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Carl Schmitt - Hans-Joachim Lenger

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ker und Pietisten, Sektierer aller Art, die vielen „Stillen im Lande” und<br />

vor allem auch hier wieder der rastlose Geist des Juden, der die Situation<br />

am bestimmtesten auszuwerten wußte, bis das Verhältnis von<br />

Öffentlich und Privat, Haltung und Gesinnung, auf den Kopf gestellt<br />

war. Im 18. Jahrhundert ist es Moses Mendelssohn, der in seiner<br />

Schrift „Jerusalem, oder über religiöse Macht und Judentum” (i 783)<br />

die Trennung von Innerlich und Äußerlich, Sittlichkeit und Recht, innerer<br />

Gesinnung und äußerer Handlung, zielsicher geltend macht<br />

und vom Staat Gewissensfreiheit verlangt; ohne großen Geist, als<br />

Intellekt mit Spinoza nicht zu vergleichen, aber mit dem unbeirrbaren<br />

Instinkt dafür, daß eine solche Unterminierung und Aushöhlung der<br />

/93/<br />

staatlichen Macht zur Lähmung des fremden und zur Emanzipation<br />

des eigenen jüdischen Volkes am besten dient. Moses Mendelssohns<br />

Schrift gab auch den An-laß zu der ersten großen und wahrhaft tiefen<br />

Auseinandersetzung deutscher Weisheit mit jüdischer Distinktionstaktik,<br />

nämlich zu Johann Georg Hamanns „Golgatha und Scheblimini”<br />

(1784). Hamann, der große Wissende, ist über die Bedeutung von<br />

Leviathan und Behemoth im Bilde. Er kennt den Leviathan als gewaltigen<br />

Fisch und als Symbol englischen Wesens. In dieser Deutung<br />

bezeichnet er die moralistische bürgerliche Heuchelei, den Cant, als<br />

den „Kaviar des Leviathan”, zum Unterschied von der „gallikanischen<br />

Schminke” der Schöngeisterei. In Anspielung auf den Staat Friedrichs<br />

des Großen zitiert er die Stelle aus dem Buch Hiob 40,18, also das<br />

Landtier Behemoth. Mit wunderbarer Überlegenheit über die Begriffskünste<br />

des aufgeklärten Juden erwidert er diesem, daß Staat, Religion<br />

und Gewissensfreiheit drei Wörter sind, die alles und nichts<br />

besagen können und sich daher zu andern Wörtern verhalten „wie die<br />

Unbestimmtheit des Menschen zur Bestimmtheit der Tiere ” . Der Behemoth<br />

ist ein solches Tier, dem die Armen und Unmündigen dafür<br />

dankbar sind, daß die Jagdhunde des großen Nimrod ihnen einige<br />

Brosamen übriglassen. Vor allem aber ist hier zuerst in aller Klarheit<br />

gesehen, was aus dem Leviathan des Hobbes geworden ist: eine<br />

äußerlich all-<br />

/94/<br />

mächtige, innerlich ohnmächtige Machtkonzentration, die nur<br />

„Zwangspflichten aus der Verbindlichkeit der Furcht ” begründen kann<br />

und von der der Jude Moses Mendelssohn mit großer Aussicht auf<br />

Erfolg verlangt, daß sie sich, da bekanntlich jeder nach seiner Fasson<br />

selig werden kann, um die Gesinnung des einzelnen so wenig zu<br />

kümmern habe, wie umgekehrt Gott um die äußeren Handlungen des<br />

Menschen.<br />

Wenn aber wirklich die öffentliche Macht nur noch öffentlich sein will,<br />

wenn Staat und Bekenntnis den innerlichen Glauben ins Private abdrängen,<br />

dann begibt sich die Seele eines Volkes auf den „geheimnisvollen<br />

Weg”, der nach innen führt. Dann wächst die Gegenkraft<br />

des Schweigens und der Stille. In dem Augen-blick, in dem die Unter-<br />

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