03.11.2014 Aufrufe

Die Geschichte der Tabelle 1 - Schulformdebatte.de

Die Geschichte der Tabelle 1 - Schulformdebatte.de

Die Geschichte der Tabelle 1 - Schulformdebatte.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

„Leistungsentwicklung“ ist hier ein Tauschwort für „Leistungsför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung“. Der Begriff „Leistungsausgleich“<br />

meint die Verringerung <strong>de</strong>s Abstan<strong>de</strong>s zwischen <strong>de</strong>m oberen Leistungsfeld und <strong>de</strong>m unteren<br />

Leistungsfeld. Er wird in <strong><strong>de</strong>r</strong> Fachsprache „Streuung“, „Varianz“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Divergenz“ genannt.<br />

<strong>Die</strong> Vereinbarkeit von Leistungsför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung und Leistungsausgleich ist das zentrale Problem je<strong>de</strong>n<br />

Unterrichts. Es geht darum, „Leistungsunterschie<strong>de</strong> zwischen Schülern ausgleichen zu wollen, ohne<br />

zugleich leistungsstärkere Schüler zu benachteiligen“ (Baumert u.a., 1986, S.639). Und genau dies<br />

ist das Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesamtschulen und aller an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Organisationsformen <strong>de</strong>s Unterrichtes, in<br />

<strong>de</strong>nen über <strong>de</strong>n 4. Jahrgang hinaus in undifferenzierten Lerngruppen unterrichtet wird.<br />

<strong>Die</strong> wichtigste Auskunft zur Vereinbarkeit von Leistungsför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung und Leistungsausgleich war<br />

die, dass es schon am Gymnasium für eine erfolgreiche Leistungsför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>utliche Grenzen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Heterogenität gibt. Am effektivsten ist dort jener Unterrichtsstil, <strong>de</strong>ssen Merkmale „ein hohes Anspruchsniveau<br />

und ein zügiges Fortschreiten im Stoff“ sind (Baumert u.a. 1986, S.655).<br />

Wenn jedoch in einer Klasse die Unterschie<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorkenntnisse und <strong><strong>de</strong>r</strong> Begabungen allzu groß<br />

sind, dann zwinge das die Lehrer zu einer Verlangsamung <strong>de</strong>s Unterrichtstempos sowie zu verstärktem<br />

Üben und Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holen.<br />

„<strong>Die</strong>se repetitive Unterrichtsführung nützt wi<strong><strong>de</strong>r</strong> Erwarten Schülern mit ungünstigen Eingangsbedingungen<br />

nur wenig, während die Lernfortschritte <strong><strong>de</strong>r</strong> Schüler <strong>de</strong>s oberen Leistungsdrittels merklich<br />

beeinträchtigt wer<strong>de</strong>n.“ (Baumert u.a. 1986, S.655)<br />

„In nach Leistungsgruppen getrennten Analysen konnte gezeigt wer<strong>de</strong>n, dass bei streuungsverringern<strong>de</strong>m<br />

Unterricht erhebliche Einbußen im Lernfortschritt <strong>de</strong>s oberen Leistungsdrittels relativ<br />

schmalen Gewinnen im unteren Leistungsdrittel gegenüberstehen.“ (Baumert u.a. 1986, S.654)<br />

Fazit: Vergleiche „vergleichbarer“ Schüler haben also gezeigt: Jener Unterrichtsstil, <strong>de</strong>ssen Merkmale<br />

„ein hohes Anspruchsniveau und ein zügiges Fortschreiten im Stoff“ sind, bringt <strong>de</strong>n höchsten „Lernzuwachs“.<br />

Ein Unterricht aber, <strong><strong>de</strong>r</strong> auf Leistungsausgleich angelegt ist o<strong><strong>de</strong>r</strong> - wie an Gesamtschulen - auf<br />

Leistungsausgleich angelegt sein muss, geht stets zu Lasten <strong><strong>de</strong>r</strong> leistungsstärkeren Schüler. Er bringt<br />

keine so großen Vorteile für die leistungsschwächeren Schüler, dass <strong>de</strong>swegen eine Benachteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

leistungsstärkeren Schüler verantwortet wer<strong>de</strong>n könnte.<br />

„Selbst unter <strong>de</strong>n günstigen Bedingungen <strong>de</strong>s Gymnasiums ist es eine schwierige Aufgabe, eine<br />

befriedigen<strong>de</strong> Balance zwischen optimaler För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung und Leistungsausgleich zu fin<strong>de</strong>n. Sie wird<br />

nur von einer Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehrer wirklich bewältigt.“ (Roe<strong><strong>de</strong>r</strong>/Sang 1991, S.164)<br />

Weitere Informationen, zum Beispiel zum Thema „Binnendifferenzierung“, sind zu fin<strong>de</strong>n auf<br />

www.schulform<strong>de</strong>batte.<strong>de</strong> unter „MPIB-Projekte“: MPIB-Projekt „Hauptschule/Gesamtschule“.<br />

Mit ihrem Aufsatz „Über die institutionelle Verarbeitung von Leistungsunterschie<strong>de</strong>n“ von 1991<br />

liefern Roe<strong><strong>de</strong>r</strong> und Sang eine genauere Erklärung, warum es schon in Gymnasialklassen bei allzu<br />

großer Heterogenität zu einer Verlangsamung <strong>de</strong>s Lerntempos kommt. Sie verweisen dazu auf eine<br />

schwedische Untersuchung von Ulf P. Lundgren zur Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> so genannten „Steuerungsgruppe“.<br />

Lundgren ist ein schwedischer Experte für die Rahmenbedingungen <strong>de</strong>s Unterrichtens („frame<br />

factors“) und Professor an <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Uppsala.<br />

Lehrer orientieren sich, so fand Lundgren heraus, in ihrem Unterrichtsverhalten „in vieler Hinsicht<br />

an einer Gruppe von Schülern, die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Intelligenzverteilung innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Klasse zwischen <strong>de</strong>m<br />

10. und <strong>de</strong>m 25. Perzentil angesie<strong>de</strong>lt sind.“ <strong>Die</strong> „Steuerungsgruppe“ rangiert also in <strong><strong>de</strong>r</strong> oberen<br />

Hälfte <strong>de</strong>s untersten Viertels (Roe<strong><strong>de</strong>r</strong>/Sang, S.163).<br />

„<strong>Die</strong>se Beobachtung impliziert, dass die Lehrer ihre Aufmerksamkeit auf die Schüler konzentrieren,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>en Leistungen zumeist <strong>de</strong>utlich unter <strong>de</strong>m Durchschnitt liegen. Ihnen ist es wichtiger, dass<br />

im Unterricht niemand auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Strecke bleibt, als die ohnehin leistungsstarken Schüler ihren Möglichkeiten<br />

entsprechend zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Zu erwarten wäre also eine Angleichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schülerleistungen<br />

in diesen Klassen, wobei die Reduktion <strong><strong>de</strong>r</strong> Leistungsvarianz auf Kosten <strong><strong>de</strong>r</strong> leistungsstarken Schüler<br />

erreicht wird. <strong>Die</strong>se Erwartung wird durch eine ältere Untersuchung <strong>de</strong>s MPIB bestätigt (Baumert,<br />

Roe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Sang & Schmitz, 1986).“ (Roe<strong><strong>de</strong>r</strong>/Sang 1991, S.163; es ist dies <strong><strong>de</strong>r</strong> bereits erwähnte<br />

Aufsatz über Leistungsför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung und Leistungsausgleich in Gymnasialklassen.)<br />

2

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!