Stadt - Land - Fluss. - Institut für Geschichte
Stadt - Land - Fluss. - Institut für Geschichte
Stadt - Land - Fluss. - Institut für Geschichte
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Stadt</strong> - <strong>Land</strong> - <strong>Fluss</strong>.<br />
Prag, Böhmen und das Reich<br />
zur Zeit Kaiser Karls IV. (1316-1378)<br />
Exkursion vom<br />
24.-30. Juli 2010<br />
nach Nürnberg,<br />
Prag und Görlitz
Samstag, 24. Juli 2010<br />
<strong>Stadt</strong>, <strong>Land</strong>, <strong>Fluss</strong> - Prag, Böhmen und das Reich zur Zeit Kaiser Karls IV. Unter diesem Motto machten wir,<br />
Herr Prof. Dr. Schenk, Herr Bauch und 28 Studentinnen und Studenten, uns am 24. Juli auf zur diesjährigen<br />
Exkursion des Fachgebiets Mittelalter. Viele von uns hatten im Vorfeld bereits das Hauptseminar zum Thema<br />
14. Jahrhundert als Krisenzeit besucht und so starteten wir am Samstagmorgen fröhlich und gut vorbereitet<br />
mit dem Regionalexpress in Richtung Nürnberg, das wir um die Mittagszeit erreichten.<br />
Auch der einsetzende Regen konnte unserem Tatendrang nichts anhaben, frohen Mutes machten wir uns, das<br />
Gepäck im Schlepptau, daran, den Burgberg zu erstürmen, wo wir die Nacht historikergerecht in den zur<br />
Jugendherberge umgebauten alten Mauern des kaiserlichen Kornspeichers verbringen sollten.<br />
Zuvor jedoch standen das erste Referat sowie die Besichtigung von St. Sebald, der Frauenkirche und des<br />
dortigen Highlights, der Nürnberger Burg, auf dem Programm. Angesichts des Fröstelns, das uns in den<br />
kühlen Gemäuern selbst im Juli noch erfasste, konnten wir nun endlich verstehen, warum der Kaiser, statt<br />
in seiner eigenen, kalten Burg zu schlafen, in der Regel die wohl ausgestatteten Häuser gut situierter <strong>Stadt</strong>bürger<br />
als Nachtquartier wählte, wenn er in der <strong>Stadt</strong> war - historische Erfahrung hautnah.<br />
Den Abend beschlossen wir gemeinsam bei einem zünftigen (wenn mitunter auch mit ungewöhnlichen<br />
Zutaten gespickten) Mahl im dortigen Gasthaus „Hexenhäusla“.<br />
Jugendherberge im Kornspeicher<br />
Frauenkirche
Sonntag, 25. Juli 2010<br />
Vladislav-Saal<br />
In aller Frühe ging es am nächsten Morgen mit dem Reisebus in<br />
Richtung ‚Praga aurea’, dem mit Spannung erwarteten Hauptziel<br />
unserer Exkursion. Um die Mittagszeit konnten wir unsere<br />
gemütliche Unterkunft auf der Kleinseite, zu Füßen des Hradschins<br />
beziehen und machten uns gleich am Nachmittag auf, auch diesen<br />
Gipfel und damit die Prager Burg zu erstürmen. Im Mittelpunkt<br />
stand, begleitet und kommentiert von den nächsten drei Referenten,<br />
neben einer Besichtigung der mittelalterlichen Burggebäude eine<br />
ausführliche Erkundung des Veitsdomes mit seinen Schätzen.<br />
Hostel am Malostr. nam.
Aufstieg zum Hradschin<br />
Montag, 26. Juli 2010<br />
Schon am nächsten Morgen standen wir wieder auf dem Gelände der Burg, wo uns<br />
an diesem Tag zwei ganz besondere Höhepunkte erwarteten: Aufgeteilt in zwei<br />
Gruppen machten wir uns zunächst auf, unter Führung des Reliquienexperten Dr.<br />
Karel Otavský die Schatzkammer des Veitsdoms zu besichtigen. Mit ehrfurchtsvoller<br />
Anspannung betraten wir die Sammlungsräume; gewahr, dass nicht jedem<br />
Sterblichen Einblick in diese heiligen Kammern gewährt wird. In den Vitrinen<br />
erwarteten uns Heiligenschädel, Knochen, Kreuzreliquien, reich geschmückte<br />
Reliquiare und andere verehrungswürdige Stücke, die wir mit Staunen und nicht<br />
ohne Verwunderung betrachteten; hatten wir in den Büchern schon so manches über<br />
Reliquien- und Heiligenkult gelesen, mit dieser ‚Naherfahrung’ konnte das<br />
Buchstabenwissen nicht mithalten. Herr Otavský war uns dabei mit seiner<br />
freundlichen Art und dem schier unerschöpflichen Wissensschatz eine große<br />
Bereicherung.<br />
Dennoch ein wenig erleichtert, dieser morbiden Atmosphäre letztlich<br />
wieder entkommen zu sein, freuten wir uns auf das nächste Highlight,<br />
eine Besichtigung des sonst ebenfalls nicht <strong>für</strong> Besucher zugänglichen<br />
Triforiums. Unter Führung von Dr. Milena Bravermannová spazierten wir<br />
zunächst, <strong>für</strong> uns ein ganz besonderes Vergnügen, an den verdutzten<br />
Schlangen wartender Touristen vorbei in den Dom, um dort dann, luftige<br />
Höhen erklimmend, den Laufgang im oberen Stockwerk der Kirche zu be-<br />
treten. Wer nicht ganz schwindelfrei war, hielt sich angstvoll am Geländer<br />
fest, der Rest genoss die Aussicht aus der ungewohnten Perspektive.<br />
Schatzkammer
Montag, 26. Juli 2010<br />
Nach den Ausführungen unserer beiden tschechischen Experten bereits<br />
völlig mit Informationen gesättigt, erwarteten uns, wieder unten<br />
angekommen, noch vor dem Mittagessen die nächsten drei Referate. Und<br />
da die studentische Aufnahmefähigkeit bekanntermaßen unerschöpflich ist,<br />
machten wir uns, nicht ohne zuvor den Statuen der Karlsbrücke „Dobrý<br />
den!“ gesagt zu haben, gleich am Nachmittag auf, den Altstädter Ring zu<br />
erkunden und das jüdische Viertel mit der Altneu-Synagoge zu besichtigen.<br />
Ein interessanter Abstecher, dessen Erlebniswert die noch heute hier<br />
ansässigen orthodoxen Juden durch ihre <strong>für</strong> uns exotisch anmutende<br />
Erscheinung zusätzlich steigerten.<br />
Im Centrum medievistických studií<br />
Blick von der Karlsbrücke zur Kleinseite<br />
Doch wer nun glaubt, dies sei <strong>für</strong><br />
einen Tag nun wirklich genug der Aktivität und<br />
Information, der unterschätzt die Zähigkeit von<br />
Mediävisten; im Schlepptau unserer Exkursionsleiter<br />
absolvierten wir auch noch den letzten Programmpunkt<br />
des Tages, einen Besuch im Centrum medievistickych<br />
studii, dem Prager Zentrum <strong>für</strong> Mittelalterforschung,<br />
wo wir von Herrn Václav Žůrek eine Einführung in die<br />
dortige Arbeit erhielten.
Dienstag, 27. Juli 2010<br />
Auch am nächsten Morgen folgten wir dem Beispiel des frühen Vogels und machten uns bereits um 8 Uhr mit<br />
dem Reisebus auf zur einige Kilometer entfernten Burg Karlstein. Dieses Schmuckstück, einst Karls des IV.<br />
persönliches Schatzkästchen, hatte früher u.a. als Aufbewahrungsort seiner umfangreichen<br />
Reliquiensammlung gedient. Am Fuße des Burgbergs vom Busfahrer abgesetzt, verschmähte ein Teil der<br />
Gruppe ganz unerwartet das sonst so beliebte Gipfelstürmen und verlegte sich auf eine bequeme Auffahrt per<br />
Pferdekutsche. Oben angekommen genossen wir wechselseitig die herrliche Sonne im Burghof, während der<br />
jeweils andere Teil der Gruppe das Innere der Burg besichtigte. Die Führung durch die kunstvoll mit<br />
Bemalungen geschmückten Gemächer gipfelte in einem Besuch der atemberaubend schönen<br />
Heiligkreuzkapelle, deren Anblick vielen von uns wohl als ewiges Souvenir in Erinnerung bleiben wird.<br />
Wieder zurück in Prag standen der Besuch des Karlshofes, des Emmausklosters und, trotz harter Konkurrenz<br />
durch den tschechisch-asiatischen Schwarzmarkt, auch ein Ausflug auf den Vyšehrad auf dem Programm. Es<br />
folgte ein wohl verdienter lauer Sommerabend bei leckerem tschechischem Bier.
Carolinum<br />
Bethlehemskapelle<br />
Mittwoch, 28. Ju li 2010<br />
Karlsplatz<br />
Unser letzter Tag in Prag begann mit einem Ausflug in die Neustadt und der<br />
Besichtigung des Karlsplatzes, nach der Mittagspause folgte ein geführter Besuch der<br />
Bethlehemskapelle, dem einstigen Wirkungsort von Jan Hus. Anschließend diente<br />
uns das Collegium Carolinum, historisches Hauptgebäude der Prager Universität, als<br />
Kulisse <strong>für</strong> weitere Referate. Es folgte ein Besuch der Nationalgalerie <strong>für</strong><br />
mittelalterliche Kunst, beheimatet im Agneskloster, bevor wir den Abend und<br />
gleichsam unseren Pragaufenthalt bei gemütlichem Beisammensein, böhm-<br />
ischer Küche und, wer es schon einmal gekostet hat wird es verstehen,<br />
tschechischem Bier, in einem urigen Altstadtlokal ausklingen ließen.<br />
Hus-Denkmal auf dem Altstädter Ring
Schweren Herzens trennten wir uns am nächsten Morgen,<br />
kehrten, im Bewusstsein erst einen Bruchteil ihrer Schätze<br />
gesehen zu haben, der goldenen <strong>Stadt</strong> an der Moldau den<br />
Rücken, und machten uns auf in Richtung Görlitz. Nicht jedoch,<br />
ohne einen Zwischenstopp zur Besichtigung von Burg Oybin,<br />
einem weiteren Kleinod, einzulegen. Das hier einstmals<br />
beheimatete Cölestinerkloster war von Karl IV. gestiftet<br />
worden. Abermals machten wir uns auf, einen Burgberg zu<br />
erklimmen, und wurden belohnt durch eine geradezu<br />
märchenhaft anmutende Kulisse; nicht ohne Grund haben<br />
diese Ruinen Romantikern wie Caspar David Friedrich einst als<br />
Motiv gedient.<br />
Donnerstag,<br />
29. Juli 2010<br />
Klosterkirche Oybin<br />
Weiter ging es schließlich zu unserem vorläufig letzten Ziel, dem an der polnischen Grenze gelegenen Görlitz,<br />
wo wir in einem Lehrlingswohnheim untergebracht waren. Hier besichtigten wir den, wenn auch thematisch<br />
nicht mit Karl IV. verbundenen, dennoch unbedingt sehenswerten Nachbau des Heiligen Grabes, der einst von<br />
Heiliglandpilgern errichtet worden war, bevor wir den Tag mit einem letzten gemeinsamen Abend beschließen<br />
konnten. Dabei stellten uns zunächst das wechselhafte Wetter und die automatisch-abendliche Türschließung<br />
des Lehrlingswohnheims wie die mangelhaft ausgestatte Küche desselben vor diverse Herausforderungen.<br />
Letztlich jedoch ging alles glatt; die Sonne brach durch die Wolken, das Wetter hielt und sowohl Grillfleisch als<br />
auch Kohle und Plastikbesteck waren rasch besorgt; einem gemütlichen Exkursionsausklang schien nichts mehr<br />
entgegen zu stehen. – Doch diese Rechnung hatten wir ohne die Wirte gemacht, denn unsere Exkursionsleiter,<br />
Herr Bauch und Herr Schenk, bestanden beharrlich auf dem zuvor bereits angedrohten Quiz zur Überprüfung<br />
des studentischen Fachwissens. Oh Heulen und Zähneklappern! Aber unerwarteterweise zeigte sich:<br />
Unterschätz den Humor des Mediävisten nicht! - Beim fröhlichen „Wer wird Imperator?“ waren alle Ängste<br />
schnell vergessen und die aus dem Kreise der Kur<strong>für</strong>sten zuvor erwählten Thronanwärter kämpften mit Hilfe<br />
der „Lieben Getreuen“ tapfer um die Kaiserwürde.<br />
Heiliges Grab
Freitag, 30. Juli 2010<br />
<strong>Stadt</strong>führung<br />
Görlitz<br />
Doch auch <strong>für</strong> Kaiser und Gefolge gab es kein Erbarmen; am<br />
nächsten Morgen in aller Frühe hieß es, in die<br />
Jugendherberge pilgern, wo wir uns beim Frühstück <strong>für</strong> die<br />
letzten beiden Programmpunkte stärken konnten: Geführt<br />
von Gregor Metzig, einem einheimischen Experten,<br />
besichtigten wir nicht nur die Görlitzer Altstadt, sondern<br />
wagten auch einen Abstecher über die Neiße ins<br />
benachbarte Polen, bevor uns der Leiter des <strong>Stadt</strong>archivs,<br />
Siegfried Hoche, mit den dortigen Schätzen bekanntmachte.<br />
Schließlich traten wir erschöpft die Zugfahrt nach Hause an;<br />
müde und glücklich, nach einer anstrengenden wie<br />
spannenden und erlebnisreichen Exkursion.<br />
Ratsarchiv Görlitz
Große Exkursion des<br />
<strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> <strong>Geschichte</strong><br />
im Juli 2010<br />
Text: Annabell Engel<br />
Fotos: v.a. Sebastian Keller<br />
Layout: Martin Bauch