die Tugend der <strong>Hyo</strong> (Gehorsamkeit)<br />

Es gibt unzählige Arten von tugendhaften Werken, deren Wurzel in der kindlichen<br />

Ehrfurcht gegenüber den Eltern liegt. Es gibt auch unzählige Arten von schlechten<br />

Werken; deren Wurzel in kindlichem Ungehorsam und Respektlosigkeit liegt.<br />

-Koreanische Maxime-<br />

Die Tugend der Gehorsamkeit (<strong>Hyo</strong>) der Respekt gegenüber den Eltern hat eine<br />

lange Tradition in Korea und nimmt einen hohen Stellenwert ein, anhand dessen<br />

man die Persönlichkeit und Würde eines Menschen betrachtet. Durch die<br />

koreanische Zeitgeschichte hindurch glaubte man an die Relevanz der<br />

Tugendhaftigkeit, dass man die Dankbarkeit gegenüber den Eltern erkennen muss,<br />

weil sie uns zur Welt gebracht und erzogen haben. Als Dankbarkeit sollten die<br />

Kinder den Eltern pflichttreu dienen.<br />

Unter den asiatischen Staaten, die vom Konfuzianismus beeinflusst worden<br />

sind, ist Korea das Land, in dem am meisten die kindliche Pflichttreue verwurzelt<br />

ist. Diese Tradition Koreas ist bis heute erhalten geblieben.<br />

In der geschichtlichen Tradition der Japaner liegt die Wurzel der Samurai. Die<br />

treue Loyalität gegenüber dem König war historisch stärker als die Loyalität<br />

gegenüber den Eltern. Ein Wort wie <strong>Hyo</strong>ja bedeutet zum Beispiel ein „sich<br />

pflichttreu verhaltendes Kind“ im koreanischen Wörterbuch, aber dieses <strong>Hyo</strong>ja<br />

existiert im japanischen Wörterbuch nicht Eine koreanische Frau wird beim<br />

Heiraten niemals ihren zweiten Namen ändern, den die Eltern ihr gegeben haben,<br />

aber die Pflicht der japanischen Ehefrau, dem Ehemann treu zu dienen, ist<br />

wichtiger als die Kindespflicht den Eltern gegenüber. Die Ehefrau in Japan muss<br />

52


den zweiten Namen des Ehemannes annehmen.<br />

In China gibt es auch eine starke Tradition des <strong>Hyo</strong>, jedoch ist sie nicht mit<br />

dem koreanischen traditionellen <strong>Hyo</strong> vergleichbar. Chinas berühmter Weiser,<br />

Konfuzius, verehrte und respektierte den Kaiser Shun von Korea so sehr, dass er<br />

ihn als "den großartigen <strong>Hyo</strong>" erwähnte.<br />

Konfuzius sagte: "Shun ist der großartige <strong>Hyo</strong>. Seine Tugend war jene der<br />

Heiligen, seine Noblesse war jene eines Kaisers, und sein Wissensreichtum<br />

umfasste die ganze Welt. Er führte Zeremonien für die Vorfahren durch und<br />

kümmerte sich um die Integrität seiner Nachkommen."<br />

-Goldener Mittelweg ( 中 庸 )-<br />

Mencius lobte den Respekt gegenüber den Eltern von Kaiser Shun mit den<br />

folgenden Zeilen:<br />

Wenn die Menschen im Alter des Kindes sind, zeigen sie eine starke<br />

Anhänglichkeit gegenüber ihren Eltern. Wenn die Kinder im entsprechenden<br />

Alter sind, sinnliche Vergnügung zu erfahren, sehnen sie sich nach schönen<br />

Mädchen. Wenn sie dann Familie haben, haben sie eine starke Anhänglichkeit<br />

an ihre Familie. Wenn sie dann eine Position in der Regierung haben, haben sie<br />

Respekt vor ihrem Monarchen. Falls sie jedoch kein Vertrauen vom Monarchen<br />

gewinnen, leiden sie unter fieberhaften Herzkrankheiten. Kaiser Shun aber<br />

diente mit seinem großartigen <strong>Hyo</strong> seinen Eltern sein ganzes Leben lang, bis zu<br />

seinem 50. Lebensjahr [das Alter, indem er das Haus verließ, um Kaiser in<br />

China zu werden]. -Anmerkungen von Mencius ( 孟 子 集 註 )-<br />

Diese Tradition vom Respekt gegenüber den Eltern machte Korea zu einem<br />

53


höflichen und liebenswürdigen Volk. Konfuzius selbst erklärte dies: "Die wohl<br />

gesittete Monarchie im Osten" war der Ort für ihn, wo er selbst sehr gern leben<br />

würde.<br />

Zu den eigenen Eltern sollte man in respektvoller Manier sprechen und sich<br />

dementsprechend benehmen. Koreaner benutzen differenzierte Wörter je nach dem<br />

Niveau des Respekts, das sich individuell nach den Personen richtet. Den<br />

Geburtstag der Eltern nennt man zum Beispiel Saeng-sin, einen Geburtstag der<br />

älteren Geschwisters nennt man Saeng-il, und zum eigenen Geburtstag sagt man<br />

Dol. Wenn sich die Koreaner selbst gegenüber ihren Eltern erwähnen, benutzen sie<br />

„Jeo“ oder „Jae“ – das bescheidene Wort für “Ich“. In der Konversation mit Eltern<br />

benutzt man förmliche Sätze, die mit sub-ni-da enden. Unter allen Völkern der<br />

Erde sind die Koreaner das einzige Volk, welches solche strikte, detaillierte und<br />

ehrende verbale Ausdrücke gegenüber älteren Personen in ihrer Sprache enthält.<br />

Das koreanisches Wort „Jeo“ oder „Jae“ könnte man in ähnlich bescheidene<br />

Ausdrücke des Ichs wie „ 小 子 “, oder „ 小 生 “ oder „ 卑 生 “, in Chinesisch<br />

übersetzen. Es gibt im Japanischen einen entsprechenden Ausdruck für „sub-ni-da“,<br />

der aber nicht genau wie im Koreanischen verwendet wird. Zum Beispiel gib es<br />

Wörter wie „Watakusi“ „Boku“, die „Ich“ bedeuten. Sie werden aber nicht so wie<br />

das koreanische Wort „Jeo“ oder „Jae“ benutzt, um sich selbst bescheiden<br />

auszudrücken. Die koreanischen Wörter und Ausdrücke, die sich eingebürgert<br />

haben, sich niedriger als andere einzustufen, entwickelten sich aus der Sprache<br />

heraus, die in der Familie benutzt wurde, in der die Eltern mit Respekt von ihren<br />

Kindern verehrt worden waren.<br />

Sobald man sich gegenüber den Eltern sprachlich respektvoll ausdrückt, ist die<br />

gleichzeitige Verbeugung ein wichtiger Teil des Respekts. Die Kinder bringen<br />

gegenüber ihren Eltern ihren Respekt zum Ausdruck, indem sie den Kopf als<br />

wichtigen Teil des Körpers tief zum Boden senken. Wenn die gehorsamen Töchter<br />

54


und Söhne für eine Weile zu einem entfernten Ort reisen, verbeugen sie sich dem<br />

Brauchtum entsprechend vor den Eltern, bevor sie fortgehen. Bei der Rückkehr<br />

verbeugen sie sich ebenfalls wieder.<br />

Der Tradition nach dürfen die Kinder den Eltern nicht erlauben, allein zu leben,<br />

wenn sie alt werden. Die Eltern werden von ihren Kindern mit guten Essen und<br />

Kleidung so lange unterstützt, bis sie sterben. Nach dem Tod ihrer Eltern fühlen<br />

sich die Kinder nach wie vor für sie verantwortlich. Diejenigen, die ihre Mutter<br />

oder ihren Vater verloren hatten, bauten eine Hütte neben dem Grab und lebten<br />

dort für drei Jahre, um ihren Respekt gegenüber dem Verstorbenen zwei Mal am<br />

Tag zu bezeugen. Diese Tradition nennt man Simyo, welche wörtlich „dienen am<br />

Grab der Eltern“ bedeutet. Damit kommt die Dankbarkeit der Hinterbliebenen für<br />

die ersten drei Jahre ihres Leben zum Ausdruck, in denen die Eltern sie groß<br />

gezogen haben, denn ohne die Hilfe ihrer Eltern hätten sie nicht überleben können.<br />

Es gibt Menschen, die dieser Tradition bis heute folgen.<br />

Bis 1950 Jahr war es in Korea üblich, nach dem Tod eines Elternteils in einem<br />

Zeitraum von einem Jahr bis zu drei Jahren täglich eine Ahnenzeremonie für den<br />

Verstorbenen abzuhalten. Sie bereiteten jeden Morgen das Frühstück für ihre<br />

verstorbenen Eltern zu, getreu dem was diese zu Lebzeiten gerne gegessen haben<br />

und sie verbeugen sich vor dem Schrein der Verstorbenen. Erst nachdem die<br />

Zeremonie beendet war, frühstückte die Familie. Im Glauben ihre Schuld<br />

gegenüber ihren verstorbenen Eltern, für das, was diese für sie getan hatten, in<br />

Dankbarkeit zurückzuzahlen, führten sie diese Zeremonie mit äußerster Sorgfalt<br />

aus. Diese Tradition wird heutzutage nicht mehr in diesem Ausmaß<br />

aufrechterhalten. Die meisten koreanische Familien führen aber heute noch diese<br />

Ahnenzeremonie mindestens drei Mal im Jahr durch, nämlich zu Jahresbeginn,<br />

zum Erntendankfest (15. August im Mondkalender) und an dem Tag, an dem die<br />

Eltern gestorben sind. Bei dieser Zeremonie werden nicht nur den Eltern, sondern<br />

55


auch den Ahnen, die drei, manchmal sogar fünf Generationen zurückliegen,<br />

Respekt erwiesen. Ohne Eltern könnte man selbst nicht existieren. Ohne die<br />

Großeltern könnten auch die Eltern nicht existieren. Ohne die zurückliegende<br />

Verwandtschaft wäre man heute nicht hier.<br />

In der heutiger Zeit ziehen erwachsene Frauen und Männer gewöhnlich vor,<br />

ihren Lebenspartner selbst nach ihrem Wunsch zu wählen. Bis vor drei Jahrzehnten<br />

vertrauten Koreaner ihren Eltern, den Lebenspartner für sie auszuwählen. Auf diese<br />

Weise wurden die Familien gegründet. Sobald die Hochzeit vorüber war, lebte die<br />

frisch vermählte Braut bei der Familie des Bräutigams und lernte die Sitten und<br />

Etikette dieser Familie kennen. Vom verheirateten Brautpaar wurde erwartet, die<br />

älteren Familienmitglieder zu besuchen und ihnen Aufmerksamkeit und<br />

Ehrerbietung zu erweisen. Morgens und abends sollten sie ihre Eltern in deren<br />

Zimmer besuchen, um ihnen Respekt zu erweisen. Ferner sollten sie erst dann mit<br />

dem Essen beginnen, wenn die Eltern bereits begonnen haben.<br />

<strong>Hyo</strong> ist eine Geste des Erwiderns von Liebe und Wohlwollen der anderen.<br />

Koreaner glauben, dass die Liebe ihrer Eltern so wertvoll wie die Huldigung des<br />

Himmels sei. Deshalb richten sie ihr Leben danach aus, diese Liebe mit<br />

Dankbarkeit und Ehrerbietung an Vater und Mutter zurückzugeben.<br />

Der Respekt vor den Eltern wird bereits von den Kindern erlernt und später an<br />

die eigenen Kinder überliefert.<br />

Dankbarkeit und Respekt zu den Eltern ist die Grundlage von großer Liebe und<br />

Verständnis, die die gesamte Menschheit umfasst, denn jeder ist das Kind von<br />

Eltern und hat womöglich auch selber Kinder.<br />

56


Kapitel 2<br />

<strong>Chung</strong>: Loyalität zu Volk und<br />

Vaterland<br />

57


Hwa Seong Kastel<br />

58


Ulpaso<br />

Fähige Minister spielen während der Zeit der Reformierung jeder Regierung<br />

oder Dynastie eine wichtige Rolle. Als König Kogukchon (179-197 AD) von<br />

Koguryo eine Anzahl von Reformen in seiner eigenen Regierung übersah, hatte er<br />

einen weisen Premierminister namens Ulpaso, der in der Geschichte noch lange für<br />

seine große Güte und Weisheit in Erinnerung bleiben sollte.<br />

Während der Koguryo Dynastie (BC 37-AD 668), die als ein Zusammenschluss<br />

von fünf Stämmen begann, war es Brauch, aus jedem der Stämme ein Mitglied der<br />

königlichen Familie zu wählen, um dem Staat als Minister zu dienen, so dass jeder<br />

Stamm eine Beteiligung an der Regierung des Landes hatte. König Kogukchon<br />

jedoch brach mit dieser Tradition und begann Beamte auf der Basis ihrer<br />

Fähigkeiten auszusuchen. Als Ergebnis dieser Maßnahme verbesserte sich der<br />

Standard von Koguryos Regierung.<br />

„Bis zum heutigen Tage“, erklärte der König, „wurden Positionen in der<br />

Regierung aufgrund von Familie und sozialem Stand vergeben. Die höchsten<br />

Posten in dieser Regierung sollten jenen mit großen Fähigkeiten und Werten<br />

vorbehalten werden. Indem wir nicht dieser Regel gefolgt sind, haben wir sowohl<br />

dem Königlichen Hof als auch den Interessen des Volkes geschadet. Von diesem<br />

Tage an werde ich nur Beamte ernennen, die über die nötigen Werte und<br />

Fähigkeiten für diese Positionen verfügen. Deshalb lasst von jedem Stamm eine<br />

weise Person erwählen.“ Auf diesem Wege wurde ein Mann namens Anryu<br />

gewählt. Dieser lehnte jedoch die Ernennung ab und schlug an seiner Stelle einen<br />

Mann mit dem Namen Ulpaso vor.<br />

59


„Ulpaso? Wer ist er?“, murmelte der Hof.<br />

„Er ist ein Nachfahre Ulsos“, sagte Anryu, „während der Herrschaft von König<br />

Yurimyong diente er als Regierungsbeamter. Er ist ein Mann von aufrechtem<br />

Charakter und großer Intelligenz und außerdem bewandert in den Dingen dieser<br />

Welt. Er ist kein Mann von großem Reichtum und lebt momentan als Farmer in<br />

einem einsamen Dorf. Wenn Ihre Hoheit das Land gut zu regieren wünscht, lasset<br />

ihn vor den königlichen Hof bringen.“<br />

Der König ließ Ulpaso vor dem Hofe erscheinen. Trotz seines bäuerlichen<br />

Aussehens erkannte der König mit seinen eigenen Augen einen Mann von großer<br />

Vornehmheit.<br />

Der König sagte: „Falls ich dich als einen Staatsminister einsetze, wirst du<br />

eifrig für dein Land arbeiten?“<br />

Ulpaso schüttelte seinen Kopf von einer Seite zur anderen.<br />

„Da ich sehr dumm bin“, antwortete er, „bin ich nicht geeignet Eurer Hoheit<br />

Befehle auszuführen. Ich bitte darum, dass Eure Hoheit eine weisere Person<br />

erwähle, diese zu einem hohen Amt befördere und in die Pflicht nehme, dem Land<br />

zu dienen.“<br />

Die Bedeutung hinter diesen Worten war, dass Ulpaso gedachte, seinem Land<br />

auf jede Weise zu dienen. Der König sollte ihm den höchsten Rang verleihen und<br />

ihm somit erlauben, seine Fähigkeiten voll zu nutzen. König Kogukchon verstand<br />

die Bedeutung von Ulpasos Worten augenblicklich und ernannte ihn zum<br />

Premierminister, damit er die Befugnis bekäme, zu tun was er für richtig hielt.<br />

Diese Entscheidung verursachte allerdings am königlichen Hofe viel Bestürzung.<br />

Ulpaso zog viel Kritik der Höflinge auf sich, die neidisch waren, dass ein armer<br />

Mann vom Lande und von niedrigem Stand über Nacht zu der höchsten Stellung in<br />

der Regierung des Königs aufstieg.<br />

60


Aufgrund der weit gestreuten Beschwerden Ulpasos Ernennung betreffend,<br />

erließ der König folgende Bekanntmachung: „Falls irgendein Beamter einen Befehl<br />

des Premierministers missachtet, wird seine Familie hingerichtet werden.“ Mit<br />

dieser Anordnung bezeugte der König noch stärkeres Vertrauen in Ulpaso. Tief<br />

bewegt von der Tatsache, dass er einen Herrscher getroffen hatte, der seine<br />

Fähigkeiten anerkannte, widmete sich Ulpaso von ganzem Herzen dem Regieren<br />

des Landes, fällte gerechte Urteile und erließ weise Befehle und Verordnungen.<br />

Eines Tages näherte sich Ulpaso dem König und sagte:<br />

„Hoheit, das Ziel der Regierung ist, dem Volk zu dienen. Nur wenn der König<br />

und seine Beamten über das Leid des Volkes besorgt sind, wird das Volk sein Land<br />

lieben und seinem König wie einem Vater folgen. Jedes Jahr zu Frühlingsanfang<br />

müssen Leute wegen der Knappheit von Nahrung hungern und viele sind bereits<br />

verhungert.“<br />

„Ich weiß das gut“, antwortete der König, „indes scheint es nichts zu geben,<br />

was wir dagegen tun könnten, um dieses Problem zu lösen. Was ist deine<br />

Meinung?“<br />

„Ich habe überlegt, Hoheit, dass wir ein System einführen könnten, wobei das<br />

Getreide der Staatsreserve solange an jene, die nichts beiseite gelegt haben,<br />

verliehen werden könnte, bis sie in der Lage sind es zurückzuzahlen. Wenn<br />

Nahrung im März schwer zu beziehen ist, könnte man die Getreidespeicher für jene<br />

in Not öffnen. Im Oktober, wenn die Ernte eingebracht ist, könnten dann die Leute<br />

Getreide zurückgeben und das ersetzen, was sie ausgeliehen haben.“<br />

König Kogukchon war erstaunt und erwiderte:<br />

„Dies ist sicherlich eine vom Himmel gesandte Weisheit. Es ist deine große<br />

Fürsorge für das Volk, die es dir möglich gemacht, so einen Einfall zu haben. Nun<br />

sehe, dass er auf dem bestmöglichsten Wege ausgeführt werden möge.“<br />

61


Dies war der Ursprung der Regierungsdarlehen, Chindaebop genannt. Zu der<br />

Zeit, als diese Bestimmung vor fast zwei Jahrtausenden durchgesetzt wurde, war es<br />

eine beinahe revolutionäre Maßnahme. Das Verfahren, Menschen zu erlauben<br />

Getreide vom Staat zu leihen, so dass eine Hungersnot vermieden werden konnte,<br />

setzte sich bis in die nachfolgenden Koryo- (918-1392) und Choson- (1392-1910)<br />

Dynastien als Zeuge für die Weisheit Ulpasos fort.<br />

Ohne das Volk kann es kein Land geben. Ulpaso, der das grundlegende Gesetz<br />

begründete, dass ein Land für das Wohlsein seines Volkes verantwortlich ist, ist zu<br />

Recht als einer der größten Premierminister der koreanischen Geschichte in<br />

Erinnerung geblieben.<br />

62


Die treue Seele von Pak Jesang<br />

Als Naemul, der 17. König von Shilla, verstarb, war sein ältester Sohn Nulji zu<br />

jung, um den Thron zu besteigen. Demnach wurde Naemuls Neffe Silsong zum 18.<br />

König von Shilla ernannt.<br />

Im ersten Jahr von König Silsongs Herrschaft (402) schickte Japan einen<br />

Gesandten nach Shilla, der die Freundschaft vorschlug und erbat, dass als Zeichen<br />

des Vertrauens ein königlicher Prinz zu ihnen gesandt werden sollte. König Silsong<br />

lehnte dies nicht ab und schickte den dritten Sohn von König Naemul, Prinz<br />

Misahun, um den königlichen Hof von Japan zu besuchen. Da der Prinz erst zehn<br />

Jahre alt war, begleitete ihn einer seiner Höflinge als stellvertretender Gesandter.<br />

Als Prinz Misahun und der Höfling eintrafen, nahm der japanische König sie als<br />

politische Geiseln und weigerte sich, sie zurückkehren zu lassen.<br />

Zehn Jahre später, im Jahre 412, schickte das Nachbarkönigreich Koguryo<br />

einen Gesandten nach Shilla, um ein Freundschaftsabkommen zu erlangen.<br />

„Nachdem wir von der ausgezeichneten Weisheit und den Fähigkeiten von<br />

Prinz Pokho erfahren haben, wünscht der König von Koguryo seine Bekanntschaft<br />

zu machen und sendet uns hiermit sein Anliegen vorzubringen.“<br />

König Silsong war zu jener Zeit auf der Suche nach einem Weg, Frieden mit<br />

Koguryo zu schließen, dessen Truppen viele Angriffe auf die Grenzen von Shilla<br />

unternahmen. Dementsprechend antwortete er seinen Wunsch nach Frieden<br />

ausdrückend und bat den zweiten Sohn von König Naemul, Prinz Pokho, nach<br />

Koguryo abzureisen und die Nachricht für ihn zu überbringen. Nachdem dieser<br />

63


jedoch eintraf, hielt König Kwanggaeto von Koguryo Prinz Pokho an seinem Hof<br />

fest und weigerte sich ihn gehen zu lassen.<br />

Im Laufe der Zeit wuchs der junge Nulji auf und wurde letztendlich im Jahre<br />

417 der 19. König von Shilla. König Nuljis Gemüt war jedoch unaufhörlich mit<br />

Gedanken an seine beiden jüngeren Brüder beunruhigt. Obwohl er sich danach<br />

sehnte, sie zurückzubringen, gab es wenig, was getan werden konnte.<br />

Eines Tages lud der König königliche Hofsleute, gefeierte Gelehrte und<br />

militärische Beamte in den Palast zu einem Bankett ein. Nachdem die<br />

Weinschälchen drei oder viel Mal die Runde gemacht hatten und das Festessen<br />

beinahe an seinem Höhepunkt war, war der König unfähig, seine Trauer<br />

zurückzuhalten und brach in Tränen aus. Er klagte:<br />

„Meine zwei jüngeren Brüder sind Gefangene in Japan und Koguryo und bis<br />

heute ist es ihnen nicht gelungen, in ihre Heimat zurückzukehren. Obgleich ich zu<br />

dieser Position durch Vermögen und Ehre gekommen bin, vergeht kein Tag, an<br />

dem ich nicht an sie denke, kein Tag, an dem ich sie nicht betrauere. Unsere<br />

Verbundenheit als Brüder treibt den Schmerz der Abwesenheit noch tiefer in mein<br />

Herz. Könnte ich nur meine zwei Brüder wieder sehen und mit ihnen zum Grab<br />

unseres verstorbenen Königs gehen, um meine Entschuldigung vorzubringen. Aus<br />

Dankbarkeit würde ich jeden, der an diesem Fest anwesend ist, mit Geschenken<br />

belohnen. Ich muss dafür sorgen, dass meine Brüder lebendig wiederkehren – doch<br />

wie soll ich das schaffen?“<br />

Die Höflinge erwiderten:<br />

„Eure Majestät, da dies keine einfache Aufgabe ist, wird nur jemand, der mit<br />

Weisheit und Mut ausgestattet ist, in der Lage sein Erfolg zu haben. Der Statthalter<br />

von Sapra, Pak Jesang, wie wir gehört haben, ist ehrenhaft, mutig, weise und<br />

einfallsreich. Wir sind sicher, dass er seine Majestät von seiner Bürde befreien<br />

kann.“<br />

64


Pak Jesang war ein Nachfahre von Pak <strong>Hyo</strong>kgose, dem Gründer der Shilla-<br />

Dynastie, und ein Nachfahre in der fünften Generation nach König Pasa, dem<br />

fünften Herrscher von Shilla. Er hatte als Höfling seit der Zeit von König Naemul<br />

gedient.<br />

König Nulji ließ Pak Jesang an den Hof kommen und flehte ihn an, die beiden<br />

Prinzen zu retten. Dazu sagte Pak:<br />

„Es ist geschrieben, eure Majestät, dass wenn ein König bekümmert ist, seine<br />

Höflinge entehrt wären, und wenn der König entehrt ist, müssten seine Höflinge<br />

dafür sterben. Würde ich vorwärts gehen in dieser Aufgabe, das Leichte von dem<br />

Schwierigen unterscheidend, dann wäre das keine wahre Loyalität und falls ich<br />

zögern würde, den Tode fürchtend, dann wäre das kein Mut. Wenngleich euer<br />

Diener närrisch und unwürdig ist, wie könnte er je einen anderen Weg in Betracht<br />

ziehen als den Wunsch, eurer Majestät zu dienen.“ Mit diesen Worten begann Pak<br />

Jesang die notwendigen Vorbereitungen für eine Gesandtschaft zu machen und<br />

machte sich auf den Weg nach Koguryo.<br />

Sobald er in der Gegenwart des Königs von Koguryo war, ersuchte er ihn<br />

ernsthaft:<br />

„Eure Majestät, es ist anerkannt, dass Beziehungen zwischen aufrechten<br />

Nationen von Treue über allem anderen regiert werden sollten. Wenn wir politische<br />

Geiseln austauschen müssen, ein Brauch, der seit den Tagen der Fünf Tyrannen 5<br />

beispiellos ist, leben wir wirklich in hoffnungslosen Zeiten. Es sind fast zehn Jahre<br />

5 Mencius sagte: „Macht als Güte zu tarnen ist Tyrannei, Güte mit Tugendhaftigkeit<br />

auszuüben ist Königtum.“ Dies war eine direkte Kritik der Herrscher dieser Tage, deren<br />

Suche nach Macht Mencius mit den „Fünf Tyrannen“, die Huan Gong vom Liang<br />

Königreich mit einschloss, verglich. Mencius „Fünf Tyrannen“ wurde seitdem als ein<br />

kritischer Begriff gegenüber despotischen Regimen im fernen östlichen Asien verwendet.<br />

65


vergangen, seit der jüngere Bruder unseres Königs in diesem Land eingetroffen ist.<br />

Wegen den Bändern brüderlicher Liebe, die zwischen diesen beiden Männern<br />

existiert, kann keiner den anderen vergessen. Zeigt Erbarmen und Wohlwollen, wie<br />

es sich für einen Herrscher einer gewaltigen Nation ziemt. Falls Prinz Pokho durch<br />

die Gnade Eurer kaiserlichen Majestät nach Shilla zurückkehrt, wird Euer Verlust<br />

nicht größer als das eines Haares von der Haut von neun Bullen sein und der<br />

Respekt unseres Königs für Eure Tugendhaftigkeit wird grenzenlos sein. Bitte<br />

denkt über dies in eurem Herzen nach, Eure Majestät.“<br />

Bewegt durch diese Worte, stimmte der König von Koguryo dem Gesuch zu<br />

und gebot Pak Jesang und dem Prinzen gemeinsam nach Shilla zurückzukehren.<br />

Als Pak mit Prinz Pokho zurückkehrte, war König Nulji überglücklich.<br />

Nachdem jedoch etwas Zeit vergangen war, sagte er: „Ich war es gewohnt, meine<br />

zwei jüngeren Brüder als meinen rechten und linken Arm anzusehen. Nun da ich<br />

nur einen zurück gewonnen habe, was soll ich für den anderen tun?“<br />

Pak Jesang erwiderte:<br />

„Obgleich euer Diener an Weisheit misst und ein Mann von wenig Wert ist, hat<br />

er bereits beschlossen, sich für sein Land zu opfern und wird Eurer Hoheit nicht<br />

erlauben, sich mit noch mehr Schande zu plagen. Aus welchem Grund sollte ich<br />

mein Leben schonen? Da Koguryo ein großes Königreich ist und sein König<br />

rechtschaffen, war ich in der Lage ihn mit Worten und Flehen zu überzeugen. Im<br />

Falle von Japan jedoch, dem Land, dem es an Rechtschaffenheit mangelt, können<br />

die Japaner nicht nur mit Worten besänftigt werden. Wir können nur hoffen, den<br />

Prinzen durch eine List zu retten. Deshalb, eure Hoheit, seht zu, dass mein Name in<br />

Verruf gebracht wird, wenn ich nach Japan aufbreche, und verbreitet Gerüchte,<br />

damit es so schiene, als ob ich das Land in Zorn verlassen hätte, so dass die Japaner<br />

die Gerüchte vernehmen und glauben mögen.“<br />

66


Nachdem er dies gesagt hatte, schwor Pak sein Leben darzubieten. Sogar ohne<br />

sein Haus zu besuchen, machte er sich auf den Weg nach Yulpo und setzte sofort<br />

die Segel nach Japan.<br />

Als Paks Ehefrau, die nervös auf die Heimkehr ihres Mannes gewartet hatte,<br />

hörte, dass er direkt vom Palast nach Yulpo gegangen sei, eilte sie selbst zum<br />

Hafen. Als sie dort ankam, war das Schiff, das ihr Mann bestiegen hatte, bereits<br />

weit draußen auf dem Meer. Während sie das Schiff in der Entfernung erblickte,<br />

jammerte sie bitterlich und rief:<br />

„Bitte komm wohlbehalten zurück!“<br />

Pak antwortete ihr: „Von königlichem Befehl mit einer höchst schwierigen<br />

Aufgabe betraut, segle ich in das Land unserer Feinde. Ich kann daher keine<br />

Gedanken an meine sichere Heimkehr verschwenden. Bitte warte nicht auf mich,<br />

meine Frau.“ Mit diesen Worten segelte er stetig voran. Am Ufer brach Paks Frau<br />

zusammen und weinte. Die Dorfbewohner nannten die Küste später Jang Sa, was<br />

„Die Küste der vielen Tränen“ bedeutet.<br />

Als Pak in Japan eintraf, unter der Vorgabe, er hätte Shilla betrogen,<br />

überzeugte er den japanischen König davon, dass er und sein Heimatland gespalten<br />

wären.<br />

„Obwohl ich König Nulji von Shilla meine äußerste Loyalität gab, erhielt ich<br />

nichts als Erniedrigung und Ungnade zurück. Als ich als königlicher Gesandter aus<br />

Koguryo zurückkam, beschuldigte man mich des Hochverrats und versuchte mich<br />

hinzurichten. Ich wünsche nicht länger einem Mann wie Nulji zu dienen, der in<br />

denen die ihn bedienen keine wahre Loyalität erkennen kann. Ich bitte Eure<br />

kaiserliche Hoheit, dass ihr mir Nachsicht zeigen werdet und mich als Euren<br />

bescheidenen Diener empfangt.“<br />

Der japanische König hatte von einem Spion, den er zuvor nach Shilla<br />

geschickt hatte, gehört, dass Gouverneur Paks Familie auf der Anklage von<br />

67


Hochverrat gefangen gehalten wurde, und so glaubte er seinen Worten. Es kam ihm<br />

auch in den Sinn, dass Pak Jesang von Nutzen sein könnte, wenn er das nächste<br />

Mal in Shilla einfiel.<br />

Paks beachtliches Talent und sein Charakter sicherte ihm zu, dass er bald in des<br />

Königs Kreis von getreuen Höflingen aufgenommen wurde und so in der Lage war,<br />

sich Prinz Misahun nach Belieben zu nähern. Wenn auch Pak manchmal mit dem<br />

Prinzen fischen oder jagen ging, so verhielt er sich nie auf eine Art und Weise, die<br />

Misstrauen am Hof hervorrufen würde.<br />

Im Herbst 418 versuchte der japanische König eine Invasion von Shilla – somit<br />

brach er sein Versprechen von Frieden. Indem er Pak und Misahun als seine<br />

Generäle einsetzte, ließ er sie den Vormarsch leiten.<br />

An der Tsushima-Insel einlaufend, die auf halbem Wege zwischen Shilla und<br />

Japan lag, versammelten sich einige der japanischen Generäle und fingen an, im<br />

Geheimen Pläne zu schmieden, um die Frauen und Kinder von Pak und Misahun<br />

gefangen zu nehmen und erst dann zurückzubringen, sobald sie Shilla besiegt<br />

hatten. Auf diese Weise glaubten sie, sich der Loyalität der beiden zu versichern.<br />

Pak war sich ihres Handelns bewusst und gab vor, sich dabei zu amüsieren,<br />

während er auf einem Boot mit Misahun Fische fing. Die Japaner, die dies<br />

bemerkten und sahen, dass die beiden keine eigenen geheimen Pläne hatten, waren<br />

zufrieden.<br />

Bei Sonnenaufgang des nächsten Tages, als der Nebel sich dicht ausgebreitet<br />

hatte, forderte Pak Jusang Prinz Misahun auf zu fliehen: „Heute ist ein idealer Tag<br />

für eure Flucht. Bitte geht in aller Eile.“<br />

Misahun antwortete: „Wie könnte ich dich verlassen und allein zurückkehren,<br />

wenn ich dir gefolgt bin und mich auf dich verlassen habe wie auf einen Vater? Ich<br />

werde nicht gehen.“<br />

68


Pak sprach: „Wenn wir beide gehen, ist es wahrscheinlich, dass wir scheitern.<br />

Als ich Shilla verließ, hatte ich bereits beschlossen zu sterben. Bitte geht und sorgt<br />

euch nicht um mich.“<br />

Nachdem er diese Worte vernommen hatte, umarmte ihn Misahun und weinte.<br />

Er nahm Abschied von ihm und brach dann nach Shilla auf. Als er ihn sich<br />

entfernen sah, kehrte Pak auf sein Zimmer zurück und stand spät am nächsten Tag<br />

auf, sich erschöpft zeigend, so dass er Misahun mehr Zeit zum Fliehen geben<br />

konnte.<br />

Mehrere Männer fragten ihn: „General, warum seid ihr so spät<br />

aufgestanden?“ Pak erwiderte: „Das Reisen mit dem Schiff gestern hat mich sehr<br />

müde gemacht und ich war unfähig, früher aufzustehen.“ Wenn Leute nachfragten,<br />

warum sie den Prinzen an diesem Tage nicht gesehen hatten, erklärte er, dass der<br />

Prinz ebenfalls müde vom gestrigen Fischen war und immer noch in seinem<br />

Zimmer ruhte. Als Misahun allerdings selbst nach Sonnenuntergang nicht erschien,<br />

wurden die Japaner misstrauisch und entdeckten seine Flucht. Sie sperrten Pak ein<br />

und nahmen sofort mit ihren Schiffen die Verfolgung auf. Da aber der Nebel dicht<br />

und der Himmel bereits dunkel war, konnten sie nicht sehr weit sehen und am Ende<br />

waren sie nicht in der Lage, Misahun wieder einzufangen.<br />

„Warum hast du ihn zurück geschickt?“, fragte ihn der japanische König vor<br />

Wut kochend.<br />

„Ich bin ein Diener von Shilla.“, antwortete Park gelassen, „nicht ein Diener<br />

Japans. Ich habe nichts mehr getan als den Willen meines Königs auszuführen.<br />

Welch andere Erklärung könnte ich bieten?“<br />

Der japanische König entgegnete:<br />

„Du sagst, du dienst Shilla, während du auch jetzt noch mein Diener bist? Falls<br />

du daran fest hältst, werde ich dich den ‚Fünf Qualen’ unterwerfen. Wenn du<br />

zugibst, ein Vasall Japans zu sein, wirst du meine volle Vergebung empfangen.“<br />

69


Weil der japanische König Paks Mut und Weisheit sehr hoch schätzte,<br />

versprach er, dass falls er sein Höfling würde, er ihm nicht nur vergeben, sondern<br />

ihm auch alle möglichen Reichtümer und Ehren verleihen würde.<br />

Pak Jesang blickte geradewegs in die Augen des japanischen Königs und sagte:<br />

„Ich würde lieber ein Hund oder ein Schwein im Land von Shilla sein, als der<br />

Untertan eines feindlichen Landes und ich würde eher Grausamkeiten durch die<br />

Hände meiner Landsmänner ertragen, als Ehren und Reichtum aus den Hände eines<br />

Feindes zu genießen.“<br />

Wütend befahl der japanische König einem Folterer, die Haut von den Sohlen<br />

von Paks Füßen zu entfernen und da man frisches Schilf geschnitten hatte, Park auf<br />

den scharfen Kanten laufen zu lassen. Nachdem dies getan war, fragte er Pak<br />

erneut:<br />

„Wem dienst du?“<br />

„Ich diene Shilla.“<br />

Daraufhin ließ der japanische König eine Eisenplatte erhitzen und nachdem Pak<br />

gezwungen worden war, darauf zu stehen, fragte er erneut:<br />

„Wem dienst du?“<br />

„Ich diene Shilla.“<br />

Pak Jesang gab nie den Wünschen des japanischen Königs nach und wurde<br />

letztendlich lebendig verbrannt und geköpft.<br />

Währenddessen war Misahun sicher am Strand von Shilla gelandet und sandte<br />

seinen Begleiter Kang Kuryo, um den königlichen Hof von seiner Ankunft zu<br />

unterrichten. König Nulji war erstaunt und erfreut und eilte zu den südlichen<br />

Randgebieten des Palastes, um seinen Bruder zu treffen, zusammen mit allen<br />

Beamten des Könighofs. Als die beiden sich sahen, nahmen sie einander bei den<br />

Händen und weinten. Dann erfuhr der König, was mit Pak geschehen war. In tiefer<br />

Trauer verlieh König Nulji Pak die posthumane Ehre des Tae-achan, „des großen<br />

70


Berges“, und übertrug auf dessen Ehefrau den Titel und Stand der Ersten Dame.<br />

Um seines Freundes Gunst zu vergelten, nahm Misahun Paks Tochter zu seiner<br />

Frau.<br />

Paks Frau indessen war unfähig, ihr Verlangen nach ihrem Mann zu<br />

unterdrücken. Selbst nach seinem Tode bestieg sie jeden Tag den Hügel am Chisul-<br />

Pass, um in Richtung Japan zu blicken und zu klagen – solange, bis sich eines<br />

Tages ihr Körper erhärtete und zu Stein wurde. Später wurde jener Hügel Mang Bu<br />

Seok genannt, „der Stein, der über ihren Ehemann wacht“.<br />

Ihre beiden Töchter starben schließlich durch Trauer über ihre Eltern und es<br />

wird gesagt, dass ihre sich entfernenden Seelen zu Vögeln wurden. Der Ort, an<br />

dem ihre Seelen aufstiegen, erhielt den Namen Bijo, „der Vogel, der fort flog“.<br />

Später, um der Loyalität und Hingabe Pak Jesangs zu gedenken, wurde die<br />

sogenannte Chisul-Gedenkhalle gebaut und auch der Chisul-Schrein, der die<br />

Standhaftigkeit seiner Frau ehren sollte.<br />

71


Hwarang Kwisan und Chuhang<br />

Während der Herrschaft von König Chinpyong (AD 579-632) von Shilla, lebte<br />

ein junger Mann namens Kwisan.<br />

Eines Tages sagte Kwisan zu seinem Freund Chuhang: „Um als tugendhafte<br />

Männer zu leben, müssen wir unseren Geist und unsere Körper pflegen. Ansonsten<br />

werden wir nicht in der Lage sein, der Ehrlosigkeit zu entgehen. Deswegen lasst<br />

uns gehen und eine weise und erleuchtete Person suchen, um von ihr die Wege der<br />

Tugendhaftigkeit zu erlernen.“<br />

Zu dieser Zeit hielt sich der Dharma-Meister Won-gwang in einem nahen<br />

Tempel auf, wo er die Dharma des Buddha lehrte. Viele Leute, der König<br />

eingeschlossen, verehrten ihn als großen Gelehrten.<br />

Kwisan und Chuhang suchten sofort den Dharma-Meister Won-gwang auf und<br />

fragten ihn ehrfürchtig: „Wir sind keine Mönche aber weltliche Studenten, völlig<br />

unbedarft und ohne das nötige Fachwissen. Bitte gib uns Anweisungen, mit denen<br />

wir den Rest unserer Lebens verbringen können.“<br />

Dharma-Meister Won-gwang antwortete ihnen: „Im Buddhismus gibt es zehn<br />

Regeln für die Bodhisattvas, aber falls ihr dem König als Vasallen dient, werdet ihr<br />

wahrscheinlich nicht fähig sein alle Regeln zu befolgen. Es gibt jedoch fünf Regeln,<br />

die ihr als Laien beherzigen sollt. Erstens, dient treu eurem König. Zweitens,<br />

behandelt eure Eltern mit äußerstem Respekt. Drittens, lasst jede eurer<br />

Freundschaften auf Vertrauen und Loyalität aufgebaut sein. Viertens, weicht nie in<br />

einem Kampf zurück. Fünftens, nehmt niemandem leichtsinnigerweise das Leben.“<br />

72


Dharma-Meister Won-gwang bat sie, diese fünf Regeln mit Sorgfalt auszuüben.<br />

Durch die letzte Regel wollte er folgendes lehren: Auch wenn Töten im Kampf<br />

unvermeidlich ist, sollte man versuchen, Erbarmen zu zeigen und das Töten wenn<br />

möglich ganz vermeiden. Kwisan und Chuhang hüteten diese Lehren behutsam in<br />

ihren Herzen und lebten mit den fünf Regeln, die sie vom Dharma-Meister erhalten<br />

hatten.<br />

Im August des 19ten Jahres in der Herrschaft König Chinpyongs (598), fiel die<br />

Armee von Paekje in Shilla ein und belagerte Fort Amak. König Chinpyong befahl<br />

seinen Generälen, die Truppen von Paekje zurückzutreiben. Auch Kwisan und<br />

Chuhang nahmen an der folgenden Schlacht teil.<br />

Die Shilla-Armee besiegte erfolgreich Paekje und verfolgte die<br />

zurückweichenden Truppen des Feindes. Die Paekje-Truppen zogen sich zurück,<br />

warteten aber auf eine Gelegenheit, ihre Verfolger zu überfallen. Ein paar der<br />

Paekje-Soldaten verbargen sich nahe einem kleinen See am Berg Chon.<br />

Nachdem die Shilla-Armee den Truppen von Paekje eine Weile gefolgt war<br />

und die feindlichen Soldaten nicht länger in Sichtweite waren, entschloss sich die<br />

ermüdete Armee umzukehren. In diesem Moment griffen die Soldaten von Paekje,<br />

die sich am Berg Chon versteckt hatten, die Nachhut der Shilla-Armee an, die<br />

Kwisans Vater Muon zugewiesen worden war. Von dem Hinterhalt erfahrend,<br />

besann sich Kwisan: „Da ich von Dharma-Meister Won-gwang gelernt habe, dass<br />

ein Krieger niemals vor einem Kampf zurückweichen darf, darf ich nicht<br />

davonrennen.“ Und so warf er sich in die Mitte der Paekje-Truppen und tötete<br />

einige Dutzend der feindlichen Soldaten. Er ermöglichte es seinem Vater zu<br />

entkommen, indem er ihm sein eigenes Pferd gab und kämpfte mit all seiner Kraft<br />

neben seinem Freund Chuhang.<br />

Als die Shilla-Soldaten Zeugen von Kwisans Heldenmut wurden, gewannen sie<br />

ihren Kampfgeist zurück und begannen Paekje anzugreifen. Es heißt, dass die<br />

73


Paekje-Truppen, die den Hinterhalt ausgeführt hatten, in dem folgenden Kampf<br />

vollkommen besiegt wurden. Das Schlachtfeld war mit den Leichen der<br />

gegnerischen Truppen übersät und nicht ein einziger ihrer Soldaten oder Pferde<br />

kehrte nach Hause zurück. Kwisan und Chuhang wurden im Kampfe schwer<br />

verwundet und starben auf der Heimreise. Der König und seine Beamten gingen<br />

den ganzen Weg zum Schlachtfeld in Ana, um das Schicksal der zwei jungen<br />

Krieger zu beklagen und ihnen Respekt zu zollen.<br />

Durch den ehrenhaften Tod von Kwisang und Chuhang wurden die fünf<br />

weltlichen Regeln, die sie befolgt hatten, weit bekannt und dienten von da an als<br />

Leitmotiv der Hwarang-do. Die Hwarang-do war eine Truppe von Jugendlichen<br />

des Shilla-Königreiches, die sich der Kultivierung ihres Körpers und Geistes<br />

hingaben. Jede einzelne Truppe der Hwarang-do wurde unter die Leitung eines<br />

Hwarangs und vieler Nangdos gestellt. Hwarangs waren üblicherweise die Söhne<br />

aristokratischer Familien, die vertrauenswürdig, gesellig und von gutem Aussehen<br />

waren. Sie wurden durch die Empfehlungen der Nangdos ausgewählt. Jeder<br />

Hwarang hatte um die 300 bis 1000 Nangdos unter seinem Kommando. Während<br />

der Shilla-Periode gab es insgesamt 200 Hwarangs.<br />

Hwaransg und Nangdos suchten berühmte Berge und Flüsse auf, wo sie ihre<br />

Kampfkünste trainierten und zusammen ihren Geist kultivieren konnten. Ihre<br />

Freundschaft und Loyalität zueinander erschufen einen Geist der Aufopferung für<br />

eine größere Sache, die wiederum zum Geist des Zeitalters wurde, in der sie lebten.<br />

Nach den Biographien verschiedener Hwarangs in der Geschichte der ‚Drei<br />

Königreiche’, waren Hwarangs, Nangdos und sogar einfache Soldaten bereit,<br />

furchtlos ihr Leben zu opfern, um ihr Land zu verteidigen, da sie fest daran<br />

glaubten, dass es eine Auszeichnung wäre, im Kampfe zu sterben.<br />

Der Geist der Hwarang hatte seinen Höhepunkt während dem sechsten und<br />

siebten Jahrhundert AD, da der Zwiespalt zwischen den drei historischen<br />

74


Königreichen Koguryo, Paekje und Shilla zu dieser Zeit am schlimmsten war. Der<br />

Beitrag dieser Gruppe junger Patrioten zur Verteidigung Shillas war unverzichtbar,<br />

da sich ihre Nation in einem Zustand andauernder Krisen befand und sich Shilla<br />

sowohl mit Koguryo als auch mit Paekje für über 100 Jahre im Krieg befand. In<br />

jedem Notfall wurden sie umgehend der Armee untergeordnet und in den Krieg<br />

geschickt. Nach einer einleitenden Trainingsphase dienten sie als Beamte in der<br />

Regierung oder der Armee. Hwarang-do war eine sehr ritterliche Organisation und<br />

ihre Mitglieder zögerten nicht, den Schwachen zu helfen. Bisweilen übernahmen<br />

sie die Pflicht, nachts in den Städten zu patrouillieren, um über die Sicherheit ihrer<br />

Gesellschaft zu wachen. Gemäß den Chroniken von Hwarang, geschrieben von<br />

Kim Daemun, waren all die mutigen Krieger und würdigen Beamten von Shilla<br />

einmal Hwarangs.<br />

Der Geist der Hwarang war die Grundlage, die die kleine Nation von Shilla<br />

dazu befähigte, stärkere Länder wie Paekje und Kogurjo zu besiegen und die<br />

Einigung Koreas zu erreichen, die das ultimative Ziel dieser Periode war.<br />

Die Hwarangs waren mit den fünf weltlichen Regeln gewappnet: Treue zu<br />

ihrem König, äußerste Ehrfurcht gegenüber den Eltern, Vertrauen und Loyalität zu<br />

Freunden, unerschrockene Tapferkeit in der Schlacht und Umsicht im Töten. Sie<br />

besaßen eine aufrichtige Liebe für ihr Land und dessen Bewohner. Für ihr Land<br />

und ihr Volk waren sie wahre Patrioten, die bereit waren, ihr Leben ohne Zögern<br />

zu opfern. Ihre reine und ehrliche Loyalität zu ihrem Land bewegte und formte den<br />

Geist der Menschen von Shilla, die sie verteidigten. Und so, durch die vereinten<br />

Kräfte ihrer loyalen Seelen, waren die Menschen von Shilla in der Lage, Korea zu<br />

einer Nation zu vereinigen.<br />

75


Das reine Herz von Sadaham<br />

Während der Herrschaft von König Chinhung (534-576) befand sich das<br />

Königreich Shilla ständig im Krieg mit dem Nachbarkönigreich Kaya. Kaya war<br />

Shilla ein Dorn im Auge, denn wann immer Shilla versuchte, in den Norden<br />

vorzudringen, würde sich Kaya jedes Mal dagegenstellen. Um Korea zu vereinen,<br />

würde Shilla erst Kaya unterwerfen müssen.<br />

König Chinhung befahl General Yi Sabu, die Kampagne anzuführen. Kaya war<br />

ein mächtiges altes Königreich, das die kleineren Königreiche in seiner<br />

Nachbarschaft eingenommen hatte und dessen Einfluss bis nach Paekje und Japan<br />

reichte. Zu jener Zeit verfügte es über die am weitest entwickelte Technologie zur<br />

Eisenherstellung in ganz Ostasien. Seine Militärmacht war daher nicht zu<br />

unterschätzen.<br />

Damals lebte in Shilla ein junger Mann namens Sadaham, der sein Leben ganz<br />

dem Dienste für sein Königreich verschrieben hatte. Er war ein Nachfahre König<br />

Namils und sein Vater war ein hochrangiger Beamter. Er wurde von vielen<br />

Menschen für seine noblen Ideen, seine vorbildliche Erscheinung und für seine<br />

Integrität gelobt. Viele schlugen vor, ihn zum Hwarang zu machen – eine Position,<br />

die er für lange Zeit ablehnte. Als er dann endlich Hwarang wurde, standen nahezu<br />

ein tausend Nangdos unter seiner Führung. Sie alle hatten großen Respekt vor ihm.<br />

Sobald General Yi Sabu aus Shilla gegen Kaya in den Krieg zog, meldete sich<br />

der junge Sadaham, der zu jener Zeit nur 15 oder 16 Jahre alt war, freiwillig zum<br />

Waffendienst. Er flehte den General an, ihn kämpfen und sein Leben für sein Land<br />

geben zu lassen. Sogar vom Krieg abgehärtete Veteranen waren angesichts des<br />

76


Kriegs gegen Kaya verunsichert.<br />

Viele von ihnen spürten, dass es für<br />

Sadaham zu früh war, in diesem<br />

Krieg mitzukämpfen – auch wenn<br />

er ein Hwarang war, zu dessen<br />

Ehrenkodex es gehört, nie vor<br />

einem Kampf zurückzuweichen.<br />

Umso mehr bestand Sadaham<br />

darauf, sich am Kampf zu beteiligen:<br />

„Warum sollte meine Jugend ein<br />

Hinderungsgrund für die<br />

Verteidigung des Landes<br />

sein?“ Selbst König Chinhung war<br />

so sehr überrascht von Sadahams<br />

Wunsch und seinem Patriotismus,<br />

dass er ihn schließlich in den Krieg ziehen ließ. Sadaham traf seine letzten<br />

Vorbereitungen und trat eine Stelle als ein Gehilfe des Heerführers an. Als<br />

Sadaham Teilnahme am Krieg verkündet wurde, erboten sich viele Hwarangs und<br />

Nangdos unter seinem Kommando zu dienen. Dieser Zugang neuer Rekruten<br />

verstärkte den Kampfgeist der Armee von Shilla außerordentlich.<br />

Als sie endlich Kayas Grenze erreichten, wichen die feindlichen Truppen in<br />

eine befestigte Stellung zurück, aus der sie nicht freiwillig herauskommen würden.<br />

Während General Yi Sabu mit seinen Offizieren noch über das weitere Vorgehen<br />

diskutierte, trat der junge Sadaham vor ihn und gab seinen eigenen Plan bekannt:<br />

„Herr, ich melde mich freiwillig, die Vorhut in einem Direktangriff<br />

anzuführen.“ General Yi Sabu setzte zur Antwort an: „Dein Ersuchen ist<br />

bewundernswert, aber du magst zu…“ Doch ehe er den jungen Sadaham wegen<br />

77


seiner Unerfahrenheit zurückweisen konnte, begann dieser, den General anzuflehen:<br />

„General, ich ersuche Euch, mir diesen Wunsch zu gewähren. Es ist eine<br />

ehrenhafte Tat, sein eigenes Leben für sein Land zu opfern – was habe ich also zu<br />

fürchten? Zwar mag es mir an Erfahrung mangeln, doch wenn ich mit all meiner<br />

Kraft kämpfe, werde ich sicherlich siegen.“<br />

General Yi Sabu war bewegt von Sadahams unerschütterlichem Willen und so<br />

führte Sadaham schließlich tatsächlich die Vorhut bei ihrem Angriff auf die<br />

feindlichen Stellungen. Während Kayas Soldaten angesichts dieses unerwarteten<br />

Angriffs in Panik gerieten, erlangte Sadaham in kurzer Zeit Kontrolle über das Fort.<br />

Es war ein großer Sieg für Shilla. Als Sadaham im Triumph zurückkehrte, pries der<br />

König seinen Erfolg und belohnte ihn mit 300 Kayanischen Gefangenen. Doch<br />

anstatt sie als seine Sklaven zu halten, ließ Sadaham sie alle frei. Der König<br />

versuchte nun, Sadaham seine Erkenntlichkeit zu zeigen, indem er ihm Land anbot.<br />

Doch Sadaham war bemüht, selbst dies anzulehnen. Doch da der König Sadaham<br />

inständig drängte, das Land anzunehmen, konnte er es nicht zurückweisen und<br />

fragte den König schließlich: „Falls eure Hoheit wünscht, mich mit etwas Land zu<br />

belohnen, gebt mir bitte das unfruchtbarste Land in der Gegend von Ilchon.“ Im<br />

Bewusstsein, dass Sadaham wirklich kein Interesse an persönlichem Reichtum<br />

hatte, leistete der König seinem Wunsch schließlich Folge.<br />

Sadaham hatte einen sehr engen Freund namens Mugwanrang. In ihrer Jugend<br />

hatten sie geschworen, im Kampf gemeinsam zu sterben. Doch der körperlich<br />

schwache Mugwanrang wurde bald darauf krank und starb. Sadaham wurde von<br />

Trauer befallen. Er verweigerte das Essen und klagte Tag und Nacht. Binnen<br />

sieben Tagen nach dem Verlust seines Freundes verstarb er ebenfalls. Er wurde nur<br />

17 Jahre alt. Selbst nach damaligen Maßstäben und sogar für einen Hwarang, der<br />

seinem Freund Loyalität geschworen hatte, war Sadahams Entscheidung, freiwillig<br />

78


zu sterben, wahrscheinlich keine einfache. Doch Sadahams Herz war so rein wie<br />

der unberührte Schnee.<br />

Es mögen eben diese Werte wie ultimative Loyalität und ewige Freundschaft<br />

gewesen sein, die Shilla in die Lage versetzten, das ganze ehemalige Königreich<br />

von Korea zu vereinen und Korea für eintausend Jahre zu regieren, eine<br />

beispiellose Zeitdauer für eine östliche Dynastie.<br />

79


Dort, wo ich beerdigt bin, soll kein Gras wachsen<br />

General Choi Yong (1316- 1388), der in der Koryo-Dynastie als Militärführer<br />

diente, war ein Mann von großer Loyalität und Willensstärke und auch<br />

unbestechlich. Wenn er einem Feind im Kampf gegenüber stand, blieb er gelassen<br />

und zeigte selbst unter einem Pfeilhagel kein Anzeichen von Angst. Infolgedessen<br />

errang er viele Siege und erlitt nie eine Niederlage.<br />

Als er sechzehn war, verstarb sein Vater Choi Wonjik. Kurz bevor er starb,<br />

wies er seinen Sohn an, Gold zu behandeln, als wäre es Stein.<br />

Choi Yong hielt die Anweisung seines Vaters am Sterbebett tief in Ehren und<br />

kümmerte sich fortan nie um materielle Dinge. Sein Haus war schäbig und nur<br />

notdürftig instandgesetzt, aber er war damit zufrieden. Er ging so sparsam mit<br />

Essen und Kleidung um, dass er manchmal nichts zu Essen übrig hatte obwohl er<br />

Premierminister, höchster General und für eine lange Zeit Oberkommandeur des<br />

Militärs war, war er nie bestechlich. Er führte zwar die Aufsicht über die<br />

bewaffneten Truppen bis zu seinem Tod, jedoch kannten nur wenige Angehörige<br />

der Armee sein Erscheinungsbild. Nie bevorzugte oder beförderte er Menschen<br />

aufgrund einer persönlichen Beziehung zu ihm.<br />

Zu dieser Zeit hatten Yi In-im und Yim Kyon-mi die Leitung über die<br />

Regierungseinrichtungen und nutzten ihre Stellung zu persönlichen<br />

Bereicherungen. Sie nahmen Bestechungsgelder von vielen Leuten entgegen und<br />

empfahlen diese im Gegenzug für eine Beförderung. Das Ergebnis war, dass jeder<br />

mit Geld eine Arbeit als Regierungsbeamter finden konnte.<br />

80


Eines Tages kam ein junger Gelehrter, der sich um eine Stelle für ein<br />

Regierungsamt bewerben wollte, zu Choi Yong. Dieser sagte zu ihm: „Wenn du<br />

Kaufmann oder Fabrikant von Hacken oder Schuhen wärst, könntest du leicht eine<br />

Stellung bekommen.“ Der junge Mann war verwirrt und fragte: „Was meint ihr<br />

damit?“ Choi Yong erwiderte: „Diese Tage höre ich, dass offizielle Posten für Geld<br />

verschachert werden. Da Gelehrte wie du nicht viel Geld haben, ist es sicherlich für<br />

Handwerker oder Kaufleute einfacher, ein Regierungsamt zu erlangen.“<br />

Choi Yong begann, die Ernennung von Regierungspersonal zu überwachen,<br />

stellte nur Leute mit genügend Fähigkeiten oder Erfahrungen für Positionen ein<br />

und zögerte nicht, jene zu übergehen, denen die notwendigen Qualifikationen<br />

fehlten.<br />

Als Yi In-im Premierminister war, fragte ihn Choi Yong: „Wenn sich unsere<br />

Nation in solchen Schwierigkeiten befindet, wie könnt ihr euch als Premierminister<br />

dieses Landes nur um das persönliche Wohlergehen kümmern?“ Yi war nicht in<br />

der Lage, eine Antwort auf Choi Yongs Frage zu geben.<br />

Im Jahr 1388 befahl König Wu General Yi Song-gye, mit seiner Armee das<br />

Gebiet von Liaodong zurückzuerobern, das China vor vielen Jahrhunderten von<br />

Koguryo eingenommen hatte und als chinesisches Land betrachtete. General Yi<br />

Song-gye brach mit 50.000 Mann auf, um diese Mission durchzuführen. Er kehrte<br />

aber bei der Wihwa-Insel um. Nachdem er den König entthront hatte, erhob er sich<br />

selbst zum Herrscher und sandte König Wu ins Exil<br />

Um Choi Yong zu beseitigen, der sehr von seinen Leuten respektiert wurde,<br />

erhoben Yi Song-gyes Anhänger falsche Anklagen gegen ihn. Sie behaupteten,<br />

dass er mit unfairen Mitteln an einem geheimen Ort große Reichtümer angehäuft<br />

hätte.<br />

Bei seiner Hinrichtung hinterließ Wu folgende Worte: „Sollte ich jemals in<br />

meinem Leben habgierig gewesen sein, soll dort, wo ich beerdigt werde, Gras<br />

81


wachsen. Sollte ich jedoch niemals aus Gier gehandelt haben, möge dort niemals<br />

Gras wachsen.“<br />

Nach mehr als 500 Jahren wächst, entsprechend seiner Worten, immer noch<br />

kein Gras auf seinem Grabhügel.<br />

82


Jung Mong-ju und die 72 weisen Männer<br />

von Dumundong<br />

Jung Mong-ju (1337-1392) war ein Staatsminister und Gelehrter während der<br />

Koryo 6 -Dynastie. 1357, im Alter von 21 Jahren, bestand er die Staatsprüfung und<br />

drei Jahre später errang er den ersten Platz in der Literaturprüfung. Im Jahre 1367<br />

wurde er als Beamter des Ministeriums für Kultur und Ausbildung, zu einer Co-<br />

Professur an der Sungkyunkwan National Universität berufen und bekleidete später<br />

den höchsten Posten im Ministerium.<br />

Die letzten Jahre der Koryo-Dynastie waren eine turbulente Zeit mit zahllosen<br />

Überfällen japanischer Piraten und mit wiederholten Aufständen im Militär.<br />

In dieser Zeit betrat eine neue Partei namens Sinjin Sadaebu die politische<br />

Arena. Ihr gehörten unter König Kong-min (1351-1374) auch die am besten<br />

geschulten Regierungsbeamten an. Ihr wichtigstes Ziel war die Wiedereinführung<br />

des Staatsexamens und die Gründung der Songkyunkwan National Universität. Die<br />

Sinjin Sadaebu nahm gegenüber ihrer internen Rivalin Yuan (Jung Mong-ju mit 72<br />

Weisen) und den aristokratischen Kwonmun-Parteien stetig an Einfluss zu und<br />

dominierte letztendlich die politische Landschaft des späten Koryo. Als die Macht<br />

der Regierung schwand und sich verschiedene ideologische Strömungen bildeten,<br />

spaltete sich die Sinjin Sadaebu in zwei Fraktionen: Die eine verschrieb sich der<br />

Erhaltung der alten Ordnung, während die andere versuchte, sie zu ersetzen. Die<br />

6 In der koreanischen Geschichte wurde die alte Choson Periode (BC 2333-BC 108) von<br />

der Periode der Drei Königreiche Kogruyo, Paekje und Shilla (~AD 676) abgelöst. Dieser<br />

folgte die Vereinigte Shilla Periode (~AD 935), die Koryo Periode (~AD 1392) und<br />

schließlich die Choson Periode (~AD 1910).<br />

83


erste Fraktion wurde von Jung Mong-ju geführt und strebte die Wiederbelebung<br />

der schwächelnden Koryo Dynastie an. Zentrale Figur des gegnerischen Lagers<br />

war General Yi Song-gye, dessen Macht und Ruhm Tag für Tag wuchsen. Er<br />

wollte eine neue Choson-Dynastie gründen.<br />

Jung Mong-ju war Lehrer und erster Berater von König Kong-yang und<br />

arbeitete in der Verwaltung des Staates, während Yi Song-gye quer durch das Land<br />

von Schlachtfeld zu Schlachtfeld marschierte und brillante Siege errang. Soweit es<br />

das Volk betraf, lag die wahre Autorität in den Händen von Yi und seinen<br />

Anhängern, da sie die Armee kontrollierten. Jung Mong-ju und Yi Song-gye waren<br />

alte Bekannte, die bei demselben Meister studiert und als Kampfgenossen einander<br />

gegenseitig ihr Leben verpfändet hatten. Als Yi seinen Feldzug gegen die<br />

japanischen Piraten führte, verdankte er etliche seiner Siege dem Rat und der<br />

Unterstützung von Jung.<br />

General Yi stammte aus einer Familie von Kriegern, aber er begeisterte sich<br />

auch für Literatur und akademische Studien. Deswegen empfand er eine spezielle<br />

Bewunderung für Jung Mong-ju, der sich sowohl mit kriegstechnischen als auch<br />

literarischen Arbeiten hervortat. Darüber hinaus hatten sie sich als Kampfgefährten<br />

geschworen, stets dasselbe Schicksal zu teilen, und zwischen ihnen hatte sich ein<br />

starkes Band gegenseitigen Vertrauens und gegenseitiger Freundschaft entwickelt.<br />

In Ihrer Meinung über Sozialreformen jedoch waren Yi Song-gye und Jung<br />

Mong-ju weit voneinander entfernt. Die Gesellschaft, die Jung neu zu erschaffen<br />

hoffte, war fest in den Traditionen des alten Koryo verankert, während Yi sogar<br />

den Namen Koryo abschaffen wollte. So kam es, dass ihre persönliche<br />

Freundschaft auf eine schwere Probe gestellt wurde, als sich der Konflikt zwischen<br />

den Anhängern beider Positionen verstärkte. Yi Song-gye versuchte Jung Mong-ju<br />

davon zu überzeugen, sich ihm anzuschließen, obwohl dies die Verzögerung seiner<br />

Pläne bedeutet hätte. Da Jung Mong-ju als der führende Gelehrte der Nation<br />

84


angesehen wurde und über absolutes Vertrauen des Volkes verfügte, wäre es<br />

schwierig gewesen, der Revolution ohne seine Unterstützung eine Legitimation zu<br />

geben.<br />

Yi Pang-won, der fünfte Sohn von Yi Song-gye, lud Jung Mong-ju in sein Haus<br />

ein, als er einsah, dass der Gelehrte ein Hindernis für die Gründung der neuen<br />

Choson Dynastie darstellte. Er servierte ihm Wein und rezitierte folgendes Sijo,<br />

eine dreistrophige Ode, um seine wahren Vorhaben zu prüfen:<br />

Diesen oder jenen Weg zu gehen, was ist schon der Unterschied?<br />

Ist es ein Fehler der Pfeilwurzel, sich am alten Berg zu winden und zu ranken?<br />

Wir mögen ebenfalls unseren Lauf ändern und in Zufriedenheit weiterleben,<br />

sogar für einhundert Jahre.<br />

Jung erwiderte seinerseits ein anderes Sijo, um seine Loyalität zu Koryo zu<br />

bekräftigen:<br />

Auch wenn ich wieder und wieder sterbe, einhundert oder eintausend Male,<br />

Wenn meine Knochen zu Staub und Lehm werden,<br />

ob ich eine Seele habe oder nicht,<br />

Meine einzige, unerschütterliche Ergebenheit des Nim 7 , wird sich weder<br />

ändern, noch beiseite gelegt werden.<br />

Dieses Sijo wurde später mit dem Titel „Die Einfachheit des<br />

Herzens“ überschrieben. Darin beteuerte Jung, dass seine Loyalität und<br />

7 Das Wort nim meint wortwörtlich einen Geliebten, Geschätzten. Hier symbolisiert es den<br />

König und die Koryo Dynastie, die Jung Mong-ju verehrte.<br />

85


Ergebenheit als Untertan von Koryo niemals wanken würde – selbst wenn er dafür<br />

einhundert Mal sterben müßte.<br />

Nachdem er Jungs Sijo gelauscht hatte, erkannte Pang-won schweren Herzens,<br />

dass Jung niemals seine Meinung ändern würde und dass nun keine andere<br />

Möglichkeit mehr blieb, als Jung zu beseitigen. Obwohl Yi Song-gye seinen Sohn<br />

gewarnt hatte, niemals mit extremen Maßnahmen gegen Jung vorzugehen –<br />

immerhin war er sein bester Freund –, unterrichtete der Sohn seinen Kollegen Yi<br />

Jiran von seinem Plan, Jung loszuwerden. Jiran war sehr bekümmert und sagte:<br />

„Der himmlische Auftrag ist bereits mit Euch, General. Unser Gefechtsplan wird<br />

nicht wegen einer einzelnen Person fehlschlagen; warum nur wollt ihr diesen<br />

großen Weisen unserer Nation erschlagen? Obgleich ich ein ignoranter Geselle bin,<br />

Weisheit schmerzlich vermissend, könnte ich mich doch nie überwinden, solch<br />

eine Tat auszuführen.“<br />

Pan-won wusste, dass Jiran die Wahrheit sprach. Aber er war überzeugt, dass<br />

sich der Aufstand nur beenden ließe, wenn Jung beseitigt würde und dass die<br />

Gelegenheit dazu nicht verpasst werden dürfe. Daher ließ er seinen privaten<br />

Vertrauten Jo Yong-gyu kommen und ordnete an: „Geh mit aller Eile zur<br />

Waffenkammer und marschiere mit einer eisernen Keule zur Seonji Brücke.<br />

Verberge dich dort und wenn Jung Mong-ju vorüber geht, schlage ihn tot, ohne ihn<br />

vorher zu Wort kommen zu lassen. Dann begebe Dich hierhin zurück und bestätige,<br />

dass du die Tat vollbracht hast.“ Ohne zu Zögern eilte Jo Yung-gyu zur Seonji<br />

Brücke, ganz so wie Pang-won es befohlen hatte.<br />

Als Jung etwa zur gleichen Zeit Yi Song-gyes Haus verließ, spürte er, dass sein<br />

Leben sich dem Ende neigte. Die jüngsten Worte und Taten Yi Song-gyes und<br />

Pang-wons ließen keinen Zweifel daran, dass er bald zum Schweigen gebracht<br />

werden sollte. Jung war sehr betrübt, nicht so sehr über den bevorstehenden Verlust<br />

seines Lebens als vielmehr über die Zukunft seines Landes. Dennoch wusste er,<br />

86


dass er wenig dagegen tun konnte. Stille Tränen flossen über das von der Zeit<br />

zerfurchte Gesicht des letzten loyalen Untertanen von Koryo. Während er in seine<br />

traurigen Gedanken vertieft war, näherte Jung sich der Seonji Brücke. Auf einmal<br />

wurde er einer stattlichen Person mit einer eisernen Keule gewahr und er ahnte,<br />

was kommen würde. Ruhig befahl Jung seinem Pferd anzuhalten und zu seinem<br />

Leibdiener, der ihm folgte, sprach er leise: „Es liegt heute Gefahr in der Luft.<br />

Obgleich mein Weg bereits entschieden ist, so besteht für dich keine<br />

Notwendigkeit ebenfalls zu leiden. Verlasse diesen Ort, so schnell du<br />

kannst.“ Jungs Diener, Kim Kyong-jo, war der Sohn von Kim Ku-ju, der als<br />

Premierminister unter König Kong-min gedient hatte. Kim Kyong-jo war ein<br />

aufrechter Mann der tiefen Respekt für Jung besaß. Plötzlich begannen Tränen wie<br />

Regentropfen über sein Gesicht zu fließen – aus Sorge um die Sicherheit seines<br />

Herrn: „Wie könnte ich mir wünschen in Frieden zu leben, wenn ihr leiden werdet?<br />

Was immer geschehen mag, ich will euch bis zum Ende dienen.“ Mit diesen<br />

Worten folgte Kim ihm, obwohl ihm Jung heftig davon abriet. Doch Jung hatte<br />

keine andere Wahl. Also sandte er die anderen Diener fort und erlaubte Kim<br />

schweren Herzens, ihm zu folgen. Er trieb sein Pferd an und als er die Brücke<br />

erreichte, rannte die Person, die er zuvor gesehen hatte, auf ihn zu und versuchte,<br />

ihm mit der Keule von hinten auf den Kopf zu schlagen. In diesem Moment<br />

umarmte Kim seinen Herrn Jung und die metallene Keule traf den Diener mit<br />

voller Wucht. Kim fiel nieder, er hustete Blut und starb sofort. Kurz darauf fiel<br />

auch Jung von seinem Pferd und siechte dahin.<br />

Wenig später begann ein Bambusbaum an eben jener Stelle auf der Brücke zu<br />

wachsen, an der Jung gefallen war. Und so bekam diese Brücke den neuen Namen<br />

87


Seonjuk (Bambus der Tugend) 8 verliehen. Er ersetzte ihren ursprünglichen Namen<br />

Seonji (Land der Tugend). Bis zum heutigen Tag sind noch immer Spuren des<br />

vergossenen Blutes von Jung zu sehen. Sie erinnern an den loyalen und<br />

patriotischen Geist, der einst in diesem heldenhaften Mann wohnte.<br />

Als Yi Song-gye vom Tod seines Freundes hörte, tadelte er Pang-won bitterlich:<br />

„Du Narr! Jetzt, da du den Vater der Nation getötet hast, was wird das Volk zu mir<br />

sagen?“ Doch als schließlich die neue Dynastie von Choson ins Leben gerufen<br />

ward, wurde Yi Pang-won ihr dritter König (Taejong). Aus Treue und Ehrfurcht<br />

vor Jung Mong-ju übertrug er ihm posthum den Titel des Premierministers, des<br />

Ministers des Wissens und des Ministers der Loyalität.<br />

Die folgenden 125 Jahre bewahrte der Königliche Hof auf Gesuch der<br />

Nationaluniversität von Choson die sterblichen Überreste Jung Mong-jus in der<br />

Halle des Konfuzius auf. Später wurde in diesem Gebäude, das weisen Männern<br />

gewidmet war, ein Denkmal für Jung errichtet. Gemäß seinem Wunsch, nicht zwei<br />

Monarchen dienen zu müssen, erwähnt die Inschrift des Denkmals nur jene Ämter,<br />

die Jung unter Koryo bekleidete. Die ihm posthum von der Choson Dynastie<br />

verliehenen Titel finden keine Erwähnung. Sowohl Yi Pang-won, der Jung Mongju<br />

ermorden hatte lassen, als auch die neue Regierung der Choson Dynastie, gegen<br />

die Jung um den Preis seines Lebens Widerstand geleistet hatte, huldigten ihm<br />

später als loyalem Untertan. Zukünftige Generationen verehrten ihn für seine<br />

unerschütterliche Überzeugung und seinen Glauben als ein Vorbild für ewige<br />

Treue und Loyalität.<br />

Als Koryo fiel und die neue Choson Dynastie ihren Platz einnahm, traten alle<br />

Gelehrten von Sinjin Sadaebu, die sich an Jung Mong-jus Seite für die<br />

8 Bambus, mit seinem geraden Stängel und immergrünen Blättern, steht für beständige<br />

Loyalität.<br />

88


Wiederbelebung von Koryo eingesetzt hatten, von ihren Ämtern zurück und<br />

suchten Zuflucht in der Schlucht von Dumundong. Sie erklärten, dass es gegen ihre<br />

Pflicht als Gelehrte verstieße, zwei Herrschern zu dienen. Von nun an wurde<br />

Dumundong in der Vorstellung des Volkes zu einem Symbol für die Ablehnung<br />

der neuen Choson Regierung. Es hieß: „Jeder wahre Patriot ist in Dumundong und<br />

diejenigen, die verantwortlich sind für die derzeitigen Unruhen, sind alle Verräter<br />

von Koryo.“<br />

Für Yi Song-gye und seine Partei wurde es immer schwieriger, die Gründung<br />

Chosons zu rechtfertigen, weil die Bevölkerung in ihren Herzen in Opposition zur<br />

Regierung stand. Beamte des Choson Hofes besuchten Dumundong immer wieder<br />

und versuchten mit allerlei Drohungen, eine Art Einverständnis mit den dort<br />

verharrenden Gelehrten zu bewirken – vergeblich. Schließlich kam der königliche<br />

Hof von Choson zu der Erkenntnis, dass die Gelehrten in Dumondong niemals zu<br />

überzeugen wären und stellten ihnen ein Ultimatum: „Falls ihr weiterhin<br />

Widerstand leistet, wird das ganze Dorf niedergebrannt. Ihr habt die Wahl hier zu<br />

bleiben und zu sterben, oder Untertanen Chosons zu werden. Ihr habt nur einen<br />

Tag Zeit.“<br />

Die letzten 72 loyalen Mitglieder der über fünfhundert Jahre währenden Koryo-<br />

Dynastie ließen das Ultimatum verstreichen. Sie starben entweder in Dumundong<br />

oder wurden in alle Teile des Landes vertrieben. Für ihre Entscheidung, eher als<br />

Untertanen Koryos zu sterben, als sich Choson zu unterwerfen, wurden diese<br />

Mitglieder der Sinjin Sadaebu später als die 72 Weisen Männer von Dumundong<br />

bekannt. Sie unterschieden sich vom Kwonmun Hochadel, der ebenfalls mit der<br />

Koryo-Dynastie unterging. Da die Mitgliedschaft im Kwonmun von familiären<br />

Banden und durch Vererbung bestimmt wurde, konnten die Kwonmuns nichts tun,<br />

um sich selbst zu helfen. Sie waren ihrem Schicksal ausgeliefert und als die<br />

Grundlage ihrer Macht fiel, bewiesen sie keinerlei Führungseigenschaften.<br />

89


Dagegen hatten die 72 Weisen Männer von Dumundong ihre Werte und ihre<br />

Verdienste durch emsiges Studium und die Ablegung eines Staatsexamens<br />

erworben. Mit ihrem großen Verständnis für die konfuzianische Ethik und<br />

aufgrund ihrer Weisheit bildeten sie die intellektuelle Elite ihrer Tage. Umso mehr<br />

hatte der königliche Hof von Choson großes Interesse an ihren Diensten. Trotz der<br />

Verlockung von Reichtum und Anerkennung in Choson wählten sie aus Loyalität<br />

zu Koryo den Tod als ultimatives Opfer. Daher gelten sie als wahre Patrioten, von<br />

denen jeder sein eigenes Schicksal selbstbestimmt wählte. Da sie Anhänger und<br />

Verteidiger einer zerstörten Dynastie waren, sind alle korrekten Aufzeichnungen<br />

ihrer Arbeiten verschollen. Nur sehr kurze Berichte über ihr Leben sind noch in<br />

einigen Fabeln und Anekdoten überliefert. Ihr Geist jedoch, gegründet auf Respekt<br />

für die traditionellen konfuzianischen Gebote sowie Pflicht und Prinzipien, Treue<br />

und Rechtschaffenheit, lebte über Generationen hinweg fort. Dieser Geist wurde zu<br />

einer spirituellen Grundlage und Quelle – sogar für die Gelehrten von Choson.<br />

90


Premier Minister Hwang Hee<br />

Hwang Hee (1363 ~ 1452) war Premierminister in der Regierungszeit von<br />

König Sejong dem Großen und wird als größter und kultiviertester<br />

Regierungsminister der Choson-Periode angesehen. Er widmete 61 Jahre seines<br />

Lebens dem Dienst für sein Vaterland, von denen er 24 Jahre lang Premierminister<br />

war.<br />

Er war gütig und großzügig und auch fürsorglich und beherrscht. Er war<br />

bekannt für seine Ehrlichkeit und für seine Hingabe zu seinem Land und seinen<br />

Eltern. Als er älter wurde und höhere Positionen bekleidete, wurde seine<br />

Lebensweise noch bescheidener. Auch als er neunzig Jahre alt war, widmete er sich<br />

dem Studium. Als seine Sehstärke in seinem hohen Alter nachließ, fuhr er fort<br />

Bücher zu lesen indem er abwechselnd eines seiner Augen benutzte.<br />

Als er ein junger Mann war, hatte er den niedrigsten Regierungsposten in der<br />

Umgebung von Juksung. Eines Tages, als er auf einer Reise nach Seoul Rast<br />

machte, sah er einen Bauern mit zwei Kühen den Acker pflügen.<br />

Er ging zum Bauer und fragte ihn: „Welche dieser beiden Kühe ist<br />

besser?“ Der Bauer jedoch antwortete nicht, sondern starrte ihn einfach für eine<br />

Weile an. Dann fuhr er fort, den Acker zu pflügen.<br />

Hwang Hee fühlte sich beschämt, da der Bauer ihn ignoriert hatte, und ging<br />

zurück zu seinem Rastplatz unter einem Baum. Als er sich zum Aufbruch bereit<br />

machte, kam der Bauer zu ihm und flüsterte in sein Ohr: „Die Kuh auf der linken<br />

Seite ist besser.“<br />

91


Neugierig fragte Hwang Hee: „Wieso erzählen Sie mir das als wäre es ein<br />

Geheimnis?“ Der Bauer antwortet entschuldigend: „Auch wenn sie Tiere sind, sind<br />

sie doch wie die Menschen. Wenn eine Kuh besser ist, ist die andere schlechter.<br />

Wenn die eine Kuh das hören würde, würde es ihre Gefühle verletzen.“<br />

Die Worte des Bauern leuchteten Hwang Hee ein. Von diesem Tag an sprach er<br />

nie wieder über die guten oder schlechten Qualitäten von anderen Menschen ohne<br />

vorsichtige Überlegung.<br />

Als er die zweithöchste Position in der Regierung erhielt, brachte er einen<br />

jungen Diener aus der Hwanghae-Provinz mit, um seine Kinder während ihrer<br />

Ausbildung zu versorgen.<br />

Dieser Diener war letztendlich fähig, die konfuzianischen Klassiker auswendig<br />

zu rezitieren. Denn er hörte sie immer bei seiner Arbeit außerhalb des Zimmers, in<br />

dem Hwangs Kinder die Klassiker laut lasen. Hwang Hee war so beeindruckt von<br />

dem Talent des Dieners, dass er ihn einen freien Mann werden lassen wollte.<br />

Um ihn zu befreien – was gegen das Gesetz und den Brauch dieser Zeit war –<br />

musste er ihn weit weg schicken. Als er ihn wegschickte, sagte er zu ihm: „Spreche<br />

mit niemandem darüber. Ziehe weit weg, finde einen guten Lehrer und studiere bei<br />

ihm. Mit ausdauernder Leistung wirst du fähig sein, Erfolg zu haben.“ Er sagte ihm<br />

Lebewohl und dass er nie wieder zurückkehren solle.<br />

Zehn Jahre später, als Hwang Hee Premierminister war, bestanden fünf oder<br />

sechs Leute die Aufnahmeprüfung, um in die Regierung eintreten zu können, und<br />

alle wollten ihn sehen. Einer der jungen Leute stieg von seinem Pferd vor dem<br />

Haus ab und als er durch das Tor schritt, kniete er vor Hwang Hee nieder.<br />

Hwang Hee war überrascht und fragte ihn: „Wieso schenkst du mir so viel<br />

Respekt?“ Der junge Beamte nannte seinen Namen, den er während seiner Jugend<br />

benutzte, und Hwang Hee erkannte in ihm seinen Diener, den er zehn Jahre zuvor<br />

in die Freiheit entlassen hatte.<br />

92


Hwang Hee ließ ihn nicht mehr weitersprechen und bewirtete ihn stattdessen<br />

gut. Später rief er nach dem jungen Mann und sagte ruhig: „Ich habe Angst, dass<br />

die anderen die Geschichte herausfinden könnten und somit deine Karriere darunter<br />

leiden könnte. Also bitte gib Acht.“ Der junge Mann war tief bewegt über Hwang<br />

Hees Güte. Er stieg später in eine hohe Position in der Regierung auf und erntete<br />

viel Ehre und Respekt.<br />

Auch als Hwang Hee Premierminister war, lebte er in einer alten mit Stroh<br />

gedeckten Hütte ohne richtigen Zaun. Als König Sejong dies hörte, sendete er eine<br />

Nachricht zum Industrieminister und bat ihn, heimlich einen Zaun um das Haus<br />

von Hwang Hee zu bauen. Dieser rief einige gut ausgebildete Arbeiter zusammen<br />

und ging tief in der Nacht zu Hwang Hees Haus. In aller Eile versuchten sie, ihre<br />

Aufgabe zu beenden, bevor der Tag anbrach. Aber als sie inmitten der Arbeit<br />

waren, fiel ein Teil des Zauns um und Hwang Hee wurde durch den Lärm wach. Er<br />

kam aus seiner Hütte heraus und fragte: „Was macht ihr da an meinem Haus zu<br />

dieser späten Stunde?“ Als der Industrieminister mit Hwang Hee konfrontiert<br />

wurde, musste er ihm vom Befehl des Königs erzählen.<br />

Am nächsten Tag ging Hwang Hee zum König und sagte:<br />

„Auch wenn der Premierminister Euer Diener ist – es gibt viele arme Leute, die<br />

ohne Zaun leben. Bitte nehmt Euren Befehl zurück, einen Zaun um mein Haus zu<br />

errichten.“<br />

König Sejong und seine Offiziellen waren alle bewegt von Hwang Hees<br />

Integrität und einige hatten sogar Tränen in den Augen, als sie seine Bitte hörten.<br />

Eines Tages, als König Sejong außerhalb seines Palastes Besuche machte und<br />

hörte, dass Hwang Hee in dieser Gegend lebte, änderte er seine Pläne und hielt an<br />

seinem Haus an, um ihn ohne Voranmeldung zu besuchen.<br />

Der König wurde zuvor durch alle Häuser in der Nachbarschaft geführt und als<br />

er zuletzt vor dieser ungewöhnlich kleinen und heruntergekommenen Behausung<br />

93


stand, war er überrascht. Er dachte still bei sich: Wie kann das Haus des<br />

Premierministers, der den höchsten Posten nach dem König bekleidet, in so einem<br />

Zustand sein?<br />

Als er in das Haus eintrat, war er noch überraschter, da der Raum nur eine<br />

abgenutzte Matte und eine geflickte Decke enthielt, die auf einer alten Truhe ruhte.<br />

Sejong war beunruhigt, dass Hwang Hee vielleicht beschämt sein könnte und<br />

verbarg schnell sein Ausdruck der Überraschung und lachte: „Ich nehme an, wenn<br />

du auf der Matte liegst, muss diese dazu geeignet sein, deinen Rücken zu kratzen.“<br />

Sobald er zu seinem Palast zurückkehrte, rief König Sejong Hwang Hee zu sich<br />

und fragte ihn: „Wie kann ein Land seine Würde bewahren, wenn das Haus des<br />

Premierministers in so einem bemitleidenswerten Zustand ist?“ Er fragte ihn: „Ist<br />

es, weil dein Gehalt zu wenig ist?“<br />

Hwang Hee antwortete: „Nein, Eure Majestät, es ist völlig ausreichend. Aber<br />

wie kann ein Beamter in einem extravaganten Haus leben? Meine Kleider sind<br />

genug der Etikette, die mich einschränkt. Und ein Haus ist gut genug, solange es<br />

Wind und Regen abhält.“<br />

Sejong sagte: „Trotzdem, deine Situation scheint extrem. Beschaffe dir alle<br />

Dinge, die du benötigst und ich werde dafür bezahlen.“<br />

Hwang Hee bestand darauf, nichts von den Geschenken des Königs<br />

anzunehmen und sagte: „Eure Majestät, entschuldigt mich, wenn ich es wage, Eure<br />

Großzügigkeit abzulehnen. Aber es gibt so viele Sachen in diesem Land, die Eure<br />

Aufmerksamkeit brauchen. Also bitte lenkt Euren Geist nicht mit solchen<br />

Kleinigkeiten ab.“<br />

In einer anderen Situation im Winter sagte Hwang Hee zu seiner Frau: „Liebe<br />

Frau, bitte nimm diese Kleider und wasche sie für mich. Wenn wir sie heute Nacht<br />

trocknen und zusammennähen, kann ich sie morgen, wenn ich zum Palast gehe,<br />

wieder tragen.“ Nachdem die Kleider, deren Baumwolleinlage zuvor entfernt<br />

94


worden war, gewaschen waren, wurden die einzelnen Stücke voneinander getrennt<br />

zum Trocknen aufgehängt. Premierminister Hwang Hee hatte nur eine Garnitur<br />

Winterbekleidung. Als er an diesem Abend in Unterwäsche am Lesen war, kam ein<br />

Bote und kündigte an: „Eure Exzellenz der König hat Ihnen befohlen, so schnell als<br />

möglich zurück zum Palast zu kommen.“<br />

Seine Frau war in Panik und sagte: „Mein Mann, wir sind in Schwierigkeiten!<br />

Der König hat dir befohlen, zum Palast zurückzukehren, aber du hast nichts zum<br />

Anziehen.“<br />

Hwang Hee dachte schnell nach und sagte dann: „Nun gut, da kann man nichts<br />

machen. Wieso gibst du mir nicht die Baumwollfütterung?“ Sie antwortete:<br />

„Welche Baumwolle?“ Hwang sagte: „Du musst immer noch die<br />

Baumwollfütterung haben, die du weggenommen hast, bevor du die Kleider<br />

gewaschen hast.“ Seine Frau sagte: „Bist du verrückt! Wie kannst du nur in<br />

Baumwolle vor den König treten?“ Er antwortete: „Nun ja, was soll ich denn sonst<br />

machen? Ich kann es nicht ablehnen zum Palast zu gehen, da es der Befehl des<br />

Königs ist, und ich kann meine offiziellen Kleider nicht über meiner Unterwäsche<br />

tragen. Also bringe mir die Baumwolle.“<br />

Hwang Hee wickelte sich selbst in die Baumwollfütterung ein und bat seine<br />

Frau um dickes Garn. Als seine Frau Hemd und Hose zusammengenäht hatte,<br />

streifte Hwang Hee seine offiziellen Kleider über und machte sich eilig auf den<br />

Weg zum Palast.<br />

König Sejong hatte all seine Minister zusammengerufen, um mit ihnen zu<br />

diskutieren, wie sie die japanischen Piraten, die in die Südküste eingedrungen<br />

waren, abwehren könnten. Während ihrer Diskussion bemerkte König Sejong an<br />

Hwang Hee etwas Weißes, das aus den offiziellen Kleidern herausschaute. Der<br />

König nahm an, dass es Wolle war und dachte, dass es merkwürdig sei, dass der<br />

95


Premierminister Hwang, ein Mann der für seine Sparsamkeit bekannt war, solch<br />

teure Kleider besaß.<br />

Nach dem Treffen befahl er Hwang Hee näher zu treten und sagte: „Ich kenne<br />

deine Integrität, deine einfache Lebensart ist vorbildhaft und dein Ruf erreicht<br />

selbst den Himmel, aber wieso trägst du heute wollene Kleidung?“<br />

Hwang Hee war beschämt und hatte Mühe zu antworten. „Eure Majestät, das<br />

ist nicht Wolle, sondern Baumwolle.“<br />

„Baumwolle?“, sagte der König ungläubig, „wieso trägst du Baumwolle?“<br />

„Ich habe nur eine Garnitur Winterbekleidung, Eure Majestät. Und heute, als<br />

ich früher heim kam, ließ ich sie von meiner Frau auseinandernehmen, um sie<br />

waschen zu können, und…“<br />

„Wie kann das sein, Premierminister?“, rief Sejong. „Komm etwas näher<br />

heran.“ Und dann fühlte der König die Baumwolle, die zwischen den offiziellen<br />

Kleidern hervorstand. Sejong rief aus: „Deine Sparsamkeit ist außerordentlich. Wie<br />

kannst du den Winter mit nur einem einzigen Kleidungsstück verbringen?“<br />

Er befahl daraufhin seinem Diener Hwang Hee, ihm zehn Rollen Seide zu<br />

geben. Mit einem überraschten Gesichtsausdruck sagte Hwang Hee:<br />

„Eure Majestät, bitte macht Euren Befehl rückgängig. Viele Menschen in<br />

diesem Land leiden unter schlechter Ernährung und Armut aufgrund der<br />

andauernden Hungersnot. In solchen Zeiten, wie könnte ein Premierminister Seide<br />

auf seinem Körper tragen? Da Baumwollkleider mehr als genug sind, akzeptiert<br />

bitte meine Art, mich zu kleiden.“<br />

König Sejong sagt: „Du sprichst wie der Hwang Hee den ich kenne. Ich bin<br />

beschämt, diese königlichen Kleider zu tragen.“ Dann nahm er seinen Befehl,<br />

Hwang Hee Seide zu geben, zurück.<br />

96


Nongae und der gerechte Fels<br />

Nongaes Familienname war Ju und der Name ihres Vaters war Dalmun. Ihr<br />

Vater war ein verarmter Nobelmann, der wie auch sein Vater und dessen Vater vor<br />

ihm seinen Lebensunterhalt verdiente, indem er die ortsansässigen Kinder in<br />

konfuzianischen Klassikern unterrichtete.<br />

Er heiratete eine Tochter der Pak-Familie aus Bongjol. Sie lebten glücklich<br />

zusammen und hatten sogar einen Sohn namens Daeryong, den sie mit aller Liebe<br />

und Sorgfalt aufzogen. Aber im Alter von 15 Jahren wurde er plötzlich krank und<br />

verstarb kurz darauf. Und weil sie in all der Zeit kein anderes Kind hatten, wandte<br />

sich das Paar an den Yonggak-Tempel am Berg Changan, um für ein weiteres Kind<br />

zu beten. Als Ergebnis ihrer hingebungsvollen Gebete wurde Nongae geboren.<br />

Sogar als sie noch klein war, war sie überall bekannt für ihre Schönheit und ihr<br />

gutes Benehmen, besonders ihren Eltern gegenüber. Sie war ebenso<br />

außergewöhnlich intelligent, verfolgte ihr Studium mit großer Gewissenhaftigkeit<br />

und unterrichtete die Studenten ihres Vaters nicht selten in dessen Abwesenheit.<br />

Schon seit ihrer frühen Jugend war sie wunderschön und verströmte eine Aura<br />

der Großmütigkeit, so dass die Studenten ihres Vaters ihr nur zu oft ungehörige<br />

Avancen machten.. Niemals aber ließ sie sich auf deren Niveau herunter und<br />

schwieg zu deren Kommentaren. Eines Tages aber gab einer der Studenten ihr ein<br />

Papier mit folgendem Gedicht:<br />

So wie kein Mann eine Blume erreichen kann, wenn sie hoch oben auf einem<br />

Ast blüht, so kann kein Hund das dicht wuchernde Gras durchqueren.<br />

97


Natürlich verglich sich Nongae selbst mit der Blume, die hoch oben wächst und<br />

ihre Studenten mit Hunden, die sich weit unter ihr am Boden tummeln. Nachdem<br />

die Studenten die Bedeutung dieses Gedichts erkannten, war ihnen das wohl sehr<br />

peinlich und man sagt, dass jeder von ihnen, der dieses Gedicht gelesen hatte, sie<br />

von da an in Ruhe ließ.<br />

Schon seit jungen Jahren war ihre Aufopferungsbereitschaft für ihre Eltern<br />

beispielhaft. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang vergaß sie niemals ihre<br />

Pflichten zu tun, nicht einmal essen wollte sie bis ihre Eltern ihr Mahl nicht selbst<br />

beendet hatten. Für die junge Nongae bedeutete es glücklich zu sein, wenn sie ihre<br />

Eltern glücklich machte – und wenn es nur so etwas Einfaches war wie Kräuter und<br />

Beeren im Wald zu sammeln.<br />

Im Jahr 1587 wurde ihr Vater krank. Nachdem er den ganzen Winter<br />

bettlägerig war, war es um seine Gesundheit gar nicht gut bestellt. Nongae tat alles,<br />

was in ihrer Macht stand, um ihm zu helfen. Sie biss sich sogar in den Finger und<br />

hielt ihn über ihres Vaters Mund, doch jegliche Bemühungen waren erfolglos und<br />

schließlich verstarb er. 9<br />

Nach diesem Vorfall nahm das Unglück seinen Lauf. Nach dem Ableben ihres<br />

Vaters wurde sie in die Obhut ihres Onkels gegeben, ein Mann, der berüchtigt war<br />

für sein missfallenes Benehmen und seinen ausschweifenden Lebensstil. Nachdem<br />

er zu ihrem Vormund wurde, machte er sich auf die Reise, um den wohlhabenden<br />

Landeigentümer Kim Pung-hon zu treffen. Er gab vor, dass es um die finanzielle<br />

Lage der Familie seines Bruders schlecht bestellt war, mit dem Hintergedanken<br />

Geld einheimsen zu können, um seinen verschwenderischen Lebensstil weiter<br />

finanzieren zu können. Kim seinerseits war nur daran interessiert, Nongae als Frau<br />

9<br />

Im alten Korea glaubte man, dass das Blut von jemandes Finger Todkranke heilen könnte.<br />

98


für seinen zurückgebliebenen Sohn zu kaufen. Gegenseitig erkannten sie schnell,<br />

was der eine vom anderen wollte und schnell war eine Einigung gefunden. Dafür,<br />

dass Nongaes Onkel die Vier-Säulen-Kiste 10 annahm, bekam er von Kim 300<br />

nyang in Münzen aus Messing, drei Ballen Stoff und eine Urkunde über drei majigi<br />

(ungefähr 0,5 Hektar) Land. Der Onkel war sogar in der Lage, alles zu verprassen,<br />

noch bevor er seine Heimatstadt erreichte.<br />

Später, unter dem steigenden Druck, Kim Pung-hon gegenüber seinen Teil der<br />

Abmachung zu erfüllen, überreichte er die Vier-Säulen-Kiste Nongaes Mutter und<br />

verschwand. Kim unterdessen entschied sich für ein glückverheißendes Datum für<br />

die versprochene Hochzeit und sendete ein Schreiben an Nongaes Familie. Für<br />

Nongae und ihre Mutter kam diese Nachricht wie aus heiterem Himmel, denn sie<br />

wussten nicht um die Abmachung ihres Onkels, die hinter ihrem Rücken getroffen<br />

wurde.<br />

Am dem Tag, als Kim seine Diener sandte, um Nongae zu holen, war sie wie<br />

vom Erdboden verschluckt und so zogen die Diener unverrichteter Dinge wieder ab.<br />

Kim, der sich um sein Geld betrogen fühlte, wandte sich sofort an das örtliche<br />

Magistrat. Der zuständige Beamte Choi Kyong-hoe ließ Mutter und Tochter sofort<br />

unter Arrest stellen.<br />

Als allerdings Nongae und ihre Mutter Rede und Antwort stellten, erkannte er<br />

schnell, dass die beiden unschuldig waren und nichts von dem Handel zwischen<br />

Nongaes Onkel und Kim wussten. Aber selbst über dieses Unwissen hinaus hatte<br />

die Mutter theoretisch das Gesetz gebrochen, weil sie die Vier-Säulen-Kiste<br />

10 Die Vier Säulen oder Saju war ein traditionelles Heiratsutensil und wird von der<br />

Bräutigamfamilie zur Brautfamilie gesendet. In ihr befinden sich alle notwendigen Daten,<br />

um den perfekten Zeitpunkt für die Hochzeit festzulegen. Es anzunehmen bedeutete das<br />

Heiratsangebot zu akzeptieren.<br />

99


angenommen hatte. Dafür wurde sie zu fünf Jahren Sklavenarbeit im Dienste des<br />

Staates verurteilt. Als Nongae das erfuhr, bat sie um Vorsprache beim Magistrat<br />

und sagte folgendes: ”Meine Mutter ist alt und schwach, wie kann sie dem Staate<br />

dienen? Bitte akzeptiert mich an ihrer Stelle.”<br />

Der Magistratsbeamte war tief gerührt von Nongaes Gesuch und ihrer Hingabe<br />

und erklärte das Urteil für nichtig und die beiden Frauen für unschuldig. Da jedoch<br />

ihr Onkel geflüchtet war, war den beiden nicht nur ein Familienmitglied abhanden<br />

gekommen sondern auch ihr Lebensunterhalt. Choi Kyong-hoe, der um die prekäre<br />

Lage wusste, in der sich die beiden Frauen befanden, erlaubte ihnen, in seinem<br />

Haus zu bleiben. Als Gegenleistung kümmerten sie sich um seine zu dieser Zeit<br />

todkranke Ehefrau. Nongae widmete sich mit aller Sorgfalt ihrer neuen Aufgabe.<br />

Die Frau des Magistratsbeamten wusste, dass sie dem Tode nahe stand und riet<br />

ihrem Mann deshalb, die weise und rechtschaffene Nongae zu heiraten. Tatsächlich<br />

nahm er einige Jahre nach ihrem Tod Nongae zur Frau. Anders als man es bei so<br />

einer arrangierten Ehe erwarten würde, wuchs auch ihre Zuneigung und Liebe Tag<br />

für Tag.<br />

Etwas später wurde Choi zur Verwaltungsbehörde von Mujang bestellt und so<br />

zog das Ehepaar auch dorthin. Nach nur sechs Monaten brach der Imjin-Krieg aus<br />

(1592-1598). In dieser Zeit meldeten sich Dorf- und Stadtbewohner gleichermaßen<br />

als Freiwillige bei den lokalen Anführern, um ihren Beitrag zu leisten. Sie hatten<br />

erkannt, dass angesichts dieser Bedrohung jedermanns Hilfe nötig war, um das<br />

Land zu verteidigen. Krieg würde nicht vor den Grenzen jener Dörfer und Städte<br />

Halt machen, die sie ihre Heimat nannten. Choi als lokaler Verwaltungsbeamter<br />

bildete dabei keine Ausnahme und scharte rasch seine Schutzbefohlenen um sich<br />

und trat als Kommandant der freiwilligen Verteidigungsarmee von Kyongsan bei.<br />

Im Oktober 1592 marschierten die Japaner mit 30.000 Mann erfahrenster<br />

Soldaten unter dem Kommando von Shimazu Yoshihiro auf Jinju zu und<br />

100


elagerten die Stadt. Auf der koreanischen Seite befand sich eine 3.800 Mann<br />

starke Verteidigungsarmee, grimmig und standhaft, bereit alles in ihrer Macht<br />

Stehende zu tun, um ihre Heimat zu verteidigen. Nach einer Woche erfolgloser<br />

Belagerung gaben es die Japaner auf, Jinju einzunehmen und traten den Rückzug<br />

an. Im darauf folgenden Sommer kehren sie allerdings zurück, um sich zu rächen.<br />

Dieses Mal hatten sie mit Kato Kiyomasa, Konishi Ukinaga und Ukita Hideie die<br />

besten Generäle Japans aufgeboten und brachten 80.000 Mann mit, um die Stadt<br />

erneut zu belagern.<br />

Am 20. Juni traf die Vorhut ein und am nächsten Tag die Hauptarmee. Bis<br />

zum 22. Juni hatten die japanische Armee alle Vorbereitungen abgeschlossen und<br />

die neue Offensive sollte beginnen. Schwarze Wolken zogen vom Süden her auf,<br />

verdunkelten den Himmel über Chollado und es begann zu regnen und zu regnen<br />

und zu regnen – die Monsun-Zeit hatte begonnen.<br />

Die Japaner sandten Regiment für Regiment gegen Jinjus Wälle ohne<br />

Rücksicht auf Verluste, Tag für Tag, Nacht für Nacht, der Strom japanischer<br />

Soldaten war schier endlos. Die Soldaten, Männer und Frauen Jinjus aber hielten in<br />

einem schon beinahe übermenschlichen Kraftakt den Angriffen stand. Nongae<br />

hatte eine kleine Truppe, die ausschließlich aus Frauen bestand, auf die Beine<br />

gestellt. Diese nannte sich Nangja-Armee und ihre Hauptaufgabe war es, Steine<br />

und kochendes Wasser zu den Wällen zu bringen, um dort die japanische Soldaten,<br />

die selbige zu erklimmen versuchten, zu bewerfen und zu begießen.<br />

Der endlose Regen und die ebenso endlos erscheinenden Angriffe, die wie<br />

Welle für Welle gegen Jinjus Mauern brandeten, führten zu guter Letzt zum<br />

Unvermeidlichen: am 28. Juni wurde die südöstliche Stadtmauer von Jinju<br />

durchbrochen. Nur durch das heroische Eingreifen General Hwangs konnten die<br />

Angreifer wieder hinter die Stadtmauer zurückgedrängt und die Mauer provisorisch<br />

repariert werden. Hwang allerdings, der von einer Musketenkugel getroffen wurde,<br />

101


ezahlte diesen kleinen Sieg mit seinem Leben. In der Nacht des 29. Juni wurde die<br />

südwestliche Mauer unter Beschuss genommen und japanische Soldaten fielen wie<br />

Heuschrecken in die Stadt ein – die Stadt war eingenommen.<br />

Nongaes Ehemann Choi Kyong-hoe und seine Kommandanten zogen sich<br />

augenblicklich in den Chokseok-Pavillon zurück. Der Pavillon befand sich nahe<br />

des südlichen Walls und von dort aus konnte man den ganzen Nam-Fluss<br />

überblicken. Sie verbeugten sich mit Tränen in den Augen Richtung Norden in<br />

Richtung ihrer Hauptstadt und in Richtung ihres Königs und rezitierten gemeinsam<br />

ein Gedicht, das genau für diesen Moment gedichtet wurde:<br />

Am Chokseok-Pavillon, so stehen wir drei nun, wir trinken Wein<br />

und so zeigen wir auf den Fluss mit einem Lächeln im Gesicht<br />

und so wie das Wasser des Flusses gegen die Ufer brandet und stetig<br />

weiterfließt,<br />

so werden unsere Seelen erst vergehen, wenn der letzte Tropfen des Nam<br />

versiegt ist.<br />

Mit diesen Worten warfen sie sich in den tosenden Fluss, ein letzter Akt um<br />

jedem Mann und jeder Frau zu zeigen, wem ihre Treue galt.<br />

Die japanische Armee kannte keine Gnade – weder Mensch noch Tier sollten<br />

diese Stadt lebend verlassen. Von mehr als 60.000 Menschen, die ihr Leben in der<br />

Schlacht um Jinju aufs Spiel setzten, starb ein Großteil im Massaker, das auf die<br />

Einnahme der Stadt folgte. Nongae und einige andere Frauen konnten aus der Stadt<br />

fliehen bevor die japanischen Soldaten in die Stadt einfielen. Die Entrüstung und<br />

Trauer unter den Frauen war groß, als sie von den Gräueltaten hörten, die sich in<br />

Jinju abspielten.<br />

102


Die Feierlichkeiten der Invasoren über den Sieg von Jinju sollten standesgemäß<br />

zelebriert werden. Dafür wurde der 7. Juli in jenem Chokseok-Pavillon festgelegt.<br />

Zu diesem Zwecke gab es auch Anfragen für professionelle Gesellschafterinnen,<br />

sogenannte Kisaengs. Nongae, die ein solches Pamphlet zu lesen bekam, zögerte<br />

nicht lange, dieses „Gottesgeschenk“ anzunehmen und ersann einen Plan. Sie fand<br />

auch schnell eine Gleichgesinnte – eine Frau namens Suan – der sie von ihren<br />

Plänen erzählte und die sich ebenfalls prompt in das Kisaeng-Register eintragen<br />

ließ. Als der große Tag der Feierlichkeiten gekommen war, trafen alle<br />

Kommandanten, die an der Schlacht um Jinju teilgenommen hatten, im Chokseok-<br />

Pavillon ein. Nongae trat bei den Feierlichkeiten in einem extravaganten Kleid und<br />

Ringen an jedem ihrer Finger auf.<br />

Mit der Hilfe der miteingeweihten Kisaeng war es Nongae möglich, sich<br />

General Keyamura zu nähern, welcher die Belagerung der Stadt angeführt hatte.<br />

Nongae füllte Glas um Glas des Generals während dieser ganz und gar damit<br />

beschäftigt war mit seinen Taten zu prahlen, so dass er schon bald betrunken war.<br />

Lachend und tanzend war es ihr möglich, den schon stark betrunkenen Keyamura<br />

Stück für Stück von der feiernden Gemeinschaft wegzulocken, hin zum Nam-Fluss.<br />

Als sie dann gemeinsam am Rand des Flusses auf einem Felsen standen, umarmte<br />

sie den General, ihre schweren Ringe machten es unmöglich für den schon schwer<br />

beeinträchtigten Soldaten, sich zu lösen, und in einem letzten Kraftakt stieß sich<br />

Nongae ab und sprang, den General umarmend, in die von 15 Tagen Monsunregen<br />

genährten reißenden Fluten des Nam, in ihrer beider Tod. So endetet das Leben der<br />

erst 19 Jahre jungen Nongae aus Jinju.<br />

Für die Koreaner heute wie damals ist Nongaes Tat sowohl eine Geschichte des<br />

Widerstands gegen Ungerechtigkeit als auch eine des selbstlosen Opfers, geprägt<br />

von totaler Loyalität und Rechtschaffenheit. Um sich an sie zu erinnern, wurde<br />

nahe des Felsens ein Schrein und ein Monument errichtet, die ihrer patriotischen<br />

103


Tat gedenken sollten; der Felsen über dem Nam-Fluss wurde Uiam genannt, was<br />

soviel wie „gerechter Felsen“ bedeutet. Uiam ist auch der Titel, der ihr von der<br />

<strong>Ye</strong>mungwan, der königlichen Behörde für historische Aufzeichnungen, verliehen<br />

wurde. Einige Jahre später wurde in das Monument eine offizielle Inschrift<br />

gemeißelt.<br />

Selbst in den Wirren und Leiden einer feindlichen Invasion ist es um ein<br />

Vielfaches leichter, mit der Demütigung in Schande zu leben, als sich in einer<br />

selbstlosen rechtschaffenen Tat zu opfern. Nicht einmal für einen echten<br />

Patrioten ist es einfach, dem Tod ins Auge zu sehen, der zum Ursprung zurück<br />

zu kehren bedeutet. Wie glorreich und bewegend dies war. Wenn man an die<br />

letzte Tat Nongaes denkt, scheint ihre Würde und Rechtschaffenheit so hell und<br />

klar wie die Sterne und Sonne am Himmel. Deswegen zeichnen wir ihr Beispiel<br />

für alle nachfolgenden Generation auf.<br />

Für Nongae, die ihre totale Erfüllung ihrer Pflichten, ihrer kindlichen Pietät,<br />

ihrer Rechtschaffenheit und ihrer Loyalität, in einem von vielen Rückschlägen<br />

gebeuteltem Leben fand, widmete einer der berühmtesten Poeten Koreas, Byon<br />

Yongro, folgendes Gedicht:<br />

Eine noble Entrüstung<br />

Grimmiger als religiöse Inbrunst<br />

Eine brennende Leidenschaft<br />

Stärker als Liebe<br />

Eine Seele roter als der Klatschmohn<br />

Fließt über Wellen blauer als die Kornblume<br />

104


Die unbescholtenen Wimpern zuckten<br />

Blutrote Lippen küssten den Tod<br />

Eine Seele roter als der Klatschmohn<br />

Fließt über Wellen blauer als die Kornblume<br />

Ein reißender Fluss für immer Blau<br />

Eine wunderschöne Seele für immer Rot<br />

Eine Seele roter als der Klatschmohn<br />

Fließt über Wellen blauer als die Kornblume.<br />

105


Die Bedeutung von <strong>Chung</strong><br />

Seit der Gründung Koreas als Nation im Jahre 2333 v. Chr 11 . waren <strong>Hyo</strong><br />

(kindliche Hingabe) und <strong>Chung</strong> (Loyalität) die zwei wichtigsten moralische Werte,<br />

die den Geist und die Seele der Koreaner geleitet haben. <strong>Hyo</strong> und <strong>Chung</strong> lassen<br />

sich mit den beiden Seiten einer Münze vergleichen, da sie nicht getrennt<br />

betrachtet werden können. <strong>Chung</strong> wird meistens als Loyalität zum eigenen Land<br />

und zu dessen Herrscher verstanden. Jedoch enthält das Wort „<strong>Chung</strong>“ die weitere<br />

Bedeutung, die sich etwa folgendermaßen übersetzen lässt: „sich mit aufrichtiger<br />

Absicht gegenüber seiner selbst und anderen wie auch gegenüber seinem Lande<br />

verhalten.“<br />

<strong>Hyo</strong> ist der Respekt und die Dankbarkeit gegenüber unseren Eltern, die uns zur<br />

Welt gebracht und uns aufgezogen haben. Koreaner glauben, dass die Hingabe zum<br />

eigenen Land ein Weg ist, die wahre Kindespflicht zu erfüllen. <strong>Hyo</strong> ist der<br />

Ursprung, der Liebe der Menschen für ihre Familie, ihre Gesellschaft und<br />

denjenigen, der die Nation führt. Mit anderen Worten: <strong>Hyo</strong> ist der innere Kern von<br />

<strong>Chung</strong> – und <strong>Chung</strong> ist ein umfassenderer Ausdruck für <strong>Hyo</strong>.<br />

Während der Zeit der Drei Königreiche verfasste ein buddhistischer Lehrer,<br />

Wongwang von Shilla, fünf weltliche Regeln, nach denen die Hawarangs leben<br />

sollten. Die erste Regel verlangte, „dem König mit Treue dienen.“ Dabei bezieht<br />

11 Korea hieß ursprünglich „Choson“. In der Geschichte Koreas gab es zwei Choson-<br />

Dynastien, die erste von 2333-108 v. Chr. (häufig als ‚altes Choson’ benannt) und die<br />

zweite von 1392-1910 n. Chr.<br />

106


sich das Wort König nicht auf ein einzelnes, isoliertes Individuum, sondern auf<br />

denjenigen, der den Staat leitet und repräsentiert. Durch den Schwur, „dem König<br />

mit Treue zu dienen“, drückten die Hwarangs ihren Wunsch aus, stets ihr Bestes<br />

für das Land zu geben und dem König im Interesse aller beim gerechten Regieren<br />

behilflich zu sein.<br />

<strong>Chung</strong> bedeutete nicht absoluter und bedingungsloser Gehorsam gegenüber<br />

dem König oder der Nation. Während vieler Generationen und Dynastien haben<br />

loyale Untertanen nicht gezögert, offen und ehrlich dem König Rat zu erteilen,<br />

wenn er im Unrecht war – auch wenn sie sich dadurch die Missgunst des Königs<br />

zuziehen konnten und ungerechte Konsequenzen fürchten mußten.<br />

<strong>Chung</strong> war kein Konzept, das den unteren Klassen von den Aristokraten<br />

auferlegt wurde, um sie zum Gehorsam zu zwingen. Es war vielmehr ein Brauch,<br />

der aus reiner Notwendigkeit entstand. <strong>Chung</strong> bildete einen fundamentalen<br />

Bestandteil der Aristokratenausbildung und wurde als genau so wichtig für die<br />

höheren wie auch für die niedrigeren Klassen angesehen. Könige wie Sejong der<br />

Grosse (1397-1450) waren ein ausgezeichnetes Beispiel für die Praxis des<br />

angewandten <strong>Chung</strong>.<br />

Sejong lebte in einem Haus mit Strohdach und kleidete sich stets in<br />

abgetragenen und geflickten Kleidern, wenn er nicht offiziellen Anlässen<br />

beiwohnen musste. Während der Hungersnöte verzichtete er selbst auf seine<br />

Mahlzeiten, um die Leiden, die seine Untertanen ertragen mussten, mitfühlen zu<br />

können. Premierminister Hwang Hee, der König Sejong über dreissig Jahre lang<br />

gedient hat, lebte ebenfalls ein sehr einfaches Leben, bewohnte eine kleine und<br />

bescheidene Wohnung und verbrachte den Winter mit nur einer Garnitur Kleider.<br />

Der Wert des <strong>Chung</strong> offenbarte sich insbesondere in Zeiten nationaler Krisen,<br />

so etwa, als das Land besetzt wurde. Koguryo, eines der ehemaligen Königreiche<br />

Koreas, konnte sich dank <strong>Chung</strong> selbst von der Vorherrschaft einer 3.3 Millionen<br />

107


Mann starken Armee aus Sui China befreien. Später trugen die Hwarangs dazu bei,<br />

dass der Konflikt zwischen den drei koreanischen Königreichen beendet und eine<br />

einzige Nation gegründet wurde. Auch als die Japaner 1592 in Korea eindrangen,<br />

opferten unzählige Soldaten in der „gerechten Armee“ (Freiwilligen Truppe) ihr<br />

Leben, um ihr Land zu beschützen. Ohne den Patriotismus und die Loyalität dieser<br />

Menschen wäre es für Korea unmöglich gewesen, 5000 Jahre Geschichte und<br />

Kultur zu bewahren.<br />

<strong>Chung</strong> bedeutet in seiner Essenz „Liebe für die Menschlichkeit“ – ein Geist des<br />

Mitgefühls, der es den Menschen erlaubt, die Leiden der ganzen Nation<br />

auszulöschen und ihr eigenes Leben in Frieden und Glück zu verbringen<br />

108


Kapitel 3<br />

Wuae: Die brüderliche Liebe<br />

109


Wolgwangmun (Tor des Mondlichts) des Changdok Palastes<br />

110


Die Geschichte von den guten Brüdern<br />

In den letzten Tagen der Koryo-Dynastie lebten zwei Brüder mit den Namen Yi<br />

Songman und Yi Soon im Dorf Taehung der <strong>Chung</strong>chon-Provinz. Da die Brüder<br />

einander sehr liebten, teilten sie immer alles miteinander, auch das kleinste<br />

bisschen Essen 12 . Sogar nachdem die beiden Brüder geheiratet hatten, aßen sie ihre<br />

Mahlzeiten gemeinsam am selben Tisch, das Frühstück im Haus des älteren<br />

Bruders Songman und das Abendessen im Haus des jüngeren Bruders Soon.<br />

Eines Tages im Herbst, nachdem die Reisernte eingeholt worden war, teilten<br />

die Brüder den Ertrag gleichmäßig unter sich auf. Doch später in der Nacht<br />

überlegte Soon: „Wenn ich jetzt darüber nachdenke, habe ich das Gefühl, meinem<br />

Bruder Unrecht getan zu haben. Da seine Familie größer ist als meine, hätte ich<br />

ihm mehr geben sollen.“ Daher ging er noch einmal zu dem Feld zurück, auf dem<br />

der Reis aufbewahrt wurde, und nahm ein paar von den eigenen Reissäcken. Ohne<br />

von irgendjemandem gesehen zu werden, legte er sie zum Haufen seines älteren<br />

Bruders. Als er davon überzeugt war, eine gerechte Menge abgegeben zu haben,<br />

ging er zurück nach Hause.<br />

In der gleichen Nacht dachte auch Songman darüber nach, was am Tage<br />

passiert war und überlegte: „Da mein Bruder erst vor kurzem geheiratet hat,<br />

benötigt er viele Dinge.“ Also ging auch er zum Feld zurück und legte ein paar von<br />

seinen eigenen Säcken zum Haufen des jüngeren Bruders. „Wird es<br />

12 Damals war die Nahrung viel schwieriger zu beschaffen und daher auch ihre Verteilung<br />

viel wichtiger als heutzutage.<br />

111


genügen?“ fragte er sich. Da es dunkel war, konnte er nicht klar darüber<br />

entscheiden, aber er hatte das Gefühl, seinem Bruder genug gegeben zu haben und<br />

kehrte nach Hause zurück.<br />

Am nächsten Tag wunderten sich beide Brüder darüber, dass ihre Haufen nicht<br />

kleiner geworden waren, sondern immer noch die gleiche Größe hatten. Als die<br />

Nacht kam, wiederholten sie also ihre Taten vom Abend zuvor, und so besaß am<br />

nächsten Morgen wieder jeder soviel wie am vorigen Tag.<br />

„Wie merkwürdig“, dachten beide „zwei Nächte hintereinander habe ich<br />

versucht, meinem Bruder von meinem Reis zu geben, und doch hat sich nichts<br />

verändert.“<br />

In der dritten Nacht nahm daher noch mal jeder Bruder mehrere Reissäcke auf<br />

seinen Rücken und machte sich auf zum Feld des anderen.<br />

Auf einem kleinen Weg, nur schwach von den blassen Strahlen des Mondes<br />

beleuchtet, trafen die beiden Brüder aufeinander.<br />

„Wer ist da?“<br />

„Bist du es, Songman?“<br />

„Soon!“ antwortete Songman, „wohin gehst du so spät in der Nacht?“<br />

Als die beiden Brüder die Reissäcke des anderen bemerkten, begriffen sie, was<br />

geschehen war, und umarmten einander unter Tränen.<br />

Oben im Himmel vergoss auch der Mond silberne Tränen über die Brüder,<br />

während er die glückliche Szene still beobachtete.<br />

112


Kostbarer als Gold<br />

Von früher Kindheit an standen sich Yi Oknyon, Gouverneur von Kaesung in<br />

der späten Koryo-Dynastie, und sein jüngerer Bruder Yi Jonyon sehr nah.<br />

Eines Tages, als die beiden Brüder am Ufer des Han entlang gingen, stießen sie<br />

auf einen Batzen Gold und beschlossen, ihn sich zu teilen. Daraufhin bestiegen sie<br />

die Fähre, um den Fluss zu überqueren. Als sie jedoch auf halbem Wege waren,<br />

warf Yi Oknyons jüngerer Bruder plötzlich sein Gold ins Wasser.<br />

Der ältere Bruder fragte entsetzt: „Warum hast du dein Gold über Bord<br />

geworfen?“<br />

Er antwortete: „Obwohl ich weiß, dass das Gold sehr wertvoll ist, weiß ich<br />

auch, dass unsere Verwandtschaft noch wertvoller ist. Nachdem wir das Gold<br />

gefunden haben, ist mir der böse Gedanke gekommen, dass ich, wenn du nicht<br />

dabei gewesen wärst, das ganze Gold für mich allein gehabt hätte. Aus Angst davor,<br />

dass diese Habsucht uns entzweien könnte, habe ich meinen Anteil des Goldes nun<br />

ins Wasser geworfen.“<br />

Als Oknyon die Worte seines Bruders hörte, stimmte er ihm zu und warf<br />

auch sein Gold in den Fluss.<br />

Seitdem wird dieser Arm des Han „Tu Kum Tan“ genannt – „der Fluss, in<br />

den das Gold geworfen wurde.“<br />

113


Hung-bu und Nol-bu 13<br />

Eines Frühlingstages gingen die Ehefrau und die Kinder eines armen Mannes,<br />

dessen Name Hung-bu war, auf die Felder, um wildes Gemüse zu sammeln. Hungbus<br />

kleiner Sohn, der auf einer Suppenkrautwurzel kaute, sagte, dass er hungrig sei.<br />

Seine Mutter versuchte ihn zu besänftigen indem sie zu ihm sagte: „Ich werde dir<br />

einen leckeren Haferbrei mit diesem Pflanzensprössling kochen. Hab bitte noch ein<br />

wenig Geduld!“ Aber als sie dies sagte, wusste sie, dass ihr Vorrat an Gerste und<br />

Hirse schon lange aufgebraucht war und sie nur den Pflanzensprössling alleine<br />

kochen konnte. So ging sie über das Feld zu ihrem Ehemann Hung-bu, der dort<br />

arbeitete und bat ihn: „Hung-bu bitte geh’ zum Haus deines Bruders und frage, ob<br />

er etwas Getreide oder Gemüse vorrätig hat, damit ich den Kindern einen Brei<br />

zubereiten kann.“ Hung-bu war einverstanden, zweifelte aber daran, ob ihm sein<br />

älterer Bruder etwas leihen würde.<br />

Hung-bus Bruder Nol-bu war der reichste Mann in der Nachbarschaft und der<br />

Besitzer von vielen Feldern und Reisfeldern. Er lebte in einem großen, luxuriösen<br />

Dachziegelhaus und besaß viele Diener. Aber da er habgierig und hartherzig war,<br />

hatten sich viele von ihm abgewandt.<br />

Als Hung-bu in den Garten seines Bruders trat, traf er Nol-bu, der im Vorraum<br />

des Wohnzimmers auf dem Boden saß und eine Pfeife rauchte.<br />

13 Die Geschichte von Hung-bu und Nol-bu wurde über viele Generationen hinweg<br />

überliefert und ist eine der bekanntesten Kindergeschichten in Korea.<br />

114


„<strong>Hyo</strong>ngnim“ 14 , sagte er, „seit einiger Zeit schon hat meine Familie nichts<br />

mehr zu Essen und unsere Kinder sind am Verhungern. Würdest du mir ein Sack<br />

mit Hirse leihen?“ Auch wenn es für ihn schwer war, seinen Bruder um diesen<br />

Gefallen zu bitten, zwang sich Hung-bu dazu. Nol-bu aber klopfte seine Pfeife in<br />

den Becher vor ihm aus und brüllte:<br />

„Wieso, du kleiner Dieb! Wieso bettelt ein kräftiger und gesunder Mann um<br />

Essen? Bist du nur hierher gekommen um mir zu sagen, dass du deinen<br />

Lebensunterhalt nicht mit deinen eigenen Händen verdienen kannst? Geh!“<br />

„<strong>Hyo</strong>ngnim“, sagte Hung-bu, „weil jetzt Frühlingsanfang ist, gibt es keine<br />

Arbeit für die Tagelöhner 15 auf den Feldern. Meine Kinder weinen, weil sie so<br />

hungrig sind und ich habe nichts was ich ihnen geben kann, deswegen komme ich<br />

zu dir. Bitte hab Mitleid und leihe mir etwas Essen.“<br />

Hung-bu bat seinen Bruder inständig um Hilfe und erduldete seine harschen<br />

Worte so gut es ging, aber Nol-bu schmetterte die Türe zu und verschwand im<br />

Inneren des Hauses. Er befahl sogar einem seiner Bediensteten, seinen jüngeren<br />

Bruder aus dem Haus zu werfen.<br />

Von seinem Bruder abgewiesen, ließ Hung-bu die Schultern hängen und war<br />

von großer Sorge erfüllt. Er begann sich zu fragen, ob er wirklich ein fauler Mann<br />

sei, obwohl er jeden Tag von früh morgens bis spät abends hart arbeitete. Der<br />

wirkliche Grund seiner Armut aber lag in Wirklichkeit bei seinem Bruder Nol-bu.<br />

14 Dieser Ausdruck heißt wörtlich übersetzt „älterer Bruder“ und ist in der koreanischen<br />

Gesellschaft eine ehrende Ansprache.<br />

15 Der Adel und die reichen Bauern stellten Tagelöhner im Sommer und im Hebst an, wenn<br />

es auf den Feldern viel Arbeit gab. Für jene, die kein eigenes Land hatten, war es daher<br />

schwer, Arbeit im Winter und zum Frühlingsanfang zu finden.<br />

115


Dieser hatte den ganzen Besitz, der ihnen von ihrem Vater hinterlassen worden war,<br />

an sich genommen und seinem kleinen Bruder nichts abgegeben.<br />

Als die Ehefrau ihren Ehemann mit leeren Händen zurückkommen sah, seufzte<br />

sie und begann den Pflanzenkeim zu kochen. Auch wenn es kein Haferbrei mit<br />

Getreide war, wie es ihnen versprochen worden war, rannten die Kinder zum Essen,<br />

da sie so hungrig waren. Es würde noch einige Monate dauern bis die Gerste<br />

erntereif war und Hung-bu und seine Frau beunruhigte es, wie sie bis dahin<br />

überleben sollten.<br />

In diesem Moment hörten sie draußen einen Vogel singen. Sie öffneten die Tür<br />

und fanden eine Schwalbe, die Stroh und Schlamm im Mund trug, um ein Nest<br />

unter der Dachrinne ihres schäbigen mit Stroh gedeckten Hauses zu bauen. Hungbu<br />

sagte ruhig: „Ach lieber Freund, du hättest dein Nest unter dem schönen<br />

Ziegeldach des Hauses meines Bruders bauen sollen.“<br />

Einige Tage später schlüpften fünf junge Schwalben unter der Dachrinne von<br />

Hung-bus Haus. Die Mutterschwalbe fing Insekten, um ihre Kinder zu füttern und<br />

Hung-bus Familie freute sich, die jungen Schwalben aufwachsen zu sehen.<br />

Eines Tages, als Hung-bu von den Feldern heimkam, sah er eine riesige<br />

Schlange auf seinem Dach, die ihren Kopf ins Schwalbennest steckte. Rückwärts<br />

gehend ergriff er einen langen Stock, schlug fest auf die Schlange ein und<br />

schleuderte sie fort. Er dachte, dass die Schlange bereits alle Schwalben<br />

aufgefressen hatte, da er keine Vögel mehr im Nest sah. Hung-bu wollte sich<br />

gerade verzweifelt aus Mitleid mit den Vögeln setzen, als er ein Junges sah, das in<br />

den Garten gefallen war und mit seinen Flügeln schlug.<br />

Als Hung-bu das Junge in den Händen hielt, sah er, dass die arme Kreatur ein<br />

gebrochenes Bein hatte. Seine Ehefrau und Kinder kamen hinzu und standen um<br />

ihn herum. Sie bandagierten das Bein der Schwalbe und legten sie mit größter<br />

Sorgfalt zurück ins Nest. Hung-bus Familie schaute jeden Tag in das Nest und<br />

116


fütterte das Junge mit kleinen Insekten, so wie es die Mutter getan hatte und<br />

hofften, dass es genesen würde. Als einige Zeit vergangen war, heilte das Bein der<br />

Schwalbe und sie konnte so gut fliegen wie jeder andere Vogel. Als der Herbst<br />

näher rückte, flog die Schwalbe Richtung Süden in wärmere Länder.<br />

Der Winter verging und der Frühling kam. Eines Tages als Hung-bu<br />

Strohsandalen vor seinem Garten anfertigte, tauchte eine Schwalbe am Himmel auf<br />

und kreiste über seinem Kopf. Sie ließ etwas vor ihm fallen und als er es aufhob,<br />

sah er, dass es ein Kürbiskern war. Hung-bu war verwirrt, pflanzte aber den Samen<br />

unterhalb der Mauer in der Nähe seines Hauses ein. Am nächsten Morgen sah er zu<br />

seinem Erstaunen, dass der Samen schon keimte und aus dem Boden herausschaute.<br />

Er und seine Frau bestaunten den außergewöhnlichen Anblick.<br />

Tag und Nacht wuchs der Setzling und bald war Hung-bus ganze Hütte von den<br />

üppigen Reben und Blättern bedeckt. Bald darauf wuchsen riesige, runde Kürbisse,<br />

die bald reif und hart waren. Hung-bu und seine Frau dachten, sie könnten das<br />

Innere essen und aus den getrockneten Schalen Schüsseln machen, und so pflückte<br />

Hung-bu die Kürbisse und er und seine Frau begannen sie aufzuschneiden und<br />

dabei zu singen:<br />

„Schneide ihn auf, schneide ihn auf<br />

Esse die Frucht und trockne die Schale<br />

Lobe den Himmel für seine Güte<br />

Schneide ihn auf, schneide ihn gut!“<br />

Als die zwei so sangen, öffnete sich der Kürbis und Reiskörner fielen heraus.<br />

Erstaunt begannen sie schnell die Körner aufzulesen.<br />

„Hung-bu, das ist sicher ein Traum“, sagte seine Frau aufgeregt vor Freude.<br />

„Der Himmel versucht uns wirklich zu helfen!“, antwortete Hung-bu, „wie<br />

sonst könnte Reis aus dem Kürbis herauskommen?“<br />

117


Dann öffneten sie einen anderen Kürbis und fanden Geld darin. Sie waren<br />

überrascht.<br />

„Hung-bu“, sagte seine Frau, „ich bin sicher, dass dieses Geld niemand<br />

anderem gehört. Lass es uns schnell in eine Tasche stecken.“<br />

„Meine Liebste“, rief Hung-bu aus, „jetzt sind wir reich!“ Der Mann und seine<br />

Frau tanzten vor Freude.<br />

Als ihre Kinder von den Feldern zurückkehrten, bekamen sie vor Staunen große<br />

Augen. Die ganze Familie versammelte sich, ihre Gesichter lachten das erste Mal<br />

in diesem Jahr. Sie begannen einen anderen Kürbis zu öffnen, neugierig was sie<br />

wohl darin finden würden. Als sich der dritte Kürbis öffnete, kam eine<br />

wunderschöne Fee zum Vorschein. Dies überraschte sie noch mehr und Hung-bu<br />

dachte sich, dass vielleicht diese Dame die Besitzerin des Reises und des Geldes<br />

aus den anderen beiden Kürbissen sei. Er habe einfach angenommen, die Dinge<br />

würden ihm gehören – was soll er nur tun?<br />

Die wunderschöne Fee verbeugte sich vor Hung-bu und seiner Familie und<br />

sprach zu den zwei verbleibenden Kürbissen: „Raus, rote Flasche!“ Auf dieses<br />

Kommando öffnete sich einer der Kürbisse und eine rote Flasche kam zum<br />

Vorschein. Dann sagte die Fee: „Raus, blaue Falsche!“ und der andere Kürbis<br />

öffnete sich und enthüllte eine blaue Flasche. Dann wandte sich die Fee der roten<br />

und der blauen Falsche zu und sagte:<br />

„Nun baut ein wunderschönes Haus für diese netten Menschen.“<br />

Aus der roten Falsche kamen zum immer größeren Erstaunen von Hung-bu und<br />

seiner Familie viele Bauarbeiter, aus der blauen Flasche erschienen Holzbalken<br />

und Ziegelsteine. Das neue Haus war im Handumdrehen gebaut. Als es fertig war,<br />

sagte die Fee zu Hung-bu:<br />

„Für viele Jahre hast du Mühsal ertragen müssen, von nun an lebe bitte hier in<br />

Wohlstand. All dies bekommst du für deine Großzügigkeit und Führsorge für die<br />

118


junge Schwalbe.“ Mit diesen Worten verschwand sie. Unglaublich dankbar<br />

verbeugten sich Hung-bu und seine Familie.<br />

Der ältere Bruder Nol-bu kam angerannt, nachdem er diese Neuigkeiten<br />

erfahren hatte. Er sah, dass die alte Hütte verschwunden war und an ihrer Stelle<br />

nun ein Palast stand, prächtig wie für einen König. Er war eifersüchtig und<br />

während er durch das Tor ging, schrie er:<br />

„Du Dieb! Sag mir sofort die Wahrheit! Mit welchen kriminellen<br />

Machenschaften wurdest du über Nacht so reich?“<br />

„<strong>Hyo</strong>ngnim“, antwortete Hung-bu, „bitte nimm, was immer du dir wünschst.“<br />

Während dieser eine verzierte Kommode aussuchte, um sie mit nach Hause zu<br />

nehmen, murmelte er vor sich hin: „Ich werde selbst herausfinden, ob das was du<br />

gesagt hast wahr ist, Bruder.“ Sobald er heimgekehrt war, wartete er, dass eine<br />

Schwalbe neben ihm landen würde. Einige Tage später baute ein<br />

Schwalbenpärchen sein Nest in einem Baum in der Nähe und legten ihre Eier<br />

hinein. Nol-bu war erfreut und wartete darauf, dass Junge schlüpften. Als sie einige<br />

Tage später schlüpften, konnte Nol-bu nicht mehr länger warten. Er kletterte eine<br />

Leiter hinauf, brach einer Schwalbe das Bein und verband es. Die junge Schwalbe<br />

überlebte die Tortur und flog im nächsten Herbst zurück in den warmen Süden.<br />

Nol-bu konnte den Frühling kaum erwarten und als er kam, wartete er auf die<br />

Schwalbe, die mit einem Samen zurückkehren sollte.<br />

Eines Tages tauchte eine Schwalbe auf und ließ einen Samen vor ihm fallen.<br />

„Frau, Frau!“, schrie Nol-bu aufgeregt, „komm und schau, ein Segen aus dem<br />

Süden!“ Seine Frau kam entzückt in den Garten gerannt. In der Annahme, sie<br />

würden bald so reich sein wie Hung-bus Haushalt, pflanzten sie den Samen vor<br />

einer Wand.<br />

119


Der Kürbiskern, den Nol-bu gepflanzt hatte, spross fast im gleichen Augenblick.<br />

Seine Blätter erreichten bald das Dach seines Hauses und trugen in Kürze riesige<br />

Früchte. Freudig begannen Nol-bu und seine Frau ein Kürbis aufzuschneiden.<br />

„Schneide ihn auf, schneide ihn auf,<br />

Was liegt verborgen in der Schale?<br />

Goldbarren und fürstliche Schätze<br />

Schneide ihn auf, schneide ihn gut!“<br />

Gut gelaunt schnitten der Mann und seine Frau den Kürbis auf. Als er sich<br />

öffnete, wurde eine goldgelbliche Substanz ausgeschüttet, aber es war Dung, nicht<br />

Gold.<br />

„Was in aller Welt ist das? Was für ein Gestank!“ Sie begannen zu weinen,<br />

hielten ihre Nasen zu und flüchteten schnell, um dem herausfließenden Dung und<br />

dem fauligen Gestank zu entkommen.<br />

„Was soll das bedeuten? Wir haben Gold und nicht diesen abscheulichen Dreck<br />

erwartet!“<br />

„Vielleicht haben wir den falschen gewählt“, sagte seine Frau und schlug vor,<br />

„lass uns einen anderen Kürbis öffnen.“<br />

Sie begannen einen anderen Kürbis aufzuschneiden. Doch bevor sie mit dem<br />

Öffnen fertig waren, spaltete sich der Kürbis in zwei Hälften und ein<br />

furchterregender Kobold sprang heraus.<br />

„Nol-bu du Schurke! Du hast deinen jüngeren Bruder gemein und ungerecht<br />

behandelt. Um deine eigene Gier zu befriedigen, hast du auch noch einer<br />

unschuldigen Schwalbe das Bein gebrochen! Fühle meine Keule und lerne deine<br />

Lektion!“ Mit diesen Worten begann der Kobold ihn mit der Keule zu schlagen<br />

und Nol-bu bat mehrmals ihn zu verschonen. Doch der Kobold wandte sich den<br />

anderen Kürbissen zu und schrie: „Kommt alle heraus und zerstört Nol-bus Haus!“<br />

120


Die Kürbisse sprangen auf und viele Kobolde kamen heraus. Sie rissen das<br />

Haus nieder, zertrümmerten es und bauten eine schäbige Hütte an Stelle des<br />

Hauses, bevor sie alle verschwanden.<br />

Als Hung-bu und seine Frau die Neuigkeiten hörten, kamen sie angerannt, um<br />

zu helfen. Als Hung-bu Nol-bu und seine Frau bewusstlos auf dem Boden liegen<br />

sah, schrie er: „<strong>Hyo</strong>ngnim, bitte wache auf!“ Zusammen hoben sie die<br />

Bewusstlosen auf und trugen sie in ihr Haus.<br />

„<strong>Hyo</strong>ngnim“, sagte Hung-bu zu seinem Bruder als dieser aufwachte, „sorge dich<br />

nicht um dein Haus. Bitte komm und lebe bei uns.“<br />

Als Nol-bu die herzlichen Worte Hung-bus hörte, erkannte er endlich wie<br />

schändlich er sein Leben gelebt hatte und zeigte Reue. Er hielt die Hand seines<br />

jüngeren Bruders und senkte vor Scham seinen Kopf.<br />

„Hung-bu,“ stammelte er und Tränen liefen über seine Wangen, „ich bin an<br />

allem schuld. Bitte vergib der Person, die dir so viel Unrecht angetan hat und dich<br />

so verletzt hat.“<br />

Danach wurde Nol-bu ein guter Mann und er und sein Bruder lebten glücklich<br />

und zufrieden zusammen.<br />

121


122


Kapitel 4<br />

<strong>Ye</strong>: Eine tugendhafte<br />

Lebensweise<br />

123


Okchon (Jade Bach) Brücke des Changdok Palastes<br />

124


Der Ursprung von Dubu und Kimchi<br />

In der antiken Zeit lebte ein junger spiritueller Schüler, der seinem erleuchteten<br />

Meister mit Hingabe diente.<br />

Der spiritueller Schüler sorgte sich um die Bedürfnisse des erleuchteten<br />

Meisters: Essen kochen, das Land bewirtschaften, die Früchte von den Bergen<br />

holen und das Sammeln des Feuerholzes.<br />

Als der erleuchtete Meister achtzig Jahre alt wurde, war er wegen seiner<br />

schlechten Zähne nicht mehr imstande richtig zu essen. Das alleinige Anliegen des<br />

jungen Praktizierenden war es, wie er bestens seinem erhabenen Meister dienen<br />

kann, damit dieser gesund ernährt wird, anstelle ihm weiterhin dabei zusehen zu<br />

müssen, wie er nichts als Haferbrei essen konnte.<br />

Eines Tages servierte der Schüler seinem Meister anstatt des normalen<br />

Haferbreis gekochten Reis, den er vorgekaut hatte. Dabei stellte er fest, dass dieser<br />

seine Süße verlor. Es machte den Schüler traurig, da er seinem Meister nicht den<br />

Reis mit seinem vollen Geschmack servieren konnte.<br />

Wieder dachte er gründlich darüber nach, ob es noch eine andere nahrhafte<br />

Speise gäbe, die sein Lehrer ohne Schwierigkeit essen könnte. Er wusste, dass<br />

Sojabohnen sehr nahrhaft waren. So kochte er sie, zerstieß sie und drückte sie<br />

zusammen, so dass sie eine weiche und schmackhafte Mahlzeit ergaben. Das Essen,<br />

das er geschaffen hatte, war Dubu (Tofu auf Japanisch), ein gesundes Essen, das bis<br />

in die heutige Zeit sehr beliebt ist.<br />

Zu einem späteren Zeitpunkt lebte ein weiterer erleuchteter Meister, der<br />

ebenfalls von einem jungen spirituellen Schüler bedient wurde.<br />

125


Der junge Praktizierende überlegte ernsthaft: „Was kann ich nur für meinen<br />

Meister tun, so dass er sich noch größere Verdienste vor Buddha und den Himmeln<br />

erwerben kann?“<br />

Er war tief in Gedanken versunken, wie er die Gesundheit seines Meisters<br />

durch die richtige Ernährung aufrechterhalten könnte. Der junge spirituelle<br />

Praktiker wusste, dass Rettich ein sehr nahrhaftes Gemüse ist. Eines Tages im<br />

Frühling mischte er viele Gemüsesorten mit einer würzigen Soße. Dann schnitt er<br />

einen Rettich in dünne Scheiben, legte diese in Wasser ein, fügte etwas Salz hinzu<br />

und ließ Blütenblätter im Wasser schwimmen. Als er das Gemisch probierte,<br />

schmeckte der Rettich zu scharf und bitter. Er salzte noch einmal nach, aber es<br />

schmeckte immer noch nicht sonderlich gut.<br />

Er probierte weiter und entwickelte die Idee, den gesalzenen Rettich in einen<br />

Tonkrug zu legen und für eine Weile gären zu lassen. Auf diese Weise war der<br />

Rettich vom Salz konserviert und konnte im Gefäß schmackhaft gären. Als er den<br />

Rettich heraus nahm und aß, schmeckte er vorzüglich. So entstand Kimchi.<br />

Kimchi ist für die Koreaner über Tausende von Jahren seit seiner Entdeckung<br />

unentbehrlich. Als eingelegtes Essen mit wenig Fett aber vielen Vitaminen und<br />

Ballaststoffen, enthält es auch den medizinische Wirkstoff lactobacillus. Daher<br />

gewann das fermentierte Gemüse bei Menschen aus aller Welt wegen seiner<br />

gesundheitlichen Vorteile viel Aufmerksamkeit.<br />

Dubu- und Kimchi- Gerichte, die auf der Basis von nahrhaften Sojabohnen und<br />

Rettichgemüse beruhen, wurden beide von jungen spirituellen Praktizierenden für<br />

ihren erleuchteten Meister hergestellt.<br />

126


Kim Jip und Yi Yulgok<br />

Kim Jip (1574-1656) war unter den ersten neu konfuzianischen Gelehrten<br />

während der Regierung von Königs <strong>Hyo</strong>jong. Er war auch ein Schüler des<br />

großartigen Gelehrten Yulgok.<br />

Eines Tages kam ein Freund mit einem Anliegen zu Yulgok.<br />

„Wie du weißt“, sagte er, „leidet meine Tochter unter einer mentalen Störung,<br />

und aus diesem Grund ist ihre Entwickelung zurückgeblieben Es wäre für einen<br />

gewöhnlichen Menschen unmöglich, sie zu heiraten. Nur für einen Weisen oder<br />

Erleuchteten wäre es möglich, als Ehemann mit ihr zu leben. Wenn du eine solche<br />

Person unter deinen Schülern kennst, bitte stelle ihn mir vor.“<br />

Nachdem er das ernst zu nehmende Anliegen seines Freundes gehört hatte,<br />

dachte Yulgok für ein paar Tage darüber nach. Dann sagte er eines Morgens zu<br />

seinen Schülern: „Ihr braucht morgen kein Mittagessen mitzubringen. Ich selbst<br />

werde das Essen für euch zubereiten.“<br />

Die Schüler waren alle sehr aufgeregt, weil ihr Meister Essen für sie zubereiten<br />

würde. Als sie am nächsten Tag sahen, was ihr Lehrer zubereitet hatte, waren sie<br />

sehr enttäuscht, denn das Essen bestand aus bitterer Gemüsesuppe und gedünsteter<br />

Gerste.<br />

Da Yulgoks Schüler alle aus wohlhabenden Familien kamen, hatte keiner von<br />

ihnen so etwas je zuvor probiert. Die meisten Schüler konnten sich nicht<br />

überwinden zu essen. Nur ein junger Mann aß alles, was man ihm aufgetischt hatte.<br />

Der junge Gelehrte war Kim Jip.<br />

Yulgok fragte ihn: „Alle sagen, dass das Essen so bitter schmeckt. Hast du das<br />

127


nicht auch so empfunden?“<br />

Kim Jip erwiderte respektvoll: „Das Essen war auch für meinen Geschmack<br />

bitter, aber ich konnte es nicht erdulden das wertvolle Essen zu verschwenden, das<br />

mein Lehrer zubereitete. Deswegen habe ich alles aufgegessen.“<br />

Als er das hörte, spürte Yulgok, dass Kim Jip eine Person mit seltenem<br />

Charakter war. Er erklärte ihm, dass es ein Mädchen gab, das unter einer mentalen<br />

Verzögerung litt. Er sagte ihm, würde er sie heiraten, könnte dies eine gute<br />

Möglichkeit für ihn sei, seinen Geist auszubilden und seinen Charakter noch<br />

ehrenwerter zu machen.<br />

Zu dieser Zeit respektierten die Menschen die Ratschläge ihrer Lehrer und<br />

befolgten sie mit absolutem Vertrauen. Die Lehrer wurden als spirituelle Eltern<br />

betrachtet. Aus diesem Grunde befolgte Kim Jip Yugoks Empfehlung und heiratete<br />

die Tochter des Freundes von seinem Lehrer.<br />

Viele Jahre später gab es eines Tages eine Zeremonie für die Vorfahren zu<br />

Hause bei Kim Jip. Es gab viele verschiedene Gerichte für das Opfermahl. Als die<br />

Zeremonie anfangen sollte, kam Kim Jips Frau zu ihm und zog wie ein kleines<br />

Kind an seinem Ärmel, weil sie etwas von den Datteln haben wollte. Kim Jip nahm<br />

schnell eine Handvoll Datteln von dem Tisch mit den Opfergaben und gab sie<br />

seiner Frau.<br />

Zu dieser Zeit waren die Zeremonien für die Vorfahren eine wahrlich ernsthafte<br />

Angelegenheit und sie wurden mit großer Festlichkeit abgehalten. Die Teilnehmer<br />

badeten vor der Zeremonie, um so rein als möglich zu sein. Der Zwischenfall<br />

ereignete sich, während sie die Opfergaben zubereiteten. Das älteste<br />

Familienmitglied tadelte Kim Jip dafür.<br />

„Du bist ein Gelehrter und vom Adel dieses Landes anerkannt, wie konntest du<br />

nur deiner Frau Essen geben, bevor du es den Vorfahren angeboten hast?“<br />

Kim Jip erwiderte: “Ich bin mir darüber im Klaren, dass diese Tat unangebracht<br />

128


war. Jedoch halten wir diese Zeremonien ab, um unsere Vorfahren zu ehren. Damit<br />

sie glücklich sein können, muss unsere Familie in harmonischer Stimmung sein.<br />

Wenn meine Frau angefangen hätte zu weinen oder in Rage geraten wäre, weil ich<br />

ihr die Datteln verweigert hätte, wären unsere Vorfahren, die uns an diesem<br />

besonderen Tag beehren, sicherlich verärgert gewesen. Aus diesem Grund gab ich<br />

ihr die Datteln. Die ganze Situation ist aus mangelnder Tugendhaftigkeit<br />

meinerseits entstanden. Bitte vergebt uns.“<br />

Nachdem die Ältesten die Beweggründe von Kim Jip gehört hatten waren sie<br />

von seiner Klugheit und Weisheit beeindruckt.<br />

Er wurde später Innenminister und im hohen Alter machte er einen<br />

signifikanten Beitrag zur Literatur, denn er übersetzte „Studies of Korean<br />

Courtesy“.<br />

129


Der Gelehrte mit den hundert Flicken<br />

Vor 1500 Jahren während der Herrschaft des Shilla-Königs Chabi lebte ein<br />

tugendhafter Gelehrter dicht am Berge Namsan in der Stadt Kyongju. Wegen der<br />

Bescheidenheit seiner Wünsche und seiner stetigen Demut trug er Kleidung, die an<br />

vielen Stellen mit Hanf geflickt war. Es gab Zeiten, in denen seine Kleidung an<br />

mehr als hundert Stellen mit Flicken übersät war. Deshalb nannten ihn die Leute<br />

Paekgyol Sonsaeng – „Der Gelehrte mit den hundert Flicken“.<br />

Weder war er im Geringsten über seine Armut beschämt noch beschwerte er<br />

sich darüber. Er besaß ein Komungo, ein Musikinstrument mit sechs Saiten. Er trug<br />

es stets bei sich, wohin er auch ging, so dass er Musik für die Leute spielen konnte.<br />

Während er spielte sorgte er dafür, dass sie sich entspannten und sie ihre Betrübnis<br />

und ihr Mühsal vergessen konnten.<br />

Einst, an einem letzten Tag des Jahres, als die Stadt vom Geräusch der<br />

Menschen, die gedünsteten Reis und Reiskuchen zubereiteten, belebt war, sagte die<br />

Frau des Gelehrten, die leise dem Geschehen lauschte, mit einem Seufzer: „Alle<br />

unsere Nachbarn sind damit beschäftigt, Reis für das Neujahrsfest zu mahlen, aber<br />

wir haben kein einziges Korn. Wie sollen wir das Neujahr feiern?“<br />

Als er hörte wie seine Frau sich beklagte, fing Paekgyol an zu lachen.<br />

„Meine Liebe“, sagte er, „Leben und Tod hängen vom Schicksal ab, Armut und<br />

Reichtum vom Himmel. Also können wir nicht verhindern ob Armut oder<br />

Reichtum zu uns kommt. Wenn wir davon verlassen werden, können wir dem nicht<br />

hinterherlaufen. Also warum bist du besorgt? Komm, ich werde dich mit Musik<br />

aufmuntern.“<br />

130


Er begann, die Komungo zu spielen. Die Musik, die er spielte, hatte zuvor noch<br />

keiner gehört. Sie klang wie das Geräusch des Mahlens nach einer guten Ernte.<br />

Nachdem seine Frau den freudigen Klängen der Komungo gelauscht hatte, fühlte<br />

sie wie alle anderen ihre Sorgen dahinschmelzen. Das fröhliche Volkslied, Pang-ah<br />

Taryong (Lied des Mahlens) wird bis zum heutigen Tage gespielt.<br />

131


Die Ländereien von Bok Jang-han<br />

Kwon Supyong war ein Regierungsbeamter aus Andong in der Koryo-Periode.<br />

Sein Erscheinen war erhaben und stattlich und sein Charakter war sanft und<br />

aufrichtig. Er hatte die staatliche Prüfung kürzlich bestanden und war ein eifriger<br />

Gelehrter. Trotzdem war er ein armer Mann.<br />

Während er als niederer Beamter diente, wurde ein Mann namens Bok Janghan<br />

aufgrund nicht stichhaltiger Beweise ins Exil geschickt. Als dieser ging,<br />

wurden vom Staat dessen Ländereien Kwon zugesprochen. Ebenso erhielt er das<br />

Recht, die Ernteerträge zu behalten.<br />

Viele Jahre später wurde Bok aus dem Exil zurückberufen. Er kehrte zurück,<br />

um in einer amtlichen Funktion zu agieren. Obwohl Bok und Kwon einander kaum<br />

kannten, stellte Kwon eine Inventur von allen Erträgen zusammen, die das Land<br />

erbracht hatte und ging ihn besuchen.<br />

„Wie ich hörte, bist du aus dem Exil zurück“, sagte er. „Als du weg warst habe<br />

ich alles geerntet, was auf deinem Land angebaut war. Ich würde dir gerne<br />

zurückzahlen, was ich eingenommen habe.“<br />

Bok war bewegt, sagte aber: „Ich bin aufgrund eines Urteilsspruchs<br />

weggeschickt worden. Wenn du mein Land nicht erhalten hättest, hätte es der Staat<br />

jemand anderem gegeben. Das Konfiszieren des Eigentums eines Verbrechers und<br />

das Weiterreichen des Landes an einen anderen Beamten ist Gesetz in diesem Land.<br />

Du hast Mitleid mit meiner Situation gezeigt und ich wäre schon darüber dankbar<br />

gewesen, wenn du mir meine Ländereien zurückgegeben hättest. Jetzt aber<br />

versuchst du mir sogar die Ernteerträge zurückzugeben. Das ist wirklich<br />

132


eispiellos.“<br />

Kwon jedoch wies alles zurück und entgegnete: „Dein Unglück ausnutzen zu<br />

wollen und Profit aus deinen Ländereien zu schlagen, wäre nicht in Ordnung. Wie<br />

könnte ich diese Erträge mein Eigen nennen wenn du, bewiesenermaßen<br />

unschuldig, aus dem Exil zurückkommst?“<br />

Kwon legte die Inventurliste auf den Tisch und verließ schnell den Raum. Bok<br />

fühlte immer noch, dass er sie nicht akzeptieren konnte und wollte sie ihm<br />

zurückgeben. Also nahm er die Liste, warf sie vor die Tür und verschloss beim<br />

Hineingehen die Tür von innen.<br />

Nachdem Kwon eine Weile lang auf das verschlossene Tor geblickt hatte,<br />

nahm er die Liste, band sie an einen Stein und warf sie über die Mauer auf Boks<br />

Grundstück.<br />

133


Ein Vermögen weggeben<br />

In der Zeit der gewählten Dynastie, in der Regierung von König Yongjo, lebte<br />

ein Gelehrter namens Kim Jae-hae. Er kaufte einst ein Haus von einer Witwe.<br />

Eines Tages grub er die Erde um, da er einen Zaun aufstellen wollte. Nachdem er<br />

eine lange Zeit gearbeitet hatte, stieß er auf etwas Hartes.<br />

Er legte seine Hacke zur Seite und begann mit den Händen weiter zu graben. Er<br />

entdeckte eine große Urne, die dort vergraben war. Vorsichtig hob er den Deckel<br />

hoch und war überrascht, darin Gold zu finden.<br />

„Was für ein Glück!“, rief er aus, „Jetzt bin ich reich.“<br />

Weil er in seine Studien vertieft war, hatte er Geldsorgen. Nachdem er das<br />

Lager mit dem Gold gefunden hatte dachte er, dass der Himmel ihm endlich Güte<br />

zeigte. Vorsichtig grub er um die Urne herum und hob sie heraus. Als er die Menge<br />

Gold sah wurde ihm bewusst, dass es mindestens drei wenn nicht sogar vier Mal<br />

soviel wert war wie sein neues Haus.<br />

Als er jedoch vor der Urne saß, wurde er von Unbehagen erfasst. Obwohl er<br />

das Gold in dem Haus gefunden hatte, welches er gerade von seinem eigenen Geld<br />

gekauft hatte, kam ihm in den Sinn, dass die Urne vielleicht jemandem gehörte.<br />

Als er merkte, dass er sich von Gier hatte blenden lassen, riss er sich zusammen<br />

und dachte scharf nach. Den Besitz Anderer zu begehren, war ein unkluger Weg,<br />

folgerte er. Für einen weisen Mann wäre es das Richtige, den rechtmäßigen<br />

Besitzer zu finden. Als er diese Entscheidung getroffen hatte, fühlte er sich gleich<br />

viel besser. Er rief seine Frau zu sich, berichtete, was passiert war und schlug vor,<br />

das Gold der vorherigen Hausbesitzerin zurückzugeben. Ohne zu zögern willigte<br />

134


seine Frau ein und sie verfassten einen Brief an die Witwe, die ihnen das Haus<br />

verkauft hatte.<br />

Als die Witwe den Brief las, war sie zutiefst berührt von der Ehrlichkeit der<br />

beiden. Ein paar Tage später besuchte sie den Gelehrten und sagte:<br />

„Obwohl das Gold aus dem Boden meines ehemaligen Grundstücks kommt,<br />

muss es dort eine lange Zeit vergraben gewesen sein. Wie sollte ich diese Tatsache<br />

verbergen und es jetzt mein Eigen nennen? Falls es unmöglich ist, den Eigentümer<br />

zu finden würde ich vorschlagen, dass wir es teilen.“<br />

Die Frau des Gelehrten erwiderte:<br />

„Vielen Dank, aber wir können dieses freundliche Angebot nicht annehmen.<br />

Wenn wir das Gold gewollt hätten, dann hätten wir niemandem davon erzählt.“<br />

Überrascht von dieser unerwarteten Antwort fragte die Witwe:<br />

"Warum besteht ihr darauf mir alles zu geben obwohl es mir nicht gehört?"<br />

Die Frau des Gelehrten erwiderte ruhig:<br />

„Keiner von uns weiß, wer der eigentliche Besitzer ist. Jedoch während ich<br />

einen Mann habe und unseren Haushalt ohne große Schwierigkeiten führen kann,<br />

musst du hingegen allein arbeiten und den Haushalt führen. Das ist wirklich eine<br />

schwierige Aufgabe. Deshalb behalte das Gold bitte für dich.“<br />

Mit diesen Worten überreichte sie der Witwe die Urne. Dankbar und beschämt<br />

wusste die Witwe nicht was sie tun sollte. Weil die Frau des Gelehrten so tat, als ob<br />

es vollkommen normal wäre, dass sie das Gold erhielt, konnte die Witwe keine<br />

Worte der Dankbarkeit finden. Sie nahm die Urne mit nach Hause und vergaß die<br />

Güte der beiden Leute niemals.<br />

135


Wahrer Wohlstand<br />

Ein Leben voller Reinheit und Einfachheit, frei von Streben nach materiellem<br />

Wohlstand, dies war eine Wertvorstellung, die von den altertümlichen Weisen und<br />

der Philosophie der koreanischen Sunbi, gelehrt wurde. Es gehört zur Praxis der<br />

Sunbi, sich um ein Leben voller Reinheit und Genügsamkeit zu bemühen, auch<br />

wenn ihr sozialer Status anstieg. Wenn sich ihre Position in der Regierung um eine<br />

Stufe erhöhte, ließen sie die Anzahl der Räume im Haus um einen Raum verringern,<br />

hatten eine Beilage weniger beim Essen und ließen sich in jenem Jahr keine neuen<br />

Kleider machen.<br />

Die Lebensweise der Sunbi war in zehn Regeln dargelegt (Kor. Sip Yo). Nach<br />

diesen Regeln sollte ein Sunbi nicht mehr als das folgende besitzen: Ein<br />

Bücherregal, ein Set Komungos, einen Freund, ein paar Schuhe, ein Kissen, ein<br />

Papierfenster, ein Kohlefeuer, eine Holzveranda, ein Spazierstock und eine<br />

Maultier. Dies gestattet uns einen Einblick in das Leben und die Geisteshaltung<br />

von einem Sunbi, welcher wusste wie man spirituellen Wohlstand über dem<br />

materiellen Wohlstand genießen kann.<br />

Sang Yong-bu aus Imchon war ein wohlhabender Mann, der große<br />

Bewunderung mit seiner lobenswerten Geschäftsmethode erlangt hatte, Menschen<br />

in plötzlicher Not Geld zu leihen. Am letzten Tage eines jeden Jahres nahm er die<br />

Schuldscheine mit den Details über die Häuser seiner Schuldner aus seinem Tresor<br />

und verbrannte sie im Garten vor seinem Haus. Es begeisterte ihn, den Rauch von<br />

knisterndem Papier zum Himmel aufsteigen zu sehen.<br />

Viele Menschen sagten, dass seine Nachkommen wegen seiner tugendhaften<br />

136


Handlungsweise erfolgreich sein würden. Im Endeffekt wurde sein Enkelsohn Sang<br />

Jin während der Herrschaft König Myongjongs ein angesehener Ministerpräsident.<br />

Viele Sunbi verbrannten Schuldscheine am letzten Tage des Jahres. Es war<br />

üblich, die Schulden nach drei Jahren zu erlassen, wenn die Schuldner noch immer<br />

in finanziellen Schwierigkeiten waren. Man dachte, dass es unweigerlich mit<br />

Unglück bestraft würde, großen Profit aus überlebenswichtigen Waren zu schlagen,<br />

wie zum Beispiel aus Häusern, Essen oder Kleidung.<br />

Nach dem Glauben, dass ein Leben voller Reinheit und Großzügigkeit Glück<br />

bringt, während ein Leben voller Gier und Egoismus das Gegenteil bewirkt, war<br />

das reine und einfache Leben die wahre Form des Wohlstandes für die Sunbi aus<br />

Korea.<br />

137


Der mitfühlende Herr<br />

Während der Herrschaft König Sejongs des Großen, diente Yoon Hwae (1380<br />

~ 1436) als Vizepräsident der Chiphyonjon (Königliches Forschungsinstitut) und<br />

als Bildungs- und Kunstminister. Man betrachtete ihn seinerzeit als den<br />

versiertesten Autor von Gedichten und Prosa. Er wurde oftmals persönlich vom<br />

König eingeladen.<br />

Eines Tages, als er jung war, reiste Yoon durch die Landschaft und hielt an<br />

einem Gasthof an, als es dunkel wurde. Der Besitzer des Gasthofs hatte jedoch kein<br />

Zimmer für ihn frei und konnte ihn nicht beherbergen.<br />

Ohne eine andere Möglichkeit zu finden verbrachte Yoon die Nacht unter<br />

einem Dachvorsprung. Von diesem Aussichtspunkt aus wurde er zufälligerweise<br />

Zeuge, wie die Tochter des Besitzers aus dem Haus trat und eine große Perle auf<br />

dem Hof fallen lies. In diesem Moment kam schnell eine Ente vorbei und fraß die<br />

Perle im Glauben dass es Futter sei.<br />

Als der Besitzer des Gasthofs herausfand, dass die Perle fehlte, verdächtigte er<br />

Yoon Hwae. Er fesselte ihn mit einem Seil und entschied sich, ihn am nächsten<br />

Tag zum Amtsgericht zu bringen, um ihn anklagen zu lassen. Yoon versuchte sich<br />

nicht zu verteidigen oder zu rechtfertigen, sondern schlug nur vor, dass die Ente<br />

neben ihm gefesselt werden sollte.<br />

Am nächsten Morgen kam der Besitzer, um ihn mitzunehmen. Mit ruhigem<br />

Gesichtsausdruck sagte Yoon zu ihm, er möge die Exkremente der Ente anschauen.<br />

Der Besitzer fand dies merkwürdig, schaute aber doch hin und sah die Perle<br />

seiner Tochter darin liegen. Überrascht fragte er mit einem Zeichen des Bedauern:<br />

138


„Warum hast du denn gestern nichts gesagt? Auf diese Weise hätten wir diese<br />

Situation vermeiden können.“<br />

Yoon lächelte still und sagte: „Wenn ich dir das gestern gesagt hätte, hättest du<br />

zweifelsohne die Ente aufgeschnitten um die Perle zu finden.“<br />

Der Besitzer war beschämt und konnte nichts erwidern.<br />

139


Geben im Stillen<br />

Während der Herrschaft des Königs Wonjong (1259~1274) in der Koryo-<br />

Dynastie lebte ein Mann namens Yoon Sung. Nahe bei seinem Haus wohnte ein<br />

armer Beamter niederen Rangs.<br />

Eines Abends, als Yoon gerade ins Bett gehen wollte, hörte er von draußen ein<br />

seltsames Geräusch. Er legte seine Bettdecke zur Seite und machte sich auf den<br />

Weg, um zum Ort des Geräusches zu gehen. In seinem Garten bot sich ihm ein<br />

merkwürdiges Bild. Der Beamte niederen Ranges, der in der Nähe lebte, steckte in<br />

einem Loch im Zaun fest und versuchte krampfhaft sich zu befreien.<br />

Yoon ging zu ihm und fragte: „Was machst du hier? Weshalb bist du<br />

gekommen?“<br />

Der Mann hörte auf zu strampeln und gestand:<br />

„Die Wahrheit ist, dass wir kein Essen mehr haben und ich bin hierher<br />

gekommen, um einen Sack Getreide zu stehlen. Ich habe ein Loch in den Zaun<br />

geschnitten und das Lagerhaus gefunden. Aber als ich mich auf dem Rückweg<br />

befand, stellte ich fest, dass das Loch zu klein war und jetzt stecke ich fest. Bitte<br />

vergebt mir.“<br />

Yoon half dem Mann, sich zu befreien. Beschämt versuchte der Beamte<br />

wegzulaufen, aber Yoon lief hinter ihm her und hielt ihn fest. Er reichte ihm den<br />

Sack mit dem Getreide, den er zurückgelassen hatte und sagte: „Du bist in diese<br />

Situation gekommen, weil du hungrig bist und du hast nichts Unrechtes getan. Da<br />

die Leute in meinem Haus nichts mitbekommen haben, nimm den Sack aus<br />

meinem Lagerhaus mit. Dieser Zwischenfall soll unter uns bleiben."<br />

140


Außerordentlich gerührt von diesem Erbarmen kniete der arme Beamte nieder<br />

und dankte Yoon zutiefst. Mit Tränen in den Augen ging er mit dem Sack voller<br />

Getreide auf seinem Rücken davon.<br />

Yoon hielt sein Versprechen und sagte seiner Familie nichts von dem<br />

Zwischenfall. Als festgestellt wurde, dass ein Sack Getreide fehlte, ging man davon<br />

aus, dass es das Werk eines Diebes war und dabei wurde es belassen.<br />

Einige Zeit später bekam der Beamte sein Gehalt. Er kam mit Reiswein und<br />

anderen Delikatessen als Geschenke zu Yoon und erbot ihm tränenreich seinen<br />

aufrichtigen Dank.<br />

141


Pukchon-daek aus dem Dorf Hahwe<br />

Im südöstlichen Teil der koreanischen Halbinsel gibt es in der Nähe von<br />

Andong ein Dorf namens Hahwe. Dort lebte die Ryu Sippe, welche ursprünglich<br />

aus der Gegend um Pungsan kam.<br />

Hahwe liegt zwischen den Hügeln des Berges Taebak. Es ist ein sehr<br />

friedliches Dorf mit malerischen Häusern, die mit Ziegeln gedeckt waren, und mit<br />

Stroh gedeckten Hütten. Der Fluss Nakdong fließt anmutig um das Dorf auf seinem<br />

Weg zum Meer. Der ruhige und wunderschöne Ort wird oft als "Stadt des Adels"<br />

bezeichnet, da er viele hochrangige Beamte, wie zum Beispiel den<br />

Ministerpräsidenten Yu Song-ryong, hervorgebracht hat.<br />

Es gibt viele historische Häuser in Hahwe, aber „Pukchon-daek“ (wörtlich<br />

‚Haus des nördlichen Dorfes’) gilt als eines des schönsten traditionellen Häuser in<br />

ganz Korea. Es ist das größte Haus im Dorf. Es umfasst ungefähr eine Fläche von<br />

zwei Morgen und enthält insgesamt 72 Zimmer. Die Hausgemeinschaft war<br />

wohlhabend und genoss über sieben Generationen hinweg großes Ansehen.<br />

Das Haus in der Stadt Andong wurde während der Flut berühmt, die im<br />

Sommer 1859 statt gefunden hat.<br />

Als eine Fähre eines Abends Leute von einer Trauerfeier nach Hahwe brachte,<br />

kenterte diese in der Flut.<br />

Damals gab es keine Taschen- oder Straßenlampen und demzufolge war es<br />

stockfinster. Die Leute im Wasser riefen um Hilfe, aber es gab keine Boote in ihrer<br />

Nähe, um sie zu retten.<br />

Glücklicherweise gab es am Ufer einen Haufen getrocknetes Chunyang (eine<br />

142


Kiefersorte die in den Bergen der Kangwon-Provinz wächst). Ryu Dosung,<br />

Gouverneur der Kyongsang-Provinz, hatte das Holz seit drei Jahren zum Trocknen<br />

aufgestapelt, um ein Haus mit Ziegeldach aus ihnen bauen zu können. Da<br />

Chunyang-Bäume normalerweise gerade wachsen und nicht knorrig werden, waren<br />

sie dazu geeignet, solche Häuser zu bauen.<br />

Um die Leute zu retten, warf Ryu das Holz ins Wasser, so dass sie sich daran<br />

festhalten konnten. Das übrig gebliebene Holz wurde zum Feuermachen verwendet,<br />

um Wärme und Licht für die Überlebenden zu bieten. Viele Leben wurden so<br />

durch seine Bemühungen gerettet.<br />

Später ersetzte Ryu das Chunyang-Holz und wartete weitere drei Jahre, bis das<br />

Bauholz getrocknet war, um sein Haus bauen zu können. Das Haus wurde<br />

„Pukchon-daek“ genannt und steht dort noch heute. Auch nach 150 Jahren sind<br />

seine Nachkommen sowohl auf seinen edelmütigen Geist stolz als auch auf das<br />

Ziegeldachhaus, das er gebaut hatte.<br />

143


Die Reistruhe von Wunjoru<br />

In der Stadt Kurye in der Cholla-Provinz gibt es ein Haus, das von Yu Yiju<br />

(1726~1797) erbaut wurde. Er diente als Gouverneur während der Herrschaft des<br />

Königs Youngjo. Der Name des Hauses war „Wunjoru“, was wörtlich „Haus des<br />

sich in den Wolken versteckenden Vogels“ heißt.<br />

In diesem Haus gibt es eine Reistruhe, die von Generation zu Generation<br />

weitergereicht wurde. Es ist eine zylinderförmige Truhe, die aus einem<br />

ausgehöhlten Baumstamm gebaut war. An der Unterseite der Truhe gibt es ein<br />

viereckiges Loch (5x10 cm). An dessen Pfropfen gibt es eine eingeschnitzte<br />

Inschrift die besagt: „Für irgendjemand und jeden“. Diese Inschrift soll bedeuten,<br />

dass sich jeder von dem Reis nehmen kann.<br />

Die Yu-Familie benutzte diese Truhe, um bedürftigen Menschen in der Gegend<br />

zu helfen. Reisende, die vorbeikamen, nahmen sich ebenfalls Reis aus der Truhe.<br />

Um die Würde der Leute zu bewahren, wurde die Truhe weit weg von dem<br />

Hauptgebäude aufgestellt, so dass die Benutzer nicht dem Besitzer begegnen<br />

würden.<br />

Bis zu zweieinhalb Säcke Reis (200 kg) passten in diese Truhe. Wenn der<br />

Pfropfen mit der Inschrift gedreht wird, kommt Reis aus dem Loch am Boden. Die<br />

meisten Leute entnahmen nie mehr als zwei bis vier Liter Reis, obwohl die Besitzer<br />

sie nie dort beobachtet haben.<br />

Das Wunjoru-Anwesen umfasste fast 20 Morgen mit Reisfeldern, welche<br />

jedes Jahr mehr als 200 Säcke Reis einbrachten. Da 36 Säcke für die Truhe<br />

verwendet wurden, gab die Familie Yu fast ein Fünftel ihres gesamten Ertrags weg,<br />

144


um Menschen in der Not zu helfen.<br />

Der Besitzer des Hauses überprüfte den Inhalt der Truhe am Ende jedes<br />

Monates. Falls jemals etwas Reis übrig war, sagte er zu seiner Schwiegertochter:<br />

„Wir müssen die Tugend des Gebens üben, damit die Familie gedeihen kann. Bitte<br />

kümmere dich darum, dass kein Reis am Ende des Monats übrig bleiben wird.“<br />

Die Kurye-Gegend war berüchtigt für viele Bauernaufstände, die dort gegen<br />

Ende der Choson-Dynastie stattgefunden haben, und auch für den Partisanenkrieg<br />

während des Koreakriegs. Zweifellos überstand das Haus der Yu diesen<br />

stürmischen Abschnitt der Geschichte wegen ihrer Güte, die die Herzen von vielen<br />

Menschen erwärmt hatte.<br />

145


Kim Manduk, Jeju Inseln „Dame der Tugend“<br />

Kim Manduk, bekannt als die „Dame der Tugend“ auf den Jeju-Inseln, wurde<br />

1739 als einzige Tochter in eine fünfköpfige Familie geboren.<br />

Manduks Vater war für seinen Fleiß bekannt und ein kluger Geschäftsmann. Er<br />

war ein Kaufmann, der zwischen der Inseln Jeju und dem Festland Korea hin und<br />

her reiste, um Handel zu treiben. Er lieferte Meeresprodukte wie Meeresalgen,<br />

Abalone-Muscheln, Austern und brachte im Gegenzug als Handelsgut Reis vom<br />

Festland nach Jeju.<br />

Im Herbst des Jahres, in dem Manduk elf Jahre alt wurde, geriet ihr Vater<br />

jedoch in einen fürchterlichen Sturm auf See und kam dabei ums Leben. Diese<br />

Tragödie war für Manduks Mutter nicht auszuhalten und innerhalb von eineinhalb<br />

Jahren starb auch sie.<br />

Da Manduk und ihre Geschwister ihre Eltern in jungen Jahren verloren hatten,<br />

wurden sie in die Obhut ihres Onkels gegeben. Als sich jedoch sein Vermögen<br />

verringerte, schickte er Manduk zu einem alten Kisaeng (Unterhaltungskünstler).<br />

Dieser entdeckte ihr Talent fürs Singen, Tanzen und Musizieren und ließ sie als<br />

Kisaeng registrieren. Zu dieser Zeit herrschte in Korea eine sehr strenge<br />

hierarchische Ordnung, wobei die Kisaengs der niedrigsten Klasse angehörten. Als<br />

das Mädchen älter wurde und merkte, wie die Öffentlichkeit sie trotz ihrer<br />

Herkunft aus einer angesehenen Familie wahrnahm, hoffte sie zu ihrem alten Status<br />

zurückzugelangen. Sie appellierte viele Male an die zuständige Behörde, wurde<br />

aber jedes Mal abgelehnt. Sie gab nicht auf und traf schließlich den Gouverneur der<br />

Insel Jeju, Sin Kwang-ik. Dieser hörte sich ihr Gesuch an und erlaubte ihr<br />

146


schließlich aus dem Kisaeng-Register entfernt zu werden. Im Alter von zwanzig<br />

Jahren heiratete sie einen Mann namens Ko Sunheum. Dieser starb jedoch bald an<br />

einer Infektionskrankheit.<br />

Da Manduk in ihren jungen Jahren in so kurzer Zeit so viele Schicksalsschläge<br />

erlitten hatte, fing sie an Geld zu sparen und ein sparsames und fleißiges Leben zu<br />

führen. Sie nutzte die Vorteile Jejus als Hafenstadt und eröffnete ein Gasthaus für<br />

reisende Kaufleute. Es war nicht nur Platz zum Schlafen vorhanden, sondern sie<br />

bot auch kommerzielle Leistungen an wie zum Beispiel die Handhabung und den<br />

Verkauf von Handelsgütern sowie deren Versand.<br />

Mit ihrer natürlichen Begabung fürs Geschäft hatte sie mit ihrem Gasthaus bald<br />

sehr viel Erfolg. Ihre Erfahrungen als Kisaeng nutzte sie um Textilien, Kosmetik,<br />

Schmuckwaren und dergleichen an die adligen Frauen zu verkaufen. Sie handelte<br />

auch mit Spezialitäten aus Jeju wie zum Beispiel Mandarinen und Geweihe von<br />

jungen Hirschen und verkaufte diese an das Festland. Sie strebte danach, die<br />

Geschäfte am Hafen zu verstärken und hatte schon bald ihr eigenes Schiff. In einer<br />

Zeit, in der talentierte Frauen oft übersehen oder sogar unterdrückt wurden, war sie<br />

bald ein allgemeines Gesprächsthema. Trotz ihres Erfolges führte sie ein einfaches<br />

Leben. Sie glaubte, dass man in einem Jahr mit einer guten Ernte für ein Jahr mit<br />

einer schlechten Ernte sparen muss. Diejenigen, die im Wohlstand leben, sollten an<br />

die Notleidenden denken, sollten sparsam leben und dem Himmel dankbar sein.<br />

Im Jahre 1794, als Manduk etwa fünfzig Jahre alt war, geriet ganz Jeju als<br />

Folge von vielen Orkanen, welche die Insel heimsuchten, in eine Hungersnot.<br />

Angesichts der katastrophalen Schäden durch das Unwetter bat der Gouverneur<br />

von Jeju das Königshaus mit folgenden Worten um Unterstützung: „Starke östliche<br />

Winde fegten am 27. und 28. August über die Insel und ließen Dächer einstürzen<br />

und Steine rollen.“ Im Februar des folgenden Jahres sanken fünf Schiffe mit<br />

Versorgungsgütern in einem Sturm. Jeju erwartete eine Missernte für den Frühling<br />

147


und der Tod warf einen bitteren Schatten über die Insel.<br />

In der Zwischenzeit dachte Manduk: „Ist nicht mein ganzer Wohlstand von den<br />

Menschen aus Jeju gekommen? Was für einen Nutzen hat dann mein Wohlstand?<br />

Da dieser Wohlstand von den Leuten kommt, sollte ich diesen ihnen wieder<br />

zurückgeben.“ Sie nutzte ihr Geld dafür, 500 Säcke Getreide zu kaufen. Sie teilte<br />

ein Zehntel mit ihren Verwandten und Freunden und gab die restlichen 450 Säcke<br />

an die Menschen weiter, um sie zu entlasten.<br />

Der Gouverneur von Jeju war über dieses Geschenk sehr überrascht. Die bis<br />

dahin größten Spenden waren von einem ehemaligen Justizbeamten namens Ko<br />

Hanlok mit 300 Säcken und vom Militäroffizier Hong Sampil sowie dem Gelehrten<br />

Yang Sungbum mit jeweils 100 Säcken gemacht worden.<br />

Der Gouverneur hatte Ko Hanloks Spende als „eine erstaunliche<br />

Menge“ bezeichnet. Der König hatte ihm die Anstellung als Obersten Amtsrichter<br />

gewährt und ihm später noch das Amt des Bürgermeisters angetragen. In<br />

Anerkennung ihrer Geschenke wurden Hong Sampil und Yang Sungbum zur<br />

Königlichen Garde berufen. Zu dieser Zeit hörte man den König sagen: “Wenn<br />

man in einem unfruchtbaren Land wie Jeju 100 Säcke spendet, sei das so, als ob<br />

man 1000 Säcke auf dem Festland spenden würde.“<br />

Deshalb war es nicht verwunderlich, dass der Gouverneur über Manduks<br />

Spende von 450 Säcken sehr erstaunt war, insbesondere weil sie dafür fast ihr<br />

gesamtes Vermögen ausgegeben hatte.<br />

Die Regierung von Jeju verteilte den von Manduk gespendeten Reis, den<br />

jeweiligen Bedürfnissen entsprechend, an die Bevölkerung. Die Straßen waren<br />

gefüllt mit dankbaren Menschen, die Manduks Namen riefen.<br />

Zur gleichen Zeit erreichte die Nachricht von Manduks Wohltat den Königshof.<br />

Diese Handlung aus Mitgefühl von einer Person, die nicht einmal Mitglied der<br />

Aristokratie war, bewegte den König Chongjo sehr stark. Dieser erteilte dem<br />

148


Gouverneur von Jeju sofort den Auftrag: „Führe jeden Wunsch aus, den sie hat,<br />

ungeachtet dessen wie schwierig er auch sein möge.“ Als sie davon erfuhr,<br />

wünschte sie sich etwas, das niemand erwartet hätte. Sie wünschte sich die<br />

Hauptstadt Seoul mit den Königlichen Palästen und den Berg Kumgang mit seinen<br />

12000 Gipfeln sehen zu dürfen.<br />

Obwohl es zu dieser Zeit Frauen verboten war die Insel zu verlassen, gewährte<br />

der König ihren Wunsch. Er stellte ein Pferd für die Reise zur Verfügung und<br />

befahl den Provinzgouverneuren auf ihrer Reise vom Süden zum Norden für ihre<br />

Bequemlichkeit zu sorgen.<br />

Als sie 1796 in der Hauptstadt ankam, gab der König ihr eine offizielle Stelle<br />

im Krankenhaus des Palastes, so dass sie vom König und der Königin empfangen<br />

werden konnte (Es war damals für Bürger gesetzlich verboten, direkt vom König<br />

und der Königin empfangen zu werden). Bei dieser Gelegenheit sagte der König:<br />

„Dass du Tausende vor dem Verhungern bewahrt hast, beruht auf einem<br />

heldenhaften Geist. Obwohl du nur eine Frau bist, ist deine Tat lobenswert.“ Mit<br />

diesen Worten überreichte er ihr Geschenke.<br />

Manduk blieb den Winter über in Seoul und im Frühling des darauf folgenden<br />

Jahres reiste sie zum Berg Kumgang, wo sie von dem großartigen Anblick der<br />

12000 Gipfeln belohnt wurde.<br />

Dort sah sie zum ersten Mal einen Tempel mit einer Buddha-Statue, vor der sie<br />

sich andächtig verbeugte.<br />

Als sie nach Seoul zurückkehrte, besuchte sie erneut den Palast und äußerte den<br />

Wunsch nach Jeju zurückkehren zu können, woraufhin der König sie erneut<br />

beschenkte.<br />

Zu dieser Zeit hat sich Manduks Name in der Hauptstadt herumgesprochen und<br />

viele suchten ihre Bekanntschaft, unter anderem auch Gelehrte und Adlige vom<br />

Hofe. Che Jegong, der Ministerpräsident, schrieb eine Biographie über Manduk<br />

149


und sogar große Gelehrte dieser Zeit wie Pak Jega, Jung Yakyong und Yi Kahwan<br />

hinterließen Verse zur Erinnerung an ihre Wohltaten – Wohltaten, die für<br />

Aristokraten, Beamte und sogar für den Staat schwierig zu vollbringen gewesen<br />

wären.<br />

Manduks Wünsche waren alle in Erfüllung gegangen, als sie nach Jeju<br />

zurückkehrte. Fünfzehn Jahre später, im Oktober 1812, starb sie im Alter von 74<br />

Jahren. Ihrem Wunsch gemäß wurde sie auf einem Berg begraben, der einen Blick<br />

auf die gesamte Insel bot.<br />

Die Provinz Jeju verleiht seit jeher jährlich den Manduk-Preis an eine Frau mit<br />

herausragenden Verdiensten in Erinnerung an die Tugend und die Gunst, die<br />

Manduk ihrer Heimatinsel zuteil werden ließ.<br />

150


Eine respektvolle und gütige Kultur<br />

Es ist eine alte Tradition in Korea, sich älteren Personen gegenüber<br />

respektvoll zu verhalten. Familien und Städte haben immer eine ältere Person als<br />

Haupt- und Leitfigur gehabt. Junge Menschen behandelten sie deshalb mit Respekt<br />

und verließen sich auf ihre Weisheit, um wichtige Entscheidungen zu treffen.<br />

Da diese Tradition noch immer in Korea gelebt wird, verbeugen sich die<br />

Jüngeren vor den Älteren. Sie wählen höfliche Ausdrucksformen und überlassen<br />

ihnen ihre Sitzplätze in Bussen oder Zügen. Sie benutzen beide Hände um<br />

Geschenke entgegenzunehmen und benehmen sich respektvoll in der Gegenwart<br />

von älteren Menschen.<br />

In koreanischer Gesellschaft ist es Pflicht, sich um seine Eltern und um ältere<br />

Menschen zu kümmern. Dies wird als ehrenwerte gesellschaftliche Verbindung<br />

betrachtet. Dahingegen ist Jung (Güte) das Band, das die Gesellschaft horizontal<br />

verbindet. Diese Tradition hat ihre Wurzeln in der koreanischen Kultur und<br />

Geschichte. Auch ihre alteingeführten Gepflogenheiten stammen daher; all das<br />

wurde durch Aufzeichnungen aus China bestätigt. Laut des Shan Hai Jing ( 山 海<br />

經 ), eine der ältesten geographischen Arbeiten, ist bekannt: „Koreaner verhalten<br />

sich immer in versöhnlichen Umgangsformen und streiten nicht miteinander“,<br />

„Sie sitzen stets schicklich und versuchen sich nicht gegenseitig zu schaden“,<br />

“Gegenseitiger Respekt und Zurückhaltung von Kritik“ und „Zögere nicht, dich<br />

selbst zu opfern, wenn ein Anderer in Not ist“. Dong Fang Shuo ( 山 海 經 ), ein<br />

bekannter Gelehrter aus der chinesischen Han-Dynastie, machte einen Kommentar<br />

151


zu der ehrlichen Natur von Koreanern, indem er sagte, „auf den ersten Blick<br />

erscheinen sie sehr naiv, aber in Wirklichkeit ist es Gutherzigkeit.“ ( 山 海 經 )<br />

Die Kultur von Jung – die bedeutet, dass man andere Leuten so behandeln soll<br />

als wären sie deine eigene Familie – machte einen starken Eindruck auf die<br />

Besucher des Landes. Claude-Charles Dallet, ein französischer Missionar, der zu<br />

Zeiten der späten Choson-Dynastie nach Korea gereist ist, berichtete über die<br />

Kultur von Jung in seinem Buch A History of Korean Catholicism (Die Geschichte<br />

des koreanischen Katholizismus):<br />

Ob es ein gänzlich Fremder oder ein Bekannter ist, halten die Koreaner es für<br />

eine Schande und eine große Beleidigung es abzulehnen, jemandem eine<br />

Mahlzeit zu servieren, der sie während der Essenszeit besucht. Normalerweise<br />

sind es gerade die armen Landwirte, die am Straßenrand ihr Mittagessen<br />

einnehmen, die anbieten, ihre Mahlzeit mit einem Vorbeikommenden zu teilen.<br />

Wenn es ein kleines Fest oder eine Feier gibt, wird erwartet, dass alle Nachbarn<br />

eingeladen werden. Wenn eine Person ohne viel Vermögen zu einem entfernten<br />

Ort reisen muss, um Freunde oder Familie zu besuchen, braucht sie keine lange<br />

Vorbereitungszeit für die Reise. Alles, was sie braucht, ist ein Wanderstock,<br />

eine Pfeife und einen kleinen Sack mit etwas Kleidung und Geld, falls sie etwas<br />

besitzt. Für Kost und Logis wird durch die Wohltätigkeit der Leute gesorgt.<br />

Nachts braucht sie kein Gasthaus zu finden. Sie muss nur zu einem Haus gehen,<br />

das Gasträume für alle Reisenden bereit hält und dort findet sie Schutz und<br />

Nahrung für die Nacht. Zu den Essenszeiten wird ihr definitiv eine Mahlzeit<br />

serviert. Wenn sie zu müde ist oder die Wetterbedingungen nicht vorteilhaft<br />

sind, kann sie für ein oder zwei Tage bleiben und niemand würde behaupten,<br />

dass sie Nutzen aus der Gastfreundschaft seines Wirts zöge.<br />

152


Aufgrund dieses Jung-Netzwerks waren alle Koreaner über das ganze Land<br />

miteinander verbunden, was egoistische Motive und persönliche Bereicherung<br />

hinfällig werden ließ. Dahingehend konnten Koreaner friedlich und mit guten<br />

Humor miteinander leben – auch in schwierigen wirtschaftlichen Situationen. In<br />

einem anderen Teil des Buchs A History of Korean Catholicism (Die Geschichte<br />

des koreanischen Katholizismus) schrieb Dallet:<br />

Für wichtige Angelegenheiten, wie zum Beispiel Hochzeiten und<br />

Beerdigungen, glaubt jede Person, dass es ihre Verpflichtung sei, zu helfen.<br />

Jeder bringt ein Geschenk mit und bietet die Unterstützung, die er geben kann.<br />

Einige sind dafür verantwortlich, die Lebensmittel zu besorgen; andere für die<br />

Vorbereitung der Zeremonie. Arme Nachbarn, die kein Geld zusteuern können,<br />

bieten sich freiwillig an, andere Nachbarn oder Verwandte, die weit weg leben,<br />

über die Veranstaltung zu benachrichtigen. Andernfalls bleiben sie die ganze<br />

Nacht auf, um notwendige Arbeiten zu verrichten. Es ist als ob sie sich für die<br />

Durchsetzung höchster Werte bemühen würden und nicht um eine private<br />

Veranstaltung. Wenn das Haus einer Person in einem Unfall, wie zum Beispiel<br />

durch Feuer oder Flut, zerstört wird, eilen die Nachbarn zum Ort des<br />

Geschehens mit Steinen, Holz und Dachstroh und arbeiten solange mit, bis das<br />

Haus neu erbaut ist. Wenn jemand von einer Stadt in eine andere umzieht, hilft<br />

jeder Bewohner der neuen Stadt dabei, dem Zugezogenen ein kleines Haus zu<br />

errichten. Wenn jemand zu einem entfernten Berg reist, um Holz zu hacken<br />

oder Holzkohle zu machen, muss er nur eine kleine Menge Reiskörner<br />

mitnehmen, denn an dem Ort, zu dem er gereist ist, werden die Leute ihm eine<br />

Mahlzeit kochen. Wenn jemand krank wird, gibt man ihm kostenfrei die<br />

passende Medizin, auch wenn nicht darum gebeten wurde. Es ist üblich, dass<br />

die Menschen sich beeilen, jemandem die Medizin zu verabreichen, doch<br />

153


wenn der Kranke diese bezahlen möchte, lehnt der Spender sofort ab. Die<br />

Koreaner verleihen stets ihre Werkzeuge an Leute, die sie gerade benötigen.<br />

Sie verleihen sogar ihre Kühe zum Bewirtschaften, es sei denn es ist eine<br />

Jahreszeit in der es viel zu tun gibt.<br />

Dallet sagte, dass jeder Westliche, der solche Sachen sieht, sich wundern würde,<br />

warum die Koreaner sich so benehmen. Seit den Anfängen des alten Choson vor<br />

fast fünftausend Jahren, lebten und unterrichteten viele erleuchtete Lehrer in Korea.<br />

Diese erleuchteten Meister bildeten die Leute auf viele verschiedene Weisen aus<br />

und brachten ihnen die Praktik der Freundlichkeit und des Mitgefühls bei. Diese<br />

Doktrin war von gleicher Natur wie die von Tan'gun, dem Begründer des alten<br />

Choson. Dieser sagte, dass man „zum Wohle der Menschheit leben und wirken<br />

soll“ (Hongik Ingan). Die Gedanken der Leute wurden durch diese Lehren<br />

gereinigt und deren Herzen wurden warm und großzügig. Diese koreanische Kultur<br />

ging weit über Gesellschaftlichkeit hinaus und dehnte sich zu einer Geisteshaltung<br />

aus.<br />

In einem kleinen Dorf in Korea sah man im Herbst Dattelbäume, die sechs oder<br />

sieben ungeerntete Dattelpflaumen hatten. Diese übrig gebliebenen Früchte wurden<br />

"Elstern-Festmahl" genannt und nicht geerntet, damit die Vögel im Winter etwas<br />

zu essen hatten. Auch im Frühling, wenn die Leute wildes Gemüse ernteten, das<br />

von Fasanen gerne gegessen wurde, vergruben sie die Bohnen so, dass den Fasane<br />

etwas zu essen blieb. Diese Gewohnheiten stammten von altertümlichen Sagen und<br />

erleuchteten Meistern, die den Leuten beibrachten, alle Menschen und auch Tiere<br />

mit Freundlichkeit zu behandeln. Dieser Glaube ist über viele Generationen in die<br />

Tradition und Gewohnheiten der Menschen eingeflossen.<br />

Unglücklicherweise verschwinden die Kultur und die Werte des Jung in der<br />

schnellen Modernisierung der letzten Jahrzehnte. Diese uralten und über Tausende<br />

154


von Jahren weitergereichten wertvollen Traditionen zu beschützen und sie mit der<br />

Welt zu teilen, ist wahrscheinlich die höchste Form des Respekts, den die Koreaner<br />

heute an ihre Vorfahren geben können.<br />

155


Bulguksa, Tempel des Buddha Lands<br />

156


Bibliographie<br />

Samguk Sagi (Geschichte der drei Königreiche)<br />

Samguk Yusa (Memorabilia der drei Königreiche)<br />

Bahn, Jaesik. <strong>Hyo</strong>haeng Baekseon (Hunderte ausgewählten Geschichte der <strong>Hyo</strong>), Seoul:<br />

Baek Jung Dang, 2004.<br />

Jo, Yong-heon. Jo Yong-heon Salon, Seoul: Random House, 2006.<br />

Kim, Jae-woong, Momunun Ba Upsi Maumul Naera (Non abiding, ever towards Buddha),<br />

Pohang: Yong Hwa, 1992.<br />

Pak, Young-gyu. Koguryosa Yiyagi (Geschichte Koguryos), Paju: Kim Yong Sa, 2006.<br />

Ryeo, Jeoung-dong. <strong>Hyo</strong>do Bogam (Korean Good-Son), Seoul: Muneoum, 1997<br />

Seondo Culture Research Center. Hanguk Seondoui Yoksawa Munhwa (Culture and History<br />

of Korean Seondo), Chonan: International Graduate University for Peace Press, 2006.<br />

Sin, Yon-woo, and Yong-ran Sin. Jewangdului Chaeksa (Monarchs’ Tacticians), Seoul:<br />

Baeksung, 2001.<br />

Yi, Gyu-tae. Hangukhak Essay (Essay über Korea), Seoul: Sinwon Munhwasa, 1995.<br />

_____. Hangukinui Jungsin Munhwa (Geist und Kultur der Koreaner), Seoul: Sinwon<br />

Munhwasa, 2000.<br />

Yi, Yong-bum. Saram Doemui Dori <strong>Hyo</strong> (Eine tugendhafte Lebensweise, <strong>Hyo</strong>), Seoul:<br />

Baum, 2004.<br />

_____. Insaengui Cham Seuseung Sunbi (Wahre Meister des Lebens, die Sunbi), 2 volumes,<br />

Seoul: Baum, 2004.<br />

Internet Quellen<br />

http://www.manduk.org<br />

http://www.nongae.or.kr<br />

http://www.hwarangdo.or.kr<br />

http://www.khrd.or.kr<br />

157


Zusammengestellt von der Diamant Sutra Rezitationsgruppe<br />

Die Diamant Sutra Rezitationsgruppe ist eine gemeinnützige Organisation, die sich<br />

der Kultivierung des Geistes widmet. Für Anfragen wenden Sie sich bitte an:<br />

jung-ja@hotmail.de<br />

New York<br />

158-16 46 Ave., Flushing, NY 11358<br />

☎ 718-539-9108<br />

New Jersey<br />

190 Mountain Rd, Ringoes, NJ 08551<br />

☎ 609-333-9422<br />

Los Angeles<br />

2197 Seaview Dr, Fullerton, CA 92833<br />

☎ 562-644-8949<br />

Atlanta<br />

4619 Chattahoochee Crossing, Marietta,<br />

GA 30067 ☎ 678-978-2331<br />

Korea<br />

131-80 Seongbuk 2 dong, Seongbuk-gu<br />

Seoul 136-824<br />

☎ 82-2-742-0172<br />

Germany<br />

Hiltistr. 7a, 86916 Kaufering<br />

☎ 49-8191-70618<br />

England<br />

57 Amberwood Rise, New Malden,<br />

Surrey KT3 5JQ<br />

☎ 44-208-942-1640<br />

Die Koreanische Geistes- und Kulturserie wurde herausgegeben, um den Leser die<br />

koreanische Geschichte und Kultur nahe zu bringen. Wenn Sie dieses Buch gelesen<br />

haben, reichen Sie es bitte an eine Bücherei oder an andere Personen weiter, sodass es<br />

von einem größeren Personenkreis gelesen werden kann. Wir würden uns freuen, wenn<br />

Sie Ihre Kommentare und Eindrücke in unserem Gästebuch in www.koreanhero.net<br />

eintragen würden. Vielen Dank.<br />

158


Traditionelle kulturelle Veranstaltungen für Besucher Koreas<br />

KOREA HOUSE<br />

Das Korea Haus ist ein ausgedehnter kultureller Komplex, der traditionelle koreanische Kultur<br />

darstellt. Es bietet eine Einführung in die traditionelle höfische Kochkunst und bietet ein Forum für<br />

Traditionelle Koreanische Kunst, Tanz, Schauspiel, Zeremonien und Spiele. Darüber hinaus werden<br />

Souvenirs angeboten, welche die unverkennbaren Merkmale der koreanischen Kultur widerspiegeln.<br />

▪ (02) 2266-9101~3<br />

▪ www.koreahouse.or.kr<br />

▪ Mittagessen 12:00~14:00 Abendessen 17:30~19:00, 19:20~20:50<br />

* Sonntag Abendessen 18:30~20:00<br />

▪ Traditionelle Aufführungen 19:00~20:00, 20:50~21:50 * Sonntag: 20:00~21:00 (29,000 won)<br />

▪ Täglich geöffnet ▪ Seoul <strong>Chung</strong>muro Stn. Line 3/4 Exit 3<br />

INSADONG<br />

Das Gebiet rund um die Insadong Strasse ist so gut wie ein lebendiges Museum. Seine Strassen<br />

werden von traditionellen und modernen Bauten umgeben. Ferner findet man dort viele Theater,<br />

Galerien, Antiquitätenläden, Kunsthandwerk, traditionelle Restaurants und Teehäuser.<br />

▪ (02) 734-0222, 731-1622<br />

▪ Freilichtaufführung: Traditionelle Hochzeitszeremonie (Eintritt frei)<br />

▪ April-Juni und September-Oktober Donnerstag, Freitag und Samstag 14:00<br />

▪ Jonggak Stn. Line 1 Exit 3 or Anguk Stn. Line 3 Exit 6<br />

NAMSAN HAHOK VILLAGE<br />

Die Schönheit und die Würde der traditionellen koreanischen Häuser (Hanok) sind im Herzen Seouls<br />

im Namsan Hanok Village zu besichtigen. Auf einem Grundstück von 7934 Quadratmeter gibt es fünf<br />

traditionelle koreanische Häuser einschließlich des Hauses von Pak Young <strong>Hyo</strong>, einer der acht<br />

größten Eigentümer in Seoul und Häuser von einfachen Bürgern. Das ganze Jahr hindurch werden<br />

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verschiene traditionelle Feste abgehalten, insbesondere wird während der Feiertage eine festliche<br />

Atmosphäre geschaffen.<br />

° 02-2266-6923 °http://www.hanokmaeul.org<br />

° Öffnungszeiten: November-März 09:00-18: 00<br />

April, Mai, September, Oktober 09:00~19:00<br />

Juni-August 09:00~20:00<br />

° Geschlossen jeden Dienstag, geöffnet an öffentlichen Feiertagen am Dienstag und dafür am<br />

nächsten Tag geschlossen.<br />

°Eintritt frei ° Seoul <strong>Chung</strong>muro Stn. Linie 3 oder 4, Ausgang 3<br />

NATIONALES ZENTRUM FÜR KOREANISCHE UND TRADITIONELLE PERFORMING ARTS<br />

° (02) 580-3333 ° http//www.ncktpa.go.kr/eng.htm<br />

° Regelmäßige Aufführung: Jeden Samstag 17:00<br />

° Ticketpreis: A 10,000 won B 8,000 won<br />

° Seoul Nambu Terminal Stn. Linie 3 Ausgang 5<br />

CHEONG WA DAE, KANZLEI DES PRÄSIDENTEN<br />

° Kampfkunst-Vorführung und Parade vom Sicherheitsdienst des Präsidenten<br />

° April-Juni, Oktober-November: Jeden Freitag 10:30~11:30<br />

°April-Oktober: Jeden Freitag und Samstag 10:00~12:00, 14:00~16:00<br />

HWA SEONG KASTEL<br />

° (031)228-4410 ° http//hs.suwon.ne.kr<br />

° Regelmäßige Aufführung: Traditionelle Musik und Tanz jeden Samstag 14:00<br />

° Militärzeremonien der Königlichen Armee: März-November jeden Sonntag 14:00-15:00<br />

° 24 Kampfkunst Wettkampf Vorführung: Dienstag bis Sonntag 11:00<br />

° Zeremonie Königliches Bankett: Jährliche Vorführung im Oktober<br />

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