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Regionales Geld - Kennedy Bibliothek

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VON DAG SCHULZE, ALEXANDER WOITERS<br />

UND JONAS VON POSER, BERLIN<br />

K<br />

omplementäre Tauschmittel bzw. „Regiogeld"<br />

stoßen nicht nur in Deutschland, sondern<br />

weltweit aufwachsendes Interesse und<br />

Unterstützung. Wirtschaftliche Krisensymptome, wie<br />

die zunehmende Verschuldung des Staates, der Un­<br />

ternehmen und privaten Haushalte veranlassen dazu,<br />

alternative Lösungsansätze zur Öffnung neuer Hand­<br />

lungsräume zu suchen und umzusetzen.<br />

In Japan, das seit über zehn Jahren in einer Wirt­<br />

schaftskrise steckt, sind bereits über hundert komple­<br />

mentäre Tauschmittelsysteme landesweit entstanden.<br />

Dort werden sie staatlich und akademisch unterstützt.<br />

In Deutschland sind mindestens ein Dutzend Regionen<br />

an der Einführung von Regiogeld interessiert, Im bay­<br />

rischen Chiemgau ist im vergangenen Jahr ein erfolg­<br />

reiches Pilotprojekt gestartet,<br />

„Regiogeld" ist - als parallel zum gesetzlichen Zah­<br />

lungsmittel akzeptiertes Tauschmittel - für den Aus­<br />

tausch von Waren und Dienstleistungen innerhalb<br />

einer regional begrenzten Gemeinschaft einsetzbar,<br />

Regiogeld soll also nicht das gesetzliche Zahlungsmit­<br />

tel ersetzen, sondern ergänzen. Denn in vielen Berei­<br />

chen kann das gesetzliche Zahlungsmittel nicht den<br />

Erfordernissen der Gesellschaft und der Individuen<br />

genügen. Dies gilt insbesondere und zunehmend für<br />

klein- und mittelwirtschaftliche sowie für soziale und<br />

ökologische Belange der Region.<br />

Region srung ergänzt<br />

Globalisierung<br />

Die globalisierte Wirtschaft zerstört zunehmend re­<br />

gionale Wirtschaftsbeziehungen. Kleine und mittlere<br />

Unternehmen können sich gegen Billigprodukte und<br />

Sonderangebote von kapitalstarken Handels- und<br />

Dienstleistungsketten immer weniger behaupten. Oft<br />

werden regional erhältliche Güter quer durch Europa<br />

und die Welt transportiert, weil in anderen Erdteilen<br />

die Produktion für die Kapitalgeber rentabler ist. Da­<br />

durch fließt Wertschöpfung in Form von Kapital aus<br />

den Regionen ab.Tausend Euro, in einem beliebigen<br />

Berliner Bezirk verschenkt, wären innerhalb kürzes­<br />

ter Zeit gegen Nike-Schuhe oder Coca Cola nach Lon­<br />

don und New York unterwegs, um von transnationalen<br />

Konzernen auf die Suche nach rentablen Anlage- und<br />

Investitionsmöglichkeiten um den Globus geschickt<br />

zu werden. Lokale Regierungen sehen nur noch die<br />

Möglichkeit, Schutzvorschriften für Mensch und Natur<br />

zu senken, um das Kapital zurückzulocken.<br />

Regiogeld hat zum Ziel, regionale Wirtschaftsbezie­<br />

hungen zu unterstützen, wiederzubeleben und zu in­<br />

ZUKÜNFTE 46 « FRÜHJAHR 2004<br />

Eine komplementäre Währung zur Initiierung ökologi 1<br />

scher und sozialer Prozesse In der Hauptstadtreqlon<br />

tensivieren. Dies soll geschehen, indem Konsumenten<br />

angeregt werden, lokale Händler und Produzenten zu<br />

bevorzugen. Diese wiederum sollen motiviert werden,<br />

auf lokaler und regionaler Ebene nach Einkaufsmög­<br />

lichkeiten zu suchen und somit regionale Wertschöp­<br />

fungsketten aufzubauen und zu erweitern,<br />

Wirtschaftskreisläufe sind in erster Linie <strong>Geld</strong>kreis­<br />

läufe, denn wo immer Waren bewegt und Dienstleis­<br />

tungen erbrachtwerden.fließt <strong>Geld</strong>. Um einen lokalen<br />

und regionalen Wirtschaftskreislauf zu ermöglichen<br />

bzw. zu erhalten, muss das Zahlungsmittel also in der<br />

Region zirkulieren. Der Entgrenzung kontinentaler<br />

Währungen sollte vor diesem Hintergrund die Begren­<br />

zung durch regionaleWährungen entgegenstehen,um<br />

den Abfluss in weltweit verzweigte Finanzströme zu<br />

vermeiden.<br />

Auf internationaler Ebene ist derzeit zu beobach­<br />

ten, dass der Kreislauf des <strong>Geld</strong>es zunehmend unter­<br />

brochen wird: durch Konsumzurückhaltung und die<br />

abnehmende Neigung, langfristig zu sparen. <strong>Geld</strong>ver­<br />

mögen werden nur kurzfristig angelegt, da die Zinsen<br />

für Tagesgeld nur unwesentlich geringer sind als Gut­<br />

haben-Zinsen für langfristige Anlagen. Daher wird im­<br />

mer mehr spekuliert (über 80 % der internationalen<br />

Finanzanlagen haben eine Anlagedauer von unter 7<br />

Tagen; 98% der täglich um den Globus fließenden<br />

Finanzströme sind rein spekulativ, nur 2% werden in<br />

der Realsphäre zum Tausch von Gütern und Dienstleis­<br />

tungen umgesetzt). Doch nur langfristig angelegte<br />

Spargelder können das Angebot für langfristige Unter­<br />

nehmenskredite erhöhen und damit die Kreditzinsen<br />

für Unternehmen weiter senken, was die Wirtschaft<br />

wieder antreiben und viele soziale und ökologische<br />

Projekte rentabel werden ließe,<br />

Als Ergänzung zu den weltweit verzweigten, über­<br />

schuldeten und krisenanfälligen Währungssystemen<br />

bietet sich folglich der Aufbau von Zahlungsmitteln<br />

an,die regional zirkulieren und dazu dienen, regionale<br />

Wertschöpfung anzuregen.zu stabilisieren,zu steigern<br />

und nachhaltig zu gestalten . Nicht ohne Grund diente<br />

und dient der Aufbau von komplementären Regiogel-<br />

dern in Industrie- und Entwicklungsländern zur Präven­<br />

tion und Bewältigung von Krisen des herkömmlichen<br />

Finanzsystems.<br />

Regiogeld unterstützt regionale<br />

Wirtschaftskreisläufe...<br />

• durch regionale Kaufkraftbindung: Die bewusste<br />

Begrenzung der Reichweite eines Regiogelds hält die<br />

Wirtschaftskraft der Region in einem umgrenzten Be­<br />

reich, Dabei werden keine „harten" Grenzen z.B. ent­<br />

lang von Verwaltungsbezirken gezogen.Vielmehrwird<br />

durch die Durchlässigkeit zum Euro-Raum ein organi­<br />

sches Wachstum angestrebt.<br />

Im hier vorgestellten System ist ein Rücktausch des<br />

Regiogeldes in Euro jederzeit möglich. Allerdings ist<br />

beim Rücktausch eine Gebühr zu entrichten. Diese<br />

Gebühr erzeugt zwischen dem Regiogeld und dem<br />

Euro-Raum ein Gefälle, das die Teilnehmer motiviert,<br />

dem Einkauf mit Regiogeld gegenüber dem Rück­<br />

tausch in Euro den Vorzug zu geben. Mit der weite­<br />

ren Verbreitung des Regiogeldes innerhalb der Re­<br />

gion kann dieses Gefälle durch eine Erhöhung der<br />

Gebührverstärktwerden. Dies erhöht wiederum den<br />

Anreiz, Geschäftspartner zu suchen, die Regiogeld ak­<br />

zeptieren, um die Rücktauschgebühr zu umgehen. •

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