Hilfen für Kinder im Blickpunkt - Frauenhauskoordinierung
Hilfen für Kinder im Blickpunkt - Frauenhauskoordinierung
Hilfen für Kinder im Blickpunkt - Frauenhauskoordinierung
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auf einer Ebene begegnen.“ Gewalt soll<br />
die Überlegenheit herstellen. Sie wird<br />
also als Lösung, nicht als Problem<br />
empfunden. Doch <strong>für</strong> einen gewaltfreien<br />
Umgang mit dem Kind sind<br />
Gleichberechtigung und Partnerschaftlichkeit<br />
Voraussetzung – gerade nach<br />
Trennung und Scheidung.<br />
Eine Verhaltensänderung kann oft nur<br />
über den „Hebel Kind“ erreicht werden.<br />
„Die meisten Väter sagen, dass sie<br />
ihre <strong>Kinder</strong> über alles lieben und alles<br />
tun werden, um sie wiederzusehen“,<br />
sagt der Diplomsozialpädagoge. Hier<br />
setzt der Berater an und erinnert die<br />
Väter an ihre Vorbildfunktion. „Zudem<br />
machen wir ihnen bewusst, dass sie<br />
nicht selbst gewinnen durch die Entlastung<br />
von dem Anspruch, <strong>im</strong>mer<br />
stark und überlegen sein zu müssen.“<br />
In Einzelgesprächen wird analysiert:<br />
Was hat die Gewalt ausgelöst? An welcher<br />
Stelle wäre es möglich gewesen<br />
auszusteigen? Gibt es aktuell ähnliche<br />
Situationen, die ohne Gewalt gemeistert<br />
werden können? Um eine Verhaltensänderung<br />
zu erreichen, hat sich in<br />
der Vergangenheit zudem die Gruppenarbeit<br />
bewährt. „Vom Therapeuten<br />
20 www.der-paritaetische.de 6 | 2010<br />
erwartet ein Klient akzeptiert zu werden“,<br />
berichtet Sigurd Hainbach. „Aber<br />
von anderen Männern mit ähnlichen<br />
Erfahrungen aufgenommen zu werden,<br />
seine Gefühle zeigen zu können,<br />
ohne verletzt zu werden, wirkt <strong>im</strong> Bemühen<br />
um die Abkehr von Gewalt<br />
enorm bekräftigend.“ Da die Elternberatung<br />
erst anläuft, werden die Väter<br />
noch in die regulären Täterprogramme<br />
des Männerzentrums integriert. Bald<br />
sollen eigene Gruppen <strong>für</strong> diese Väter<br />
gegründet werden.<br />
Täter müssen lernen, Verantwortung<br />
<strong>für</strong> ihr Handeln zu übernehmen<br />
Die Frage einer Mitschuld der Partnerin<br />
am Konfl ikt wird in der Beratung<br />
nicht vertieft, sagt Sigurd Hainbach:<br />
„Sobald Gewalt-Täter eine Möglichkeit<br />
sehen, sich zu entlasten, werden sie <strong>im</strong>mer<br />
wieder einen Grund fi nden, Gewalt<br />
anzuwenden.“ Täter müssten vielmehr<br />
lernen, die Verantwortung <strong>für</strong> ihr Handeln<br />
eindeutig zu übernehmen.<br />
Wollen Väter Umgang mit ihren <strong>Kinder</strong>n<br />
bekommen, müssen sie Regeln<br />
akzeptieren. Etwa die, das Kind nicht<br />
in Loyalitätskonfl ikte zu stürzen. „Im<br />
Thema<br />
Idealfall bauen wir durch die zunächst<br />
getrennte Beratung eine Brücke, auf<br />
die sich Mutter und Kind(er) trauen,<br />
dem Vater wieder entgegen zu gehen“,<br />
sagt Barbara Hanke. Die Modellphase<br />
zeigte bereits, dass dies gelingen kann<br />
– mit ausreichend Zeit. Um die <strong>Kinder</strong><br />
weiter zu stärken, knüpft die Frauenhilfe<br />
nun ein Netz von Kontakten, an<br />
das sie <strong>Kinder</strong> aus der Beratung zu<br />
Therapien überweisen kann. „Glücklicherweise<br />
entstehen in jüngster Zeit<br />
auch dazu einige Projekte in München.“<br />
Das Münchner Frauenhaus<br />
selbst bietet <strong>Kinder</strong>n ein breites Angebot<br />
(Siehe Kasten auf Seite 19)<br />
Gisela Haberer<br />
Kontakt<br />
<strong>Hilfen</strong> <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>im</strong> <strong>Blickpunkt</strong><br />
Elternberatung bei häuslicher Gewalt <strong>im</strong><br />
Rahmen des Münchner Modells:<br />
Beratungsstelle der Frauenhilfe München<br />
(BST), Tel.: 089/3582810<br />
Münchner Informationszentrum <strong>für</strong><br />
Männer (MIM)<br />
Tel.: 089/5439556<br />
Tagung der <strong>Frauenhauskoordinierung</strong> | Kritik an neuer Familienrechts-Praxis<br />
<strong>Kinder</strong>, die miterlebt haben, wie ihre Mutter vom Partner misshandelt wurde oder<br />
selbst dessen Gewalt ausgesetzt waren, brauchen besondere <strong>Hilfen</strong>. Wie können Frauenhäuser,<br />
in denen viele <strong>Kinder</strong> mit ihren Müttern Zuflucht finden, dieser wichtigen<br />
Aufgabe gerecht werden? Und welche anderen Unterstützungsangebote gibt es <strong>für</strong> von<br />
häuslicher Gewalt betroff ene Mädchen und Jungen? Dies waren Themen, die Anfang<br />
November <strong>im</strong> Mittelpunkt einer Tagung der <strong>Frauenhauskoordinierung</strong> standen.<br />
Das Bewusstsein <strong>für</strong> die negativen<br />
Auswirkungen häuslicher<br />
Gewalt auf die seelische, geistige<br />
und körperliche Entwicklung von<br />
<strong>Kinder</strong>n ist in den vergangenen Jahren<br />
enorm gewachsen. Dennoch ist die fi -<br />
nanzielle Förderung der Frauenhäuser<br />
in der Regel zu knapp bemessen, um<br />
genügend Personal <strong>für</strong> eine intensive<br />
Betreuung der <strong>Kinder</strong> beschäftigen zu<br />
können. Susanne Kortmann vom Frauen-<br />
und <strong>Kinder</strong>schutzhaus des Sozial-<br />
dienstes Katholischer Frauen in Münster<br />
berichtete anschaulich, wie sie und<br />
ihre Kolleginnen sich um die <strong>Kinder</strong><br />
bemühen, die bei ihnen Zufl ucht gefunden<br />
haben. „Wir fragen: Was hat das<br />
Kind erlebt? In welcher Konstellation<br />
lebt es? Was braucht es? Wie kann es<br />
unterstützt werden?“ Oft bewegten sich<br />
die Mitarbeiterinnen dabei in einem<br />
Spannungsfeld: Auf der einen Seite die<br />
Frauen, die nicht selten aus unterschiedlichsten<br />
Gründen doch wieder zum<br />
misshandelnden Partner zurückkehren,<br />
auf der anderen Seite die <strong>Kinder</strong>,<br />
deren weitere Lebensperspektiven von<br />
der Entscheidung der Mütter abhängig<br />
seien. Der Schutz der <strong>Kinder</strong> vor erneuter<br />
Gewalterfahrung habe <strong>für</strong> sie oberste<br />
Priorität, so Susanne Kortmann. „Die<br />
Mütter sind häufi g zwischen ambivalenten<br />
Gefühlen hin- und hergerissen“,<br />
betonte die Leiterin des Frauen- und<br />
<strong>Kinder</strong>schutzhauses. Viele von ihnen<br />
hätten selbst schon als <strong>Kinder</strong> Gewalt
Thema<br />
erlebt und einen respektvollen Umgang<br />
nicht kennengelernt. Hinzu kämen<br />
nicht selten Existenzängste, ausländerrechtliche<br />
Probleme und Schulden. Das<br />
alles zu bewältigen und sich aus gewaltgeprägten<br />
Strukturen zu befreien koste<br />
die Mütter viel Energie. Für die <strong>Kinder</strong><br />
bleibe da häufi g kaum noch Kraft. „Sie<br />
brauchen Fürsprecher, die ihre Bedürfnisse<br />
an die Mütter weitergeben“ – die<br />
ihnen helfen, ihre Ängste und Wünsche<br />
zu formulieren und ihre Gewalterfahrungen<br />
zu bewältigen.<br />
Gezielte Krisenintervention<br />
Hilfe in solchen Situationen erhalten<br />
<strong>Kinder</strong> auch von Ingrid Hafenbrak, die in<br />
Ravensburg in der aufsuchenden Krisenbegleitung<br />
des Vereins Frauen und <strong>Kinder</strong><br />
in Not e. V. tätig ist. Der Verein hat <strong>im</strong><br />
Rahmen des Aktionsprogramms gegen<br />
Gewalt an <strong>Kinder</strong>n 2005 mit Unterstützung<br />
der Landesstiftung Baden-Württemberg<br />
eine gezielte Krisenintervention<br />
<strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> aufgebaut, die Opfer häuslicher<br />
Gewalt geworden sind. Sie erhalten<br />
nach einem Polizeieinsatz <strong>im</strong> Elternhaus<br />
oder dem Einzug ins Frauenhaus binnen<br />
kürzester Zeit Hilfe bei der Bewältigung<br />
der Gewalterfahrungen. Darüber hinaus<br />
werden Brücken zu mittel- und langfristigen<br />
<strong>Hilfen</strong> <strong>für</strong> die Jungen und Mädchen<br />
aufgebaut. „Die <strong>Kinder</strong> profi tiert von Zuwendung<br />
und Offenheit, die sie erfahren“,<br />
berichtete Ingrid Hafenbrak.<br />
Häufi g hätten sie Schuldgefühle und<br />
Angst ihre Eltern zu verlieren. „Ihre<br />
Wahrnehmung mitteilen zu können,<br />
hilft ihnen in allergrößter Not.“<br />
Die <strong>Frauenhauskoordinierung</strong> e. V.<br />
und der Bundesverband der Frauenberatungsstellen<br />
und Frauennotrufe e. V.<br />
(bff) haben gemeinsam Empfehlungen<br />
zu „Frühen <strong>Hilfen</strong>“ <strong>im</strong> Kontext<br />
des Frauenunterstützungssystems bei<br />
häuslicher Gewalt erarbeitet und eine<br />
Handreichung zum Thema erstellt.<br />
Sie richten sich an das Frauenunterstützungssystem<br />
bei häuslicher<br />
Gewalt, an die Jugendhilfe und das<br />
Gesundheitswesen, aber auch an Politik<br />
und Verwaltung. Beide Papiere gibt<br />
es zum Download unter Aktuelles auf<br />
www.frauenhauskoordinierung.de<br />
und www.frauengegengewalt.de.<br />
Max ist <strong>im</strong>mer<br />
dabei, wenn Sigurd<br />
Hainbach und<br />
Hedwig Blümel-Tilli<br />
das Münchner<br />
Modell zur<br />
„Elternberatung<br />
in familiengerichtlichen<br />
Verfahren<br />
in Fällen häuslicher<br />
Gewalt“ vorstellen.<br />
Die Handpuppe<br />
erinnert daran,<br />
stets die Perspektive<br />
der <strong>Kinder</strong> <strong>im</strong><br />
Blick zu behalten.<br />
Foto: Bauer<br />
Kati Voss, <strong>Kinder</strong>- und Jugendberaterin<br />
in der Interventionsstelle Rostock, stellte<br />
zwei Wanderaussstellungen zum Thema<br />
Häusliche Gewalt vor, die von den Interventionsstellen<br />
Rostock und Schwerin<br />
konzipiert wurden. Die Ausstellung<br />
„Hier wohnt Familie Schäfer“ (Bild unten<br />
rechts) ist sehr kindgerecht gestaltet und<br />
informiert Jungen und Mädchen <strong>im</strong><br />
Alter zwischen vier und zwölf Jahren,<br />
wie sie Hilfe fi nden, wenn es zu Hause<br />
zu Gewalt kommt. Die Interventionsstelle<br />
Rostock qualifi ziert ErzieherInnen<br />
und Lehrer, welche die <strong>Kinder</strong> durch die<br />
Ausstellung führen. Parallel dazu wurde<br />
auch eine Broschüre produziert, die aus<br />
<strong>Kinder</strong>perspektive erzählt, wie Papa<br />
Schäfer böse wird und die <strong>Kinder</strong> die<br />
Polizei rufen, weil Mama Schäfer Hilfe<br />
braucht. Die zweite Ausstellung mit dem<br />
Titel „Am Rande der Wahrnehmung“<br />
spricht gezielt Berufsgruppen an, die mit<br />
<strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen in Kontakt<br />
kommen, um sie <strong>für</strong> die Auswirkungen<br />
häuslicher Gewalt auf diese zu sensibilisieren.<br />
(Nähere Informationen gibt es<br />
unter fhf-rostock.de.)<br />
Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt der<br />
Fachtagung waren die Erfahrungen mit<br />
dem seit einem Jahr geltenden Gesetz<br />
über das Verfahren in Familiensachen<br />
und in den Angelegenheiten der freiwilligen<br />
Gerichtsbarkeit (FamFG). Die<br />
Frankfurter Rechtsanwältin Mareike<br />
Sander kritisierte, das neue Familienrecht<br />
führe in der Praxis häufi g dazu,<br />
dass <strong>im</strong> Bestreben, zwischen getrennten<br />
Paaren möglichst schnell einvernehmliche<br />
Regelungen zur elterlichen<br />
Sorge und zum Umgang mit den <strong>Kinder</strong>n<br />
herbeizuführen, Gefährdungen<br />
aufgrund häuslicher Gewalt nicht genügend<br />
berücksichtigt würden. Wie in<br />
derart kritischen Fällen gute Lösungen<br />
gefunden werden können, die den<br />
Schutz von Frauen und <strong>Kinder</strong>n vor Gewalt<br />
sicherstellen, erläuterten Hedwig<br />
Blümel-Tilli und Sigrud Hainbach am<br />
Beispiel des „Münchner Modells“.<br />
(Siehe Bericht auf Seite 18.) UB<br />
„Hier wohnt Familie Schäfer“<br />
6 | 2010<br />
Eine Ausstellung <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong><br />
zum Thema häusliche Gewalt<br />
Jedes 5. Kind<br />
in Deutschland ist Opfer / Zeuge<br />
von Gewalt <strong>im</strong> sozialen Nahraum.<br />
www.der-paritaetische.de<br />
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