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WerWienwirklichatmenmöchte,solltedieAugen<br />
schließen.UndseiesnurfüreinenkurzenMoment–<br />
Hauptsache, an verschiedenen Plätzen.<br />
Die Wiener Luft, das ist das Angenehme, mitunter Belastende und ab und an auch<br />
das Überraschende, ist eine Möglichkeit. Eine Möglichkeit, weil sie Besuchern und<br />
Bewohnern gleichermaßen die Wahl lässt. Großstädtischer Verkehrssmog oder erfrischend<br />
ländliche Brise, feinstaubalarmierte Urbanität, kulinarische Geruchsvielfalt und grüne<br />
Lungen en masse: Selbst wem nur ein Wochenende zur Verfügung steht, um in den Facettenreichtum<br />
hineinzuschnuppern, braucht sich nicht zu sputen. Wien ist nämlich nicht nur kultureller<br />
Melting Pot – man spürt den Duft der Vielfalt – sondern gerade auch eine Stadt der kurzen<br />
Wege. Wer Wien wirklich atmen möchte, könnte zum Beispiel die Augen schließen. Ein kurzer<br />
Moment, einmal konzentriert Luftholen reicht zum Kennenlernen.<br />
Flanieren Sie durch die von Fiakern bevölkerten Pflastersteingassen der City oder machen Sie<br />
es sich in einem der traditionellen Cafés bequem, in denen Luft so unscheinbar und gleichzeitig<br />
unnachahmlich zum berühmten Wiener Flair wird. Atmen Sie an einem stillen Plätzchen auf<br />
der Donauinsel, dem Hausstrand der Wiener, dem nur ein Meer zum perfekten Glück fehlt, tief<br />
durch. Wie weit entfernt scheint da das spritgetränkte Odeur des Gürtels, der die inneren von<br />
den äußeren Bezirken trennt und an dem abends Ausgehfreudige die Gehsteige vor den Clubs<br />
und Lokalen bevölkern. Mischen Sie sich ins Treiben, wenn das Nachtleben beginnt, und zwar<br />
dort, wo die U-Bahn drüber fährt und oftmals dort endet, wo sich wilde Vegetation, ein ruhiger<br />
Wasserlauf und rastloser Imbiss-Geruch gute Nacht sagen: am Donaukanal. Was Gäste im ältesten<br />
Tiergarten der Welt erwartet, mag auf der Hand liegen. Aber haben Sie schon einmal von der<br />
Schönbrunner Gloriette hinabgeblickt und bemerkt, wie gut sich die Luft hier, beinahe mitten in<br />
der Stadt, anfühlt? Man kann Wien für viele Kleinigkeiten lieben: Die jederzeit mit U-Bahn oder<br />
Bim – wie die Wiener zur Straßenbahn sagen – zu überbrückende Distanz von Klein-Istanbul am<br />
Brunnenmarkt zum Spaziergang im Grünen gehört ganz bestimmt dazu.<br />
TEXT MARTIN ZOLLES, 29, REDAKTEUR, LEBT UND ARBEITET IN WIEN.<br />
WIEN<br />
ATMEN