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Carl Schmitt - Hans-Joachim Lenger

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Engländer suchte sich mit einem solchen Vorbehalt nicht aus dem<br />

Glauben seines Volkes her-auszustellen, sondern, im Gegenteil, in<br />

ihm zu bleiben. Der jüdische Philosoph dagegen kommt von außen<br />

an eine Staatsreligion heran und bringt daher auch den Vorbehalt von<br />

.außen mit. Bei Hobbes standen der öffentliche Friede und das Recht<br />

der souveränen Gewalt im Vordergrund; die individuelle Gedankenfreiheit<br />

blieb nur als letzter, hintergründiger Vorbehalt offen. Jetzt wird<br />

umgekehrt die individuelle Gedankenfreiheit der formgebende Grundsatz<br />

und die Notwendigkeiten des öffentlichen Friedens sowie das<br />

Recht der souveränen Staatsgewalt verwandeln sich in bloße Vorbehalte.<br />

Eine kleine, umschaltende Gadankenbewegung aus der<br />

/89/<br />

jüdischen Existenz heraus, und in einfachster Folgerichtigkeit hat sich<br />

im Laufe von wenigen Jahren die entscheidende Wendung im<br />

Schicksal des Leviathan vollzogen.<br />

Die staatliche Entwicklung des 18. Jahrhunderts vollendete den Gedanken<br />

der fürstlichen Souveränität, das cujus regio, ejus religio, und<br />

damit die klassische Form eines vollen, ungeteilten, staatlichen Absolutismus.<br />

Das geht aber nur in der Weise vor sich, daß die absolute<br />

staatliche Macht, die souverän-repräsentative Person, die den ständischen<br />

und den kirchlichen Gegner besiegt hat, zwar den augenfälligen<br />

Schauplatz des öffentlichen Geschehens und den Vordergrund<br />

der politisch-geschichtlichen Bühne beherrscht, daß gleichzeitig aber<br />

unsichtbare Unterscheidungen von Außen und Innen, Öffentlich und<br />

Privat nach allen Richtungen hin zu einer immer schärferen Trennung<br />

und Antithese weiter-getrieben werden. Durch Pufendorff und Thomasius<br />

ist Hobbes auf dem Kontinent Sieger geworden, freilich nur<br />

auf Kosten jener Umkehrung des Verhältnisses von Außen und Innen.<br />

Bei Thomasius wird um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert<br />

die Trennung schon mit der siegesgewissen Selbstverständlichkeit<br />

eines Gedankens ausgesprochen, der Gemeingut des kommenden<br />

Jahrhunderts zu werden bestimmt ist. Die „Thomasischen Gedanken”,<br />

die 1724 auf deutsch veröffentlicht werden, sind hier das<br />

schönste Beispiel, weil sie<br />

/90/<br />

sowohl den Stempel ihrer Herkunft -von Hobbes und Spinoza tragen,<br />

gleichzeitig aber auch, wie Bluntschli von ihnen richtig gesagt hat,<br />

„die wissenschaftliche Vorschule für den Staat Friedrichs des Großen”<br />

sind 5 ). Nach diesen in Thesenform aufgestellten „Gedanken” hat<br />

der Fürst in Religionssachen sowie in allem, was „Tun und Lassen<br />

des menschlichen Verstandes” angeht, keinerlei Zwangsrechte; A-<br />

theisten und solche, die den Schöpfer und die Vorsehung leugnen,<br />

braucht er zwar nicht zu dulden, aber nur deshalb, weil von ihnen zu<br />

5 Joh. Casp. Bluntschli, Geschichte des Allgemeinen Staats-rechts und der<br />

Politik, 1864, S. 192. Darüber daß das staatstheoretische Denken Friedrichs<br />

des Großen mehr von Hobbes als von Locke bestimmt ist: Gisbert Beyerhaus,<br />

Friedrich der Große und das 18. Jahrhundert, Bonn 193 S. 11.<br />

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