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Projekte des Max-Planck-Institutes für Bildungsforschung (MPIB) im ...

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<strong>Projekte</strong> <strong>des</strong> <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institutes</strong> für <strong>Bildungsforschung</strong> (<strong>MPIB</strong>)<br />

<strong>im</strong> Überblick<br />

Wir behaupten,<br />

dass alle wichtigen Erkenntnisse der deutschen <strong>Bildungsforschung</strong> zu den Nachteilen einer<br />

späten, erst mit dem 7. Jahrgang einsetzenden Differenzierung in der Fachliteratur schon<br />

längst vorliegen und dass diese Erkenntnisse mit den Daten der drei PISA-Studien bestätigt,<br />

aktualisiert und breitenwirksam bekannt gemacht werden könnten.<br />

Es gibt aus dem Raum der <strong>Bildungsforschung</strong> keine einzige ernst zu nehmende, empirisch<br />

abgesicherte Auskunft zu den Vorteilen der erst <strong>im</strong> 7. Jahrgang einsetzenden Differenzierung.<br />

Auch jene in diesen Zusammenhängen oft zitierte Bemerkung, die Fragen der Schulstruktur<br />

seien „mit wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht entscheidbar - weder in die eine noch in<br />

die andere Richtung“, steht in offenem Widerspruch zu bereits vorliegenden, repräsentativen<br />

Befunden der Lehr- und Lernforschung.<br />

Zur Bestätigung unserer Behauptungen nachfolgend eine zusammenfassende Darstellung<br />

von Ergebnissen aus vier Studien <strong>des</strong> <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institutes</strong> für <strong>Bildungsforschung</strong> (<strong>MPIB</strong>)<br />

und von Ergebnissen aus der PISA-Studie <strong>des</strong> Jahres 2000, deren Federführung be<strong>im</strong> <strong>MPIB</strong><br />

lag, sowie von weiteren Veröffentlichungen der empirischen <strong>Bildungsforschung</strong>.<br />

Das <strong>MPIB</strong>-Projekt „Schulleistung“ (1968-1970) wurde durchgeführt mit mehr als 12.000 Gymnasiasten<br />

in den zehn Ländern der damaligen Bun<strong>des</strong>republik und in West-Berlin. Gegenstand: Die „Determinanten<br />

von Leistung in der Schule“. Erste Veröffentlichungen zu dieser Problematik: 1986 und<br />

1991. Ergebnis: Wenn bei den Schülern die Unterschiede der Vorkenntnisse und Begabung allzu<br />

groß sind, sinkt - zumin<strong>des</strong>t in Deutschland - schon am Gymnasium die Effektivität <strong>des</strong> Unterrichtens.<br />

Es zeigten sich also bereits damals bezüglich der Zusammensetzung von Klassen deutlich<br />

erkennbare Grenzen der Heterogenität. Die Konsequenz: „Frühe Differenzierung fördert leistungsstarke<br />

Schüler.“ (Köller/Baumert 2002)<br />

Zu diesem Projekt gibt es bisher leider keinen zusammenfassenden Abschlussbericht.<br />

Das <strong>MPIB</strong>-Projekt „Hauptschule/Gesamtschule“ (1980) wurde durchgeführt an fünf Berliner<br />

Hauptschulen und fünf Berliner Gesamtschulen. Gegenstand: Möglichkeiten und Grenzen der Binnendifferenzierung<br />

in undifferenzierten Klassen. Erste Veröffentlichungen zu diesem Thema: 1997.<br />

Ergebnis: In leistungsheterogenen Klassen weiterführender Schulen können die Probleme der unterschiedlichen<br />

Lernvoraussetzungen durch Binnendifferenzierung nicht bewältigt werden. Sie taugt<br />

nicht als Alternative zur äußeren Differenzierung in Kursen oder Klassen (Roeder 1997).<br />

Auch zu diesem Projekt gibt es bisher keinen zusammenfassenden Abschlussbericht.<br />

Die <strong>MPIB</strong>-Studie „Der vorzeitige Abgang vom Gymnasium“ (1995) wurde durchgeführt auf der<br />

Grundlage von mehr als 900 Schülerakten. Gegenstand: Die Qualität <strong>des</strong> Grundschulgutachtens,<br />

dargestellt anhand der weiteren schulischen Entwicklung von Sitzenbleibern und Schulformwechslern.<br />

Ergebnis: Die Zeugnisnoten <strong>des</strong> 4. Jahrgangs und das Grundschulgutachten haben - anders als<br />

<strong>im</strong>mer wieder behauptet wird - einen sehr hohen Vorhersagewert. Das gilt für die Nicht-Eignung<br />

ebenso wie für die Eignung.<br />

Die Studie liegt nur als Manuskript vor und ist seit einiger Zeit <strong>im</strong> Internet abzurufen.<br />

Das <strong>MPIB</strong>-Projekt „Bildungsverläufe und psychosoziale Entwicklung <strong>im</strong> Jugendalter (BIJU)“<br />

(1991-2001) wurde gestartet als Längsschnitt-Analyse und als „Teilwiederholung“ <strong>des</strong> <strong>MPIB</strong>-<br />

<strong>Projekte</strong>s „Schulleistung“ mit etwa 9.000 Schülern, diesmal nur in vier Bun<strong>des</strong>ländern (Nordrhein-<br />

Westfalen, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt), aber an allen Schulformen.<br />

Gegenstand: Die Entwicklung der schulischen Leistungen, <strong>des</strong> Selbstwertgefühls und <strong>des</strong> Sozialver-


haltens unter verschiedenen schulischen Bedingungen. Ausführlichere Veröffentlichungen aus dem<br />

<strong>MPIB</strong>-Projekt „BIJU“ existieren bisher nur für die Mittelstufen und Oberstufen von Schulen in Nordrhein-Westfalen.<br />

Ergebnis: Nicht nur Gymnasiasten, sondern auch Realschüler profitieren von der<br />

frühen, mit dem 5. Jahrgang einsetzenden Differenzierung nach Schulformen. Am Ende <strong>des</strong><br />

10. Jahrgangs haben sie gegenüber gleich begabten Gesamtschülern „einen Wissensvorsprung von<br />

etwa zwei Schuljahren“. Gymnasiasten haben dann gegenüber gleichbegabten Gesamtschülern sogar<br />

einen Wissensvorsprung „von mehr als zwei Schuljahren“ (Köller/Baumert 1998). Dieser Abstand<br />

bleibt bis zum Ende <strong>des</strong> 13. Jahrgangs bestehen. Er entspricht der Differenz von zwei Notenstufen<br />

der in den Oberstufen von Gymnasien üblichen Zensierung (Köller/Baumert/Schnabel 1999).<br />

Auch zu diesem Projekt gibt es keinen alle wichtigen Ergebnisse zusammenfassenden Abschlussbericht.<br />

Der „für ein breiteres Publikum gedachte <strong>des</strong>kriptive Bericht über die schulischen Entwicklungsverläufe“<br />

wurde von Jürgen Baumert und Olaf Köller in „Pädagogik“ 6/1998 (S.13) bereits zum<br />

Jahresende 1998 angekündigt. Aber diese Zusammenfassung von BIJU-Befunden ist auch nach<br />

zehn Jahren <strong>im</strong>mer noch nicht veröffentlicht worden.<br />

Ergebnisse aus dem 4. Berichtsband zu PISA 2000-E (PISA 2000/06): Die „Vertiefenden Analysen<br />

zu PISA 2000“ (Baumert/Stanat/Watermann 2006) haben gezeigt: In etlichen Bun<strong>des</strong>ländern<br />

wurde die Hauptschule das Opfer der 1969 eingeleiteten Änderungen <strong>des</strong> Schulwesens. Das gilt<br />

nicht für jene Bun<strong>des</strong>länder, die am gegliederten Schulsystem strikt festgehalten haben: Bayern, Baden-Württemberg<br />

und in Grenzen Rheinland-Pfalz. Hier behielten die Hauptschulen (und die Realschulen)<br />

ihr hohes integratives Potential. „Das Resultat dieser Analysen ist eindeutig: Durch die Einführung<br />

und den Ausbau von Integrierten Gesamtschulen neben den Schulformen <strong>des</strong> gegliederten<br />

Systems entsteht eine Konkurrenzsituation, in der es nur Verlierer gibt.“ (Baumert u.a., 2006, S.168)<br />

Eine Koexistenz von integrativen Schulformen und Schulen <strong>des</strong> gegliederten Systems ist daher<br />

bildungspolitisch nicht mehr zu verantworten.<br />

Die „Vertiefenden Analysen“ haben weiterhin gezeigt: Schulformvergleiche sind offensichtlich das<br />

große Tabu der deutschen <strong>Bildungsforschung</strong> und der deutschen Bildungspolitik. Denn mit Hilfe der<br />

bereits verfügbaren PISA-Daten zum Mittelwert der sozialen Herkunft und zur „mittleren kognitiven<br />

Grundfähigkeit“ von jeweils etwa 30.000 Neuntklässlern hätten die bereits vorliegenden Erkenntnisse<br />

der <strong>Bildungsforschung</strong> zum höheren Fördereffekt <strong>des</strong> mit dem 5. Jahrgang einsetzenden, mehrgliedrigen<br />

Schulwesens ohne größeren Aufwand bestätigt, aktualisiert und breitenwirksam bekannt gemacht<br />

werden können. Das ist nicht geschehen.<br />

Es fehlen ausführlichere Untersuchungen zur Situation leistungsschwächerer Schüler.<br />

Frühere Untersuchungen haben – allemal vor 1984 - gezeigt: Auch die leistungsschwächeren Schüler<br />

können in den undifferenzierten 5. und 6. Jahrgängen sechsjähriger Grundschulen nicht ihren<br />

Möglichkeiten entsprechend gefördert werden. Hinzu kommt, dass sie dort durch den Bezugsgruppen-Effekt<br />

hohen psychischen Belastungen ausgesetzt sind, die ihren Altersgenossen an den<br />

Hauptschulen erspart bleiben. „Die Hauptschule hat eine selbstwertschützende Funktion.“(TIMSS<br />

1997) Mit den Daten <strong>des</strong> <strong>MPIB</strong>-<strong>Projekte</strong>s „BIJU“ sind solche Untersuchungen möglich. Eine sehr<br />

aufwendige <strong>MPIB</strong>-Studie zu der Frage, wie sich die Leistungen und das Selbstwertgefühl von leistungsstarken<br />

Schülern in leistungsstarken Gymnasialklassen entwickeln, gibt es bereits. Auch mit<br />

den Daten der etwa 10000 Schüler aus der Längsschnitt-Analyse PISA-E-Plus 2003 sind derartige<br />

Untersuchungen möglich.<br />

Weiterführende Überlegungen: Der mühsam errungene We<strong>im</strong>arer Schulkompromiss von 1920 hat<br />

sich als ein guter Kompromiss erwiesen. Kommentar eines ehemaligen Kultusministers zu den ab<br />

1969 eingeführten Änderungen in den Schulsystemen der Bun<strong>des</strong>länder: „Wenn wir damals schon<br />

gewusst hätten, was wir heute wissen, dann hätten wir das alles nicht gemacht.“

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