Bewegungsaufzeichnung und Handlungsanweisung
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<strong>Bewegungsaufzeichnung</strong> <strong>und</strong> <strong>Handlungsanweisung</strong><br />
Vorlesungssymposium 24. November 2011<br />
Dr. Carolin Höfler
Eine Notation benennt Dinge <strong>und</strong> Bewegungsverläufe in schriftlicher Form mit vereinbarten symbolischen Zeichen. In einer Notation<br />
wird das Dargestellte übersetzt, abstrahiert <strong>und</strong> komprimiert.<br />
Notationen dienen nicht nur dem Aufzeichnen, Darstellen <strong>und</strong> Speichern, sondern auch dem Erfinden, Entwerfen <strong>und</strong> Herstellen<br />
von Vorgängen, Handlungen <strong>und</strong> Ereignissen.
Étienne-Jules Marey (1830–1904) mit verschiedenen Aufzeichnungsmedien, Zeitmesser – Physiologe <strong>und</strong> Professor der Naturgeschichte<br />
am Collège de France in Paris – Notation <strong>und</strong> Reproduktion – Bilder der Bewegung, Bewegung der Bilder – Vorläufer des Films
Marey, Notation der Gangarten (Mensch, Pferd) – Rhythmische Strukturen.
Gehender Mensch<br />
Laufender Mensch<br />
Übergang vom Gehen zum Laufen<br />
Schritt des Pferdes<br />
Trab des Pferdes<br />
Galopp des Pferdes<br />
Graph mit Zeitleiste – Länge eines Rechtecks = Figur der Aufsetzzeit eines Hufes – willkürliche Höhe – räumliche Anordnung der Rechtecke ≠ Hufe auf Boden
Marey, Notation der Gangart eines Pferdes, 1878.
Hufspuren eines Pferdes bei verschiedenen Gangarten, 1878. – Lesart von unten nach oben<br />
Gewöhnlicher Schritt<br />
Langer Schritt<br />
Unterbrochener Schritt<br />
Passgang
Marey, Pulskurven bei verschiedenen Krankheiten, aufgezeichnet mit dem Sphygmographen, 1878.<br />
Kontraktion der Arterie, Plättchen, Hebelarm, Papierstreifen durch Uhrwerk in Bewegung – Bewegung mit Sinnen <strong>und</strong> Sprache nicht<br />
beschreibbar – Geräte, die Grafiken von Bewegungen erstellen – einheitliches Maß der optischen Wahrnehmung – Vergleichbarkeit
Übertragung der wahrgenommenen, biosensitiven Zeit in gemessene, bildlich sichtbar gemachte <strong>und</strong> damit administrierbare Zeit – Messung,<br />
Quantifizierung, Verwertbarkeit von Zeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts – Henry Ford – Fließband/Arbeits- <strong>und</strong> Eisenbahnfahrpläne
Eadweard Muybridge (1830–1904), britischer Photograph <strong>und</strong> Pionier der Phototechnik, Serienphotographie, 1872.<br />
Von der Chronographie zur Chronophotographie – Übertragung des Phänomens auf die Einschreibfläche ohne Verzögerung – Photographische Aufnahmen<br />
von sich bewegenden Menschen <strong>und</strong> Tieren in regelmäßigen Zeitintervallen
Aufbauten aus 12, 24 <strong>und</strong> 36 sukzessive auslösenden Photoapparaten, 1872.<br />
Unterbrechung elektrischer Leitungen durch Bewegung des Pferdes -> Auslösung der Momentverschlüsse der einzelnen Apparate – pro Kamera ein Bild<br />
Abbild einer bestimmten Phase der Bewegung
Eadweard Muybridge, Serienphotographie, 1872.
Marey, Chronophotographie, 1886. – Rotierender Momentverschluss – hintereinander erstellte Momentaufnahmen auf einer einzigen Platte –<br />
später ruckweise, in periodischer Bewegung abgerollter, lichtempfindlicher Filmstreifen – partiell, diskontinuierlich, periodisch
graphische Methode: schnelle Wiederholung einer variierten Elementarbewegung ausgehend vom Phänomen<br />
chronophotographische Methode: Wiederholung von Aufnahmen in schneller Abfolge (10 bis 50 Bilder pro Sek<strong>und</strong>e)
Zeit als Intervall zwischen den Momentaufnahmen – Abstände zwischen Figuren abhängig von Geschwindigkeit – gleiche Intervalle durch Verschluss
Marey, Springender Ball, Chronophotographie, 1886. – Weiss leuchtende Elemente vor schwarzem Gr<strong>und</strong>.
Vom weißen Streifen zur Lichtspur – Studie mit Lichtquelle am Körper – Golfer – Pfad der Bewegung
Frank Gilbreth (1868–1924), Maurer, Bauunternehmer, Unternehmensberater (zus. mit Lillian Gilbreth, Psychologin) – Rationalisierung im Arbeitskontext
seit 1912 Untersuchung der Bewegungsoptimierung im Umgang mit Maschinen – Eliminierung jeder Bewegung, die nicht dem Arbeitsfortschritt dient –<br />
Beobachtungsraster – 17 Gr<strong>und</strong>bewegungselemente (Therbligs)
ei kontinuierlichem Licht Pfad der Bewegung – bei intermittierendem Licht Geschwindigkeitsunterschiede – Simultanbewegungen – Reduktion des<br />
Zeitaufwandes durch beidhändiges Arbeiten
Gerade Linie = ineffektiv – kraftsparender <strong>und</strong> effektiver: beim Mauern Stein mit Schwung transportieren – Raumkurven – Abbildung der optimierten<br />
Bewegung in Drahtmodellen – für Arbeiter „erfahrbar“
Mike Mandel, Emptying the Fridge. Cibachrome, 76,2 x 101,6 cm , 1985.
Marey, grafische Erfassung schneller Bewegungsabläufe mittels Fernübrtragungseinrichtungen
Senkrechte Oszillationen des Körpers verschiedener Vögel während des Flugs, 60 Schwingungen pro Sek<strong>und</strong>e, 1873.
Marey, chronophotographische Flinte, Visieren <strong>und</strong> Photographieren von im Raum bewegten Objekten, 1883.<br />
Abzug – Uhrwerk – Umdrehung einer <strong>und</strong>urchsichtigen Scheibe mit einem Spalt (12 mal pro Sek.).
Marey, Verteilung der einzelnen Schwingfiguren einer Seemöwe in einem Zootrop, 1887.<br />
Instrument der optischen Synthese, W<strong>und</strong>ertrommel, Lebensrad – Wechsel von Lichtbild <strong>und</strong> Dunkelheit – Bewegung des Auges bei Grafik an Gerät<br />
weitergegeben – Überblendung der intermittierenden Aufnahmen durch Auge, da Zootrop in Bewegung
Muybridge, Zoopraxiskop, Projektionsgerät für chronophotographisch erzeugte Bilder, 1878.
Marey, künstlicher, flugfähiger Vogel als Mittel zum Studium des Vogelflugs <strong>und</strong> der Fliegekunst<br />
Analyse <strong>und</strong> Synthese – Zerlegung <strong>und</strong> Wiederherstellung
Marey, Rauchstudien im „Windkanal“ mit verschieden geformten Flügelprofilen, 1901. – Fortbewegung in Flüssigkeiten/Luft – Aeronautik/Aerodynamik.
Flug der Seemöwe, Chronophotographie, 50 Bilder pro Sek<strong>und</strong>e, 1886.<br />
Objekt aus ineinandergefügten Schwingfiguren, 1887. – Flugbewegungen in drei Ebenen des Raumes festgehalten
Giacomo Balla (1871–1958), italienischer Maler des Futurismus, Darstellung von zeitlichen Abläufen, Dynamik <strong>und</strong> Rhythmik, 1912.
Fritz Lang, Broadway, Doppel- <strong>und</strong> Überbelichtung, 1924.<br />
Verzeitlichung <strong>und</strong> Entmaterialisierung von Architektur<br />
Michael Wesely, Potsdamer Platz, Langzeitbelichtung, 5.4.1997–3.6.1999.<br />
Bau als Prozess, Mobilisierung des Immobilen
Architekturchronografien – Chronoarchitekturen
Peter Eisenman, Carnegie Mellon Research Institute, Pittsburgh, 1987–1989.<br />
Quadrat, Kubus, Hyperwürfel – Gleichwertigkeit von Kontur- <strong>und</strong> Verschiebungslinien – Prozessform – grafische, regelbasierte Visualisierungsmethode
Würfel als Festkörper <strong>und</strong> Rahmen – Vervielfältigung, Spiegelung, Überschneidung – Serie, Wiederholung, Variation – Raum im Raum
Serienphotographie/Serienarchitektur – Kette verzerrter Kuben – Serie aus Einzelementen – Verschneiden von Vorder- <strong>und</strong> Seitenansicht
Peter Eisenman, Aronoff Center for Design and Art, University of Cincinnati, 1988–1996, Konzeptdiagramme.<br />
Chronophotographie/Chronoarchitektur – Formvibration <strong>und</strong> Überlagerung – Zickzackfigur – doppelt geschwungene Kurvenfigur aus Rechteckgliedern
Weder Einzelfigur noch einheitliches Ganzes – fragmentiertes Terrain – Abdrücke auf Figur <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>
Peter Eisenman, Masterplan Rebstockpark, Frankfurt am Main, 1990–1992, Lageplan.<br />
Verzerrung von Orthogonalraster in Faltnetz – Anpassung an Gr<strong>und</strong>stückskontur – Verbindung der ursprünglichen mit verschobenen Eckpunkten
Projektion geläufiger Bautypologien (Zeilen, Blockrandbebauung) auf Netz – Verschiebung, Knickung <strong>und</strong> Fragmentierung
Geometrisierung von Bewegung durch serielle, geknickte Linien <strong>und</strong> gefaltete Flächen – Falte als Mittelding zwischen Figur <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>, Aufriss <strong>und</strong><br />
Gr<strong>und</strong>riss – Falte als „dritte Figur“
Gefaltete, modulierte Oberfläche – Verschmelzung von Raster <strong>und</strong> Figur
Peter Eisenman, City of Culture of Galicia, Santiago de Compostela 1999, seit 2001 in Bau, axonometrisches Diagramm.<br />
Reproduktion, Verschiebung, Rotation – gleichzeitige Darstellung verschiedener Bewegungsphasen – Überlagerungsfigur = Zeitfigur