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Bleibt Alles Anders - Markus T

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FASHION PORTRAIT<br />

<strong>Bleibt</strong> alles anders<br />

An das Anwesen grenzen Felder, daneben<br />

verläuft ein sprudelnder Bach und<br />

hier und da kreuzt Firmenhund „Arun<br />

Nelson“ (4) den Weg. Idyllisch ist es<br />

hier bei dem Fassungshersteller <strong>Markus</strong><br />

Temming (41) auf einem alten Landgut<br />

mitten in Ostwestfalen. Eigentlich<br />

hatte es den Geschäftsführer in seine<br />

alte Heimat zurückverschlagen, um von<br />

hier seine Selbstständigkeit zu starten<br />

und danach weiterzuziehen, irgendwohin<br />

an die raue, kalte See. Und auch<br />

heute noch, nach über zehn erfolgreichen<br />

Jahren in Gütersloh kann man bei<br />

Temming nie wissen: „Vielleicht kommt<br />

irgendwann mal der Gedanke, etwas<br />

ganz Neues aufzubauen und dafür woanders<br />

hinzuziehen. Das finde ich spannend!<br />

Am liebsten will ich vorher gar<br />

nicht wissen als was und wohin!“<br />

Dreamteam: <strong>Markus</strong> Temming, Firmengründer<br />

von <strong>Markus</strong> T, und sein „Stellvertreter“<br />

Arun Nelson.<br />

Der kreative Kopf des ostwestfälischen<br />

Erfolgsunternehmens ist ein wahrer Tüftler,<br />

von Kindesbeinen an: „Unsere Nachbarn<br />

hatten ein kleines Bauunternehmen,<br />

da habe ich immer in der Werkstatt<br />

gestanden und irgendetwas zusammen<br />

gebaut oder gebastelt und gemalt.“ Ein<br />

Beruf als Designer wäre da eigentlich naheliegend<br />

gewesen, trotzdem absolvierte<br />

Temming zunächst eine Lehre beim Augenoptiker.<br />

„Das war das Unvernünftigste was ich<br />

je aus einem Vernunftgedanken heraus<br />

gemacht habe“, blickt er zurück, „ich<br />

wusste noch nicht genau, wo es in meiner<br />

Zukunft hin gehen sollte. Irgendwas mit<br />

Design war mir zu unbestimmt, daher<br />

habe ich erst etwas Bodenständiges<br />

gelernt.“ Den Weg, den er gegangen ist,<br />

bereut er trotzdem nicht. „Schließlich ist<br />

<strong>Markus</strong> Temming persönlich<br />

ja alles gut geworden“, sagt der gebür -<br />

tige Steinhagener mit der Zufriedenheit<br />

von jemandem, der sich heute in seinem<br />

Beruf selbst verwirklichen kann.<br />

Kenntnis und<br />

Leidenschaft verbinden<br />

Das Kreative hatte ihn indes nie losgelassen,<br />

auch nicht während seinem Studium<br />

der Betriebswirtschaft und zum staatl.<br />

gepr. Augenoptiker an der HFA Köln. Als<br />

er 1999 am heimischen Küchentisch seine<br />

erste Kollektion kreierte, lag da der<br />

Bezug zur Brille als Designprodukt nahe.<br />

Temming erklärt: „Eine Grundlage zu<br />

haben war sehr hilfreich, um besser zu<br />

sein als jemand, der vorher keine Berührung<br />

zu dem Metier hatte. Auch wenn<br />

die Brille augenscheinlich ein simples<br />

Abenteuerurlaub oder Pauschalreise?<br />

„Ganz klar Abenteuerurlaub! Wenn ich den ganzen Tag am Strand sitzen muss,<br />

werde ich unzufrieden. Da fange ich an, im Sand zu malen und nerve damit die<br />

anderen. Am besten ist, wenn ich vorher nicht genau weiß, was passiert.“<br />

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, welcher wäre das?<br />

„Bei der Frage müsste ich ganz, ganz lange nachdenken, was das Richtige ist.<br />

Spontan sage ich unspektakulär und klassisch: Gesundheit.“<br />

Einsamer Wolf, Rudeltier oder Alphamännchen?<br />

„Ich erkenne mich in allen dreien wieder! Als Geschäftsführer gehört es dazu,<br />

dass man ein Alphamännchen ist. Das heißt aber nicht, dass ich kein Rudeltier<br />

bin und nicht gerne im Team arbeite. Dabei ist es mir nicht wichtig anzuführen,<br />

sondern eher andere zusammenzuführen. Und der einsame Wolf bin ich bei der<br />

Ideenfindung. Da brauche ich schon mal meinen Freiraum, um den Kopf frei zu<br />

bekommen.“<br />

Wer hat Sie in Ihrem beruflichen Leben geprägt?<br />

„Mein Vater hat als Textilhandelsvertreter einen Beruf ausgeübt, den er nicht<br />

wirklich mochte, was ich aber erst richtig begriffen habe, nachdem er in den<br />

Ruhestand gegangen ist. Danach ist er aufgeblüht und wirkte wie befreit. Dadurch<br />

wurde mir klar, dass ich mein Leben nicht in einem Job verbringen werde, den<br />

ich nicht wirklich mag.“<br />

Woher nehmen Sie die Inspiration für Ihre Fassungen?<br />

„Für die Entwicklungsphase muss ich raus aus dem Büro und brauche die Ruhe<br />

und Abgeschiedenheit. Da schließe ich mich dann auch schon mal in ein Apartment<br />

in Hamburg mit Blick auf den Containerhafen ein, in dem ich mich zwar<br />

wohl fühle, wo es aber nichts Privates gibt, was mich ablenken könnte. Sonst kann<br />

ich gut beim Segeln auf dem Dümmer See abschalten. Manchmal kommen mir<br />

die besten Ideen aber tatsächlich einfach unter der Dusche.“<br />

72 DOZ 01 | 2012


Der alte Bauernhof, der als Firmensitz dient,<br />

wird gerade modernisiert, ohne aber den<br />

alten Charme einzubüßen.<br />

Produkt ist, gibt es doch viele Faktoren,<br />

die man beachten muss.“ Auch heute ist<br />

er sich nach wie vor sicher: „Hinter meinen<br />

ersten Brillen stand bereits eine gute<br />

Idee. Die technische Basis von damals<br />

wird immer noch verwendet.“<br />

Noch heute verkauft das Unternehmen<br />

regelmäßig Brillen aus seiner ersten<br />

Kollektion – Was ungewöhnlich in einer<br />

Branche ist, in der Fassungen oft nach<br />

einer Saison in der Schublade verschwinden.<br />

„Ich möchte einfach nicht, dass<br />

die älteren Linien wegsterben. Mein Anspruch<br />

ist es, sie so aufzubauen und aufzufrischen,<br />

dass sie immer wieder aktuell<br />

sind“, hält Temming an seiner Idee fest.<br />

Selbstbewusster<br />

Ausdruck …<br />

Auch bei der neuen Kollektion, die er aktuell<br />

auf der opti in München präsentiert,<br />

wurden bewährte Eigenschaften verwendet.<br />

„Dennoch ist alles anders. Weil sie<br />

zwar komplett <strong>Markus</strong> T verkörpert, aber<br />

gleichzeitig einen anderen Ausdruck bekommen<br />

hat. Irgendwann hatte ich dieses<br />

Gefühl, wo ich dachte: Jetzt ist sie<br />

perfekt!“, erzählt der Firmengründer mit<br />

leuchtenden Augen.<br />

„Ich versuche Brillen zu<br />

machen, die komfortabel sind<br />

und das Gefühl vermitteln,<br />

Person und Brille wären eins.“<br />

Hatte man bislang in Gütersloh ausschließlich<br />

mit komplett zweidimensionalen<br />

Flächen gearbeitet, wurde der neuen<br />

Kollektion mehr Tiefe verliehen. Ein nach<br />

vorne gelegtes T-Profil als Nutsystem<br />

verstärkt diesen Effekt, und ermöglicht<br />

eine spielend einfache Verglasung der<br />

Brille. „Dadurch wirkt sie selbstbewusster<br />

und im Ausdruck charakterstärker,<br />

Familienfreundliches Unternehmen: Von den<br />

rund 50 Mitarbeiter sind etwa 90 Prozent<br />

Frauen.<br />

ohne die für uns typische Zweidimensionalität<br />

zu verlassen“, erklärt der junge<br />

Familienvater.<br />

Auch die Formgebung und die Dicke<br />

des Materials sind in diesem Jahr kräf -<br />

tiger als üblich gewählt. „Obwohl wir<br />

normalerweise keine Firma sind, die aus<br />

dem Fashion-Bereich kommt, haben die<br />

neuen Modelle diesmal sogar einen Hauch<br />

davon“, gesteht er: „Weil wir unsere Konzepte<br />

nicht für eine Saison sondern für<br />

mehrere Jahre entwerfen, können wir uns<br />

eigentlich keiner Mode beugen. Stattdessen<br />

nehmen wir Strömungen auf, die wir<br />

in dem für <strong>Markus</strong> T eigenen Stil zeit -<br />

gemäß umsetzen.“<br />

… mit Wiedererkennungswert<br />

Ihre Detailtreue, der typische Minimalismus<br />

und das markante Scharnierklötzchen<br />

machen den Wiedererkennungswert<br />

der Marke aus. „Die Brillen sind<br />

durch ihre präsente, nicht zurückgenommene<br />

Technik leicht erkennbar; vor allem<br />

für die, die sich einmal bewusst dafür<br />

entschieden haben“, freut sich der Tüftler<br />

und beschreibt die Reaktionen, die er<br />

selbst immer wieder erfährt: „Ich werde<br />

regelmäßig aktiv auf meine Brillen angesprochen.<br />

<strong>Markus</strong>-T-Träger erkennen sich<br />

untereinander sofort und sprechen darüber.<br />

Daran merke ich, dass sie sich mit<br />

ihrer Brille wohl fühlen.“<br />

Und das ist genau das, was er will:<br />

„Die Person ist die Hauptsache und meine<br />

Brillen letztendlich nur Hilfsmittel, um<br />

sich auszudrücken und wohl zufühlen.<br />

Die Brille zum Verkleiden ist der Job<br />

von anderen Herstellern, die für das<br />

Gar-nicht-Dasein auch. Beide haben ihre<br />

Berechtigung. Ich versuche wiederum<br />

Brillen zu machen, die komfortabel sind<br />

und das Gefühl vermitteln, Person und<br />

Brille wären eins.“ n<br />

Henrike Lerch<br />

Kurz und knapp<br />

Das deutsche Brillenfassungsunter -<br />

nehmen <strong>Markus</strong> T (Gütersloh) wurde<br />

vom staatlich geprüften Augenoptiker<br />

<strong>Markus</strong> Temming 1999 gegründet und<br />

steht seitdem für minimalistische,<br />

leichte und flexible Brillen mit hohem<br />

Komfort und einfachen Verarbeitungsund<br />

Wartungsschritten.<br />

Für das Material seiner Brillen hat das<br />

Unternehmen gemeinsam mit einem<br />

renommierten Kunststoffhersteller die<br />

Basis für den flexiblen und dennoch<br />

stabilen Kunststoff „TMi“ entwickelt;<br />

dessen Zusammensetzung für jeden<br />

Einsatzbereich modifiziert wird.<br />

Bisher gibt er drei Design-Linien, die<br />

alle in den nächsten anderthalb Jahren<br />

aktualisiert und modifiziert werden<br />

sollen. Die Fassungen werden zu 100<br />

Prozent in Deutschland produziert.<br />

Jedes Teil, auch aus Fremdproduktion,<br />

wird im Inland gefertigt und in den Produktionsräumen<br />

in Gütersloh verbaut.<br />

Pro Jahr werden rund 50.000 Fassungen<br />

verkauft; vor allem in den Heimatmarkt<br />

Deutschland, aber auch in das<br />

europäische Ausland und Asien.<br />

Ausgezeichnet<br />

Seit der Gründung wurde <strong>Markus</strong> T mit<br />

mehr als 30 Innovations- und Design-<br />

Preisen ausgezeichnet. 2007 kam die<br />

Auszeichnung als „Familienfreundliches<br />

Unternehmen“, ausgelobt von der<br />

Bertelsmann Stiftung und dem Kreis<br />

Gütersloh, hinzu. Auf einem modernisierten<br />

Bauernhof arbeiten derzeit rund<br />

50 Mitarbeiter, davon etwa 90 Prozent<br />

Frauen. Diesen wird die Rückkehr nach<br />

der Babypause erleichtert und eine<br />

familienfreundliche Teilzeit- oder<br />

Heimarbeit angeboten.<br />

DOZ 01 | 2011<br />

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