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Kameragestützte Beobachtung in psychiatrischen Kliniken - Position DFPP

Positionspapier der DFPP zum Einsatz von kameragestützter Beobachtung in psychiatrischen Kliniken

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<strong>Position</strong>spapier zum E<strong>in</strong>satz von kameragestützter<br />

<strong>Beobachtung</strong> <strong>in</strong> <strong>psychiatrischen</strong> Kl<strong>in</strong>iken<br />

In vielen Bundesländern wird zurzeit über den E<strong>in</strong>satz von kameragestützter <strong>Beobachtung</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>psychiatrischen</strong> Kl<strong>in</strong>iken nachgedacht. Auch gibt es Bundesländer, die von der<br />

Überwachungstechnologie schon Gebrauch machen, andere wiederum lehnen diese Technologie <strong>in</strong><br />

<strong>psychiatrischen</strong> Kl<strong>in</strong>iken ab. Der E<strong>in</strong>satz dieser Technologie wird häufig emotional diskutiert. Zurzeit<br />

gibt es ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutigen wissenschaftlichen Belege für oder gegen den E<strong>in</strong>satz der<br />

kameragestützten <strong>Beobachtung</strong>. Gerade deswegen muss der E<strong>in</strong>satz kritisch reflektiert werden.<br />

Neben fachlichen spielen auch ethische Aspekte e<strong>in</strong>e große Rolle. Grundsätzlich ist vor der Nutzung<br />

von kameragestützter <strong>Beobachtung</strong> die Motivation zu klären. Darüber h<strong>in</strong>aus, ist zu klären ob über<br />

e<strong>in</strong>e kameragestützte <strong>Beobachtung</strong> im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Monitor<strong>in</strong>g geredet wird, oder über e<strong>in</strong>e<br />

Viedeoüberwachung, die auch e<strong>in</strong>e Aufzeichnung be<strong>in</strong>haltet. Im E<strong>in</strong>zellfall können Situationen<br />

auftreten, die e<strong>in</strong>e „beziehungslose“ <strong>Beobachtung</strong> s<strong>in</strong>nvoll ersche<strong>in</strong>en lassen. Auch ohne<br />

Videotechnologie ist die kont<strong>in</strong>uierliche „<strong>Beobachtung</strong>“ von Patienten <strong>in</strong> ihrem therapeutischen<br />

Effekt davon abhängig ob die betreuende Fachkraft die professionelle Beziehung aufbauen und<br />

halten kann. Die kont<strong>in</strong>uierliche <strong>Beobachtung</strong> von bspw. suizidalen Patienten im stationären Sett<strong>in</strong>g<br />

wird häufig so lange aufrechterhalten bis die akute Suizidalität abgeklungen ist. CARDELL / PITULA<br />

(1999) 1 untersuchten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er qualitativen Studie wie Patienten die andauernde persönliche<br />

Überwachung empfunden haben und ob sie e<strong>in</strong>en therapeutischen Nutzen dieser Schutzmaßnahme<br />

für sich sehen konnten. Es wurde gezeigt, dass 13 von 20 Patienten gegenüber den überwachenden<br />

Mitarbeitern, positive Gefühle zum Ausdruck br<strong>in</strong>gen konnten, vor allem wenn die Professionellen<br />

freundlich und hilfsbereit waren. Dies brachten die Patienten mit der E<strong>in</strong>stellung und den<br />

Verhaltensweisen der Mitarbeiter <strong>in</strong> Zusammenhang. Die Patienten berichteten, dass ihre Dysphorie,<br />

Angst und Suizidgedanken von beobachtenden Mitarbeitern, die optimistisch waren und sie als<br />

Mensch anerkannten, gesenkt werden konnten. Diese Interaktion kann ke<strong>in</strong>e Kamera leisten. Liegt es<br />

an der nicht mehr angemessenen Personalbesetzung, e<strong>in</strong>e kameragestützte <strong>Beobachtung</strong><br />

e<strong>in</strong>zuführen, ist dieser Umstand zu skandalisieren. Der E<strong>in</strong>satz der Kameratechnologie kann durch<br />

reduzierte therapeutische Beziehung zu e<strong>in</strong>er Deprofessionalisierung <strong>in</strong>nerhalb der Psychiatrie<br />

führen. Folgende Aspekte s<strong>in</strong>d für den E<strong>in</strong>satz oder den Verzicht der Technologie zu beachten:<br />

1 Cardell, R., Pitula, CR. (1999) Suicidal Inpatiens Perceptions of Therapeutic and Nontherapeutic<br />

Aspects of Constant Obersvation. Psychiatr Serv. 50: p. 1066 - 1070


• <strong>Beobachtung</strong> durch Kameratechnologie kann die Pflegenden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e "Pseudosicherheit"<br />

br<strong>in</strong>gen und letztendlich zum Übersehen von Alarmzeichen führen, die bei e<strong>in</strong>er<br />

professionellen Interaktion sichtbar würden.<br />

• Der E<strong>in</strong>satz von kameragestützter <strong>Beobachtung</strong> kann für die Patienten e<strong>in</strong>e Verschlimmerung<br />

der Situation und des Krankheitserleben mit sich br<strong>in</strong>gen (z. B. Patienten mit Wahnerleben).<br />

• Nur <strong>in</strong> Ausnahmefällen kannder E<strong>in</strong>satz von kameragestützter <strong>Beobachtung</strong> s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong>,<br />

beispielsweise wenn der Patient ke<strong>in</strong>e persönliche Präsenz e<strong>in</strong>er Fachkraft wünscht. Dieses<br />

„Monitor<strong>in</strong>g“muss aber unter Ausschluss e<strong>in</strong>er Verpflichtung zur laufenden <strong>Beobachtung</strong><br />

(auch als ärztliche Anordnung!) stehen. Sie darf nur mit der expliziten Zustimmung des<br />

betroffenen Patienten zum E<strong>in</strong>satz kommen. In ke<strong>in</strong>em Fall ersetzt der E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>er Kamera<br />

die persönliche Betreuung. Es muss Standard se<strong>in</strong>, dass der Patient zu e<strong>in</strong>em geeigneten<br />

Zeitpunkt nach der Maßnahme zu se<strong>in</strong>em Erleben der Kamerabeobachtung befragt wird.<br />

• Der E<strong>in</strong>satz von Kameratechnologie benötigt e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche Monitorbetrachtung die <strong>in</strong><br />

der Regel e<strong>in</strong>e Ressourcenverschwendung darstellt, da die Personalkapazität <strong>in</strong> der<br />

Interaktion fehlt.<br />

• <strong>Kameragestützte</strong> <strong>Beobachtung</strong> gefährdet Beziehungsaufbau und Milieugestaltung.<br />

• Es wird nie e<strong>in</strong>e 100 %ige Sicherheit geben, auch nicht durch kameragestützte <strong>Beobachtung</strong>.<br />

• Sicherheit entsteht nicht durch Überwachung, was für Menschen <strong>in</strong> psychischen Krisen noch<br />

mehr Restrektion bedeutet, sondern durch Vertrauen und professioneller Beziehung.<br />

• Qualifizierung des multiprofessionellen Personals im Bereich der E<strong>in</strong>schätzung und<br />

Intervention schafft e<strong>in</strong>e erhöhte Sicherheit. Fachliche Supervidierung aller Mitarbeiter und<br />

kl<strong>in</strong>isches Teach<strong>in</strong>g junger und neuer Mitarbeiter fördert professionelle Haltung und<br />

Handlung <strong>in</strong> Krisensituationen.<br />

Daher positioniert sich die Deutsche Fachgesellschaft Psychiatrische Pflege (<strong>in</strong> Gründung) wie folgt:<br />

Aktuell ist die wissenschaftliche Datenlage zur kameragestützten <strong>Beobachtung</strong> zu lückenhaft um e<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong>deutige Beurteilung des Nutzens oder auch Schadens zu geben. Im Gegenteil zu der dargestellten<br />

Datenlage im Bereich der kameragestützten <strong>Beobachtung</strong> ist die Evidenz im Zusammenhang der<br />

Bedeutung der Beziehung für den therapeutischen Prozess als e<strong>in</strong>deutig positiv zu werten. Durch<br />

diese Tatsache, dass Beziehung wirkt, entsteht Vertrauen und B<strong>in</strong>dung. Beziehungsstarke Faktoren<br />

helfen bei der Vermeidung und Überw<strong>in</strong>dung von tiefen seelischen Krisen. Es bedarf e<strong>in</strong>er<br />

vertrauensvollen Umgebung zu der e<strong>in</strong>e technisierte <strong>Beobachtung</strong> <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Kamera ungeeignet<br />

sche<strong>in</strong>t.<br />

Für die <strong>DFPP</strong>(<strong>in</strong> Gründung)<br />

D. Sauter C. Sch<strong>in</strong>dler M. Löhr

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