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Materialien zum Modul Methoden der Demographie, Wirtschafts ...

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62 4 PROZESSE UND ABLAUFSCHEMAS<br />

4.2 ZEITREIHEN UND STATISTISCHE PROZESSE 63<br />

Modelle für Prozesse konstruieren, an denen Menschen beteiligt sind. Dies<br />

geschieht normalerweise in einer Beobachterperspektive, und es kann meistens<br />

nicht angenommen werden, dass das wissenschaftlich konstruierte<br />

Regelwissen auch bei den Akteuren <strong>der</strong> Prozesse vorhanden ist (z.B. bei<br />

einem Modell zur Erklärung des Zustandekommens von Staus auf Autobahnen).<br />

Dementsprechend muss auch zwischen Verhaltensregelmäßigkeiten,<br />

die aus einer Beobachterperspektive festgestellt werden können, und<br />

Regeln, an denen sich Akteure in ihrem Verhalten orientieren, begrifflich<br />

unterschieden werden.<br />

4.2 Zeitreihen und statistische Prozesse<br />

Wenn man sich im Rahmen <strong>der</strong> empirischen Sozialforschung mit Prozessen<br />

beschäftigt, werden diese fast immer als Realisationen theoretisch konzipierter<br />

Ablaufschemas betrachtet. Möglichkeiten zur Konstruktion von<br />

Ablaufschemas hängen in erster Linie von <strong>der</strong> Konzeption <strong>der</strong> Prozesse<br />

ab. In diesem Abschnitt beziehen wir uns auf Zeitreihen und statistische<br />

Prozesse.<br />

1. Zeitachsen. Offenbar benötigt man zur Konzeption von Ablaufschemas<br />

einen zeitlichen Rahmen. Meistens wird eine Zeitachse verwendet. Es gibt<br />

hauptsächlich zwei Varianten:<br />

– Man kann sich die Zeit als eine Folge von Zeitstellen (z.B. Sekunden,<br />

Stunden, Tage, Monate, Jahre) vorstellen. Zur Repräsentation <strong>der</strong> Zeitstellen<br />

werden die natürlichen o<strong>der</strong> ganzen Zahlen verwendet, und man<br />

spricht von einer diskreten Zeitachse.<br />

– Man kann versuchen, sich die Zeit als ein linear geordnetes Kontinuum<br />

von Zeitpunkten vorzustellen. Zur Repräsentation werden in diesem Fall<br />

die reellen Zahlen verwendet, und man spricht von einer stetigen o<strong>der</strong><br />

kontinuierlichen Zeitachse.<br />

Unabhängig von dieser Unterscheidung, die die begriffliche Repräsentation<br />

von Zeit(stellen) betrifft, kann man Verwendungskontexte unterscheiden.<br />

Zunächst kann man an eine historische Zeitachse denken, die zur Repräsentation<br />

<strong>der</strong> historischen Zeit dient, in <strong>der</strong> sich das Leben <strong>der</strong> Menschen<br />

tatsächlich abspielt. Gedankliche Bezugnahmen auf diese Zeitachse erfolgen<br />

mithilfe von Kalen<strong>der</strong>n und Uhren. 11 Davon zu unterscheiden sind<br />

Modell-Zeitachsen (auch Prozesszeitachsen genannt), die zur Konstruktion<br />

von Modellen verwendet werden, die einer modalen Reflexion von<br />

Prozessabläufen dienen sollen.<br />

Will man eine explizite Repräsentation zeitlicher Bezüge vornehmen,<br />

muss man sich für eine diskrete o<strong>der</strong> eine stetige Darstellung entscheiden.<br />

11 Darüber, wie sich solche Orientierungsmittel historisch entwickelt und verän<strong>der</strong>t haben,<br />

gibt es eine umfangreiche Literatur, man vgl. z.B. E. G. Richards (1998).<br />

Wir werden in diesem Text in den meisten Fällen eine diskrete Zeitachse<br />

zugrunde legen und dafür die Notation T := {. . .,−3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, . . .}<br />

verwenden, so dass T formal <strong>der</strong> Menge <strong>der</strong> ganzen Zahlen entspricht und<br />

die Ordnungsrelation zwischen diesen Zahlen (≤ und ge) als zeitliche Relation<br />

zwischen den durch sie bezeichneten Zeitstellen verstanden werden<br />

kann. Festlegungen über die Art <strong>der</strong> Zeitstellen und Verknüpfungen mit<br />

einer historischen Zeitachse können bei Bedarf erfolgen. Natürlich benötigt<br />

man zur Repräsentation von Daten oft nur einen Teil <strong>der</strong> Zeitachse; wir<br />

verwenden dann die Notation T ∗ , womit stets eine zusammenhängende<br />

und meistens (wenn nicht ausdrücklich an<strong>der</strong>s angegeben) auch eine endliche<br />

Teilmenge von T gemeint sein soll.<br />

2. Zeitreihen. Sobald man über den Begriff einer Zeitachse verfügt, kann<br />

man in sehr allgemeiner Weise von Zeitreihen sprechen. Zur formalen Vergegenwärtigung<br />

kann ein Zeitreihenschema<br />

X : T ∗ −→ ˜X (4.1)<br />

verwendet werden, also eine Funktion, durch die je<strong>der</strong> Zeitstelle t einer<br />

Zeitachse T ∗ ein Wert X(t) in einem Wertebereich ˜X zugeordnet wird. Je<br />

nachdem ob es sich bei T ∗ um eine kontinuierliche o<strong>der</strong> diskrete Zeitachse<br />

handelt, kann man kontinuierliche (stetige) und diskrete Zeitreihen unterscheiden.<br />

Hinsichtlich des Wertebereichs ˜X kann man außerdem folgende<br />

Unterscheidungen treffen:<br />

– Einfache Zeitreihen. In diesem Fall wird je<strong>der</strong> Zeitstelle t ein einfacher<br />

Wert X(t) zugeordnet, so dass ˜X numerisch durch reelle Zahlen<br />

repräsentiert werden kann; <strong>zum</strong> Beispiel: die Entwicklung <strong>der</strong> Körpertemperatur<br />

eines Patienten o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Bevölkerungszahl eines Landes<br />

während eines gewissen Zeitraums.<br />

– Vektorielle Zeitreihen. In diesem Fall wird je<strong>der</strong> Zeitstelle t ein Vektor<br />

X(t) = (X 1 (t), . . . , X m (t)) zugeordnet. Als Beispiel kann man daran<br />

denken, dass bei neugeborenen Kin<strong>der</strong>n für einen gewissen Zeitraum<br />

sowohl die Körpergröße als auch das Körpergewicht erfasst wird.<br />

– Funktionale Zeitreihen. In diesem Fall wird je<strong>der</strong> Zeitstelle t eine Funktion<br />

zugeordnet; X(t) ist dann keine Zahl, son<strong>der</strong>n eine Funktion (und<br />

wir verwenden dann meistens die Schreibweise X t anstelle von X(t)).<br />

Bei diesen Funktionen kann es sich insbeson<strong>der</strong>e um statistische Variablen<br />

handeln, so dass statistische Prozesse entstehen (das wird weiter<br />

unten genauer besprochen).<br />

Bei einfachen und vektoriellen Zeitreihen kann <strong>der</strong> Wertebereich ˜X dem<br />

Merkmalsraum einer ein- bzw. mehrdimensionalen statistischen Variablen<br />

entsprechen (man vgl. die Ausführungen in Abschnitt 2.1). Auch dann ist<br />

jedoch die Analogie zwischen dem Zeitreihenschema (4.1) und dem für statistische<br />

Variablen verwendeten Schema X : Ω −→ ˜X rein formal, denn

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