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Update Narbenbehandlung - Dr. R. Kaden Verlag

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158<br />

Plastische Chirurgie J 3/2012<br />

Fortbildung<br />

<strong>Update</strong> <strong>Narbenbehandlung</strong><br />

Ursula Mirastschijski, C. Can Cedidi<br />

Vollschichtige Verletzungen der Haut, sei es durch<br />

Trauma, Infektion oder geplante chirurgische Eingriffe,<br />

heilen postnatal narbig ab. Allein in Deutschland<br />

werden pro Jahr etwa 0,3 Milliarden Euro zur Behandlung<br />

von Brandverletzungsfolgen und Narben ausgegeben<br />

[1]. Das Ausmaß der Narbenbildung, der begleitenden<br />

Funktionseinschränkungen von Gelenken und<br />

Gliedmaßen und der psycho-ästhetischen Beeinträchtigung<br />

der Lebensqualität wird durch eine Reihe an Faktoren<br />

beeinflusst. Hierzu gehören u. a. Größe und Lokalisation<br />

der Wunde, der Grad der Gewebeschädigung, die<br />

Dauer der Wundheilung und der begleitenden Entzündungsreaktion,<br />

mechanische Gewebeverhältnisse in der<br />

Wundumgebung und die genetische Prädisposition.<br />

Keloide zeichnen sich durch exzessives Wachstum<br />

über die initialen Wundränder hinaus aus<br />

Narben können je nach Alter und Erscheinungsform<br />

recht unterschiedlich aussehen [2]. Der Remodellierungsprozess<br />

nach Wundverschluss dauert zwischen<br />

einem halben bis zu eineinhalb Jahren. Kurz nach Abschluss<br />

der Wundheilung imponieren unreife Narben als<br />

leicht gerötete, im Hautniveau gelegene Veränderungen,<br />

die mit der Zeit abblassen und dann als reife Narben bezeichnet<br />

werden (Tabelle 1, Abb. 1a dünner Pfeil). Von<br />

der normalen Narbe grenzen sich pathologische Formen<br />

ab, die größenprogredient sind, jucken oder schmerzen<br />

und langfristig mit Funktionseinschränkungen einhergehen<br />

können. Häufig entstehen hypertrophe Narben<br />

(Abb. 1a dicker Pfeil) nach tiefgehenden Verbrennungsverletzungen,<br />

die unbehandelt zu einengenden Narbenplatten<br />

oder Narbensträngen mit Kontrakturen führen<br />

und die Beweglichkeit von Gelenken stark beeinträchti-<br />

gen können (Abb. 1b). Sowohl hypertrophe Narben als<br />

auch Narbenkeloide kennzeichnen sich durch starken<br />

Juckreiz, Schmerzen und progredientes Wachstum (Abb.<br />

1c). Klinisches Unterscheidungsmerkmal ist das Wachstumsverhalten:<br />

Während sich hypertrophe Narben nicht<br />

über die ursprünglichen Wundgrenzen hinaus ausbreiten,<br />

zeichnen sich Keloide durch exzessives Wachstum<br />

über die initialen Wundränder hinaus aus. Es können<br />

Latenzzeiten von bis zu einem Jahr nach dem Initialtrauma<br />

bis zur klinischen Manifestation eines Keloids auftreten<br />

(Tabelle 1). Eine genetische Prädisposition zu Keloidbildungen<br />

besteht im afrikanischen und asiatischen<br />

Raum [2].<br />

Objektive Beurteilungskriterien sind Pigmentierung,<br />

Dehnbarkeit, Höhe und Durchblutung der Narbe<br />

Eine exakte Narbenbeurteilung ist vor allen Dingen<br />

für klinische Studien von großer Bedeutung. Wichtige<br />

Parameter sind die Farbe, Dicke, Oberflächenunregelmäßigkeiten,<br />

Dehnbarkeit und die Oberflächenausdehnung<br />

der Narbe, die auch Narbenplatten und -kontrakturen<br />

berücksichtigt [3]. Man unterscheidet zwischen objektiven<br />

und subjektiven Beurteilungstests zur Narbeneinteilung<br />

[4], wobei die am häufigsten angewandten Tests<br />

mit der höchsten Validität [3] der Vancouver Scar Scale<br />

[5, 6] und der Patient and Observer Scar Assessment Scale<br />

(POSAS) [7] sind. Objektive Beurteilungskriterien sind<br />

Pigmentierung, Dehnbarkeit, Höhe und Durchblutung<br />

der Narbe, die durch den ursprünglich für Verbrennungspatienten<br />

entwickelten Vancouver Scar Scale dargestellt<br />

werden. Subjektive Beurteilungen von Schmerzen und<br />

Juckreiz werden ausschließlich durch den POSAS erfasst.


Um der Narbenentstehung effektiv vorbeugen zu<br />

können, ist ein grundlegendes Verständnis der Pathophysiologie<br />

wichtig. Während Feten bis zum dritten<br />

Schwangerschaftstrimenon noch narbenfrei abheilen,<br />

ist postnatal eine Restitutio ad integrum nach Hautverletzungen<br />

nicht mehr möglich [8]. Dabei beeinflussen<br />

die Größe und Heilungsdauer der Wunde, die begleitende<br />

inflammatorische Reaktion und die Gewebemechanik<br />

maßgeblich den Reifungsprozess der Narbe und<br />

das spätere Erscheinungsbild [9, 10]. Im Zentrum der<br />

biomolekularen Umbauprozesse bei der Narbenentstehung<br />

steht der Myofibroblast, der nach Verletzung in das<br />

Wundgebiet einwandert, wo er zunächst die provisorische<br />

Wundmatrix bildet, die er anschließend in die kollagenreiche<br />

Narbe umwandelt. Unter dem Einfluss des<br />

profibrotischen Wachstumsfaktors transforming growth<br />

factor-beta (TGF-b) [11] und der Gewebespannung [12]<br />

differenzieren Fibroblasten in hyperkontraktile Myofibroblasten,<br />

die nach Abschluss der Narbenreifung durch<br />

Apoptose verschwinden [13]. Unter ungünstigen Bedin-<br />

160<br />

Plastische Chirurgie J 3/2012<br />

<strong>Update</strong> <strong>Narbenbehandlung</strong><br />

gungen – insbesondere bei erhöhter Gewebespannung<br />

[14] – persistieren diese Zellen und können langfristig<br />

zu Narbenkontrakturen führen [9].<br />

Bei bekannter hypertropher Narbenbildung<br />

können präventiv Silikonfolien und silikonhaltige<br />

Gele eingesetzt werden<br />

Die Narbenprävention zielt darauf ab, die Wundspannung<br />

und -irritation so gering wie möglich zu halten, so<br />

dass kaum sichtbare Narben resultieren. Bereits die präoperative<br />

Planung der Schnittführung entlang der Langer-Linien<br />

der Haut [15], die intraoperativ schonende<br />

Handhabung des Gewebes und der Wundränder sowie<br />

der spannungsfreie Wundverschluss sind unabdingbar<br />

für eine ereignisfreie Wundheilung mit minimaler Narbenbildung.<br />

Unterstützend wirken Taping-Verbände,<br />

die die Wundspannung heruntersetzen. Bei Patienten<br />

mit bekannter hypertropher Narbenbildung können<br />

Tabelle 1 Klassifikation kutaner Narben<br />

Narbentypen<br />

Normal<br />

Benennung Beschreibung<br />

Aktiv Unreife Narbe – Gerötet, leicht erhaben, manchmal mit Juckreiz<br />

– Nach zirka sechs bis 12 Monaten Umwandlung in reife Narbe<br />

Inaktiv Reife Narbe – Blass, flach, im Hautniveau<br />

Pathologisch<br />

Atrophe Narbe – Blass, eingesunken unter das Hautniveau; z.B. Aknenarben<br />

– Reife Narbe mit Gewebeverlust<br />

Hypertrophe Narbe – Gerötet, deutlich prominent, über das Hautniveau erhaben, nicht über die Narbengrenzen hinaus gehend<br />

– Linear (postoperativ) oder flächig (z.B. nach Verbrennung)<br />

– Starker Juckreiz, Schmerzen, Hitzegefühl<br />

– Größenprogredienz in den ersten drei bis sechs Monaten, manchmal Spontanregression<br />

Langfristige Folgen: Narbenstrang, Narbenkontraktur, Narbenplatte<br />

Narbenkeloid – Hautfarben, tumorartig über die Narbengrenzen hinaus wachsend<br />

– Juckreiz, Schmerzen<br />

– Bis zu einem Jahr posttraumatisch auftretend, auch spontan ohne Hautverletzung (z.B. nach Kontusion)<br />

– Keine Spontanregression, hohe Rezidivrate<br />

– Größenprogredienz über Jahre hinweg<br />

– Genetische Prädisposition


präventiv Silikonfolien und silikonhaltige Gele zur Narbenmassage<br />

eingesetzt werden. Bei Patienten mit tiefen<br />

Verbrennungen, die erfahrungsgemäß zu hypertrophen<br />

Narben führen, wird prophylaktisch individuell angepasste<br />

Kompressionswäsche rezeptiert, die dann für die<br />

Dauer eines Jahres getragen werden sollte. Die Kompressionstherapie<br />

wird seit Jahren empirisch zur Narbenprophylaxe<br />

angewandt, eine Metaanalyse ergab jedoch, dass<br />

keine ausreichende Evidenz für die Wirksamkeit dieser<br />

Therapie existiert [16].<br />

<strong>Update</strong> <strong>Narbenbehandlung</strong><br />

Vor Beginn einer Narbentherapie sollte zunächst eine<br />

umfassende Beurteilung der Narbe erfolgen. Neben optischen<br />

Auffälligkeiten ist die Erfassung von subjektiven<br />

Beschwerden wie Juckreiz und Schmerzen sowie von<br />

funktionellen Einschränkungen wie Narbenkontrakturen<br />

wichtig. Die Behandlung normaler, reifer oder atropher<br />

Narben unterscheidet sich grundlegend von der<br />

Therapie hypertropher Narben und Keloide. Ein exzellenter<br />

Algorithmus für die primäre, präventive und sekundäre,<br />

kurative <strong>Narbenbehandlung</strong> wurde von Bloemen<br />

et al. 2009 in Burns veröffentlicht und stellt sowohl<br />

etablierte als auch innovative Therapieverfahren sehr<br />

übersichtlich dar [17].<br />

Abb. 1 Darstellung verschiedener Narbenarten. a Reife, normale Narbe im Hautniveau (schmaler Pfeil) und hypertrophe Narbe (dicker Pfeil). b Thorakale Narbenplatte<br />

nach Verbrennung (schmaler Pfeil) mit Narbensträngen und -kontrakturen bei der Abduktion der Arme (dicke Pfeile). c Bauchnabel-Keloid.<br />

a<br />

a<br />

b<br />

b<br />

Abb. 2 Z-Plastik. Patientin mit mentaler Narbe nach Hundebissverletzung: a präoperativ, b intraoperativ, c drei Monate postoperativ.<br />

c<br />

c<br />

161<br />

Plastische Chirurgie J 3/2012


162<br />

Nach Narbenexzision gibt es verschiedene<br />

Möglichkeiten der Defektdeckung und/oder<br />

Strangauflösung<br />

Vor Beginn interventioneller und chirurgischer Maßnahmen<br />

sollten zunächst konservative Maßnahmen zur<br />

Narbenreduktion angewandt werden. Hierzu gehört<br />

nach wie vor die Kompressionstherapie in Kombination<br />

mit Silikonauflagen, Narbenmassage und Physiotherapie.<br />

Intraepidermale Kortikoid-Injektionen sind derzeit<br />

der Goldstandard zur Behandlung hypertropher Narben.<br />

Hierbei haben sich der Dermo-Jet® und die Kombination<br />

eines Kortikosteroids mit einem Lokalanästhetikum<br />

bewährt. Die Behandlungen werden in einem Rhythmus<br />

von etwa zwei bis vier Wochen durchgeführt und<br />

etwa vier- bis sechsmal wiederholt. Hierbei bemerken<br />

Patienten vor allen Dingen eine deutliche Verbesserung<br />

des oft quälenden Juckreizes und der Narbenschmerzen.<br />

Gleichzeitig ist unter dieser Therapie klinisch häufig ein<br />

Abblassen und Abflachen der hypertrophen Narben zu<br />

bemerken. Narbenstränge und -kontrakturen mit Einschränkung<br />

der Gelenkbeweglichkeit treten zumeist erst<br />

im Verlauf auf und sind allein durch konservative Maßnahmen<br />

oft nicht effektiv zu behandeln.<br />

a<br />

c<br />

Plastische Chirurgie J 3/2012<br />

<strong>Update</strong> <strong>Narbenbehandlung</strong><br />

Frühestens sechs Monate nach Verletzung oder der<br />

initialen Operation und nach erfolgloser konservativer<br />

Behandlung sollten operative Narbenkorrekturen avisiert<br />

werden. Nach Narbenexzision gibt es verschiedene<br />

Möglichkeiten der Defektdeckung und/oder Strangauflösung.<br />

Dabei orientiert man sich an der chirurgischen<br />

Leiter [18], wobei sich jedoch der primäre Wundverschluss<br />

oder die Spalthauttransplantation aufgrund<br />

hoher Rezidivraten nicht zur Narbenkorrektur eignen.<br />

Goldstandard chirurgischer Narbenkorrekturen sind lokale<br />

Lappenplastiken, beispielsweise Z-Plastiken (Abb.<br />

2), die zum einen eine <strong>Verlag</strong>erung der Spannungsrichtung<br />

der Narbe und zum anderen einen Längengewinn<br />

des Gewebes bewirken. Es existieren eine Vielfalt weiterer<br />

lokaler und Fernlappenplastiken, Dehnungslappenplastiken<br />

nach vorheriger Gewebeexpansion und – etwa<br />

für großflächige Narbenplatten – freie, mikrovaskulär<br />

angeschlossene Lappenplastiken (Abb. 3). Ziel eines jeden<br />

Eingriffs ist die Wiederherstellung der Beweglichkeit<br />

und Reduktion der lokalen Gewebespannung.<br />

Da Keloide tumorartig wachsen und eine hohe Rezidivneigung<br />

haben, sind neben konservativen und chirurgischen<br />

Therapien oft zusätzliche adjuvante interventionelle<br />

Maßnahmen erforderlich [19]. Dazu zählen<br />

Abb. 3 Freie, ipsilaterale, mikrovaskulär angeschlossene Oberarmlappenplastik bei großflächiger Narbenplatte nach Kompartmentsyndrom und palmarer Adhäsion der<br />

Sehnen mit Funktionseinschränkung der Flexion: a präoperativ, b intraoperativ: Entfernung sämtlicher narbigen Adhäsionen; c,d postoperativ: freie Beweglichkeit mit<br />

wiederhergestelltem Faustschluss und Langfingerstreckung.<br />

b<br />

d


die Strahlentherapie, intraläsionale 5-Fluorouracil-Injektionen<br />

oder Lokalbehandlung mit Bleomycin. Diese<br />

aggressiven Therapien, die mit erheblichen Nebenwirkungen<br />

wie etwa Lungenfibrose (Bleomycin) einher gehen<br />

können, verdeutlichen nicht nur die maligne Wachstumstendenz<br />

der Keloide [19] sondern auch den Mangel<br />

an effektiven Behandlungsmaßnahmen. In klinischer<br />

Erprobung ist zurzeit die Kryotherapie von Keloiden<br />

mit einer Ansprechrate von 76 Prozent. Der dermale<br />

Keloid anteil wird mit einer Stickstoffsonde vereist und<br />

soll dabei den Kollagenumbau beeinflussen [20]. Da die<br />

Prozedur sehr schmerzhaft ist, wird sie im Regelfall in<br />

Narkose durchgeführt. In einer prospektiven klinischen<br />

Studie war die postoperative Rezidivhäufigkeit höher<br />

nach Kryotherapie im Vergleich mit Bestrahlung [21].<br />

164<br />

Empfehlenswert ist es, vor chirurgischen Korrekturen<br />

die vollständige Narbenreifung abzuwarten<br />

Präoperativ sollte die Indikation sehr genau geprüft<br />

werden, da jede Narbenkorrektur zwangläufig erneut<br />

in einer Narbe resultieren wird. Konservative Therapiemöglichkeiten<br />

bestehen in selektiven Fällen darin,<br />

eingezogene Narben mit unterschiedlichen Fillern zu<br />

unterspritzen. In letzter Zeit haben zudem autologe Fettinjektionen<br />

zu erstaunlichen Resultaten geführt [22],<br />

die jedoch noch klinisch evaluiert werden müssen. Vor<br />

allen Dingen an exponierten Stellen wie im Gesicht können<br />

Narben störend sein, wenn sie einen geradlinigen<br />

Verlauf haben und dem Betrachter auffallen. Hier haben<br />

a b c<br />

Abb. 4 W-Lappenplastik bei flächiger Narbe auf der Stirn: a präoperativ, b direkt<br />

postoperativ, c acht Wochen postoperativ.<br />

Plastische Chirurgie J 3/2012<br />

<strong>Update</strong> <strong>Narbenbehandlung</strong><br />

sich lokale Lappenplastiken, beispielsweise die Running<br />

W-Plastik (Abb. 4), mit Narbenverlaufsunterbrechung<br />

bewährt. Alternativ zum chirurgischen Verfahren gibt<br />

es die Lasertherapie (z. B. Nd:YAG und CO 2 [23]) sowie<br />

fraktionierte Photothermolyse (Fraxel [24]) und das Medical<br />

Needling [25]. Die Gemeinsamkeit der Fraxel-Therapie<br />

und des Medical Needlings (Abb. 5) besteht darin,<br />

dass dermale Mikroläsionen mittels Laser oder Nadel erzeugt<br />

werden, die dann im Bereich der Dermis Umbauprozesse<br />

in Gang setzen und zu einer Veränderung der<br />

Kollagenstruktur und damit der visuellen Narbe führen.<br />

Beide Verfahren sind für superfiziell gelegene Narben<br />

geeignet und derzeit in klinischer Erprobung. Narbenstränge<br />

und -kontrakturen können damit hingegen nicht<br />

effizient aufgelöst werden.<br />

Derzeit werden verschiedene antifibrotische<br />

Wirkstoffe erforscht<br />

In den letzten Jahren hat die Forschung im Bereich<br />

Narbenprävention und -behandlung viel zum Verständnis<br />

der Narbenentstehung beigetragen [26]. Es gibt eine<br />

Vielzahl möglicher Ansatzpunkte, jedoch ist eine Reihe<br />

dieser Studien noch weit von der klinischen Anwendung<br />

entfernt. Grob zusammengefasst gibt es zwei Schlüsselfaktoren,<br />

deren Beeinflussung zu einer Verbesserung<br />

der Narbenqualität führen könnte. Interferenz zum einen<br />

mit profibrotischen Zytokinen und dem wichtigsten<br />

profibrotischen Wachstumsfaktor, TGF-b1, und nachfolgenden<br />

Signalketten und zum anderen mit der zellulä-<br />

Abb. 5 Medical Needling. Intraoperatives Setting.<br />

Abbildung: mit freundlicher Genehmigung von PD <strong>Dr</strong>. M. Aust, Malteserkrankenhaus Bonn


Abb. 6 Antifibrotischer Wirkmechanismus von Statinen und ACE-Hemmern bei<br />

der biomolekularen Signalübertragung (HMG-CoA Hydroxymethyl glutaryl Coenzyme<br />

A; GGPP Geranyl geranyl pyrophosphat; CTGF Connective tissue growth<br />

factor; TGF-ß Transforming growth factor beta).<br />

<strong>Update</strong> <strong>Narbenbehandlung</strong><br />

ren Mechanotransduktion des Myofibroblasten haben in<br />

wissenschaftlichen Studien verheißungsvolle Resultate<br />

ergeben.<br />

Schon 1995 konnten Shah und Mitarbeiter die antifibrotische<br />

Wirkung von TGF-b1 Inhibitoren und von<br />

TGF-b3 nachweisen [27]. Zwar wurden Phase-3 klinische<br />

Studien mit TGF-b3 (Avotermin) [28] als Monotherapie<br />

wegen fehlender Effizienz eingestellt, jedoch<br />

sind inzwischen Kombinationstherapien zweier antifibrotischer<br />

Mediatoren, TGF-b3 und Interleukin-10 als<br />

Narbentherapie geplant.<br />

Altbewährte Wirkstoffe wie Statine und ACE-Hemmer<br />

haben ebenfalls antifibrotische Effekte und könnten<br />

zukünftig interessante Kandidaten in der <strong>Narbenbehandlung</strong><br />

sein [29]. In wissenschaftliche Studien an<br />

Zellen und im Tierexperiment konnte eine Narbenreduktion<br />

sowohl mit Statinen [30, 31] als auch mit ACE-<br />

Hemmern beobachtet werden [32]. TGF-b1 wirkt intrazellulär<br />

sowohl über den Smad-Signalweg als auch über<br />

RhoA/ROCK-Weg, der unter anderem die Expression


eines weiteren profibrotischen Mediators, connective<br />

tissue growth factor (CTGF) zur Folge hat (Abb. 6). Weitere<br />

Studien werden zeigen, ob trunkierte Formen dieser<br />

Inhibitoren ohne antihypertensive Wirkung auch zu<br />

einer Narbenreduktion führen [33]. Die Einflussnahme<br />

auf die Mechanotransduktion des Gewebes und damit<br />

die Differenzierung von Fibroblasten in hochkontraktile<br />

Myofibroblasten wäre eine weitere Möglichkeit der<br />

Narbentherapie. Taping-Verbände sind ein praktisches<br />

Beispiel für diese Behandlung. Die Verringerung der<br />

Zellverankerung im Gewebe (z. B. durch Inhibitoren der<br />

focal adhesion kinase [34]) oder die Interaktion mit dem<br />

Zytoskelett sind weitere Möglichkeiten [35]. Auf zellulärer<br />

Ebene konnte man nachweisen, dass eine Blockade<br />

der Mechanoperzeption über Integrine [35] oder Kalziumkanäle<br />

zu einer Reduktion der zellulären Kontraktilität<br />

führte. Auf diese Weise könnte man auch die inhibitorische<br />

Wirkung von Kalziumantagonisten auf die<br />

Narbenbildung erklären [36].<br />

Die Behandlung pathologischer Narben ist nach wie<br />

vor eine große Herausforderung, wobei sowohl konservative<br />

als auch interventionelle und chirurgische<br />

Maßnahmen ihre Anwendung finden. Wissenschaftliche<br />

Erkenntnisse der biomolekularen Grundlagen der<br />

Narbenentstehung haben Ansatzpunkte aufgezeigt, die<br />

in Zukunft auf effektivere Möglichkeiten der Narbenprävention<br />

und -therapie hoffen lassen. K<br />

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Priv.-Doz. <strong>Dr</strong>. med. <strong>Dr</strong>. phil. Ursula Mirastschijski<br />

Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie<br />

Klinikum Bremen-Mitte gGmbH<br />

Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Göttingen<br />

St.-Jürgen-Straße 1<br />

28177 Bremen<br />

Ursula.Mirastschijski@klinikum-bremen-mitte.de

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